Wortbildung in gesprochener Sprache I: Die Substantiv-, Verb- und Adjektiv-Zusammensetzungen und -Ableitungen im "Häufigkeitswörterbuch gesprochender Sprache". Erster Hauptteil: Substantiv [Reprint 2015 ed.] 9783110916041, 9783484240124


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German Pages 331 [332] Year 1984

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Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort des Herausgebers
Abkürzungen
EINLEITUNG
ERSTER HAUPTTEIL: SUBSTANTIV. Teil 1. Rainer Graf: Substantiv-Komposition
Zur Bedeutungskonstitution von Komposita
I. Selbstverständliche Komposita
II. Pragmaverständliche Komposita
III. Besondere Aspekte
IV. Nicht behandelte Bildungen (§182)
ERSTER HAUPTTEIL: SUBSTANTIV. Teil 2. Bernhard Gersbach: Substantiv-Derivation
Vorbemerkungen
A. Morphologischer Teil
B. Semantischer Teil
C. Nicht behandelte Lemmata
Literaturverzeichnis
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Wortbildung in gesprochener Sprache I: Die Substantiv-, Verb- und Adjektiv-Zusammensetzungen und -Ableitungen im "Häufigkeitswörterbuch gesprochender Sprache". Erster Hauptteil: Substantiv [Reprint 2015 ed.]
 9783110916041, 9783484240124

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IDIOMATICA Veröffentlichungen der Tübinger Arbeitsstelle »Sprache in Südwestdeutschland« In Verbindung mit Hermann Bausinger, Otmar Werner und Eberhard Zwirner herausgegeben von Arno Ruoff 12. Band

Bernhard Gersbach • Rainer Graf

Wortbildung in gesprochener Sprache Die Substantiv-, Verb- und AdjektivZusammensetzungen und -Ableitungen im „Häufigkeitswörterbuch gesprochener Sprache" Band I

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1984

Rainer Graf: Einleitung Erster Hauptteil: Substantiv Teil 1 Rainer Graf: Substantiv-Komposition Teil 2 Bernhard Gersbach: Substantiv-Derivation

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Gersbach, Bernhard: Wortbildung in gesprochener Sprache : d. Substantiv-, Verb- u. Adjektiv-Zusammensetzungen u. -Ableitungen im „Häufigkeitswörterbuch gesprochener Sprache" / Bernhard Gersbach ; Rainer Graf. - Tübingen : Niemeyer NE: Graf, Rainer: Bd. 1 (1984). (Idiomatica ; Bd. 12) NE: GT ISBN 3-484-24012-1 ISSN 0344-6719 © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1984 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany Druck und Einband: Allgäuer Zeitungsverlag GmbH, Kempten (Allgäu)

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort des Herausgebers Abkürzungen

Seite XV XVIII

EINLEITUNG

1 Zweiseitiger Charakter der Wortbildungen (§1), in trad. Grammatik in eigener Teildisziplin behandelt (§2), in mod. Grammatik „transformationalistische" vs. „lexikalistische" Hypothese (§3) mit primär giammatiktheoretischem Interesse (§4); vorl. Untersuchung nicht selektiv (§5), nicht rein syntaktisch (§ 6) und nicht generativ (§7) auf Basis eines vollständig erfaßten Korpus (§8); Beschreibung erfaßt .Bildungssemantik', nicht Wortsemantik (§9); Wortbildungskomponente im gesamtgrammatischen Zusammenhang (§10); das Korpus (§11), dessen besondere Merkmale (§ 12); Vergleich mit dem Korpus der Innsbrucker Wortbildungsuntersuchungen des IdS (§13); angestrebte Vergleichbarkeit beider Untersuchungen (§14); grundsätzliche Zuordnungsentscheidungen (§15)

ERSTER HAUPTTEIL: SUBSTANTIV

23

Teil 1: Substantiv-Komposition

23

Zur Bedeutungskonstitution von Komposita

25

Bedeutung eines Komp. auf Ebene des Systems und Ebene der Verwendung (§1) und prinzipielle Mehrdeutigkeit von Kompp. (§2); bestimmte Bedeutung bereits auf Ebene des Systems möglich: „selbstverständliche" Kompp. (§3) oder erst durch Sachwissen zugewiesen; „pragmaverständliche" Kompp. (§4); terminologische Festlegung von „selbst-" und „pragmaverständlich" (§5); „selbstverständliche" Bedeutung sprachlogisch früher (§6) und wohl auch psychologisch primär (§7); Kompp. auf verschiedene Arten nicht-eindeutig (§8), präzise vs. vage Bedeutung und semantische Unbestimmtheit vs. kommunikative Unterbestimmtheit (§9); Dekodierungsmodell fiir Kompp. (§10) als Auswahlprozedur möglicher Bedeutungen (§11); zur Hierarchisierung von Bedeutungsbeziehungen (§12); Vergleich mit den Untersuchungsansätzen KÜRSCHNERS und FANSELOWs (§13)

I.

Selbstverständliche Komposita

45

Realisierungsmöglichkeiten der Selbstverständlichkeit (§ 14)

1. Objekt-Determination

45

Erstglied bezeichnet Objekt = Ziel eines ,Tuns' (§15), Unterscheidung der Objekt-Relation von Tiefenkasus „OBJ (Objektiv)" bei KÜRSCHNER und FILLMORE (§16), Tiefenkasus „OBJ" und „AG (Agens)" und traditionelles „Objekt" und „Subjekt" (§17) a) Erstglied ist direktes Objekt

48

Bedingungen (§ 18) 0 (neutr.) 8+(§463), g) BVerb-nis 2 (§464), h)BVerb-(er)ei 5 (§465), i) BVerb-age 2+ (§466), j) Zusammenfassung(§§467-468)

XV.

3. Zusammenfassung zu den Objektbezeichnungen ( § 4 6 9 )

284

Instrumentativa

284

Vorbemerkungen (§470)

1. Primäre Instrumentativa

285

a) BVerb(+SV)-er 2 (§471), b) BVerb-e (fem.) 2 (§472), c) Ge-BVerb(+SV)-0/-e 5 (§473), d) BVerb(+SV)-el 2 (§474), e) BVerb-(at)or 2 (§475), f) Zusammenfassung (§§476-477)

2. Sekundäre Instrumentativa

287

a) BVerb(+SV)-ung 4 (§478), b) BVerb(+SV)-0 (mask.) 4 (§479), c) BVerb-(at)ion4 (§480), d) Zusammenfassung(§§481-482)

XVI.

3. Zusammenfassung zu den Instrumentativa (§§483-485)

288

Locativa

289

Vorbemerkungen (§486)

1. Primäre Locativa mit einem Verb als Basis a) BVerb(+SV)-e (fem.) 6 (§487), (§489)

290

b) BVerb-(er)ei 3+ (§488), c) Zusammenfassung

2. Sekundäre Locativa mit einem Verb als Basis

290

a) BVerb(+SV)-0 (mask.) 2 (§490), b) BVerb-ung 7 (§491), c) Ge-BVerb-0/-e 8+ (§492), d) BVerb-(at)ur 2+ (§493), e) Zusammenfassung (§§494-495)

3. Zusammenfassung zu den deverbalen Locativa ( § 4 9 6 )

292

4. Locativa mit einem Substantiv als Basis

293

Vorbemerkungen (§497); a) BSubst.-(er)ei 4+ (§498), c) BSubst.-(i)at 3 (§500), d) BSubst.-(er)ei 8 (§501)

b) BSubst.-tum 3 (§499),

5. Zusammenfassung zu den desubstantivischen Locativa (§ 502)

294

6. Doppelt motivierte Locativa

295

Vorbemerkungen (§503); a) BVerb/Subst.-(er)ei 9+ (§504)

XVII.

7. Zusammenfassung zu den Locativa (§§ 505-506)

296

Kurzformen

296

Vorbemerkungen (§507)

XIII

1. Deverbale Kurzformen

Seite 297

a) BVerb-e (fem.) 8+ (§508)

2. Desubstantivische Kurzformen

297

a) BSubst.-er 12+ (§509)

XVIII. Verwandtschaftbezeichnungen

298

a) Ur-BSubst. 3+ (§510)

XIX.

Bezeichnung des nicht Verwertbaren

298

a) Ab-BSubst. 1+ (§511)

XX.

Zusammenfassung zum semantischen Teil (§ 512)

298

XXI.

Restgruppen

301

Vorbemerkungen (§513); Ge-BSubst.(+SV)-0/-e 7+, Ge-BVerb-sel 1+(§514); BVerb-e (mask.) 10t, BVerb-e (neutr.) 11+ (§515); BSubst.-ent (-ant) 4+ (§516); BVerb-er 14+ (§517); BSubst.-(er)ei 10+ (§518); BAdj.-heit 8+, BSubst.-heit 9+ (§519); BVerb-ik (fem.) 5+, BAdj.-ik (mask.) 6+ (§520); BAdj.-ist 5+ (§521); BZw.-ling 7 (§522); BPart.(+SV)-nis 6 + ( § 5 2 3 ) ; BVerb-schaft 6+, BPart.-schaft 7+, BVerb/Subst.-schaft 8+ (§524); BAdj.-tum 6+, BAdj.-ung 9+ (§525); BVerb-0 (fem.) 10+ BVerb(+SV>0 (neutr.) 11+(§526); BVerb-är, BVerb-(i)um, BSubst.-(at)ur 3+(§527); BVerb(+SV>(s)t/d(e) (mask.) 2+, BVerb-(s)t/d(e) (fem.) 3+, BVerb(+SV)-(s)t/d(e) (fem.) 4+(§528)

C. Nicht behandelte Lemmata

305

Vorbemerkungen (§529)

1. Substantivierungen

305

substantivierter Infinitiv (neutr.) (§530), substantivierter Infinitiv(mask./fem.)(neutr.) (§531), substantivertes Adjektiv (mask.)(fem.)(neutr.) (§532), substantiviertes Partizip II (mask.)(neutr.) (§533), substantivertes Partizip I (mask.)(neutr.) (§534), BAdj.-O (mask.)(neutr.) (§535), BAdj.-sein (§536), BAdvb.-sein (§537), weitere Substantivierungen (§538)

2. „Zusammenhang" (§539)

307

3. Idiomatisierte Lemmata (§540)

308

Literaturverzeichnis Wortregister im Band II

XIV

311

VORWORT DES HERAUSGEBERS

Seit JACOB GRIMM die Wortbildungslehre in die Grammatik aufgenommen hat, gehören ihre Probleme zu den spannendsten in der Germanistik, seither wurden aber auch öfters systematische Darstellungen unternommen, deren sprachhistorisch diachronischer Aspekt bald dem synchronischen Platz gab, und deren Blick gelegentlich über die schriftsprachlichen Formen hinausging zu gesprochenen, so etwa bei WALTER HENZEN durch die Aufnahme mundartlicher Belege. Zahlreichen wichtigen Einzeluntersuchungen verschiedener Autoren der letzten Jahrzehnte folgt derzeit die von JOHANNES ERBEN initiierte umfassende Bestandsaufnahme und Bearbeitung der „Deutschen Wortbildung" durch die Innsbrucker Außenstelle des Instituts für deutsche Sprache. Dieses noch nicht abgeschlossene Unternehmen war mit ein Anlaß dafür, daß auch im Rahmen der Untersuchungen der Tübinger Arbeitsstelle „Sprache in Südwestdeutschland" (TA) ein Wortbildungsprojekt begonnen wurde. Wir sind der Deutschen Forschungsgemeinschaft sehr dankbar dafür, daß sie uns die Möglichkeit gab, den Innsbrucker Forschungen an einem sehr großen Fundus vorherrschend geschriebener Sprache die Analyse eines Korpus gesprochener Sprache zur Seite zu stellen. Das Innsbrucker Material ist wesentlich umfangreicher als das unsere, besonders hinsichtlich der Fülle oft abseitiger, aber eben irgendeinmal auftauchender Belege. Der Innsbrucker Arbeitsgruppe standen dafür wesentlich mehr Zeit und Mittel für die Bearbeitung zur Verfügung als uns, wobei hier schon dankbar zu vermerken ist, daß deren Vorarbeiten uns viel Zeit - und der DFG viel Geld - gespart haben. Neben dem Innsbrucker Projekt gab uns ein eigenes den Anstoß zu unserer Wortbildungsuntersuchung, nämlich das Häufigkeitswörterbuch gesprochener Sprache (HGS). Dieses beruht auf Transkriptionen unserer Tonbandaufnahmen und den daraus vollständig exzerpierten Belegen aller Wortarten. Ein Fünftel des Gesamtmaterials der TA, nämlich 500000 Wörter, bilden das HGS-Korpus. Es repräsentiert die heute in Baden-Württemberg gesprochene Sprache, darf aber gewiß weithin überlandschaftlich stellvertretend für deutsche Alltagssprache allgemein gelten. An diesem Korpus von 500000 Belegwörtern, die sich auf 15676 Stichwörter sehr unterschiedlich verteilen, konnten wir nicht nur alle üblicherweise vorkommenden Wortbildungsmuster analysieren, sondern auch die Bedeutung jedes einzelnen Musters im System dadurch feststellen, daß wir die genaue Anzahl sowohl der Lemmata als auch der Belege wissen, die jedem Muster zuzuordnen sind. Die Wichtigkeit von Häufigkeitsangaben zeigt schon allein der Anteil der Wörter, an denen Wortbildungsvorgänge festXV

zustellen sind, am Gesamtkorpus: von den 500000 Belegen des HGS sind nur ca. 15% betroffen, aber von den 15676 Lemmata sind nicht weniger als 10973 „gebildete Wörter", also genau 70% (gegen 75% bei Substantiven und Verben, über 50% bei den Adjektiven)! Augenfällig wird diese Diskrepanz am Beginn der Substantiv-Frequenzliste des HGS (S.354): die extrem häufig belegten Wörter sind alle Simplizia, vollends noch kurze (mundartlich) einsilbige, und auch unter den sehr häufigen überwiegen diese bei weitem. Ein solches Bild war freilich zu erwarten, unerwartet war für uns aber der ungemein hohe Anteil der durch Komposition und Derivation entstandenen Wörter am Alltagslexikon. Diese Tatsache bedeutete zugleich einen außerordentlichen Arbeitsaufwand, da eben fast drei Viertel der Einträge des HGS zu untersuchen waren. Die knappen Bedeutungsangaben des HGS reichten oft nicht zur Bestimmung von Wortbildungsgruppe und semantischer Klasse aus. In sehr vielen Fällen mußten die Bearbeiter deshalb zum Text zurückgehen, was in diesem Umfang überhaupt nur durch die bei der Anlage des HGS hergestellten Referenzlisten möglich war. Dabei kam es natürlich vor, daß im HGS doppelt angesetzte Lemmata (Homogramme) unter den Gesichtspunkten der Wortbildung in einen Eintrag zusammenfielen, andere aber nach feiner differenzierenden Bedeutungsangaben auseinandergenommen werden mußten. Auch die (sehr wenigen) Fehler des HGS traten zutage: das Hapaxlegomenon Heuroden erwies sich nicht als besonders mühselige Form des Grasmähens, sondern als falsche Umsetzung des vorgefundenen Transkripts in die normalisierte Form; sie hätte Heiraten heißen müssen. Vom Adjektiv alttraurig haben wir noch schmerzlicher Abschied genommen, zumal es ein apartes unter den recht spärlichen Adjektiv-Komposita darstellte; es kam aber nur durch fehlendes Blankzeichen bei der EDV-Eingabe zum HGS zustande, im Text standen nur nacheinander die zwei simplen Adjektive alt und traurig. Gleich zu Beginn unserer Arbeit haben wir Kontakt zu JOHANNES ERBEN und INGEBURG KÜHNHOLD in Bonn aufgenommen, sind zu Arbeitsbesprechungen in Innsbruck, Augsburg und Wolfenhausen mit ELGIN MÜLLER-BOLLHAGEN, LORELIES ORTNER, OSKAR PUTZER und HANS WELLMANN zusammengetroffen. Wir hatten die feste Absicht, unsere Bearbeitung so eng wie möglich an das Innsbrucker Modell anzulehnen, um einen möglichst hohen Grad von Vergleichbarkeit der Ergebnisse beider Untersuchungen (und damit den Vergleich der „Deutschen Wortbildung" mit der Wortbildung in deutscher gesprochener Sprache) zu erreichen. Die Komplexität der Wortbildungsprobleme, die unterschiedlichen Erscheinungen der Wortbildungsvorgänge in den einzelnen Wortarten, vor allem aber der Zwang, nicht nur ausgewählte Wortbildungsmuster, sondern alle in einem Korpus vorfindlichen Wortbildungsbelege systematisch bearbeiten zu müssen, hat uns immer wieder das Beschreibungsmodell wechseln oder verändern lassen. In sehr vielen gemeinsamen Besprechungen haben wir viele grundsätzliche und einzelne Beschreibungspläne entwickelt und wieder verworfen. Am Ende haben wir für den Bereich der Derivation uns ganz an die Innsbrucker Arbeiten angeschlossen und dabei die vorzüglichen Vorarbeiten HANS WELLMANNs hoch zu schätzen gelernt; in wenigen Fällen mußte der Bearbeiter von WELLMANNs Kategorisierungen abweichen, in etlichen diese ergänzen. Dieser Zwang zur Parallelisierung hat den Bearbeiter freilich viel selbstentsagende Mühe gekostet; das Resultat ist nun aber wohl so, daß eine Zusammenschau beider Ergebnisse leicht möglich, und daß damit XVI

mehr entstanden ist als das durch die beiden Arbeiten allein Vorgestellte. Im Bereich der Komposition lagen noch keine Innsbrucker Publikationen vor, es oblag dem Bearbeiter der Substantiv-Komposition, eigene Wege zu einem Beschreibungsmodell zu gehen. Daß es im Entstehungsstadium der beiden parallelen Untersuchungen schwer war, sie aufeinander abzustimmen, liegt auf der Hand. Den Gesprächen mit unseren Innsbrucker Kollegen verdanken wir aber viel. Nicht zuletzt hat ihre rückhaltlose Kritik uns von einem unserer Holzwege zurückgepfiffen, den wir selbst schon als solchen erkannt hatten, den zu verlassen uns aber aus Zeitnot der Mut fehlte. Die beiden Bände der vorliegenden Arbeit entstanden zum Schluß unter sehr schweren äußeren Bedingungen. Die Zeit der DFG-Beihilfe war zu knapp bemessen, im Anschluß daran waren beide Autoren jahrelang arbeitslos und räumlich von der TA getrennt. Das hat vieles in der Arbeit der TA, nicht zuletzt die Herstellung dieser Publikation, erschwert. Der zweite Band ist inzwischen im Schreibsatz fertiggestellt und soll möglichst bald folgen. Leider war es nicht mehr möglich, die jüngsten Arbeiten zur Wortbildung von HANS WELLMANN und LORELIES und PETER ORTNER noch zu berücksichtigen, sie konnten nur wenigstens noch ins Literaturverzeichnis aufgenommen werden. Alle Teile der beiden Bände haben eine eigene Paragraphierung. Die zwei Bände werden aber durchpaginiert, um das Register zu erleichtern. Dieses kann seines Umfangs wegen nur einmal erscheinen, es muß alle Teile umfassen und es enthält außer den 10973 behandelten Lemmata und allen zitierten Stichwörtern vor allem auch alle Zweitglieder der Komposita. Manchem Mitarbeiter der TA haben Autoren und Herausgeber zu danken für ihre Mithilfe, unter ihnen besonders ULRICH HEINZELMANN, der das Register besorgte. Natürlich freut und erleichtert uns der nunmehr unter Nöten erreichte Abschluß unseres Wortbildungsprojekts. Gleichzeitig aber bedeutet er eine für uns alle sehr schmerzliche Zäsur in der Geschichte der Arbeitsstelle: Nach über 15 Jahren intensiver Zusammenarbeit in vielen Projekten auch weit über die Zeit ihrer Anstellung hinaus müssen BERNHARD GERSBACH und RAINER GRAF die TA im Stich lassen, weil trotz hartnäckigsten Mühen keine weitere Finanzierung ihrer Stellen erreicht werden konnte. Wolfenhausen am 21. Juli 1984

Arno

Ruoff

XVII

ABKÜRZUNGEN UND ZEICHEN

Abltg.

Ableitung

Adj.

Adjektiv

Advb.

Adverb

Akk.

Akkusativ

Aufn.

Inf.

Infinitiv

Komp.

Kompositum

Aufnahme

lat.

lateinisch

BAdj.

Basis Adjektiv

mask.

=

Maskulinum

BAdvb.

Basis Adverb

Mda.

=

Mundart

BPait.

Basis Partizip II

mdal.

=

mundartlich

BPiäp.

Basis Präposition

BPron.

Basis Pronomen

neutr.

=

Neutrum

Bsp.

Beispiel

BSubst.

Basis Substantiv

Obj.

=

Objekt

BVerb

Basis Verb

BVerb(part.)

Basis Verb

in der Funktion eines

Part. II Basis Zahlwort

BZw.

Part.

=

Partizip

PI.

=

Plural

Präp.

=

Präposition

Ps.

=

Person

Dat.

Dativ

dt.

deutsch

Sg.

=

Singular

DW

Deutsche Wortbildung

-spr.

=

-spräche

( - » Literaturverzeichnis)

-sprl.

=

-sprachlich

Subst.

=

Substantiv

(+SV)

=

mit fakultativer Stamm-

fem.

Femininum

frz.

französisch

griech.

=

HGS

=

veränderung

griechisch Häufigkeitswörterbuch gesprochener Sprache

(-»

trafoWert

=

transformationeller Wert

UG

=

Untersuchungsgebiet

Literaturverzeichnis

RUOFF)

WB-

Wortbildungs-

Hspr.

=

Hochsprache

WGS

Wortbildung in gesprochener Sprache

hsprl.

=

hochsprachlich

->

=

Verweis innerhalb der vorl. Untersuchung

>

=

wird zu


• § 1), eine der Eigenschaften, die Wortbildungen — in besonderem Maße die Substantiv-Komposita — mit Sätzen teilen. Diese Gemeinsamkeit wurde in der Sprachwissenschaft früh gesehen und führte ebenso früh zur Idee einer eben als „syntaktisch" zu bezeichnenden Auffassung und Beschreibung von Wortbildungen.') Seit sich - im Zuge der generativen Transformationsgrammatik - Syntax generativ, d.h. in betonter Weise so versteht, daß die von ihr zu leistende Beschreibung von Sätzen durch ein diese Sätze , erzeugendes' Regelsystem zu erfolgen habe, ist folglich auch die Beschreibung der Wortbildung (insbesondere der Substantiv-Komposita) unter dieses .generative Postulat' geraten. Zu beachten ist, daß die Frage einer syntaktischen und diejenige einer generativen Beschreibung prinzipiell voneinander unabhängig sind; dementsprechend sollen sie hier auch getrennt behandelt werden. Nachdem das Abrücken von einer (rein) syntaktisch verstandenen Beschreibungsweise innerhalb der generativen Transformationsgrammtik selbst skizziert worden ist (-» §3), sind zu dieser Frage nur noch einige Nachträge erforderlich. - Die Unterschiede zwischen Wortbildungen und Sätzen sind oft genug — auch im Zuge der besprochenen Theoriediskussionen — ausgeführt worden; einige wurden auch hier bereits angedeutet, ein sehr wesentlicher kommt in §7 zur Sprache.2) Erwähnt sei, daß aufgrund dieser Unterschiede ERBEN sehr früh schon festgestellt hat: „Für die wissenschaftliche Beschreibung der Wortbildung reicht eine rein syntaktische Betrachtung jedenfalls nicht aus" (Einführung, S.8). Mit FANSELOW läßt sich allerdings auch wesentlich schärfer formulieren: „Das eigentlich Interessante bei den Komposita ist ihre Semantik, nicht ihre Syntax." (S.13.) Der Grund hierfür ist, daß diese ,Syntax' — auch und erst recht bei den Derivationen - als Syntax auf die unmittelbare Verknüpfung zweier Elemente reduziert und also höchst einfach ist.3) Satzartige Paraphrasen für die Beschreibung von Wortbildungen zu verwenden steht zu dieser Erkenntnis nicht in Widerspruch. Allerdings muß dann klar sein, daß diese Paraphrasen lediglich eine Form der Beschreibung 1) In den entsprechend ansetzenden Untersuchungen zur deutschen Wortbildung besonders der frühen 70er Jahre wird - zur Ausnutzung der dem Alter eignenden Beweiskraft - gern auf solche frühen und frühesten Äußerungen verwiesen. Begonnen wird dabei in der Regel mit der altindischen Grammatik Päninis (sehr informativ: B R E K L E , Satzsemantik, S.92-96), von wo dann der Bogen mit einer unterschiedlichen Zahl von Zwischenstützen - bis hin zu den Junggrammtikern und ersten Vertretern der modernen Linguistik wie etwa Bally gespannt wird; vgl. hierzu die S.4 A n m . 3 und S.5, Anm. 1 angegebenen Stellen. 2) F ü r letztlich nicht sehr schwerwiegend wird die bezüglich Substantiv-Komposita des öfteren vorgebrachte Tatsache erachtet, daß diese im Unterschied zu Sätzen keine Aussage/Behauptung enthalten: l . h a t eine Grammatik a u c h Sätze zu beschreiben, die keine Aussage/Behauptung sind (sondern z.B. Fragen), 2.hat KÜRSCHNER mit seinem Konzept der „verwandten" Tiefenstrukturen von Sätzen einerseits, Komposita andererseits einen zumindest technisch befriedigenden Lösungsweg gewiesen (s. KÜRSCHNER, S.81-99; vgl. die in dieser Beziehung ähnliche Lösung bei BREKLE, Satzsemantik, S. 57-59). Die Problematik der in die Tiefenstruktur von Komposita einzuführenden Verben bleibt unabhängig hiervon allerdings bestehen. 3) Vgl. FANSELOW, S.9-17, bes. S . l 3 f .

7

der in den Bildungen gegebenen Bedeutungsbeziehungen sind, daß sie also nicht den Anspruch erheben, eine den Bildungen zugrunde liegende syntaktische Struktur zu repräsentieren. So verstandene Paraphrasen sind also nicht der auch von MÖTSCH als wenig tauglich erkannte Versuch, semantische Beziehungen syntaktisch zu formulier e n , ^ sie haben mit anderen Worten den Status rein metasprachlicher Beschreibung, nicht hingegen den einer als zugrunde liegend angenommenen syntaktischen Struktur. 2 ) Die Frage der Beschreibung von Wortbildungen durch ein generatives Regelsystem soll von folgender Beobachtung her angegangen werden: „Die Möglichkeit zur Bildung von Zuss. aus zwei Substantiven ist unbegrenzt. Ob solche aber wirklich gebildet werden, hängt natürlich vom Bedürfnis ab." „Prinzipiell ist es möglich, sich das Designat jeder beliebigen Elementenkombination vorzustellen, meist ist auch eine Situation denkbar, in der scheinbar sinnlose Kombinationen eine sinnvolle Aussage bilden." Die hier durch sich auch forschungsgeschichtlich ergänzende Zitate von PAUL^) und MÖTSCH^) beschriebene Tatsache der unbegrenzten Anzahl möglicher Wortbildungen ist als solche bezüglich der deutschen Sprache wohl nie ernstlich in Frage gestellt worden. Auf den ersten Blick scheint sie die Beschreibung der betr. Erscheinungen durch ein Erzeugungssystem geradezu zwingend nahezulegen, gerade entsprechend wie die Tatsache der unbegrenzten Anzahl möglicher Sätze zur adäquaten Beschreibung einen generativen Regelapparat erfordert. Hierbei ist allerdings übersehen, daß „möglich" in Bezug auf Sätze eine ganz andere Bedeutung hat als in Bezug auf Wortbildungen: werden darunter in beiden Fällen Ausdrücke verstanden, die in der Sprache zulässig (man kann hinzufügen: und verstehbar) sind, so sind „mögliche Sätze" eine (sehr kleine!) Teilmenge der (unendlich großen) Menge der überhaupt möglichen Kombinationen der sprachlichen Elemente; für die innerhalb der Sprache möglichen Sätze gelten also von den überhaupt möglichen Elementkombinationen her gesehen - auf der System-Ebene! — sehr starke Restriktionen, und man kann sagen, daß z.B. die Erzeugungsregeln einer generativen Grammatik, obwohl sie natürlich eine andere Form haben, eben diese Restriktionen beschreiben: sie geben an, welche derüberhaupt möglichen Elementkombinationen Sätze einer bestimmten Sprache sind, schließen also für das zu beschreibende System alle anderen Elementkombinationen bzw. die zu ihnen fuhrenden Regeln aus. Ganz anders hingegen — und das besagen die Zitate von PAUL und (deutlicher noch) MÖTSCH — bei den Wortbildungen: hier gelten auf der System-Ebene keinerlei Restriktionen, vielmehr ist jede überhaupt mögliche Elementkombination zugleich 1) -> S.6, Anm.2. 2) Da für derartig als zugrunde liegend angesetzte Strukturen häufig auch psychische Realität reklamiert wird, sei auf die Untersuchung von HORSTKOTTE über die (klassifikatorisch-„lexikalisch" oder aber „enzyklopädisch" angelegte) Organisationsform sprachlichen Wissens hingewiesen. Die Ergebnisse ihrer Versuche sprechen recht eindeutig für die Annahme des „enzyklopädischen" Modells (s. bes. S.82-93). Bezogen auf Wortbildungen widerspricht dies der Annahme zugrunde liegender syntaktischer Strukturen. 3) PAUL, S.15. 4) MÖTSCH, Stellung, S.42. - Entsprechend dem früheren syntaktischen Ansatz, den MÖTSCH hier skizziert, kann er sich mit „Aussagen" auch auf Wortbildungen beziehen. 5) Als Ergebnis eines einfachen, durch Informantenbefragung kontrollierten „Schreibtischexperiments" kann GÜNTHER (Untersuchungen) festhalten: „Prinzipiell sind alle Kombinationen von Nomina im Typ NN [= Substantiv + Substantiv] möglich, und sie sind prinzipiell auch interpretierbar." (S.278.)

8

möglicher Ausdruck der Sprache. Der Grund hierfür liegt letztlich darin, daß beispielsweise auch logisch Widersprüchliches/Unmögliches jedenfalls .gemeint' werden kann. 1) Hinzuzufügen ist, daß dies auch für den Bereich der Ableitungen gilt, unbeschadet der Tatsache, daß es dort de facto eine Reihe sprachimmanent wirksamer Einschränkungen der überhaupt möglichen Elementkombinationen gibt (-»• hierzu §8): mit MÖTSCH (Stellung S.45) ist ausdrücklich auch für diesen Bereich festzuhalten, daß „alle möglichen Kombinationen [...] prinzipiell bildbar und verstellbar" sind. Wo aber nichts verboten ist, ist es sinnlos, das Erlaubte als solches eigens beschreiben zu w o l l e n . A n d e r s ausgedrückt: die auf die Ebene des Systems bezogene Erzeugungsregel für Wortbildungen hätte — wie für deren syntaktische Auffassung im vorigen Paragraphen bereits angedeutet — die schlichte Form „A + B"; alles weitere wären rein morpho(no)logische Regelungen. §8

Das angeführte Argument gegen eine Beschreibung der Wortbildungen durch ein generatives Regelsystem mag überraschen, da in der Diskussion (insbesondere gegen die „transformationalistische" Lösung) die scheinbar gerade entgegengesetzte Behauptung vorgebracht und allgemein für zutreffend erachtet wird. So schreiben — um hierfür einen mehr oder weniger beliebig herausgegriffenen Beleg beizubringen — BREKLE/ KASTOVSKY, es sei „zwar unbestritten, daß auch der Wortbildung Regelhaftigkeit zugrunde liegt, doch ist der Grad der Freiheit, mit der diese Regeln ausgenützt werden können, in Syntax und Wortbildung durchaus verschieden, d.h. die für die Wortbildung geltenden Restriktionen sind weit zahlreicher, diffuser und idiosynkratischer als in der Syntax." (S.14.)3) Zwar wird auf den Zusammenhang dieser Erscheinung mit der Tendenz zur Verfestigung von Wortbildungen (Aufnahme in Lexikon bzw. Wörterbuch) hingewiesen, doch wird der entscheidende Tatbestand, daß es sich hier um Restriktionen auf der Ebene der Norm^) handelt, nicht expressis verbis ausgesprochen. Und sofern er immerhin angesprochen ist, werden daraus gerade die falschen Konsequenzen gezogen. So sprechen BREKLE/KASTOVSKY — immer noch im unmittelbaren Zusammenhang der zitierten Textstelle — von „der Gefahr, die Ausnutzung von Wortbildungsregularitäten [!] sehr viel mehr nach dem Ist-Bestand, den realisierten, usuellen und kanonisierten Bildungen zu beurteilen als in Fällen von Sätzen, und nicht nach dem, was [...] überhaupt möglich ist." (S.14.) Richtet sich die Untersuchung mehr auf die überhaupt möglichen Bildungen, 5 ) schließen BREKLE/KASTOVSKY (ebd.) den Gedankengang prognostisch-programmatisch ab, so „werden sich möglicherweise sehr viel größere Regularitäten [!] finden lassen, als es bis jetzt den Anschein hat." 1) In welchem Sinn es möglich ist, sich - wie MÖTSCH schreibt - das Designat eines derartigen Ausdrucks tatsächlich „vorzustellen", soll hier nicht weiter diskutiert werden; für die Möglichkeit des .Meinen'-Könnens ist die Frage der Vorstellbarkeit des .Gemeinten' auch ohne Belang. Andererseits ist es oft so, daß logisch Unmögliches in der praktischen Realität nicht nur vorstellbar, sondern sogar wirklich ist; so kann ich z.B. Viereck-Kreis sagen, und damit etwa jene von Mitgliedern einer Gymnastikgruppe zu Übungsbeginn gebildete Figur meinen, die .eigentlich' (= logisch) ein Kreis sein soll, tatsächlich aber immer zugleich .recht viereckig' ausfallt. 2) ZIMMER hält es aus sachlich demselben Grund für sinnvoll, „to abandon the attempt at an exhaustive positive characterization of Compound types" (S.245; Hervorhebung von mir, R.G.). 3) BREKLE/KASTOVSKY verweisen hier (Anm.28) auf Beiträge des von ihnen eingeleiteten Sammelbandes, die sich mit dem Problem der „eingeschränkten Produktivität von Wortbildungsmustern" beschäftigen. 4) Vgl. hierzu COSERIU, System. 5) BREKLE/KASTOVSKY verweisen hier auf Arbeiten der generativen Semantik.

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Es mag offenbleiben, warum BREKLE/KASTOVSKY hier zweimal den Begriff „Regularitäten" verwenden, wo sie der Sache nach Regeln (auf der System-Ebene) meinen müssen. Festzustellen bleibt jedenfalls folgendes: 1. die auf dem angedeuteten Weg aufgefundenen Regeln werden die im vorigen Paragraphen beschriebenen Eigenschaften haben, mithin den von BREKLE/KASTOVSKY daran geknüpften Erwartungen nicht entsprechen können; 2. aus der Beobachtung dieser Eigenschaften der Wortbildungsregeln auf der System-Ebene einerseits, aus der Tatsache der auf der Ebene der Norm zu beobachtenden Realisierungsrestriktionen andererseits ergibt sich als Konsequenz, daß hier ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem „Falle von Sätzen" besteht, welcher bedeutet, daß im Falle der Wortbildungen eben die Norm, d.h. der „Ist-Bestand" zunächst einmal systematisch zu beobachten und zu beschreiben ist — nur so können die hier gegebenen Regularitäten (!) aufgedeckt werden. Wie sehr systematische Beobachtung und Beschreibung hier in der Tat erforderlich sind, möge ein Hinweis wiederum auf MÖTSCH zeigen, der z.B. davon spricht, daß eine den Adjektiven pfeffrig und salzig „entsprechende Form *zuckrig* fehle, da die „Stelle von *zuckrig [...Jim Lexikon des Deutschen durch süß besetzt" sei (Plädoyer, S.184) - ohne zu bemerken oder jedenfalls in seinen Überlegungen zu berücksichtigen, daß es die Bildung zuckrig im Deutschen gleichwohl und völlig normal gibt, wenn auch in der Tat nicht in der Bedeutung ,süß'. „Ich sehe gegenwärtig [...] keinen Weg, die Frage der Norm im Bereich der Komposition zu lösen, wenn man nicht auf eine Korpusbeschreibung alten Stils zurückgreifen will.", stellt KÜRSCHNER (S. 151) fest. Er betont zwar (ebd.) die Wichtigkeit der Frage der Norm, hält aber dennoch den Verzicht auf eine Korpusbeschreibung, die für deren Beantwortung erforderlich wäre, offensichtlich für selbstverständlich und keiner Begründung wert (ebenso wird nicht mitgeteilt, wieso eine derartige Korpusbeschreibung eine solche „ alten Stils" sein müsse bzw. was darunter überhaupt zu verstehen sei). Die hier vorgelegten Untersuchungen basieren auf der Überzeugung, daß - aus den zuvor genannten Gründen - eine Untersuchung der Wortbildung auf ein Korpus und dessen vollständige Beschreibung nicht verzichten kann: nur dieses bietet, wie ERBEN einleitend für die Untersuchungen zur „Deutschen Wortbildung" der Innsbrucker Außenstelle des Instituts für deutsche Sprache formuliert hat, „eine sichere Grundlage für das Ablesen der Regularitäten und Restriktionen" (Einführung, S.ll), die - auch nach Meinung etwa von BREKLE/KASTOVSKY - für diesen Bereich sprachlicher Erscheinungen wesentlich sind; nur der Ausgang von einem Korpus auch eröffnet die Möglichkeit quantitativer Feststellungen, welche ERBEN (ebd.) ebenfalls erwähnt und die in den Untersuchungen der Tübinger Arbeitsstelle generell als für die Beschreibung der Erscheinungen gesprochener Sprache unerläßlich betrachtet werden.^ Bevor das hier zugrunde gelegte Korpus und einige grundsätzliche Fragen der Verfahrensweise der hier vorgelegten Untersuchung vorgestellt bzw. erörtert werden, sind jedoch zwei Fragen noch zu klären, nämlich zum einen die Frage, welches die in einer Wortbildungsuntersuchung zu beschreibende Bedeutung von Wortbildungen ist, zum anderen die Frage des grammatischen Modells, das den hier dargelegten Untersuchungen zugrunde liegt. 1) Vgl. RUOFF, Grundlagen, S.64f.

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Die Frage der von der „Wortbildungslehre" zu beschreibenden Bedeutung von Wortbildungen führt im Bereich der Komposition — also deijenigen Bildungen, die aus der Verbindung zweier selbständiger Wörter mit je eigener Bedeutung resultieren — aus zwei Gründen zu einiger Verwirrung: erstens deshalb, weil es (.verfestigte', im Wörterbuch stehende) Bildungen gibt, die in anderer Bedeutung als der sich aus ihren beiden Komponenten ergebenden verwendet werden, und zweitens deshalb, weil es Bildungen gibt, die die Verwendung in mehreren voneinander unterschiedenen Bedeutungen zulassen (wobei in der Regel eine Verwendung usuell ist, also als Bedeutung im Wörterbuch steht bzw. stehen könnte). Unter die im ersten Punkt genannten Bildungen fallen im wesentlichen einmal solche wie Junggeselle, deren gegebene usuelle Bedeutung (.unverheirateter Mann') mit derjenigen, die sich gemäß Freges Prinzip aus den Komponenten ergibt, nichts bzw. in anderer Form (z.B. Jungfrau) nichts mehr zu tun h a t J ) Bezüglich Bildungen dieser Art kann man sich relativ leicht auf Nichtbefassung innerhalb einer Wortbildungsuntersuchung einigen; größere Schwierigkeiten bereitet letztlich allein die Frage, ob dies durch ihre Auffassung als „lexikalisierte", „undurchsichtige", „demotivierte" oder aber „idiomatisierte" Formen begründet werden soll. Das ist, wie die Formulierung bereits andeutet, nicht nur eine Frage des verwendeten Terminus, und es sei hier nur darauf hingewiesen, daß die Prozesse bzw. Zustände der Lexikalisierung auf der einen, der Demotivierung, Idiomatisierung und Undurchsichtigkeit auf der anderen Seite zwar in bestimmter Weise üntereinander zusammenhängen, jedoch nicht miteinander identisch sind. Der entscheidende Punkt ist, daß die zuletzt bezeichneten Prozesse/Zustände denjenigen der Lexikalisierung implizieren (die Umkehrung gilt nicht), und daß sie ihn in der Regel auch voraussetzen, d.h. eine Folge von ihm sind.2) Unter „Lexikalisierung" ist also die Erscheinung der Verfestigung von (zunächst ja in jedem Falle neuen) Wortbildungen, ihre Aufnahme ins Lexikon/Wörterbuch zu verstehen; für die davon zu unterscheidende, obwohl praktisch häufig damit verbundene Erscheinung idiosynkratischer Bedeutungsveränderung wird hier dem Begriff der „Idiomatisierung" der Vorzug gegeben (vor allem deshalb, weil der insbesondere von GAUGER verwendete Begriff der „Undurchsichtigkeit" bei der Anwendung auf den entsprechenden Prozeß sowie auf Graduierungen zumindest sprachlich Schwierigkeiten bereitet, während der Begriff der „Demotivierung" — von Problemen seiner eigenen Geschichte abgesehen — die Vorstellung einer zunächst einmal gegeben gewesenen Motiviertheit suggeriert, was in bestimmten Fällen zumindest stört).3) Zu den im ersten Punkt genannten Bildungen gei l In etwas weiterem Sinn wären hierhin auch Bildungen wie Himbeere, Schornstein usw. zu rechnen, also solche, bei denen eine Bedeutungskonstitution aus den Bestandteilen nicht möglich ist, da eine eigenständige Bedeutung des ersten gar nicht gegeben ist; vgl. hierzu PÜSCHEL, bes. S.151 -159. 2) Das entspricht der von LIPKA (s. bes. S.155) dargelegten Auffassung, mit der die hier vertretene im wesentlichen übereinstimmt. Auf die unterschiedlichen Verwendungen der angeführten Begriffe sowie auf die Vielzahl der Darlegungen zu den mit ihnen verbundenen Problemen kann hier nicht im einzelnen verwiesen werden; bemerkt sei jedoch, daß die Verwendung von „lexikalisiert" im Sinne von .idiomatisiert' relativ häufig, gleichwohl jedoch entschieden abzulehnen ist (diese Verwendung z.B. bei BREKLE, Satzsemantik, S.30f. und 189f.; KÜRSCHNER, S.37f.). 3) Eine ausgezeichnete theoretische Klärung der Graduierung von Idiomatisierung bietet PÜSCHEL, der allerdings die praktische Anwendbarkeit seiner Unterscheidungen richtig einschätzt, wenn er feststellt: „Die beurteilung einzelner beispiele im hinblick auf den grad ihrer idiomatisierung dürfte starken Schwankungen unterliegen, was sich mit der individualität der beurteilungskompetenzen von Sprachteilhabern erklären läßt." (S.163.) Zur Problematik des Begriffs der „Demotivierung" s. HERBERMANN, S.188-191, der vor allem auch die Berechti11

hören aber weiterhin auch solche wie etwa Blaubeere oder Großstadt, von denen völlig zu Recht gesagt werden kann, daß sie nicht einfach ,blaue Beere' und .große Stadt' bezeichnen, vielmehr aufgrund stattgehabter Idiomatisierungsprozesse eine speziellere Bedeutung aufweisen. An dieser Stelle setzt nun die eingangs dieses Paragraphen angesprochene Verwirrung ein, indem der soeben beschriebene, gänzlich unbestreitbare Tatbestand zum Ausgangspunkt einer Argumentation gemacht wird, welche eine auf ,blaue Beere' o.ä. usw. hinauslaufende Bedeutungsbeschreibung durch die Wortbildungslehre für falsch und - in Konsequenz hieraus — die Analysierbarkeit dieser Bildungen innerhalb der Wortbildungslehre für unmöglich erklärt. Das Ausmaß dieser Verwirrung läßt sich in diesem Fall am deutlichsten nicht durch Verweis auf eine Vielzahl vorhandener entsprechender Äußerungen belegen, sondern eher noch durch Wiedergabe der einschlägigen Passagen innerhalb einer einzigen Untersuchung; der Grund hierfür wird sich zeigen. HERBERMANN vertritt folgende Ansicht: „Daß z.B. ein Nomen wie Großstadt eine Stadt bezeichnen kann, die 100 000 oder mehr Einwohner hat, nicht aber eine, die 99 999 Einwohner zählt, das ergibt sich auf Grund eines letztlich willkürlich verfahrenden Benennungsakts, nicht aber auf Grund einer die Kompositionsglieder synthetisierenden semantosyntaktischen Regel, gibt es doch, soweit ich sehe, keine sonstige Verwendung von groß im Sinne von ,100 000 oder mehr (Einwohner) zählend'; und eine spezielle Regel nur für dieses Nomen zu erfinden, dürfte einem sinnvollen Begriff von .Regel' widersprechen." (S.186.) Das Bemerkenswerte an diesem feinsinnigen Gedankengang ist nicht so sehr, daß er falsch ist (was HERBERMANN beschreibt, ist die spezielle, selbst referenzsemantisch äußerst restringierte Definition des politischen bzw. verwaltungsrechtlichen Begriffs, nicht jedoch die Bedeutung des normalsprachlichen Begriffs der Großstadt), sondern ist die Tatsache, daß aus ihm auch, wenn er richtig wäre bzw. insoweit er richtig ist2) , der falsche Schluß gezogen wird, nämlich der, daß ein Fall wie Großstadt aufgrund der „Nichtregelhaftigkeit der Konstitution seiner Ausdruck-Inhalt-Beziehung" (ebd.) die Unmöglichkeit der Beschreibung seiner Bedeutung in einer von den Bedeutungen der Konstituenten ausgehenden Wortbildungslehre demonstriere.3) Was diesen Schluß falsch macht, ist die darin präsupponierte Ansicht, die von der Wortbildungslehre als solcher zu beschreibende Bedeutung einer Bildung sei die gesamte lexikalische, in Fällen der diskutierten Art eben in einem bestimmten Grad idiomatisierte Bedeutung des betr. Ausdrucks. In seiner umfangreichen, mit sehr kleinen Argumentationsschritten voranschreitenden Untersuchung zeigt HERBERMANN in diesem Punkt zwar eine gewisse Unschlüssigkeit,4) doch ist es letztlich so, daß er die Feststellung der Tatsache, daß nur die aus gung der Verwendung des Begriffs der „Motiviertheit" kritisch überprüft, indem er von dessen ursprünglichem Gebrauch bei de SAUSSURK ausgeht. 1) Da es hier nur um die prinzipielle Frage geht, welcher Art die von der Wortbildungslehre zu erfassende Bedeutung von Wortbildungen ist, müssen weitere in die im Augenblick diskutierte Gruppierung fallende Arten von Bildungen nicht beigezogen werden; die dabei auftauchenden besonderen Probleme, deren Behandlung Sache der Untersuchung der Substantiv-Komposita ist, würden den Argumentationszusammenhang nur unnötig komplizieren. 2) Richtig ist es immerhin insofern, als Großstadt eben auch normalsprachlich nicht einfach ,große Stadt' bedeutet. 3) Vgl. hierzu insgesamt das mit „Das Problem der kompositioncllen Regelhaftigkeit sprachlicher G r ö ß e n " überschriebene Kapitel bei HERBERMANN, S.182-208. 4) Im ersten Teil der Untersuchung (S.18-76) weist HERBERMANN die „grundsätzliche Inadäquatheit" (S.74) aller

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ihren Konstituenten sich ergebende Bedeutung, „nicht aber die Bedeutung der komplexen Wörter selbst, Gegenstand der Wortbildungslehre ist — und zwar gemäß dem Verständnis von ,Wortbildungslehre', wie es sich durchgehend von den ältesten bis zu den jüngsten Schriften, wenn auch nicht immer reflektiert, so doch anhand der Praxis stets ersichtlich, zeigt" (S.73), als Feststellung eines entscheidenden Mangels intendiert, nicht hingegen als Beschreibung dessen, was als — in der Tat beschränkter — Gegenstand einer Wortbildungslehre zu gelten habe J ) Die gegenteilige Ansicht wird hier vertreten. In der Formulierung MAYERTHALERs: „Es gilt unseres Erachtens allein den relativ eingeschränkten morphosemantischen Kern der Wortsemantik zu konstatieren, der nicht beansprucht, die Wortsemantik abzudecken." (S.130.)2) Konkret bedeutet das: die Großstadt als Wortbildung zugrunde hegende und daher von einer Wortbildungslehre zu beschreibende Bedeutung ist ,große Stadt'. Diese Bedeutung steht mit der Bedeutung des Lexems „Großstadt" (mit dessen „Wortsemantik" im Sinne des MAYERTHALER-Zitats) in einem auch für den normalen Sprecher erkennbaren Zusammenhang — dies ist ja Voraussetzung dafür, die Bildung überhaupt als solche für analysier- und wortbildungsmäßig beschreibbar anzusehen, sie also nicht als (vollständig) idiomatisiert zu qualifizieren. Die Art dieses Zusammenhangs kann mit der von HERBERMANN hierfür gefundenen, sehr glücklichen Bezeichnung der „Bedeutungsindizierung" beschrieben werden, d.h. die - nach Merkmalen reichere, nach ihrem Umfang engere - „Wortsemantik" des in dieser bestimmten Verwendung festgewordenen Lexems wird durch seine , Bildungssemantik' nicht völlig erschöpft, aber doch „aufgeschlossen", d.h. in innerlich damit zusammenhängender Weise , angezeigt'.3) Dasselbe Prinzip ist auch auf die im zweiten Punkt genannten Bildungen anzuwenden, die hier durch Wasserglas, Gepäckträger und Plattenspieler repräsentiert werden sollen. Es geht an dieser Stelle nicht darum zu zeigen, welches die , Bildungssemantik' dieser Wörter ist und warum sie dieses ist - das ist Aufgabe der speziell mit diesen Bildungen sich befassenden Untersuchung. Aber es soll darauf hingewiesen werden, daß innerhalb einer Wortbildungslehre eine Beschreibung erforderlich bislang vorliegenden - insbesondere der neueren - „Wortbildungstheorien'' nach, die für ihn eben darin besteht, daß sie in allen Fällen der im Augenblick besprochenen Art nicht die volle lexikalische Bedeutung erfassen können; am Ende seines Buches spricht er vom „Wert [des] klassifikatorischen Bemühens" dieser Wortbildungstheorien, welcher darin bestehe, daß es ihnen - in ihrem Teilbereich - gelinge, „das Sprachbewußtsein des Sprachteilhabers wiederzugeben" und damit auch „so etwas wie den Grund, der [. . . ] zu der Vereinigung einer bestimmten Ausdruckform mit einer bestimmten Bedeutung in dem betreffenden Lexem" geführt haben dürfte, auszugeben (S.344). (An mehreren Stellen - z.B. S.73, 343 sagt HERBERMANN, daß die von ihm dargestellten „,Wortbildungs'-Theoretiker" (S.343) selbst dem Mißverständnis erlägen, die volle lexikalische Bedeutung von Wortbildungen zu erfassen; diese Kritik ist berechtigt, wenn auch vielleicht nicht in jedem einzelnen Fall zutreffend.) 1) In sehr expliziter Form findet sich diese Auffassung auch bei SEPPÄNEN, der bezüglich der Untersuchung von KÜRSCHNER feststellt: „Der willkürlich-fragmentarische Charakter der in Frage stehenden Definitionen [gemeint sind die von KÜRSCHNER angesetzten syntaktisch-semantischen Tiefenstrukturen] erweist sich schnell bei nur flüchtigem Vergleich mit entsprechenden Wörterbuchdefinitionen [...]." (Ableitbarkeit, S.142.) Bei z.B. Morgenmantel ergibt sich so, daß „das Bestimmungsglied ,Morgen' als Bedeutungsmerkmal bei der synchron gültigen Bedeutungsbeschreibung keine Rolle" spielt (ebd., S.142f.), weshalb es nach Ansicht SEPPÄNENs auch in einer Wortbildungsbeschreibung fehl am Platze ist. 2) Entsprechend auch FANSELOW, S. 3f., 50f. 3) Vgl. hierzu HERBERMANN, S.71-74, wo hierfür auch der (von SCHWARZ übernommene) Terminus „Aufschlußwert" verwendet wird. - Es versteht sich von selbst, daß sich „Bedeutung" in „Bedeutungsindizierung" auf die gesamte „Wortsemantik" bezieht.

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ist, die zwar bei Plattenspieler berücksichtigt, daß es sich dabei in normaler Verwendung dieses Wortes um die Bezeichnung eines technischen Gerätes handelt, die aber dennoch als Beschreibung dieser Wortbildung als solcher die entsprechende Bedeutung nicht endgültig und ausschließlich festschreibt; nur eine solche Beschreibung nämlich ist — ohne den wortbildungstheoretisch als Ausdruck der Hilflosigkeit zu wertenden Ausweg des Ansatzes zweier homonymer Lexeme — in der Lage, bei Gepäckträger mit der Tatsache fertigzuwerden, daß zwei verschiedene Verwendungen, nämlich zur Bezeichnung eines Geräts (z.B. am Fahrrad) wie zur Bezeichnung einer Person bzw. eines Berufs, in gleicher und gleichrangiger Weise möglich sind (im übrigen ist ja bereits bei Plattenspieler die Bezugsmöglichkeit auf eine Person tatsächliche jedenfalls auch gegeben, und es erklärt überhaupt nichts, bezüglich dieser Möglichkeit auf die dazu — unbestritten — erforderlichen besonderen Kontext-/Situationsbedingungen zu verweisen); nur eine solche Beschreibung auch vermag schließlich zu erfassen, daß „zum Beispiel Wasserglas interpretiert werden [kann] als ,Glas, in dem sich zum Zeitpunkt eines Sprechaktes Wasser befindet'", was MÖTSCH (Analyse, S.213) zu Recht als eine mögliche Verwendung dieser Bildung betrachtet. Eine Beschreibung aber, die diese Anforderungen erfüllt, ist diejenige, die sich nicht auf die „Wortsemantik", sondern auf die ,Bildungssemantik' der Wortbildungen bezieht; sie sei hier abschließend noch einmal durch ein Zitat MAYERTHALERs begründet und charakterisiert: „Es ist ja offensichtlich nicht so, daß die Morphosemantik ,die' Bedeutung eines abgeleiteten Wortes determinierte. Selbst bei konstr. durchsichtigen Wörtern definiert eine Fregesche Morphosemantik im Normalfall nicht etwa eine (Zahlwort!) Interpretation, sondern einen Interpretationsspielraum bzw. eine finite Menge möglicher Lesarten. Beispiele: Butterbrot ist Fregesch lediglich eine Brotsorte oder ein Stück Brot, das mit Butter zu tun hat. Innerhalb dieses Interpretationsspielraumes liegen die (faktisch gegebene) Interpretation ,Stück Brot, das mit Butter bestrichen ist' ebenso wie die mögliche Lesart ,Brot, das unter Verwendung von Butter hergestellt wird' (vgl. Butterkeks). [...] Wir stellen uns vor, daß der morphosemantisch definierte Interpretationsspielraum eines konstr. durchsichtigen Wortes W den Wertebereich für eine pragmatische Auswahlfunktion konstituiert, welche den Bedeutungsspielraum Sp von W in Abhängigkeit von situativen Parametern (darunter natürlich historisch singulären) disambiguiert." (S. 130.) 1) Den vorgelegten Untersuchungen geht es nicht darum, Prüfstein für ein bestimmtes grammatisches Modell zu sein (->-§§4^). Dennoch scheint es geboten, die zugrunde liegende Vorstellung des gesamtgrammatischen Zusammenhangs, innerhalb dessen die Erscheinung der Wortbildung steht, wenigstens im Umriß zu skizzieren. Für Wortbildungsuntersuchungen oder -theorien, die auf der generativen Transformationsgrammatik basieren, läßt sich der dort angenommene Gesamtzusammenhang durch folgendes Schema darstellen:^) 1) Als ,,konstr[uktionell] durchsichtig" gelten MAYERTHALER sinngemäß solche Bildungen, deren Konstituenten auch als selbständige Lexeme vorkommen und deren Bedeutung sich gemäß Freges Prinzip aus den Bedeutungen dieser Lexeme ergibt (s. S.129,127). 2) Vgl. z.B. BERGENHOLTZ/MUGDAN, S.104. - Das dort aufgeführte Schema hat eine andere Form, unterscheidet sich jedoch inhaltlich vom hier gegebenen nur dadurch, daß es die Wortbildung nicht eigens berücksichtigt.

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Die Modellvorstellung sieht eine syntaktische Komponente vor, welche Tiefenstrukturen erzeugt, in die Einheiten des Lexikons eingesetzt werden; die Tiefenstrukturen sind Ansatzpunkt der semantischen Interpretation, aus ihnen werden außerdem durch weitere syntaktische Regeln (Transformationen) die später (durch morphologische und phonologische Regeln) zu Lautklassen führenden Oberflächenstrukturen abgeleitet. Dies ist das hinlänglich bekannte Grundmodell der generativen Transformationsgrammatik, in das — seit MÖTSCH (Stellung) - die darauf aufbauenden Wortbildungstheorien die Wortbildung in der im Schema angedeuteten Weise inkorporieren. Ausdrücklich erwähnt sei, daß auch KÜRSCHNERS Beschreibung mit dem Konzept nicht identischer, aber „verwandter" Tiefenstrukturen von Sätzen einerseits, Wortbildungen andererseits und mit der Einführung semantischer Elemente bereits in die Tiefenstruktur von diesem Schema noch erfaßt wird. Das Schema der den hier vorgelegten Untersuchungen zugrunde liegenden Modellvorstellung sprachlicher Abläufe muß etwas weiter ausgreifen, und zwar einmal deshalb, weil darin die pragmatischen Bedingungen sprachlicher Äußerungen (in nicht nur omamentativer Art) einzubeziehen sind, zum anderen deshalb, weil die „Stellung der Wortbildung" innerhalb des modellhaften Ablaufs, wenn sie den tatsächlich zu beobachtenden Erscheinungen gerecht werden soll, etwas komplizierter als im zuvor skizzierten Schern zu sein scheint:

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Die hier schematisch skizzierte Vorstellung wird im wesentlichen durch die Diskussion der vorangehenden Paragraphen erläutert. Hinsichtlich der Wortbildung wird sie insbesondere folgenden Erscheinungen gerecht: 1. Syntaktische Regeln zur Erzeugung von Sätzen unterscheiden sich von solchen zur Erzeugung von Wortbildungen. 2. Wortbildungen können a) als aktuelle Bildungen in den zu Sätzen und schließlich zu Äußerungen führenden Regelapparat der Syntax eingeführt und dann wie die aus dem Lexikon eingeführten Einheiten^) weiterbehandelt (also z.B. auch weiteren morphologischen Prozessen — Flexion — unterworfen) werden; b) ins Lexikon aufgenommen und dann von dort für den syntaktischen, aber auch für einen erneuten Wortbildungsprozeß^) abgerufen werden (die Aufnahme ins Lexikon ist in begrenztem Maße - = gestrichelte Linie - auch für Sätze bzw. Syntagmen möglich, die dort als „lexematische Einheiten" erscheinen^)); c) direkt — allerdings durch das , Filter' der pragmatischen Bedingungen - in Äußerungen überführt werden (wie im übrigen andere Wörter auch). 3. Ins Lexikon aufgenommene Bildungen können — je nach Grad ihrer Idiomatisierung - als solche eine andere Bedeutung haben („Wortsemantik u ) als diejenige, die sich aus ihren Konstituenten ergibt (.Bildungssemantik'). 1) Bewußt offengelassen ist, ob dies ein Tiefenstrukturen generierender Apparat im Sinne der generativen Transformationsgrammatik ist oder nicht; innerhalb des Modells ist beides möglich. 2) An dieser Stelle ergeben sich insbesondere für als Lexikoneinträge gedachte Morpheme Schwierigkeiten; es erscheint jedoch als sinnvoll, erforderlich (Derivation!) und möglich, auch Morpheme als Lexikoneinträge zuzulassen. 3) Diese Erscheinung ist bislang nicht erörtert worden, bedarf aber hier keiner weiteren Erläuterung. 4) In der Sache entspricht dies den etwa von HERBERMANN als „Idiome" bezeichneten Einheiten (vgl. HERBERMANN, hier bes. S. 199-204). Im Unterschied zu HERBERMANN wird hier allerdings nicht vorausgesetzt, daß alles, was dem Lexikon zugewiesen wird, folglich auch ein „Wort" sein müsse.

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§ 11

Mit der Untersuchung der Wortbildung in gesprochener Sprache wird zweierlei unternommen: zum einen soll dadurch die Beschreibung der „Sprache in Südwestdeutschland" im Rahmen der Tübinger Arbeitsstelle weitergeführt werden, zum anderen aber soll aufgrund des vorhandenen Materials das Typische an Wortbildungserscheinungen in der gesprochenen Sprache aufgezeigt werden, das in der Norm eines bestimmten Teilstücks des gesprochenen Deutsch Realisierte. Dies setzt, wie §8 gezeigt, die Beschreibung eines Korpus voraus. Die Arbeitsgrundlagen sind in RUOFF (Grundlagen) ausführlich dargelegt. Hier ist nur kurz zu referieren, daß die Forschungen der Tübinger Arbeitsstelle auf den seit 1955 im Rahmen des Deutschen Spracharchivs erhobenen Tonbandaufnahmen beruhen: Eberhard Zwirner ließ — mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft — die deutsche gesprochene Sprache durch landschaftlich kompetente Aufnehmende nach einem bestimmten Plan erheben, wonach bei der Auswahl der Gewährspersonen auf gleichmäßige Streuung nach den Merkmalen der Sprachlandschaft, des Geschlechts, Berufs, Lebensalters geachtet wurde. Nur unvorbereitete, thematisch freie Gespräche wurden auf Band genommen. Die frühere Tübinger Außenstelle des Deutschen Spracharchivs, die heutige Tübinger Arbeitsstelle ,.Sprache in Südwestdeutschland" (TA), verfügt über 1500 transkribierte Tonbandaufnahmen aus etwa 400 Orten ihres Untersuchungsgebietes. Diese bilden die Grundlage für vielfältige, besonders syntaktische Untersuchungen. Als Nebenprodukt aus den Exzerptarbeiten zu den einzelnen Wortarten entstand an einem Teilkorpus von etwa einem Fünftel des Gesamtkorpus vor einigen Jahren das Häufigkeitswörterbuch gesprochener Sprache (HGS), das sich aus sachlichen Gründen auf Aufnahmen aus Baden-Württemberg beschränkte, aus arbeitstechnischen Gründen auf einen Ausschnitt des Gesamtkorpus im Umfang von 500000 Wörtern, die sich auf 15676 verschiedene Lemmata verteilen. Darin finden sich 54052 Substantivbelege zu 9398 Lemmata, 1059-39 Verbbelege zu 4 4 1 4 Lemmata, 13995 Adjektivbelege zu 1462 Lemmata und 326014 Belege zu 402 Lemmata der anderen Wortarten. Das Korpus umfaßt mithin insgesamt 15 274 Substantiv-, Verb-und Adjektivlemmata (mit zusammen 173986 Belegen). 10973 dieser Lemmata (6860 Substantive, 3363 Verben, 750 Adjektive) sind komplexe Wörter, d.h. als solche Resultat eines Wortbildungsprozesses; diese werden in der vorliegenden Untersuchung behandelt. Das HGS enthält außer den Häufigkeitslisten der einzelnen Wortarten alphabetische und rückläufig-alphabetische Listen, die bereits eine wichtige Vorarbeit für Wortbildungsuntersuchungen darstellten. Vor allem bot das HGS durch die eindeutige Definiertheit des zugrunde liegenden Korpus die Möglichkeit, die Verwendungshäufigkeiten von Wortbildungen (insbesondere - nach entsprechender Analyse und Beschreibung - im Sinne der Belegung der einzelnen Wortbildungsmuster bzw. -klassen) festzustellen, und zwar jeweils in erster Linie nach der Anzahl der Lemmata, aber auch nach der Anzahl der dazu vorhandenen Belege.

§ 12

Das Korpus der TA wird in keiner der darauf basierenden Arbeiten als repräsentativ für die gesprochene Sprache ausgegeben. Allerdings kann davon ausgegangen werden, daß es für gesprochene Sprache typisch ist, und zwar in dem Sinne, daß es — auch hinsichtlich der Verteilungsrelationen der darin vorfindlichen Erscheinungen - den Kernbereich 17

gesprochener Alltagssprache, die zwischen marginalen Sprachverwirklichungen angesiedelte Mitte des in normalem Sprechen Realisierten, erfaßt und untersuchbar macht. Die allgemeine Diskussion über die Repräsentativität des TA-Korpus muß hier nicht noch einmal geführt werden. ^) Einzugehen ist allerdings auf zwei Besonderheiten des für die Untersuchung der Wortbildung zugrunde gelegten besonderen Korpus des HGS. Die eine Besonderheit besteht in der bereits erwähnten (-»• §11) Beschränkung des HGS-Materials auf Aufnahmen aus Baden-Württemberg und der damit gegebenen sprachgeographischen Restriktion. Die Not, diese Einschränkung aus arbeitstechnischen Gründen übernehmen zu müssen, darf hier freilich insofern als Tugend betrachtet werden, als dadurch an einem noch überschaubaren und in der gegebenen Zeit zu bewältigenden Korpus die Erscheinungen der Wortbildung, deren Verteilungen in anderen deutschen Sprachlandschaften zudem höchst ähnlich sein dürften, auf der Grundlage eines in sich sehr homogenen Materials festgestellt werden. Die andere Besonderheit resultiert daraus, daß in das Korpus des HGS ein spezielles Projektkorpus (das der ,,Schwarzwaldaktion"2)) einbezogen ist, in welchem die Themenbereiche Landwirtschaft und Waldarbeit überrepräsentiert sind. Allerdings ist davon auszugehen, daß sich dies bezüglich der Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse der Wortbildungsuntersuchung eher schwächer auswirkt: vermehrtes Vorkommen bestimmter Wörter — in diesem Fall der Landwirtschafts- und Waldarbeitsterminologie — bedeutet noch nicht entsprechend verstärktes Vorkommen bestimmter Wortbildungsmuster (und umgekehrt), und es darf daher angenommen werden, daß — wenn man von bestimmten bekannten Regionalismen absieht — eine auf dem HGS basierende Darstellung der Wortbildung in sicher noch höherem Maße repräsentativ für die deutsche gesprochene Sprache überhaupt ist, als dies die Listen des HGS selbst für sich in Anspruch nehmen konnten. Gravierender im Sinne korpusbedingter Besonderheit ist möglicherweise ein anderes Merkmal des zugrunde gelegten Materials, das jedoch mit den Charakteristika der auf Band genommenen Gespräche der TA überhaupt, nicht mit solchen des speziellen Korpus des HGS zusammenhängt. Gemeint ist die Tatsache, daß in den Tonbandaufnahmen streng informelles Sprechen (z.B. familiärer Gespräche) ebenso fehlt wie streng formelles (z.B. offizieller Verlautbarungen). Das ist aber einerseits wiederum die Frage der möglichen Repräsentativität von Korpora überhaupt, welche als .Durchschnitt über alles' verstanden zu einer Größe von letztlich recht fragwürdigem Wert w i r d Z u m andern kann man sich zwar in der Tat vorstellen, daß bestimmte Arten formell-offiziellen Sprechens die Verwendung besonderer Wortbildungsmuster (oder jedenfalls deren besonders häufige Verwendung) mit sich führen, welche dann im zugrunde liegenden Korpus fehlen bzw. unterrepräsentiert sind; sieht man jedoch das informelle Sprechen als den Gegenpol dieser Redeweise an und unterstellt eine dem entsprechende Wirkung auf die Verwendung bzw. Produktion von Wortbildungen, so wären durch das Fehlen auch dieses anderen Pols die Verhältnisse jedenfalls quantitativ 1) 2) 3) 4)

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Zur Problematik der Repräsentativität eines jeden Korpus vgl. HGS, S.24. Vgl. hierzu RUOFF, Grundlagen, S. 111-121. Vgl. hierzu HGS, S.14f. Vgl. hierzu GRAF, Konjunktiv, S.61-63.

wiederum ausgeglichen. Im übrigen kehrt diese Betrachtung damit zu der bereits getroffenen Feststellung zurück, daß angenommen werden darf, daß das zugrunde liegende Korpus die in der Mitte .normalen' Sprechens angesiedelten Sprachverwirklichungen enthält. Eine besondere Veranlassung zur vorliegenden Untersuchung bildete die von Johannes Erben initiierte, in der Innsbrucker Forschungsstelle des Instituts für deutsche Sprache vorgenommene Untersuchung der Wortbildung in geschriebener deutscher Sprache. Es schien besonders verlockend, diesen Forschungen - wenn auch in kleinerem Rahmen - eine analoge Untersuchung aus dem Bereich der gesprochenen Sprache zur Seite zu stellen, um durch Vergleich beider Sprachverwirklichungen größere Erkenntnisse zu ermöglichen, als nur einer der beiden Teile erbringen könnte. Für den Bereich der Derivation hegen die (umfangreichen) Untersuchungen der Außenstelle Innsbruck des Instituts für deutsche Sprache vor. Das Material der Innsbrucker Untersuchungen basiert auf einer Textsammlung geschriebener Gegenwartssprache, die unter dem Zielpunkt, jedenfalls tendenziell alle überhaupt möglichen Wortbildungsmuster darin aufzuspüren, sehr betont auf die Erfassung möglichst aller schriftsprachlichen Bereiche ausgerichtet ist. Um der angestrebten Vollständigkeit möglichst nahezukommen, wurden Belege auch systematisch gesucht und u.a. auch Wörterbücher ausgewertet, wodurch der Korpuscharakter der Materialgrundlage in bestimmter Hinsicht problematisch wird (Wörterbucheinträge haben einen anderen Stellenwert als in tatsächlicher Verwendung vorgefundene Belege und können mit diesen daher an und für sich nicht ohne weiteres in einen quantitativen Zusammenhang gebracht werden^)). Diese Materialsammlung erfährt ihre Berechtigung jedoch aus dem erklärten Ziel: „Im übrigen lassen sich .prozessuale' Wortbildungsregeln [...] nur angemessen formulieren, wenn man die bisher zum reihenhaften Ausbau des Wortschatzes genutzten, deutlich strukturierten Typen und Baumuster analysiert sowie die geltenden Regularitäten und wirksam gewordenen semantisch-syntaktischen Restriktionen ermittelt hat. Der Synthese muß hier die Bestandsaufnahme und Analyse vorangehen. Für die deutsche Sprache der neueren Zeit sind die angedeuteten Aufgaben [...] noch nicht bewältigt." (ERBEN, Einführung, S.10.) Es wurde also danach getrachtet, möglichst jede Bildungsweise zu erfassen und auch deren an der Anzahl der dazu aufgefundenen verschiedenen „Stichwörter" gemessene Vorkommenshäufigkeit festzustellen. Die Häufigkeit von „Stichwörtern" bzw. Lemmata erlaubt keine Rückschlüsse auf die Häufigkeit ihres Gebrauchs in der tatsächlichen Sprachverwendung: beide Werte sind relativ unabhängig voneinander, sie können parallel zueinander verlaufen, können aber auch stark divergieren. Und wenn auch für die Frage der Verwendung eines Wortbildungsmusters (verstanden als jedenfalls potentielles Produktionsschema) die Häufigkeit der danach gebildeten Lemmata der ausschlaggebende, weil als gewisser (!) Anhalt hinsichtlich der Produktivität dieses Musters zu betrachtende Wert ist, so ist doch voller Aufschluß über Gebrauchsfrequenzen, Frequenzunterschiede usw. der WortbildungsX) Über die Untersuchung der (Substantiv-)Komposition ist nach Abschluß unserer Untersuchung der Bericht von ORTNER/ORTNER erschienen. 2) Dies gilt auch dann, wenn - wie bei den Innsbrucker Untersuchungen — die Häufigkeitsfeststellungen sich ausschließlich auf „Stichwörter" bzw. Lemmata beziehen, deren ein- oder mehrmaliges Vorkommen also als 1 Beleg gezählt wird.

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erscheinungen nur auf der Basis der Kenntnis auch der Gebrauchshäufigkeit der einzelnen Lemmata möglich. Aus diesem Grund sind für die Untersuchung der Wortbildung in gesprochener Sprache immer beide Werte ermittelt, allerdings lassen sich Vergleiche mit dem an schriftlichem Material erhobenen Befund der Innsbrucker Untersuchungen immer nur bezüglich der Lemma-, nicht der Beleghäufigkeiten anstellen. Zu diesem Vergleich sei im übrigen an dieser Stelle betont, daß er aufgrund der skizzierten Genese und Zusammensetzung des den Innsbrucker Untersuchungen zugrunde liegenden Materials nicht zu einschichtig und jedenfalls nicht ausschließlich als Vergleich geschrieben vs. gesprochen interpretiert werden darf: durch das Streben nach — im Idealfall — Erfassung aller ,möglichen' Wortbildungen bzw. Wortbildungsmuster, was die Aufnahme auch entlegener, in ihrer Art möglicherweise singulärer Bildungen nicht nur erlaubt, sondern geradezu gebietet, erfaßt das Innsbrucker Korpus nicht nur faktisch einen weiteren Bereich vorkommender Bildungen, sondern ist es auch systematisch eher auf der Ebene der „möglichen Bildungen" im Sinne des Systems (-»• §7) angesiedelt (dies ergibt sich auch aus dem zuvor angeführten ERBEN-Zitat); dem opponieren die im hier zugrunde liegenden Korpus vorfindlichen Bildungen nicht nur als solche der gesprochenen Sprache, sondern auch als „normale", nicht auf spezielle Kontextbedingungen angewiesene Realisierungen (die darum in der Regel auch als im Lexikon .vorgefertigte', nicht als aktuelle Bildungen anzusehen sind). § 14

Der Wunsch, die Befunde der hier vorliegenden Untersuchung mit gesprochener Sprache denen des Innsbrucker Unternehmens an die Seite zu stellen, bedeutet konkret, daß für den Bereich der Derivation hinsichtlich Untersuchungsanalyse und Beschreibungsverfahren eine größtmögliche Übereinstimmung der hier erarbeiteten Teile mit den im Rahmen der „Deutschen Wortbildung" vorliegenden angestrebt wurde. Für die Wortarten Substantiv und Adjektiv war dies auch problemlos möglich, größere Schwierigkeiten ergaben sich beim Verb; dies wird an der betreffenden Stelle diskutiert. Für die Substantiv-Komposition ließ sich solche Übereinstimmung nicht herstellen, da beide Untersuchungen parallel entstanden und im Rahmen der „Deutschen Wortbildung" eine entsprechende Publikation zur Komposition noch nicht vorliegt. In mehreren gemeinsamen Gesprächen und Konsultationen mit der Innsbrucker Forschungsgruppe wurde der Versuch einer gemeinsamen Erarbeitung der Beschreibungsbasis unternommen, der jedoch letztlich aus zeitlichen Gründen nicht zu einem gemeinsamen Ende geführt werden konnte. Für die hier vorgelegte Untersuchung bedeutet die Tatsache, im Bereich der (Substantiv-)Komposition nicht aus Gründen der angestrebten Vergleichbarkeit relativ eng an ein vorgegebenes Modell der Beschreibung gebunden zu sein, einerseits die Freiheit der Entwicklung eines eigenen, den Erscheinungen dieses besonderen Bereichs nach Möglichkeit besonders adäquaten Beschreibungsmodells, was aber andererseits auch mit einem Wechsel des Analyse- und Beschreibungsverfahrens innerhalb dieser Untersuchung selbst verbunden ist. Da Vergleichbarkeit mit dem entsprechenden Innsbrucker Unternehmen ohnedies nicht gewährleistet war (wie weit sie möglicherweise in den erreichten Klassifikationen dennoch gegeben ist, kann sich erst in der jeweiligen Publikation erweisen), rechtfertigt sich dies durch die angestrebte Angemessenheit des Verfahrens an den zu beschreibenden Gegenstand. 20

§15

Die Untersuchung der Wortbildungen im dargestellten Korpus bezieht sich außerhalb des morphologischen Bereichs auf deren .Bildungssemantik' (-> §9). Das impliziert unter anderem, daß diese Untersuchung in ganz bestimmter Weise synchronisch ist, nämlich nicht nur insofern, als sie in ihrem Beobachtungsmaterial einen zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebenen Sprachzustand widerspiegelt, sondern auch und vor allem insofern, als sie diejenigen Bedeutungen der Wortbildungen beschreibt, die ihnen zu diesem (noch gegenwärtigen) Zeit,punkt' von den Sprechern im Sinne der ,Bildungssemantik' zugewiesen werden können. Das bedeutet vor allem, daß die nur dem Sprachwissenschaftler bekannten etymologischen Beziehungen für diese Beschreibung keine Rolle spielen dürfen. Beschreibung der ,Bildungssemantik' impliziert ferner, daß bei Bildungen mit mehreren möglichen Bedeutungen (nur) diejenige zu beschreiben ist, die der im betreffenden Beleg vorliegenden Verwendung entspricht. Gepäckträger (->-§9) wird also dann (und nur dann) als entsprechendes Instrument beschrieben, wenn es als Bezeichnung eines solchen im Korpus vorkommt; ist es daneben auch als Personen- bzw. Berufsbezeichnung belegt, so erfolgt dann (und nur dann) auch die dem entsprechende Beschreibung — usw. Beschreibung der ,Bildungssemantik' impliziert weiter, daß vollständig idiomatisierte Bildungen nicht beschrieben werden können und sollen (-»• §9); dies gilt auch für Fremdwörter, sofern ein darin vorfindlicher Wortbildungsprozeß ein solcher der fremden Sprache {Philo + soph), nicht also eine Erscheinung des Deutschen (philosoph + iereri) ist bzw. sofern beide Konstituenten, obwohl sozusagen nach deutscher Wortbildungsregel untereinander verbunden, als solche fremdsprachlich sind (Photo + graph). Es liegt schließlich zumindest nahe, bei Bildungen, die den Wortbildungsprozeß mehrfach durchlaufen haben, nur den letzten dieser Prozesse im Sinne der ,Bildungssemantik' des verwendeten Wortes zu beschreiben.') Konkret ausgedrückt: für die .Bildungssemantik' z.B. von Fensterglasscheibe ist es unerheblich, daß die eine Konstituente ihrerseits zusammengesetzt ist, und das gilt entsprechend auch für Fälle wie etwa Bademeisterin.2) Fälle dieser Art werfen allerdings eine andere Frage auf, nämlich die, ob sie als Ableitung (Bademeister + in) oder aber als Zusammensetzung (Bade + meisterin) zu betrachten sind. Die Entscheidung folgt auch hier dem Gedanken der ,Bildungssemantik' und ist im genannten Beispiel relativ leicht und eindeutig, da davon ausgegangen werden kann, daß es auch für das normale Sprachbewußtsein (also für den Prozeß ,im Kopf des Sprechers') einfacher ist, von einer zu einem bestimmten Zeitpunkt neben entsprechenden weiteren Formen einfach vorhandenen Form Bademeister durch -w-Suffigierung zur fraglichen Bildung zu gelangen als dies durch gewissermaßen von vorn beginnende abermalige Kompositionskonstruktion aus den Kon1) Die Annahme, daß der aktuelle Wortbildungsprozeß (,im Kopf des Sprechers') z.B. bei einem mehrfach zusammengesetzten Kompositum der Form (A+B)+C in der Zusammensetzung von A+B einerseits (das hier als vorgegebene .Einheit' eingesetzt wird) mit C andererseits beruht, dürfte plausibel sein und entspricht der unwidersprochenen Feststellung, daß auch solche „Mehrfachkomposita" - von eng umrissenen besonderen Fällen abgesehen - als solche aus nur zwei Konstituenten bestehen. 2) Hinzuzufügen wäre, daß in einer Korpusbeschreibung aufgrund solcher Belege auch kein Anlaß zur Beschreibung von Fensterglas bzw. Bademeister besteht; ein solcher ist erst gegeben, wenn diese Bildungen als solche selbst belegt sind.

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stituenten Bade- und -meisterinJ) Problematischer sind z.T. Ableitungen mit hochsprachlichem -lein, in der Sprache des Untersuchungsgebietes realisiert als -le. Hier ist die sprachgeographische Besonderheit des Untersuchungsgebietes zu berücksichtigen, derzufolge z.B. Kleidlein als normale und in der Form .vorgegebene' Bildung anzusehen ist, welche etwa zum Kompositum Fransenkleidlein (das hochsprachlich eher als Ableitung Fransenkleid + lein anzusehen wäre) fuhren kann. Dem stehen Fälle wie Christkindlein gegenüber, die als Ableitungen aus einem hochsprachlichen Kompositum aufzufassen sind. In diesem Zusammenhang ist schließlich noch auf folgende Problematik hinzuweisen: Es gibt Bildungen, zwischen denen — unabhängig vom möglicherweise eindeutig klärbaren etymologischen Befund! — sozusagen ein wechselseitiger Ableitungszusammenhang besteht oder bei denen, anders gesagt, die Richtung eines anzunehmenden Ableitungsprozesses nicht angegeben werden kann. Es handelt sich dabei in erster Linie um den Fall von Substantiven, zu denen es ein entweder gleichlautendes (Braten : braten) oder aber nur durch die Verbalendung -en, nicht jedoch im Stamm unterschiedenes Verb gibt (Arbeit : arbeiten). In Fällen dieser Art werden sowohl das Substantiv als auch das Verb als „Stammableitung" betrachtet (und — sofern sie vorkommen — als solche eigens gekennzeichnet), d.h. es wird nicht eine der Formen als Basis der Ableitung postuliert, sondern es wird der gemeinsame Stamm als (hypothetische) Ableitungsbasis angesetzt.2)

1) Vgl. BERGENHOLTZ/MUGDAN, S.18f. 2) Vgl. BERGENHOLTZ/MUGDAN, S.163f. sowie die Diskussion des gesamten Problems S.155-167.

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ERSTER HAUPTTEIL: SUBSTANTIV

Teil 1 Rainer Graf: Substantiv-Komposition

§1

In seiner „Rede anläßlich der feierlichen Überreichung des Konrad-Duden-Preises der Stadt Mannheim durch den Herrn Oberbürgermeister am 12. April 1970" hat sich Johannes ERBEN in feierlich-heiterer Form „Über Nutzen und Nachteil der Ungenauigkeit des heutigen Deutsch" geäußert. Im zweiten Satz dieser Rede weist er - seine Themenwahl rechtfertigend — darauf hin, „daß der Altmeister und Begründer unserer Wissenschaft, Jakob Grimm, [...] einmal in der Berliner Akademie der Wissenschaften ,über das Pedantische in der deutschen Sprache' gesprochen hat."l) An späterer Stelle kommt ERBEN hierauf zurück: „Auch für den Bereich der Wortbildung gilt", führt er (S.15) aus: „Man kann sprachlich genauer sein, muß es aber eigentlich nicht. [...] Und Jakob Grimm hat in seiner Berliner Akademierede von 1847 mit Recht davor gewarnt, etwa Zusammensetzungen wie Eselsmilch pedantisch zu Eselinnenmilch zu präzisieren." Eine Warnung vor derartiger Pedanterie in normativer Absicht ist gegenwärtig zumal im Bereich deskriptiver Untersuchungen sicher nicht vonnöten. Gleichwohl sind in der Untereuchung und Diskussion gerade der Substantiv-Komposita Erscheinungen zu beobachten, die mit Pedanterie im Sinne unangemessener Genauigkeit zu tun zu haben scheinen. So gibt es Argumentationen, die einer Bildung wie der Grimmschen Eselsmilch die Bedeutungsbeschreibung ,Milch des Esels' o.ä. mit dem Hinweis darauf, daß der Esel ja keine Milch geben könne, würden verweigern wollen. Zwar kann dies nicht anhand einer Diskussion gerade dieser (oder einer ihr analogen) Bildung nachgewiesen werden, doch liegt beispielsweise die von WUNDERLICH angestellte Überlegung: „Ist z.B. in die lexikalische Eintragung von Walfisch ein Merkmal [ist ein Säugetier] oder [ist ein Fisch] oder keins von beiden aufzunehmen?"^) auf eben dieser Argumentationsebene. Gekennzeichnet ist sie dadurch, daß zwischen (denotatbezogener) Wortsemantik und (innersprachlicher) Bildungssemantik (-»• §9) nicht unterschieden und damit nicht zur Kenntnis genommen wird, daß innerhalb der deutschen Sprache der Walfisch ohne Spur oder Möglichkeit eines Zweifels eben ein Fisch ist.3) Wie in anderen Fällen auch, die übrigens keineswegs an Erscheinungen der Wortbildung gebunden sind (man denke etwa an das Auf-¡Untergehen der Sonne), spielen die tatsächlichen bzw. gemäß dem Kenntnisstand einer bestimmten Kultur/Zeit für richtig erachteten Verhältnisse in der außersprachlichen Realität hierfür keinerlei Rolle, und mag auch jemand, der einen Walfisch als zur (Über-)Klasse der Fische gehörig betrachtet, kein kompetenter Biologe sein, so wäre - mit gewissen Einschränkungen - dem, der nicht erkennen könnte, daß Walfisch den Wal als Fisch be-

1) ERBEN, Nutzen, S.7. 2) WUNDERLICH, Pragmatik, S.154. - In dieser Studie WUNDERLICHs geht es allerdings nicht um Fragen der Wortbildung, sondern um solche der pragmatischen Bedingungen von Sprechen; die Nichtberücksichtigung der Tatasache, daß dem angeführten Bsp.-Wort hinsichtlich seiner Semantik besondere Verhältnisse zugrunde liegen, die mit spezifischen Eigenschaften von Kompp. zusammenhängen, wiegt daher freilich nur desto schwerer. 3) Vgl. NEUHAUS (der nun allerdings gerade das, was hier (-» Einleitung §9) als „Bildungs-" oder etwa bei MAYERTHALER als „Morphosemantik" bezeichnet worden ist, „Wortsemantik" nennt): „So kann es zum Beispiel bei einer Wortsemantik wie der von Walfisch nicht um eine Analyse der Gegenstände als Denotate gehen, sondern mit den Worten Freges (1892:26) um ,die Art des Gegebenseins' dieser Gegenstände. Im Weltbild der deutschen Sprache ist die Semantik von Walfisch über die von Fisch gegeben." (S 205.)

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zeichnet, fehlende bzw. mangelhafte Kompetenz bezüglich der deutschen Sprache zu bescheinigen.^) In Fällen der angeführten Art wird — sozusagen nach dem Motto, daß in der Sprache nicht sein darf, was außer ihr nicht sein kann - sprachlichen Bezeichnungen in ihrer semantischen Beschreibung eine größere Genauigkeit untergeschoben, als ihnen tatsächlich zukommt. In enger Nachbarschaft hierzu stehen Fälle, in denen für Bildungen wie Blaubeere eine auf , blaue Beere' hinauslaufende Beschreibung mit der Begründimg als unzureichend zurückgewiesen wird, daß unter den vielen in der Natur vorfmdlichen blauen Beeren einzig die Heidelbeere als Blaubeere bezeichnet werde (weitere Bspp. dieser Art wären etwa die in der Einleitung § 9 erwähnte Großstadt oder - prominent in der englischsprachigen bzw. aufs Englische bezogenen Literatur — der/die blackbird , Amsel' Hier wird zwar nicht auf einer außersprachlichen Ebene argumentiert, aber es wird wiederum der Bedeutung der Bildung ein Grad der Genauigkeit unterstellt, den sie als solche nicht hat, indem die Bedeutungsbeschreibung auf der Ebene des Lexikons anstatt derjenigen der Wort-bildung angesetzt wird. Man kann dies — wie in der Einleitung in § 9 anhand des Großstadt-Bsp. geschehen - auch beschreiben, indem man sagt, daß hier dem Komp. nicht diejenige Bedeutung, die es auf der Ebene des Systems hat, sondern sogleich diejenige, die ihm eist auf der Ebene der Norm zukommt, zugeschrieben werden soll. Daß die (denotative) Bedeutung auf dieser Ebene in der Tat enger ist (d.h. mehr Merkmale umfaßt) als ,blaue Beere', steht außer Zweifel, doch resultiert dies daraus, daß hinsichtlich ihrer Normbedeutung auch Bildungen wie Blaubeere Benennungen sind.3) Und wenn sie auch aufgrund ihrer Bildungssemantik hinsichtlich ihrer Normbedeutung „durchsichtig" oder (relativ!) „motiviert" sind und sich hierdurch von anderen Benennungen unterscheiden, so sind sie doch wie diese als Benennungen (relativ) arbiträr: daß unter vielen blauen Beeren gerade die Blaubeere Blaubeere heißt, ist sprachlich ebensowenig zu erklären wie umgekehrt die Tatsache, daß die Blaubeere dort, wo sie so heißt, gerade Blaubeere heißt (und nicht etwa, wie andernorts, Heidelbeere). 4) Was aber an Bedeutungsbestandteilen eines Komp. nicht aus dessen Konstituenten erklärt werden kann, kann sinnvoll nicht mehr Gegenstand von Wortbildungslehre sein, wann immer hierunter nicht die Beschreibung der Bedeutung von Wörtern, welche zufälligerweise keine Simplizia sind, verstanden wird, sondern die 1) Dies gilt so nur innerhalb der augenblicklichen Argumentation, denn strikt innersprachlich könnte Walfisch auch .Fisch, der mit dem Wal in einer bestimmten Beziehung (z.B. des Zusammenlebens, der Ähnlichkeit...) steht' bedeuten; die Aussage mangelhafter Kompetenz ist hingegen mit HERBERMANN (S.197) auf das Nichtverstehen von „(aus-sich-) selbst-verständlichen" Ausdrücken, zu denen Walfisch also strenggenommen noch nicht gehört, einzuschränken. -* §§ 3 f. 2) Zur Unterscheidung von Bildungen wie blackbird gegenüber Konstruktionen wie black bird führt BREKLE (Satzsemantik, S.148) in die Beschreibung der Kompp. ein zusätzliches „Prädikat ,habitually' oder .specificall y ' " ein; als illustrative Begründung für die Annahme eines derartigen (von ihm selbst als ungeeignet verworfenen) Ausdrucks führt ZIMMER (S.247) aus: „all blackbirds are black birds, but there are black birds which are not blackbirds". - Zur Frage eines Merkmals [+ habituell] o.ä. S.92, Anm.2. 3) Hierauf hat in jüngerer Zeit etwa ZIMMER (bes. S. 249f.) hingewiesen (allerdings ist dieser Gedanke nicht ganz so neu, wie es in ZIMMERs Darstellung erscheint; man vgl. z.B. die im Jahr 1900 erstmals erschienene Abhandlung BRUGMANNs „Über das Wesen der sogenannten Wortzusammensetzung", die ihrerseits mit einem kurzen Hinweis auf die griechische Bezeichnung avvdera dvoßara beginnt). Vgl. in diesem Zusammenhang auch HERBERMANNs Versuch, „Lexem" mit Hilfe von „Begriff" zu definieren (S.216-272). 4) Die Tatsache, daß Kompp. in ihrer normalen Verwendung eine engere Bedeutung haben als die aus ihren Konsti-

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Beschreibung der Bedeutung von Wortbildungen, die sich (und folglich auch: soweit sie sich) für den Sprecher/Hörer aus deren Konstituenten ergibt. Die Konstituenten eines Komp. enthalten also bei weitem nicht alle Bedeutungsmerkmale, welche seine Normbedeutung ergeben, und wenn es auch nicht so ist, daß die für ein Komp. A + B auf der Ebene des Systems gegebene Bedeutung grundsätzlich über ,B, das mit A zu tun hat' nicht hinausginge,

so ist die Kluft zwischen in der Norm-

bedeutung gegebenem und tatsächlich ausgedrücktem Bedeutungsgehalt vieler Kompp. doch eine offenkundige Tatsache, die sich z.B. bei der Ubersetzung in eine andere Sprache als unmittelbare Erfahrung niederschlägt. B Ü H L E R hat dies wie folgt formuliert: „ Z u guter Letzt aber müßte wohl jeder systematischen Behandlung [der Kompp.] ein Satz des Inhaltes nachgeschickt werden, daß vieles in den Kompositionen nur angedeutet wird und vom Stoff her einer Bedeutungspräzision bedürftig ist [...]. Wer je in die Lage kam, deutsch konzipierte wissenschaftliche Gedanken englisch wiederzugeben, vermag ein Lied zu singen über die Verlegenheit, in die man oft gerät, wenn deutsch nur angedeutete Beziehungen englisch ausgedeutet werden müssen; es sind nach meiner Erfahrung in der Regel die bequemen deutschen Komposita, welche drüben als Blankoschecks nicht angenommen werden, sondern eingelöst werden müssen." (S.341.) Ganz ähnlich klingt dies in jüngerer Zeit bei ¿EPl6

(Verhältnis), wenn er

feststellt: „Für das Deutsche besteht eine besondere Schwierigkeit in der Behandlung der Zusammensetzungen, da diese, in eine andere Sprache übersetzt, zuweilen einen ganzen Satz oder wenigstens ein artikuliertes Syntagma als inhaltliche Entsprechung erforderlich machen, weil die bequeme deutsche Juxtaposition der Elemente, die in

tuenten unmittelbar sich ergebende, wird so gut wie ausschließlich unter zwei Gesichtspunkten diskutiert und gesehen, nämlich einmal unter dem der Frage, wie der Sprecher/Hörer in der Lage ist, diese vom Komp. selbst her nicht gegebene Bedeutung zu verstehen - dies ist z.B. überall dort der Fall, wo von der „Sachsteuerung" (MORCINIEC) des Verstehens o.a. gesprochen wird; zum anderen unter dem Aspekt der Demotivierung/Demotiviertheit von Bildungen. Daß auch ,nicht-demotivierte' Kompp. keine schlechthin motivierten, sondern, wie DE SAUSSURE (S.1S7) betont hatte, „sogar im günstigsten Falle" immer nur relativ motivierte sind, scheint hierbei etwas aus dem Blickpunkt zu geraten. Ausdrücklich erwähnt jedenfalls wird die prinzipielle Arbitrarität von Komposita in der jüngeren Diskussion höchst selten: nach LEPSCHY (S.49), auf den er auch Bezug nimmt, tut dies, soweit ich sehe, nur SEPPÄNEN: „Jedes Nominalkompositum, das einen gemeinschaftlich etablierten Wert bezeichnet, ist trotz seiner scheinbaren Analysierbarkeit zwangsläufig ein weitgehend arbiträres Sprachzeichen." (S.138; der Bezug auf LEPSCHY ebd., S.140.) Auch SEPPÄNEN gelangt jedoch nicht zu der Konsequenz, Wortsemantik und Bildungssemantik eines gegebenen Komp. zu unterscheiden, sondern er sieht die „Normbedeutung" ( ! ) von „langue-Komposita" ( ! ) als deren einzige Bedeutung; da diese in der Tat nicht analysierbar ist, betrachtet er „/a/igue-Komposita" folgerichtig (aber objektiv falsch) als überhaupt nur „scheinbar analysierbar" und verweist sie - wiederum konsequent - ins Lexikon. (Im hierzu von GÜNTHER (langueKompositum) angezettelten Streit spielt die Nicht-Unterscheidung der Bedeutungsebenen insofern eine zentrale Rolle, als sie von GÜNTHER geteilt wird, mit dem Ergebnis, daß beide Autoren im wesentlichen aneinander vorbeireden.) 1) Die gegenteilige Ansicht vertritt SEIDELMANN, S.156. - In seiner Studie zur Wortbildungslehre geht er von der wichtigen Unterscheidung der (Bedeutungs-)Ebenen des Systems und der Norm aus; seine angedeutete Sicht (vgl. auch: „Die Fixierung einer bestimmten Einzelbedeutung [von Kompp.] ist sekundär und gehört nicht mehr zur Ebene des Systems."; ebd.) erlaubt jedoch keine differenzierende Beschreibung oder Analyse der Kompp., so daß der ausdrückliche Verzicht „auf eine weitere Erörterung" dieser Bildungen (S.166) nur konsequent ist. - Daß es in der Tat eine Vielzahl von Kompp. gibt, deren von einer Wortbildungslehre vorzunehmende Bedeutungsanalyse über ,B, das mit A zu tun hat' legitimerweise nicht hinausgehen kann, ist eine andere Sache und wird hiermit nicht in Frage gestellt; -+ hierzu 11.8., bes. § 175.

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der Tiefenstruktur das inhaltliche Abhängigkeitsverhältnis der Kompositionsglieder enthält, nur durch eine Explikation dieser Tiefenstruktur in der Oberflächenstruktur inhaltlich äquivalent wiedergegeben werden kann." (S.32) v

/

Die ZEPIC-Stelle ist hier deshalb so ausführlich wiedergegeben, weil sich in ihrer Hypostasierung des Begriffs der Tiefenstruktur der Grund für eine weitere, generellere , Übergenauigkeit' in der Beschreibung von Kompp. andeutet. sieht die „Tiefenstruktur", von der er spricht, offenkundig als im Komp. selbst unmittelbar vorhanden, als einen dem Komp. in irgendeiner Weise realiter zukommenden .Bestandteil' an, nicht also als (eine der Möglichkeiten der) Beschreibung der Bedeutung des Komp. In dieser Sicht ,hat' das Komp. die ihm über die Tiefenstruktur zugeschriebene Bedeutung, und es ist nicht mehr möglich zu erkennen, daß es als solches (=auf der Ebene des Systems) zunächst sehr viel weniger aussagt und daher, wie BÜHLER es ausgedrückt hatte, „einer Bedeutungspräzision bedürftig" ist. Daß es von dieser Position aus auch nicht möglich ist, die Bedeutungsebenen des Systems und der Norm — oder, wenn es sich um eine ad-hoc-Bildung handelt, der kontexteingebundenen Verwendung — überhaupt auch nur zu unterscheiden, liegt auf der Hand. 1) Das bei 2EPIC so offen zutage tretende Mißverständnis ist nicht vereinzelt, sondern scheint faktisch sehr vielen Wortbildungsbeschreibungen — zumal solchen, die Kompp. mit syntaktischen Tiefenstrukturen generieren — zugrunde zu liegen. Dies ist der Grund dafür, daß NEUHAUS zu Recht allgemein feststellen kann, daß „die Beschreibungen von Wortbildungen zumeist überpräzisiert " sind (S.206). Er meint damit nicht Fälle der bereits besprochenen Art wie Walfisch usw. einerseits, Blaubeere usw. andererseits, und er meint auch nicht nur extreme Fälle wie etwa den, in welchem den einem Zeitungstext entnommenen Zusammensetzungen Berlin-Text und Dürer-Studio die Bedeutungen ,der Text, der von den Botschaftern der vier Siegermächte über die Zukunft Berlins ausgehandelt wurde' und ,ein Studio, in dem man während der Zeit der Ausstellung von Werken Dürers Mal- und Druckverfahren seiner Zeit selbst ausprobieren konnte' zugewiesen werden NEUHAUS meint vielmehr — zu Recht — einen sehr viel weiteren Bereich, welchem auch Wortbildungsbeschreibungen zugehören, die zunächst hinsichtlich „Überpräzisierung" unverdächtig erscheinen, deren genauere Betrachtung aber doch ergibt, daß sie Bedeutungselemente bzw. -festlegungen enthalten, 1) Die beschriebene Position kann unterschiedliche Bedeutungen eines Komp. von vornherein nur in Form der Annahme verschiedener Tiefenstrukturen erfassen, d.h. indem sie das Komp. als ambig auffaßt. Die Bedeutungsweite des Komp. auf der Ebene des Systems ist jedoch mit Ambiguität - um welche es sich handeln kann, aber nicht muß - nicht gleichzusetzen; -> hierzu §§ 8 f. 2) So bei KANN, S.295. (Auf der gewählten Beschreibungsebene sind diese Bedeutungsangaben übrigens unvollständig; zu ergänzen wären zumindest die Angaben von Zeit und Ort.) - Daß er nicht die den Kompp. als solchen zukommenden, sondern die durch ihren Kontext .aufgefüllten' „Bedeutungen" beschreibt, ist KANN nicht bewußt; jedenfalls ist von einer solchen Unterscheidung an keiner Stelle des Aufsatzes die Rede, vielmehr wird nur davon gesprochen, daß versucht werden solle, „durch Transformationen auf Tiefenstrukturen hin [!] das Erkennen differenzierter Wortbildungsmuster [!] zu ermöglichen" (S.291). Wäre die Unterscheidung vorausgesetzt, so könnte KANN die angeführten Kompp. auch nicht einfach als „Beispiele der lediglich dem zeitgeschichtlich kompetenten Leser/Hörer verständlichen Ad-hoc-Bildungen" (S.295) bezeichnen, denn verständlich sind diese Bildungen auch ohne zeitgeschichtliche Kompetenz und - was wichtiger ist - außerhalb jeglichen Kontextes: eben weil ihnen bereits selbst eine Bedeutung zukommt, welche von der referentiellen Konkretisierung in einer bestimmten Verwendung völlig unabhängig ist.

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die allein daraus resultieren, daß in der Analyse bereits (mögliche) außersprachliche Bezüge mitgedacht oder daß in ihr, wie NEUHAUS (S.206) schreibt, bestimmte Kontexte „wie selbstverständlich" vorausgesetzt werden. „So ist Straßenhändler sprachlich nicht auf den kleinen Geschäftsmann eingeengt, vielleicht nach Lage der Dinge, denn wer handelt schon mit Straßen?" (Ebd.; Hervorhebung von mir, R.G.) Wie weit der Bereich der „wie selbstverständlich" mitgedachten Bezüge, die, wenn sie unmittelbar in die Bedeutungsanalyse von Kompp. einfließen, eine „Überpräzisierung" der Beschreibung bedeuten, tatsächlich reicht, deutet sich bei GUNTHER (Untersuchungen) an, wenn er darauf hinweist, daß zu den möglichen Bedeutungen von Milchtasse, welches „als sprachliche (!) Struktur nicht explizit" seil), eben auch ,Tasse, die aus Milch besteht' gehört .2) Allerdings ist über GUNTHERS Feststellungen bzw. die ihnen zugrunde liegende Fragestellung noch hinauszugehen. Denn während für GUNTHER die Möglichkeit der Bedeutung ,Tasse, die aus Milch besteht' letztlich an die Möglichkeit gebunden bleibt, eine entsprechende Milchtasse tatsächlich herstellen zu können^), weil für ihn „mögliche Bedeutung" von vorneherein auf .innerhalb realer und realitätsbezogener Kommunikationssituationen verwendbare Bedeutung' eingeschränkt ist*) , ist für eine Beschreibung der Bedeutungen von Kompp. auf der Ebene des Systems auch diese Bindung an die außersprachliche Realität aufzugeben, und zwar letztlich deshalb, weil es natürlich möglich bleiben muß, auch solchen sprachlichen Ausdrücken Bedeutungen zuzuordnen, die in der außersprachlichen Realität keine Entsprechung haben oder haben können. Konkret heißt dies, daß auch für ein Komp. wie z.B. Bubenschule auf der Ebene des Systems .Schule, die aus Buben besteht' als mögliche Bedeutung anzunehmen bzw. zuzulassen ist.5) Wieso diese Bedeutung auf der Ebene möglicher Verwendungen bzw. der Ebene der Normbedeutung von Bubenschule ausgeschlossen ist, ist sodann zunächst einmal zu begründen bzw. als möglicher Prozeß im Kopf des Sprechers/in einer Grammatik zu beschreiben. Mag das auch für Fälle dieser Art trivial sein, so bedeutet dies doch eben nicht, daß deshalb der Ausschluß dieser Bedeutung bereits auf der Systemebene anzunehmen wäre. Das einzige für einen solchen Ausschluß sprechende Argument wäre — in welcher Form auch immer vorgetragen —, daß die Annahme eines aus Menschen bestehenden Gebäudes natürlich absurd sei, gewissermaßen so absurd, daß ihre auch nur theoretisch-potentielle Einführung von vornherein überflüssig sei. Doch dieses Argument bewegt sich eben nicht auf der Ebene des Systems, sondern auf der Ebene möglicher, in normaler Kommunikation realitätskontrollierter Verwendungen,

1) GÜNTHER, Untersuchungen, S.278 (Ausrufezeichen im Original). 2) Vgl. ebd., S.262f., wo GÜNTHER von der Frage ausgeht, weshalb diese Bedeutung in keiner der ihm bekannten linguistischen Arbeiten als mögliche Paraphrase von Milchtasse gilt. 3) Ebd., S.278. 4) Vgl. ebd., S.261. - Die von mir formulierte Einschränkung wird von GÜNTHER nur faktisch, nicht ausdrücklich vorgenommen (und folglich auch nicht begründet); sie ergibt sich in seinem empirisch-experimentellen Untersuchungsansatz sozusagen von selbst. Unexpliziert bleibt hierbei allerdings auch, was es heifit, daß „Milchtasse im Prinzip die Bedingungen für den Typ ,X aus Y' [müßte heißen: ,Y aus X'] erfüllt, wo X das Material angibt, aus dem Y besteht" (S.262f.; Unterstreichung von mir, R.G.). 5) Um einerseites das Argument zuzuspitzen, andererseits zusätzlichen, aus der Homonymie von Schule sich ergebenden Komplikationen aus dem Wege zu gehen, sei Schule hierbei im konkreten Sinn des Gebäudes aufgefaßt.

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und auch wenn man hiervon absieht oder die Voraussetzung einer nicht realitätskontrollierten Ebene rein innersprachlicher Bedeutungskonstituierung nicht akzeptieren will, ist das Argument in dieser Form nicht stichhaltig, vielmehr müßte es zunächst begründen und abgrenzen, welche Bedeutungen in diesem Sinne als „absurd" zu gelten hätten. Gerade das Milchtassen-Bsp. zeigt jedoch, daß dies nicht durch einfachen Verweis auf die dem Sprecher eignende Kenntnis der Welt geleistet werden kann, denn gemäß dieser Kenntnis bestehen nun eben auch Tassen nicht aus Milch, und daß die Bedingungen, unter denen sie es ggf. doch könnten, realistische wären, kann ebenfalls nicht gesagt werden. §2

Ein Ansatz der skizzierten Art ist in der Lage, der Tatsache, daß sehr viele Kompp. auch faktisch mehrdeutig sind, in angemessener Weise Rechnung zu tragen, also vor allem nicht nur von einer Lesart - deijenigen der Normalbedeutung - auszugehen, andere entweder überhaupt nicht oder nur unter dem Gesichtspunkt ihres unter besonderen situativen/kontextuellen Bedingungen möglichen Abweichens von der normalen Verwendung zu berücksichtigen.2) Vielmehr ist innerhalb dieses Ansatzes jede auf der Ebene der Verwendung realisierbare Bedeutung eines Komp. in gleicher Weise erklärungsbedürftig, d.h. auch für die Normalbedeutung sind die Bedingungen ihrer Konstituierung zu beschreiben (wobei es aus verschiedenen Gründen günstiger sein dürfte, sich zumindest vorerst an den hörer-/analyseseitig geltenden Bedingungen und nicht denen der Sprecher-/Produktionsseite, an welche strengere Anforderungen zustellen sind, zu orientieren^)). Dies ermöglicht dann auch die Beantwortung der Frage, warum eine bestimmte Bedeutung die Normbedeutung eines Komp. ist bzw. — was in der Regel hiermit zusammenfällt — diejenige Bedeutung, welche sich bei isolierter, kontextfreier Betrachtung dieses Komp. als dessen Interpretation einstellt. Im übrigen — das sei nur mehr im Vorübergehen angemerkt — ist es bei diesem Ansatz unerheblich, ob es sich beim jeweils untersuchten Komp. um eine bereits fertig vorliegende (also lexikalisierte) oder um eine aktuell vollzogene Bildung handelt^): auf der 1) Die von GÜNTHER (Untersuchungen, S.278, A n m . l l ) vorgenommene Rückbindung an die Realisierungsmöglichkeit derartiger Milchtassen spricht in dieser Hinsicht für sich selbst: „Bei entsprechenden Temperaturen kann man sicherlich aus gefrorener Milch Tassen formen und daraus noch nicht gefrorenen Alkohol trinken, und sei es auch nur, um einen Grund für diese Interpretation von Milchtasse zu haben." 2) „In der neueren Literatur wird die prinzipielle Mehrdeutigkeit von NN [=Subst.+Subst.-Kompp.] häufig nicht deutlich, was in erster Linie eine Folge der Untersuchungstechnik sein dürfte: In der Regel ist bei NN eine Lesart dominant; diese findet sich dann auch in Wörterbüchern, während andere Lesarten sehr oft nicht aufgeführt sind, weil sie nicht als relevant angesehen werden." (GÜNTHER, Untersuchungen, S.262. - „In der neueren Literatur" wäre allerdings deutlicher als GÜNTHER dies tut, vor allem auf empirisch arbeitende Untersuchungen zu beziehen. Im übrigen wird die These der „prinzipiellen" Mehrdeutigkeit von Kompp. in der vorl. Untersuchung nicht akzeptiert; § 3.) 3) Während .Hörersemantik' zumeist als rückwärts gelesene .Sprechersemantik' betrachtet wird (in aller Regel stillschweigend; ausdrücklich etwa bei SEIDELMANN, S.155), wird hier mit MAYERTHALER (S.127f.) von darüber hinausreichenden Unterschieden ausgegangen. 4) Die Berücksichtigung dieser Unterscheidung wird immer wieder gefordert, meistens mit der Intention, als eigentlichen Gegenstand der Wortbildungslehre nur aktuell vollzogene Bildungen zu betrachten (s. z.B. PANAGL, Überlegungen, S.49). Abgesehen davon, daß die Unterscheidung in der Praxis gar nicht getroffen werden kann, würde dies jedoch zum Ausschluß der weitaus meisten Kompp. aus der Untersuchung führen, und dies dürfte der Grund sein, weshalb solchen Forderungen tatsächlich dann doch nicht Folge geleistet wird. (So hindert KÜRSCHNER sein eigenes Postulat, nur nicht-„lexikalisierte" Bildungen zu beschreiben wollen (S.32-37, 53), nicht daran, Putzfrau als eines der am ausführlichsten diskutierten Bspp. zu wählen - wohlwissend, daß es aufgrund seines „Lexikalisierungs"-Grades „strenggenommen hier gar nicht behandelt werden dürfte" (S.91).)

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Ebene des Systems besteht zwischen beiden Fällen kein Unterschied. Allerdings ist es möglich, daß sich auf dieser Ebene eine Interpretation nicht mehr herstellen läßt {Wildbret, Werwolf, Himbeere, um nur einige recht beliebig herausgegriffene Bspp. zu nennen) - dann ist zu konstatieren, daß sich für das betr. Komp. eine dieses als Zusammensetzung (vollständig) erfassende Bildungssemantik synchronisch nicht herstellen läßt;l) und es ist auch möglich, daß eine Inteipretation auf dieser Ebene zwar möglich ist, jedoch deijenigen der Normbedeutung nicht (mehr) entspricht (Jungfrau, Großvater usw.) — dann sei die bildungssemantische Behandlung (oder Nichtbehandlung) im jeweiligen Fall der Einschätzung überlassen, ob diese bezüglich der Normbedeutung (noch) erklärenden Wert besitzt oder nicht.2) §3

Die auf der Ebene des Systems anzunehmende sehr weite Bedeutung eines Komp. A+B scheint sich nun, wie bereits angedeutet (-* § 1), in ,B, das mit A (in irgendeiner Weise) zu tun hat' zu erschöpfen. Unter Verweis auf COSERIU^) wird diese Ansicht von SEIDELMANN (S.156) vertreten, und GÜNTHER (Untersuchungen, S.263) zitiert — zugleich in der Absicht, das darin verwendete Erklärungsmodell der „ Sachsteuerung " als bedeutungsspezifizierendender Instanz in Frage zu stellen - eine andere COSERIUStelle, die hier ebenfalls wiedergegeben sei: „Im Falle von Holzkiste z.B. weiß man dank des deutschen Sprachsystems nur, daß es sich um eine Kiste handelt, die etwas mit Holz zu tun hat; durch die allgemeine Kenntnis der Sachen tritt dann eine Einschränkung ein: gewisse Möglichkeiten (,aus Holz', ,mit Holz') werden angenommen, gewisse andere hingegen werden ausgeschlossen (so ist es z.B. kaum möglich, daß Holzkiste eine Kiste bedeutet, ,die durch die Kraft des Holzes funktioniert'; vgl. dagegen Windmühle, Wassermühle)-,und erst durch die Kenntnis des aktuellen Sachverhaltes kann eine bestimmte Möglichkeit (z.B. ,aus Holz') unter den durch die allgemeine Kenntnis der Sachen zugelassenen ausgewählt werden.*"*) Dieser Ansicht ist weitgehend beizupflichten, jedoch zugleich in einem wesentlichen Punkt zu widersprechen. Zutreffend ist, daß Holzkiste auf der Ebene des Systems zunächst lediglich ,Kiste, die etwas mit Holz zu tun hat' o.ä. bedeutet, und zutreffend ist auch, daß erst die „Kenntnis des aktuellen Sachverhaltes" (zu ergänzen wäre: bzw. des Kontextes) erlaubt, die im konkreten Fall gemeinte Spezifizierung der verschiedenen Möglichkeiten des ,zu tun haben mit' zu identifizieren. Falsch hingegen ist, 1) Als Untergruppe hiervon könnten jene Fälle behandelt werden, in denen sich beim Sprecher sprachlich bzw. sprachgeschichtlich .falsche' Interpretationen einstellen (etwa bei Werwolf Herstellung eines Zusammenhanges zu Wehr-). Derartige Interpretationen sind - mit MAYERTHALER (S.128) - „zu den .linguistisch legalen' Meinungen (vgl. Volksetymologie, Rekompositum, Rückbildung usw.)" zu rechnen; sie scheinen einer eigenen empirisch-systematischen Untersuchung wert, welche natürlich auf erhebliche methodische und praktische Schwierigkeiten stößt. 2) Das darin enthaltenen Moment der Subjektivität mag stören. Immerhin entspricht es der Tatsache, daß das Maß des zwischen System- und Normbedeutung wahrgenommenen Zusammenhangs von Sprecher zu Sprecher verschieden ist; im übrigen kann auf diese Subjektivität in dem Augenblick verzichtet werden, in dem es gelingt, einer theoretisch klaren Differenzierung unterschiedlicher Motiviertheits- bzw. Idiomatisierungsgrade, wie sie etwa PÜSCHEL vorgelegt hat, ebenso klare Kriterien zur Kassifizierung der Kompp. gemäß dieser Differenzierung beizugeben. Bis dahin bleibt gültig, was PÜSCHEL selbst feststellen muß: „Die beurteilung einzelner beispiele im hinblick auf den grad ihrer idiomatisierung dürfte starken Schwankungen unterliegen, was sich mit der individualität der beurteilungskompetenzen von Sprachteilhabern erklären läßt." (S.163.) 3) Eugenio COSERIU: Probleme der strukturellen Semantik. Vorlesung, gehalten im WS 1965/66 an der Universität Tübingen. Autorisierte und bearbeitete Nachschrift von Dieter KASTOVSKY, Tübingen 1973, S.101. 4) COSERIU, Bedeutung, S.l 16f.

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ucreits die vor dieser aktuellen Identifizierung liegende Bereitstellung bestimmter Möglichkeiten (und Ausschließung bestimmter anderer) ebenfalls als durch „Sachsteuerung" — hier also durch „die allgemeine Kenntnis der Sachen" - erfolgend zu betrachten: Kiste ist aufgrund seiner eigenen Semantik bereits auf der Ebene des Systems ein Behältnis, d.h. ein Ding, das etwas enthalten kann bzw. sogar zur Aufnahme von etwas bestimmt ist, und aus der Semantik von Holz ergeben sich an keiner Stelle Widersprüche, wenn Holz in diese hier durch etwas bezeichnete Leerstelle, welche sprachlich nicht besetzt werden muß, aber kann, eingesetzt wird; das aber heißt, daß die Bedeutung ,Kiste, die Holz enthält/für die Aufnahme von Holz bestimmt ist' o.ä. sich als mögliche Bedeutung von Holzkiste bereits auf der Ebene des Systems, d.h innersprachlich aufgrund der Bedeutungen von Kiste und Holz herstellt. Zwar ist damit nur eine Bedeutung von Holzkiste konstituiert, neben der es mögliche weitere gibt, aber diese Bedeutung ist hier vollständig und genau und ohne aus einer „allgemeinen Kenntnis der Sachen" fließende .Zuschüsse' gegeben. Daß die Festlegung einer konkreten Verwendung von Holzkiste auf diese Bedeutung in der Ausdrucksweise COSERIUs „erst durch die Kenntnis des aktuellen Sachverhaltes" möglich wird, ist nicht weiter tragisch und ist vor allem nichts, was mit der Tatsache, daß es sich hier um ein Komp. handelt, zusammenhinge, vielmehr ist dies bei anderen mehrdeutigen Ausdrücken — sie seien nun (nicht zusammengesetzte) Wörter oder Sätze — ganz genau ebenso. Festzuhalten ist also: es gibt Kompp., die als solche zwar mehrere mögliche Bedeutungen zulassen, für die sich jedoch bereits aufgrund innersprachlicher Bezüge eine engere Bedeutung als nur ,B, das mit A zu tun hat' ergibt. Nach dem erreichten Stand der Analyse würde diese Bedeutung für Holzkiste etwa lauten: ,Kiste, die Holz enthält oder in anderer Weise mit Holz zu tun hat'. Wenn demnach Holzkiste ein mehrdeutiges Komp. ist, dessen Bedeutung sich auf der Ebene des Systems vollständig konstituiert, so läßt sich fragen, ob es nicht Kompp. gibt, die hinsichtlich der Art der Bedeutungskonstituierung mit Holzkiste übereinstimmen, sich jedoch insofern davon unterscheiden, als diese Bedeutung zugleich — im Rahmen normaler Verwendungsweisen — ihre einzige ist. ^ Daß es solche Kompp. gibt, wird hier in der Tat behauptet. In etwas genauerer Ausdrucksweise wird also die Ansicht vertreten, daß es Kompp. gibt, die als solche, d.h. die allein durch ihre Konstituenten bzw. deren Semantik einerseits, durch die mit deren Zusammensetzung erfolgende In-Beziehung-Setzung andererseits, eindeutig und präzis eine bestimmte Bedeutung ausdrücken. Aufgrund der beschriebenen Eigenschaften können diese Kompp. als „in der Oberfläche vollständig codierte Kompp." oder — unter etwas anderer Perspektive — auch als „innersprachlich vollständig codierte Kompp." bezeichnet werden, schließlich und vor allem jedoch — da aus außersprachlichen Kenntnissen fließende , Zuschüsse' für das Verständnis dieser Bildungen nicht erforderlich sind, — auch als „aus sich selbst heraus verständliche" oder kürzer als „selbstverständliche Kompp."2) 1) Der Hinweis auf die Bedingung normaler Verwendungsweise erfolgt deshalb, weil Kompp. als Bezeichnungen natürlich auch in metaphorischer oder ,uneigentlicher' Weise verwendet werden können - wie sonstige Bezeichnungen und andere sprachliche Ausdrücke auch. Die so auf der Ebene der Verwendung entstehenden weiteren möglichen Bedeutungen haben mit besonderen Eigenschaften von Kompp. und deren spezifischer Art von Mehrdeutigkeit, um die es hier allein geht, nichts zu tun. Es schien geboten, entsprechenden Mißverständnissen vorzubeugen. 2) Eine in ihrem Sinn gleiche Bezeichnung - „(aus-sich-)selbst-verständlich" - findet sich bei HERBERMANN

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Zum Nachweis der bislang nur behaupteten Existenz solcher Kompp. wird am besten zunächst einfach nach Bildungen gesucht, bei denen eine Bedeutungsbeschreibung nach dem Muster ,B, das mit A zu tun hat'jedenfalls sinnlos erscheint. Wie hier nur an wenigen Bspp. gezeigt werden soll, führt diese Suche rasch zum Erfolg. So kann — um mit einem Fall aus der in dieser Hinsicht klarsten Gruppe zu beginnen — Reisebeginn kein .Beginn, der etwas mit (einer) Reise/mit reisen zu tun hat' sein, da es — was jedenfalls nicht erst aus einer „ allgemeinen Kenntnis der Sachen" folgt — einen Beginn, der nicht ein Beginn von etwas wäre, nicht gibt, so daß Beginn zu Reise ¡reisen logisch und sprachlogisch in keiner anderen Beziehung stehen kann als eben der, .Beginn der Reise/des Reisens' zu sein. In etwas andererWeise bleibt bei Bratkartoffel eine Bedeutungsbeschreibung .Kartoffel, die etwas mit braten zu tun hat' hinter den innersprachlich vorgegebenen Bedeutungsbeziehungen zurück, da aufgrund der Semantik von Kartoffel (nicht erst aufgrund praktischer Kenntnis der Sache „Kartoffel") beispielsweise Interpretationen, die Kartoffel bezüglich braten in einer Agens- oder einer Instrumentalrelation sehen, ausgeschlossen sind, so daß schließlich — immer bezogen auf den Rahmen normaler Verwendungsweisen^) — diejenige Interpretation übrigbleibt, gemäß der Kartoffel zu braten in Objektrelation steht.2) Und in einem Fall wie Obstverkäufer schließlich wäre es sprachlich unangemessen, Verkäufer mit Obst in irgend andererWeise,zu tun haben' lassen zu wollen als eben deijenigen des Verkäufers, d.h. Verkäufer steht hier in Subjekt- bzw. Agensrelation zu Obst als Objekt. §4

Weitere Ausführungen zu den „selbstverständlichen" Kompp. erfolgen im Zuge ihrer auf dem Untersuchungsmaterial basierenden Darstellung in Kap.I. Hier ist nun zu Holzkiste zurückzukehren und zu der Tatsache, daß diesem Komp. neben derjenigen Bedeutung, die sich in „selbstverständlicher" Weise unmittelbar aus seinen Konstituenten ergibt, ganz offenkundig weitere mögliche Bedeutungen zukommen: Holzkiste kann auch eine aus Holz bestehende (COSERIUs Bedeutungsan(S.197); sie ist dort jedoch ausdrücklich nur auf nicht-zusammengesetzte „mehrwortige Ausdrücke* bezogen, umgekehrt werden Kompp. ausdrücklich als „nicht (aus-sich-)selbst-verständlich" bezeichnet (s. a. ebd. das Schema S.202). - HERBERMANN betont, der „Inhalt" solcher Ausdrucke sei „ - bei vorausgesetzter Kenntnis der [...] Konsitutenten - quasi offen darliegend", so daß die Ausdrucke selbst „nicht mehr nur durchsichtig, sondern gänzlich offenbar" oder eben „(aus-sich-) selbst- verständlich" seien (S.197). Dieser Beschreibung ist zuzustimmen, nur gehören eben auch bestimmte Kompp. zu den so charakterisierten Ausdrücken. Im übrigen irrt HERBERMANN, wenn er (ebd.) meint, mit seinem Begriff einen von ULLMANN gleichbedeutend verwendeten Ausdruck aufzugreifen: ULLMANN spricht von Kompp. und Ableitungen, die „to some extent motivated, i.e., self-explanatory" seien (S.87). Die Gleichsetzung von „sich selbst erklärend" mit „motiviert' entspricht vollständig der Intention ULLMANNs und kann nicht, wie HERBERMANN dies tut, einfach zu einem Irrtum erklärt werden; sie bezieht sich auch auf die Relativität bzw. Graduiertheit, d.h. auch für „self-explanatory" gilt die Einschränkung „to some extent". Bei ULLMANN liegt also eine deutlich andere (und abzulehnende) Verwendung eines sehr ähnlichen Ausdrucks vor: einem graduierten Begriff von „Selbstverständlichkeit" wäre die auch dem Wortsinn entsprechende Spitze genommen, die ihn gerade zur Unterscheidung von bloßer „Motiviertheit" geeignet macht. 1) -* S.32, Anm.l. 2) Hiermit ist nicht nur die Normbedeutung von Bratkartoffel (welche etwa als ,in Scheiben geschnittene gekochte Kartoffeln, die unter Zugabe von Fett in einer Pfanne gebraten sind' zu beschreiben wäre) noch nicht gegeben, sondern es ist in .Kartoffel, die Objekt eines Bratvorganges ist' o.a. bereits noch offen, ob der Bratvoigang ein schon vollzogener oder ein noch ausstehender ist (im zweiten Fall wären also etwa ,zum Braten bestimmte/ geeignete Kartoffeln' bezeichnet). Da zuvor davon gesprochen worden ist, in den hier vorgestellten Kompp. werde „präzis eine bestimmte Bedeutung ausgedrückt", sei vorgreifend daraufhingewiesen, daß Präzisheit (eines Ausdrucks/einer Aussage) und „kommunikative Unbestimmtheit" verschiedene Dinge sind, die sich ohne Widerspruch miteinander vereinbaren lassen; hierzu §9.

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angabe ,aus Holz') oder eine mit (z.B. Verzierungen aus) Holz versehene Kiste (COSERIUSs Angabe ,mit Holz') bezeichnen. Zunächst soll grob skizziert werden, wie sich diese Bedeutungen als solche konstituieren. Es liegt auf der Hand, daß hierfür nun die oft zu pauschal bemühte „ Sachsteuerung" bzw. „Weltkenntnis des Sprechers" mit heranzuziehen ist, deren Stellenwert allerdings später noch etwas genauer beschrieben werden soll (•+ §10). Konkret auf das gegebene Bsp. bezogen wäre also etwa zu sagen, daß der Sprecher bzw. Hörer aufgrund seiner „allgemeinen Kenntnis der Sachen" u.a. weiß, daß eine Kiste ein materieller Gegenstand ist, der aus einem bestimmten Material besteht, und daß als Material Holz in Frage kommt; er weiß ferner, daß es Kisten gibt oder geben kann, die z.B. aus Blech bestehen, jedoch - im Unterschied zu anderen Blechkisten — in markanter Weise mit Holz versehen, also etwa verkleidet oder verziert sind; und er kennt schließlich auch weitere mögliche Beziehungen, die zwischen den außersprachlichen Gegenständen Kiste und Holz bestehen können. Sein Sachwissen also, das er aus theoretischer Kenntnis, vor allem aber aus dem praktischen Umgang mit den Dingen selbst bezieht, setzt den Sprecher/Hörer instand, Holzkiste die fraglichen Bedeutungen als Bedeutungsmöglichkeiten zuzuweisen, die bei kontextfreier Betrachtung nebeneinander bestehen und von denen in einem gegebenen Kontext die dazu passende ausgewählt wird.l) Unter den Kompp. gibt es ohne Zweifel viele - ein Bsp. wäre etwa Fischfrau —, die als solche auf der Ebene des Systems lediglich ,B, das mit A zu tun hat' beinhalten, denen also konkretere Bedeutungen erst aufgrund pragmatischer Bezüge als Spezifizierungen von „zu tun haben mit" zugewiesen werden können. Es bietet sich an, solche Kompp. im Gegensatz zu den „selbstverständlichen" als „pragmatisch verständliche" oder kürzer als „pragmaverständliche Kompp." zu bezeichnen. §5

Werden — wie bislang geschehen — Kompp. als solche als entweder „selbst-" oder „pragmaverständlich" bezeichnet, so ergeben sich bei Kompp. wie Holzkiste und vielen weiteren, die nicht nur „selbstverständlich", sondern auch „pragmaverständlich" interpretiert werden können, neben terminologischen auch gewisse logische Schwierigkeiten, da „Selbstverständlichkeit" den Schluß auf damit verbundene Vollständig- und Ausschließlichkeit zumindest nahelegt. Es ist daher sinnvoll und letztüch von der Sache her geboten, die Bezeichnung „selbstverständlich" bzw. „pragmaverständlich" im engeren Sinn nicht auf das jeweilige Komp. an sich anzuwenden, sondern es auf das betr. Komp. nur, insofern ihm eine bestimmte Bedeutung zukommt. Die beiden Termini sind also Prädikate über Bedeutungen von Kompp., es soll jedoch der größeren Einfachheit des Ausdrucks wegen in der vorliegenden Untersuchung auch weiterhin möglich sein, von „selbstverständlichen" bzw. „pragmaverständlichen" Kompp. zu sprechen, womit dann allerdings Kompp. in der entsprechenden Verwendung (welche andere Verwendungen des jeweils gleichen Komp. nicht ausschließt) gemeint sind. 1) Daß in einem stärker auf psychische Realität (in diesem Fall besonders des Dekodierungsprozesses) ausgerichteten Modell der Kontext nicht als nachträglich, sondern als begleitend seiegierende, also .aktiv' verständnissteuernde Instanz anzusetzen wäre, ist eine andere, im Zusammenhang der Wortbildung nicht weiter interessierende Frage. Im Augenblick ebenfalls auf einem anderen Blatt steht, daß im Normalfall bei kontextfreier Darbietung sich eine bestimmte, und zwar möglicherweise bei vielen oder gar allen Sprechern immer dieselbe Bedeutung primär einstellen wird, was bedeutet, dafi verschiedene mögliche Bedeutungen eines Komp., bezogen auf ihre tatsächliche Verwendung, nicht gleichrangig nebeneinanderstehen; -» hierzu §§ 10-12.

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Uber die damit erreichte Ausdrucksvereinfachung hinaus hat diese terminologische Regelung vor allem den Effekt, daß für die Zuordnung der Belege zwei Klassen (mit den bislang verwendeten Bezeichnungen) ausreichen, daß also auf die Bildung einer dritten, gemischten Klasse (nämlich von Kompp., die sowohl mit „selbst-", als auch mit „pragmaverständlicher" Bedeutung verwendet werden können) verzichtet werden kann. Im übrigen entspricht die terminologische Regelung dem in der Untersuchung angewandten Beschreibungsverfahren, welches sich auf die Bildungssemantik nicht der Kompp. als solcher, sondern der Kompp. eben in ihrer jeweiligen Verwendung bezieht §10).

Es scheint möglich und sinnvoll zu sein, auch bei einer Klassifizierung der Kompp., die sich nicht auf jeweils vorliegende Verwendungen, sondern auf die Kompp. als solche in ihren ggf. verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten bezieht, ein entsprechendes Gliederungsraster von nur zwei Klassen zugrunde zu legen und die Kompp. wiederum in einerseits „selbst-", andererseits „pragmaverständliche" einzuteilen. Als in diesem Sinn .schlechthin' (= hinsichtlich ihrer überhaupt möglichen Verwendungen) „selbstverständliche" Kompp. wären diejenigen zu betrachten, die Verwendung mit „selbstverständlicher" Interpretation zulassen (ohne anderslautende „pragmaverständliche" Interpretation(en) auszuschließen), als „pragmaverständliche" demgegenüber diejenigen, bei denen ausschließlich Verwendungen mit solcher Interpretation möglich sind. Für eine solche Klassifizierung der unabhängig von einer jeweils bestimmten Verwendung betrachteten Kompp. könnten zwei Gründe angeführt werden. Zum einen entspricht sie der Tatsache, daß das Vorhandensein einer „selbstverständlichen" Bedeutung bzw. Bedeutungsmöglichkeit als merkmalhaft anzusehen ist: eine über außersprachlich gegebene Bezüge herstellbare Interpretationsmöglichkeit kommt jedem Kompp. zu^), eine Interpretationsmöglichkeit bereits aufgrund innersprachlich gegebener Beziehungen weisen demgegenüber nur bestimmte, eben dadurch ausgezeichnete Bildungen auf. Zum andern ist die innersprachlich konstituierte Bedeutung sozusagen die sprachlogisch frühere, und zwar dies in zweierlei Hinsicht. So kann zunächst für ein „selbstverständliches" Komp. wie z.B. Obstverkäufer gesagt werden, daß eine über das Sachoder Weltwissen des Sprechers laufende Herleitung der Bedeutung .Verkäufer von Obst/jemand, der Obst verkauft', welche natürlich ebenfalls möglich ist, gegenüber der innersprachlich-„selbstverständlichen" Konstituierung dieser Bedeutung einen Umweg darstellt. Darüber hinaus scheint es dann aber weiterhin plausibel, die auf „selbstverständliche" Weise gegebene Bedeutung eines Komp. auch gegenüber anderen „pragmaveiständlich" konstituierten Bedeutungen desselben Komp. als sprachlogisch früher anzusehen; konkretisiert wiederum im Bsp. Obstverkäufer würde das bedeuten, dessen bereits umschriebene „selbstverständliche" Bedeutung als in diesem Sinne frühere vor einer möglichen „pragmaverständlichen" Verwendung/Interpretation wie z.B. ,der Verkäufer [in einem Eisenwarengeschäft], der fortwährend Obst ißt' anzunehmen. 1) Das ist ja der Grund dafür, daß beliebige Kombinationen interpretierbar und das heißt: als Kompp. verwendbar sind; -» Einleitung, §7.

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§7

Das soeben skizzierte Verhältnis zwischen „selbst-" und „pragmaverständlicher" Interpretation von Kompp. kann für ein Modell ihres Dekodierungsprozesses fruchtbar gemacht werden. Wie hier nur grob skizziert werden soll (-»• im einzelnen §§ 10-12), würde in einem solchen Modell zunächst die Möglichkeit der „selbstverständlichen" Interpretation eines Komp. überprüft und bei positivem Ergebnis die entsprechende Bedeutung abgerufen; in einem weiteren, späteren Schritt würden dann mögliche „pragmaverständliche" Interpretationen ermittelt und als Bedeutungen abgerufen, die entweder allein oder neben einer vorhandenen „selbstverständlichen" Bedeutung mögliche Lesarten des betr. Komp. darstellen. Im Augenblick ist hieran von Interesse, daß einem derartigen Modell zwar auch ohne den Anspruch, psychisch-realen Verstehensabläufen zu entsprechen, beschreibender und in bestimmtem Umfang erklärender Wert zukommt, daß aber andererseits einem solchen Anspruch auch nichts zu widersprechen scheint. Unter solchen Gesichtspunkten impliziert die vorgeschlagene Klassifizierung der Kompp. in Verbindung mit der dafür gegebenen Begründung der sprachlogischen Vorrangigkeit der „selbstverständlichen" Interpretation u.a. die Annahme, daß die ^selbstverständliche" Bedeutung eines Komp. (sofern dieses eine solche zuläßt) auch .im Kopf des realen Sprechers/Hörers als erste abgerufen wird, also insbesondere bzw. zumindest bei kontextfreier Darbietung des Komp. diejenige ist, die sich als erste einstellt. Die skizzierte Annahme wird hier für plausibel gehalten; ob bzw. inwieweit sie tatsächlich zutrifft, ist allerdings eine empirische Frage. 1) Die Beantwortung dieser Frage kann nicht Ziel der vorl. Untersuchung sein, die allerdings hierzu dennoch einen gewissen Beitrag leistet, indem sie — was hiermit zugleich noch einmal betont werden soll — tatsächlich verwendete Bedeutungen von Kompp. feststellt. In wie hohem Maße bereits die Frage nach den im Gebrauch tatsächlich möglichen oder üblichen Bedeutungsverwendungen eine empirische ist, sei durch den Hinweis darauf illustriert, daß GÜNTHER (Untersuchungen, S.262) z.B. für Holzhammer die mögliche Lesart ,Hammer für Holz/ mit dem man Holz bearbeitet' für „nicht ungewöhnlich" hält, während SEIDELMANN (S.156) erklärt: „Das Wissen um den Sachkontext verbietet z.B. für ein Kompositum Holzhammer die Bedeutungsrealisierung ,.Hammer zur Bearbeitung von Holz' und läßt nur eine solche ,Hammer aus Holz' zu, gestattet aber für Eisenhammer beide entsprechenden Möglichkeiten".

§8

Angesichts der Mehrdeutigkeit und/oder Unpräzisheit der Kompp., von welcher die bisherigen Darlegungen ihren Ausgang genommen haben, kommt der Frage der Möglichkeit ihres (innerhalb realer Sprachsituationen ja in der Regel eindeutigen) Verstehens besondere Bedeutung zu.2) Die Feststellung der „ Überpräzisierung" der in 1) Für eine empirische Überprüfung wäre die A n n a h m e selbstverständlich weiter zu differenzieren; berücksichtigt werden müßte insbesondere, daß das Prinzip der Vorrangigkeit der „selbstverständlichen" Bedeutung beim einzelnen K o m p . durch anderslautende Bedeutungsfixierung im Gebrauch durchkreuzt oder .gestört' sein kann, so daß eine „pragmaverständliche" Interpretation eine mögliche „selbstverständliche" sozusagen von ihrem ersten Platz verdrängt hat. 2) Demgegenüber ergeben sich für den Erzeugungsprozeß nicht nur syntaktisch (-> Einleitung, §§ 6f.), sondern auch in semantischer Hinsicht kaum Probleme, was außerhalb eines entsprechenden Generierungsmodells der Tatsache entspricht, daß der Sprecher ja weiß, in welcher Bedeutung er ein von ihm gebrauchtes bzw. gebildetes Komp. verwendet. Anders ausgedrückt: die Generierung mehrer möglicher Lesarten eines Komp. erklärt lediglich das F a k t u m bzw. die Möglichkeit der Mehrdeutigkeit dieses Komp., gibt jedoch keine Antwort auf die

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Wortbildungsuntersuchungen üblicherweise beschriebenen bzw. zugrunde gelegten Bedeutungen von Kompp. gibt hierauf zunächst allenfalls eine Negativantwort, nämlich die, daß bei einer derartigen Beschreibung der Tatsache der ,Unpräzisheit' von Kompp. bzw. des Vorhandenseins weiterer möglicher Lesarten eben nicht Rechnung getragen wird. Für die bereits angedeutete Entwicklung eines die , Unpräzisheit' von Kompp. berücksichtigenden Dekodierungsmodells ist es jedoch hilfreich, den Gedanken der „Überpräzisierung" vorfindlicher Beschreibungen einen Schritt weiter zu differenzieren. Die in §§1-3 angeführten Bspp. lassen erkennen, daß „Überpräzisierung" der Beschreibung zwei voneinander zu unterscheidende Tatbestände bezeichnet, da ihr in den beschriebenen Kompp. zwei durchaus verschiedene Arten von - wie es hier in vorläufiger Weise und im Sinne eines Oberbegriffs bezeichnet werden soll — .Nicht-Eindeutigkeit' zugrunde liegen. So liefert die Bildungssemantik von z.B. Blaubeere mit der (auf der Ebene des Systems gegebenen, „selbstverständlichen") Bedeutung ,blaue Beere/ Beere, die blau ist' keineswegs eine „diffuse", sondern eine in bestimmtem Sinn durchaus genaue Bedeutung, die allerdings von ihrem Umfang her weit ist, da sie eine Vielzahl möglicher Denotate hat; eine Beschreibung der Wortbildung Blaubeere im Sinne des Denotats „Heidelbeere" ist also eine „Überpräzisierung" dadurch, daß sie hinsichtlich des Bedeutungsumfangs eine Eingrenzung vornimmt, die mit dem Komp. selbst bzw. seiner Bedeutung auf der Ebene des Systems nicht gegeben ist, vielmehr erst auf der Ebene der Norm erfolgt. Anders dagegen Fälle wie z.B. Zeitungsfrau: auf der Ebene des Systems ergibt sich hier die ,ungenaue' Bedeutung ,Frau, die mit Zeitung(en) zu tun hat'; ,ungenau' bezieht sich also nicht auf den Umfang, sondern auf die Intension der Bedeutung, die als solche mehrere verschiedene Interpretationen hinsichtlich der Art und Weise des „zu tun haben mit" zuläßt, also z.B. ,Frau, die Zeitungen verkauft', ,Frau, die Zeitungen austrägt', aber auch etwa ,Frau, die regelmäßig mit einer Zeitung [in der Hand] auf der Straße gesehen wird' usw. Eine Beschreibung von Zeitungsfrau z.B. als ,Frau, die Zeitungen austrägt' stellt also deshalb eine „Überpräzisierung" dar, weil sie aus diesen verschiedenen möglichen Interpretationen, die auf der Ebene des Systems insofern nebeneinander bestehen, als keine von ihnen ausgeschlossen ist, nur eine herausgreift. Zeitungsfrau hat also als Komp. nicht wie Blaubeere eine bestimmte, aber weite Bedeutung, sondern es läßt in der Verwendung verschiedene Bedeutungen zu, welche dann unterschiedliche Relationen zwischen den im Komp. enthaltenen Konstituenten bzw. deren Denotaten repräsentieren; es ist also als solches mehrdeutig. Und mehrdeutig sind auch Kompp. wie Milch tasse, bei denen sich eine (möglicherweise weite, aber in jedem Fall im beschriebenen Sinn »genaue') „selbstverständliche" Bedeutung auf der einen Seite (,Tasse, die für die Aufnahme von Milch bestimmt ist' o.ä.) und eine oder mehrere „pragmaverständliche" Bedeutungen auf der anderen Seite, die auf eine .ungenaue' Bedeutung .Tasse, die mit Milch zu tun hat' zurückgehen, gegenüberstehen. §9

Die ,Nicht-Eindeutigkeit' von Kompp. kann mithin weder pauschal als deren „diffuse letztlich zentrale Frage, wieso der Hörer - außer im Fall des Mißverstehens - gerade die vom Sprecher gemeinte Lesart auswählt, d.h. versteht. (Dasselbe gilt übrigens auch bezüglich des Verstehens von Sätzen, allerdings mit dem Unterschied, daß das Problem der Mehrdeutigkeit in diesem Bereich keine vergleichbar zentrale Rolle spielt.)

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Semantik" o.ä., noch pauschal als deren Ambiguität bezeichnet werden, sondern dies sind zu unterscheidende Formen der ,Nicht-Eindeutigkeit', welche sich auf das mögliche Verständnis von Kompp. in durchaus unterschiedlicher Weise auswirken. Im folgenden soll versucht werden, die umrissenen Erscheinungen eben in Hinsicht auf die Rolle, die sie im (möglichen) Verstehensprozeß von Kompp. spielen, noch etwas genauer zu erfassen. Insbesondere sollen die bislang in vorläufiger Weise verwendeten Ausdrücke „genaue" bzw. „ungenaue Bedeutung" (auf der Ebene des Systems) präzisiert und durch die Ausdrücke „präzise" bzw. „vage Bedeutung" ersetzt w e r d e n . ^ Wichtig ist hierfür zunächst die Unterscheidimg zweier verschiedener Bezugsebenen für „Präzisheit" vs. „Vagheit". Mit den Bezeichnungen „semantische Unbestimmtheit" (vs. entsprechende Bestimmtheit) und „kommunikative Unterbestimmtheit" (ebenfalls vs. entsprechende Bestimmtheit) können diese Bezugsebenen unmittelbar von PINKAL übernommen und wie folgt gekennzeichnet werden: „Semantische Unbestimmtheit ist eine Eigenschaft von sprachlichen Ausdrücken (im besonderen, aber nicht nur, von Lexemen); sie betrifft bestimmte strukturelle Eigeschaften ihrer Denotate. Pragmatische Unterbestimmtheit bezieht sich auf Äußerungsereignisse und die durch sie übermittelte Information. [...] Die beiden Termini stehen hier also nicht für zwei Typen von Vagheitsphänomenen, sondern entsprechen zwei verschiedenen Ebenen der Sprachbetrachtung."^) Die Dimension der kommunikativen Bestimmtheit/Unterbestimmtheit bezieht sich „auf eine bestimmte Hörererwartung oder situationsabhängige Norm", diejenige der semantischen Bestimmtheit/Unbestimmtheit hingegen auf die Möglichkeit/ Unmöglichkeit von WahrheitswertzuWeisungen.Insbesondere Letzteres ist hier im einzelnen nicht von Interesse (und im übrigen auch bei PINKAL nur programmatisch behandelt). Von besonderer Bedeutung ist hingegen, daß semantische Bestimmtheit/ Unbestimmtheit und kommunikative Bestimmtheit/Unterbestimmtheit in keinem direkten Zuordnungs- oder Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, daß vielmehr z.B. - das ist der hier vor allem interessierende Fall - semantische Bestimmtheit oder Präzisheit eines Ausdrucks mit kommunikativer Unterbestimmtheit seiner Verwendung einhergehen kann. Das sei hier sogleich am Bsp. Blaubeere gezeigt^), dessen auf der Ebene des Systems gegebene Bedeutung ,blaue Beere/Beere, die blau ist' semantisch-logisch präzis ist, da sie auf eine eindeutige und als solche auch nicht weiter präzisierbare Prädikation zu1) Wie aus den Darlegungen der §§1-3 hinreichend ersichtlich ist, wird in der Wortbildungsdiskussion in der Regel nur entweder vom einen oder vom anderen gesprochen; in einigen Fällen bedeutet dies, daß nur die jeweils betr. Art von ,Nicht-Eindeutigkeit' berücksichtigt wird, in anderen jedoch, daß beide Arten ununterschieden zusammengeworfen werden. 2) Vgl. zum folgenden den Aufsatz PINKALs über semantische Vagheitsphänomene, der diese und die verschiedenen Vagheitstheorien in einem verdienstvollen Überblick zusammenfaßt. Umittelbare Übertrag- oder Anwendbarkeit auf den Bereich der Kompp. ist allerdings im einzelnen nicht gegeben: die Darlegungen PINKALs beziehen sich auf semantische Unbestimmtheit von Lexemen bzw. Ausdrücken innerhalb von Sätzen/Äußerungen, demgegenüber entspricht die semantische (Un-)Bestimmtheit von Kompp. auf der Ebene des Systems derjenigen von Sätzen bzw. Syntagmen. 3) PINKAL, S.4. - Nicht recht verständlich ist, weshalb PINKAL den von ihm kurz zuvor als „kommunikative Unterbestimmtheit" eingeführten und auch im weiteren Fortgang des Textes wieder ausschließlich so bezeichneten Begriff an dieser Stelle in „pragmatische Unterbestimmtheit" umbenennt. 4) Ebd., S.4f. 5) Weitere Beispiele bei PINKAL, S.3f., lOf.

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rückgeht: der Beere wird das Merkmal ,blau' zugesprochen (womit zugleich die ebenso möglichen Merkmale ,grün', ,rot' usw. abgesprochen werden). Daß diese präzise und eindeutige Prädikation keine vollständige Beschreibung und auch keine pragmatischkommunikativ hinreichende Kennzeichnung der gemeinten Beere bzw. Beerenart darstellt, ist eine andere Frage, eben diejenige kommunikativer Bestimmtheit bzw. Unterbestimmtheit. Daß diese in der Tat auf einer anderen Ebene liegt, zeigt sich deutlich, wenn die auf der Ebene des Systems gegebene Bedeutung probeweise als solche auf der Ebene der Verwendung eingesetzt wird: die in einer Äußerung ich mag gern blaue Beeren bestehende Unklarheit hinsichtlich des gemeinten Gegenstandes ruft nicht Fragen hervor, die auf eine Präzisierung der Prädikation (ist) oder des Prädikats (blau) zielen^), sondern Fragen nach der Angabe weiterer, andersartiger Merkmale (z.B. der Größe usw.). Nur die Angabe weiterer Merkmale kann die hier bestehende Unterbestimmtheit .auffüllen' und dadurch beseitigen, und die auf der Ebene der Norm festgelegte Bedeutung von Blaubeere ist durch die Aufnahme solcher Merkmale vollzogene Begrenzung der semantisch präzisen, aber kommunikativ unterbestimmten Bedeutung , blaue Beere' a u f , Heidelbeere'. Die bei Zeitungsfrau vorliegenden Verhältnisse unterscheiden sich hiervon zunächst einmal dadurch, daß die auf der Systemebene gegebene Bedeutung ,Frau, die mit Zeitung(en) zu tun hat' nicht im zuvor beschriebenen Sinn präzis, sondern sehr vielfältig auslegbar ist. Dies muß nicht unbedingt kommunikative Unterbestimmtheit bedeuten, sondern es sind Kontexte bzw. Kommunikationssituationen möglich, in denen die Art und Weise, auf die eine betr. Frau mit Zeitungen ,zu tun hat', keine Rolle spielt und daher offenbleiben kann;2) wo jedoch die unpräzise oder vage Bedeutung der Systemebene in der Verwendung als Unterbestimmtheit wirkt, werden Fragen zur Beseitigung dieser Unterbestimmtheit nicht auf die Angabe weiterer Merkmale, sondern auf nähere Bestimmung oder Präzisierung von ,zu tun haben mit' zielen. Daß es sich bei ,Frau, die mit Zeitung(en) zu tun hat' um Vagheit einer Bedeutung handelt, zeigt sich also darin, daß durch diese Ungenauigkeit möglicherweise entstehende kommunikative Unterbestimmtheit nicht durch Beantwortung der Frage „und was noch?", sondern der Frage „und zwar wie?" aufgelöst wird. Da Vagheit und Mehrdeutigkeit, wie PINKAL (S.9-11) betont, zwar ineinander übergehen, jedoch grundsätzlich voneinander zu unterscheiden sind, ist noch daraufhinzuweisen, daß es sich bei der auf der Systemebene gegebenen Vagheit von Kompp .-Bedeutungen, die aus der Vagheit der dort angebbaren Relation zwischen den Konstituenten der betr. Kompp. resultiert, in bestimmter Weise um einen solchen Übergang handelt. Die Vagheit der Konstituenten-Relation bedeutet theoretisch eine letztlich unabgrenzbare Anzahl möglicher Präzisierungen, welche sich jedoch für eine mögliche Verwendung praktisch-pragmatisch erheblich reduziert, nämlich mindestens auf die 1) Wie alle Faibadjektive ist blau natürlich als solches nicht präzis, sondern „vage", und dasselbe gilt im übrigen auch für Beere (genauer sind beides Begriffe mit unscharfem Randbereich; vgl. PINKAL, hier bes. S.20-22); dies spielt aber, wie oben gezeigt wird, hinsichtlich der kommunikativen Unterbestimmtheit gerade keine Rolle. 2) Faktisch wird sie das allerdings nie völlig bleiben, vielmehr wird in einem Kontext, der selbst keine eigenen Anhaltspunkte liefert (bzw. in einem „Null-Kontext") der Hörer sozusagen immer auf Probe/bis auf Widerruf eine Präzisierung von ,zu tun haben mit' in Richtung auf .verkaufen oder austragen' vornehmen; zur Aussage, daß eine vage Bedeutung nicht prinzipiell und notwendigerweise kommunikative Unterbestimmtheit nach sich zieht, ergibt sich hieraus kein Widerspruch.

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Anzahl der aufgrund des Weltwissens des Hörers zulässigen oder .denkbaren', in einem engeren Sinn sogar auf die aufgrund dieses Wissens wahrscheinlichen Relationen. Die Vagheit der Systembedeutung erscheint also auf der Ebene möglicher Verwendungen als Mehr- bzw. Vieldeutigkeit der betr. Kompp. ^) Auf der Basis des in den letzten Paragraphen Dargelegten ist es nunmehr möglich, ein Dekodierungsmodell für Kompp. darzustellen, das einerseits die Möglichkeit des (eindeutigen) Verstehens von Kompp. in konkreten Verwendungen erklären, andererseits die von einer Wortbildungslehre zu erfassenden Erscheinungen umreißen und schließlich den inneren Zusammenhang zwischen Wortbildungslehre und möglichem Verstehensprozeß deutlich machen soll. Es erscheint als angemessen, das Dekodierungsmodell in der Form eines Flußdiagramms darzustellen und diesem lediglich die zu seinem Verständnis erforderlichen Erläuterungen, sofern sie über das bisher Gesagte hinausgehen, beizugeben. Das Flußdiagramm (-»• S.41) stellt den Dekodierungsprozeß eines Komp. „AB" von dessen Eingabe in die betr. Prozedur bis zur Auswahl einer in der jeweiligen Verwendung - repräsentiert durch den Kontext - sinnvollen Bedeutung dar. Das reicht über den Bereich der Bildungssemantik des Komp. hinaus; dieser von der Wortbildungslehre zu erfassende Bereich ist daher im Diagramm eigens gekennzeichnet. Seine Überschreitung im Modell geschieht aber nicht nur, um die Gesamtheit des angenommenen Dekodierungsprozesses anzudeuten, sondern durch sie soll zugleich noch einmal erläutert werden, was es heißt, daß in der vorl. Untersuchung die Bildungssemantik der im Material belegten Kompp., zugleich jedoch (nur) die in ihrer jeweiligen Verwendung vorliegende Bedeutung untersucht und dargestellt wird. Im Modell repräsentiert sind die Ebenen des Systems, die Ebene möglicher Verwendungen und die Ebene der Norm, schließlich auch (als solche nicht mehr eigens benannt) die Ebene der tatsächlichen Verwendung eines Komp. in seinem Kontext (= Auswahl einer bestimmten Interpretation oder Lesart). Auf jeder dieser Ebenen stellen sich eine oder mehrere mögliche Bedeutungen eines Komp. her, und zwar auf der Ebene des Systems die aufgrund innersprachlicher, im Komp. selbst mitgegebener Beziehungen gegebene Bedeutung, die sich mithin im Modell aufgrund „innersprachlicher Kontrolle" konstituiert; bei „selbstverständlichen" Kompp. ergibt sich bereits hier eine präzise, bei „pragmaverständlichen" Kompp. nur eine vage Bedeutung, jeweils im zuvor beschriebenen Sinn. In geschweiften Klammern, auf die ein Doppelpfeil verweist, sind mögliche Realisierungen dieser Bedeutungen bzw. Bedeutungsbeziehungen angegeben (-»•hierzu auch die Legende). Auf der Ebene des Systems ergeben sich Bedeutungen, die nicht notwendigerweise realitätskonform sind. Für die Auswahl der in .normalen' (also etwa nicht auf fiktive Welten bezogenen) Kontexten oder Sprechsituationen möglichen Verwendungen sind daher durch Kontrolle an der außersprachlichen Realität nicht realitätskonforme Lesarten (z.B. die für Straßenverkäufer sich als „selbstverständliche" ergebende Bedeutung 1) Vgl. hierzu auch PINKAL, S. 11 f. 2) Es versteht sich von selbst, daß die Semantik der Konstituenten innerhalb der Wortbildungslehre als gegeben vorauszusetzen ist.

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( A B ) * — ^ realitätskonform?

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§59) hier nicht auftritt: er ist Verkäufer/Bäcker usw. sind mögliche Sätze, das Objekt der betr. Tätigkeit muß weder genannt werden, noch wird es als ein bestimmtes mitgedacht. 1) Was logisch notwendigerweise mitgedacht werden muß, ist lediglich die Tatsache, daß es ein Objekt geben muß; das ist jedoch keine „ Hilfsvorstellung" wie bei den tatsächlichen Relationalen, und daß es sich dabei um ein Objekt handelt, ist ein weiterer gravierender Unterschied, da die Bezugsgrößen der übrigen von BEHAGHEL diskutierten Begriffe in keinem Fall Objekt sind (und auch nicht Subjekt wie bei den zuvor behandelten Nomina actionis). Das Objekt seiner Tätigkeit bleibt dem diese Tätigkeit Ausübenden sozusagen per definitionem äußerlich. Konkret bedeutet dies u.a., daß ein Verkäufer auch dann ein

1) Letzteres im Unterschied zu Abend, der ja nicht, Abend von etwas', sondern .Abend eines Tages* ist.

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solcher ist, wenn er gerade nichts verkauft und daß ein Obstverkäufer morgen ein Fischverkäufer sein kann; ähnliche Verhältnisse bei z.B. -breite auch nur zu denken ist nicht möglich. Dieser wesentlich lockerere Zusammenhang bedeutet sprachlich, daß die Nennung des betr. Objekts zwar eine nähere Bestimmung, aber eben nicht notwendig ist2), d.h. sie kann fehlen oder es kann an ihrer Stelle gerade bei Zusammensetzungen eine andere Bestimmung stehen, z.B. ein Ortsangabe wie in Straßenverkäufer. Anders ausgedrückt heißt das, daß die Eindeutigkeit, welche Charakteristikum der Zusammensetzungen mit Relationalen ist (-> § 57), hier eben nicht gegeben ist. Und wenn FANSELOW die „ deverbalen nomina agentis, instrumenti, loci etc. als relationale Substantive" behandeln will, weil „in allen bekannten Fällen von Substantivkomposita mit deverbalem Hinterglied [...] die Interpretation so eindeutig ist wie bei SPD-Vorsitzender" (S.91), so trifft diese Begründung ebenso wenig zu wie die weitere, daß bei diesen Nomina „in der Regel ihre nichtergänzte Verwendung unzulässig" sei (ebd.). 3 ) Haben die bisherigen Überlegungen dieses Paragraphen an den (sprachlichen) Eigenschaften der in Frage stehenden Begriffe selbst angesetzt und gezeigt, weshalb sie nicht als Relationale zu betrachten sind, so sei abschließend an den Nomina actionis noch eine gerade für die Darstellung der Wortbildung sehr störende Konsequenz aufgewiesen, die sich durch eine Zuordnung zu den Relationalen ergibt. Diese Konsequenz besteht darin, daß dann beispielsweise Nagelfabrikant einerseits, Nagelfabrik andererseits zwei Kompositionsmustern zuzuweisen sind, deren internes Funktionieren grundsätzlich verschieden vorgestellt wird. Bei FANSELOW erscheint demgemäß Nagelfabrikant bei den (in diesem Falle „verbalen") Rektionskomposita (s. S.91), die innere Beziehung zwischen den beiden Gliedern gilt folglich als durch die Ergänzungsbedürftigkeit des (angeblich) relationalen Zweitglieds definiert; Nagelfabrik hingegen erscheint bei den „Determinativkomposita" (s. S.129), die Beziehung ergibt sich aus inhärenten semantischen Merkmalen (in diesem Falle des Zweitglieds), die FANSELOW als „Stereotype" bezeichnet (s. S.155-173). 4 ) Durch Zuweisung der Nomina agentis zu den Relationalen wird also bei der Beschreibung der Substantiv-Kompp. auseinandergerissen, was analytisch (sicher auch intuitiv) zusammengehört. Wichtig ist, daß sich diese Konsequenz nicht vermeiden läßt; denn während es sehr wohl möglich (und darüber hinaus eben naheliegend) ist, Nagel- nicht nur in der Verbindung mit -fabrikant, sondern gleichermaßen auch in derjenigen mit -fabrik als Objekt aufzufassen (-* §§32-34, insbes. jedoch §39), ist es umgekehrt nicht 1) Das gilt nicht nur für den Beruf, sondern entsprechend auch für .private' Verkäufer, Bäcker usw. 2) Daß dies z.B. bei Dachdecker anders ist, hat jedenfalls keine logischen Gründe, sondern hängt damit zusammen, daß es (zufällig) keine weiteren -decket gibt. Im übrigen sei daran erinnert, daß die Diskussion dieser Fälle nicht von Zusammenbildungen her ansetzen kann. 3) FANSELOW hat hier insgesamt nicht sonderlich sorgfältig beobachtet. So ist ihm auch nicht aufgefallen, daß ja SPD-Vorsitzender selbst ein Komp. mit deverbalem Zweitglied ist, ebenso wie weitere seiner Bspp. für die von ihm so genannten „nominalen Rektionskomposita", so etwa Whiskeyttebhaber, Deutschenverächter (S.82). Dies macht nicht nur deren in bewußter Opposition bzw. „Analogie zu den verbalen Rektionskomposita der traditionellen Grammatik" (S.81) gewählte Bezeichnung fragwürdig, sondern zeigt vor allem, daß es hier nicht auf die deverbale Herkunft des Zweitglieds ankommt, sondern allein auf die Objekt-Relation des Erstglieds. - FANSELOW hat ferner übersehen, daß er wenig später am Bsp. Straßenverteiler (= .jemand, der etwas auf der Straße verteilt') selbst darauf hinweist, daß „die derivierten relationalen Nomina offenbar [?!] auch Kompositumsbildung mit lokaler Interpretation" zulassen (S.94). 4) Zu FANSELOWs Begriff der „Stereotype" §13.

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möglich, die relationale Betrachtungsweise auch auf Fabrik usw. auszudehnen (es sei denn wiederum um den Preis, dann letzlich alle Begriffe als relational betrachten zu müssen). Damit ist - in Abgrenzung gegenüber BEHAGHEL und FANSELOW - der Umkreis der als relational angesehenen Begriffe abgesteckt, und es kann nun mit der Darstellung der Kompp., in denen Relationale als Zweitglied durch das jeweilige Erstglied definitiv determiniert sind, begonnen werden. Die dabei gebildeten Gruppierungen liegen wiederum unterhalb der Ebene wortbildungsmäßiger Unterschiede.

a) Zweitglied ist Teilbegriff §62

Die Bezeichnung „Teilbegriff ist von BEHAGHEL übernommen und hier auch in derselben Bedeutung verwendet (-* § 59). Die hierhergehörenden Kompp. sind also von der Art des ausführlich diskutierten Bsp. Fahrbahnbreite (-»• § 58).

oi) Zweitglied bezeichnet Zeit §63

Die eiste Gruppierung wird von Kompp. gebildet, deren Zweitglied ein .reiner' Zeitbegriff ist, welcher erst durch die definitive Determination des Erstglieds zu einer bestimmten - und damit allererst „vollziehbaren" — „Vorstellung" wird. Bei FANSELOW werden Zusammensetzungen mit Zeitbegriffen überhaupt nur einmal erwähnt, nämlich im Zusammenhang einiger sehr knapper Überlegungen zu den „VerbNomen-Komposita" (S.207). In einer der für diese Kompp. zu schreibenden Regeln müsse „festgehalten werden", daß das Zweitglied B die „Zeit einer von irgendjemandem vollzogenen A-Handlung sein kann," sagt FANSELOW (ebd.), und er führt hierzu die Bspp. Zahltag und Wahlsonntag an. Möglicherweise trifft zu, daß diese Regeln, wie FANSELOW (S.208) meint, „sehr einfach" sind, doch können mit Regeln dieser Art bei weitem nicht alle Zeit-Kompp. erfaßt werden. KÜRSCHNER beschreibt außer Zeit-Kompp. mit deverbalem Erstglied (S.165) auch noch solche vom Typ Fischtag (S. 177) bzw. Pilzmonat (S. 176), wofür er in der Tiefenstruktur anzusetzende Proverben {konsumier] bzw. [existier] zu Hilfe nimmt. Dem relationalen Charakter der in diesen Zusammensetzungen vorkommenden Zeitbegriffe wird diese Beschreibung nicht gerecht, ganz abgesehen davon, daß weitere Bereiche von Zeit-Kompp. nach wie vor fehlen. Das gilt z.B. für die hier nun als erste Untergruppierung vorgestellten Zusammensetzungen, in denen auch das Erstglied ein Zeitbegriff ist.

§64

Abendstunde, Adventssonntag, Aschermittwochmorgen, Dienstjahr 5, Donnerstagmorgen, Fasnetdienstag, Fasnetmontagmoigen, Fasnetsonntag, Fasnetsonntagmittag, Fastnachtmontag, Freitagabend, Freitagmittag, Freitagnachmittag, Herbsttag, Jahreszeit 3, Julitag, Karfreitagabend 2, Karfreitagnacht, Lebensjahr 7, Maiabend, Mittwochabend, Montagmittag, Montagmorgen 4, Morgenstunde, Osterdienstag 4, Ostermontag 3, Ostersonntag, Ostertagmorgen, Palmsonntagmorgen, Pfingstmontag 6, Pfingstsamstag, Samstagabend 5, Septembersonntag, Silvesterabend, Sommermonat, Sonntagabend 8, Sonntagmittag 7, Sonntagmorgen 7, Werktagabend, Wintermonat, Wintertag

In ihrer logischen Struktur entsprechen diese Kompp. einem Teil der unter ß) aufgeführten Gruppierung: das Zweitglied bezeichnet ein Teilstück des vom Erstglied Ge77

nannten, so daß man von daher auch diese andere Zuordnung treffen könnte. Dies nicht zu tun rechtfertigt sich nicht zuletzt dadurch, daß sich daraus, daß es sich hier um Zeitbegriffe handelt, einige Besonderheiten ergeben. So kann bei denjenigen Kompp., deren Erstglied eine Jahreszeit oder einen Monat benennt, das vom Zweitglied Bezeichnete zugleich als innerhalb dieses umfassenderen Zeitabschnitts situiert aufgefaßt werden. Vor allem jedoch lassen diejenigen Kompp. die mit dem Erstglied einen Tag, mit dem Zweitglied eine Tageszeit benennen, eine Verwendung zu, in welcher das Erstglied das tatsächliche Determinatum, das Zweitglied hingegen das Determinans ist: wir sind Freitagnachmittag losgefahren kann in der Bedeutung ,wir sind am Freitag losgefahren, und zwar am Nachmittag' verwendet werden (und diese Verwendung dürfte gegenüber der ebenfalls möglichen anderen — ,wir sind am Nachmittag losgefahren, und zwar an dem des Freitag' - sogar die häufigere sein). §65

Adventszeit, Anfangszeit 2, Arbeitszeit 3, Barockzeit, Beobachtungszeit 2, Betzeit 2, Brunstzeit, Dienstzeit 2, Ferienzeit 2, Fronleichnamstag, Karenzzeit, Kinderalter, Kriegszeit 6, Lebenszeit, Lebzeit 2, Mittagszeit, Nachtzeit, Ostertag 2, Schaffzeit, Sendezeit, Übergangszeit, Verdunklungszeit, Verkaufszeit, Wintersaison, Winterzeit 3

Bei diesen Kompp. ist - von besonderen Verwendungen abgesehen - das Zweitglied ohne wesentliche Bedeutungsveränderung weglaßbar: gegenüber dem spezifischen, qualifizierenden Zeitbegriff des Erstglieds ist es in jedem Fall der allgemeinere, in den meisten Fällen sogar der reine Zeitbegriff, welcher allein die Tatsache der zeitlichen Dauer als solcher artikuliert. In der logischen Struktur stimmt demnach auch diese Gruppierung mit einer anderen überein, und zwar mit derjenigen, deren Bildungen dadurch gekennzeichnet sind, daß zwischen Zweit- und Erstglied die Beziehung der Inklusion besteht (-»• II.2.a.). Der spezifische Unterschied zu dieser anderen Gruppierung liegt in der besonderen, „definitiven'' Art des Determinationsverhältnisses, das bei den hier behandelten Zusammensetzungen gegeben ist (-»• § 58), und dieser Unterschied, der ja seinerseits — wie gezeigt — von besonderen Merkmalen des Zweitglieds abhängig ist, rechtfertigt es, die hier zusammengestellten Zeit-Kompp. trotz der genannten Übereinstimmung von jener anderen Gruppierung zu separieren. § 66

Einmachzeit, Feiertag 9, Festtag 6, Festwoche, Festzeit, Freudentag, Heiratsalter, Nähabend, Rasttag 2, Saatzeit, Schlachttag, Schonzeit, Schulstunde, Singstunde 12, Spielalter, Sprechstunde, Turnstunde 3, Übungsabend, Wallfahrtstag 2, Werktag 4, Wursttag, Zahltag 7

Die im Zweitglied genannte Zeit wird durch eine vom Erstglied zumeist mit eindeutigem Verbalstamm bezeichnete Tätigkeit definiert. Dies wirkt sich semantisch in vielen Fällen so aus, daß Zeit des... im Sinne von ,(richtige) Zeit zum .. .' aufgefaßt wird. §67

Agathatag, Dorfabend, Dreikönigstag 4, Elternabend, Familienabend, Gruppenabend 2, Heimabend 2, Heimattag, Heimatwoche, Johannistag, Kompanieabend, Landfrauentag, Liederabend, Matthäustag, Muttertag, Romanustag 3, Schülerabend, Sebastianstag, Sedanstag, Stephanstag 5, Volksliederabend

In Zusammensetzung mit Erstgliedern dieser Art werden Zeitbegriffe zu Gedenk- bzw. 1) Das entspräche wohl dem Verfahren BEHAGHELs, der allerdings anders strukturierte Zeit-Kompp. offensichtlich nicht berücksichtigt hat; -f §60, insbes. S.74, Anm.l. - Bei KÜRSCHNER ist die Teil-von-Beziehung der Lokal-Relation untergeordnet (s.d. S. 171); eine entsprechende Eingliederung dieser Zeit-Kompp. ist dadurch bei ihm zumindest nicht ohne weiteres möglich.

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Veranstaltungszeiten definiert. Das Erstglied bezeichnet entweder den Gegenstand des Gedenkens bzw. den Inhalt der Veranstaltung oder aber deren Veranstalter bzw. Adressaten (welche auch - zumindest partiell - identisch sein können, wie beispielsweise bei Kompanieabend). § 68

Alemannenzeit 2, Amtstag, Franzosenzeit 2, Fronleichnamswoche, Geburtstag 11, Gurkenzeit 2, Heidelbeerzeit 2, Hitlerzeit 3, Inflationszeit 2, Kilbewoche, Kirchweihsonntag, Kirschenzeit, Kriegsjahr 4, Krisenjahr, Markenzeit, Mobilmachungstag, Regentag 3, Römerzeit, Steinzeit

Im Unterschied zu den in § 66 aufgeführten Zusammensetzungen wird hier ein Zeitabschnitt nicht als solcher einer bestimmten Tätigkeit, sondern als solcher der Existenz eines bestimmten (und eben diesen Zeitabschnitt bestimmenden) Ereignisses, einer bestimmten (historischen) Person oder eines (historischen) Volkes bezeichnet, schließlich auch als Zeitabschnitt der besonderen Existenzweise (Blüte, Erntereife) von Pflanzen oder Früchten. Die letztgenannten Fälle stehen am Übergang zu elliptischer Bildungsweise oder allgemeiner am Übergang zur Gruppe der pragmaverständlichen Kompp., die in ihrem Erstglied ein besonderes Merkmal des vom Zweitglied Bezeichneten angeben (-»• II.7.). Sie sind hier jedoch — aufgrund der bei Zeitbegriffen gegebenen besonderen Verhältnisse - ebenso bei den Zeit-Kompp. belassen wie das Lemma Steinzeit, das auch als hochgradig demotiviert bzw. idiomatisiert betrachtet werden kann. Es sei noch daraufhingewiesen, daß Kompp. wie Kriegsjahr auch anders aufgefaßt bzw. verwendet werden können: bezeichnet das Erstglied ein Ereignis, dessen Dauer länger ist, als die vom Zweitglied benannte Zeiteinheit, so kann das betr. Komp. auch im Sinne der im § 64 dargestellten Bildungen verwendet werden. § 69

Jugendzeit 12, Kinderzeit 2, Militärzeit 5, Schulzeit 19, Soldatenzeit 2, Wanderzeit

Mit Kompp. dieser Art werden Zeiten im Sinne von .Lebensabschnitten' benannt, welche durch Zugehörigkeit zu einer bestimmten, im Erstglied bezeichneten Altersgruppe oder Institution u.ä. definiert sind. § 70

Rechnungsjahr, Schuljahr 14

Das erste Lemma ist fachsprachlich (und möglicherweise als idiomatisiert zu betrachten), das zweite zeigt deutlicher, worum es bei derartigen Bildungen geht, nämlich um die Bezeichnung der Zeiteinheit eines bestimmten - im Erstglied genannten - Geltungsbereichs. Hierher wären auch Kompp. wie z.B. Mondjahr zu rechnen.

ß) Zweitglied bezeichnet Menge oder Teilstück § 71

Diese Gruppierung findet sich in gleicher Weise bei BEHAGHEL (S.23), und es sei hier einleitend nur darauf hingewiesen, daß mit der Zusammenfassung der Bezeichnungen von einerseits Mengen, andererseits Teilen von Dingen nicht an und für sich Disparates miteinander verquickt wird. Vielmehr ist es so, daß bei den entsprechenden Kompp. die wortbildungsmäßig-logisch entscheidende Beziehung innerhalb der Bildungen in der 79

Tat dieselbe ist (-• 57f.). In diesem Zusammenhang ist zu betonen, daß mit Bezeichnung einer Menge und insbesondere eines Teilstücks hier ein sprachlicher Tatbestand gemeint ist: Bezeichnung eines Teilstücks liegt nur dort vor, wo etwas auch eben als Teilstück bezeichnet ist, nicht bereits dort, wo ein beliebig bezeichnetes Ding in der außersprachlichen Realität Teil eines anderen ist bzw. als solches betrachtet werden kann (-* hierzu die in § 74 aufgeführten Bildungen). Apostelkollegium, Arbeitgeberverband, Bauernbund, Bauernverband 4, Bauernvolk 3, Bildreihe 2, Bunkerreihe, Burschenverein, Chinesengruppe, Dorfverband, Einwohnerzahl, Eiweißgehalt, Festmeterzahl, Fettgehalt, Fliegerkompanie, Frauenkranz, Freundeskreis, Fruchtfolge, Gärtneigenossenschaft, Gemeindeverband 3, Genesendenkompanie 3, Gerätepark 2, Geschützbatterie, Geschwisterkreis, Gesellenverein S, Grasbündel, Grenadierregiment 2, Güterbesitzerverein, Haferberg, Haferstrohbttschelein, Heuhaufen, Holzbeige, Holzbüschel, Jägerdivision, Jugendclub, Jugendgruppe 2, Jugendmannschaft, Jugendverein, Jünglingsverein, Kaufmannszug, Köhlerkommando, Kohlehaufen, Kohlhaufen, Kräuterbüschel 2, Kriegerkameradschaft 2, Kriegerverein, Kundenkreis, Landjugendgruppe, Leitempark, Lichtbildreihe, Lumpenbande, Mädchenkreis S, Männerchor, Misthaufen 2, Mitgliederzahl, Narrenzug 3, Narrenzunft 4, Nervensystem, Obstbestand, Ochsenbestand, Panzerbatterie, Pferdegespann 2, Pilgerzug, Pionierbataillon, Pionierkompanie, Polizeiaufgebot, Punktzahl 2, Räuberbande, Reisigbündel, Reisigwelle (Reisigbüschel), Rückerrotte (Rotte, die Holz an den Weg rückt), Sängergruppe, Scheiterbeige, Schneeblase, Schneehaufen, Schneemasse, Schokoladetafel, Schülermannschaft, Schützenbrigade, Schützenverein 3, Schulverband, Schwedengruppe, Steinhaufen, Stimmenzahl, Strohbüschelein 3, Strohhaufen, Teilnehmerzahl, Viehbestand, Vogelwelt, Weckerlinie, Weibervolk, Weingärtnerbund 2, Weingärtnergesellschaft, Weingärtnerverein, Winzergruppe, Zimmermannskreise

Unter den im einzelnen durchaus unterschiedlichen Mengenbezeichnungen sei zunächst auf diejenigen hingewiesen, die den .reinen' Zeitbegriffen (-*• §63) entsprechen, also den reinen Begriff einer Menge ausdrücken. Die .allerreinste' Form dieses Begriffs ist natürlich derjenige der Zahl selbst, und hiermit sind auch einige Zusammensetzungen belegt. Der reine Begriff -menge kommt als Komp.-Bestandteil unter den hier belegten Bildungen nicht vor, belegt sind jedoch Zusammensetzungen mit -bestand sowie mit -gehalt, von denen sich letztere dadurch auszeichnen, daß sie auch als Kompp. Relationale sind, da -gehalt gewissermaßen nach zwei Seiten hin relational ist, nämlich .relativer Anteil von x an y' bedeutet (hierzu kann nur die Größe x als Erstglied eines entsprechenden Komp. realisiert werden). In diesen Zusammenhang sind schließlich auch Bildungen wie Haferberg, Kräuterbüschel, Schokoladetafel usw. zu stellen, Kompp. also, welche nicht abzählbare Mengen bezeichnen, was dazu verleitet, sie im ersten Zugriff im Sinne der unter II.4. behandelten Bildungen auffassen zu wollen, bei denen das Erstglied die Angabe des Materials darstellt, aus dem das vom Zweitglied Bezeichnete hergestellt ist. Daß die Zweitglieder der hier gemeinten Kompp. jedoch als Mengenbegriffe bzw. -angaben zu verstehen sind, geht aus ihren Verwendungen eindeutig hervor, insbesondere aus der Möglichkeit der syntaktischen Auflösung bei Umkehr der Gliedfolge {eine Tafel Schokolade usw.). Den reinen Mengenbegriffen gegenüber stehen -bataillon, -regiment usw., die auch ohne Nennung einer Bezugsgröße verwendet werden können. Zusammensetzungen hiermit könnten zwar noch im Sinne der hier behandelten Gruppierung interpretiert werden, doch wird in der vorl. Untersuchung mit der tatsächlich vorgenommenen Einordnung einer Interpretation im Sinne der Gruppe II.7. bzw. II.8.a. der Vorzug gegeben. Kompp. mit der Bezeichnung einer militärischen Einheit o.ä. als Grundwort, der Bezeichnimg einer Waffengattung o.ä. als Erstglied werden also entweder so verstanden, daß das Grundwort nicht eine Menge (ungenannt bleibender Personen), sondern ein Teilstück (der betr. Waffengattung) bezeichnet - Bsp. Armeekorps-, oder 80

aber so, daß das Erstglied ein Ausstattungsmerkmal der im Grundwort genannten Einheit (evtl. auch der einzelnen Angehörigen dieser Einheit) angibt — Bsp. Panzereinheit.!) Zwischen den genannten Extrempunkten liegen die anderen Mengenbezeichnungen der hier zusammengefaßten Kompp., die als -bund, -gruppe, -verein usw. zwar immer spezieller sind als reine Mengenberiffe, deren relationaler Charakter und damit Ergänzungsbedürftigkeit jedoch nicht in Frage steht. Das gilt auch bezüglich -weit und -kreis, für die außerhalb solcher Zusammensetzungen davon auszugehen ist, daß sie zu jenen Begriffen gehören, die „nur gelegentlich wie relative Begriffe behandelt" werden (BEHAGHEL, S.25). Bei einigen Bildungen — z.B. Jugendgruppe — wird zudem deutlich, daß die Benennung der Elemente der jeweiligen Menge auch durch einen Kollektivbegriff erfolgen kann. §73

Bei Verein usw. ist allerdings noch eine Besonderheit zu vermerken. Mit Ausnahme spezieller Verwendungen — z.B. Sind Sie Mitglied in einem Verein? — können diese Bezeichnungen zwar tatsächlich nicht ohne Ergänzung verwendet werden, doch kann diese Ergänzung auch auf andere Weise erfolgen als durch Angabe der Bezugsgröße im Sinne der zu den Relationalen gemachten Ausfuhrungen. Hierbei ist weniger an Fälle wie Albverein usw. zu denken, da es sich dabei um Namenbildungen handelt, für welche die allgemeinen Regeln nicht unbedingt gelten müssen. Gemeint sind vielmehr in erster Linie Zusammensetzungen wie Turnverein, Radsportbund usw., also Bildungen, bei denen im Erstglied das als Ziel- oder Zwecksetzung zu begreifende Betätigungsfeld des jeweiligen Vereins genannt ist. Diese Kompp. sind hier deshalb der Gruppierung Il.l.d. zugeordnet. An dieser Stelle entsteht daraus allerdings die Frage, ob in diesen Kompp. folglich eine nicht-relationale Verwendung von Verein usw. vorliegt. Diese Auffassung ist hier in der Tat zugrunde gelegt, doch ließen sich auch hier wiederum andere Möglichkeiten denken, z.B. auch die, alle Zusammensetzungen mit Verein usw., die im Erstglied die Mitglieder des jeweiligen Vereins benennen, wie Frauenbewegung oder Lehrerinnenvereinigung zu behandeln, also in ihnen Subjekt-Determination zu sehen (-> 1.4.).2) Nicht gangbar scheint hingegen der Weg, Gemeindeverbund, Touristengruppe usw. in gleicher Weise wie Lattenzaun und letztlich auch wie Holzhaus aufzufassen, also das Erstglied als Angabe des .Materials', aus dem das vom Zweitglied Bezeichnete besteht, zu betrachten. Eine Beschreibung dieser Art gibt nicht nur KÜRSCHNER (S. 179f.), sondern überraschenderweise auch FANSELOW, der dies allerdings - was in der Sache keinen Unterschied macht — aufgrund seines anders gearteten Ansatzes als logische wmi-Beziehung formuliert (S. 177f.; vgl. S.69-71).3) 1) Die Tatsache, daß bei bestimmten Kompp. mehrere Interpretationsmöglichkeiten gegeben sind, darf nicht prinzipiell der (damit als mangelhaft erscheinenden) Beschreibung des Gegenstands angelastet werden. Diese „Mehrdeutigkeit" liegt vielmehr im beschriebenen Gegenstand selbst, und der Mangel der Beschreibung scheint in diesen Fällen lediglich darin zu bestehen, nicht alle Möglichkeiten nebeneinander darstellen zu können, obwohl sie fiir das Verständnis der betr. Kompp. möglicherweise gleichzeitig wirken. 2) Diese Möglichkeit wird hier als weniger adäquat betrachtet, da sie nicht berücksichtigt, daß das bei ihr vorauszusetzende reflexiv-aktive Moment, das in -bewegung und auch -Vereinigung noch recht deutlich ist, bei -verein usw. zumindest sehr zurückgedrängt ist, in Fällen wie -gruppe usw. überhaupt fehlt. 3) Nach FANSELOWs Regel 23 (S.178) wäre z.B. Menschenmenge zu beschreiben als .etwas, das eine Menge ist

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§ 74

Apfelschnitz, Aibeitsgang 2, Arbeitsprobe, Armeereserve, Ausflugsziel, Birnenschnitz 2, Erdteil 2, Fleckenteil, Frühlingsanfang, Granatsplitter 2, Grundbirschnitz 3, Grundstück 9, Hausecke 3, Heeresgruppenreserve, Jahresschluß 2, Kohlrabenschnitz, Krankheitskeim, Kriegsausbruch 3, Kriegsende 2, Kriegsschluß 4, Ladenschluß, Landesgrenze, Landteil, Leseprobe, Munitionsrest, Ortsausgang, Ortskern, Ortsteil 2, Ortszentrum, Plattenstück, Rippenstück, Schulauswahl, Seilstumpen, Speiserest 2, Stammende, Stadtteil, Straßenrand, Talgrund, TortenstUcklein, Truppenteil, Vermögensstück, Waldabteilung, Waldeck 2, Waldrand, Waldstück, Waldstücklein, Wochenende 2, Wurzelanlauf 2, Zehenspitzen, Zeppelinspitze

In ihrer Struktur entsprechen diese Kompp., die ein Teilstück des vom Erstglied Benannten bezeichnet, dem ausführlich erörterten Typ Fahrbahnbreite (-*• §§57f.); die Tatsache der Relationalität der Zweitglieder steht demnach nicht in Frage, und auch FANSELOW, der dies anhand des Bsp. -rest diskutiert, kommt in diesem Fall zu keinem anderen Resultat (s.d. S.54f., 86f.). Daß ein „Teilstück" bezeichnet werde, ist nicht in der Weise eng auszulegen, daß bei Zusammensetzungen mit -grenze oder teilweise auch solchen mit -anfang, -Schluß usw. (vor allem dort, wo dies in einem temporalen Sinn zu verstehen ist) Spekulationen darüber anzustellen wären, ob derartige Begrenzungen selbst noch als Teile des von ihnen Begrenzten anzusehen sind; entscheidend ist die Tatsache, daß — genau wie bei -breite usw. - die betr. Begriffe ohne Angabe der Bezugsgröße nicht ,zu Ende gedacht' werden können, also relationale Begriffe sind. Nicht völlig eindeutig in der Interpretation ist Schulauswahl; die hier zugrunde gelegte Auffassung begreift Schule innerhalb dieses Komp. als Kollektivum in der Bedeutimg .Schüler einer Schule'. Möglicherweise ist stattdessen eher elliptisch verkürzte Bildungsweise anzunehmen (in welcher Auswahl für , Auswahlmannschaft' steht und Schule die Zugehörigkeit dieser Auswahl angibt).

y) Zweitglied bezeichnet Eigenschaft § 75

Abfuhrrichtung, Ackerbreite, Altersstufe, Balkenlänge, Bauflaute, Bewirtschaftungsweise, Bodenverhältnisse 3, Erdbodenbeschaffenheit, Fahrbahnbreite, Fallrichtung 13, Frontbreite, Geschmacksrichtung, Getreideart, Handelszweig, Heizschwäche, Hutform, Kittelbreite, Kleeart, Klotzlänge 2, Luftfeuchtigkeit, Lufttemperatur, Mehlart, Rädergröße, Rauminhalt, Rebensorte, Rentensatz, Schneehöhe, Schulterhöhe, Seillänge 3, Sockelhöhe, Spieldauer, Stammlänge 3, Stilart, Weinsorte, Wetterzustand, Windstärke, Wolkenart, Zimmerhöhe

Die Merkmale dieser Gruppierung, welche sich in gleicher Weise bei BEHAGHEL (S.23) findet, sind im Rahmen der grundsätzlichen Überlegungen zu den Relationalen dargestellt (-»• §§57f.). Dort war großer Wert auf die Feststellung gelegt worden, daß die im Zweitglied bezeichnete Eigenschaft nicht adjektivisch-prädikativ gedeutet werden kann. Dem entspricht hier nun, daß als Bezeichnung einer Eigenschaft im Sinne dieses Kompositionsmusters nicht nur -breite, -länge usw. erscheinen, sondern auch -temperatur, -inhalt oder schließlich — als abstrakteste oder ,reine' Eigenschaftsbezeichnung —art. Trotz des zunächst vielleicht gegenteiligen Anscheins unterscheiden sich und das eine Menge von Menschen ist'; das ist auch logisch wenig überzeugend, und dies gilt - obwohl es dort weniger auffällt - auch für FANSELOWs eigenes Bsp. Sozialistenpartei (möglicherweise ist dies der Grund, weshalb FANSELOW zu der im Kontext logischer Formelnotationen merkwürdigen Formulierung greift, auch in diesen Fällen gebe es »so etwas wie und"; ebd.). - Lediglich in einer Fußnote wird von FANSELOW „auf die Möglichkeit, Gruppe relational zu verstehen, auf die mich Peter Staudacher aufmerksam gemacht hat, [ . . . ] verwiesen" (S. 177, Anm.4).

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diese Bezeichnungen hinsichtlich ihrer für die Komposition relevanten semantisch-logischen Eigenschaften nicht von den deadjektivischen, es kommt bei ihnen nur deutlicher zum Ausdruck, was auch für die deadjektivischen Bezeichnungen gilt, nämlich daß es sich im strengen Sinn gar nicht um die Bezeichnung von Eigenschaften, sondern nur um die Bezeichnung von Eigenschaftsdimensionen handelt: Lufttemperatur sagt über die Höhe dieser Temperatur nicht mehr, aber eben auch nicht weniger aus als Fahrbahnbreite über die ,Länge' dieser Breite. 1) Auch Geschehnisse oder Vorgänge können Eigenschaftsdimensionen aufweisen, und dies kann in entsprechenden Kompp. bezeichnet werden. Fall- und Abfuhrrichtung sind hierfür Bspp., und die Tatsache, daß diese Kompp. selbst wiederum ergänzungsbedürftig sind - was aber nicht durch weitere Zusammensetzung geschehen kann^) spielt hinsichtlich der in ihnen selbst vorhandenen Beziehungen keine Rolle. Anbauweise, Kammerspielchaiakter, Lebensweise, Schnittechnik, Sehweise, Verarbeitungstechnik

Von den am Ende des vorigen Paragraphen genannten Bildungen unterscheiden sich die hier aufgeführten nur wenig. In einer eigenen Gruppierung sind sie deshalb zusammengestellt, weil bei ihnen die Aussage, das Zweitglied bezeichne eine Eigenschaft bzw. Eigenschaftsdimension des im Erstglied Genannten, noch abstrakter zu verstehen ist. Die Beziehung zwischen relationalem Zweitglied und seiner jeweiligen Bezugsgröße kann aber dennoch wie bei den in § 75 behandelten Kompp. vorgestellt werden.^)

8) Zweitglied bezeichnet Ort § 77

Ortsbezeichnungen führt nicht einmal BEHAGHEL unter den „relativen Begriffen" auf und auch nicht unter jenen „absoluten Begriffen", von denen er sagt, daß sie „ mir gelegentlich wie relative Begriffe behandelt" werden (S.25). In der vorl. Untersuchung wird hingegen die Ansicht vertreten, daß bestimmte Ortsbezeichnungen als Relationale verwendet werden können, und das heißt auch, daß sie die dann erforderliche, sie selbst definitiv determinierende Bezugsgröße auch durch Zusammensetzung als Erstglied zu sich nehmen können. Von vornherein klar ist, daß relationale Verwendung nur bei sehr allgemeinen, insofern den ,reinen' Zeit- und Mengenbegriffen entsprechenden Ortsbezeichnungen in Frage kommen kann. 1) Die von FANSELOW (S.83) diskutierte Beobachtung, daß man z.B. Raumtemperatur unterschiedlich verwenden kann, nämlich einerseits in Sätzen wie „Die Raumtemperatur betrug exakt 17°", andererseits in Sätzen wie „Das Kühlhaus hat nicht Raumtemperatur" (ebd.), ist als solche richtig; mit den besonderen Eigenschaften von Relationalen (und daraus sich herleitenden Auswirkungen auf die interne Struktur von Kompp.) hat dies jedoch im Gegensatz zu FANSELOWs Überzeugung nichts zu tun. 2) Dies stellt auch FANSELOW (S.97) fest. 3) Diese Beschreibung mag unbefriedigend sein, doch stellt sie immerhin den Versuch dar, auch derartige Kompp. zu erfassen. Einen solchen Versuch unternimmt ansonsten nur KÜRSCHNER, der Arbeitsweise, Danteilungstechnik, Herstellungsmethode usw. wie Bauplan, Strickmuster usw. behandelt (S. 167). Er führt hierzu aus, die Zweitglieder dieser Kompp. könnten „auf eine tiefenstrukturelle kasusmarkierte NP zurückgeführt werden, durch die angegeben wird, gemäß welcher Größe die durch das Verb/derivierte Substantiv [des Erstglieds] ausgedrückte Handlung durchgeführt wird." (Ebd.) Auf Bildungen wie Bauplan läßt sich dies tatsächlich anwenden, und KÜRSCHNER gibt hierzu auch eine „Quasi-Paraphrase" an: „Plan, nach/gemäß dem man (etwas) baut" (ebd.). Wie dies auf Arbeitsweise, Darstellungstechnik usw. zu übertragen wäre, ist nicht zu sehen und wird von

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§ 78

Absatzstelle, Anbaufläche, Anbindeplatz, Anhaltspunkt 2, Arbeitsbezirk, Arbeitsplatz 2, Arbeitsstelle, Auffiillplatz, Aufgabenbereich, Aussichtsplatz, Batteriestellung, Baustelle, Bockserplatz 3, Bruchstelle, Einbruchstelle, Fahrwasser, Feuerbereich, Forschungsstelle, Gefahrenzone, Haltestelle 2, Kampfgebiet, Kohlplatte 3, Kohlplatz 3, Kreisebene, Lichtseite, Luftseite, Milchgebiet, Rummelplatz, Sammelstelle 2, Sommerseite 2, Standpunkt, Tankstelle, Verbandsplatz, Wasserstelle, Weidefläche, Weideplatz 2, Weidestätte 2, Weinbaugebiet, Wendepunkt, Wetteramtsbereich, Winterseite 3, Zimmerplatz 3

Die Frage nach dem relationalen Charakter der Zweitglieder dieser Kompp. soll nicht zu abstrakt behandelt werden. Dennoch kann als erstes in mehr theoretischer Weise festgestellt werden, daß die Zweitglieder in diesen Kompp. das von BEHAGHEL beschriebene Grundmerkmal der Relationalen tragen, nämlich als „Vorstellung" allein also ohne Hinzutreten des vom Erstglied genannten Begriffs — nicht „vollzogen" werden können. Das läßt sich durch den Hinweis darauf, daß es die von den Zusammensetzungen bezeichneten Orte als Orte überhaupt erst durch ihre im Erstglied ausgedrückte Definition gibt, leicht zeigen: der Arbeitsbezirk z.B. eines Vertreters existiert nur insofern, als er Absteckung dieses räumlichen Tätigkeitsbereichs ist, es gibt ihn nicht als unabhängig von dieser Bestimmung irgendwo vorfindlichen Bezirk, welcher dann durch Angabe bestimmter Merkmale lediglich genauer beschrieben würde. Das Gemeinte soll durch folgendes Bsp.-Paar noch verdeutlicht werden: Eine Badewanne ist in jedem Fall eine Wanne, ein Badeplatz hingegen ist ein Platz nur insofern, als er ein Ort ist, der zum Baden benutzt wird oder wurde - und er ist dieser Platz nur für denjenigen, der davon weiß. Das bedeutet zum einen, daß es nicht möglich ist, sich sprachlich auf einen derartigen Platz ohne Nennung des ihn erst konstituierenden Moments zu beziehen: *dies ist eine Stelle, *dies ist ein Platz usw. sind keine sinnvollen Äußerungen^; und es bedeutet zweitens, daß in einer Zusammensetzung mit einem derartigen Begriff das betr. Erstglied im Sinne der notwendigen, definierenden Determination verstanden wird — was wiederum heißt, daß sich zugleich eine schlüssige Erklärung des möglichen Verständnisses dieser Kompp. ergibt, wenn man ihre Zweitglieder eben als Relationale betrachtet.^) Ob die Lemmata Sommerseite und Winterseite, mit welchen nach Süden bzw. nach Norden ausgerichtete Hanglagen bezeichnet werden, hier einzuordnen sind, mag fraglich bleiben. Es handelt sich dabei um metaphorische Bildungen, die in ihrer Bedeutung klar, in ihrer inneren Bedeutungsbeziehung allerdings nicht ganz „durchsichtig" sind. Die Zahl der möglichen Erstglieder derartiger Bildungen ist notwendigerweise begrenzt, so daß sie auch als singulär betrachtet werden können.

KÜRSCHNER auch nicht gezeigt (selbstverständlich wäre es nicht damit getan, Paraphrasierungen zu finden, die ihre Möglichkeit nur der Ausnutzung umgangssprachlicher Ungenauigkeit der Formulierung verdanken). 1) Platz hat demnach ein nicht-relationales Synonym, das z.B. in Marktplatz als Zweitglied fungiert und ungefähr die Bedeutung .freie, aber umgrenzte Fläche' hat. Die Zuordnung von Zusammensetzungen mit -platz ist hierdurch nicht immer eindeutig möglich. 2) Diese Erklärung ist jedenfalls nicht schwächer als die mit KÜRSCHNERS Beschreibung gegebene, in welcher Badewanne usw. einerseits, Arbeitsstelle usw. andererseits zusammengefaßt sind jeweils als ,Ort, der dazu da ist, daß an ihm (durch jemanden) (an etwas) etwas geschieht' (dies meine Verbalisierung von KÜRSCHNERS Strukturformel, S.163). - In KÜRSCHNERS Beschreibung ist übrigens die bestimmende tiefenstrukturelle Beziehung dieser Kompp. eine Lokal-Relation; hierin kommt der grundsätzliche , Fehler' dieses Ansatzes zum Ausdruck, denn es werden mit diesen Zusammensetzungen wohl Orte bezeichnet, nicht aber Lokal-Beziehungen ausgedrückt.

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e) Zweitglied bezeichnet reflexives Geschehen §79

Bluterguß, Bargermiliztreffen, Bürgeiversammlung, Erdbeben 2, Frauenbewegung, Gewichtszunahme 2, Großstadtentwicklung, Knochenbruch 2, Lehrerinnenvereinigung 2, Luftzutritt, Lungenentzündung 2, Meniskusriß, Muskelschwund, Sängertreffen, Schienenbruch 5, Schleimbeutelentzündung, Sonnenuntergang, Sonnenwende 2, Venenentzündung 2, Waffenstillstand 2, Waldbrand 2, Wegkreuzung, Wetterwechsel, Witterungsumschlag, Wolkenbruch 2

Diese Gruppierung umfaßt nur einen Teil ihrer Entsprechung bei BEHAGHEL, da nicht jedes zu einem intransitiven oder reflexiven Verb gebildete Nomen actionis zu den Relationalen zu rechnen ist (-»• §61). Wirkliche Relationale entstehen hier nur dann, wenn die bezeichnete .Tätigkeit' als .Geschehen' ihr Subjekt zugleich zum Objekt hat. Mit „Geschehen" ist eine gewissermaßen verselbständigte, jedenfalls nicht von dem im Erstglied der betr. Zusammensetzungen Bezeichneten als Subjekt ausgehende ,Tätigkeit' gemeint, und in Bürgerversammlung, Frauenbewegung und Lehrerinnenvereinigung, aber auch Wegkreuzung und eventuell den Zusammensetzungen mit -treffen liegen Relationale dieser Art als Zweitglieder vor, bei denen die verselbständigte ,Tätigkeit' sogar ein materielles Substrat gefunden hat. Auch ohne derartiges Substrat liegen aber in den anderen Bildungen dieselben Relationen zugrunde, und die Kompp. wie Muskelschwund usw., in denen der relationale Charakter der Zweitglieder im übrigen deutlicher ist, zeigen darüber hinaus, daß dies nicht an Reflexivität des zugrunde liegenden Verbs gebunden ist: Reflexivität des Verbs ist weder notwendige noch - im Gegensatz wiederum zu BEHAGHELs Ansicht 1 ) — hinreichende Bedingung; Bedingung ist vielmehr die zu Beginn dieses Paragraphen formulierte tatsächliche Rückbezüglichkeit des bezeichneten .Geschehens'.

b) Zweitglied ist Beziehungsbegriff §80

Als „Beziehungsbegriffe" werden hier diejenigen bezeichnet, die BEHAGHEL (S.23) „verknüpfende Begriffe" nennt (ohne die von ihm mit hierzu gerechneten Nomina agentis und actionis; § 61). Es handelt sich einerseits um Begriffe, welche Personen von einer Eigenschaft her bezeichnen, die diesen nur aufgrund einer Beziehnung zu einer anderen Person, einer Organisation o.ä. zukommt, andererseits um Begriffe, die etwas bezeichnen, das selbst nur als Beziehung zwischen anderen Größen oder Personen existiert. In den Zusammensetzungen mit derart relationalen Begriffen ist die jeweilige Bezugsgröße wiederum im Erstglied genannt.

a) Zweitglied bezeichnet Person §81

Ausschußmitglied 2, Bäckerbub 2, Bauernbub 4, Bauerntochter, Brudersohn, Bundespräsident, Dorfkönig 2, Fabrikantenfrau, Familienangehöriger, Fleischnarr, Frauenschaftsführerin, Gärtnerstochter, Gemeindesohn, Geschwister-

1) BEHAGHEL (S.23) gibt keine Beschränkung der reflexiven Verben, welche relationalen Nomina actionis zugrunde liegen können, an; von den von ihm hierzu angeführten Bildungen sind lediglich Benehmen und Bewegung relational, alle übrigen dagegen nicht. 2) Außer bei manchen reflexiven ist dies bei denjenigen Verben der Fall, die formal - eben als Verb - ein ,Tun' be-

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kind 2, Hausgast, Hausheu, Hochzeitsgast, Hofballgast, Kirchenpatron 2, Kolpingssohn, Kompaniechef, Lehrersfrau 2, Lehrersohn, Metzgerssohn, Ministerpräsident 2, Nachbarsfrau, Ortsherr 2, Parteimitglied 2, Pfarrerssohn, Reichskanzler 2, Schloßherr, Schützendirektor, Seekönig, Stubenältester 2, Tochtermann 4, Vereinsmitglied, Waldschützentochter, Wengertsbub

Die Zweitglieder der Kompp. sind Relationale, die Personen in ihrer Beziehung zur im Erstglied genannten Person oder Organisation benennen. In den Zusammensetzungen mit -bub hat dieses die Bedeutung von ,Sohn', ist also eindeutig ebenfalls relational, in Fleischnarr entspricht das Zweitglied dem von FANSELOW ausgiebig diskutierten Fan (s.d. S. 18-34, 45-48, 81-83), und König gehört zu den ebenfalls von FANSELOW erörterten Begriffen wie Bürgermeister oder Kanzler, die zwar im Satz häufig absolut verwendet werden, was aber an ihrem relationalen Charakter nichts ändert^), denn „man ist Bürgermeister nicht absolut, sondern immer bezogen auf einen bestimmten Ort, genauso wie man Kanzler stets von einem Land ist." (FANSELOW, S.87.)

ß) Zweitglied bezeichnet abstrakte Gegebenheit §82

BEHAGHEL unterteilt diese Gruppierung noch einmal in „1. Bezeichnungen von Besitzverhältnissen" und „2. Bezeichnungen für körperliche oder geistige Verhältnisse" (S.24). 2 ) Abgesehen davon, daß entsprechende Kompp. (z.B. Hausbesitz) im Material der vorl. Untersuchung nicht vorkommen, scheint diese Unterteilung in ihrer Asymmetrie doch recht zufällig: sie greift - unter 1. - eine besondere Art von (geistigen) „Verhältnissen" heraus, stellt dieser Untergruppierung jedoch nicht weitere gleichgeordnete, sondern ihren Oberbegriff gegenüber, unter welchen weitere Arten abstrakter Bezeichnungen fallen, die jedoch keinen eigenen Namen bzw. keine eigene Gruppierung erhalten und auch in der vorl. Untersuchung nicht erhalten sollen — weshalb dann die weitere Untergliederung überhaupt aufzugeben ist.

§ 83

Arbeitsmöglichkeit, Aufstiegsmöglichkeit, Eierschwemme, Erdkunde 2, Ernährungslehre, Existenzmöglichkeit, Fachkunde, Fahrgelegenheit 3, Fahrzeugmangel, Haushaltskunde, Heimatkunde 2, Lebensstandard 2, Maschinenkunde, Personalmangel, Rechtskunde, Torunterschied, Torverhältnis 2, Verdienstmöglichkeit, Volkskunde 4, Wohnungsmangel

In Torunterschied und Torverhältnis ist Tor- im Sinne der Anzahl erzielter Treffer zu verstehen. Im Unterschied zu den Zweitgliedern dieser Kompp. sind Gelegenheit und Möglichkeit bei BEHAGHEL weder aufgeführt, noch läßt sich aufgrund seiner Ausführungen sagen, ob er sie zu den „verknüpfenden Begriffen" rechnen würde. Zusammensetzungen hiermit tauchen auch bei FANSELOW nicht auf, KÜRSCHNER behandelt sie ebenfalls nicht. Kompp. dieser Art scheinen hier jedoch ihren Ort zu haben; sie zeichnen sich innerhalb dieser Gruppierung dadurch aus, daß ihr Erstglied verbal aufgefaßt werden kann, so daß als Paraphrase nicht nur eine Genitivkonstruktion (,Möglichkeit des Aufstiegs/Aufsteigens'), sondern auch eine Konstruktion mit Infinitiv + zu (.Möglichkeit, aufzusteigen') gebildet werden kann. zeichnen, das sich jedoch in der außersprachlichen Realität eher als ein .Erleiden' darstellt. (Wenn man das so ausdrücken will, muß man sich allerdings darauf einigen, daß schlafen, ruhen u.a. im Sinne dieser Beschreibung Tätigkeiten bezeichnen.) 1) - • S.74, Anm.2. 2) Als dritte Untergruppierung werden von BEHAGHEL die Nomina actionis geführt, die in der vorl. Untersuchung nicht zu den Relationalen gerechnet werden; - t hierzu §61.

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3. Verbale Prädikat-Determination §84

Die dritte Gruppe der selbstverständlichen Kompp. bilden jene Zusammensetzungen, in denen das Zweitglied durch die Prädikation eines (de)verbalen Eistglieds näher bestimmt wird. Das Zweitglied ist entweder Subjekt oder Objekt des prädizierten Tuns/ Geschehens, und daraus, daß sowohl syntaktisches Subjekt als auch syntaktisches Objekt jeweils unterschiedliche Rollen innerhalb eines Geschehensablaufs einnehmen können, ergeben sich weitere Untergruppierungen. Das Vorhandensein unterschiedlicher Möglichkeiten bedeutet notwendigerweise auch, daß eine völlige und sozusagen bereits vorsemantisch sich herstellende Eindeutigkeit der im konkreten Fall vorliegenden Beziehung, wie sie bei den Zusammensetzungen mit den Relationalen gegeben ist (ablesbar am Faktum der automatisch' zum richtigen Resultat führenden Genitiv-Paraphrase), hier nicht vorliegen kann. Dies beginnt bereits bei der Frage von Subjekt- oder Objekt-Position des Zweitglieds: vgl. Treibriemen vs. Treibsand. Die Bedingungen der .Selbstverständlichkeit' dieser Kompp. können dennoch als gegeben gelten, da die Entscheidung für die eine oder die andere Möglichkeit jedenfalls in der Regel aufgrund der semantischen Merkmale der Komp.-Bestandteile getroffen werden kann. Eine ähnliche Entscheidung ist auch für die Interpretation des (de)verbalen Erstglieds in seiner Beziehung zum Zweitglied überhaupt erforderlich; denn wie z.B. Nähschule zeigt, gehört nicht jedes Komp. mit einem Verbstamm im Erstglied deshalb bereits in die hier behandelte Gruppe, vielmehr kann ein solches Erstglied auch selbst in der Objekt-Relation stehen. In gewisser Umkehrung hierzu gilt andererseits, daß (de)verbale Erstglieder im Sinn der Zugehörigkeit zur in Frage stehenden Gruppierung von Kompp. nicht unbedingt die Form des tatsächlichen Verbalstamms haben müssen; an Zugmaschine beispielsweise ist zu sehen, daß hierfür auch Substantiv-Stämme - allerdings nur ihrerseits deverbal abgeleitete — eingesetzt werden können.

a) Zweitglied bezeichnet §85

Subjekt

Wenn das Zweitglied einer hierhergehörenden Zusammensetzung das Subjekt einer im Erstglied genannten .Tätigkeit' bezeichnet, so kann es sich bei diesem Subjekt in der außersprachlichen Realität um eine Person/Personengruppe oder ein sonstwie selbsttätiges , Agens' handeln oder aber um ein nicht aus eigener Kraft wirkendes ,Instrument'. Es gibt sicher Maschinen, deren instrumenteller Charakter auch in der sprachlichen Behandlung außer Frage steht: die Schreibmaschine ist eine Maschine, mit der man schreibt, eine in bestimmtem Sinn .selbständig' schreibende Maschine dagegen ist ein Schreibautomat.2) Andererseits — und das haben frühere Überlegungen bereits deutlichgemacht (-> insbes. §27) - ist die Frage der tatsächlichen Selbständigkeit 1) Die in der Regel sprachlich vorgegebene „Wahl" der verbalen oder substantivischen Form hat keine semantischen, sondern allenfalls morphologische Gründe; in der Regel ist sie als zufällig zu betrachten. 2) Die Richtigkeit dieser Überlegung ist nicht an die ja erst seit kurzer Zeit gegebene Existenz von Schreibautomar ten gebunden.

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nicht das sprachlich ausschlaggebende Kriterium: in normaler Ausdrucksweise ist es die Zugmaschine, die die Egge zieht, nicht dagegen der Landwirt, der dies mit der Zugmaschine tut. Die im folgenden vorgenommene Differenzierung nach Subjekt als Agens und Subjekt als Instrument folgt dort, wo das Zweitglied nicht eine Person/Personengruppe o.ä. bezeichnet, dem angedeuteten Unterschied in der sprachlichen Behandlung, welche allerdings oft nicht eindeutig ist; so läßt z.B. Waschmaschine beide Arten der Verwendung zu (die Wäsche wird von/mit der Waschmaschine gewaschen). Es ist deshalb nicht nur zu betonen, daß es sich auch hier wiederum um eine fließende Grenze handelt, sondern auch und vor allem, daß diese Grenze auf die Prozesse der Komposition keine Auswirkungen hat, also insofern jedenfalls eine außersprachliche bleibt. 1) a) Subjekt ist Agens § 86

Angriffsdivision, Arbeitskompanie, Armierungstruppe, Auslaufbetrieb, Backöfelein, Baufirma, Baukompanie 3, Brennessel, Bruthühnlein, Durchgangsverkehr 2, Entnazifizierungsausschuß, Fallhammer 3, Fließband 3, Forschungsinstitut 2, Fortbildungsschule 2, Häufelpflug, Hausierhändler, Kampftruppe, Kühltonne 2, Kühltruhe, Lehrbetrieb 2, Lenkachse, Leuchtholz 3, Leuchtkugel 3, Leuchtspur, Pumpstation, Pumpwerk, Raubritter 2, Rollkarren, Sägewerk 7, Saufverein, Schutzblech, Singvogel, Spähtrupp 3, Sprengkommando, Staudamm, Stechpalme, Steckschuß, Stehkragen, Stehlampe, Stoßtrupp 2, Streifschuß 2, Tastrad, Tragseil 2, Trennschnitt, Triebkraft 2, Trommelfeuer 2, Wachbataillon 3, Wachmannschaft, Wachposten, Wachsoldat, Wachtposten, Walzwerk 5, Wanderbühne, Wanderbursch 3, Zauberkünstler, Zugkraft 2, Zugmaschine 9, Zugvieh

Die bereits angesprochene Zufälligkeit der Form des Erstglieds hinsichtlich seiner Erscheinung als verbaler oder substantivischer Stamm wird in einem Paar wie Wachposten vs. Wachtposten besonders deutlich. Im übrigen ist zu den Zusammensetzungen dieser Art allgemein festzustellen, daß sie in sehr vielen Fällen Dinge oder Einrichtungen bezeichnen, die nicht nur durch ihre im Erstglied benannte .Tätigkeit'charakterisiert sind, sondern vielmehr dadurch, daß sie zum Zwecke dieser .Tätigkeit' da sind. Wie wiederum Wachsoldat — zusammen mit weiteren Kompp. aus dem militärischen Bereich — zeigt, reicht diese finale Bestimmung bis in den Bereich der Bezeichnung von Personen hinein. Das dem Erstglied entsprechende Verb kann transitiv oder intransitiv sein. Besonders im zweiten Fall - man kontrolliere dies an Bspp. wie Fließband, Wanderbühne oder Stehlampe — benennt das Erstglied eine in hohem Maße habituelle .Tätigkeit' des vom Zweitglied Bezeichneten. Dies gilt auch für Hausierhändler, welches im übrigen auch als kopulative Bildung betrachtet werden kann.2) Es ist ausfuhrlich erörtert worden, daß Ortsbezeichnungen im Sinne von Nomina loci actionis sprachlich wie Nomina agentis fungieren können (-> I. l.a.a.77., hier vor allem §39). Somit kann nicht überraschen, daß auch Kompp. wie Pumpstation und 1) Damit wird in doppelter Weise der Analyse KÜRSCHNERS (S. 158-160) widersprochen, nämlich zum einen der Tatsache, daß KÜRSCHNER alle entsprechenden Kompp. bis hin zu Treibriemen und Waschautomat als Instrumente beschreibt (mit der absurden Konsequenz, in der Tiefenstruktur von Zusammensetzungen der angeführten Art die Agens-Stelle zu streichen; s. S. 160), zum andern jedoch der Tatsache überhaupt, daß hier eine Instrument-Charakterisierung auf der Ebene der Tiefenstruktur als einer (wenn auch nur hypothetisch-theoretischen) sprachlichen Gegebenheit eingeführt wird; auf die Überlegungen der §§17 und 19 sei in diesem Zusammenhang zunickverwiesen. 2) Vgl. z.B. DUDEN, §4485.

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Pumpwerk sowie weitere Zusammensetzungen mit -werk in der im Augenblick behandelten Gruppierung geführt werden. Es sei darauf hingewiesen, daß -werk auch als Bezeichnung einer maschinellen Funktionseinheit fungieren oder aufgefaßt werden kann (wie z.B. in Uhrwerk-, -*• hierzu im übrigen § 87); dies gilt zum Teil auch für die hier aufgelisteten Zusammensetzungen mit diesem Zweitglied, die sich jedoch in ihrer vorliegenden Verwendung jeweils auf entsprechende Werksanlagen beziehen. § 87

Arbeitskraft 12, Arbeitspersonal, Bauherr, Begleitmann, Fuhrleute 2, Fuhrmann 5, Handwerksleute, Kaufleute 6, Kaufmann 8, Mähwerk, Mengwerk, Prüfungsherr, Putzfrau 4, Schreibfräulein, Schreibkraft, Schutzmann 2, Spielleute, Wachmann 5, Wandersmann, Zimmerleute 6, Zimmermann 19, Zuchtmann

Die Eigenart der aus diesem Grund gesondert aufgeführten Kompp. besteht darin, daß ihr Zweitglied durch ein Suffix ersetzt werden könnte bzw. kann. Es handelt sich um das Suffix -er(in), und die semantischen Veränderungen, die sich durch entsprechenden Austausch ergeben würden, sind minimal. Sie hängen im übrigen weniger damit zusammen, daß die Bedeutung des als Zweitglied stehenden Substantivs zu derjenigen des Suffixes doch spezieller wäre oder ist, als vielmehr damit, daß den Kompp. - ggf. in Opposition zu den ihnen entsprechenden Suffix-Bildungen — auf dem Wege der Idiomatisierung besondere Bedeutungselemente zugewachsen sind. Bei Spielleute (gegenüber Spieler) ist dies sehr deutlich, und bei Kaufmann ist die Bedeutungsspezialisierung durch Idiomatisierung bereits sehr weitreichend; dem entspricht, daß es hierzu eine bedeutungsgleiche bzw. -ähnliche -er-Ableitung nicht gibt. Das Gegenstück hierzu stellen Fälle wie Begleitmann dar, also individuell-aktuelle und deshalb von idiomatischen Einflüssen freie Bildungen, die folglich semantisch auch vollständig mit der entsprechenden (sprachüblichen) -er-Ableitung übereinstimmen. Am stärksten von der Eigensemantik ihrer Zweitglieder bestimmt sind wohl Mähwerk und Mengwerk. Während die ihnen entsprechenden (und in beiden Fällen zumindest bildbaren) Suffix-Bildungen eher — wenngleich nicht ausschließlich — entsprechende Maschinen als ganze bezeichnen, beziehen sich die Kompp. nur auf eine betr. Funktionseinheit oder ein Aggregat als Teil einer Maschine. Sehr starker Verlust an ursprünglich vorhandener Eigenbedeutung ist bei den Zusammensetzungen mit -kraft — Arbeitskraft, Schreibkraft usw. — festzustellen, die kaum mehr als euphemistische Umschreibungen der entsprechenden -er-AWeitungen sind. Der wesentliche Teil des Bedeutungsverlusts tritt allerdings bereits mit der Verwendung von Kraft für ,Mensch (der und insofern er eine bestimmte Kraft hat)' ein,l) er ist also vom Prozeß der Zusammensetzung unabhängig und liegt diesem (logisch) voraus. §88

Abschließend sei noch einmal betont, daß belebte bzw. menschliche und nicht-belebte bzw. nicht-menschliche Subjekte in der hier dargestellten Gruppierung von Kompp. sprachlich gleich behandelt sind. Soll dies in einer Beschreibung der Kompp. zum Aus1) Die Bezeichnung eines Menschen als Kraft ist logisch derselbe Vorgang wie seine Bezeichnung als z.B. Rotbart: ein Merkmal oder Teil wird für das Ganze gesetzt und steht insofern nicht mehr für sich selbst. Das Problem der „Exozentrizität" ist mithin eine Frage der Verwendung von Wörtern, mit Kompositionsprozessen hingegen hat es nicht das geringste zu tun. Die gesonderte Behandlung und oft recht aufwendige Diskussion der sogenannten „Bahuvrihi", „Exozentrika" oder „Possessnrkompp." ist folglich verfehlt. Die entsprechende Erkenntnis ist zwar bereits von FLEISCHER (S.98f.) ausgesprochen worden, doch hat sie offensichtlich noch nicht allgemeine Verbreitung gefunden.

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druck kommen, so verbietet es sich, die Beschreibung an den vorhandenen außersprachlichen Unterschieden auszurichten. Die eigentlichen sprachlichen Tatbestände werden dadurch geradezu auf den Kopf gestellt, und daß dies so ist, demonstriert (gegen seine Absicht) gerade KÜRSCHNER, der von den ersten Seiten seiner Untersuchung an u.a. immer wieder das Bsp. Putzfrau heranzieht, um daran Überlegungen verschiedenster Art anzustellen,^) der aber mit diesem Komp. schließlich innerhalb seines eigenen Systems nicht mehr viel anzufangen weiß, da es natürlich nicht zu den als Instrumenten analysierten Kühlwasser, Waschautomat, Klebstoff usw. paßt^) und auch in der Gruppe Schwimmkörper, Stehlampe, Rolltreppe u s w . n i c h t untergebracht werden kann, da die Zweitglieder dieser Zusammensetzungen per definitionem nicht „ Urheber" der im jeweiligen Erstglied genannten „Tätigkeit" sein können (als solche müßten sie belebt sein) und folglich als tiefenstrukturelles Objekt dargestellt werden.^) Daß zwischen einem Schwimmkörper und einer Putzfrau in der außersprachlichen Realität in jeder Beziehung große Unterschiede bestehen, ist nicht zu leugnen — nur ändert dies nichts daran, daß in der innersprachlichen Realität der Substantiv-Komposition diese Unterschiede eben keine Rolle spielen.

ß) Subjekt ist Instrument § 89

Abbrechklaue, Abbrechzange, Abiademaschine, Ackermaschine, Adressiermaschine 2, Bahnschlitten 7, Befestigungsstange, Beschlaghammer, Bestellschein, Bindfaden 2, Bügelmaschine 2, Dangelgeschirr, Dreschflegel 4, Dreschmaschine 41, Dreschwagen 2, Dreschwalze, Entrindungsmaschine 2, Fällaxt 2, Fahrrad 42, Fahrstuhl (Rollstuhl), Falghaue, Flechtmaschine, Fräsmaschine, Gießkanne, Hauklinge 2, Haumesser 2, Hebaufapparat, Hobelmaschine, Kehrwisch, Knetmaschine 2, Lehrfilm, Lenkstange, Lieferwagen, Lochmaschine, Mähmaschine 52, Melkanlage, Melkmaschine 2, Nähmaschine 2, Putzmühle 10, Räppeleisen 7, Räppelmaschine 2, Rasierklinge 2, Richtschrot (Fallkerbe), Sämaschine 11, Scharegge, Scharriereisen (Steinhauerwerkzeug), Schimpfname, Schlageisen 2, Schneidemaschine, Schneidmesser, Schropphobel, Schrotmühle, Schußapparat 3, Schußwaffe, Spalthammer, Spannprügel 2, Spannriemen 2, Spannseil, Spinnrad 3, Spüllumpen, Stechbeitel, Stecheisen 2, Steigbügel 2, Steigeisen, Stemmeisen, Stickmaschine, Stoßmesser, Umkehrmaschine 2, Waschanlage, Waschmaschine 3, Wellholz, Wendering, Wetzstein, Zugseil

Aus den Ausführungen der §§ 85 und 88 geht hervor, wie die hier vorgenommene Untergliederung in Subjekte, die Instrumente sind, zu verstehen ist. Noch einmal wiederholt sei lediglich, daß die Zuordnung in diese Untergruppierung in vielen Fällen — insbesondere bei Zusammensetzungen mit -maschine — strittig bleiben wird. Die eigentliche sprachliche Analyse der Kompp. bleibt hiervon jedoch unberührt.

b) Zweitglied bezeichnet § 90

Objekt

Die Beziehung zwischen der vom Erstglied benannten Tätigkeit und ihrem durch das Zweitglied bezeichneten Objekt kann unterschiedlicher Art sein: es kann sich entweder um eine Tätigkeit handeln, die an dem genannten Objekt möglich ist, deren Vollzug 1) 2) 3) 4)

90

Siehe KÜRSCHNERS. 16,90-93,95, 99 und 101. Die angeführten Bspp. sind die ersten drei Lemmata der betr. Gruppe bei KÜRSCHNER, S. 158. Ebd., S.165f. - * hierzu § 17.

aber noch aussteht, oder um eine Tätigkeit, die bereits vollzogen ist. Im ersten Fall wird also durch ein entsprechendes Komp. ein Gegenstand bezeichnet, der in irgendeiner Weise als Objekt der im Erstglied genannten Tätigkeit disponiert ist (nach deren Vollzug er in bestimmten Fällen nicht mehr bzw. nicht mehr in der bisherigen Weise existieren wird); im zweiten Fall hingegen bezeichnet das jeweilige Komp. einen Gegenstand, der als solcher erst dadurch existiert, daß (an ihm) die vom Erstglied benannte Tätigkeit vollzogen worden ist. Entsprechend dem skizzierten Unterschied können die Zusammensetzungen mit Zweitglied-Objekt noch einmal untergegliedert werden. Dabei ist aber darauf hinzuweisen, daß die Zugehörigkeit zur einen oder zur anderen Untergruppierung nicht in jedem Fall eindeutig entschieden werden kann. Völlige und aus dem jeweiligen Komp. selbst heraus gegebene Eindeutigkeit besteht nur einerseits in Fällen, in denen der Vollzug der vom Erstglied benannten Tätigkeit deren Objekt zugleich in seiner äußeren Existenz vernichtet; ein Bsp. hierfür ist Trinkmilch. Da mit dem betr. Komp. der (noch) existierende Gegenstand bezeichnet wird, muß die im Erstglied genannte Tätigkeit als mögliche, aber noch nicht vollzogene gemeint bzw. verstanden werden. Dieselbe Eindeutigkeit ist auch in den umgekehrt liegenden Fällen gegeben, also dort, wo ein Gegenstand bezeichnet wird, dessen Existenz sich erst durch die auf ihn gerichtete Tätigkeit herstellt. Mit z.B. Schachtloch ist nicht ein ,schachtbares Loch' o.ä. gemeint, ein ,Ding' also vor seiner Existenz, sondern ein geschachtetes und als solches also existierendes Loch;*) bei den weiteren Kompp. dieser Art gilt dies analog. In den anderen Fällen — also überall dort, wo die im Komp. bezeichnete Tätigkeit nicht die Herstellung oder Vernichtung der Existenz ihres Objekts impliziert — ist derartige Eindeutigkeit nicht gegeben, die auf das Zweitglied-Objekt gerichtete Tätigkeit kann mithin sowohl als noch ausstehende, mögliche, als auch als bereits vollzogene verstanden werden. Die Zuordnung der betr. Kompp. zu einer der beiden Untergruppierungen folgt - sofern nicht anderes angemerkt ist - der tatsächlichen Verwendung. Daß diese in der Regel nicht in das Belieben des Sprechers gestellt, sondern sprachkonventionell vorgegeben ist, kann das Bsp. Bratkartoffel zeigen, denn hiermit können in normaler Redeweise nur gebratene Kartoffeln gemeint werden, nicht jedoch — obwohl dies von der Zusammensetzung selbst her möglich wäre — zum Braten bzw. Gebraten werden bestimmte. a) Erstglied bezeichnet ausstehende Tätigkeit §91

Die Kompp. dieser Untergruppierung charakterisieren die von ihnen bezeichneten Gegenstände durch Angabe einer Tätigkeit, welche an ihnen vollzogen werden kann. Die bezeichneten Gegenstände sind also nicht Objekt, sondern nur mögliches Objekt der auf sie gerichteten Tätigkeit, und es stellt sich die Frage, ob dies nicht als bestimmte Modalität der zwischen den Komp .-Gliedern bestehenden Beziehung aufzufassen ist, und zwar als von den betr. Kompp. beinhaltete Modus-Komponente. 1) Es ist hier lediglich von der Existenz eines (durch seine Bezeichnung) gemeinten Loches die Rede, nicht von derjenigen eines Loches in der äußeren Realität. In dieser kann das gemeinte ,geschachtete Loch' natürlich ein tatsächlich erst noch zu schachtendes sein. Mit anderen Worten: auch Bezeichnungen der im Augenblick diskutierten Art enthalten keine Existenzbehauptung.

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Die (unorthodoxe) Meinung, Zusammensetzungen enthielten eine Modus-Komponente, wird von FANSELOW vertreten, allerdings nur dürftig begründet, nämlich allein durch die Bemerkung: „Kuchenmehl kann zu Kuchen verarbeitet werden." (S.139.) Über Kompp. der im Augenblick diskutierten Art läßt sich FANSELOW in diesem Zusammenhang nicht aus,l) doch darf angenommen werden, daß er z.B. für Wendepflug eine Um- oder Beschreibung wie ,Pflug, der gewendet werden kann' nicht ablehnen würde. Nun ist selbst bei Kompp., deren Vorderglied eine am Zweitglied-Objekt mögliche Tätigkeit nennt, die genaue Art der darin zu sehenden Modalität nur schwer und in jedem Fall nicht generell angebbar. Denn wenn auch der Wendepflug tatsächlich ein solcher ist, der gewendet werden kann, so handelt es sich beim Brennholz eher um solches, das für die genannte Verwendung nicht nur geeignet, sondern deshalb dann auch bestimmt ist, und ähnlich verhält es sich z.B. bei Schnupftabak (aber sind sie deshalb auch Holz und Tabak, das/der verbrannt bzw. geschnupft werden solll); der Streichbaß schließlich ist ein Gerät, das auf die in seiner Bezeichnung genannte Weise behandelt werden muß. Man wird hier weitere Arten der Modal-Beziehung finden können — und dann feststellen müssen, daß selbst die einzelne, mit einem bestimmten Modalverb beschreibbare Beziehung keineswegs als fest umrissen gelten kann. Denn was z.B. heißt können in diesem Zusammenhang? Da immer wieder bewiesen wird, daß auch tödlich giftige Pilze selbstverständlich gegessen werden „können", kann Speisepilz (und entsprechend etwa Speisekartoffel) wohl nicht zufriedenstellend als ,Pilz, der gespeist/gegessen werden kann' o.a. beschrieben werden. Versucht man aber, die Beschreibung durch entsprechende Zusätze pragmatisch korrekter zu gestalten, so ist man jedenfalls mit etwas anderem beschäftigt als damit, die Modus-Komponente einer Zusammensetzung zu beschreiben. Als letzter, aber wohl gewichtigster Punkt ist schließlich zu nennen, daß, hat man erst einmal damit begonnen, überhaupt nicht angegeben werden kann, wo mit der Annahme von Modus-Komponenten wieder aufgehört werden soll. Denn wenn Kuchenmehl ein Mehl ist, das zu Kuchen verarbeitet werden kann, dann ist Autobahn eine Bahn/Straße, die von Autos befahren werden kann, Lastwagenfahrer einer, der Lastwagen fahren kann - usw. Warum aber wäre dann nicht auch z.B. Hut zu beschreiben als .etwas, das man auf den Kopf setzen kann"! Diese Konsequenz soll hier keineswegs als unsinnig dargestellt werden; sie ist vielmehr ebenso richtig wie unausweichlich. Allerdings wird hier die Ansicht vertreten, daß diese Art der Bedeutungsbeschreibung als solche unsinnig ist und daß sie außerdem - auch dies zeigt die angedeutete Konsequenz - mit der Beschreibung der Bedeutung von Kompp. als Kompp. nichts zu tun hat.2) Die angeführten Punkte werden als ausreichende Begründung dafür angesehen, in die 1) Das dürfte damit zusammenhängen, daß FANSELOW den „Verb-Nomen-Komposita", deren Regeln zu schreiben er als „sehr einfach" bezeichnet (S. 208), insgesamt wenig Aufmerksamkeit schenkt (S. 207 f.). 2) Die hier vielleicht etwas salopp behandelte Frage taucht in der Wortbildungs-Diskussion an verschiedenen Stellen auf, so z.B. in der merkwürdigen Fragestellung, ob etwa eine Blumenvase auch dann eine solche sei, wenn sie gerade keine Blumen enthält; sie ist aber auch Fluchtpunkt des von FANSELOW (S.138 und 199-201) durchgeführten Versuchs, für die Beschreibung bestimmter Kompp. die Notwendigkeit der Annahme eines „Frequenzadverbs" gewöhnlich nachzuweisen, was konkret bedeuten würde, z.B. Nagelfabrik als .Fabrik in der gewöhnlich Nägel hergestellt werden' beschreiben zu müssen (ebensogut könnte man dann allerdings auch sagen, daß eine Nagelfabrik gewöhnlich eine Nagelfabrik sei!).

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semantische Beschreibung der in Frage stehenden Kompp. ebenso wenig eine ModusKomponente aufzunehmen wie in diejenige anderer Zusammensetzungen und sonstiger Bezeichnungen. Die Modalität der an ihrem Objekt nur möglichen, noch nicht vollzogenen Tätigkeit wird also lediglich durch ihre Kennzeichnung als noch ausstehende beschrieben, und das ist auch das, was den Kompp. selbst aufgrund der Bedeutungen und Bedeutungselemente ihrer Glieder entnommen werden kann.

a a ) Tätigkeit affiziert § 92

Abziehbild, Auszugleiter, Beigholz, Blasinstrument, Brechholz 3, Hackfrucht 5, Hafnerton, Lesholz 5, Sammelholz, Schichtholz 3, Schleuderball, Schubkarren, Streichbaß, Treibschrot 3, Triebklotz, Triebschrot, Wendepflug, Ziehharmonika 6, Ziehwägelein

Die im Erstglied genannte Tätigkeit führt nicht zur .Vernichtung' ihres Objekts, könnte folglich auch als bereits vollzogene aufgefaßt werden (-»• §90). Praktisch besteht in vielen Fällen dennoch Eindeutigkeit, daß im Komp. die Tätigkeit als ausstehende bezeichnet ist. Dies ist dort der Fall, wo Gegenstände bezeichnet werden, die für eine wiederholte Durchführung dieser Tätigkeit ausgelegt sind; Bspp. hierfür sind Blasinstrument, Schleuderball^\ Wendepflug. Pragmatische Eindeutigkeit ist wohl auch bei Sammelholz, bei Abziehbild und schließlich auch Hafnerton2) gegeben: normalerweise wird es wichtiger sein und deshalb auch häufiger vorkommen, beispielsweise zum Sammeln geeignetes/bestimmtes Holz als solches zu kennzeichnen, als Holz, das bereits gesammelt ist, durch die dann recht redundante Komp .-Bezeichnung zu benennen. Entsprechendes gilt für die anderen Kompp. dieser Art, wenn auch in unterschiedlichem Maß der Deutlich- bzw. der Eindeutigkeit.

ßß) Tätigkeit nihiliert § 93

Brennholz 25, Brennrinde, Brennwasen, Eßware, Klebebogen, Nutzholz 3, Säfrucht 2, Schnupftabak, Speisekartoffel 5, Trinkmilch 2, Trinkwasser, Wurfgranate

Die bezeichneten Gegenstände werden durch den Vollzug der im Erstglied genannten Tätigkeit in ihrer Existenz vernichtet, so daß in ihrer Bezeichnung diese Tätigkeit folglich nur als noch nicht vollzogene, aber vollziehbare gemeint sein kann. Was mit dieser Beschreibung gesagt sein soll, zeigt sich besonders deutlich durch Vergleich mit Zusammensetzungen der zuvor dargestellten Gruppierung, etwa durch die Gegenüberstellung von Wurfgranate einerseits, Wendepflug andererseits. Hingewiesen sei darauf, daß auch Nutzholz wirklich hierher gehört, da -holz in diesem Zusammenhang die Bezeichnung des ,Rohstoffs' ist (genauso wie in Brennholz), welcher durch seine .Nutzung' als solcher ebenfalls seine Existenz verliert. 1) Für die Bedeutung des Komp. als solchem ist es irrelevant, ob mit Schleuderball (und weiteren entsprechenden Bezeichnungen) tatsächlich der betr. Ball oder - was näher liegt und jedenfalls die häufigere Verwendung ist das so bezeichnete Spiel gemeint ist. 2) Bei diesem Komp. besteht allerdings eine andere Unsicherheit, da das Erstglied auch als substantivisch betrachtet werden kann; die Beschreibung des so verstandenen Komp. wäre diejenige der Gruppierung II. l.a.

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ß) Erstglied bezeichnet vollzogene Tätigkeit § 94

Die bezeichneten Dinge können von der an ihnen vollzogenen Tätigkeit wiederum auf unterschiedliche Art betroffen sein: sie können bereits unabhängig von dieser Tätigkeit existiert haben — dann sind sie von ihr nur „affiziert", d.h. in der sie nun determinierenden Weise verändert worden; sie können aber auch ihre Existenz erst dieser Tätigkeit verdanken - dann sind sie von ihr hervorgerufen oder „efflziert" worden.^) Dj e s e Unterscheidung entspricht spiegelbildlich genau derjenigen, die in der zuvor behandelten Gruppierung (a) zu treffen war. Die damit verbundenen logisch-semantischen Unterschiede sind bereits dargelegt worden (-»• § 90).

a a ) Tätigkeit affiziert § 95

Backente, Backmalz, Brechobst, Dönmalz 2, Dörrobst, Hamsterware, Lagerbier, Rauchfleisch 2, Röstkartoffel, Rührei, Schnittware, Stampfboden, Stepphütchen 2

In manchen Fällen ist die Tatsache, daß die im Erstglied genannte Tätigkeit nicht als noch ausstehende aufzufassen ist, auch logisch ableitbar, so z.B. bei Brechobst, das ja nicht nur sprachlich eine Fallobst korrespondierende Bildung i s t , s o n d e r n auch in der außersprachlichen Realität hierzu in einer sehr ähnlichen Beziehung steht (anders ausgedrückt: solange es am Baum hängt, gibt es nur Obst). Ansonsten ist zu diesen Kompp. festzustellen, daß an ihnen selbst nicht abzulesen ist, daß sie Gegenstände als solche bezeichnen, an denen die jeweils im Erstglied genannte Tätigkeit vollzogen ist. Sie so zu verstehen gehört also nicht mehr zum Bereich der „Selbstverständlichkeit" dieser Kompp., sondern es setzt auch außersprachlich-faktisches bzw. pragmatisches Wissen voraus.

ßß) Tätigkeit effiziert § 96

Preßteil, Schachtloch, Schweißbrücke, Stanzteil, Stauweiher

Aufgrund der semantisch-logischen Bedingungen sind die diesen Kompp. zugrunde liegenden Beziehungen der Glieder wiederum eindeutig feststellbar (-»• hierzu §90). Allerdings gilt dies nur bezüglich der Beantwortung der Frage, ob die im Erstglied genannte Tätigkeit, wenn sie eine auf das im Zweitglied Bezeichnete als ihr Objekt gerichtete ist, als ausstehend oder als bereits vollzogen zu verstehen ist. Ob jedoch diese Bedingung erfüllt ist, geht aus der Zusammensetzung selbst nicht hervor, und so kön1) „Affizieren" ist hier in sehr viel konkreterer und präziserer Bedeutung verwendet als etwa bei BREKLE (Satzsemantik, S.70f., 115, 117, 147-154 und 161-180): hierzu auch § 16, wo die noch diffusere Verwendung bei KÜRSCHNER (in der Gestalt des Tiefenkasus „OBJ") kritisiert wird. 2) Fallobst wäre auch - im Unterschied zu FaBhammer, das zu I.3.a.oc. gehört - ebenfalls in die im Augenblick behandelte Gruppierung einzuordnen. Die Paraphrasen, die die zugrunde liegenden unterschiedlichen Sachverhalte widerspiegeln, machen dies einleuchtend: ein Fallhammer ist ein .Hammer, der (immer wieder, habituell) fallt', FaUobst hingegen ist nicht *,Obst, das fällt', sondern ,Obst, das gefallen ist' oder .gefallenes Obst.' Es sei betont, daß dies nicht eine Frage philosophisch-ontologischer Spekulation ist, sondern eine Frage sprachlicher Tatbestände, nämlich der unterschiedlichen Weise sprachlichen Bezeichnens.

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nen Schweißbrücke, aber auch Schachtloch, auch auf andere — in ihrer hier beobachteten Verwendung nicht vorliegende - Weise verstanden werden, nämlich als Bezeichnungen von ,Orten' zur Durchfuhrung der im Erstglied bezeichneten Tätigkeiten (-»• II. 1 .d.).

y) Erstglied bezeichnet Tätigkeit, die ausstehend oder vollzogen sein kann § 97

Bratwurst, Lagerfrucht, Mastvieh, Pellkartoffel, Schlagrahm 2

Die hier zusammengestellten Kompp. sind hinsichtlich Ausstehen oder Vollzogensein der im Erstglied bezeichneten Tätigkeit gewissermaßen neutralisiert: eine Bratwurst ist auch ungebraten eine Bratwurst, nämlich dann eine ,zum Braten bestimmte Wurst' o.ä.; entsprechend bei den anderen Zusammensetzungen dieser Art. Da die bezeichnete Tätigkeit sowohl ausstehend als auch vollzogen sein kann, kann sie weder ,nihilierend' noch effizierend, sondern in jedem Fall nur affizierend sein. Dies ist die einzige Beschränkung für die Möglichkeit der Zugehörigkeit zu dieser Gruppierung. Daß sie so offenkundig schwach besetzt ist, rührt daher, daß in der Regel eben auch dort, wo die semantischen Verhältnisse der Komp-Glieder beide Möglichkeiten zulassen, eine pragmatisch-faktische Festlegung auf die eine oder die andere vorliegt. Die Besonderheit der im Augenblick diskutierten Kompp. liegt also in ihrer Verwendung, nicht dagegen darin, daß sie ihre Gegenstände auf besondere Weise bezeichnen. Das macht noch einmal deutlich, daß auch die beiden anderen Untergruppierungen (a, ß) sich auf Verwendungen beziehen und als Verwendungsbeschränkungen beschrieben werden können. Diesen Untergruppierungen sind folglich keine unterschiedlichen Tiefenstrukturen zuzuordnen, wenn damit die den Kompp. zugrunde liegenden (syntaktisch-semantischen Beziehungen beschrieben werden sollen. Die Unangemessenheit eines solchen Verfahrens zeigt sich bei KÜRSCHNER sehr deutlich daran, daß er gezwungen ist, für Kompp. wie Bratwurst zwei verschiedene Tiefenstrukturen zu bilden, also im Grunde genommen Homonymenpaare anzusetzen. 1)

4. Subjekt-Determination § 98

In den Zusammensetzungen dieser Gruppe, welche zahlenmäßig nur schwach besetzt ist, ist das prädikative Element im jeweiligen Zweitglied enthalten; dieses bezeichnet in der Art eines Nomen actionis eine bestimmte Tätigkeit, welche determiniert wird durch ihr im Erstglied der Zusammensetzung bezeichnetes Subjekt. Die Aussage, daß die Zweitglieder „in der Art eines Nomen actionis" Tätigkeiten be1) KÜRSCHNER, S.165, 166f. (Bei KÜRSCHNER kommt als einziger Beleg dieser Art Schlagsahne vor, für dessen Verwendung im Sinne von ,geschlagene Sahne' er nicht ein Tempus-Merkmal, sondern eine Passiv-Kennzeichnung vorschlägt.) - Der hier vertretene Unterschied gegenüber der Beschreibung KÜRSCHNERS besteht nicht darin, Kompp. wie Schlagsahne die Ambiguität abzusprechen, sondern darin, Kompp. wie Bratkartoffel als nicht weniger ambig (jedoch sprachüblich nur in einer der beiden möglichen Weisen verwendet) zu betrachten.

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zeichnen, soll darauf hinweisen, daß hier - ähnlich wie bei den Nomina agentis im Bereich der Kompp. mit Objekt-Determination (—*• § 19) — nicht nur deverbal abgeleitete Substantive in Frage kommen, sondern auch solche nicht-abgeleitete, die eine bestimmte ,Aktivität' wie z.B. eine Veranstaltung so bezeichnen, daß ein semantisch schwaches Verb wie machen oder auch durchfähren/veranstalten ausreicht, um dieses Geschehen als ,Tun' eines (im Erstglied genannten) Subjekts auszuweisen. Daß es sich bei dem Bezeichneten um eine derartige Tätigkeit handelt, wird als inhärentes Merkmal des betr. Substantivs betrachtet, und daß diese Annahme gerechtfertigt ist, zeigt sich sehr deutlich darin, daß in vielen Fällen zu einem derartigen Substantiv — z.B. Fest — ohne weiteres ein entsprechendes Verb gebildet werden kann, dessen Bedeutung völlig eindeutig und dessen Verwendung (wenn auch zum Teil nur scherzhaft-ironisch) ohne spezielle Kontext-Bedingungen möglich ist. Im übrigen ist auch hier zu sagen, daß es wenig plausibel wäre, beispielsweise Bürgerball nur aufgrund des sprachlich zufälligen Faktums, daß -ball nicht deverbal abgeleitet ist, anders beschreiben zu wollen als z.B. Bürgerfeier. Abschließend sei noch einmal darauf hingewiesen, daß, anders als BEHAGHEL es sieht (->• §61), die Tätigkeitsbezeichnungen nicht im Sinne der Relationalen ergänzungsbedürftig sind: sie können sehr wohl auch ohne Ergänzung bzw. mit einer anderen Ergänzung als deijenigen der Bezeichnung des zugehörigen Subjekts verwendet werden. In den Kompp. der hier behandelten Gruppe liegt also keine definitive Determination vor, obwohl Ähnlichkeiten (und möglicherweise einmal mehr auch fließende Übergänge) zu jener anderen Gruppe bestehen (-*• hier insbes. die unter I.2.a. e. behandelten Bildungen). § 99

Abiturientemede, Autoverkehr 2, Bandenkrieg, Bauernaufstand, Bauerngeschäft, Bauernherrschaft 2, Bauernwerk 2, Betriebsausflug 3, Blutkreislauf, Erzeugerschlacht, Familienleben, Feindeinwirkung 3, Fernsehsehndung, Feuerwehrübung, Flaschnergeschäft, Fliegerangriff 3, Fliegereinwirkung, Funkenflug, Fußgängerverkehr, Gemeinderatssitzung, Gerichtsverhandlung 3, Gotteswerk, Granteinschlag, Gruppenarbeit, Handwerksburschenarbeit, Heldentat, Herzklopfen 4, Hirschbrunst, Holzhauergeschäft, Kanonendonner, Kinderspiel, Konfirmandenausflug 2, Laienspiel, Landwehrübung, Lebenslauf 6, Luftdruck 3, Männergeschäft, Malergeschäft 2, Mannsleutarbeit, Maurerarbeit 3, Narrensprung 6, Omnibusverkehr 2, Reserveübung, Saftruhe, Schneedruck 2, Schülerausflug, Schwedenkrieg, Sonnenschein, Staatszuschuß 3, Straßenbahnverkehr, Tageslauf 2, Wagenverkehr, Wasserfall 5, Wassersog, Wassersog, Weibsleutarbeit, Wildverbiß, Windstoß, Wirtschaftsleben, Zeitlauf 2, Zigeunerleben, Zimmerarbeit 2, Zimmergeschäft 2

Insbesondere bei den Zusammensetzungen mit -arbeit und — in diesen Kompp. hiermit gleichbedeutend — -geschäft wird das Erstglied generisch verstanden, so daß z.B. Mannsleutarbeit im Sinne von ,typische Arbeit der Mannsleute' oder auch ,für Mannsleute bestimmte Arbeit' aufgefaßt und verwendet werden kann. In einem Fall wie Laienspiel sind beide Interpretationen des Erstglieds möglich; generische Auffassung liegt vor in Verwendungen wie er hat ein Laienspiel geschrieben, wir führen ein Laienspiel auf usw., sie setzt mithin voraus, daß -spiel im Sinne von -(theater)stück verwendet wird, also in einer Weise, in der der deverbale Ableitungszusammenhang praktisch nur rein formal und seinerseits sozusagen zufallig besteht.2) Damit steht Laienspiel 1) Dieses dem Substantiv inhärente Merkmal gehört zu dessen Bedeutung, es hat also nichts mit den von FANSELOW zur Beschreibung bestimmter Kompp. herangezogenen „Stereotypen" zu tun; -+§13. 2) Nicht-generische Auffassung des Erstglieds von Laienspiel ist nur in solchen Verwendungen möglich, in denen •spiel durch -auffiihrung o.a. ersetzbar ist, also nur dann, wenn dieses Zweitglied nicht nur formal, sondern in

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am Übergang zu den im folgenden Paragraphen zusammengestellten Kompp. dieser Gruppe mit nicht deverbal abgeleitetem Zweitglied, und es zeigt sich daran auch von dieser Seite her die beschriebene Zusammengehörigkeit der entsprechenden Kompp. unabhängig von Abgeleitetheit oder Nicht-Abgeleitetheit ihrer Zweitglieder. § 100

Beziiksmusikfest, Biiigerball 3, Feuerwehlball 3, Gesindefasnet 2, Heirenfasnet 3, Hitleijugendlager, Kinderfasnet, Kinderfest, Kinderfestlein, Kindertheater, Krämermarkt, Liederkranzball, Motorengeräusch, Reiterball, Sängerfest 2, Schützenball, Schützenfest 3, Stadtjubiläum, Studentenfest, Turnerfest 2, Volksfest 4, Zigeunerballett, Zimmermannsbrauch, Zunftball

Die Einordnung von Stadtjubiläum in diese Gruppe ist problematisch. Am deutlichsten zeigt sich das daran, daß bei diesem Komp. (und analogen weiteren) eine Interpretation, die das vom Erstglied Bezeichnete als den Adressaten der im Zweitglied genannten .Veranstaltung' (. . . bestimmt fir . . .) auffaßt, nicht möglich ist. Für die übrigen Kompp. ist diese Interpretationsmöglichkeit, die bei den entsprechenden Zusammensetzungen mit deverbalem Zweitglied nicht durchgängig zu finden ist (-* § 99), immer gegeben, und das Charakteristische dabei ist, daß ein und dasselbe Lemma — meistens auch ein und dieselbe Verwendung — immer beide Interpretationsmöglichkeiten zugleich zuläßt: ein Bürgerball ist sowohl eine Veranstaltung von Bürgern wie eine Veranstaltung für Bürger (in einzelnen Verwendungen mag der Schwerpunkt auf den einen oder den anderen Aspekt gelegt sein), der Krämermarkt ist der von Krämern durchgeführte, aber ebenso auch der für diese Krämer bestimmte Markt usw. §101

Abschließend sei noch die Zusammensetzung Kopfschmerz diskutiert (weitere Kompp. mit diesem Grundwort sind nicht belegt). Da Schmerz offenkundig nicht relational ist, gehört auch Kopfschmerz nicht in die Gruppierung I.2.a.e., obwohl man in dieser Bildung eine rückbezügliche Struktur sehen könnte. Demnach wäre diese Bildung aufzufassen wie die Kompp. der im Augenblick behandelten Gruppe, und zwar speziell wie die in §99 zusammengefaßten. Nun gibt es aber neben Kopfschmerz auch Kopfweh und weitere entsprechende (z.T. auch belegte) Bildungen mit dem nämlichen Zweitglied. Diese Kompp. sind einerseits Kopfschmerz sehr ähnlich, andererseits kann -weh nur schwer als Bezeichnung einer Tätigkeit interpretiert werden, und wenn, dann allenfalls im Sinne der nicht deverbal abgeleiteten Zweitglieder der in §100 dargestellten Kompp. In der vorl. Untersuchung wird davon ausgegangen, daß Kopfschmerz und Kopfweh intuitiv als einander entsprechende Bildungen aufgefaßt werden und daß dem ihre Beschreibung Rechnung zu tragen habe, daß dies jedoch nicht durch Zuordnung zur hier diskutierten Gruppe geschehen könne. Auch die Einordnung in eine andere Gruppe ist für diese Kompp., die jedoch in jedem Fall als voll motivierte Bildungen zu gelten haben, nicht mit letzter Sicherheit möglich. Es wurde schließlich - was als unbefriedigend angesehen werden mag — so verfahren, daß diese Kompp. gemeinsam mit weiteren ebenfalls ähnlichen Bildungen wie Magenkrebs usw., aber auch Magenleiden usw., derjenigen Gruppe der „pragmaverständlichen" Kompp. zugeordnet werden, welche Zusammensetzungen enthält, denen eine Zugehörigkeits-Relation zugrunde liegt (-> § 139). vollem Sinn auch inhaltlich Nomen actionis ist, d.h. die Tatsache des Tätigkeitsvollzugs einschließt und mit ausdrückt.

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5. Adjektivische Prädikat-Determination §102

Die Bezeichnung dieser Gruppe ist so zu verstehen, daß darunter nur solche Kompp. fallen, deren Erstglied als adjektivische Prädikation über das vom Zweitglied Bezeichnete aufgefaßt werden kann. Das bedeutet, daß nicht alle Kompp., deren Erstglieder von einem Adjektiv bzw. einem Adjektiv-Stamm gebildet werden, dieser Gruppe angehören, vielmehr gibt es darunter neben elliptischen Kompp. wie Hochwald (->• II.7.C.) oder Bildungen wie Leichtathlet, denen selbst ein Kompositionsprozeß unmittelbar gar nicht zugrunde liegt, 1) vor allem in größerem Umfang Bildungen des Typs Schwerkranker, Tiefflieger usw., welche tatsächlich Ableitungen aus einer Verbindung von Adverb und Adjektiv bzw. Adverb und Verb sind und deren Erstglieder keine Prädikationen über das vom Zweitglied Bezeichnete sind; sie sind daher zu den Zusammenbildungen zu stellen (-* § 182). Andererseits gibt es Kompp., deren Erstglied zwar als Substantiv erscheint, die aber dennoch der Gruppe der adjektivischen Determination angehören, da sie nur so zu interpretieren sind; ein Bsp. hierfür ist Schandfrieden (->• im übrigen § 108). Der (möglichen) prädizierenden Funktion des Adjektivs wird von KÜRSCHNER dadurch Rechnung getragen, daß er in seiner Syntax (S.133) ein „Symbol REL (für ,Relator')" einführt, welches Verben und Adjektive (sowie deren jeweilige Nominalisierungen) umfaßt. Von den Kompp. mit einem „REL"-Element als Erstglied werden durch KÜRSCHNER allerdings diejenigen, bei denen dieses Element durch ein Adjektiv (bzw. einen Adjektiv-Stamm) realisiert ist, dennoch nicht untersucht, und zwar — so führt KÜRSCHNER (S.151) an - „wegen der fast durchgängig zu beobachtenden Lexikalisierung solcher Bildungen". Es wird sich zeigen, daß dies in doppelter Weise unzutreffend ist: Lexikalisierung der betr. Zusammensetzungen liegt weder in dem von KÜRSCHNER behaupteten Umfang vor (obwohl richtig ist, daß der Anteil hier deutlich höher liegt als bei den Kompp. mit substantivischem oder (de)verbalem Erstglied), noch ist sie in jedem Fall mit dem von KÜRSCHNER unterstellten Ausmaß an Demotiviertheit bzw. Idiomatisiertheit v e r b u n d e n . 2 ) FANSELOW erwähnt die „Adjektiv-Nomen-Komposita" lediglich am Rande (S.208). Daß er sie nicht weiter in seine Untersuchung einbezieht, gründet sich bei ihm jedoch nicht auf die Behauptung der Unanalysierbarkeit, sondern auf diejenige der Problemlosigkeit dieser Bildungen,3) denen etwa auch FLEISCHER (S.84f.) nur wenige Zeilen widmet. 1) Leichtathlet kann wohl nur als Rückbildung bzw. Analogiebildung zu Leichtathletik verstanden werden. (Leichtathletik selbst ist ein normaler und normal beschreibbarer Fall adjektivischer Prädikat-Determination.) 2) Die Verwendung des Begriffs „Lexikalisierung" ist bei KÜRSCHNER nicht ganz klar bzw. nicht überall einheitlich. In der Gegenüberstellung „lexikalisiert oder regulär gebildet" (S.32), welche als solche übrigens irreführend ist, muß „lexikalisiert" notwendigerweise mindestens .idiomatisiert' mit einschließen, und die Rede von einer „zwar motivierten, aber lexikalisierten Bildung" (am Bsp. Seemann, S.33) deutet daraufhin, daß darüber hinaus ,demotiviert' nicht mit darin enthalten sein soll. Wenn dann allerdings, wie oben zitiert, „lexikalisierte" Bildungen aus der Untersuchung ausgeschlossen sein sollen, so steht diese Verwendung des Begriffs dazu in Widerspruch; denn wenn tatsächlich auch die motivierten lexikalisierten Bildungen ausgeschlossen würden, so gäbe es nicht mehr viel zu untersuchen. 3) Nach FANSELOW kann man bei diesen Kompp. „zwei Fälle unterscheiden. Einmal modifiziert das Adjektiv das Nomen auf die gleiche Weise wie in der Satzsyntax, vgl. Schmgdach, Edelmetall, oder das Adjektiv charakterisiert einen der Argumentationsstelleninhaber der dem Nomen zugrundeliegenden Relation, vgl. Schwertranspor-

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§ 103

Alteisen 2, Altholz 3, Altmeister, Altstadt, Alttier, Blauklee 2, Blaustich, Blindboden, Brachesch 3, Brachfeld, Brachflur, Braunvieh, Breitbeil 2, Elementarschule, Feinbrand 3, Feinmechanik, Fertigteil, Fertigware, Fettfutter, Flachland, Freileitung 2, Freizeit 11, Fremdarbeiter 2, Fremdbetrieb, Gelbrübe, Glatteis 2, Graufisch, Großalarm, Großhändler 2, Großhandlung, Großhüttenwerk, Großknecht, Großkaufmann, Großmäher, Großmutter 20, Großmosterei, Großputz 5, Großputzerei, Großsiedler, Großstadt 2, Großvater 35, Großvieh, Großwasserversorgung, Grünfutter, Grünland 7, Hartmetall, Hochdruck 12, Hochsprung, Hochstamm, Hohlraum, Hohlweg, Junganlage, Jungbauer, Junghelfer, Junghenne, Jungholz 2, Jungkultur, Jungmann, Jungpflanze, Jungschaf, Jungstorch, Jungvieh 6, Jungwald 2, Jungwuchs, Klartext, Kleinarbeit, Kleinbrot, Kleingebäck, Kleingeld 2, Kleinkind, Kleinknecht, Kleinomnibus, Kleinsiedler 2, Kleinvieh, Kurzfutter, Langholz 13, Langlauf, Leergut, Leichtgewicht, Magermilch, Massivwand, Mischehe, Mischfrucht 2, Mischgetreide 3, Mittelsiedler, Mittelstrecke, Mürbgebäck, Neuaufstellung 2, Neubau 8, Neubürger 3, Neuformation, Neujahr 4, Neuzeit, Niederwald, Nobelleben, Normalbad, Normalmensch, Realteilung, Rohbau 4, Rohbrand (Brand = Schnaps) 4, Rohkost, Rottanne, Rotgewächs, Rotkorn, Rundform, Rundholz, Sauberschurz (saubergehaltene Arbeitsschürze) 3, Sauerkirsche, Sauerkraut 3, Sauerteig, Schnellzug, Schwarzbrot 5, Schwarzpulver 2, Schwarztee 2, Schwarzwurst 4, Schwergewicht, Schwermetall, Spätschicht, Spitzeisen, Starkholz, Steilhang 4, Süßkirsche, Spitzkraut, Süßmost, Süßsach, Süßware, Tiefstand, Ultrakurzwelle, Warmluft, Weißbier, Weißbrot S, Weißfisch, Weißgewächs, Weißkorn 2, Weißmehl 2, Weißrübe, Weißtanne, Weißzeug, Weitsprung

Die Erstglieder der hier zusammengestellten Kompp. werden von Adjektiven in vollständiger adjektivischer Funktion gebildet, d.h. in möglichen Paraphrasen der betr. Bildungen können sie sowohl attributiv (Alteisen — altes Eisen) als auch prädikativ (Eisen, das alt ist/das Eisen ist alt) verwendet werden. § 104

Gegen Paraphrasen dieser Art pflegt der .Einwand' erhoben zu werden, nicht jedes alte Eisen sei bereits Alteisen, vielmehr nur solches, das zugleich Schrott o.ä. sei; und um dieses zu sein, müsse Eisen nicht unbedingt alt sein — usw. Bezüglich dieses Einwands, der im übrigen analog auch gegenüber den intuitiv sich einstellenden Paraphrasen zu Kompp. wie Schwimmkörper oder Putzfrau, aber auch zu Ableitungen wie etwa Arbeiter zu machen ist, ^ ^ kann im Wesentlichen auf die in der Einleitung dargestellten, weitgehend am Bsp. Blaubeere durchgeführten Überlegungen mit der Unterscheidung zwischen Wortsemantik und Bildungssemantik verwiesen werden bes. Einleitung, § 9). Zweierlei sei dem hier jedoch noch angefügt, nämlich erstens der — in der Sache keineswegs neue — Hinweis darauf, daß die angeführte Unterscheidung nicht erst bei Bildungen, die die formalen Bedingungen eines Komp. erfüllen, zu treffen ist, sondern in gleicher Weise auch bei Bezeichnungseinheiten wie z.B. saure Gurke(n), dicke Bohne(n) usw. getroffen werden muß.2) Zweitens und vor allem sei daraufhingewiesen, daß ein ter, das ein Ding bezeichnet, was schwere Dinge transportiert." (S. 208.) (Der zweite Fall wird in der vorl. Untersuchung - wie ausgeführt - als elliptisch angesehen; das angeführte Bsp. ist nicht besonders glücklich, die dazu angebotene Interpretation jedenfalls nicht zwingend.) FANSELOW weist darüber hinaus auf Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber den „Adverb-Nomen-Komposita" hin („ein Schnellbus ist mit dem gleichen Recht ein schneller Bus, wie ein Bus, der schnell fährt"; ebd.), er erwähnt die Tatsache der „Zufallsbeschränkungen der deutschen Adjektiv-Nomen-Komposition" (S.209, vgl. S.48) und spricht Uber in seiner Sicht bestehende Schwierigkeiten mit solchen Kompp., deren Erstglied in den Superlativ gesetzt ist (S.209). 1) In diesen Fällen wird der Einwand allerdings nicht gegen die Möglichkeit entsprechender Paraphrasierung als solcher, sondern nur als Argument für die Ergänzung der betr. Paraphrasen um ein Merkmal [^berufsmäßig], [+habituell] o.ä. verwendet. Mit der Einführung eines solchen Merkmals ist freilich im Grunde genommen gerade im Sinne der zugrunde liegenden (nicht von der Bildungs-, sondern von der Wortsemantik ausgehenden) Argumentation nicht viel gewonnen, denn auch z.B. ein „berufsmäßig" Arbeitender ist deshalb noch nicht unbedingt ein Arbeiter (sondern vielleicht ein Angestellter). 2) Etwas anders liegen die Verhältnisse bei zugleich metaphorischen Ausdrücken wie blinder Passagier, kalte Ente usw. Diese Bspp. hat NEUHAUS (S.204) verwendet, um zu zeigen, daß die Grenze der Analysierbarkeit

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Fall wie Großvater sicher wenig geeignet ist, die hier vertretene Auffassung, eine Wortbildungsuntersuchung habe die jeweilige Bildungssemantik zu beschreiben, als falsch zu erweisen, obwohl gerade dieses Bsp. dafür besonders gern herangezogen wird.l) Zunächst kann wohl die Tatsache, daß es sich in diesem speziellen Fall um eine Lehnübersetzung aus dem Französischen handelt, doch nicht ganz und gar unberücksichtigt bleiben: wenn auch letztlich zutrifft, daß ein solches sprachgeschichtliches Faktum für synchronische Betrachtung nicht von unmittelbarem Interesse ist, so scheint doch eine gewisse Zurückhaltung angebracht, ausgerechnet einen derartigen Fall zum Demonstrationsobjekt zu machen. Wählt man anstelle des sozusagen erblich belasteten Großvater unverfänglichere Bspp. wie etwa Großhändler, so ergeben sich ganz andere Beobachtungen. Als erstes stellt man fest, daß man natürlich sagen kann, ein Großhändler sei ein .großer Händler', und bemerkt sodann, daß großer Händler ungefähr mit ,groß als Händler' umschrieben werden kann, daß es also jedenfalls nicht .großer Mensch, der Händler ist', .Händler von großem Wuchs' o.ä. bedeutet. Gerade so aber würde großer Vater verstanden, und das ist der Grund, weshalb ein Großvater kein .großer Vater" ist.2) Es mag dahingestellt bleiben, ob auch Großvater im Sinne von .groß als Vater' aufgefaßt werden kann oder ob nicht eher zu sagen ist, daß Groß- als Erstglied hier eine präfixoide Bedeutungseinschränkung erfahren hat und im Sinne von Ober- fungiert; jedenfalls steht es neben Bildungen wie Großknecht, Kleinknecht usw., welche auf die angegebene Weise zu interpretieren sind (wobei sich die angesprochene Bedeutungsspezialisierung von Groß— und entsprechend von Klein— quasi automatisch ergibt). Wichtig ist, daß diese Art der eingeschränkten Qualifikation oder Prädikation in allen Fällen vorzuliegen scheint, in denen das vom Grundwort Bezeichnete hinsichtlich dieser Qualifikation in eine Person oder Sache überhaupt und die Person oder Sache als so oder so Bezeichnete unterschieden werden kann.3) So ist auch ein Kleinomnibus zwar ein .kleiner Omnibus' (und klein kann hierbei nicht nur attributiv, sondern auch prädikativ verwendet werden), doch ist er klein nur als Bus, nicht hingegen als Gegenstand; ein Jungbauer ist zwar ein Junger Bauer', aber er muß als Person nicht mehr unbedingt jung sein usw. zusammengesetzter sprachlicher Ausdrücke jedenfalls „nicht zwischen Syntax und Wortbildung" verläuft. Ein blinder Passagier, sofern damit der unentdeckt mitreisende Passagier gemeint ist, ist jedoch gar nicht blind (außer er wäre ein blinder blinder Passagier), und eine kalte Ente ist keine Ente; das unterscheidet diese Fälle gleichermaßen von Blaubeere und Großvater wie von saure Gurke. 1) Nach KÜRSCHNER (S.38) zeigt sich an Großvater das Unzutreffende einer solchen Beschreibung „am allerdeutlichsten" (wobei KÜRSCHNER vordergründig natürlich recht hat, wenn er feststellt, Großvater sei „nicht gleichbedeutend" mit „Vater, der groß ist"; ebd.). - Als Bsp. für eine mittlere Position zwischen „vollständiger morphologisch-semantischer Motivation einerseits und völliger Idiomatisierung andererseits" führt FLEISCHER Großmutter an, welche „zwar keine große Mutter, aber doch eine Mutter" sei bzw. bezeichne (S.l 3). 2) Die Qualifizierung „groß" wird also bezüglich „Vater" auf die Person als solche, bezüglich „Händler" nur auf die Person in ihrer Eigenschaft als Händler bezogen. Damit zeigt sich, daß diese Erscheinung nicht als Eigenschaft bestimmter Adjektive zu begreifen ist, wie FANSELOW (S.142) dies im Anschluß an Vorstellungen der Montague-Grammatik zu tun versucht, sondern daß sie zumindest auch mit bestimmten Eigenschaften der jeweils qualifizierten Gegenstände zusammenhängt. 3) Die Erscheinung ist also auch mit der altbekannten Beobachtung (vgl. z.B. DUDEN, §2050), daß bei Nomina actionis und agentis Adjektive, welche das darin zugrunde liegende Geschehen/Tun qualifizieren (mithin adverbial fungieren), normalerweise nur attributiv verwendet werden können, nicht vollständig erfaßt (ganz abgesehen davon, daß diese rein an der syntaktischen Funktion orientierte Beschreibung bereits als solche unzureichend ist; so ist zwar richtig, daß jemand, der stark raucht, ein starker Raucher ist, nicht jedoch ein *Raucher, der stark ist-, aber jemand, der schnell läuft, ist sowohl ein schneller Läufer als auch ein Läufer, der schnell ist; und umgekehrt ist jemand, der weit springt, weder ein *weiter Springer, noch ein *Springer, der weit ist).

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Für Jungbauer könnte auch eine andere Erklärung gegeben werden, nämlich die, daß jemand so lange der junge Bauer ist, wie er neben dem alten Bauern arbeitet, doch zeigt bereits diese Beschreibung, daß es dabei - wie letztlich in allen seit dem Bsp. Großvater diskutierten Fällen — gar nicht eigentlich um die Probleme von Kompp. mit adjektivischem Erstglied geht, sondern um Fragen der Verwendung von Adjektiven. Damit wird aber auch von dieser Seite her noch einmal deutlich, daß bei Kompp. der in Frage stehenden Art von adjektivischer Prädikation gesprochen werden kann und daß die Bedeutung dieser Kompp. als Kompp. durch Paraphrasen der in § 103 angeführten Art angegeben werden kann. §105

Zu den in § 103 aufgelisteten Kompp. sind nun nur noch wenige Anmerkungen erforderlich. Am wichtigsten ist der Hinweis, daß die meisten dieser Kompp. von den im vorigen Paragraphen diskutierten Problemen gar nicht betroffen sind; d.h. bei ihnen besteht im wesentlichen keine Differenz zwischen Wortsemantik und der dem jeweiligen Komp. aufgrund seiner Konstituenten zukommenden Bedeutung, welche im übrigen mit FREGE als durch die jeweilige sprachliche Benennung bestimmte „Art des Gegebenseins" des Benannten bezeichnet werden kann.l) In manchen Fällen ist allerdings der Sinn einer Bezeichnung dem normalen Sprachteilhaber nicht ohne weiteres verständlich: das betr. Komp. wird — im Unterschied zu einer demotivierten Bildung — zwar entsprechend den Bedeutungen seiner Glieder aufgefaßt, doch ist nicht klar, wie es zu der im Erstglied ausgedrückten Qualifizierung kommt, da diese Qualifizierung der außersprachlichen Realität nicht zu entsprechen scheint. Ein Bsp. hierfür ist Rottanne, das ja in der Sache nicht einen seiner Gesamterscheinung nach roten Baum bezeichnet, sondern einen solchen, dessen Rinde einen rötlichen Schimmer aufweist und ihn dadurch von der Weißtanne (mit gräulich-weißer Rinde) unterscheidet.^) Auch in Hinsicht auf den .Fachmann', dem dieser Zusammenhang klar ist, schiene es jedoch falsch, Rottanne deshalb als elliptische Bildung (für ,rotrindige Tanne' o.a.) ansehen zu wollen; vielmehr ist es so, daß das Merkmal rot der Rinde als typisches Kennzeichen der betr. Baumart genommen und sozusagen generalisierend auf den gesamten Baum übertragen wird, welcher folglich die rote Tanne (im Unterschied zu „nicht-roten", konkret zur weißen) ist. Die Richtigkeit dieser Auffassung kann übrigens im vorliegenden Fall recht direkt erwiesen werden, nämlich durch den sprachgeschichtlichen Verweis darauf, daß die ältere Bezeichnung des betr. Baums eben rote Tanne geheißen hat.3) Für den ,Nicht-Fachmann' hingegen heißt Rottanne ohnedies, wie zuvor beschrieben, ,rote Tanne'; dies wird am (nicht belegten) parallelen Fall Rotbuche deutlich, welche aufgrund des Verständnisses eben als ,rote Buche' normalerweise falschlich für die Bezeichnung des betr. rotblättrigen Baumes (d.i. dtr Blutbuche) gehalten wird. Wie weit mit der Bezeichnung tatsächlich die „Art des Gegebenseins" bestimmt ist, zeigt sich aber bei Rottanne auch darin, daß es sich bei ihr botanisch um eine Fichte handelt (was festzuhalten ebenfalls nicht Aufgabe einer Wortbildungsuntersuchung ist). 1) Vgl. FREGE, S.26; die „Art des Gegebenseins" des Bezeichneten wird von FREGE auch der „Sinn des Zeichens" genannt (ebd.). 2) Vgl. TRÜBNERs „Etymologisches Wörterbuch". 3) Vgl. ebd.

101

§106

Daß Altstadt tatsächlich nicht eine alte Stadt, sondern einen bzw. den alten Teil einer Stadt bezeichnet, ist eine Besonderheit der Verwendung dieser Bezeichnung, die aber wiederum an der „Art des Gegebenseins" nichts ändert, und es kann dies ist die Altstadt (von X) in bestimmten Fällen auch durch dies ist die alte Stadt (von X) ersetzt werden. Im übrigen kann diese Verwendung, die ja bedeutet, daß ein Teil als Ganzes bezeichnet wird, in Verbindung gebracht werden mit der bei den sog. Exozentrika vorliegenden Verwendung, deren Umkehrung sie ist. Daß auch in diesen eine bestimmte Verwendung normal gebildeter Kompp. zu sehen ist, nicht hingegen eine besondere, in ihrer Struktur von den übrigen abweichende Art von Kompp., ist bereits erwähnt worden (-> S.89, Anm. 1), und es sei hier nur darauf hingewiesen, daß unter den in §103 aufgeführten Lemmata die Bildungen Leichtgewicht sowie Schwergewicht, welche nicht zum Standardrepertoire der zur Demonstration von Exozentrika genannten Kompp. gehören, exozentrisch verwendet werden oder jedenfalls verwendet werden können.

§ 107

Das Erstglied der Kompp. Mischehe, -frucht, -getreide ist natürlich als solches kein Adjektiv, und auf den ersten Blick mag erstaunen, daß diese Kompp. nicht zu Bildungen wie Dörrobst usw. (-> II.3.b.j3.aa) gestellt sind. Wie Mischehe besonders deutlich zeigt, wird in diesen Fällen vom Erstglied jedoch nicht eine vollzogene Tätigkeit bezeichnet, sondern es bezeichnet eine Beschaffenheit des vom Grundwort Benannten in der Weise der Zustandspassiva, welche ihrerseits die Grenze zwischen Partizip eines Verbs und Adjektiv bereits überschreiten. 1) Zu den Zusammensetzungen mit Groß- sind in §104 bereits Ausführungen gemacht. Die dort angedeutete Entwicklung zu einer präfixähnlichen, jedenfalls die ursprünglichen semantischen und syntaktischen Merkmale des Adjektivs groß nicht voll bewahrenden Verwendung dieses Erstglieds ist bei einer Bildung wie Großwasserversorgung, welche ja etwa die Wasserversorgung im großen' meint, bereits recht weit fortgeschritten. In diesem Zusammenhang sei auch auf das Lemma Großsiedler und die beiden korrespondierenden Bildungen Kleinsiedler und insbesondere Mittelsiedler hingewiesen: mit dem zuletzt genannten Komp. ist ein ,mittelgroßer Siedler' gemeint, so daß mittel- hier tatsächlich als möglicherweise elliptisches, aber auch prädikativ verwendbares Adjektiv aufzufassen ist, also nicht dem nur attributiv verwendbaren Mitte- = .mittlerer' in Mittelläufer usw. (-> § 109) entspricht. In analoger Weise ist hier im übrigen zach Mittelstrecke als ,mittellange Strecke' aufgefaßt. Ob Blaustich tatsächlich - wie hier geschehen - als .blauer Stich' oder eher als ,Stich ins Blaue' zu interpretieren ist, mag strittig bleiben; ein Satz wie das Bild hat einen blauen Stich scheint nicht gänzlich unakzeptabel, und so ist die hier zugrunde gelegte Interpretation zumindest möglich. Blind- in Blindboden hat die (übertragene) Bedeutung ,nicht sichtbar', wie sie beispielsweise auch in der Bezeichnung Blindstock für das während des Bauens eingesetzte, später durch den Türrahmen verdeckte Türgerüst vorliegt.2) 1) Die angefühlten Kompp. entsprechen also einer wohl älteren Bildungsweise, wie sie beispielsweise in Gemischtwaren vorliegt. 2) Hieraus ergibt sich dann auch die Verwendung von blind im Sinne von .nicht funktionsfähig' wie z.B. in Blindmunition.

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Bezüglich Schnellzug schließlich ist mit FANSELOW^) anzunehmen, daß dies sowohl im Sinne von .schneller Zug', als auch im Sinne von ,Zug, der schnell fährt' interpretierbar ist, was bedeutet, daß mit Zusammensetzungen dieser Art ein fließender Übergang zu denjenigen Kompp. gegeben ist, deren Erstglied ein adverbial verwendetes Adjektiv ist (-> § 109). § 108

Faserholz 3, Holzapfel 2, Kunstdünger 16, Kunstdung, Kunsteis, Kunsthonig 4, Naturstein, Naturtheater 2, Schandfrieden, Zusatzversicherung

Das Erstglied dieser Kompp. erscheint zwar formal als Substantiv, es kann jedoch nur adjektivisch interpretiert werden. In vielen dieser Fälle - auch solchen, die im Untersuchungsmaterial mit nur einer Bildung bzw. überhaupt nicht vertreten sind — liegt reihenhafte Bildung mit jeweils ein und demselben Erstglied vor, und in Verbindung mit der Tatsache, daß hier ein Substantiv nicht substantivisch und zumindest insofern nicht im vollen Wortsinn verwendet ist, ergibt sich hieraus eine Nähe bzw. ein Ubergang zu solchen Bildungen, deren Erstglieder in der Terminologie der Wortbildungsuntersuchungen des Instituts für deutsche Sprache (DW) als „ P r ä f i x o i d e " ^ ) i n der Terminologie FLEISCHERs sogar schlicht als Präfixe zu bezeichnen sind;3) bei FANSELOW erscheinen diese Bildungen unter der Uberschrift „Funktionalapplikationen " (S.99106), doch bezieht er darunter — worauf noch einmal zurückzukommen ist - auch Kompp. ein, deren Erstglied eben nicht „als bloßer Funktor" (S.99), sondern im Sinne adjektivischer Prädikat-Determination zu verstehen ist. In Fällen wie Schandfrieden und eventuell auch Zusatzversicherung kann das Erstglied nicht nur adjektivisch paraphrasiert werden (.schändlicher Friede'), sondern es kann - in der Terminologie der älteren Grammatik - auch als Prädikativum oder Prädikatsnomen in eine Paraphrase des Komp. eingehen (,der Frieden ist eine Schande'/,Frieden, der eine Schande ist'). Betrachtet man hierbei jedoch weniger die grammatischsyntaktische als vielmehr die semantische Funktion, so gelangt man zu einer Beschreibung, welche auch die übrigen hierher gehörenden Kompp. mit erfaßt. Eine solche Beschreibung findet sich bei FLEISCHER, der die betr. Kompp. als „an der Peripherie der Determinativkomposita stehend" bezeichnet (S.96) und sie wie folgt umreißt: 1) S.98, Anm. 3. 2) Die Bezeichnung „Präfixoid" wird erst im dritten, der Adjektiv-Derivation geltenden Teil dieser Untersuchungen definiert: „Mit diesem Terminus werden Wortbildungselemente wie hoch- bezeichnet, die im Unterschied zu den Präfixen (z.B. ur-) ein gleichlautendes Lexem (das Adj. hoch) neben sich haben, ohne daß die Bildungen der Reihe (hochaktuell, hochanständig, hochinteressant) semantisch ganz aus ihm erklärt werden könnten, und die außerdem eine .funktionale' Annäherung, ja Einbeziehung in das System der deutschen Präfixe erkennen lassen, ,die etwa der Grammatikalisierung und Integration der sog. „.Hilfsverben"* ins Flexionsparadigma vergleichbar ist' (Erben, Einführung 25)." (DW 3, S.252, Anm.l.) In der Untersuchung der Substantiv-Derivation (DW 2) findet sich so etwas wie eine implizite Definition (S.137), welche inhaltlich mit der soeben zitierten im wesentlichen übereinstimmt. Allerdings wird dort in der Darstellung (S.l 35-160) der Eindruck erweckt, daß es „Präfixoide" bei den Substantiven ausschließlich als Mittel zur Bildung von Augmentativa gäbe. Eine derartige Beschränkung scheint es sachlich nicht zu geben; -> hierzu III. 1. 3) Vgl. FLEISCHER, S.72f. in Verbindung mit S.63-66, wo FLEISCHER auch die Bezeichnungen „Halbsuffix" bzw. „-präfix" diskutiert. Die Bemerkung, daß es sich hier letztlich „um das Problem von Zentrum und Peripherie sprachlicher Kategorien bzw. Einheiten" handle (S.66), deutet darauf hin, daß FLEISCHER die Anwendung dieser Termini, gegen die er im übrigen auch berechtigte Vorbehalte äußert (ebd.), für überflüssig ansieht. Die hier in Frage kommenden Elemente werden von FLEISCHER - soweit er sie erfaßt - S.199-203 dargestellt und genauer als .Präfixe mit homonymen freien Substantiven" bezeichnet, mithin ebenso definiert wie die „Präfixoide" in den Untersuchungen von DW. - In diesem Zusammenhang sei mit FLEISCHER betont (s. bes. S.95), daß Reihenbildung allein kein Kriterium för den Affix-Charakter von Wortbildungselementen ist.

103

„Die erste Konstituente ist ein Substantiv, hat die Funktion eines attributiv gebrauchten Adjektivs, kann aber gleichzeitig auch — ähnlich dem Kopulativkompositum — als der zweiten Konstituente nebengeordnet aufgefaßt werden." (S.96f.) Kopulativkompp. sind solche, bei denen eine Identitätsbeziehung zwischen dem vom Erstglied und dem vom Zweitglied Bezeichneten besteht; in der vorl. Untersuchung sind sie auch entsprechend benannt (-*• H.2.). Im Unterschied zu FLEISCHER wird hier aber die Ansicht vertreten, daß bei den im Augenblick diskutierten Kompp. lediglich eine gewisse Nähe, eventuell zum Teil ein Übergang zu Bildungen mit einander nebengeordneten Konstituenten vorliegt, von denen sie sich dadurch unterscheiden, daß, wie FLEISCHER selbst richtig formuliert, „das semantische Gewicht [... ] auf der zweiten Konstituente" liegt (S.97). So ist Kunsthonig eben .künstlicher Honig', nicht jedoch eine Sache, die gleichermaßen Honig wie Kunst wäre; wo hingegen tatsächlich eine kopulative Beziehung gegeben ist, also bei den Bildungen wie Mördergeneral, Laienforscher usw., die FLEISCHER anführt (ebd.), da kann auch nicht mehr davon gesprochen werden, daß das Erstglied „die Funktion eines attributiv gebrauchten Adjektivs" habe, und das bedeutet, daß diese Kompp. eben jener anderen Gruppierung zuzurechnen sind.l) Werden Laienforscher usw. von FLEISCHER nach der in der vorl. Untersuchung vertretenen Auffassung zu unrecht in die im Augenblick behandelte Gruppe von Kompp. einbezogen, so schließt umgekehrt FANSELOW Bildungen wie Kunsthonig usw. daraus aus, und zwar ebenfalls ohne wirklich stichhaltigen Grund. Für FANSELOW sind Kompp. dieser Art dadurch gekennzeichnet, „daß das, was unter ihr Denotat fällt, gerade nicht unter das Denotat des Hintergliedes fällt (der Schattenkanzler ist nicht der Kanzler), d.h. das Hinterglied muß auf eine andere Denotatsmenge abgebildet werden." (S. 104.) Diese Abbildung geschieht - so FANSELOW - durch die Erstglieder dieser Kompp., weshalb diese Erstglieder als „Funktoren" zu betrachten und somit Konstituenten wie Lieblings-, Haupt-, Spitzen- usw. gleichzustellen seien (ebd.; vgl. S.99f.). Nun soll auch hier Schattenkanzler selbstverständlich nicht im Sinne von ,schattiger Kanzler' o.ä. interpretiert werden, d.h. für Bildungen dieser Art wird FANSELOWs Interpretation nicht widersprochen. Die gegenteilige Position wird allerdings bezüglich Kunsthonig oder gar — von FANSELOW ebenfalls in dieser Reihe aufgeführt — Falschgeld usw. bezogen, und zwar ohne Streit darüber, ob es sich bei Kunsthonig um Honig, bei Falschgeld um Geld handelt oder - wie FANSELOW meint - nicht: dieser Streit wird für müßig erachtet angesichts der Tatsache, daß sprachlich eben von Honig (nämlich künstlichem), von Geld (allerdings falschem, d.h. gefälschtem) usw. die Rede ist; für den sprachlichen Befund kann allein dies ausschlaggebend sein.2) Und wenn auch 1) Das Problem besteht natürlich nicht darin, ein als solches gegebenes „Kopulativkomp." entsprechend einzuordnen, sondern darin, ein Komp. als „kopulatives" (oder eben nicht-„kopulatives") zu identifizieren. Daher sei darauf hingewiesen, daß FLEISCHER selbst für die Kompp. der zuletzt genannten Art kopulative Interpretation ausdrücklich für „ebenfalls nicht auszuschließen" erklärt (S.97), daß aber andererseits auch er keine Paraphrasen vorstellt, in denen das Erstglied dieser Bildungen als Adjektiv erschiene. 2) An vielen Stellen seiner Untersuchung wird deutlich, daß FANSELOW sich nicht darüber im klaren ist, daß es bei semantischen Beschreibungen weniger um die Ontotogie als vielmehr um die - mit dem Ausdruck FREGEs „Art des Gegebenseins" von Dingen geht. So stellt FANSELOW (S.143-147) langwierige Überlegungen darüber an, ob Bronzelöwen und bronzene Löwen nun Löwen seien oder nicht, bis er endlich feststellt, daß er sich mit

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mit FLEISCHER zu betonen ist, daß zwischen „Präfix" bzw.„Präfixoid" einerseits und noch als völlig selbständig zu interpretierender Komp.-Konstituente eine „breite Übergangszone" besteht,^) sollte doch die Zuordnung zum Bereich der präfixartigen Bildungen nicht allzu großzügig erfolgen.2) Abschließend sei erwähnt, daß Holzapfel sicher allg. gemäß der hier getroffenen Zuordnung - also als .holziger Apfel' - aufgefaßt wird, daß mit dieser Bezeichnung ursprünglich jedoch ein ,im Holz (d.i. im Wald) wachsender Apfel(baum)' gemeint ist. § 109

Aktivzeit, Doppeldruck, Doppelhaus 6, Doppelhochzeit, Doppeljoch 6, Doppelleihe, Doppelschranke, Doppelstrick, Doppelzimmer 2, Eigenbedarf 3, Eilbrief, Eigenkapital, Eigenleistung 2, Eigenlob, Eigenweg, Eilgüterzug, Eilzug 4, Einzelhof, Elektromotor 4, Extremtemperatur, Generalmusterung 4, Gesamtbild 2, Halbschuh 2, Halbjahr 3, Hinterachse, Hinterfuß, Hintergrund 2, Hinterheizung, Hinterkopf, Hintermann, Hintertürlein, Hochadel, Hochbahn, Hocheinfahxt 2, Hochschule, Hochstand, Hochwasser 3, Mittelabschnitt 7, Mittelalter, Mittelfeld, Mittelläufer, Mittelpunkt 2, Mittelschule 2, Mittelstürmer 2, Mittelstufe, Oberamt 9, Oberamtmann, Oberapotheker, Oberarm, Oberarzt 2, Oberbeamter, Oberfeldwebel, Oberförster 5, Oberforstrat, Obergefreiter, Oberholzer 2, Oberinspektor 2, Oberklasse 3, Oberknecht, Oberkommando, Oberland, Oberlehrer 2, Oberleutnant 7, Obersäger, Oberschenkel 3, Oberschütze, Oberschule 2, Oberstadt, Oberstufe, Obertal 2, Oberteil 3, Originalnarr, Privatbesitz 3, Privatdruck, Privathaus 5, Privathaushalt 3, Privatholz, Privatkelter, Privatlehrerin, Privatleute, Privatperson, Privatunterhaltung, Privatvergnügen, Privatwald 7, Privatzimmer, Spezialrad 2, Spezialsprunglauf, Spezialarbeit, Spezialaufgabe, Spezialdrehbank, Spezialgebiet, Spezialhobel, Totalrenovierung, Unterbändlein 2, Unteroffizier 21, Unterschenkel, Unterseite, Unterstufe, Vollbart 2, Vollgas, Vollgatter, Vollmond 2, Vorderansicht, Vorderfront, Vordergrund 3, Vorderwand, Wildschwein, Zentralgebirge, Zentralamt 2, Zentralleitung 2, Zivilangestellter, Zivilbeamter, Zivilbevölkerung, Zivilrusse, Zivilstelle

Unter dem Gesichtspunkt der Wortbildung tritt bei den hier aufgelisteten Kompp. gegenüber jenen des § 107 nichts grundsätzlich Neues auf; der Unterschied besteht lediglich darin, daß die adjektivischen Erstglieder der hier gegannten Kompp. in entsprechenden Praraphrasen nur attributiv, nicht hingegen auch prädikativ verwendet werden können. Hierdurch ergibt sich einerseits eine gewisse Nähe und ein Übergang zu Kompp. mit adverbialem, jedoch gleichwohl adjektivisch fungierendem Erstglied (-»• § 111), andererseits ist auch die Grenze zu denjenigen Kompp., deren adjektivisches Erstglied in Paraphrasen eben auch prädikativ eingesetzt werden kann, ebenfalls keineswegs scharf; Beispiele hierfür wären etwa Hochwasser oder Zentralgebirge, für die jedoch gilt - und das ist es, was ihre Einordnung in die hier behandelte Gruppierung bestimmt —, daß das Erstglied, soll es in Umschreibungen im Prädikatbereich erscheinen, dort wiederum mehr nach adverbialer Verwendung verlangt: Hochwasser ist in solcher Paraphrase weniger ,Wasser, das hoch ist' als vielmehr solches, das ,hoch steht', ein Zentralgebirge ist eines, das .zentral liegt' usw. Den unproblematischen Normalfall dieser Kompp.steilen die reihenhaft vorkommenden Bildungen mit Ober-, Mittel- (im Sinne von ,mittlere(r/s)...'), Unter- usw. dar, wobei dieser Frage an einem Punkt bewegt, „an dem die kompositionelle Semantik tatsächlich schweigen muß und annehmen darf, daß Bronzelöwen tatsächlich Löwen sind" (S.147). Diese Erkenntnis hindert ihn freilich nicht, z.B. bezüglich Zitronenkuchen festzustellen, die eigentliche Schwierigkeit der Beschreibung dieses Komp. bestehe darin „zu wissen, was Zitronenkuchen überhaupt ist" (S.183). Wenig später erklärt er es für problematisch, Silberbergwerk analog zu Nagelfabrik, also etwa als .Bergwerk, das Silber fördert' o.ä., paraphrasieren zu wollen: „Denn aus einem Silberbergwerk kommt i.d.R. auch sehr viel Schutt usw. heraus."(S.201.) auch § 146. 1) Vgl. FLEISCHER, S.65f. und 72f.; S.63f. wird dieser Übergang unter dem Aspekt des in der Zeit ablaufenden sprachlichen Entwicklungsprozesses betrachtet. 2) Die Frage des Präfix- bzw. Präfixoid-Charakters der Erstglieder in Kompp. der diskutierten Art besteht bei FANSELOW lediglich faktisch; er selbst stellt sie nicht und verwendet für diese Konstituenten ausschließlich die Bezeichnung des „Funktors". - In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß es für Kunst- auch eine Verwendung gibt - z.B. in Kunstradfahren -, welche nicht in der hier zugrunde gelegten Weise interpretiert werden kann, sondern den präfixoiden Bildungen zuzuweisen ist; -* hierzu § 179.

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das reihenhafte Vorkommen mit einer gewissen Bedeutungsverblassung verbunden ist, folglich wiederum Übergang zu präfixartigem Charakter dieser Konstituenten bedeutet. Unter- kann allerdings auch adverbial oder präpositional sein, 1) und möglicherweise ist Unterbändlein, dessen vom Sprecher gemeinte Bedeutung nicht festzustellen ist, eher auf diese Weise (und somit analog z.B. zu Unterkleid) zu interpretieren. Dasselbe gilt für die ebenfalls zahlreichen Bildungen mit Hinter-, bei denen die Frage nach adjektivischer oder aber adverbialer bzw. präpositionaler Interpretation bisweilen - z.B. bei Hintermann, auch bei Hinterheizung - schwer entscheidbar ist; in Hinterbewegung hingegen handelt es sich beim Erstglied eindeutig um das Richtungsadverb (hinter = ,nach hinten'), ähnlich ist es bei Hintertür, dessen Erstglied allerdings auch der Präposition hinten entsprechen kann, und diese Kompp. sind daher nicht hier, sondern mit den Bildungen des § 111 aufgeführt. Nähe zu präfixartiger Bildung ist auch bei den Kompp. mit Spezial- gegeben, hier jedoch weniger aus semantischen als aus formalen Gründen, nämlich dadurch, daß die Konstituente in dieser Form eben nur als Erstglied von Zusammensetzungen vorkommt, während die ungebundene Form speziell lautet; an der Tatsache, daß Spezialin seiner Funktion vollständig einem attributiv gebrauchten Adjektiv entspricht, ändert sich hierdurch jedoch nichts. Ähnliches gilt für Elektro-, dessen Nähe zu den Präfixen jedoch eher noch größer scheint, da es semantisch nicht einfach mit elektrisch gleichgesetzt werden kann, sondern im Vergleich zu diesem eine viel größere Bandbreite möglicher Bedeutungen aufweist, welche von ,elektrisch betrieben' (z.B. in Elektromotor) bis zu ,das Elektrische betreffend' o.ä. (beispielsweise in Elektroingenieur) reicht.2) Aktivzeit wird in Wendungen wie in meiner Aktivzeit verwendet und kann hierin ohne kommunikativen Unterschied ersetzt werden durch in meiner aktiven Zeit (nämlich als Soldat); es hegt hier also keinerlei Besonderheit in der Wortbildung, sondern eine Besonderheit in der Bildung und Verwendung des Begriffs aktive Zeit vor. Bei den — wiederum reihenhaft vorkommenden - Kompp. mit Eil- ist wiederum Übergang zu präfixoider Bildung festzustellen, und zwar beim einen Lemma weniger {Eilbrief), beim andern mehr (Eilzug); es kann aber das Erstglied auch (de)substantivisch aufgefaßt und dann als Angabe eines besonderen Merkmals (-*• II.7.b.) interpretiert werden. Zu Wildschwein schließlich ist anzumerken, daß es nicht ein ,Schwein, das wild ist', sondern ein ,Schwein, das wild lebt' meint und aus diesem Grunde hier und nicht zusammen mit denjenigen Kompp., deren Erstglied auch durch ein prädikatives Adjektiv paraphrasiert werden kann (-»• § 107), aufgeführt ist. §110

Friihgrundbir, Frühjahr 96, Frühkirsche, Frühobst, Frühschicht, Frühschoppen 2, Frühpfirsich, Frühzwetschge, Spätherbst, Spätjahr 7, Spätpfirsich, Spätzwetschge

Die Besonderheit dieser Kompp. besteht darin, daß ihr Erstglied sozusagen nur sekun1) Für Ober- tritt in solchem Fall in der Regel Über- ein, so daß entsprechende Mehrdeutigkeiten hierbei nicht auftreten. 2) Vgl. hierzu FLEISCHER, S.106. - Der Konstituenten Elektro- bzw. dem daraus isolierbaren Stamm-Morphem /elektr/ wird ein möglicher Präfix-Charakter von FLEISCHER sehr eindeutig abgesprochen. Dem wird hier also im wesentlichen aus semantischen Gründen nicht ganz beigepflichtet. Das von FLEISCHER vorgebrachte morphologische Argument, fremdsprachige Elemente dieser Art seien „schon deshalb nicht als Affixe zu bezeichnen, weil sie in Verbindung mit Affixen freie Konstruktionen [z.B. elektristfi] bilden" (ebd.), ist nicht besonders schlagkräftig, da natürlich auch hier - wie es FLEISCHER an anderen Stellen tut - ein Präfix mit homonymem

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däres Adjektiv-Attribut des dadurch determinierten Grundworts ist, während es ursprünglich — gemeint ist: in entsprechenden Praphrasen — nur adverbial fungieren kann. So kann Frühjahr zwar durch ,das frühe Jahr' paraphrasiert werden, doch ist dies selbst als sekundäre, aus ,früh im Jahr' gewissermaßen abgeleitete Bildung zu verstehen. Entsprechendes gilt für die übrigen Jahreszeiten-Kompp. Ähnlich ist es bei Spätzwetschge und allen weiteren Bildungen dieser Art: die Bezeichnung ,späte Zwetschge' ist wohl möglich und sogar weithin üblich - allerdings nur in einem mehr oder weniger fachsprachlichen Gebrauch, welcher als sekundäre und elliptische Bildung aus ,spät reifende Zwetschge' o.ä. zu interpretieren ist. In diesen Kompp. setzt sich also verstärkt fort, was für die noch bei den Bildungen des vorigen Paragraphen belassenen Zusammensetzungen mit Hoch- zu beobachten ist. §111

Aufwärtsbewegung, Außenarbeit, Außendorf, Außenraum, Draufholz 3, Heimmarsch, Heimweg 6, Heimweh 7, Heraufweg, Hinterbewegung, Innenausbau 2, Innenkante 2,"Innenstadt, Innensturm, Linkskurve 2, Linkswendung, Mehrarbeit, Mehrkampf 2, Mehrzahl, Querding, Querstadel, Rausmarsch, Rechtskurve 2, Rückmarsch, Rückschlag 2, Rücksicht 3, Rückstand, Rückweg, Rückzug 11, Wiedelgründung, Zickzackweg, Zweraxt (Zimmermannswerkzeug) 3, Zwerchholz (quer liegendes Holz) 2

Auf den ersten Blick mag es überraschen, diese Kompp. hier aufzulisten, denn ihre Erstglieder sind eindeutig Adverbien, welche adjektivische bzw. attributive Verwendung nicht zulassen. Dies hat jedoch im einzelnen Fall zufallige Gründe, so etwa, wenn zwar - das im Untersuchungsmaterial nicht belegte — Jetztzeit als Jetzige Zeit' paraphrasierbar ist, eben weil das Adverb jetzt im gegenwärtigen Sprachzustand eine attributive Verwendung als „Adverbialadjektiv" zuläßt, während eine entsprechende Paraphrase z.B. bei Heraufweg nicht möglich ist, da herauf {noch?) nicht attributiv verwendet werden kann. In anderen Fällen wie beispielsweise Linkswendung scheidet eine derartige Paraphrase auch deshalb aus, weil das Erstglied darin in eine Präpositionalphrase — ,nach links' — umzuwandeln wäre; immerhin könnte hier aber auch mit /nach) links gerichtete Wendung' o.ä. umschrieben und somit eine Nähe zu den im vorigen Paragraphen aufgeführten Bildungen hergestellt werden. Die stärkste Unterstützung für die hier vertretene Auffassung, Erstglieder dieser Art in ihrer Funktion als adjektivisch zu betrachten, ergibt sich gewissermaßen ex negativo, nämlich daraus, daß in den Fällen, wo zu Adverbien semantisch entsprechende Adjektive vorliegen — z.B. hinten — hinter, unten — unter usw. —, Zusammensetzungen eben nicht mit den Adverbien, sondern mit den Adjektiven gebildet werden. 1) Als weiterer Negativbeleg ist schließlich anzuführen, daß die große Mehrzahl der Adverbien - d.h. von Partikeln, die eben nicht als Attribut beim Substantiv stehen können — nicht als Erstglied eines substantivischen Komp. fungieren kann.2) „freien* Element bzw. in diesem Fall Morphem angenommen werden könnte (vgl. FLEISCHER, S.199-207; auch S.103, Anm.3). 1) Die nämliche Beobachtung macht FLEISCHER, S.89. - Die oben gemachte Aussage gilt allerdings nur bei genuinen Adjektiven, nicht hingegen bei solchen, die ihrerseits aus dem betr. Adverb abgeleitet sind (am konkreten Bsp.: Jetztzeit wird mit dem Adverb, nicht mit dem daraus abgeleiteten Adjektiv gebildet). 2) Ausgenommen sind selbstverständlich Ad-hoc-Bildungen, für die es letztlich - außer ihrer Kontext- bzw. Situationsgebundenheit - keinerlei Beschränkung gibt. Ansonsten treten Adverbien in Zusammenbildungen als Erstglieder auf.

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II. PRAGMA VERSTÄNDLICHE KOMPOSITA

§112

Neben den bisher behandelten aus sich heraus verständlichen, weil innersprachlich vollständig codierten Kompp. (-»• § 14) gibt es als zweite Großgruppe diejenigen Zusammensetzungen, welche die zwischen ihren beiden Konstituenten bestehende Beziehung nicht selbst ausdrücken, so daß ihr Verständnis erst möglich ist aufgrund des außersprachlichen, „sachgesteuerten" Wissens des Sprechers, aufgrund seiner „Kenntnis der Welt" oder wie immer man diese Voraussetzungen nennen mag, deren Erfordernis in der Bezeichnung dieser Kompp. als pragmaverständliche angedeutet sein soll. Die grundsätzlichen Überlegungen hierzu sind in den §§7-13 dargestellt, und es ist dort der Gedanke der Pragmaverständlichkeit von Kompp. auch in Beziehung gesetzt zu FANSELOWs im Ansatz ähnlicher Zweiteilung des Bereichs der Substantiv-Kompp. im Zusammenhang mit seiner Erklärung des Verständnisses von Kompp. über sogenannte „Stereotype", welche sich tatsächlich ebenfalls auf Handlungsvollzüge, in welche die betr. Dinge üblicherweise einbezogen werden, beziehen. Wiederholt sei, daß die „Sachsteuerung" bei den pragmaverständlichen Kompp. nicht ergänzend oder filternd, sondern selbst verständnisstiftend eingreift, indem sie die , Lücke', die durch Nicht-Codierung der zwischen den Komp .-Konstituenten bestehenden Beziehung entsteht, ausfüllt. „In Komposita [...] können Relationen nur deshalb ,verschwiegen' werden, weil der Sprecher voraussetzen darf, daß der Hörer die Relation zwischen A und B bereits kennt", führt FANSELOW (S.140) in etwas anderem Zusammenhang aus, und dem ist hier hinzuzufügen, daß die Bekanntheit der Relation zwischen den Konstituenten eben aufgrund des pragmatisch-praktischen Wissens des Hörers und aufgrund seines praktischen Umgangs mit den bezeichneten Dingen vorausgesetzt werden kann. Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß die grundsätzliche Verschiedenheit von selbstverständlichen und pragmaverständlichen Kompp. nicht bedeutet, daß die Grenze zwischen ihnen scharf und jede einzelne Bildung völlig eindeutig dem einen oder anderen Bereich zuzuweisen wäre; vielmehr gibt es auch hier wiederum einen fließenden Übergang, und ein solcher Ubergangsbereich ist mit dem Schweinehaus usw. auf dereinen, Gesellenhaus usw. auf der anderen Seite in § 35 auch bereits aufgezeigt und von der einen Seite her beschrieben worden. Die Beschreibung von der anderen Seite her schließt sich hier nun an. 1) Hinzuzufügen ist allerdings auch, daß diese Ergänzungsmöglichkeit und Ergänzungsbedürftigkeit durch außersprachlich-faktisches Wissen im Gegensatz zu FANSELOWs Überzeugung auch bestimmten syntaktischen Konstruktionen zukommt, also nicht exklusives Merkmal von Kompp. ist. FANSELOWs Behauptung, „daß Konstruktionen der Art A von B weitaus mehr Interpretationsmöglichkeiten als Komposita zulassen," (S.166.) ist unzutreffend. Den Beweis hierfür liefert FANSELOW selbst, und zwar gerade mit dem von ihm (S.166f.) angeführten Interpretations- bzw. Verwendungsmöglichkeiten für Haus von NN, mit welchem er die Richtigkeit seiner Behauptung belegen will: die Probe Haus von NN durch NN-Haus zu ersetzen, fuhrt FANSELOW erstaunlicherweise nicht durch; sie geht in jeder der von ihm mitgeteilten sechs Möglichkeiten positiv aus.

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1. Utitiv-Relation

§113

Die Beziehungen, die dieser und den weiterhin folgenden Gruppen jeweils den Namen geben, sind Beziehungen, welche zwischen den von den Konstituenten der Kompp. bezeichneten Dingen, also außersprachlich existieren; dies unterscheidet sie nicht unwesentlich von den Objekt- und Subjekt-Relationen, die bei den „selbstverständlichen" Kompp. eine Rolle spielen, und dieser Unterschied sollte auch nicht durch Beschreibung dieser Beziehungen mittels einander gleichgestellter „Tiefenkasus" verwischt werden. Die Bezeichnung der bei den Zusammensetzungen der ersten Gruppe pragmaverständlicher Kompp. zugrunde liegenden Beziehung ist zu lat. uti gebrauchen, benutzen, anwenden' gebildet und soll aussagen, daß hier — vom Zweitglied bezeichnete — Dinge dadurch spezifiziert benannt werden, daß —im determinierenden Erstglied — ein Bestimmungsstück ihres spezifischen Verwendungszusammenhangs angegeben wird. Für den normalen Gebrauchs- und Verwendungszusammenhang eines Gegenstandes — bei dem es sich z.B. auch um eine Institution wie etwa eine Schule handeln kann - können sehr verschiedene Dinge bestimmend bzw. durch die jeweilige Benennung als bestimmend bewertet sein, und es kann auch ein und dieselbe (also durch das gleiche Grundwort bezeichnete) Art von Gegenstand nach verschiedenen Momenten dieses Verwendungszusammenhangs verschieden benannt werden, so beispielsweise der Gegenstand Haus nach seinen Bewohnern/Benutzern (z.B. Gesellenhaus; -*• hierzu § 114) oder nach der Zeit seiner Benutzung (z.B. Wochenendhaus-, -*• § 120) usw.l) Die Kompp. dieser Gruppe werden im folgenden nach der Art dieses dem Verwendungszusammenhang entstammenden Bestimmungsstücks in verschiedene Untergruppen aufgeteilt.

a) Erstglied bezeichnet SubjektI Objekt der Verwendung §114

Anfängerkurs, Anfängerstufe, Angestelltenrente, Armband 2, Armenhaus, Aschentuch 2, Autostraße 3, Bauernschule, Baumschule, Bemfstätigenheim, Betttuch, Bettwäsche, Bierpfanne, Bubenbad, Bubenschule, Couchdecke, Dachziegel, Damenmode, Damenstift, Eisenbahnbrücke, Eisenbahntunnel, Fahnenstange, Fassadenstein, Flößerhaken 3, Frauenarbeitsschule 2, Fiauenhemd, Fremdenzimmer 4, Führerhaus, Fußlappen, Garbenseil 4, Garbenstricklein, Geißkläpperlein (Glocke), Geschirrtuch, Gesellenhaus, Gesellenlohn, Gewerbebank, Gipsersand, Haarnadel, Halskette, Halstuch 4, Handgriff 2, Handschellen, Handschuh, Handtuch, Hauerlohn, Haushaltspaß 2, Herrenfilzhut, Herrenstrohhut, Herrenstube 2, Herrenrad, Herrenzimmer, Heuloch 2, Heuseil, Hopfendraht, Hopfenmatte, Hopfenstange 2, Hühnerfutter, HUhnerstieglein, Hufeisen 2, Hufnagel 2, Jugendhaus, Jugendheim 4, Käsetuch 2, Katzensteig, Kernnährstoff, Kindergärtnerinnenseminar, Kinderkirche 2, Kinderkrippe, Kinderpistölelein, Kinderschule 3, Kinderspielsachen, Kinderzimmer, Klassenzimmer 2, Kolonnenweg, Kompanieführerunterstand, Kopfkissen 2, Kopftuch, Krankengeld 2, Krankenhaus 13, Kuhglocke, Kundenware, Landfrauenschule, Laubtuch, Lehrerinnenseminar, Lehrerzimmer, Lehrlingsheim, Leibriemen, Mädlesbad, Massengrab, Massenquartier, Misthaken 3, Müttererholungsheim, Pferdebahn 2, Pferdezeine (Pferdekorb), Pfanzenschule 2, Puppenstube, Saatschule, Sägerlohn, Sanitätsunterstand, Saukübel 2, Schafweide, Schülerwohnheim, Schulerweg2, Schweinekübel, Seilhaken5, Seilscheide, Seilstock 3, Siedlerheim, Silscheitlein, Stiefelschmotz, Stirnband, Tischtuch, Töchterschule, Uhrenfeder, Uhrenkette, Verkehrsflugzeug, Viehweide 2, Volkshochschule 5, Volksschule 17, Wachlokal, Wäschseil, Wäscheständer 4, Waldbauerschule, Wasserschlange, Weiberkleidlein, Wildfeld, Wildsaat (Ansaat für Wild), Wurstkessel

1) Daneben gibt es selbstverständlich noch die nicht auf den Verwendungszusammenhang sich beziehenden Determinationen.

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Das beliebig herausgegriffene Bsp. Bubenschule kann zunächst noch einmal demonstrieren, daß die einzige syntaktische Bildungsregel dieser Kompp. die Verbindung Substantiv + Substantiv ist. Über deren Beziehung zueinander ist mit dieser Verbindung nichts ausgesagt, und so kann Bubenschule als solches sehr verschiedene Bedeutungen haben: ,von Buben besuchte Schule', ,von Buben erbaute Schule ',,von Buben entdeckte Schule', ,von Buben geleitete Schule', ,von Buben geputzte Schule' usw. Die Zahl der theoretischen Möglichkeiten ist nahezu unbegrenzt, und auch nach der durch „Sachsteuerung" erfolgenden Ausscheidung der nicht realitätskonformen Interpretationen bleiben genügend Möglichkeiten übrig, die tatsächlich denkbar und auch tatsächlich verwendbar sind.'' Normalerweise allerdings wird Bubenschule im Sinn von ,von Buben besuchte Schule' verwendet und verstanden, und dieses Verständnis stellt sich auch bei isolierter Betrachtung dieses Wortes ein. Daß dies so ist, hängt nach der hier vertretenen Ansicht damit zusammen, daß ein Sprecher/Hörer weiß, was eine Schule ist und tut; es ist also nicht darauf zurückzuführen, daß diese Bedeutung entsprechend derjenigen eines nicht zusammengesetzten Wortes vom Sprecher/Hörer als solches gelernt ist, und dies wiederum impliziert die weitere Behauptung, daß dieses Komp. auch von einem Hörer, dem es als Komp. bis dahin völlig unbekannt ist, bei kontextfreier Darbietung in eben dieser Weise verstanden werden würde.2) Beim hier gewählten Bsp.-Wort liegt nun auch nahe, diese Beobachtung dadurch zu erklären, daß man die Bildung im Sinne der in §§ 33-35 behandelten „selbstverständlichen" Kompp. auffaßt. Darauf, daß hier ein Ubergangsbereich besteht, ist bereits ebenso hingewiesen worden wie auf den eben doch bestehenden Unterschied, welcher auch in allen angeführten Umschreibungen für Bubenschule zum Ausdruck kommt, die Tatsache nämlich, daß in den hier behandelten Kompp. das Erstglied hinsichtlich des vom Zweitglied Bezeichneten nicht nur als Objekt, sondern auch, wenn nicht sogar eher, als Subjekt erscheinen kann (-*• §35). Doch auch bei Objekt-Interpretation besteht ein Unterschied zu den in § 33 aufgeführten Zusammensetzungen, und zwar nicht so sehr darin, daß ein aufgrund inhärenter Merkmale von -schule einzusetzendes Prädikat hier nun nicht mehr von der einfachen Art wie enthalten o.ä. sein kann, sondern vor allem darin, daß ein etwa einzusetzendes unterrichten noch nicht zu einer korrekten Paraphrase führt: Buben werden nicht nur in Buben-, sondern auch in Gemeinschaftsschulen unterrichtet, und so müßte die Paraphrase schon .Schule, die nur Buben unterrichtet' o.ä. lauten. Der eigentliche Sinn dieser Umschreibung aber, in welcher unterrichten merkwürdig überflüssig erscheint, wird durch eine Paraphrase wie ,für Buben bestimmte Schule' viel besser getroffen. Paraphrasen dieser Art sind praktisch bei allen Kompp. dieser Untergruppierung möglich, auch bei solchen — z.B. Kopfkissen - , die weder eine Subjekt-Interpretation des 1) Wie mehrfach betont, wild in der vorl. Untersuchung jeweils die tatsächliche Verwendung eines Komp. beschrieben. Wäre Bubenschule also in der zugrunde liegenden Tonbandaufnahme z.B. zur Bezeichnung einer Schule, deren Reinigung nicht von Putzfrauen, sondern von Buben durchgeführt wird, verwendet, so wäre der Beleg an anderer Stelle - in diesem Fall in II. 7. - eingeordnet. 2) Zumindest für bereits Übliche bzw. im Lexikon vorhandene Kompp. läßt sich dies nur schwer empirisch überprüfen. Gewisse Testmöglichkeiten könnten sich im fremdsprachlichen Bereich ergeben, möglicherweise bereits durch einen entsprechenden systematischen Vergleich von Wörterbüchern.

111

Erstglieds zulassen, noch auch eine Objekt-Interpretation in der Weise der „selbstverständlichen" Bildungen des §33. In diesem Zusammenhang soll daraufhingewiesen werden, daß überhaupt „Subjekt" und „Objekt", wie sie zur Bezeichnung dieser Untergruppierung verwendet sind, nicht mit den ebenso bezeichneten syntaktischen Funktionen bei den „selbstverständlichen" Kompp. verwechselt werden dürfen: bei allen „pragmaverständlichen" Kompp. geht es nicht um syntaktisch-sprachliche, sondern um pragmatisch-faktische Beziehungen; und das gilt eben auch für Subjekte und Objekte, die hier solche von Handlungen und nicht solche von Sätzen sind. Im übrigen — und auch das ist in der Bezeichnung dieser Untergruppierung angedeutet - kann es sich bei den hier zugrunde liegenden Beziehungen um solche handeln, bei denen das vom Erstglied Bezeichnete entweder Subjekt oder Objekt ist, vor allem aber auch um solche, bei denen es beides sein kann. Dem zuletzt Gesagten entspricht, daß das Erstglied dieser Kompp. denjenigen oder dasjenige bezeichnet, für den oder für das das vom Zweitglied Benannte „bestimmt" ist, und es läßt sich sagen, daß die hier behandelte Gruppierung ziemlich genau derjenigen entspricht, die KÜRSCHNER durch den Tiefenkasus „BEN (Benefaktiv)" charakterisiert (S.183f.). Dabei ist dieser Tiefenkasus — zunächst auf Sätze bezogen - wie folgt definiert:„BEN gibt diejenige belebte Entität an, in deren Interesse, zu deren Gunsten die durch das Verb ausgedrückte Handlung usw. geschieht." (S. 117f.); für Kompp. wird als Verb bzw. als entsprechende Pro-Form auch von KÜRSCHNER „bestimmt für" eingesetzt (S.183). Die Beschränkung auf „belebte Entitäten", für welche etwas bestimmt sein kann, wird von KÜRSCHNER zwar mehrfach ausdrücklich ausgesprochen, aber nirgends begründet; sie erscheint von der Sache her ungerechtfertigt und im Ergebnis wenig sinnvoll und ist hier daher aufgegeben: wenn es sinnvoll ist, z.B. Lehrerzimmer^ als ,für Lehrer bestimmtes Zimmer' o.ä. zu beschreiben, dann ist eine entsprechende Beschreibung für Fahnenstange, Garbenseil usw. nicht weniger sinnvoll — die besondere Art und Weise, in welcher das vom Zweitglied Bezeichnete für das vom Erstglied Bezeichnete „bestimmt" ist oder andersherum ausgedrückt die Art und Weise der ,Nutzung' des (in diesem Falle) Zweitglied-Objekts durch das Erstglied-Subjekt ergibt sich in jedem Fall erst aus den beiden Bestandteilen. Abschließend sei noch einmal betont, daß es — was für den Bereich der „pragmaverständlichen" Kompp. insgesamt in besonderem Maße gilt — auch bei dieser Gruppierung fließende Übergänge zu anderen Auffassungsmöglichkeiten der einzelnen Bildungen gibt. Ein solcher Ubergangsbereich ist bereits mehrfach angesprochen worden, und es soll hier daneben nur noch ein weiterer, wesentlicher genannt werden, nämlich der zu solchen Kompp., die mit einem genetisch aufzufassenden Erstglied den in weiterem Sinn zu verstehenden ,Eigentümer' des vom Zweitglied Bezeichneten angeben. Die Nähe bzw. der Übergang zu diesen unter II.3.a. behandelten Bildungen ergibt sich daraus, daß die Beziehungen des Für-Jemanden-Bestimmt-Seins einerseits und des Jemandem-Zugehörig-Seins andererseits eng miteinander verwandt und in vielen Fällen praktisch nicht auseinanderzuhalten sind.

1) Dieser Beleg auch bei KÜRSCHNER (S.183).

112

b) Erstglied bezeichnet Tätigkeit §115

Analysenzentiale, Ackerbaufeld, Arbeitsdienst 14, Arbeitskleid, Backhaus 3, Backküche 2, Backofen 19, Backstube 2, Badeanzug, Badehose 2, Badesee, Badewanne, Ballettschuh, Bauholz 9, Bauplatz 3, Baustange, Beobachtungsdienst, Betbuch, Bietpfahl (Pfahl zum Anbinden der Pferde), Braugerste 4, Brechhütte, Brennraum, Dienstzimmei, Drehbank, Dreschhalle, Drillberg, Einkaufstasche, Exerzierplatz 2, Fällhaken, Fällschrot 3, Fällseil 2, Fällstange, Fahrbahn, Feierhalle 2, Feuerstellung, Festplatz, Flugplatz 5, Füllstange, Furnierbock, Fumierpresse, Fußballplatz 2, Gärkeller, Gampbrunnen, Gerbrinde 3, Gumpbrunnen, Haltestation, Handwerksgeschirr, Heizkeller, Heuetgewand, Heuetkittel 2, Hobelbank,Kegelbahn2,Kochhafen2,Kochkessel, Ladefläche, Lagerfaß 3,Lagerhaus 2, Lagerkeller 2, Lagerplatz 3, Laufgraben, Liegestuhl, Löteisen 3, Lötkohle, Luftschutzkeller 6, Luftschutzspritzlein, Melkkübel, Melkstuhl 2, Musikpavillon, Operationszange, Prägepresse, Probenlokal, Reisekoffer, Reißverschluß, Reitgaul 2, Reithaus, Rennmaschine, Rodelbahn, Rollbahn 3, Rüstloch, Säsack 2, Schauspielhaus, Scheuerding, Schießbude 2, Schießplatz 5, Schlachthaus 4, Schlafraum, Schlafsaal 2, Schlafzimmer 3, Schleifgestell 3, Schneidstuhl, Schnittstuhl, Schreibstube, Schreibtisch 7, Schreibwaren, Schwimmbad 6, Seihtuch, Sitzbrett, Sitzungssaal 2, Skihang, Skiwiese 2, Speisesaal, Spielfeld 2, Spinnstube, Sportplatz 5, Stickrahmen, Streitaxt, Tanzmusik 5, Tennisplatz, Trainingshose, Trinkglas, Turnhalle 6, Turnierbock, Versammlungslokal, Versteigerungshalle 4, Wachdienst 2, Wachtturm, Wallfahrtskirche, Wallfahrtsort 4, Waschkommode 4, Waschküche 3, Waschzuber, Wintersportort, Wirtschaftsweg, Wohngebäude, Wohnhaus 7, Wohnraum, Wohnwagen, Wohnzimmer 2, Zauberbuch 2, Zeltplatz 2, Zuchtkalbel, Zuchtkuh, Zuchtmaterial, Zuchtstute

Die mit dem jeweiligen Grundwort der Kompp. dieser Gruppierung bezeichneten gegenstände', bei denen es sich auch um Lebewesen handeln kann, sind spezifiziert durch die charakteristischerweise an, in oder mit ihnen bzw. durch sie vollzogene Tätigkeit, welche im Erstglied benannt ist. Hierbei gilt wiederum, daß die Tatsache der Bezeichnung einer Tätigkeit nicht unbedingt zur Folge haben muß, daß das Erstglied als Verbalstamm erscheint; dies gilt hier sogar in besonderem Maße, da anstelle einer konkreten Tätigkeit auch ein übergreifender Handlungszusammenhang, innerhalb dessen das vom Zweitglied Bezeichnete Verwendung findet, stehen kann; ein Bsp. hierfür ist etwa Luftschutzspritzlein.^ Das Zweitglied kann nicht das Subjekt oder Objekt der im Erstglied benannten Tätigkeit bezeichnen, da es sich sonst bei der betr. Bildung um ein „selbstverständliches" Komp. entweder der Gruppierung I.3.a. oder I.3.b. handeln w ü r d e . I m übrigen sei noch einmal darauf hingewiesen, daß in Kompp. dieser Art die Zweitglieder zwar ,Dinge' bezeichnen, die Ort oder Instrument der Erstglied-Tätigkeit sind, daß dies jedoch nichts mit einer entsprechenden den betr. Bildungen zugrunde liegenden sprachlichen Beziehung zu tun hat: in z.B. Schreibtisch wird Tisch (was ein Ort sein mag) durch die Angabe der typischerweise an ihm ausgeübten Tätigkeit determiniert und spezifiziert und nicht umgekehrt die Tätigkeit Schreib (en)- durch die Angabe eines sie bestimmenden Ortes. Daß dies so ist, ist bereits mit der formalen Struktur eines Komp., dessen Determinatum eben das Zweitglied ist, vorgegeben, und wenn KÜRSCHNER (S.163f.) für Schreibtisch usw. eine tiefenstrukturelle Lokal-Relation ansetzt, so trägt er mit dieser „aus seinem Ansatz sich ergebenden" Beschreibung letztlich wenig zur 1) Zwischen den Kompp. der hier behandelten Gruppierung und solchen, die durch die im Erstglied stehende Angabe eines Verwendungszwecks gekennzeichnet sind (-> §117), besteht generell ein fließender Übergang. Die Zuordnung zur einen oder anderen Gruppierung wird daher oft subjektiv-zufallig sein, und sie kann nicht in jedem einzelnen Fall ausdrücklich begründet werden; bei Luftschutzspritzlein wurde die Entscheidung deshalb in der hier getroffenen Weise gefällt, weil dieses Komp. eine beim Luftschutz verwendete Spritze bezeichnet, deren Verwendungszweck jedoch die Feuerbekämpfung (nicht also der Luftschutz) ist. - Im übrigen ließe sich Luftschutz in diesem Komp. auch im Sinne der Institution auffassen, innerhalb der Bildung mithin als Benennung des .Eigentümers' des Spritzleins (mit der Folge einer Einordnung in II. 3.). 2) Aus dem Ausgeschlossensein der Subjekt-Bezeichnung resultiert, daß Kompp. dieser Gruppierung zwar Lebewesen, in aller Regel aber wohl nicht Personen bezeichnen können.

113

semantischen Analyse dieser Kompp. als Kompp. bei, zugleich relativiert er damit die Aussagekraft seines Tiefenkasus „LOC" auch in allen den Fällen, in denen dieser tatsächlich für eine Lokal-Beziehung steht, welche innerhalb des Komp. von Bedeutung ist.D c) Erstglied bezeichnet betreibendes §116

Instrument

Bahnfahrt, Benzinmotor 8, Bombenangriff 2, Briefverbindung, Dampfbackofen 3, Dampflokomobü, Dampfmaschine, Dampfofen 4, Erdölampel, Erdölbeleuchtung, Erdölfunzel 3, Erdöllampe 2, Erdöllicht, Fußball 24, Fußbremse, Fußtritt, Gäulfuhrwerk, Gasangriff 3, Gasofen 3, Gasvergiftung 2, Gesenkschmiede 2, Hammerschlag, Hammerschmiede 2, Handarbeit 9, Handball 7, Handbeil, Handbetrieb, Handbremse, Handbuchbinderei, Handdreschmaschine, Handgranate 3, Handkairen, Handkreissäge, Handmaschine, Handorgel 3, Handpresse, Handsäge 4, Handsatz, Handspritze, Handwägelein, Handweberei, Handwerk 27, Holzofen 8, Kegelspiel, Kniehebel, Kohlebiigeleisen 2, Kohlenofen, Kohleofen 3, Kuhfuhrwerk, Kurbelinduktor, Liegekur, Luftkur, Mundharfe, ölfeuerung, ölofen, Omnibusfahrt, Onuiibusverbindung, Pechfackel,'Petroleumlicht, Pferdebetrieb, Pferdefuhrwerk 2, Pulvergewehr, Pulverpistole, Radball S, Radsport, Radtour, Radwanderung, Roßfuhrwerk, Skiwanderung 2, Telephonanruf, Waffengewalt, Wasserrad 3, Wassertaufe 3, Windmühle, Windrad, Zahlenmarkierung

Die Bezeichnung „Instrument" für das vom Erstglied Benannte ist in einem weiteren Sinn zu verstehen, aber auch dann bereits bei Bildungen wie beispielsweise Fußbalfi) nicht recht treffend; bezogen auf Pechfackel oder Pferdefuhrwerk und viele weitere Kompp. dieser Gruppierung wäre diese Bezeichnung, bliebe sie für sich allein so stehen, mehr oder weniger fehl am Platze. Daher ist hier versucht, mit der Erweiterung zu „betreibendes Instrument" den gemeinten und in der Sache zugrunde liegenden Tatbestand etwas genauer zu umreißen. In vielen Fällen kann eine ähnliche Paraphrase wie zu Pferdefuhrwerk , durch Pferde betriebenes Fuhrwerk' gebildet werden, und wenn auch Pechfackel in diese Gruppierung eingeordnet ist, so deshalb, weil Pech- nicht als Angabe des Materials, aus welchem die betr. Fackel besteht, sondern als Angabe des für den Gebrauch im vorgesehenen Verwendungszusammenhang erforderlichen .Betriebsmittels' aufgefaßt ist. Dies ist im übrigen auch die Interpretation für Holzofen usw. Es bleiben schließlich Kompp. wie Gasangriff, Skiwanderung oder auch Pferdebetrieb, also solche, bei denen das Grundwort ein Nomen actionis ist. Die damit bezeichnete Tätigkeit wird in diesen Bildungen durch die Angabe des zu ihrer Durchführung wesentlich verwendeten Mittels (welches jedoch — wie übrigens bei allen Kompp. dieser Gruppierung — nicht als Subjekt fungieren kann) determiniert. d) Erstglied bezeichnet § 1 17

Ziel/Zweck

Abwehrschlacht, Auffanglager, Auffangstelle, Aufnahmeprüfung, Ausflugsdampfer, Ausscheidungsspringen 3, Bahnschutzwache, Beerdigungszug, Belustigungsstück, Besichtigungsfahrt, Betglocke 2, Betriebsmittel, Deckreisig 2, Dingsverein, Dungmittel 2, Empfangsfeier, Entlaßfeier, Entlassungslager, Erholungsurlaub, Eröffnungsfeier 2, Fahrspitze, Filmstab, Fußballclub 2, Fußballverein, Gartenbauverein, Gebrauchsgegenstand, Gesangverein 60,

1) -+ hierzu § 12, ferner S.88, Anm.l. 2) Hierbei handelt es sich übrigens um eine Lehnübersetzung aus dem Englischen. - Die Möglichkeit bzw. Existenz von Lehnübersetzungen bei Kompp. dieser Art kann im übrigen auf die Tatsache pragmageleiteten Verständnisses hinweisen; hierzu S. 111, Anm. 2.

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Grote inkaufsverem, Gründungsfeier, Haimonikaclub, Heiratsurlaub, Herdbuchgesellschaft, Heueturlaub 3, Hockeyclub, Höhrrohr 2, Kegelclub, Kleintierzuchtverein, Konditionstraining, Krankenverein 2, Kriechgang (Getriebe), Lehrarbeit, Lerngang, Leseverein 2, Milchverwertungsgenossenschaft, Musikverein S, Radballmaschine, Radfahrverein 2, Radsportbund, Räuberfahrt 2, Raubzug, Richtscheit 3, Saaturlaub 3, Sammellager 2, Schachclub, Schlachtfaire, Schlußfeier, Schulübung, Schutzgeld, Sickerschacht, Sportbund, Sportverein 13, Theatergesellschaft 2, Theatervereinigung, Trachtenverein, Turnverein 14, Übergangsweg, Übungssatz, Unfallverhütungsvorschrift 2, Unterlagholz, Untersuchungslager, Verkaufsgenossenschaft 2, Vesperpause, Waldgenossenschaft, Wanderverein, Wechselgeld, Wehrertüchtigungslager, Zierreis 2, Zierreisig 2, Zierstrauch, Zuchtverband, Zuckerrübenverband

Die Bildungen dieser Gruppierung lassen sich nach der Art und Weise der im Erstglied angegebenen Zweck- oder Zielsetzung des vom Grundwort Bezeichneten noch einmal untergliedern. Im einen Fall handelt es sich um die Angabe einer autonomen, im anderen Fall um diejenige einer heteronomen, dem bezeichneten .Gegenstand' erst durch seinen Benutzer zugewiesenen Zweckbestimmung. Ein Bsp. für den ersten Fall ist etwa Radsportbund, und es handelt sich bei allen entsprechenden Bildungen um die Bezeichnung von Einrichtungen, die als solche einen bestimmten, eben im Erstglied umrissenen Zweck verfolgen. Dieser Zweck ist von der betr. Einrichtung selbst gesetzt, welche unabhängig von ihm gar nicht existiert, sondern ihm gegenüber das logisch und in aller Regel auch faktisch Spätere ist. Im Unterschied hierzu kann bei allen anderen Bildungen dieser Gruppierung, für welche als Bsp. Heiratsurlaub angeführt sei, wiederum auch im engeren Sinn von einem Verwendungszusammenhang gesprochen werden, in welchem die jeweiligen , Dinge' zur Erreichung des im Erstglied genannten Zwecks von jemand außer ihnen Stehendem eingebunden sind. Dabei sind selbstverständlich nicht nur solche ,Dinge', die selbst in einem bestimmten Handlungsvollzug bestehen, einer derartigen Zweckbestimmung zugänglich. Als weiteres charakteristisches Komp. sei deshalb Schlachtfarre herausgegriffen, das zugleich darauf hinweist, daß hier ein Übergang zu jenen Kompp. besteht, bei denen das Grundwort Objekt einer im Erstglied bezeichneten Tätigkeit ist (-•1.3 .b.a.). Der Unterschied, an dem sich die Zuordnung zur einen oder anderen Gruppierung ausrichtet, läßt sich am ehesten anhand unterschiedlicher Paraphrasierungsmöglichkeiten demonstrieren. So kann z.B. Trinkmilch jedenfalls auch als .trinkbare Milch' oder ,Milch, die getrunken werden kann' umschrieben werden; entsprechende Umschreibungen sind bei Schlachtfarre nicht möglich, weil die im Erstglied genannte Tätigkeit in diesem Fall nicht eine gegebenenfalls realisierbare Möglichkeit, sondern in einem sehr viel engeren Sinn eine tatsächliche und endgültige Zweckbestimmung beschreibt, deren tatsächliche Realisierbarkeit im übrigen zum Zeitpunkt der Bezeichnungsverwendung noch gar nicht gegeben sein muß. Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß Schlachtfarre in dieser Hinsicht für die dadurch repräsentierten Kompp. nicht typisch ist, daß also die im Komp. genannte Zweckbestimmung in der Regel nicht in einer auch diese andere Interpretation zulassenden Form vorliegt.

e) Erstglied bezeichnet Ort §118

Ackerschlepper, Bergpflug 2, Bordkanone, Dachpappe 2, Dachrinne 3, Feldflasche, Feldhäcksler 3, Feldmaschine, Friedhofzeichen, Gartentür, Gartentürlein 2, Gartenzaun S, Gebirgsgeschütz 2, Grabstein 2, Grubenholz 2, Haus1) Dies läßt sich auch so ausdrücken, daß dort, wo sie möglich ist, diese andere (zur Einordnung in 1 . 3 , b . f u h rende) Interpretation als die weitere bevorzugt wurde.

115

holz 4, Haustür 11, Hoilampe 4, Hoflicht, Kasementor, Kasernentür, Küchenherd, Mühlstein, Panamahut, Paßbild, Saatmaschine, Sackmesser (Sack = Hosentasche), Sacktüchlein, Scheuerntor 2, Scheunentor, Schneereif 2, Schulbuch, Schulranzen 4, Stadtkleid 3, Stallhäß (Gewand), Stallkleid, Stallschuh, Stalltür 2, Stammtischrunde, Stirnblatt, Straßenbahn 7, Straßenlampe, Stubentür, Taschenlampe 3, Taschentuch 2, Taschenuhr, Waldsäge 2, Wasserball, Weidezaun 3, Wirtshausrunde

Die in der Wortbildungsliteratur zu findende Diskussion darüber, daß etwa Straßenlampe z.B. auch zur Bezeichnung von irgendwelchen Lampen, die ein Händler an einer Straße verkauft, verwendet werden kann, soll hier nicht aufgenommen werden. Der Hinweis auf diese Tatsache ist richtig, 1) als Einwand gegen eine Beschreibung von Straßenlampe in der hier vorgenommenen Weise geht er jedoch am Kern der Sache vorbei. Dabei geht es nämlich darum, daß Straßenlampe normalerweise eben anders verwendet und verstanden wird, nämlich so, daß mit diesem Komp. der vom Grundwort bezeichnete Gegenstand durch die Angabe des Ortes näher bestimmt wird, an welchem er sich charakteristischerweise befindet. Ehe das mit dieser Formulierung Gemeinte genauer auseinandergesetzt wird, soll die beim gewählten Bsp. sich stellende Frage beantwortet werden, wieso -lampe nicht als Nomen agentis im Sinne der unter I.l.a.a.ßß. behandelten Gruppierung aufgefaßt wird, Straße- oder ein entsprechendes anderes Erstglied folglich als zugehöriges direktes Objekt, so daß die entsprechende Paraphrase etwa , Lampe, die die Straße beleuchtet' lauten würde. Gerade Beobachtungen an analogen Bildungen zeigen aber, daß dies eine Überinterpretation wäre. Schon bei Schreibtischlampe wäre eine entsprechende Umschreibung recht fragwürdig, und etwa bei Bürolampe dürfte sie völlig ausscheiden. Nicht ausgeschlossen ist dagegen auch bei diesen Kompp. eine Interpretation, die das Erstglied als eine Ortsangabe auffaßt, und es läßt sich zeigen, daß diese mögliche schwächere' Interpretation ausreichend ist. Allerdings ist sie dies letztlich nur deshalb, weil im Sinne des Ansatzes der „Pragmaverständlichkeit" der hier diskutierten Kompp. die Ortsangabe anders als bei KÜRSCHNER (s.d. S.170) nicht als reine Lokalrelation verstanden ist, sondern als Angabe, die sich auf ein Bestimmungsstück des Verwendungszusammenhangs des bezeichneten Gegenstandes bezieht: Straßenlampe wird nicht als Bezeichnung einer irgendwie an einer Straße sich befindenden Lampe aufgefaßt, sondern als Bezeichnung einer Lampe, deren praktischer Verwendungszusammenhang wesentlich dadurch gekennzeichnet ist, daß sie ihren Standort an einer Straße hat; Entsprechendes gilt für Schreibtischlampe, Bürolampe usw., gilt — mit leichter Modifizierung — auch für Grubenholz usw.2) Gerade dies macht dasjenige aus, was in der vorl. Untersuchung als pragmatisch vollständige Codierung dieser Kompp. bezeichnet wird, und man könnte dies vereinfacht auch so ausdrücken, daß Straßenlampe verstanden wird als Bezeichnung einer Lampe, 1) SEPPÄNEN behauptet erstaunlicherweise das Gegenteil, nämlich daß eine solche Verwendung von Straßenlampe nicht möglich sei (S.146). Wenn man meint, daß diese (gleichwohl unzutreffend bleibende) Ansicht möglicherweise damit zusammenhinge, daß es SEPPÄNEN darum geht, den Unterschied zwischen „langueKomposita" und „parole-Komposita" herauszuarbeiten (s. S.138), so wird man rasch eines Besseren belehrt, da SEPPÄNEN noch im selben Zusammenhang erklärt, daß Wasserglas auch in der Bedeutung „,Glas, in dem sich zum Zeitpunkt des Sprechaktes Wasser befindet'" verwendet werden könne (S.147). 2) Die Modifizierung besteht darin, daß das Erstglied bei Grubenholz und weiteren Bildungen direkt als Angabe des Verwendungsortes bezeichnet werden kann. Dies ist jedoch bei anderen Kompp. dieser Gruppierung nicht möglich, weshalb zur allgemeinen Beschreibung die obige, kompliziertere Formulierung gewählt wurde.

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die als Lampe (und nicht z.B. als mögliches KaufObjekt) sich an einer Straße befindet — usw. Mit dem Gesagten wird insoweit der von SEPPÄNEN an KÜRSCHNERS Beschreibung geübten Kritik entsprochen. Richtig an dieser Beschreibung bleibt die — auch auf andere Relationen zu übertragende - Erkenntnis, daß über die genauere Art der Lokal-Beziehung (neben, auf, über...) in Straßenlampe nichts ausgesagt ist und daß dies nicht als Mehrdeutigkeit interpretiert weden darf (KÜRSCHNER, S. 163; so auch SEPPÄNEN, S.135). Auch ,Lampe, die zur Beleuchtung von Straßen hergestellt ist', kann nicht als geeignete Paraphrase von Straßenlampe gelten. Der Grund dafür hegt darin, daß es keinen Anlaß gibt, beispielsweise Hoflampe anders interpretieren zu wollen als Straßenlampe, daß es aber eine spezifische Art von Lampen, die zur Beleuchtung von Höfen hergestellt wären, wohl nicht gibt; für z.B. Hoflicht gilt dies in noch stärkerem Maße. Die in der vorl. Untersuchung vorgeschlagene Bedeutungsbeschreibung ist weit genug auch für solche Bildungen, zugleich schließt sie jedoch für Kompp. wie eben Straßenlampe auch eine Zweck-Relation nicht aus, da von Dingen, die nach ihrer Verwendung an einem bestimmten Ort benannt sind, angenommen werden kann (aber nicht muß), daß sie möglicherweise für die Verwendung speziell an diesem Ort bestimmt sind. Für Kompp. wie Gartentür, Kellertreppe usw. setzt KÜRSCHNER (S.173) ein Proverb „ l führ z u j " an, und er führt hierzu weiter aus, daß das durch den Tiefenkasus „LOC" markierte Erstglied in diesen Fällen den „Zielort" bezeichne (ebd.). Es soll hier unberücksichtigt bleiben, daß es ein Ziel wohl nur für jemanden geben kann, der zu ihm hin unterwegs ist, daß aber eine entsprechende Größe in KÜRSCHNERS Beschreibung — richtigerweise — nicht auftaucht. Jedoch kann nicht daran vorübergegangen werden, daß eine Gartentür natürlich um nichts mehr zum Garten hin- als aus ihm herausführt - womit sowohl das angesetzte Proverb, als auch die Zielort-Interpretation hinfallig werden; für Gartenzaun, das bei ihm nicht vorkommt, würde KÜRSCHNER wohl nicht eine solche, sondern eine Straßenlampe entsprechende Beschreibung geben, doch ist nicht einzusehen, worin zwischen Gartentür und Gartenzaun ein entsprechender Unterschied hinsichtlich ihrer Bildung (!) tatsächlich bestehen soll. Den angesprochenen Problemen wird in der hier stattdessen vorgeschlagenen Beschreibung Rechnung getragen, und es sei nur abschließßend noch erläutert, weshalb als allgemeine Bedeutungsumschreibung für die Kompp. dieser Gruppierung nicht eine Paraphrase gewählt ist, welche besagt, daß das Erstglied dieser Bildungen den Verwendungsort des vom Zweitglied Bezeichneten angibt, obwohl dies bei fast allen Bildungen jedenfalls möglich und dann auch die am nächsten hegende Beschreibung ist. Der Grund für die Wahl der umständlicheren Version liegt darin, daß nach der hier vertretenen Auffassung auch Kompp. wie beispielsweise Sackmesser (=Taschenmesser) in diese Gruppierung gehören, Bildungen also, deren erste Konstituente wohl einen für das Bezeichnete typischen und mit dessen Verwendung in Zusammenhang stehenden Ort

1) Insofern ist die von KÜRSCHNER behauptete Komplementarität zu Bildungen wie Landbutter, bei denen das Erstglied den Herkunftsort des vom Zweitglied Bezeichneten angibt, nicht so recht gegeben. Im übrigen muß bedenklich stimmen, daß die Mehrzahl der von KÜRSCHNER für diese Herkunftsort-Gruppe genannten Kompp. Bildungen wie Rindfleisch, Ziegenmilch usw. sind (s.d. S.172).

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angibt, nicht jedoch denjenigen Ort, an dem das bezeichnete Ding als solches verwendet wird.

f ) Erstglied bezeichnet §119

Produkt

Balkenholz, Bandstroh, Bandstrohroggen, Bitumenkies, Brotfrucht, Brotgetreide, Brotmehl 3, Farbenpflanze, Hagholz, Harzfichte, Heuwachs, Holzwald, Kleiderstoff, Kraftstrom, Lichtstrom, Ölpflanze, Papierholz 2, Zelttuch 2, Zuckerrübe 24

Die Grundwörter dieser Kompp. werden determiniert durch die Angabe des Produkts, zu dessen Herstellung das von ihnen Bezeichnete verwendet wird bzw. bestimmt ist. Die allgemeine Paraphrase dieser Bildungen würde also etwa ,B, das zur Herstellung von A verwendet wird' lauten. Dabei ist deutlich, daß die meisten dieser Kompp. die Umkehrung der in 11.4. aufgeführten Bildungen darstellen, welche den jeweiligen im Zweitglied bezeichneten Gegenstand durch Angabe des Materials, aus dem er besteht, determinieren. Allerdings sind in die im Augenblick behandelte Gruppierung auch Bildungen wie z.B. Harzfichte aufgenommen, also solche, deren Grundwort nicht das Material, sondern eher den .Produzenten' des im Erstglied bezeichneten Produkts nennt; diese Kompp. bilden somit die Umkehrung zu den in 1.1 .a.a.aa., § 24, behandelten. Heuwachs ist eine individuelle Bildung, mit der der Sprecher das zum ersten Schnitt heranwachsende Gras bezeichnet.

g) Erstglied bezeichnet Zeit § 120

Fasnethut 6, Fastnachtsgegenstand, Hochzeitskleid, Kirchweihkuchen, Maienbaum, Sommeranzüglein, Sommerrefektorium, Sonntagsanzug, Sonntagskleid, Weihnachtsbrötlein, Werktaghäfi (Gewand), Werktaganzug, Werktaghose, Werktagrock, Werktagsanzug, Werktagsschuh, Winterrefektorium, Wochenendhäuslein 2, Wochenendhaus 3, Zahltagsliste

Die Vorstellung und Auffassung zeitlicher Verhältnisse orientiert sich an der Vorstellung und Auffassung räumlicher Beziehungen; dies ist auch im Bereich der Wortbildung nicht anders, und das bedeutet, daß das Wesentliche über die hier zusammengestellten Kompp. bereits mit der Darstellung der ihnen entsprechenden Bildungen, deren Erstglied jedoch eine Ortsbeziehung anspricht (->-§118), gesagt ist. Übereinstimmung mit den genannten anderen Kompp. besteht auch darin, daß hier wie dort eine Zweckbestimmung des jeweils bezeichneten Gegenstandes mitverstanden werden kann: das Winterrefektorium ist nicht nur das tatsächlich im Winter benutzte Refektorium, sondern es ist auch das Refektorium, das für die Benutzung eben in dieser Zeit bestimmt ist (was nicht heißt, daß die entsprechende Zweckbestimmung von Anfang an bestanden haben muß). Entsprechendes gilt für Werktaghose usw. Die Angabe des Zeitpunktes, an dem ein Ding benutzt wird, kann auch verstanden werden als bzw. kann übergehen in die Angabe des Anlasses, aus oder zu dem dieses Ding benutzt wird, und zwar dies vor allem deshalb, weil für diese Zeitangaben nicht abstrakte, sondern qualifizierte Zeitbegriffe stehen können, die oft bereits als solche mehr ein Ereignis (und damit einen potentiellen Anlaß) als einen Zeitpunkt beschrei118

ben; Bspp. hierfür sind Fasnet-, Kirchweih-, aber auch etwa Weihnacht-, Da unter „benutzen" natürlich immer eine dem jeweiligen Gegenstand entsprechende Art der .Benutzung' oder .Nutzung' zu verstehen ist, fügen sich nun auch Kompp. z.B. mit -kuchen der angegebenen Bedeutungsbeschreibung. 1)

h) Erstglied bezeichnet § 121

Konter-Objekt

Bandeneinsatz 2, Brandschutz, Brandversicherung, Feindschutz, Feuerwehr 20, Hasendraht (Maschendraht), Mottenkugel, Rheumadecke, Sturzhelm, Wetterbrett, Windjacke

Das Prinzip der „Pragmaverständlichkeit" wird bei diesen Bildungen besonders deutlich: die Kenntnis dessen, was eine Jacke und was ihr Verwendungszusammenhang ist, führt auf dem Wege der „Sachsteuerung" zum Verständnis von Windjacke als ,Jacke, die gegen Wind schützt', und so entsprechend bei den übrigen Kompp. Die besondere, hier mit der Bezeichnung „Konter-Objekt" umschriebene Art einer ObjektBeziehung ist den hier zusammengestellten Bildungen gemeinsam, und es scheint sinnvoll, dies zum leitenden Gesichtspunkt einer entsprechenden Zusammengruppierung zu machen, welche bei einer mit Hilfe von Proverben operierende Beschreibung in notwendigerweise sehr verschiedene Gruppen auseinandergerissen würde.

2. Identitäts-Relation § 122

Die Bezeichnung einer Person oder Sache durch ein Appellativum ordnet diese in eine bestimmte Klasse von Dingen ein und spricht ihr damit bestimmte Eigenschaften zu.2) Eine über die Angabe dieser Klassenzugehörigkeit hinausgehende Beschreibung oder Kennzeichnung der betr. Person oder Sache kann in vielen Fällen dadurch erfolgen, daß mit Hilfe eines weiteren Appellativums eine gleichzeitig bestehende andere Klassenzugehörigkeit derselben Person/Sache angegeben wird. Dies wiederum kann nicht nur durch entsprechende Prädikation in einem Satz mit substantivischem Prädikatsnomen oder „Gleichsetzungsnominativ" geschehen, sondern auch mit dem Mittel der Substantivkomposition. Die so gebildeten Kompp. werden traditionell als „kopulative Zusammensetzungen" bezeichnet.^) Diese Bezeichnung beschreibt die zwischen den Konstituenten der betr. Bildungen bestehenden Beziehung in nicht unzutreffender Weise; mit ihr ist jedoch eine Gegenüberstellung insbesondere zu den als „determinative Zusammensetzungen" bezeichneten Kompp. verbunden, die in dieser Weise nicht beizubehalten ist. Auch bei „Kopulativkompp." wird eine als Grundwort gesetzte Bezeichnung durch das Erstglied näher bestimmt, also determiniert, und das gilt selbst für einen Teil der vom DUDEN als „eigentliche Additionswörter" bezeichneten Bildungen, denen dort (§3745) zugleich 1) Kirchweihkuchen ist also der zur/aus Anlaß der Kirchweihe(-Wiederkehr) .benutzte', d.h. gegessene (oder aber auch: gebackene) Kuchen. 2) Das sei hier in einem weiten Sinn verstanden, d.h. es sind hierunter beispielsweise auch alle nur konnotativ mitschwingenden Merkmale mitgemeint. Da es hierauf jedoch im einzelnen nicht ankommt, ist die undifferenzierte Ausdrucksweise ausreichend. 3) Verwiesen sei hier nur auf die DUDEN-Grammatik (§§ 3745-3760) und auf FLEISCHER (S.101 f.).

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Seltenheit attestiert wird: sieht man von Bindestrich-Bildungen wie Baden-Württemberg, Garmisch-Partenkirchen usw. einmal ab (ihre besondere Art, die sich auch in der Orthographie spiegelt, muß hier nicht eigens beschrieben werden), so ist für die verbleibenden „Additionswörter" wie Strichpunkt, Hosenrock usw. festzustellen, daß sprachlich in den meisten Fällen wohl doch mehr passiert als die pure Addition, denn ein Hosenrock ,ist' offensichtlich etwas anderes als es — bei identischer Referenz — eine Rockhose wäre. Es erscheint also angebrachter, die Kompp. dieser Gruppierung nach der Beziehung, die zwischen dem von beiden Gliedern Bezeichneten besteht, zu benennen. Bei KÜRSCHNER erscheint diese Beziehung in seinem Tiefenkasus „IDENT" (s. S. 184f.), und auch FANSELOW meint diese Identitäts-Beziehung, wenn er sagt: „Die erste Grundrelation ist [...] das und." (S.174.) 2 ) Der von FANSELOW durchgeführten Beschreibung bzw. Zuordnung von Kompp. soll hier nicht im einzelnen nachgegagen werden, doch ist bereits darauf hingewiesen worden, daß z.B.. seiner Einordnung von Sozialistenpartei in diese Gruppierung in der vorl. Untersuchung nicht beigepflichtet wird.3) An dieser Stelle sei dem hinzugefügt, daß auch für Fälle wie Unionschrist, für die FANSELOW (S.179) eine und-Regel aufstellt, eine derartige Interpretation nicht gesehen wird,4) daß für die (ebd.) angeführten Fälle von Steinblock bis Porzellantasse das Vorliegen einer Identitäts-Beziehung jedenfalls nicht in der von FANSELOW ausgedrückten Weise für selbstverständlich gehalten wird und daß schließlich für Tomatensaft, Roggenbrot usw. (s.S.l 81 f.) von vornherein eine andere Interpretation als angemessener betrachtet wird. Im zuletzt angesprochenen Bereich geht es um die in der Tat schwierige Frage, bei welchen Kompp., die im Erstglied eine Angabe über die materielle Beschaffenheit des vom Grundwort Bezeichneten machen, eine Identitäts-Relation anzunehmen ist, bei welchen hingegen eine Beziehung, die in einer Paraphrase als ,B besteht/ist hergestellt aus A' o.ä. erscheinen würde. Diese Unterscheidung wird auch bei FANSELOW gemacht, allerdings so, daß sie sich mit Hilfe unterschiedlich zusammenwirkender Zeit-und Modaloperatoren der semantischen Interpretation lediglich innerhalb des Bereichs der dort als wnd-Bildungen betrachteten Kompp. abspielt. Konkret sieht das etwaso aus, daß z.B. für Roggenbrot folgende Interpretation gegeben wird: „ein x ist Roggenbrot genau dann, wenn x Brot ist und es in der Vergangenheit Roggen war und es einen Vorgang P gab, dergestalt, daß dieser verursachte (CAUSE(BECOME)), daß x danach (FERF) Brot war." 5 ) Ob dies tat1) Der gegenteiligen Behauptung des DUDEN („Man könnte die Wörter umkehren, wenn sie nicht in der einmal geprägten Form festgeworden wären."; §3755) wird für diese Fälle also unter Verweis auf FREGEs Formulierung von der „Art des Gegebenseins" der Dinge widersprochen. Im übrigen kann die vom DUDEN getroffene Unterscheidung zwischen „eigentlichen Kopulativa", bei denen das bezeichnete Ganze „nur als Summe der Teile" bestehe (Bsp.: Hemdhose; § 3745) und „uneigentlichen Kopulativa", bei welchen demgegenüber das Ganze sowohl das Eine als auch das Andere sei (Bsp.: Hosenrock-, § 3755), zumindest in dieser Form schwerlich nachvollzogen werden. 2) Zu FANSELOWs Konzept der „Grundrelationen" -+ die Darstellung seines Ansatzes in § 13. 3) §73,insbes.S.81f., Anm.3. 4) Es muß als fraglich angesehen werden, ob dies überhaupt ein Fall für eine allgemeine Regel ist. 5) FANSELOW, S.181 (ein offensichtlicher Fehler im Zitat ist beseitigt, eine nicht allgemeinverständliche Abkürzung aufgelöst). - Das Zitat gibt die Verbalisierung der bei FANSELOW zuvor angegebenen, formalisierten „Übersetzungsregel" 27 a) wieder; die in Klammern stehenden Operatoren sind bereits mit verbalisiert, von FANSELOW jedoch zur Verdeutlichung noch einmal mit angeführt; einer weiteren Erläuterung bedürfen sie hier daher nicht.

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sächlich noch als Auslegung einer ««¿/-Beziehung anzusehen ist, wird hier ebenso bezweifelt wie der Sinn einer derartigen „Ubersetzungsregel" überhaupt, welche eher den Herstellungsprozeß von Roggenbrot beschreibt als die „pragmaverständlich" konstituierten Beziehungen zwischen den Konstituenten des betr. Komp.l) Die (scheinbare) Genauigkeit einer solchen .Interpretation' führt sich im übrigen selbst ad absurdum, da Roggenbrot natürlich nicht aus Roggen hergestellt ist, sondern aus Roggenmehl und weiteren Zutaten. Dies bemerkt auch FANSELOW selbst (S. 182), doch führt es ihn nicht dazu, die Angemessenheit seiner betr. Regeln aus diesem Grund prinzipiell in Frage zu stellen, vielmehr veranlaßt es ihn zu detaillierteren Überlegungen über die Zusammensetzung von Roggenbrot und anderen Backwaren, welche in seine „Übersetzungsregel" mit einzubeziehen er nur deshalb unterläßt, weil dies „nicht sehr einfach" ist (S.182f.). Darüber hinaus meint FANSELOW, man könne die hier zuvor zitierte Regel durch den Einbau von „Stereotypen" „noch verfeinern" (S. 182), sie also durch Angaben darüber, daß „Ziegeln gebrannt werden, Brot gebacken, Saft gepreßt wird, usw." (ebd.), noch präziser machen. Dies einzubeziehen hält FANSELOW für „keine große Schwierigkeit",2) er ist sich jedoch „im Zweifel, ob die Information ,Lehmziegel = aus Lehm gebrannter Ziegel' von der Wortbildungsregel geliefert wird." Und im Anschluß an diesen sehr berechtigten Zweifel kommt die eigentlich alles entscheidende Feststellung: „Wir wissen ja, was eine Eisenstange ist, nämlich eine aus Eisen gemachte Stange, aber wer weiß schon, wie man genau aus Eisen Stangen macht?" (s.S. 182.) Aus der entsprechenden Feststellung bezüglich der Ingredienzien von Backwaren und anderen Produkten wäre natürlich die nämliche Konsequenz zu ziehen. Dem wird in der vorl. Untersuchung entsprochen, und zwar indem eben z.B. Eisenstange tatsächlich als ,aus Eisen gemachte Stange' interpretiert wird. Das aber heißt erstens, daß das beim Sprecher vorausgesetzte praktische Wissen über Herstellung, Zusammensetzung usw. von (Eisen-)Stangen auf die Kenntnis der Tatsache eben des Hergestelltseins begrenzt wird; und es heißt zweitens, daß die Tatsache dieser Kenntnis (die in der Sehweise FANSELOWs ein „Stereotyp" wäre) bei der Beschreibung des Komp. nicht zunächst unterschlagen, sondern daß sie als „Sachsteuerung" des Verstehens bei der Bedeutungsbeschreibung unmittelbar berücksichtigt und also in die Beschreibung selbst einbezogen, d.h. in ihr als deren Teil verwendet wird. Genau dies geschieht, wenn die Beziehung zwischen den Konstituenten dieses Komp. als Angabe des Materials, aus dem das vom Grundwort Bezeichnete hergestellt ist, beschrieben wird, nicht jedoch als Identitäts-Relation. In der vorl. Untersuchung würde also Eisenstange und werden Hanfseil, Holzschuh usw. von vornherein (und nicht erst mit Hilfe nachgeordneter Modifikationen) anders beschrieben als beispielsweise Flüchtlingsfrau, und dies nicht zuletzt deshalb, weil es auch der unmittelbaren Auffassung des Sprechers am ehesten gerecht werden dürfte. Denn 1) hierzu S.104, Anm.2. 2) Ob die Kombination einer „Grundrelations"-Regel mit „Stereotypen" tatsächlich so einfach ist, muß hier nicht untersucht werden. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß sich FANSELOW mit der Zulassung bzw. bereits mit der versuchsweisen Überlegung der Möglichkeit einer solchen Kombination ohne jede Diskussion über die von ihm an früherer Stelle getroffene Feststellung hinwegsetzt, daß die Kompp. in zwei Klassen aufteilbar seien: „Eine kleinere, deren Elemente sich so verhalten, daß sie mit einer sehr kleinen Anzahl von Grundrelationen erzeugt werden können f. . .]. Und zweitens die weitaus größere Klasse, deren Interpretation sich nur aus der Bedeutung der Bestandteile ergibt" (S.156f.).

121

für solche nicht reflektierende und vor allem nicht auf rein logische Beziehungen abstrahierende Auffassung bezeichnet wohl Flüchtlingsfrau jemanden, der ein Flüchtling ist und der eine Frau ist (oder umgekehrt), nicht dagegen Eisenstange etwas, das eine Stange ist und das Eisen ist, vielmehr etwas, das — in einer anderen Art der Paraphrasierung — eine .eiserne Stange' ist. Natürlich ist die Unterscheidbarkeit nicht immer so klar wie in den bisher angeführten Bspp., d.h. es gibt auch hier wieder fließende Übergänge zwischen den Gruppierungen. Es hat aber den Anschein, daß jedenfalls bezüglich der Alternative Identitäts-Relation oder Material-Produkt-Relation Zweifel über die Zugehörigkeit immer erst mit der Reflexion über die abstrakten logischen Bezüge entstehen, daß also umgekehrt das spontanere, von den konkreten sachlichen, aber auch sprachlichen Bezügen geleitete Verständnis in der Regel zu eindeutigen und auch verläßlichen Urteilen kommt. Die entsprechende Zuordnung innerhalb der vorl. Untersuchung versucht, dem zu folgen.

a) Kompositum

stehtßr

Schnittmenge

des von beiden Konstituenten

Bezeichneten

§123

Innerhalb der Gruppe der Kompp., die durch die zwischen Erst- und Zweitglied bestehende Identitätsrelation bestimmt sind, können zunächst noch einmal zwei Untergruppen unterschieden werden. Die größere von ihnen ist dadurch gekennzeichnet, daß die ihr zugehörenden Kompp. etwas in der Weise bezeichnen, daß dieses die Schnittmenge des von den jeweiligen Konstituenten Bezeichneten darstellt. Für die Bildungen dieser Untergruppe sind daher ««^-Paraphrasen sehr wohl möglich, und zwar auch bei ganz und gar normalsprachlicher Verwendung der Konjunktion.

§124

Abfahrtslauf, Abfallholz, Abschiedsszene, Anfangsstadium, Arbeitsvorhaben 3, Astprügel (Holzstück) 3, Ausgangsdarm, Auswegform, Ausweispapier, Autobahnbrücke, Bachrinne, Bauembüblein 2, Bauernkapelle 3, Bauernmädlein 3, Bauernrebell, Bauernschütze 2, Bauernweib, Begrüßungsansprache, Bergkegel 2, Bettpritsche, Bindemäher 7, Birkenholz, Blockmessing, Blutreliquie, Bockheinze (Trockengestell für Heu) 2, Bombenkugel, Brotlaib, Briickenbaum 3, Buchenholz 2, Buchenwald, Bürgermiliz, Burschenklasse, Chefarzt 3, Dachorganisation, Doktorsfräulein, Eichenholz, Erlebnisgrundlage, Erntedankfest 5, Ersatzbataillon 10, Ersatzhaufen, Ersatzkompanie, Ersatzmann 2, Ersatzteil 2, Eschenholz, Fischfilet 2, Flachssamen 2, Flädleskuchen, Flüchtlingsfrau 2, Flüchtlingskind, Föhrenwald, Franzosenkind, Futtergemenge, Gartenwirtschaft, Geißbock, Gerustarbeit, Glasscherbe, Glassplitter, Goldklumpen, Goldstück, Goldstücklein, Granitstein, Grassamen, Häckseldrescher, Haselnußbusch, Haselnußrute 2, Heidelbeerstaude, Heimatort 2, Heimatstadt, Herrgott 22, Hirschkuh 4, Hirtenbub 4, Höhepunkt 2, Holzscheit, Hornhaut, Hüterbub 3, Hüttenwagen 2, Kaffeebohne, Kaffeesatz, Kalkboden, Kalkstein 2, Kalksteinboden, Kalkstickstoff, Kanalisationsgraben, Kaufmannsgeschlecht, Kleeheu, Kohlenstaub, Konkurrenzkampf, Korbwagen, Krauthäuptlein, Krautstande, Kurbelwelle 5, Lärchenholz, Laienprediger, Laubblatt, Lazarettzug, Lecksucht, Lehenhof, Lehmboden, Leibdinghaus 3, Lochmarkierung, Mähbinder 2, Maschinengewehr 2, Maßstab 2, Mehlstaub, Mesnerbäuerin, Moorried, Moosstreu, Mosaikbild, Musikeinlage, Musterriege 2, Mutterkloster, Mutterlager, Mutterort, Nachbardorf, Nachbargebäude, Nachbargemeinde 2, Nachbarhaus 3, Nachbarort 3, Nachbarvorort, Negermädlein, Netztuch, Neujahrstag, öldreck, Opfergeld, Pachtgeschäft, Palmhecke, Palmstrauch, Patrizieigeschlecht 2, Pfingstfeiertag, Polenmädlein, Portrai tlarve, Prinzregent, Probestück, Probezeit 3, Rabattplatte, Raketengeschoß, Regentropfen, Rehbock, Reisigstreu, Reisstreu, Reitsport, Rennsport 3, Reservedivision, Reservelazarett, Reserveregiment, Residenzschloß, Riegelholz, Ringmauer 4, Sägemühle 11, Salatsamen, Salzkristall, Samenkorn, Sandboden 2, Satellitenstaat, Scheitholz, Schreinerklasse, Schilfgras, Schülermädlein, Schulerbub 7, Schulerkind, Schweißtropfen, Seifenpulver 2, Soldatenrat 3, Startsprung, Stammholz 4, Stangenholz, Staubwolke, Stauferkaiser, Steinbrocken 2, Stickstoffdünger, Strafarbeit 3, Straßenstrecke, Strohhälmchen, Studentenkundschaft, Teilgemeinde 3, Teilort, Teufelsmann, Turnfest 5, Unterstandloch, Wanderfahrt 6, Wandersport, Weinbeere, Weinberghalde, Weingärtnerfamilie, Weingärtnergeschlecht, Wetterregen, Wickenfutter, Wiesenboden, Zehntgarbe, Ziegelstein

Zu vielen Bildungen dieser Gruppierung wären weiterführende Interpretationshinweise

122

zu geben, und es könnten auch weitere differenzierende Untergruppierungen vorgenommen werden; in einigen Fällen wären auch Zuordnungen zu anderen (bestehenden oder gar neu einzurichtenden) Gruppierungen denkbar und also zumindest zu diskutieren. Eine entsprechend detaillierte Darstellung würde jedoch den Rahmen der vorl. Untersuchung sprengen, so daß hier nur einige Anmerkungen gemacht werden, und zwar zunächst solche, die zum unmittelbaren Verständnis bestimmter Kompp. notwendig sind. Brückenbaum bezeichnet den Baum(-Stamm), der beim Holzkohlenmeiler einen bestimmten konstruktiven Bestandteil, eben die Brücke, bildet; das Komp. entspricht also nicht z.B. Floßstamm (-»• II.7.) Die Zehntgarbe ist diejenige ,Garbe', die der Zehnte ist, d.h. sie ist der in Höhe des zehnten Teils und als Naturalie zu entrichtende Steuersatz. Bei Chefarzt soll darauf hingewiesen werden, daß Chef- an der Ubergangsgrenze zum Präfixoid steht, allerdings wohl nicht nur in der hier belegten Bildung, sondern auch in allen anderen geläufigen Zusammensetzungen seine eigenständige Bedeutung jedenfalls noch soweit bewahrt hat, daß diese Grenze noch nicht überschritten ist. ^ Korbwagen kann nicht mit letzter Eindeutigkeit zugeordnet werden: das Komp. kann als Bezeichnung eines (im wesentlichen) aus Korbgeflecht gefertigten Wagens aufgefaßt werden oder aber — und das ist die hier zugrunde gelegte Interpretation - als Bezeichnung eines Gegenstands, der einerseits Korb, andererseits Wagen ist. Bildungen wie Glasscherbe, Glassplitter usw. wären als ,aus Glas verfertigte(r) Scherbe/ Splitter' usw. sicher unzutreffend interpretiert, da das vom Grundwort Bezeichnete als solches kein Fertigungsprodukt darstellt, obgleich es natürlich aus dem im Erstglied genannten Material besteht. Dies entspricht Zusammensetzungen wie Eichenholz usw., doch hat die insoweit richtige Zuordnung dieser Kompp. in die im Augenblick behandelte Gruppierung den nicht ganz befriedigenden Folgeeffekt, daß beispielsweise auch Glasscherbe einerseits, Glasscheibe andererseits durch die Zuordnung zu unterschiedlichen Gruppierungen (nämlich letzteres zu II.4.) auseinandergerissen werden. Sofern jedoch - wie es in der vorl. Untersuchung geschieht — die Unterscheidung der hier behandelten Kompp. von jenen, die aus dem im Erstglied genannten Material hergestellte Fertigungsprodukte bezeichnen, grundsätzlich für sinnvoll angesehen wird, sind derartige (scheinbare) Brüche unvermeidlich, da die Zuordnung selbst eben nicht fließend und alle Bezüge gleichzeitig berücksichtigend geschehen kann. Gerade bei den Kompp. wie Eichenholz usw. könnte auch — bei wiederum unscharfer Grenzziehung - an eine Interpretation ganz anderer Art gedacht werden, nämlich die, das Erstglied als in adjektivischer Funktion stehend aufzufassen. Wie die Möglichkeit entsprechender Paraphrasen — .eichenes Holz' — zeigt, ist dies zur reinen Bedeutungsbeschreibung tatsächlich geeignet, doch kann es analytisch nicht befriedigen. Dies nicht so sehr deshalb, weil dieselbe Beschreibung natürlich auch für die Bildungen der Gruppierung II.4. möglich wäre (die Nicht-Unterscheidung könnte durchaus vertretbar erscheinen und böte, wie angedeutet, ihrerseits auch Vorteile), sondern in erster Linie deshalb, weil die hierbei zur Beschreibung eingesetzten Adjektive selbst abgeleitete Bildungen sind und zu ihrer eigenen Erklärung den Rückgang auf eben jene Elemente er1) Wichtiges Indiz bzw. Kriterium hierfür ist, daß der Titel Chef- innerhalb ein und desselben Tätigkeitsbereichs n u r an jeweils eine Person vergeben werden kann.

123

fordern, zu deren bedeutungsmäßiger Umschreibung sie dienen sollen. Ähnliches gilt bezüglich der Umschreibungsmöglichkeit mittels Adjektiv bzw. Partizip bei Bildungen wie Nachbardorf, Nachbargebäude usw. Zu den genannten Gründen gegen eine dementsprechende Interpretation kommt hier noch die in der Beschreibung nach Möglichkeit zu berücksichtigende Analogie zu Bildungen wie Mutterkloster hinzu, bei denen die Umwandlung in eine adjektivische Konstruktion der dabei auftretenden Fehlinterpretationen bzw. Mehrdeutigkeiten wegen ohnedies nicht in Frage kommt J ) Daher sind auch diese Kompp. hier im Sinne einer Identitäts-Relation aufgefaßt, deren Besonderheit allerdings darin besteht, daß das jeweilige Erstglied bei dieser Gleichsetzung in metaphorischer Weise verwendet ist. -kind in Zusammensetzungen ist natürlich immer auch im Sinne der Bezeichnung der leiblichen Nachkommenschaft verstehbar, und ein Franzosenkind beispielsweise kann ein solches wohl nur sein, wenn es ein Kind von Franzosen ist; aber es ist eben auch eine Person, welche als solche ein Kind und ein Franzose ist, und dieser" der Identitäts-Relation entsprechende Bedeutungsgehalt ist in der vorl. Untersuchung auch noch in einem Fall wie „Flüchtlingskind" als der dominierende bewertet, in einem Fall also, in dem die mit dem Erstglied ausgesagten Merkmale nicht im vollen Umfang auf die bezeichnete Person (die als Kind nicht im aktiven Sinn .geflüchtet' ist) zutreffen mögen. Für Polenmädlein usw. gelten die anhand des neutralen - kind gemachten Ausführungen sinngemäß. Hieran seien noch folgende abschließende Bemerkungen zur gesamten Gruppierung der Kompp. mit Identitäts-Relation angeknüpft: Die zwischen jeweiligem Erst-und Zweitglied bestehende referentielle Identität im Sinne einer Schnittmenge kann in der Sache noch durchaus unterschiedlicher Natur sein. Die Kompp. der zuletzt diskutierten Art repräsentieren die Bezeichnung solcher .Gegenstände', die in sich homogen den Durchschnitt der von jedem Teilbegriff eingeschlossenen Merkmalmengen an jeder beliebigen Stelle in ihrer Erstreckung voll realisieren. Ihnen gegenüber stehen Bezeichnungen von Dingen, die sich realiter aus dem von jedem der beiden Konstituenten Bezeichneten additiv zusammensetzen; diese sind also als Gegenstände sozusagen die Vereinigungsmenge des von den jeweiligen Gliedern Bezeichneten, sie sind sowohl das eine, als auch das andere, und zwar dies in durchaus inhomogener Weise, nämlich so, daß am bezeichneten Gegenstand die den beiden Konstituenten einzeln entsprechenden Teile unterscheidbar bleiben.^ Ein Bsp. hierfür ist etwa Bindemäher, dessen ebenfalls belegte Umkehrung Mähbinder formal wie inhaltlich die behauptete sachliche Additivität beweist;^) aber natürlich gehören auch Bildungen wie Baden-Württemberg4), die etwa auch in der Diskussion bei FANSELOW eine relativ große Rolle spielen, hierher.^) 1) Mütterlich wird im Normalfall entweder als Angabe bestimmter Wesensmerkmale oder aber - weniger häufig vorkommend - als Bezeichnung eines Zugehörigkeitsverhältnisses verstanden; beides führt hier zu falscher Interpretation. 2) Als Begriff handelt es sich ja auch hier um die Schnitt-, nicht um die Vereinigungsmenge, da ja unter die mit AB (= A+B) bezeichneten Dinge jene nicht fallen, die nur A oder nur B sind. 3) Hier setzt die vom DUDEN getroffene Unterscheidung zwischen „eigentlichen" und „uneigentlichen Kopulativa" an; -» hierzu § 122, insbes. S.120, A n m . l . 4) Diese Bezeichnung kommt nur deshalb nicht als Beleg der vorl. Untersuchung vor, weil im HGS aus den dort S. 26 genannten Gründen Namen nicht verzeichnet sind. 5) Vgl. insgesamt FANSELOWs Ausführungen über „Scheindvandas" (S.116-128), in denen er teilweise zu gegenüber denen der vorl. Untersuchung deutlich abweichenden Ergebnissen kommt.

124

Schließlich gibt es die Bezeichnungen solcher Dinge, die zwar wiederum in sich homogen sind, also nicht in die den beiden Teilbezeichnungen entsprechenden Gegenstände oder Funktionsbereiche ,zerfallen', die aber insgesamt und an jeder Stelle weder das eine, noch das andere des von den Konstituenten Bezeichneten sind; als Bsp. hierfür sei Netztuch genannt. Die bestehenden Unterschiede der Identitäts-Relation in der eben dargestellten Art sind logischer bzw. ontologischer Natur; sprachlich finden sie keinen Ausdruck. In der vorl. Untersuchung ist hieraus die Konsequenz gezogen, ihnen folglich auch keine unterschiedlichen Beschreibungen oder Interpretationen zuzuweisen.^ § 125

Bäckermeister, Bauernknecht 3, Bauemmeister, Gärtnerlehrline, Glasermeister 3, Hexenmeister, Kochlehrling, Malerlehrbub, Malermeister, Maurermeister, Mechanikermeister, Metzgerknecht, Metzgerlehrling, Metzgermeister, MüUerbursch 2, Schmiedemeister, Schreinermeister 4, Wagnermeister

Aus den übrigen Kompp. der im Augenblick behandelten Gruppierung sind die hier aufgeführten aus zwei Gründen herausgehoben. Zum einen liegt bei den Zusammensetzungen mit -lehrling u.ä. eine in bestimmter Weise .gestörte' Identitäts-Relation vor, da ja der jeweilige Lehrling das vom Erstglied Bezeichnete in einem präzisen Sinn gerade noch nicht ist, sondern erst werden will. Zum anderen — und dies ist der Hauptgrund für ihre Herausstellung — ist allen diesen Bildungen gemein, daß bei ihnen das Determinans-Determinatum-Verhältnis auch umgekehrt gesehen werden kann: ebenso sehr, wie ein Metzgermeister ein Meister ist, und zwar des Metzgerhandwerks, ist er umgekehrt ein Metzger, und zwar als solcher ein (ausgebildeter und geprüfter) Meister. §126

Apostelamt 3, Bäckerhandwerk, Bahnwärterdienst, Bauernstand 2, Bauhandwerk 5, Försterdienst, Fußballsport, Glücksritterberuf, Gottesnamen, Holzhauerberuf, Kegelname, Leichenschauerdienst, Malerberuf, Meistertitel, Mesneramt, Metzgerhandwerk 3, Metzgerstand, Sägerhandwerk 2, Schmiedeberuf, Schützenamt, Schuhmacherhandwerk, Schultheißenamt, Spitzarbeit, Tapezierhandwerk, Transportgewerbe, Versicherungsfach, Weingärtnerberuf, Weingärtnerstand, Zählerableserberuf, Zeitbegriff, Zimmerhandwerk 3

Auch bei diesen Kompp. liegt eine Besonderheit vor: sie können in bestimmter Hinsicht als metasprachliche Bildungen bezeichnet werden. Besonders deutlich ist dies bei Gottesnamen und Kegelname (= der Name ,Kegel'), aber auch bei Zeitbegriff oder Meistertitel: das Erstglied ist der jeweilige Name, Begriff, Titel; und daß die Bezeichnung als Name usw. metasprachlicher Natur ist, ist hier sehr deutlich, da dort, wo das Erstglied als Name usw. wirklich verwendet ist, die gleichzeitige Qualifikation als Name usw. fortfällt. Bezüglich der übrigen Bildungen, deren metasprachlicher Charakter nicht ganz so deutlich und im einzelnen Fall auch nicht präzise abzugrenzen ist, läßt sich dies in ähnlicher Weise sagen: die mit der Nennung z.B. des Weingärtnerberufs verbundene Feststellung, daß es sich dabei eben um einen Beruf handle, tritt nur unter bestimmten Bedingungen auf, nämlich nicht dann, wenn dieser Beruf genannt, sondern dann, wenn über ihn als Beruf gesprochen wird. 1) Ganz anders verfahrt FANSELOW, der in diesem Zusammenhang u.a. von Getränkebezeichnungen ausgehend differenzierte „Übersetzungsregeln" entwickelt - um sodann festzustellen, damit sei er nun „aber weiter in die spezielle Gegenstandstheorie - hier Theorie der Konstitution von Getränken - abgerutscht als sinnvoll sein kann." (S.127). -» hierzu wiederum S. 104, Anm 2.

125

Die Identitäts-Relation der hier zusammengefaßten Kompp. kann unter bestimmtem Aspekt auch so gesehen werden, daß zwischen Erst- und Zweitglied das Verhältnis der Inklusion besteht. Der Unterschied zu den Bildungen, die der entsprechenden anderen Gruppierung zugeordnet sind (-> II.2.b.), besteht jedoch darin, daß jene in beliebigen Kontexten bzw. Verwendungen durch ihr (dann allein genanntes) Erstglied ersetzt werden können, während dies bei den hier behandelten Kompp. nicht bzw. nur in speziellen Kontexten/Verwendungen möglich ist.

b) Zwischen Erst- und Zweitglied besteht Verhältnis der Inklusion §127

Bei Kompp. dieser Art besteht von den Begriffsumfängen her zwischen Zweit- und Erstglied das Verhältnis der Inklusion bzw. es besteht umgekehrt zwischen der ersten und zweiten Konstituenten das Verhältnis der logischen (und semantischen) Implikation. Das Bsp. Bauersleute soll zeigen, daß sich diese Beziehung bei normalsprachlicher Verwendung der Konjunktion nicht als und-Beziehung darstellen läßt: Bauersleute kann (normalsprachlich) nicht als .Personen, die Leute sind und die Bauern sind' beschrieben werden (sondern nur als solche, die ,Leute, und zwar Bauern' sind).

§ 1 28

Ackerland 6, Altstimme, Bäckereibetrieb, Bauersleute 5, Baumschulbetrieb, Besuchsleute, Bertalinerhund 2, Brunnenloch 2, Bürgersleute, Daumenfinger, Eifelgebiet, Fabrikanlage, Familienkreis, Farnkraut 4, Flüchtlingsleute, Frauensperson, Friedhofanlage, Gartenanlage 3, Gulerleib, Herrenleute, Hofraum 2, Holzmaterial, Hüttenwerk 6, Körnerfrüchte, Koppelweide 3, Kostenaufwand 2, Krebskrankheit, Ladengeschäft 2, Lumpenmännlein, Mannskerl, Mannsleute 26, Nachbarsleute, Prügelholz (Prügel = Holzstück) 2, Rentengeld, Rindvieh 5, Scheißdreck 3, Schienbeinknochen, Schreinereibetrieb, Schultesmann, Stubenkammer, Wegstrecke, Weibsleute, Wirtsleute, Zylinderhut

Es bedarf hier lediglich einiger Anmerkungen, so zunächst der ausdrücklichen Bestätigung, daß mit Brunnenloch in beiden vorkommenden Fällen tatsächlich einfach der Brunnen selbst gemeint ist, nicht also etwa das Brunnenloch im Unterschied zur Brunneneinfassung o.ä. Eigfelgebiet kann nicht nur zur Bezeichnung desjenigen Gebiets, welches die Eifel ist, verwendet werden, sondern auch zur Bezeichnung eines damit bewußt unscharf umrissenen Gebiets ,um die Eifel herum' (natürlich einschließlich dieser selbst). Die erste Verwendung, welche im Tonband-Beleg auch tatsächlich vorliegt, ist jedoch die näherliegende. Als Lumpenmännlein bezeichnet ein Sprecher Leute, die er in etwas gemilderter Form Lumpen heißen will. Prügelholz ist deswegen nicht zu Stangenholz usw. gestellt (-»•§ 124), weil Prügel von vorneherein nur Holzprügel sein können. Gegen die hier vorgenommene Einordnung spricht allerdings, daß Prügelholz doch eine bestimmte Art von Holz bezeichnet (nämlich nicht schichtbares (Brenn-)Holz), und zwar so, daß das Komp. im Unterschied zu den übrigen Bildungen dieser Gruppierung normalerweise nicht einfach durch seine erste Konstituente ersetzt werden kann. Zylinderhut schließlich ist sozusagen erst sekundär hier einzuordnen, nämlich aufgrund der Tatsache, daß der Zylinderhut, dessen Bezeichnung als solche der vorigen Gruppierung zuzuordnen wäre, allg. einfach als Zylinder bezeichnet werden kann, was bedeutet, daß Hut darin bereits impliziert ist. Allerdings ist dies - und das ist wie126

derum eine gewisse Relativierung der vorgenommen Zuordnung - an bestimmte Kontextbedingungen gebunden. § 129

Bastelarbeit 2, Bauaibeit, Druckarbeit, Druckgußverfahren, Flickarbeit 2, Gärungsprozeß, Kassenverwaltungsgeschäft, Kochkunst, Kriegszustand, Wahlvorgang

Die Besonderheit dieser Bildungen liegt allein darin, daß sie nicht gegenstände', sondern Geschehensabläufe — Bsp. Gärungsprozeß - oder abstrakte Gegebenheiten — Bsp. Kochkunst — bezeichnen. Das Vorliegen der Inklusions-Beziehung wird auch in der Möglichkeit der Umschreibung nach dem Muster .Kunst des Kochens' usw. deutlich. § 130

Ausnahmefall, Fußballspiel 5, Hockeyspiel 2, Kegelpartie, Sterbefall 2, Tischtennisspiel, Todesfall, Unglücksfall 2

Wie die im vorigen Paragraphen zusammengestellten Kompp. bezeichnen auch diese Bildungen abstrakte Gegebenheiten, doch dies so, daß das Grundwort auch als Bezeichnung der jeweiligen Handlungs- bzw. Erschein ungse/w/ze/i aufgefaßt werden kann; bei Kegelpartie ist dies sogar praktisch die einzige Möglichkeit der Interpretation.2) Es wäre daher eventuell daran zu denken, diese Zweitglieder als Relationale aufzufassen, die Kompp. mithin der Gruppierung I.2.a.ß. zuzuordnen. §131

Dorfgemeinschaft, Postamt 2, Regenwetter 9, Schulgebäude, Schulhaus 12, Türöffnung

Das besondere Merkmal dieser Kompp. ist, daß ihre Erstglieder auch bzw. sogar bevorzugt anders verwendet werden können als so, daß sie den hier als Zweitglied stehenden Begriff implizieren. Ihre alleinstehende Verwendung in einer dem Zweitglied als Oberbegriff entsprechenden Weise ist daher nur bei entsprechender Einbindung und Ergänzung durch den Kontext möglich, was zugleich bedeutet, daß - anders als bei den übrigen Kompp. mit Inklusions-Beziehung - der Kombination mit dem Zweitglied eine semantisch unterscheidende (und damit verständnissichernde) Funktion zukommt. §132

Hofgut, Kastenkiste, Kienspreiße, Kluppenmeßstock

Konnte bei allen bisher angeführten Kompp. mit Inklusions-Beziehung zwischen zweiter und erster Konstituente das Zweitglied auch als gegenüber dem Erstglied im Verhältnis des Oberbegriffs stehend bezeichnet werden, so ist dies bei den Bildungen der hier zusammengestellten Art nicht der Fall. Zwischen beiden Gliedern besteht vielmehr semantische Identität.3) Diese ist ein Sonderfall der InklusionsBeziehung und erlaubt bei den betr. Kompp. eine Vertauschung der Glieder, welche bei den belegten Bildungen - mit Ausnahme von Kienspreiße - auch tatsächlich sprachlich realisiert bzw. möglich ist. 1) Die Tatsache, daß man sich beispielsweise bei Kochkunst darüber streiten kann, ob Kochen eine Kunst sei, daß man also mit anderen Worten das Bestehen einer Inklusions- bzw. Implikations-Beziehung in Frage stellen kann, liegt auf einer anderen Ebene, berührt also die mit der hier getroffenen Zuordnung gegebene Beschreibung nicht. Der Grund dafür liegt darin, daß das vom Grundwort Bezeichnete hier wie auch sonst vorausgesetzt, nicht dagegen prädiziert wird. 2) Kegelpartie kann zwar auch in der Bedeutung .Kegelausflug' verwendet werden, doch bedeutet dies eine gänzlich andere (im vorliegenden Verwendungsfall nicht gegebene) Beziehungsstruktur, in der sich Partie nicht auf Kegel (nj bezieht (das betr. Komp. wäre dann in II.8.b. einzuordnen). 3) Das bedeutet nicht absolute sprachliche Gleichheit, vielmehr sind insbesondere pragmalinguistisch erfaßbare Unterschiede damit durchaus vereinbar.

127

c) Identität hinsichtlich eines Aspekts 133

Backsteinkäse, Blechmusik 3, Dreieckszahnung, Flachsbohne, Glockenapfel, Knalleffekt, Kreuzgang, Kreuzpickel, Pfauentaube, Raupenschlepper, Schiffschaukel 4, Schlangenlocke, Schneckennudel, Waagscheit (Holz hinter der Deichsel), Wellenlinie, Widderanlage, Wiedehopfhaue, Zitronenzeisig

FANSELOW behandelt „ähneln" als eigene „Grundrelation" (S.188-191). In der vorl. Untersuchung sind die Kompp., denen die Beziehung einer Ähnlichkeit des von beiden Konstituenten Bezeichneten zugrunde liegt, der durch die Identitäts-Relation definierten Gruppe von Zusammensetzungen eingeordnet, da Ähnlichkeit zwischen zwei Dingen als deren Identität in einem bzw. unter einem bestimmten Aspekt aufzufassen ist. So bezeichnet z.B. Pfauentaube nicht ein Wesen, das im Sinne der Schnittmenge (und schon gar nicht im Sinne der Vereinigungsmenge) als , Taube und Pfau* beschrieben werden könnte; aber es bezeichnet ein Wesen, das eine Taube ist, welche mit einem Pfau bestimmte Dinge — in diesem Fall ihres Aussehens — gemeinsam hat, ihm also in dieser Hinsicht gleich ist. Bei Blechmusik ist eine akustische Aspekt-Identität oder Ähnlichkeit angesprochen (,klingt wie (von) Blech'), bei den anderen hier belegten Bildungen geht es um - in sich durchaus verschiedenartige — Ähnlichkeiten des Aussehens, die in entsprechenden Paraphrasen nicht immer einfach als .sieht aus wie' erscheinen können, sondern z.B. (bei Flachsbohne) auch zu ,ist bleich wie' u.ä. führen würden. FANSELOW, der betont, daß sich die Beziehung der Ähnlichkeit „sehr verschieden äußern kann" (S.188), führt einen ganzen Katalog weiterer Paraphrasierungen zu jeweils entsprechenden Bspp. auf (ebd.). Die erforderliche Vielfalt in diesen Umschreibungen bringt ihn zu der vorsichtig geäußerten Ansicht, daß „offenbar" für die Erklärung des Verständnisses dieser Kompp. „Stereotype" heranzuziehen seien (S.189). In der Sache wird dem hier beigepflichtet, indem die betr. Zusammensetzungen zu den pragmaverständlichen gerechnet sind, also zu jenen, deren Verständnis der „Sachsteuerung" bedarf.

3. Possessiv-Relation 134 Die in dieser Gruppe zusammengefaßten Bildungen haben mit den in der traditionellen Grammatik zum Teil so genannten „Possessivkompp." nichts zu tun. Diese Bildungen — Bsp. Lockenkopf — verdanken ihren irreführenden Namen der Tatsache, daß sie in ihrer üblichen Verwendung nicht das eigentüch von ihnen Bezeichnete, sondern dessen ,Besitzer' bezeichnen;^) in den Kompp. selbst bzw. zwischen den von ihren jeweiligen 1) Die Ähnlichkeitsbeziehung, das sei hier noch einmal betont, wird von FANSELOW als eine der zwischen den Konstituenten von Kompp. möglichen „Grundrelationen" eingeführt. Daß für die Interpretation derjenigen Kompp., bei denen diese Beziehung tatsächlich gegeben ist, sodann aber „Stereotype" herangezogen werden (müssen), steht hierzu in Widerspruch. S.121, Anm.2. 2) „So bezeichnet man z.B. mit .Lockenkopf' nicht einen besonderen Kopf, sondern den .Besitzer' des Kopfes", stellt der DUDEN (§ 3725) in seinen Ausführungen über die „possessiven Zusammensetzungen" fest.

128

Konstituenten bezeichneten Dingen einerseits, Personen u.a. andererseits, ist von einer Possessiv-Relation nichts zu finden. Gerade darum handelt es sich aber im Gegensatz dazu bei den hier behandelten Kompp. Bei FANSELOW kommt eine Possessiv-Relation, welche in seinem System als weitere „Grundrelation" einzuführen wäre, nicht vor, und es fehlen auch die entsprechenden Bspp., d.h. es wird für Kompp. mit dieser Beziehung auch keine andere Interpretation angeboten.2) KÜRSCHNER hingegen hat einen dieser Relation entsprechenden Tiefenkasus „POSS", der „zur Bezeichnung des Besitzers (im weiten Sinn) einer Sache, eines Objekts im allgemeinen, eingeführt" wird (S.181). Der „weite Sinn" bedeutet bei KÜRSCHNER, daß als „Besitzer" nicht nur Personen, sondern auch Institutionen auftreten können (ebd.) und daß für das in die betr. Strukturformel eingesetzte Proverb „ {besitz] " in konkreten Paraphrasen entsprechender Kompp. nicht nur besitzen, sondern etwa auch einfach haben eintreten kann (S.183). In der vorl. Untersuchung ist „ Possessiv-Relation" in dieser Richtung noch weiter, nämlich im Sinne letztlich einer Zugehörigkeits-Beziehung gefaßt. Als so verstandene .Besitzer' einer Sache können daher auch ihrerseits Sachen eintreten, so daß z.B. Bildungen wie Schloßpark als dieser Gruppe zugehörig betrachtet werden; und es können als .Objekte', die z.B. von einer im Erstglied genannten Institution .besessen' werden, d.h. dieser zugehörig sind, auch Personen auftreten, so daß beispielsweise auch Kompp. wie Gemeindehelferin oder Vereinsdiener in die Gruppe der durch eine Possessiv-Relation bestimmten Zusammensetzungen einzuordnen sind. Beides scheint von der Sache her gerechtfertigt, da der in den tatsächlichen Beziehungen bestehende Unterschied nicht die Ebene der Wortbildung berührt. Kompp. dieser Art bilden zusammen mit solchen, bei denen das ZugehörigkeitsVerhältnis auf noch andere Weise ausgeprägt ist, vor allem aber zusammen auch mit jenen, deren Erstglied im durchaus engen Sinn den Besitzer des vom Zweitglied Bezeichneten benennt, die erste Untergruppierung in der hier zu behandelnden Gruppe. Die zweite — ihrem Umfang nach wesentlich kleinere — Untergruppierung wird von solchen Kompp. gebildet, bei denen die besondere Zugehörigkeitsbeziehung zwischen von Erst- und Zweitglied Bezeichnetem darin besteht, daß die erste Konstituente den Hersteller, Verursacher, die .Quelle' o.a. des von der zweiten Konstituenten benannten Dings bzw. insofern .Produkts' bezeichnet. Daß gerade diese Gruppierung in ihrer Abgrenzung bzw. bereits in ihrer Konstituierung nicht unproblematisch ist, sei von vornherein nicht verschwiegen. a) Erstglied bezeichnet, § 135

Besitzer'

Daß Besitzer hier in einem sehr weiten Sinn zu verstehen ist, ist im vorigen Paragraphen ausgeführt, und es sind dort auch einige mögliche Ausprägungen des ,Besitz-' oder Zugehörigkeitsverhältnisses ansatzweise vorgestellt worden. 1) Der Logik dieser Bezeichnung entsprechend wäre z.B. Nase, als bos- oder scherzhafte Namengebung etwa einer Person mit auffällig großer Nase verwendet, ein .possessives Simplex'. -» hierzu im übrigen S.89, Anm. 1. 2) Für Zuhältermercedes, das ein entsprechender Beleg wäre (und in der vorl. Untersuchung zu den in § 140 behandelten Kompp. gestellt würde), diskutiert FANSELOW eine über „Stereotype" laufende Interpretation (S.201 f.). Diese Diskussion ist freilich sehr knapp und bleibt ohne Ergebnis.

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Die (objektiven) Verschiedenheiten dieses Verhältnisses einerseits, die Tatsache der Benennbarkeit (und häufigen Wiederkehr) bestimmter Konstellationen innerhalb dieses Grundverhältnisses andererseits fordern zu dem Versuch heraus, weitere Untergruppierungen nach Maßgabe der in der außersprachlichen Realität bestehenden konkreten Beziehungen vorzunehmen. So läßt sich z.B. zunächst das Verhältnis des Besitzens im engeren Sinn von demjenigen des reinen (nicht auf eine natürliche oder juristsiche Person bezogenen) Habens unterscheiden, so daß etwa Kronprinzenpfeife und Gemeindewald einer entsprechenden ersten, Schloßmühle und Schulhofmauer einer zweiten Gruppierung zugeordnet werden könnten. Von beiden Beziehungen lassen sich weiterhin diejenigen des Beschäftigens — etwa für Molkereirechner - und des Betreibens - Schwesterngut - sowie der Trägerschaft - Kreissiedlung - unterscheiden. Die Auflistung möglicher konkreter Ausprägungen des Zugehörigkeitsverhältnisses soll hiermit beendet werden. Bereits hier dürfte klar sein, daß die auf den ersten Blick einfach scheinende Differenzierung bzw. Sortierung von Kompp. nach entsprechenden außersprachlichen Gegebenheiten tatsächlich zu einem äußerst diffizilen, sich zugleich von den Fragen der Wortbildung weit entfernenden Unterfangen würde. Die Kriterien der Unterscheidung wären entweder unklar oder aber, wenn eindeutig (z.B. juristisch) definiert, so weitgehend den .normalen'/normalsprachlichen Unterscheidungen eher zuwiderlaufend (in diesem Fall durch die Zusammenfassung natürlicher und juristischer .Personen'). In diesen Zusammenhang gehört auch, daß es offensichtlich Fälle gibt, in denen vorhandene bedeutungsmäßige Unterschiede von der realen Ausprägung des Zugehörigkeitsverhältnisses gerade unabhängig sind. Ein Bsp. hierfür sind die Bildungen Gemeindewald und Stadtwald: während für erstere gelten dürfte, daß damit in der Regel der ,im Besitz einer Gemeinde befindliche Wald' gemeint ist, und zwar im Sinne der Gesamtheit dieses Besitzes, kann Stadtwald jedenfalls auch so verwendet werden, daß damit ein bestimmtes (etwa Freizeit- und Erholungszwecken dienendes) Waldgebiet ,der Stadt' gemeint ist, für dessen so geartete Bezeichnung der Besitz seitens der Stadt zwar Voraussetzung sein mag, aber nicht hinreichend ist (was zugleich bedeutet, daß damit dann nicht nur nicht der Gesamtwaldbesitz der Stadt gemeint ist, sondern auch der gemeinte Teil eben nicht als Besitz). Auf den an sich sehr reizvollen Versuch einer Gruppierung der Kompp. mit Zugehörigkeits-Beziehung nach Maßgabe ihrer in der außersprachlichen Realität vorfindlichen Ausprägung wird hier also verzichtet, und das fällt insofern nicht allzu schwer, als Unterscheidungen innerhalb dieser Beziehung, soweit sie nicht „pragmaverständlich" bzw. aufgrund der Semantik der Konstituenten gegeben sind, sich offenbar nicht primär an diesen Ausprägungen orientieren. — Unabhängig von diesem Verzicht werden besondere Fragen — insbesondere solche des Übergangs in andere Gruppierungen - auch hier anhand konkreter Bspp. diskutiert und Bildungen, die vom Durchschnitt der Gesamtheit unter einem bestimmten gemeinsamen Aspekt abweichen, aus der allgemeinen Zusammen- und Darstellung herausgehoben. § 136

Abtsgebäude, Amtsdiener 5, Artillerieflieger, Augendeckel, Augustinerkloster, Bahnpersonal, Bahnstation 2, Bahnstrecke, Bataillonsgefechtsstand, Bauernwald, Benediktinerkloster 2, Betriebsmaurer, Betriebsrat, Bezirksammann, Bezirksklasse, Bezirkskommando 2, Bürgermeisteramt, Bundesbahnhotel, Bundesgartenschau 3, Bundesgebiet 2, Bundespreisspielen, Bundesstraße, Bundeswehr 5, Clubhaus, Clublokal, Darlehenskassenrechner 3, Divisionsstab, Dorfname, Dorfried 2, Dorfschullehrer, Elternhaus 11, Familienbesitz, Familienbetrieb 2, Familiengeschichte, Festungsbataillon, Filmmann, Flurname 3,Forstamtsgebäude,Forstamtssekretär,Gardeoffizier,Garnisonskirche,Garnisonslazarett,

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Garnisonspfarrer, Gauklasse 2,Gautuinfest, Gebietsmeisterschaft 2, Gebirgstal, Gemeindefarre 2, Gemeindehelferin, Gemeindehof, Gemeindekelter, Gemeinderat 14, Gemeinderechnung, Gemeindeschuster, Gemeindesteuer, Gemeindewald 6, Gemeinschaftsbesitz, Genossenschaftswald, Gerichtsdiener 2, Geschäftsfrau, Geschäftsleute 4, Geschäftsmann 2, Geschichtsdokument, Geschlechtsname, Gesprächsgrundlage 2, Gottesvolk, Hausarzt, Hausnummer, Hausttbername, Heeresentlassungsstelle 2, Heeresflak, Heimatsprache, Herrengarten, Hofdame 2, Hofgarten, Hofkammeracker, Hofschneider 2, Hosenknopf, Hotelküche 2, Hüttenwirt, Hutschnur, Infanteriepionier 2, Jägerhaus 2, Kirchenbehörde, Kirchenchor 45, Kirchenglocke, Kirchensteuer 3, Kirchleute, Klosterbrauerei, Klosterweinbaubetrieb, Königreich, Königsschloß, Kolonistenrecht 4, Kommandowagen, Kompaniestab, Konditorhaus, Kreisbrandmeister 3, Kreisleiter 3, Kreissiedlung, Kreissparkasse, Kronprinzenarmee 2, Kronprinzenpfeife 2, Kundenhaus 7, Landesamt, Landesbrandmeister, Landesklasse 2, Landeskonservatorium, Landesstelle 2, Landestheater, Landesturnfest 2, Landesversicherung, Landesversicherungsanstalt, Landratsamt, Landwehrleute, Landwehrmann, Landsturmleute, Landsturmmann, Lehrerfonds 2, Lehrersfamilie, Leibeskraft, Lukendeckel, Malerhäuslein 2, Marineleute, Maschinenmesser 2, Molkereirechner, Muttersprache 2, Nachbaishof, Narrensuppe, Nibelungenring, Omnibuslinie, Ortsbauemführer 2, Ortsbehörde, Ortsbevölkerung, Ortsgruppe, Ortskommandierender, Ortsschelle, Ortszeit, Palmbeere 2, Panzergrenadier, Pfarrhaus 6, Pfairhaushälterin, Pfarrscheuer 2, Postbeamter, Postdienststelle, Poststelle 2, Postomnibus, Postwagen 3, Rathaus 31, Ratsschreiber, Regimentsbüro, Regimentsgefechtsstand, Regimentsgefechtszimmer, Regimentskommnado, Reichsboden, Reichsdienst, Reichseigentum, Reichsomnibus 2, Reichspost, Reichsstift 2, Reichswehr 3, Revierförster 4, Ritterburg, Säckleinstreckerbrief 2, Schappelbändel (Bänder am Schappel) 2, Schloßgarten, Schloßhof, Schloßmühle 2, Schloßpark, Schützenhalle, Schützenhaus, Schulbücherei, Schulbühne, Schuldiener, Schulhofmauer, Schulklasse 2, Schullehrer 5, Schulmannschaft, Schulsaal 2, Schulwald 2, Schurzmasche 2, Schwesterngut, Skibindung, Staatsarchiv, Staatsbeamter, Staatsforstbetrieb, Staatsstraße, Staatswald 8, Stadtbaumeister, Stadtbrunnen 2, Stadthalle, Stadtmauer 2, Stadtname, Stadtrat, Stadtwald 3, Stammapostelhelfer, Stiftskirche, Stiftsstudent, Straßenname, Teufelsgewalt, Theaterleute, Theatertradition, Theaterwagen, Theaterzeichner, Ulanenoffizier, Vaterland 2, Vereinsdiener, Vereinshaus 3, Vereinslokal, Versicherungsmann, Verwaltungsrat, Volksmund, Volkssturmmann, Wasserkraft, Wehrbezirkskommando, Wehrmachtsdienststelle, Wehrmachtnachrichtenbetriebsleitung, Zigeunerhauptmann

Da die Possessiv-Relation im hier gemeinten Sinn der Zugehörigkeits-Beziehung aus sich selbst heraus nur eher vage definiert und nicht präzis abgrenzbar ist, kommt der entsprechenden Gruppierung von Kompp. auch die Funktion zu, unter anderem solche Bildungen aufzunehmen, die zwar durchaus deutlich Merkmale einer anderen Gruppierung aufweisen, von deren eigentlichem Kern aber dennoch so weit entfernt sind, daß eine Zuordnung dort nicht mehr erfolgen kann. Von einigen Schwerpunkten her soll dies im folgenden aufgezeigt werden. Dabei sei betont, daß die angesprochene Vagheit der Definition nicht als Schwäche, sondern gerade als Vorzug angesehen wird, da diese eben damit dem in der sprachlichen Auffassung selbst gegebenen Grad an Präzisheit entspricht. §137

Bei den Kompp. die im Erstglied den .Beschäftiger' einer im Zweitglied genannten Person oder Personengruppe bezeichnen, zeigt sich ein Übergang gleich in mehrere andere Gruppierungen. So ist zunächst -beamter, das ja noch relativ deutlich als ,-beamteter' empfunden werden dürfte, von den unter I.2.b. behandelten Relationalen nicht allzu weit entfernt - dasselbe gilt Übrigend auch für -diener - , so daß eine entsprechende Beschreibung und Einordnung (hier also in I.2.b.a.) erwogen werden könnte. Die betr. Zweitglieder haben jedoch in der tatsächlichen Verwendung ein so hohes Maß an Selbständigkeit, daß ihr Erstglied in Kompp. nicht mehr als notwendige Ergänzung zur Schließung einer offenen Argumentstelle angesehen werden kann. Bei Molkereirechner und entsprechenden Bildungen stellt sich die Frage, ob sie nicht analog zu beispielsweise Waldarbeiter, Bauingenieur aufzufassen, also der Gruppierung 1.1.b. einzuordnen seien. Wie schon dort (->• insbes. §54) ginge es dabei nicht darum, das Erstglied lokal zu verstehen. Genauere Betrachtung der Erstgliedinterpretation zeigt jedoch einen recht klaren Unterschied zu den Bildungen der früher behandelten Gruppierung: ist die Tätigkeit eines Waldarbeiters usw. erst durch die im Erstglied

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gemachte Angabe inhaltlich näher bestimmt, so ist die Tätigkeit eines Molkereirechners eben diejenige eines Rechners, welche sich als solche von der etwa eines (nicht belegten) Obstgenossenschaftsrechners nicht unterscheiden würde. Aus diesem Grund sind Molkereirechner usw. doch eben so zu verstehen, daß das Erstglied den jeweiligen , Beschäftiger' angibt. Ähnliches gilt auch bei den Zusammensetzungen beispielsweise mit -helfer(in), und zwar sowohl dann, wenn das Erstglied eine Person (Stammapostel-), als auch dann, wenn es eine Institution {Gemeinde-) bezeichnet. Im zweiten Fall zeigt sich etwa bei Gemeindeschuster, daß die Zugehörigkeitsbeziehung auch noch lockerer als diejenige eines Beschäftigungs- oder Dienstverhältnisses sein kann, ohne daß sie zu einem rein lokalen Verhältnis wird; denn Gemeindeschuster ist durchaus ,der Schuster der Gemeinde', meint also mehr und setzt mehr voraus als die Tatsache der bloßen Anwesenheit und Tätigkeit in einer Gemeinde (denn sonst wäre jeder Schuster ein Gemeindeschuster).!) Eine engere als eine bloß lokale Beziehung ist auch z.B. für Festungsbataillon, Hüttenwirt oder Stiftsstudent anzunehmen: bei ersterem handelt es sich nicht um ein beliebiges, sich in einer Festung befindliches Bataillon, sondern um den jeweiligen als deren Mannschaft oder Besatzung zu einer bestimmten Festung gehörenden Verband; ein Hüttenwirt ist in einer durchaus ähnlichen Weise der Wirt einer (bestimmten) Hütte; und auch der Stiftsstudent hat zu dem Stift, in dem er lebt, wohnt und studiert eine wesentlich engere Beziehung als die der bloßen räumlich-physischen Anwesenheit.2) Es ist aber festzustellen, daß Bildungen dieser Art letztlich bereits sehr nahe an die Kompp. mit Lokal-Relation (-»• II.5.) heranrücken. Recht deutlich demgegenüber und insgesamt keiner weiteren Erläuterung bedürftig sind die (in sich durchaus noch einmal unterschiedlichen) Zugehörigkeitsbeziehungen bei den hier eingeordneten Zusammensetzungen mit -frau/-mann/-leute, welche Personen als Zu- oder Angehörige einer Institution, eines Verbands o.ä. bezeichnen. In Übergangsprobleme führen wieder Bildungen wie Augendeckel einerseits, Augustinerkloster andererseits. Beim erstgenannten Komp. wäre z.B. auch denkbar, Auge in einem weiten, das Augenlid als den Augendeckel mit umfassendem Sinn zu verstehen, so daß sich für das Komp. eine Ganzes-Teil-Relation (-»• II.7.) ergäbe. Allerdings sprechen hiergegen dann Bildungen wie etwa Lukendeckel.3) Augustinerkloster und entsprechende Bildungen könnten auch im Sinne von Il.l.a. verstanden werden, also so, daß das Erstglied die einerseits Betreiber (Subjekt), andererseits Bewohner oder Insassen (Objekt) des Klosters oder der betr. Einrichtung benennt. Im Vergleich zu vielen anderen Bildungen jener Gruppierung fehlt den hier gemeinten jedoch das mit .bestimmt für' umschreibbare Beziehungsmoment; dem steht auf der anderen Seite gegenüber, daß bei Augustinerkloster usw. eine Besitzbeziehung 1) Der Schluß, daß es einen Gemeindeschuster eben dort gibt, wo es einen Schuster in der Gemeinde gibt, ist nicht ganz zutreffend. Allerdings kann die Anwendung dieser Bezeichnung auf mehr als einen Schuster wohl nur sehr eingeschränkt erfolgen, etwa in einer Aussage wie XY hat zwei Gemeindeschuster; dies wäre als ,in XY gibt es zwei Schuster' zu verstehen und würde bedeuten, daß für das Komp. dann in der Tat eher eine lokale Beziehung anzunehmen wäre. 2) In je geringerem Maße dies zutrifft, desto weniger findet die Bezeichnung Stiftsstudent Anwendung. 3) In beiden Fällen könnte das Erstglied allerdings auch im Sinne der Gruppierung 1.1.a.«.(3/3. als direktes Objekt des dieses verschließenden Deckels angesehen werden.

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im engeren Sinn jedenfalls mit hineinspielen kann. Beides zusammen führt dazu, die gemeinten Bildungen eher an dieser Stelle einzuordnen. In einer Reihe von Fällen — Geschichtsdokument sei als Bsp. angeführt — kann das Erstglied hier eingeordneter Kompp. als in adjektivischer Funktion stehend angesehen werden. Ähnlich wie bei den in § 124 genannten Fällen führt dies jedoch in der Sache zu keiner anderen Beschreibung, da die entsprechenden adjektivischen Konstruktionen ihrerseits nur formal anderer Ausdruck der nämlichen Zugehörigkeitsbeziehung sind. In vielen einzelnen Fällen mag eine andere Zuordnung eines Komp. denkbar und unter bestimmten Aspekten vielleicht sogar plausibler sein (nichts anderes bedeuten ja die deutlich genug angesprochenen fließenden Übergänge); die Berechtigung und Notwendigkeit einer eigenen Gruppierung für Bildungen mit Possessiv-Relation wird dadurch jedoch insgesamt nicht in Frage gestellt. §138

Für einzelne der in § 136 aufgeführten Bildungen (zum Teil auch mehrere zusammengehörende) sind noch einige Erläuterungen erforderlich: Bürgermeisteramt meint im Beleg — ebenso wie Landratsamt — das betr. Amt als Gebäude/ Räumlichkeit und/oder Institution, 1) nicht also die auf eine Person bezogene Position. Gemeinderechnung bezeichnet die Jahresbilanz oder den Jahrehaushalt einer Gemeinde; von der Zuordnung her ist sie ganz sicher noch weniger problematisch als Gemeindesteuer, mit welcher die von einer Gemeinde erhobene und ihr zustehende (und in diesem Sinn eben auch zugehörige) Steuer gemeint ist. Zusammensetzungen mit -haus o.a., die hier aufgenommen sind, bezeichnen im Erstglied jeweils den entweder individuell-persönlichen oder amtlich-institutionellen Besitzer; daß es daneben auch formal gleiche, jedoch anders zu inteipretierende Bildungen gibt, sei hier unter Verweis auf §§ 140 und 171 vermerkt. Hofgarten entspricht wahrscheinlich Schloßgarten, kann allerdings auch einen im Besitz ,des Hofes' (im abstrakten Sinn) befindlichen Garten meinen. - Hofkammeracker bezeichnet einen Acker im Besitz der Hofkammer, der Liegenschaftsverwaltung des Hauses Württemberg. Königreich könnte auch gewissermaßen umgekehrt interpretiert werden, nämlich als .Reich, das einen König hat' (mit Zuordnung zu II.8.a.a.); es ist hier jedoch analog etwa zu Königsschloß aufgefaßt. Nachbarshof steht natürlich einerseits neben Nachbardorf, -haus usw. und wäre von daher wie diese zu interpretieren (->• § 124); andererseits kann das Fugen -s hier - auch vom Sprecher — als (wenn auch falsches) Genitiv-Zeichen aufgefaßt werden, das noch bedeutungsdiskriminierende Funktion hat. Die vorgenommene Zuordnung entspricht dem.2) Die Narrensuppe wird bei der Fasnet (in Rottweil) von den Narren an Kinder ausgeschenkt. In Ortsschelle ist -schelle — wörtlich = , Schelle zum Ausrufen' - metaphorisch zur 1) Die Unterscheidung zwischen Gebäude und Einrichtung ist in alltagssprachlichen Verwendungen bei Amtern allg. kaum möglich. 2) Ähnlich übrigens bei Lehrersfamilie vs. z.B. Weingärtnerfamilie.

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Bezeichnung eines klatschhaften Weibes verwendet; das Komp. bezeichnet also jemanden als das Klatschweib eines bestimmten Ortes. Pfarrhaushälterin ist als die Dopplung vermeidende (Klammer-)Bildung anstelle von *Pfarrhaushaushälterin zu verstehen. Schurzmasche bezeichnet die rückwärtig gebundene Masche = .Schleife' der Schürze. § 139

Blasendarmkrebs, Fußleiden, Kehlkopfkrebs, Kopfschmerz, Kopfweh 3, Kreuzweh, Magenkrebs, Magenleiden 2, Reifendefekt, Rückenmarkleiden, Zahnweh 2

Die Einordnung der hier zusammengestellten Bildungen ist nicht unproblematisch. Es handelt sich um Kompp., deren Grundwort eine Krankheit oder ein Leiden bezeichnet. Den im Erstglied genannten ,Träger' des jeweiligen Leidens als dessen .Besitzer' zu betrachten, dürfte im wesentlichen eben dieser Bezeichnung wegen merkwürdig erscheinen, in der stattdessen vorzuziehenden ,neutraleren' Formulierung der Possessiv-Relation hingegen weniger Schwierigkeiten bereiten. Plausibler wird die Zuordnung dieser Kompp. jedoch vor allem durch die Betrachtung anderer Einordnungsmöglichkeiten. Die zunächst naheliegend scheinende Einordnung in die Gruppierung I.4., deren Bildungen im Erstglied das Subjekt einer im Zweitglied ausgedrückten .Tätigkeit' benennen, scheidet aus, da in den hier vorliegenden Kompp. das vom Erstglied Bezeichnete mindestens im gleichen Maße auch als Objekt der im Zweitglied benannten .Tätigkeit' anzusehen ist. Damit bietet sich eine Interpretation an, die die jeweilige .Tätigkeit' als reflexives Geschehen im Sinne der unter I.2.a.e. behandelten Bildungen auffaßt. Auch das wäre jedoch nicht befriedigend, da der Kopfschmerz, das Zahnweh usw. nicht eigentlich oder jedenfalls nicht nur den Kopf, den Zahn usw., sondern in einem präzisen Sinn dessen .Besitzer' schmerzen, so daß die dort gegebene Beschreibung hier nicht ausreicht. Besonders deutüch ist das vielleicht bei Rückenmarkleiden, das zugleich zeigt, daß auch Lokal-Interpretation nicht ausreichend ist, da Rückenmarkleiden — wie analog auch Kopfschmerz usw. — nicht ein Leiden bezeichnet, das im Rückenmark lokalisiert ist, sondern eines, von dem das Rückenmark „betroffen" ist. § 140

Amifahrzeug (Ami - Amerikaner), Dragoneruniform, Bäckerladen 2, Bahnwärterhäuslein, Bahnwärterhaus, Bauernbetrieb (Unternehmen) 2, Bauernblut, Bauernbrot, Bauerngaul, Bauerngehöft, Bauerngut, Bauernhäfi (Gewand) 2, Bauernhaus 12, Bauernhemd, Bauernhof 10, Bauernmöbel 2, Bauernstolz 2, Bauernstube 2, Buchdruckerladen, Eselsgeduld, Fabrikantenhaushalt, Frauenstimme, Franzosengewehr 2, Froschäuglein, Geschäftshaushalt, Händlerhaus 3, Herrengesicht 2, Herrenleben, Holzhauerhäuslein, Jägerausrüstung, Kätnerhaus, Kaffeetantenkleid, Kapitalistenhaus, Kaufmannswagen, Künstlerader, Künstlerstandpunkt, Mädleingesicht 2, Menschenseele, Menschenwürde, Narrenblut, Narrenkleid 2, Narrenkleidlein 8, Narrenstandpunkt, Oberknechtshaus, Ochsenauge, Roßknechtsgesicht, Russenuniform, Sacknagel, Saubürste, Schwalbenschwanz, Soldatenleben, Soldatenmantel, Soldatenuniform, Waldarbeiterhaus, Zeitungsreporter, Zimmerspruch

Von den in § 136 aufgeführten Kompp. unterscheiden sich die hier zusammengefaßten in einer Weise, die sich besonders gut an Bildungen wie Amifahrzeug oder Kapitalistenhaus demonstrieren läßt. In normaler Verwendung wird hier nicht einfach ein Fahrzeug, das einem Ami bzw. ein Haus, das einem Kapitalisten gehört, bezeichnet, sondern ein Fahrzeug bzw. Haus, das sich typischerweise im Besitz eines Amis bzw. Kapitalisten befindet. Dies bedeutet einmal, daß die Erstglieder dieser Bildungen generisch aufzufassen sind, und es bedeutet zum andern, daß das tatsächliche Besitzverhältnis im konkre134

ten Fall ein andere sein kann: Amifahrzeuge werden nicht nur von Amerikanern gefahren. Daß sich ausgerechnet diese Gruppierung durch scharfe Abgrenzbarkeit auszeichnen würde, kann nicht erwartet werden. Ausdrücklich sei nur darauf hingewiesen, daß ein wiederum fließender Übergang nicht nur zu den in § 136 aufgelisteten Bildungen besteht, sondern daß auch zu den in II. 1 .a. dargestellten Kompp. die Grenze nicht eindeutig definiert werden kann. Ein weithin brauchbares Zuordnungskriterium ist immerhin die Probe, ob eine Paraphrase mit , . . . bestimmt für . . wie sie für die eben erwähnten Kompp. in § 114 bereits angeführt ist, möglich ist oder nicht. Diese Probe weist z.B. Herrenstrohhut, Weiberkleidlein usw. der Gruppierung Il.l.a. zu, Bauernhemd demgegenüber eher der hier behandelten Gruppierung. §141

Bezüglich Froschäuglein soll daraufhingewiesen werden, daß diese Bezeichnung normalerweise nicht für die Augen des/eines Frosches verwendet wird, sondern in der Form eines Vergleichs zur Charakterisierung von Augen, die (nach des Sprechers Meinung) wie die Augen eines Froschs aussehen. Dasselbe gilt — in modifizierter Form - für die Gerätebezeichnung Schwalbenschwanz und weitere, hier nicht belegte Bildungen wie z.B. Gänsehaut. Es handelt sich hierbei jedoch um eine Frage der Verwendung dieser Kompp., nicht um eine Frage ihrer internen semantischen Struktur, was bedeutet, daß eine eigene Gruppierung für derartige Bildungen innerhalb der hier durchgeführten Beschreibung nicht vorzusehen ist.2) Geschäftshaushalt ist in mehr oder weniger unbestimmter Weise elliptisch und kann als ,Geschäftsleutehaushalt' aufgefaßt werden, aber auch etwa als ,Geschäftshaushaushalt' mit Ausfall des einen -haus- zur Vermeidung der Dopplung (wie bei Pfarrhaushälterin -, § 138). Die Annahme von Ellipse bzw. Klammerbildung ist jedoch nicht unbedingt erforderlich. Bei Kaufmannswagen handelt es sich um die Bezeichnung von Wagen eines (alljährlich wiederkehrenden) Festzugs. Menschenseele wird normalerweise nur metaphorisch verwendet, und zwar dies so gut wie ausschließlich in Verbindung mit der Negation: keine Menschenseele in der Bedeutung ,kein Mensch'. Die Einordnung des Komp. folgt seiner Bildungssemantik, welche auch in diesem Fall von der Tatsache der metaphorischen Verwendung nicht beeinflußt wird.

b) Erstglied bezeichnet Herstellerl Verursacher¡Quelle § 142

Amtsblättlein, Bärendreck (Lakritze), Baumwolle 2, Bienenhonig 2, Buchenwedel, Eberzahn, Fuchsloch, Fußstapfen, Gemeindeblättlein, Granatenloch, Hennenei, Hobelspäne, Hühnerfeder, Hühnerdung, Kiischbaumholz, Komstroh 3, Kuhhorn 2, Manöverschaden 2, Regenwasser, Römerbauten, Römerstraße 3, Roggenstroh 2, Roßbolle, Roßerdapfel, Roßfährtlein, Sägemehl 2, Sägmehl 8, Schillerstück, Schneebruch, Schweinefleisch 2, Sonnenstrahl, Tannennadel 3, Tannenreis 2, Volkslied 5, Volkstanz 6, VW-Lieferwagen, Windwurf

Das Gemeinsame der spezifischen Ausprägung der Zugehörigkeits-Beziehung dieser 1) Ami- kann sich auch auf den Hersteller bzw. das Herstellerland beziehen, doch scheint dieser Aspekt hier nicht ausschlaggebend. 2) hierzu die Bemerkung zu den „Bahuvrihi" oder „Possessw-Kompp." im Sinne der herkömmlichen Grammatik S.89, Anm.l

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Kompp. kann am ehesten durch die Beziehung des Herstellens beschrieben werden, wobei allerdings wiederum ein recht weiter Sinn dieser Bezeichnung anzusetzen ist. Die Spannweite der konkreten Ausformung dieser Beziehung reicht etwa von .herausgeben' bei Amtsblättlein über .verfassen' bei Schillerstück^ und .produzieren' bei z.B. Hennenei, aber auch Roßbolle sowie Fußstapfen bis hin zu nur noch sehr schwer mit einem bestimmten Verb umschreibbaren .Hersteller'-Beziehungen wie in Hühnerfeder, Tannennadel oder Baumwolle. Besonders für diese Kompp. ist eine andere Paraphrase wesentlich besser geeignet, die aber auch für nahezu alle anderen Bildungen dieser Gruppierung zumindest möglich ist, nämlich eine Paraphrase der Form ,B stammt von A'.^)

4. Material-Relation § 143

Mit der Bemerkung: „und liegt natürlich auch vor in Steinblock, Holzquader, Erdbrokken, Terra-Sigillata-Schale, Porzellantasse, Lehmschicht, also bei einem Teilbereich der Komposition von Massen- mit Gattungsnamen" beginnt FANSELOW (S. 179) die Erörterung solcher Kompp., die hier zu einem (großen) Teil der Gruppe mit zugrunde hegender Material-Relation zugeordnet sind. Mit seiner Aussage hat FANSELOW „natürlich" Recht, doch ist eine Beschreibung wie ,X ist (ein) B und X ist A' für diejenigen der von ihm aufgeführten Bildungen, die im Zweitglied ein aus dem im Erstglied genannten Material bestehendes Produkt bezeichnen, «orwa/sprachlich jedenfalls sehr ungewöhnlich und bleibt zugleich analytisch hinter dem zurück, was für das natürliche Verständnis durch einen normalen Sprecher aufgrund seines praktischen Wissens vorausgesetzt werden kann. Die große innere Nähe zur Gruppe der Bildungen mit und- bzw. Identitäts-Relation soll selbstverständlich nicht bestritten werden, und man mag die ganze hier besprochene Gruppierung als Untergruppe und Spezialfall der Identitäts-Relation verstehen. Daß eine Unterscheidung zumindest innerhalb dieser Relation vonnöten ist, ergibt sich auch bei FANSELOW, der über die Art des Zusammenhangs zwischen Artefakten, die im Zweitglied genannt sind, und ihrem im Erstglied bezeichneten .Herstellungsmaterial' sehr weitreichende, den Bereich einer Wortbildungsgrammatik überschreitende Überlegungen anstellt. Auf die Beziehungen zur Gruppe der durch Identitäts-Relation bestimmten Kompp. ist auch mit Diskussion des FANSELOWschen Standpunkts bei der Darstellung dieser Gruppe eingegangen worden (-»• § 122). Kriterium für die Einordnung in die im Augenblick behandelte Gruppe ist die Tatsache, daß es sich bei dem vom betr. Komp. Bezeichneten um ein aus dem im Erstglied bezeichneten Material verfertigtes Produkt 1) Da es sich um einen nicht mehr lebenden Verfasser handelt, liegt auf der Hand, daß der angesprochene ,Herstelstellungs'-Prozeß ein bereits vollzogener sein muß. Das wird jedoch hier nur besonders deutlich, gilt also tatsächlich auch in vielen anderen Fällen dieser Gruppierung. Dies mag in genauerer Beschreibung durch ein entsprechendes Tempus-Element wiedelgegeben werden; vgl. hierzu FANSELOW, S. 133-138, dessen Schlußfolgerung, für alle Kompp. sei eine Tempus-Kategorie (welche „nicht-deiktische Tempora" enthalten soll) anzusetzen, hier allerdings nicht nachvollzogen wird. 2) Bei dieser Paraphrasierung erledigt sich auch das in der vorigen Anm. angesprochene Tempus-Problem sozusagen von selbst. - Da stammen von mehrdeutig ist, muß darauf geachtet werden, daß nicht (wie bei KÜRSCHNER) Verwechslungen mit geographischen Herkunftsbezeichnungen wie z.B. in Landbutter auftreten.

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handelt,^) was ferner in der Regel bedeutet, daß das so Bezeichnete in spontaner, normalsprachlicher Beschreibung als ,B, das aus A besteht' o.ä. dargestellt wird. Von einer gewissen Selbstverständlichkeit der Material-Relation scheint auch KÜRSCHNER auszugehen, der zwar davon spricht, an früherer Stelle in seiner Arbeit „die Annahme eines Tiefenkasus MAT begründet" zu haben (S. 179), der jedoch an der betr. Stelle tatsächlich nur definiert, was er unter diesem Tiefenkasus verstanden wissen will (und außerdem darauf hinweist, daß für diesen Kasus „Äquivalente bei Fillmore, Brekle und Heger fehlen"; S. 118). Die von KÜRSCHNER durchgeführte Subkategorisierung in „[MAT, -elem]" und „[MAT, +elem]" (ersteres für Kontinuativa, letzteres für Individuativa; S. 179) ist rein deskriptiv, und zwar bezogen auf die betr. Komp.Glieder; eine genauere Beschreibung der zwischen den Gliedern der jeweiligen Kompp. bestehenden Beziehungen wird hierdurch nicht gegeben. § 144

Aluminiumblech, Bänderstricklein, Betonbehälter, Betonbunker, Betonfensterbank, Betonstraße 2, Blechbüchse 2, Blechkappe, Blechschachtel, Bretterverschlag, Bretterwand 4, Buschwedel, Drahtanlage, Drahtsack, Drahtseil 14, Drahtverhau 3, Eichenfenstersims, Eisenkeil, Eisenteil, Fachwerkhaus, Fachwerkwand, Felseninsel, Filzhut 3, Filzlappen, Filz-Meterware, Forchenfenstersims, Fruchtgarbe, Glaskugel 2, Glasscheibe, Gummisohle, Gummistiefel 3, Gummitier, Hafeigarbe, Hanfseil 6, Hartholzbrett, Hasenbraten, Hirschgulasch, Holzbahnschlitten, Holzbalken 2, Holzboden, Holzbogen, Holzdoppeljoch, Holzfelge, Holzgabel, Holzkeil, Holzkopf 2, Holzkübelein, Holzkugel, Holzmuckel (Holzklotz), Holznagel, Holzpumpe, Holzreif, Holzring, Holzrippe, Holzrost, Holzschachtel, Holzschächtelein, Holzschuh 3, Holzsohle, Holzteuchel (Holzröhre), Holztreppe, Kupferkessel 2, Kupferrohr, Lederball, Lederfalz, Lederhose 2, Lederkästlein, Lederschurz, Ledersohle, Lederumschlag, Leinenfalz, Leinentuch 3, Leintuch, Papiersack, Papiervorsatz, Pappdeckel 2, Pergamentbund, Rlastikfaß, Plastikhelm, Porzellangeschirr, Rehbraten, Riegelwand, Rindendach, Rohrleitung, Samthose, Sandunterlage, Schieferdach 2, Schiffbrücke, Schneebahn 2, Schnurgerüst, Stahlhelm, Steinboden, Steinhäuslein, Steinkapelle 4, Steinmauer, Steinpflaster, Steinsitz 2, Steintreppe, Strohband 3, Strohbüschelein 3, Strohdach 9, Strohhütlein 2, Strohhut 4, Strohseil, Strohwisch 3, Talglicht, Teakholz welle, Toneinlagerung, Tongefäß 5, Wasserweg, Wildlederschühlein, Wollfaden, Zwillichhose

Mehrdeutige Kompp. wie Blechschachtel, Papiersack usw. sind gemäß ihrer tatsächlich vorliegenden Verwendung zugeordnet, bedeuten hier also tatsächlich ,aus Blech bestehende Schachtel' usw. § 145

Mit Drahtsack wird ein aus Draht bestehender, mit Steinen gefüllter ,Sack' bezeichnet, der in dieser Form während des Kriegs als Panzerung im Bunker verwendet wurde. Eichen- sowie Forchenfenstersims sind im strengen Sinn Klammerbildungen, denn sie bezeichnen Fenstersimse aus Eichen- bzw. Forchen/io/z. Die Verwendung von Eiche usw. für .Eichenholz' usw. ist jedoch mehr oder weniger allg.sprachlich, so daß die zur Klammerbildung führende Ellipse auch als dem Wortbildungsprozeß vorausliegend angesehen werden kann. In diesem Zusammenhang sind auch Hasen- und Rehbraten sowie Hirschgulasch zu nennen (mit Ausfall von -fleisch-), für welche Entsprechendes gilt. Leinenfalz und Pergamentbund sind Fachausdrücke des Buchbinders, deren Zweitglieder nicht abstrakt verwendet sind, sondern den konkreten, aus Leinen bzw. Pergament bestehenden Falz bzw. Bund bezeichnen. Riegelwand bezeichnet die ,aus Riegeln bestehende Wand', also eine Fachwerk-Wand. 1) Dies schließt die Bedingung ein, daß das vom betr. Komp. Bezeichnete als solches ein Artefakt ist, wodurch Bildungen wie z.B. Glasscherbe ausgeschlossen werden; -> hierzu § 124.

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Problematisch in der Zuordnung ist Schieferdach, da beim damit Bezeichneten natürlich nur die eigentliche Deckung aus Schiefer(platten) besteht, während die normalsprachliche Verwendung von Dach möglicherweise weiter ist. Bei einer dem entsprechenden Interpretation als ,schiefergedecktes Dach' o.ä. ergäbe sich Zuordnung zu II.8.C. Schnurgerüst bezeichnet ein während des Hausbaus zur Ausrichtung daran errichtetes ,Gerüst', das aus an Holzstangen verspannten Schnüren besteht. Schwierig wiederum in der genauen Analyse ist Teakholzwelle.Zur (metaphorischen) Verwendung dieser und auch anderer Zusammensetzungen mit demselben Grundwort scheint zu gehören, daß das eigentlich zugrunde liegende Bild letztlich unklar bleibt. Der hier getroffenen Zuordnung entspricht eine Interpretation, die das Komp. als Bezeichnung einer aus Teakholz .bestehenden' (Mode-)Welle auffaßt. § 146

Apfelmost, Apfelmus, Apfelsaft, Biersud, Blutwurst 3, Butterkrem 3, Erdapfelsuppe, Flachssamenmehl, Fleischbrühe 2, Griessuppe, Grundbirsalat, Grundbiisuppe 5, Haferbrei 4, Hafermus 2, Hafersuppe 4, Haselnußkrem, Haselnußtorte, Heidelbeermost 2, Holzgas 2, Holzkohle 2, Kamillentee, Kartoffelsalat, Kartoffelsuppe, Kirschensaft, Leberwurst 6, Maissuppe, Mehlspeise 2, Milchsuppe, Mürbteigbrezel, Pfefferminztee, Rettichsuppe, Riebeleinsuppe 2, Roßerdapfelschnaps, Schneewasser 2, Weizenbier

Kompp. dieser Art veranlassen FANSELOW zu seinen bereits mehrfach erwähnten Ausflügen in die — wie er selbst es sieht — „spezielle Gegenstandstheorie" (S.183). Es handelt sich dabei um Bezeichnungen von Produkten, die nicht einfach aus dem im Erstglied genannten ,Material' bestehen, auch nicht in einem strengen Sinn aus diesen (allein) hergestellt sind, sondern die in der Regel durch besondere Zubereitungsprozesse wie backen, kochen, saften usw. aus durchaus mehreren Ausgangsstoffen produziert sind, von denen lediglich der für das Endprodukt als wesentlich erachtete im Erstglied genannt ist. Was hierbei als „wesentlich" gilt, ist durchaus unterschiedlich; es kann sich dabei um das - auch quantitativ dominierende - .Grundmaterial' handeln (welches sich im Endprodukt auf sehr unterschiedliche Weise noch wiederfinden kann; vgl. etwa Apfelsaft — Kartoffelsalat — Weizenbier), es kann aber das Produkt auch nach einem lediglich spezifischen, ihm seinen besonderen Charakter verleihenden Bestandteil benannt sein, welcher in der gesamten Zusammensetzung von seiner Menge her eine nur untergeordnete Rolle spielt; ein Bsp. hierfür ist der von FANSELOW (S.183) diskutierte Zitronenkuchen, und wichtig hierbei ist vor allem, daß der von FANSELOW für entscheidend angesehenen Punkt, nämlich „zu wissen, was Zitronenkuchen überhaupt ist" (ebd.), für die Wortbildung und für die Beschreibung des betr. Komp. eben keine Rolle spielt.

5. Lokal-Relation § 147

Daß es unter den Substantiv-Kompp. solche gibt, denen eine Lokal-Relation der Konstituenten bzw. ihrer Denotate zugrunde liegt, ist unstrittig, und auch FANSELOW setzt eine derartige Beziehung als eine seiner „Grundrelationen" an („ist lokalisiert"; S.185-188). Was er mit seiner Bemerkung, „die Bedeutung" dieser Beziehung sei — ebenso wie diejenige der temporalen — „im Rahmen der Nominalkomposition [...] bislang überschätzt worden" (S.185), im einzelnen meint, wird nicht ganz klar; die nachfolgende Aussage: „Klare Fälle sind sicherlich Küstenstraße, Hafenstadt und 138

Bergdenkmal." (ebd.) sowie die ablehnende Diskussion einiger Lokal-Interpretationen durch KÜRSCHNER weisen allerdings darauf hin, daß damit im wesentlichen gemeint sein dürfte, daß nach FANSELOWs Ansicht die Annahme einer zugrunde liegenden Lokal-Relation in den einschlägigen Untersuchungen 1) zu sehr auf solche Kompp. ausgedehnt ist, für die eine andere Interpretation möglich bzw. erforderlich ist. Die Kritik an einer lokalen Interpretation von z.B. Automotor, wie KÜRSCHNER sie v o r n i m m t , i s t sicher berechtigt, und es ist auch (fast) richtig, daß die von FANSELOW angeführten Bspp. zu den „klaren Fällen" gehören, was auch und vor allem bedeutet, daß es daneben weniger klare Fälle gibt, deren Interpretation nicht so einfach und nicht so eindeutig möglich ist.3) Allerdings ist mit dieser Feststellung als solcher wenig gewonnen, insbesondere bedeutet sie nicht, daß die weniger klaren Fälle deshalb sogleich aus einer lokalen Interpretation auszuschließen wären. Vielmehr ist es ganz einfach so, daß auch für die Kompp. mit zugrunde liegender Lokal-Relation eine Unschärfe des Grenzbereichs festzustellen ist, und das heißt, daß es auch hier Bildungen gibt, deren Zuordnung nicht nur nicht auf Anhieb klar ist, sondern die im einzelnen Fall auch und gerade bei detaillierter Betrachtung mehr oder weniger strittig bleiben kann. Zwei solcher Übergangsbereiche, die von der ihnen innewohnenden Problematik wie von der Zahl der darin vorkommenden Fälle her von besonderer Bedeutung sind, seien vorab genannt. Es handelt sich einmal um den Übergang zu Bildungen mit PossessivRelation. Eine Feldhütte ist sicher eine ,im Feld gelegene Hütte', die Flurgarderobe die ,im Flur befindliche Garderobe' usw.; aber bereits bei Kirchplatz beginnt die nicht mehr so sichere Zone (ist es tatsächlich als ,Platz bei der Kirche' o.ä. zu verstehen, nicht eher als ,zur Kirche gehöriger Platz' o.ä.?), und bei Stallfenster dürfte der Bereich der strittig bleibenden Fälle erreicht sein. Die Zuordnung, die auch in diesen Fällen, will man sie nicht aus der Beschreibung ganz heraushalten, nun einmal getroffen werden muß, kann sich hier nur an pragmatisch-faktischen Hilfsüberlegungen orientieren - z.B. an der Frage, ob es in bestimmer Weise ,das' typische Stallfenster als eben das ,zum Stall gehörige Fenster' gibt oder nicht — und bleibt entsprechend anfechtbar. Der zweite dieser Übergangsbereiche betrifft Kompp., deren zweite Konstituente ein Nomen actionis bzw. Nomen agentis ist. Bei solchen Zusammensetzungen geht die im Erstglied stehende Angabe des Ortes, an dem die betr. Tätigkeit ausgeübt wird, nahtlos über in die Angabe des spezifischen Modus bzw. des besonderen Inhalts dieser Tätigkeit. Wahrscheinlich sollte man nicht einmal von einem Übergang sprechen, 1) Konkret genannt wird von FANSELOW in diesem Zusammenhang nur diejenige KÜRSCHNERS. 2) KÜRSCHNER, S. 171. - FANSELOWs Behauptung, KÜRSCHNER bette „den Sachverhalt ,LOC (Auto, Motor)' in eine FIN-Relation ein (,ist bestimmt für')" (S.185), ist unzutreffend: KÜRSCHNER, dessen Formel im übrigen eine gänzlich andere Form als die von FANSELOW angeführte hat, ergänzt vielmehr die Lokal-Relation, die auch er für Fälle der in Frage stehenden Art als unzureichend empfindet, durch „das zusätzliche Merkmal [pars], das die Teil-von-Relation ausdrücken soll" (S. 171). 3) Bei genauerer Betrachtung beginnt der Bereich der keineswegs eindeutigen, auch auf andere Weise interpretierbaren Fälle freilich bereits innerhalb der von FANSELOW angeführten „klaren" Bspp., denn Hafenstadt kann nicht nur, wie FANSELOW es offenbar vorsieht, als .Stadt, die an einem Hafen liegt' o.ä. aufgefaßt werden, sondern auch als .Stadt, die einen Hafen hat'; diese zweite Interpretation wird in der vorl. Untersuchung im übrigen als die logisch und vor allem pragmatisch näherliegende betrachtet, so daß Hafenstadt hier unter diejenigen Kompp., deren Erstglied ein .AusstattungsmerkmaT angibt (-> II.8.a»), eingeordnet ist.

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sondern eher von einem — zu unterschiedlichen Anteilen — gleichzeitigen Vorhandensein, denn auch z.B. bei Bodentrocknung, das als eindeutiger Fall einer Lokal-Relation gelten kann, ist mit der Angabe des charakteristischen Ortes der benannten Tätigkeit zugleich auch deren besondere Art und Weise angesprochen. In Fällen wie Etappendienst oder Feldhockey kann demgegenüber ein stärkeres Verblassen der eigentlichen lokalen Komponente festgestellt und dann gesagt werden, daß es sich beim Erstglied eigentlich nur noch formal um die Angabe eines Ortes handle, inhaltlichfunktional dagegen letztlich um die Angabe einer bestimmten Modalität der bezeichneten Tätigkeit. Wenn auch hier solche Bildungen als durch eine zugrunde liegende Lokal-Relation bestimmt angesehen werden, so vor allem aus zwei Gründen. Zum einen ist es doch fraglich, ob die zuletzt angeführte Argumentation tatsächlich tragfähig ist. Denn die Modalitäts-Angabe geschieht nun einmal mit Hilfe der Bezeichnung eines Ortes, und gerade weil auch in denjenigen Fällen, in denen das Vorliegen einer Lokal-Relation unzweifelhaft ist, die Bezeichnung eines Ortes als solche zugleich die Bezeichnung einer bestimmten Modalität der im Grundwort genannten Tätigkeit bedeutet, kann in diesen anderen Fällen die vorliegende Orts-Bezeichnung nicht zu einer rein .formalen' Gegebenheit degradiert werden. Der zweite Grund hängt damit zusammen, daß es eine .Modalitäts-Relation' o.ä. in der vorl. Untersuchung — wie in den bereits vorhandenen Darstellungen zur Wortbildung auch - nicht gibt. Das ist nicht als (behebbares) Fehlen zu werten, sondern hat seinerseits einen guten Grund, welcher letztlich darin liegt, daß „Modalität (einer Tätigkeit)" ein sehr weiter und vager Begriff ist bzw. einen auch nicht im Kern einigermaßen präzise abgrenzbaren Sachverhalt bezeichnet, so daß eigentlich jedwede Determination einer Tätigkeitsbezeichnung bzw. eines Nomen actionis/agentis als Angabe einer bestimmten Modalität der betr. Tätigkeit bezeichnet werden kann. Die Einführung einer solchen Relation scheint also allgemein nicht sonderlich fruchtbringend; ihre Einführung allein für die Beschreibung der im Augenblick diskutierten Fälle wäre erst recht nicht sinnvoll. §148

Ortsbeziehungen können entweder stationärer oder aber dynamischer Natur sein. Im ersten Fall wird von entsprechenden Ortsangaben ein Ort bezeichnet, an dem sich ein Gegenstand oder eine Person befindet bzw. ein Geschehen abspielt; derartige Orte werden im folgenden als „Stationsorte" bezeichnet. Im zweiten Fall handelt es sich um die Angabe entweder eines „Ziel-" oder eines „Herkunftsortes", und auch diese Angabe kann sich sowohl auf Gegenstände oder Personen als auch auf Geschehnisse / Tätigkeiten beziehen. 1)

1) Die genannten Ausprägungen der Lokal-Relation versucht KÜRSCHNER mit Hilfe der Merkmal-Kombination [±dyn, ± f i n ] zu beschreiben (S.116,123); - • hierzu S.143, Anm.l.

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a) Erstglied bezeichnet Stationsort a) Zweitglied bezeichnet Person oder Gegenstand § 149

Achselklappe 2, Ackerfutter, Ackerhof 2, Äckerhof, Alpenjäger, Anlagensee 2, Argonnenkämpfer, Autobahnbaustelle, Balkanland, Balkanvolk, Berggraben 2, Bergmahd 2, Bergwald, Bodenbir (Kartoffel) 6, Bodenrübe, Bodenseegemeinde, Bodenseeregiment, Bühnenfensterlein (Dachboden), Burghaldenhäuslein, Dachboden, Dachstock 2, Dorfbühne (Theater) 7, Erdapfel 26, Erdbeere, Erdbir 29, Feldartillerie, Feldhäuslein, Feldhaus, Feldhütte, Feldküche, Feldlazarett 2, Feldweg 3, Fensterbank 4, Filderbauer, Filderkraut 4, Flurgarderobe, Frontsoldat, Gebirgsbach, Gebirgsdivision, Gebirgseinheit, Gebirgsjäger 2, Grundbir 34, Hausernbänklein, Hausgang 4, Hauslehrerin, Hausschlächter, Hauswasserleitung, Heidekraut 3, Heimatlazarett, Höhengaststätte, Höhenstraße, Höhenwirtschaft, Hofkreuz, Kellerraum, Kinzigtalbahn, Kirchhof 5, Kirchplatz, Klauenbolle, Kopfgoldschnitt, Kurgartenhotel, Landstraße 3, Leibbruch, Landgemeinde, Landjugend 12, Landleute 2, Landsiedlung 4, Maashafen, Murgschiffer, Murgschifferschaft 5, Norddeutschland 2, Nordhang, Nordzone, Ofenbank, Ostfront 3, Sandaal 3, Scheuerraum 2, Schönmünzkolonist, Schwarzwaldbahn, Seejungfer 6, Seemännlein, Seerose, Seeweiblein 2, Seitenwuizel, Stadthaushalt, Stadtkinder, Stadtleute, Stadtpfarrer, Stallfenster, Straßengraben 2, Südabschnitt, Südseite, Talstraße 2, Waldbeere, Waldheidelbeere, Waldlager, Waldsträßlein, Waldweg 3, Wassergeflügel, Wasseijungfrau, Weidegras, Weinbeiggrundstück, Weingartenhäuslein, Westfront 9, Westwall 10, Wiesenwuchs 2

Zwischen den aufgelisteten Kompp. bestehen hinsichtlich ihrer Erst- und Zweitglieder sowie der Beziehungen zwischen ihnen durchaus noch Unterschiede, die an eine weitere Untergliederung denken lassen. Der Versuch, eine solche Differenzierung vorzunehmen, zeigt allerdings, daß sich — den Fall der Nomen actionis im Zweitglied ausgenommen - im Unterschied zu anderen Untergruppierungen (-»• z.B. diejenigen unter 1.1.a.) ein einheitliches, von bestimmten Merkmalen des jeweiligen Zweitglieds bestimmtes Muster innerhalb der speziellen Beziehungen hier nicht herstellt. Aus dem Unterschied zwischen unbelebten und belebten , Dingen' ergibt sich lediglich, daß in der entsprechenden (normalsprachlichen) Paraphrase für die Beziehung der Existenz am „ Stationsort" im einen Fall .befindet sich an/in/...' o.ä. zu wählen ist, im andern dagegen ,lebt in ...' o.ä.; dies entspricht aber nur einem mit dem Zweitglied gegebenen Unterschied in der Existenzweise, welcher in den Kompositionsprozeß nicht hineinwirkt und die zugrunde liegende Lokal-Relation als solche nicht weiter spezifiziert. Scheinbar von größerer Bedeutung ist die Frage, ob das Zweitglied ein Nomen agentis (im früher beschriebenen weiten Sinn; §19) ist. Bspp. hierfür wären Hauslehrer oder auch die von KÜRSCHNER (S.195) angeführten Fälle wie Hafenarbeiter, Straßenverkäufer usw. Bei solchen Bildungen kann in Paraphrasen nicht ,lebt in ...' eingesetzt werden, was offenbar damit zusammenhängt, daß sich die Ortsangabe des Erstglieds nur insofern auf die bezeichnete Person bezieht, als sich diese in der Ausübung derjenigen Tätigkeit befindet, nach welcher sie benannt ist. Als Lösung bietet sich an, dem von KÜRSCHNER (a.a.O.) gewählten Verfahren zu folgen und als verbalen Bestandteil einer entsprechenden Paraphrase dasjenige Verb einzusetzen, aus dem das jeweilige Nomen agentis abgeleitet ist. Eine solche Beschreibung bleibt aber letztlich doch fragwürdig, und zwar dies deshalb, weil sie den Anschein erweckt, daß die Tatsache, daß es sich beim Zweitglied um ein Nomen agentis handelt, für die Bildungsweise dieser Kompp. konstitutiv wäre, was sie tatsächlich jedoch nicht ist.l) An den Bildungen selbst ist dies vor allem daran abzu1) Bei KÜRSCHNER wirkt sich dies darin aus, daß er die entsprechenden von ihm angeführten Bildungen einem von ihm selbst so genannten „Mischtyp" zuordnet (S.195f., vgl. S 189f.), welcher - nun nicht mehr in KÜRSCHNERS Worten - eben dadurch gekennzeichnet ist, daß er Kompp. enthält, deren Zweitglieder rein faktisch-zufallig - also ohne Auswirkung auf die Komp.-Struktur - Nomina agentis sind.

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lesen, daß für einen Teil von ihnen diese Beschreibung zwar möglich ist, jedoch nicht zu einem überzeugenden Ergebnis führt. So dürfte bereits für Hausschlächter .Schlächter, der ins Haus (des Auftraggebers) kommt' o.ä. die geeignetere Paraphrase gegenüber Jemand, der im Haus (des Auftraggebers) schlachtet' sein, und dies gilt in noch stärkerem Maße bei Hauslehrer oder gar Hausarzt1). Für Bildungen dieser Art wäre demnach die Beschreibung der vorl. Untersuchung vorzuziehen, so daß von der im Augenblick diskutierten Analyse keineswegs alle Lokal-Kompp. mit einem Nomen agentis als Zweitglied erfaßt würden. Es scheint plausibler, Bildungen mit einem solchen Zweitglied dann von vornherein nicht als eigene Untergruppierung zu behandeln, als in einer entsprechenden Untergruppierung dann noch einmal eine weitere, ihre eigentliche Definition aufhebende Einschränkung auf die tatsächlich gemeinten Nomina agentis vorzunehmen. § 150

Die Art der im Erstglied befindlichen Ortsangabe kann sehr unterschiedlich sein. Sie reicht von Angaben, die einen Ort sozusagen inhaltlich beschreiben, ohne ihn auf einer Landkarte zu fixieren und insofern zu .lokalisieren' — z.B. in Seeweiblein, Wasserjungfrau - , bis hin zur geographischen Ortsbezeichnung wie in Argonnenkämpfer^ oder Murgschiffer?) Die Lokal-Relation als solche wird von diesen Unterschieden jedoch nicht betroffen. Am Bsp. Stadthaushalt sei jedoch noch einmal darauf hingewiesen (-»• § 147), daß die an und für sich lokale Bedeutung dieser Erstglieder in ihrer determinativen Funktion innerhalb der Zusammensetzungen mehr oder weniger zurücktreten und einer qualifizierenden oder i.e.S. modifizierenden Bedeutungskomponente Platz machen kann.

§151

Auch bei den unter II.I.e. eingeordneten Bildungen liegt eine Lokal-Relation vor — dasselbe gilt übrigens sinngemäß für die Kompp. der Gruppierung Il.l.g., deren Erstglied eine Zeitangabe ist —, doch ist sie dort der Utitiv-Relation untergeordnet, stellt also lediglich innerhalb dieser dominierenden Relation eine weitere Spezifikation dar. Der Unterschied hängt allein von (praktischen) Merkmalen des vom Zweitglied Bezeichneten ab. Konkret sieht er so aus, daß für die unter II.I.e. einzuordnenden Kompp. immer auch eine Paraphrase der Art ,B ist bestimmt für die Verwendung an Ort A' gebildet werden kann, während dies für die hier behandelten Zusammensetzungen nicht möglich ist. 1) -arzt ist als Nomen agentis im weiteren, nicht formal definierten Sinn zu verstehen; § 19. — Im tatsächlichen Gebrauch dürfte Hausarzt relativ diffus als ,Arzt des Hauses' o.ä. verstanden werden, und es ist auch zu berücksichtigen, daß sich im Umfeld dieser Bezeichnung Bildungen wie Hausmittel finden. Von daher kann man die Ansicht vertreten, daß Haus- als Erstglied derartiger Bildungen am Übergang zum Präfixoid steht. 2) Bildungen wie diese reizen in besonderem Maße zu Überlegungen über in der Tiefenstruktur von Kompp. anzunehmende Tempus-Elemente, denn Argonnenkämpfer scheint fiii seine Besclireibung Vergangenheitsbezug vorauszusetzen. Tatsächlich ist dies jedoch lediglich Ausfluß des Wissens, daß es gegenwärtig in den Argonnen keine Kämpfe (und folglich keine Kämpfer) gibt, und schon für eine Äußerung wie er gehörte damals zu den Argonnenkämpfem wäre eine solche Beschreibung des Komp. nicht mehr zutreffend. Mit KÜRSCHNER ist also festzustellen, „daß der Kontext dafür verantwortlich ist, welche temporale Interpretation(en) möglich ist (sind)" (S.85), und mit KÜRSCHNER ist daran festzuhalten, „daß Substantiven und folglich auch Komposita kein Zeitbezug zugesprochen werden kann." (S.84.) FANSELOWs Gegenaigumentation (S. 133-135) gegen KÜRSCHNER geht an diesem vorbei (nicht einmal KÜRSCHNERS Bspp. sind korrekt zur Kenntnis genommen), und gerade Kompp. wie Argonnenkämpfer können zeigen, daß FANSELOWs Analyse (S.133-138) auch in der Sache nicht zutrifft, da für sie keines der beiden angesetzten „nicht-deiktischen" Tempora („nicht-deiktisches" Perfekt und „Gleichzeitigkeit") in Frage kommt. 3) Da es sich hierbei eben um Ortsbezeichnungen handelt, sind diese Kompp., obwohl ihre erste Konstituente ein Name ist, nicht zu den Namen-Zusammensetzungen gestellt.

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§152

Ackerfutter bezeichnet (Grün-)Futter für das Vieh, das auf dem Acker angebaut wird. Betrachtet man in Fällen dieser Art, wozu auch Erdapfel usw. gehört, das Zweitglied als Bezeichnung des fertigen Produkts, so erscheint das Erstglied als Angabe des Herkunftsorts. Bildungen dieser Art stehen somit am Übergang zu der betr. anderen Gruppierung (-*• H.5.C.). Unproblematischer ist die Lokal-Relation bei Ackerhof bzw. Äckerhof, die beide einen ,im Acker gelegenen Hof bezeichnen. Kinzigtalbahn und Schwarzwaldbahn bezeichnen die durch das Kinzigtal fahrende bzw. den Schwarzwald durchquerende Bahn bzw. Bahnlinie, und die zweite dieser Bezeichnungen ist zumindest im regionalen Gebrauch noch immer als Name zu verstehen. Als Erstglied in einer Bildung wie Seitenwurzel vorkommendes Seite (n)- könnte als präfixoid angesehen werden, da hier — obwohl der genannte Beleg in der vorl. Untersuchung allein steht - Reihenbildung gegeben sowie Bedeutungsverblassung bzw. -Verschiebung festzustellen ist (Seiten- hat in Kompp. dieser Art die Bedeutung .Neben-' und kann durch diese Partikel ersetzt werden). Allerdings ist diese Bedeutungsveränderung minimal, so daß hier keine Einordnung in die Präfixoid-Bildungen vorgenommen wurde.

ß) Zweitglied bezeichnet §153

Tätigkeit

Balkankrieg, Bataillonsdienst, Bettiuhe, Bodentrocknung 3, Brusidooffensive, Brusilaoffensive, Dorfschmiedeball, Eishockey, Eisrevue, Etappendienst 2, Feldarbeit 3, Felddienst 3, Feldgeschäft 3, Feldhockey, Flandernschlacht, Gartenfest, Geländespiel, Geräteübung, Hausarbeit 2, Hausschlachtung 5, Heimarbeit 2, Industriearbeit, Kasernendienst, Kiesgrubenarbeit, Küchendienst, Kulturarbeit (Anpflanzung) 18, Landleben 2, Landdienst, Marnerfickzug, Oieloffensive, Österreicheinsatz, Polenkrieg, Saalschlacht, Saalsport, Sandbad, Seefischerei, Schützengrabenkrieg, Stationsdienst, Stallarbeit 3, Straßenrennen, Waldarbeit 2, Waldgeschäft 2, Werkstattunterricht

„Tätigkeit" ist in diesem Zusammenhang — wie ja innerhalb grammatischer Beschreibung meistens — cum grano salis zu verstehen, nämlich so, daß auch beispielsweise -ruhe wie in Bettruhe darunterfällt. Unter dieser Voraussetzung sind die Kompp. dieser Gruppierung sehr einfach zu beschreiben, nämlich als Bildungen, die in ihrem Grundwort durch ein Nomen actionis (im weiteren Sinn) eine Tätigkeit bezeichnen und im Erstglied den Ort benennen, an dem sich diese Tätigkeit vollzieht. Auch die möglichen Paraphrasen sind sehr einfach, da für sie die Umwandlung des betr. Komp. in eine Präpositionalphrase (,Ruhe im Bett') ausreicht. § 154

Zu Bildungen wie Eishockey sind in § 147 bereits Ausführungen gemacht. Die Tatsache, daß dort Feldhockey als entsprechendes Bsp. verwendet wurde, soll zunächst zum An1) Bei der Auffassung als ,den Schwarzwald durchquerende/durchfahrende Bahn' zeigt sich im übrigen, daß KÜRSCHNERS Merkmalskombination „[±dyn, +fin]" zur Erfassung der verschiedenen Ausprägungen der Lokal-Relation nicht ausreicht; denn in diesem Fall (entsprechend auch in Wüstemafari usw., welches hier der nächsten Untergruppierung zuzuordnen wäre) müßte zwar [+dyn] angesetzt werden, doch trifft die dann nach KÜRSCHNERS Modell mögliche (und obligatorische) Spezifizierung in entweder [+fin] oder [-fin] nicht zu, da weder ein Ziel-, noch ein Herkunftsort bezeichnet ist (vgl. KÜRSCHNER S.123). - Die zugrunde liegende Problematik durch die Benennung eines Ortes, an dem eine gleichwohl gerichtete Bewegung stattfindet, schlägt auch in der vorl. Untersuchung insofern durch, als bei derartigen Bildungen die Bezeichnung des Erstglieds als „Stationsort" normalsprachlich merkwürdig ist.

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laß genommen werden, darauf hinzuweisen, daß in einem solchen Fall auch praktischpragmatische Faktoren eine Rolle spielen bzw. die von außersprachlichen Faktoren bestimmte Frage des Bezeichnungsbedarfs. Denn Feldhockey gibt es als Bezeichnung erst in dem Augenblick, in dem es neben dem auf dem Rasen ausgetragenen Hockeyspiel auch dasjenige auf der Eisfläche gibt.l) Die Erstglieder dieser beiden Bildungen bezeichnen jeweils den sehr speziellen Ort der im Zweitglied genannten .Tätigkeit'. Sie bezeichnen damit zugleich mehr oder anderes als einen Ort. Bereits bei Eishockey, wo dies wesentlich stärker ausgeprägt ist als bei Feldhockey, kann man davon sprechen, daß die vom Grundwort bezeichnete .Tätigkeit' durch die Angabe des Mediums oder .Instruments', dessen sie zu ihrer Durchführung bedarf, determiniert wird. In etwa gleichem Maße ist dies auch bei Boden trocknung der Fall, während bei Bildungen wie Geräteübung, Industriearbeit oder Sandbad eine im eigentlichen Sinn lokale Bedeutung des jeweiligen Erstglieds nur noch sehr schwach ausgeprägt ist. Dies ist wiederum als fließender Übergang anzusehen, doch — und dies gibt letztlich den Ausschlag für die Zuordnung - wird außerhalb von Kompp. in allen diesen Fällen die zugrunde liegende Beziehung sprachlich durch die Verwendung lokaler Präpositionen (.Übung am Gerät', .Arbeit in der Industrie', .Bad im Sand') eindeutig als lokale behandelt. §155

Ebenfalls in einem Grenzbereich liegen Zusammensetzungen mit -krieg u.ä. So ist zwar mit Balkankrieg relativ eindeutig ein eben dort stattfindender Krieg gemeint, nicht also ein gegen ,den' Balkan gerichteter Krieg,2) und ähnlich hegen die Verhältnisse bei Flandernschlacht. Bei Kompp. wie Polenkrieg hingegen ist solche relative Eindeutigkeit nicht g e g e b e n , d o c h läßt sich lokale Interpretation wohl auch hier noch rechtfertigen, da sie jedenfalls eine der beiden vorhandenen Möglichkeiten ist und da .Krieg gegen Polen' in der Sache .Krieg in Polen' einschließt. In diesem Zusammenhang sei schließlich auch auf Marnerückzug eingegangen. Auf den ersten Blick scheint es sich bei dessen Erstglied um die Angabe eines Herkunftsortes zu handeln. Bei näherer Betrachtung erscheint diese Interpretation jedoch als eher unwahrscheinlich (unter sprechaktlogischem Gesichtspunkt ergibt es wenig Sinn, etwas nach einem Ort zu benennen, den es als eigene Position gar nicht mehr gibt), so daß stattdessen doch eine Lokal-Relation im Sinne der Angabe des Stationsortes anzunehmen ist, also Interpretation als .Rückzug an/im Gebiet der Marne'.

1) Entsprechendes ist zu Feld- und Hallenhandball zu sagen, allerdings mit dem Unterschied, daß hier die sportliche Entwicklung die eine der beiden Spielarten (nämlich den Feldhandball) mehr oder weniger bedeutungslos und im gleichen Maß die ausdrückliche Bezeichnung der anderen als solche Uberflüssig gemacht hat: Handball meint heute im Normalfall, Hallenhandball'. 2) Dies dürfte im wesentlichen mit außersprachlichem Wissen (nämlich der Tatsache, daß es ,den' Balkan als politische Einheit nicht gibt) zusammenhängen. 3) Gemeint ist lediglich die vorhandenen Wahlmöglichkeit zwischen .Krieg in' und .Krieg gegen Polen', nicht die mögliche (aber hier nicht vorliegende) Verwendung im Sinne von .Krieg der/von Polen'.

144

b) Erstglied bezeichnet Zielort § 156

Beckenschuß, Frankieichfeldzug 4, Galizienfeldzug, Himmelfahrt 8, Italienfeldzug, Knochenschuß, Oberschenkelschuß 2, Ostfeldzug, Polenfeldzug, Rückenschlag, Rumänienfeldzug, Rußlandfeldzug, Schulterschuß, Schulweg 4, Serbienfeldzug 2, Tiefbrunnenleitung, Uberseeverkehr, Vorortbahn 2, Vorortzug, Westfeldzug, Westindienfahrt

Im großen und ganzen bieten diese Bildungen keine Probleme. Im Unterschied zu den zuletzt diskutierten Zusammensetzungen mit -krieg ist das Erstglied bei den Kompp. mit -feldzug als Angabe des Ziel,ortes' aufzufassen. Unterstrichen wird dies durch die Möglichkeit, dieses Ziel auch durch Angabe einer Himmelsrichtung bezeichnen zu können, wie Ost feldzug usw. belegt, obwohl, wie die einschlägigen Bildungen in § 149 zeigen (-»• dazu auch § 152), die Angabe einer Himmelsrichtung in einem Komp. nicht per se als Bezeichnung des Zielorts zu verstehen ist.2) § 157

Bei den Bildungen Tiefbrunnenleitung sowie Vorortbahn bzw. -zug, deren Zweitglieder nicht eine (gerichtete) Tätigkeit benennen, ist die Auffassung des Erstglieds als Zielortangabe nicht ganz zweifelsfrei. Und wenn bei Vorortbahn/-zug darauf verwiesen werden kann, daß die Umschreibung ,Bahn, die zum Vorort fährt' jedenfalls naheliegender scheint als die Umschreibung ,Bahn, die vom Vorort kommt' (was damit zusammenhängt, daß nicht der Vor-, sondern der Zentralort als der Ausgangspunkt der betr. Bahn empfunden wird), so ist der bei Tiefbrunnenleitung mögliche Hinweis darauf, daß in einem bestimmten Sinn eine Leitung, welche zwei Punkte miteinander verbindet, zu jedem dieser Punkte /¡/«führt, ein noch wesentlich schwächeres Argument, und zwar dies vor allem angesichts der Tatsache, daß die Fließrichtung innerhalb der hier bezeichneten Leitung recht eindeutig umgekehrt verläuft. Während sich bei Tiefbrunnenleitung somit eine Umkehrung in der Interpretation — also Auffassung des Erstglieds als Zielortangabe - als mögliche alternative Lösung anbietet, ist dies bei Vorortbahn/-zug nicht der Fall. Für Bildungen dieser Art wäre möglicherweise eine Beschreibung vorzuziehen, welche die Lokal-Relation außerhalb einer Differenzierung nach Stations-, Zielund Herkunftsort als zugrunde liegende Beziehung zuweist.

c) Erstglied bezeichnet § 15 8

Herkunftsort

Alpenwasser, Bergwein, Bodenseeobst, Erdöl, Gipfelholz, Landkundschaft 2, Quellwasser

Die Lokal-Relation dieser Kompp. läßt sich in Paraphrasen durch ,kommt/stammt von' o.ä. ausdrücken. Lediglich bei Landkundschaft ergibt sich gegen eine derartige Umschreibung ein gewisser Widerstand, da hier auch .Kundschaft, die auf dem Land lebt' o.ä. möglich wäre. Vom hier zugrunde liegenden Standpunkt eines Geschäftsinhabers aus scheint jedoch der dynamische Aspekt näherliegend.3) 1) Einen gewissen Widerstand stellt dem lediglich die Tasache entgegen, daß Ostfeldzug normalsprachlich auch als ,Feldzug im Osten' umschrieben bzw. durch diese Wendung ersetzt werden kann. Die Erklärung hierfür ist jedoch, daß das lexikalisierte Komp. Feldzug auch etwa synonym zu Krieg - also ohne Richtungs-Implikation verwendet werden kann. 2) In Verbindung mit -wind bezeichnet die Angabe einer Himmelsrichtung sogar den Herkunftsort'; für Grundwörter, die — anders als z.B. -flächtling — nicht aufgrund ihrer eigenen Bedeutung auf die Angabe eben eines Herkunftsortes verweisen, ist dies ungewöhnlich, weshalb normalerweise Sprecher, denen die betr. Bezeichnungen durchaus geläufig sind, hierauf erst eigens hingewiesen werden müssen. 3) Das bedeutet zugleich, daß Landkundschaft bei Verwendung unter anderen Bedingungen (z.B. durch einen

145

6. Temporal-Relation §159

Wie bereits erwähnt (-»• § 147), ist FANSELOW der Ansicht, die Temporal-Relation sei „im Rahmen der Nominalkomposition [...] bislang überschätzt worden" (S. 185). Sie deshalb sozusagen zum Ausgleich in der eigenen Untersuchung gänzlich zu vernachlässigen, wie FANSELOW dies tut und (ebd.) kundtut, ist sicher nicht gerechtfertigt, zumal diese Beziehung in FANSELOWs Beschreibungssystem als eine der „Grundrelationen" zu erscheinen hätte (bei welchen sie aber noch nicht einmal erwähnt wird). Eine andere Frage ist, ob FANSELOWs Ansicht von der „Überschätzung" der Temporal-Relation zu Recht besteht. Zu verstehen ist sie wohl im Sinne der Behauptung, daß dieser Relation in den Wortbildungsuntersuchungen — primär der jüngeren und jüngsten Zeit 1 ) — ein zu hoher Stellenwert eingeräumt werde. Woran auch immer dies gemessen ist, setzt es wohl in jedem Fall voraus, daß dieser Relation in den betr. Untersuchungen Aufmerksamkeit in einem Maß entgegengebracht wird, das hinter dem für andere aufgewendeten mindestens nicht zurücksteht. Das aber ist keineswegs der Fall. Bei KÜRSCHNER jedenfalls, auf den sich FANSELOW in diesem Zusammenhang (vermutlich) bezieht, spielt die Temporal-Relation in der theoretischen Diskussion und Argumentation in keiner Weise eine herausgehobene Rolle (dasselbe gilt bezüglich der Lokal-Relation, die FANSELOW hier immer im gleichen Atemzug nennt), und bei der Durchführung der Analyse anhand konkreter Belege wird den entsprechenden Bildungen ebenfalls keine besondere Bedeutung beigemessen. Auch bei BREKLE, an den FANSELOW ebenfalls gedacht haben könnte,2) ist dies nicht anders, von traditionellen Darstellungen (z.B. DUDEN, FLEISCHER, HENZEN) ganz zu schweigen.

§ 160

Man kann sogar sagen, daß die Temporal-Relation, was ihre mögliche weitere Differenzierung anlangt, eher stiefmütterlich behandelt wird, was für die vorl. Untersuchung zur Folge hat, daß jedenfalls nicht auf bereits ausgearbeitete Untergruppierungen Bezug genommen werden kann. Bei den untersuchten Bildungen handelt es sich immer um solche, die im Erstglied einen Zeit,punkt' angeben, und zwar den Zeit,punkt' entweder einer Tätigkeit bzw. eines Geschehens (Zweitglied ist Nomen actionis oder agentis) oder aber der Existenz oder .Benutzung' des im Zweitglied genannten Gegenstandes.-^) Handwerker, der damit seine eben auf dem Land lebende/wohnende Kundschaft bezeichnet) auch anders zu interpretieren ist. 1) Diese Adressierung geht u.a. daraus hervor, daß FANSELOW in diesem Zusammenhang die „Analyse" „Nachtarbeiter = ,TEMP (Arbeiter, Nacht)'" anführt (S.185) und zu verstehen gibt, daß er hiermit nichts anzufangen wisse. (Allerdings bleibt FANSELOW den Nachweis schuldig, daß diese „Analyse" überhaupt je in einer Wortbildungsuntersuchung vorgelegt worden ist; in einer Fußnote .belegt' er das Zitat mit dem Hinweis: „ich habe das irgendwo gelesen, die entsprechende Stelle aber nicht wiedergefunden" (ebd., Anm.7); -> auch S.139, Anm.2. 2) Die von FANSELOW angeführte „Analyse-Formel" für Nachtarbeiter erinnert äußerlich am ehesten an die von BREKLE (Satzsemantik) verwendete Notation. 3) Dieser Zweitglied-Dichotomie entspricht im wesentlichen auch KÜRSCHNERS Aufgliederung der Kompp. mit zugrunde hegender Temporal-Relation (sofern man diejenigen Bildungen unberücksichtigt läßt, bei denen sich der angesetzte Tiefenkasus „TEMP" auf das von einem Zeitbegriff gebildete Zweitglied bezieht; hierzu § 13). S.d. S.176f., 193, 196. Allerdings tritt dies bei KÜRSCHNER nicht als Gliederung zutage, da es durchkreuzt wird von seiner Einteilung der Kompp. in solche mit nominalem und solche mit deverbalem Zweitglied; das führt hier u.a. dazu, daß z.B. Nachtsitzung (S.176) mit Hilfe eines Proverbs „ l stattfand J "

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Auch wenn innerhalb dieser Art von Zeitangaben nicht weiter differenziert werden soll, sind hiervon jene Angaben zu unterscheiden, die als solche eine zeitliche Dauer benennen. Im folgenden werden die (wenigen) Belege für Bildungen dieser Art in einer eigenen Gruppierung aufgeführt, während alle übrigen ,Zeit-Kompp.' davor in einer weiteren Gruppierung zusammengefaßt sind. §161

Abendbrot, Abendessen 2, Abendmahl, Alltagssorge, Elfe-Messe 3, Fastnachtsball, Fastnachtsspiel 2, Ferienbub, Feriengast, Fronleichnamsprozession, Frühjahrskonzert, Frühjahrsoffensive, Frühjahrssaat 2, Frühjahrsunterhaltung, Frühjahrswanderung, Geburtstagslied 2, Herbstfest 2, Herbstkonzert, Herbstmarkt, Herbstrummel, Herbstschlufiprobe, Herbstunterhaltung, Herbstwanderung 2, Hochzeitsreise, Kriegstrauung, Kriegsware, Märzoffensive, Maientour, Maitanz, Maitour, Maiwanderung, Martinimarkt, Mettemarkt, Mittagessen 32, Mittagspause 3, Morgenessen 6, Morgenkirche (Kirche = Gottesdienst), Morgenläuten, Nachtdienst, Nachtessen 11, Nachtschicht, Nachturlaub 2, Nachtwächter 3, Osterei 2, Osterhase, Ostermontagmarkt, Pfingstmarkt, Schützentheater, Sommerfällung, Sommerferien, Sommerfest 2, Sommerfestlein 2, Sommerfrucht 5, Sommergetreide, Sommerkoni, Sommerpflanzung, Sommerroggen, Sommerschnitt, Sommerweizen 2, Sommerzeit 2, Sonntagsgeld 3, Sonntagsschule, Sonntagsurlaub 2, Steinzeitsiedlung 2, Steinzeitmensch, Tagposten, Vieruhrbrot, Wallfahrtsfest 2, Weihnachtsmarkt, Weihnachtsschlacht, Winterarbeit 3, Winterfrucht 4, Wintergetreide 3, Winterholz, Winterroggen 3, Winterschule, Winterschnitt, Winterweizen, Zehnuhrzug, Zeitverhältnis

Die Kompp. dieser Gruppierung bezeichnen Dinge, Personen oder Ereignisse, denen sie im Erstglied den Zeit,punkt' ihrer Existenz bzw. ihres Geschehens zuweisen. Damit ist bereits auch der Unterschied zu den Bildungen der Gruppierung II. l.g. genannt, deren Erstglied ja ebenfalls eine zeitliche Einordnung leistet. Wie bei den entsprechenden Kompp. der Gruppierung II. I.e. mit lokal zuordnendem Erstglied (-»• §151) besteht dieser primär durch das Grundwort bestimmte Unterschied darin, daß bei den im Augenblick behandelten Bildungen nicht von einer (auf den genannten Zeitpunkt bezogenen) Zweck- oder Verwendungsbestimmung gesprochen werden kann. In manchen Fällen — beispielsweise bei Geburtstagslied - istj die Zuordnung allerdings wiederum kaum eindeutig möglich, und ebenfalls in einer Reihe von Fällen findet sich (wiederum in Entsprechung zu II. l.g.; -*• § 120) als weiterer Ubergang derjenige zur Angabe eines Anlasses; als Bspp. hierfür können abermals Geburtstagslied, aber auch etwa Fastnachtsball angeführt werden, und bei Hochzeitsreise ist es wohl so, daß das Erstglied eher den Anlaß als eine Zeit angibt. §162

Bezeichnet das Komp. ein Ereignis oder Geschehen, so gibt das Erstglied an, zu welchem Zeit,punkt', mit welcher Dauer oder auch mit welcher Frequenz (-^ § 165) dieses Geschehen stattfindet. Nicht ganz so einfach ist die semantische Struktur bei der Bezeichnung von Personen oder Gegenständen. Die bisher (in § 161) verwendete Beschreibung jedenfalls, in diesen Kompp. werde der Zeitpunkt der Existenz der betr. Person bzw. des betr. Gegenstandes angegeben, ist zu ungenau, zumindest bedarf sie einer Ergänzung bezüglich der Interpretation des darin verwendeten Begriffs von Existenz, und sie verlangt ferner eine Differenzierung nach Bildungen, deren Zweitglied ein Nomen agentis (im weiteren Sinn; -»• § 19) entweder ist oder nicht ist. beschrieben wird (Paraphrase: ,Sitzung, die in der Nacht stattfindet'), während für Nachtwanderung (S.193) eine Analyse ohne Proverb vorgenommen wird (Paraphrase: .Wanderung in der Nacht'). (Wieso er Sitzung als nicht-abgeleitet betrachtet, gibt KÜRSCHNER nicht an.) 1) Für Tagreise sieht KÜRSCHNER „.Reise während eines Tages; Reise, die einen Tag dauert'"als mögliche Interpretation an (S.193) und erwägt deshalb, „die TEMP-Kategorie nach [±durativ] zu subkategorisieren" (ebd.); er findet jedoch „keine weiteren Beispiele für die Notwendigkeit einer durativen Tempus-Kategorie" (ebd.) und verzichtet deshalb auf eine entsprechende Differenzierung.

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Bildungen mit einem Nomen agentis als Zweitglied stehen sozusagen in der Mitte zwischen jenen, die ein Ereignis/Geschehen bezeichnen und solchen, deren zweite Konstituente einen Gegenstand oder eine Person benennt, ohne ein Nomen agentis zu sein: einerseits gibt das Erstglied an, wann die Tätigkeit des vom Zweitglied Bezeichneten stattfindet, andererseits kann man auch sagen, daß das vom Grundwort bezeichnete Agens in einem bestimmten Sinn (nur) zu der vom Erstglied angegebenen Zeit existiert. Bspp. hierfür sind Nachtwächter oder KÜRSCHNERS Nachtarbeiter. Die erste Interpretation ist für die zweite dieser Bildungen unproblematisch (Paraphrase: Jemand, der nachts/in der Nacht arbeitet'); für Kompp. wie Nachtwächter hingegen, die sich auf Tätigkeiten beziehen, die sich als solche erst in der Bindung an eine bestimmte Zeit konstituieren, ist vielleicht die zweite Interpretationsweise vorzuziehen. (Die Erscheinung der nicht auf die Person, sondern nur auf die Person in einer bestimmten Eigenschaft bezogenen Determination durch das Erstglied ist bereits mehrfach begegnet, zuletzt bei den vergleichbaren Bildungen mit Lokal-Relation, -*• § 149; auch § 104.) Auch bei den Bildungen, deren Zweitglied weder ein Geschehen bezeichnet, noch ein Nomen agentis ist, bezieht sich der im Erstglied angegebene Zeitpunkt nicht unbedingt auf die Existenz des vom Grundwort Bezeichneten als solche, sondern in vielen Fällen auf die Existenz in einer bestimmten (im Komp. selbst unbezeichnet bleibenden) Form. So ist z.B. Frühlingsblume im Unterschied zu der Beschreibung, die KÜRSCHNER hierfür a n b i e t e t , n i c h t eigentlich eine im Frühjahr .existierende', sondern eine zu diesem Zeitpunkt blühende Blume, d.h. die vom Erstglied vorgenommene Datierung bezieht sich auf die Blume in einem bestimmten Abschnitt ihrer Existenz. Analoges gilt für Sommer-/Winterweizen usw. (allerdings mit dem Unterschied, daß hier der normale Sprecher oft nicht mehr weiß, auf welches besondere Existenzstadium sich die Erstglied-Datierung bezieht^)). § 163

Innerhalb der Temporal-Relation finden sich weitere Unterschiede, die hier nur kurz angesprochen werden sollen. Die meisten Bildungen machen eine Zeitangabe, die generisch-iterativ zu interpretieren ist, also den im Tages-, Wochen-, Jahresablauf wiederkehrenden Zeitpunkt eines sich dann ebenfalls wiederholenden Vorkommnisses benennt. Dies ist bei allen Kompp. so, deren Erstglied eine Uhr-, Tages- oder Jahreszeit benennt. Daneben gibt es Kompp. mit in dieser Hinsicht anderer Struktur. Das sind einmal solche Bildungen, die ein bestimmtes, einmaliges (und daher zumeist vergangenes) Ereignis bezeichnen. Ein Bsp. hierfür ist Märzoffensive. Auch Bildungen wie Steinzeitsiedlung sind in diesem Zusammenhang zu sehen, bei denen generisch-iteratives Verständnis einfach deshalb ausgeschlossen ist, weil das datierende Erstglied als solches einen einmaligen, nicht wiederkehrenden Zeit,punkt' bezeichnet.3) Die so benann1) Wegen zu geringer Produktivität dieses Bildungstyps führt KÜRSCHNER ihn nicht eigens auf, nennt aber dafür das zitierte Bsp. (S 176), welches in seinem Beschreibungssystem als „TEMPA - OBjB - {existier} " darzustellen wäre. 2) Unter engerem Blickwinkel sind diese Bildungen also als fachsprl. Bezeichnungen zu betrachten, und zwar als solche, die normalsprl. ein (nur, aber immerhin noch) partielles Verständnis zulassen: daß es sich um eine temporale Relation handelt, ist in jedem Fall klar, doch geht die Zeitangabe, da ihr genauer Bezugspunkt unklar ist, Uber in die reine Merkmalsangabe (-* II.8.). 3) Daß eine Paraphrase von Steinzeitsiedlung normalerweise ein Prät. bzw. Perf. enthält, bedeutet nicht, daß für

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ten Vorkommnisse oder Gegenstände sind selbst nicht einmalig-individuell, und dies gilt schließlich auch für eine weitere Art nicht-iterativer Bildungen mit Temporal-Relation, nämlich für Kompp. wie Sonntagsurlaub, welche ein Vorkommnis zwar durch Angabe einer stets wiederkehrenden Zeiteinheit determinieren, jedoch keine entsprechende Iteration dieses Vorkommnisses implizieren. In die Nähe der zuletzt genannten Kompp. gehören auch Bildungen wie Frühjahrskonzert, Fastnachtsball oder Maientour. Bezüglich Iteration nehmen sie eine mittlere Position ein, d.h. sie sind je nach Verwendung offen sowohl für iterative als auch für nicht-iterative Interpretation. 1) So ist einerseits jedes im Frühjahr stattfindende Konzert ein Frühjahrskonzert, es kann aber mit dieser Bezeichnung auch das alljährlich im Frühjahr gegebene Konzert z.B. einer bestimmten Kapelle gemeint werden, und es kann schließlich — wenngleich weniger häufig vorkommend — die Bezeichnung sich beziehen auf ein ganz bestimmtes, einmaliges Ereignis. § 164

Innerhalb des Komp. Alltagssorge steht Alltag nicht in Opposition zu Sonn-/Feiertag, sondern es hat noch die volle Bedeutung von ,alle Tage' und kann in diesem Sinn in der Paraphrase durch all-täglich ausgedrückt werden. Ferienbub ist eine weitgehend kontext-/situationsgebundene Analogiebildung zu Feriengast. In der zweiten Bildung ist deutlich, daß sich - wie in § 162 ausgeführt die Existenzzuschreibung für einen bestimmten Zeit,punkt' nicht auf die bezeichnete Person als Person, sondern als Träger einer bestimmten Eigenschaft bezieht. Bei Ferienbub ist dies nicht gegeben, und eben deshalb ist es nur als Analogiebildung zu verstehen.^2) Schützentheater meint das .Theater auf/während der Schütze', d.i. dem (Biberacher) Schützenfest. Bei Bildungen dieser Art - so z.B. auch Wallfahrtsfest = ,Fest am Wallfahrtstag/in Zusammenhang mit einer Wallfahrt' — zeigt sich im übrigen,, daß die Temporal-Relation in vielen Fällen als Sonderfall der Possessiv-Relation betrachtet werden kann.

§165

Halbtagesfahrt, Momentaufnahme, Monatskommando (einmonatiges Abkommandiertsein), Saisonstelle, Stundenschicht, Tagesfahrt 2, Tagespresse 2, Vierjahresplan, Wochenmarkt, Zweitagesfahrt

Wie Monatskommando (= ,1 Monat dauerndes Abkommandiertsein') oder Saisonstelle (= ,Arbeitsstelle für die Dauer einer Saison') zeigen, handelt es sich bei den Grundwörtern deijenigen Bildungen, deren erste Konstituente die Dauer eines vom Grundwort zumindest implizit genannten Geschehens oder Tätigseins angibt, nicht nur um Nomina agentis, wenngleich diese hier den Normalfall darstellen. Kompp. dieser Art ein Vergangeheitstempus (und daher womöglich ein Tempus-Element für Kompp. überhaput) als kompositioneller Bestandteil anzusetzen wäre. Der Veigangenheitsbezug ist vielmehr mit dem auf eine vergangene Epoche referierenden Begriff des Erstglieds gegeben und in diesem selbst vollständig enthalten. Wie Gegenwartsliteratur oder Zukunftsmusik oder auch (ohne Metaphorik) Zukunftsarchitektur zeigen, kommt als derartiger Bezug keineswegs nur die Vergangenheit in Frage, die allerdings naturgemäß häufiger und differenzierter (da es für Gegenwart und Zukunft Epochebildungen nicht gibt) herangezogen ist. 1) In einem engen Sinn gilt dies auch für die zuvor behandelten Kompp.; so kann Märzoffensive auch in der Bedeutung ,die alljährlich/überlicherweise im März stattfindende Offensive' verwendet werden. Die normale Verwendung entspricht jedoch der zuvor gegebenen Beschreibung. 2) Allerdings besteht gerade bei Personenbezeichnungen die Möglichkeit der Determinierung durch Angabe eines beliebigen, in seiner genauen semantischen Beziehimg diffus bleibenden Merkmals (-> II.7.). Auf diese Weise ist eine Interpretation auch ohne Analogie möglich.

149

Die Interpretation der hierhergehörenden Kompp. ist im übrigen unproblematisch. Tagespresse und Wochenmarkt repräsentieren den Randbereich dieser Gruppierung, da in solchen Bildungen nicht die Angabe einer Zeitdauer wie etwa in Tagesfahrt, sondern die Angabe der Dauer eines Erscheinungs- oder Vorkommenszyklus gemacht wird.

7. Ganzes-Teil-Relation § 166

Bildungen wie Automotor, Hauswand, Pferdekopf sieht KÜRSCHNER prinzipiell als durch zugrunde hegende Lokal-Relation bestimmt an, zu welcher jedoch „außerdem eine Teil-Ganzes-Relation" hinzukomme (S. 171); KÜRSCHNER behandelt dies formal als Spezifizierung der Lokal-Relation, die er mit Hilfe eines Proverbs „ {sich befind, pars} " vornimmt (ebd.). Daß es unbefriedigend wäre, Bildungen dieser Art im Sinne einer Lokal-Beziehung interpretieren zu wollen, ist offenkundig, doch kann KÜRSCHNERS Lösung letztlich eben deshalb ebenfalls nicht zufriedenstellen; zudem bedeutet sie nicht wirklich eine Subklassifizierung der (möglicherweise lokalen) Relation A-B, sondern führt neben dieser eine Relation B-A ein (dies äußert sich auch in der Merkwürdigkeit des angesetzten Proverbs). Zu einer unter diesem Gesichtspunkt angemesseneren Lösung gelangt FANSELOW, indem er „Teil von" als eigenständige („Grund-")Relation einfuhrt (S. 157, 184f.)J) Allerdings wird hiermit wiederum die Beziehung des Zweitglieds zum Erstglied beschrieben, nicht diejenige des (determinierenden) Erstglieds zum Zweitglied. Die für die vorl. Untersuchung stattdessen gewählte Bezeichnung soll hier die richtige .Blickrichtung' herstellen. An den betr. Bildungen selbst zeigt sich jedoch, daß die Annahme der diskutierten Relation letztlich in jedem Fall problematisch bleibt.

§ 167

Altarplatte, Angelrute, Baumstamm 5, Beighang, Bühnenboden, Burghof, Burgverlies 3, Brunnentrog 6, Eisenbahnwagen 2, Fensterkreuz, Fensterrahmen, Fensterscheibe 2, Fenstersims 2, Floßstamm, Fußgelenk, Fußzehe, Gewehrlauf, Gutshof 2, Hagstange, Hasenschlegel, Heringskopf 2, Kasernenhof 3, Kellerboden, Kirchturm 6, Kniekehle, Kniescheibe, Kopfschwarte, Kttchenboden, Larvengesicht (Larve = Maske) 2, Mauerstein, Nasenloch, Ohrlappen, Pfahlschaft, Rahmenschenkel, Rehschlegel, Rockzipfel, Sägeblatt, Schädeldecke, Schaufelstiel, Schiffsmast 2, Schlittensprosse 2, Schloßwand, Schuhsohle 2, Stadelboden, Stammschwanz, Stuhlfuß, Torlinie 3, Trachtenwestlein, Türfutter 7, Türgestell, Türpfosten, Wasserleitungsrohr, Wehrstange, Wettbewerbsspiel

Die Zweitglieder bezeichnen tatsächlich jeweils einen Teil eines vom Erstglied benannten Ganzen, doch läßt sich die Beziehung zwischen den Konstituenten auch im Sinne von bereits früher behandelten Gruppierungen interpretieren, und es muß offenbleiben, ob die tatsächliche Auffassung dieser Kompp. durch den Sprecher/Hörer nicht eher diesen (allgemeineren) Beziehungen entspricht. So lassen sich Fälle wie Baumstamm auch im Sinne der Identitäts-Relation (in besonderer Ausprägung) auffassen (-> §§122-124), bei Bildungen wie Altarplatte, aber auch Gewehrlauf oder Kellerboden wäre an die Possessiv-Relation im Sinne der Zugehörigkeits-Beziehung zu denken (-> §§134-137), und Kompp. wie Fenstersims sind vielleicht eher zu den Bildungen mit Lokal-Relation (-• §§147-158) zu stellen. 1) Logisch-semantisch wird diese Relation diskutiert anhand der von FANSELOW so genannten „Scheindvandas" wie Baden-Württemberg (S. 116-123).

150

§168

Armeekorps 5, Artilleriehaufen, Artillerieregiment, Feldartillerieregiment 2, Grenzschutzformation, Heeresartilleriehaufen 2, Infanteriedivision 2, Infanterieregiment 4, Kavallerieabteilung, Landsturmbataillon, Landwehrregiment 2, Schützenabteilung

Bei den hier zusammengestellten Kompp. handelt es sich um die in § 7 2 erwähnten Bildungen, deren Zweitglied als (relationaler) Mengenbegriff aufgefaßt werden kann.

8. Merkmal-Relation §169

Die unspezifische Bezeichnung dieser Gruppe von Kompp. weist darauf hin, daß es sich dabei in bestimmtem Sinn um eine Restgruppe handelt: die Gemeinsamkeit ihrer Bildungen besteht darin, daß für deren unterschiedliche Teile sozusagen keine kleineren gemeinsamen Nenner gefunden werden können. Wie sich insbesondere an der ersten Untergruppierung zeigen wird, ist dies jedoch nicht im Sinne eines völlig unstrukturierten und inhomogenen Sammelsuriums zu verstehen. a) Erstglied bezeichnet

§170

Ausstattungsmerkmal

Auch die von den Erstgliedern der bereits behandelten Kompp. bezeichneten außersprachlichen Relate sind „Merkmale" des vom jeweiligen Grundwort Bezeichneten. Die dort vorliegenden Beziehungen können jedoch - wie geschehen — differenzierter und damit genauer als durch eine allgemeine Merkmal-Relation beschrieben werden, was zugleich bedeutet, daß der hier nun zu verwendende Merkmals-Begriff entsprechend enger gefaßt werden kann. Als Merkmal in diesem Sinn fungieren zunächst einmal solche Dinge, die einem anderen als „Ausstattung" zukommen. 1) Bei den Kompp., deren Erstglied derart ein Merkmal des vom Grundwort Bezeichneten benennt, kann dies in vielen Fällen als Umkehrung der Possessiv-Relation betrachtet werden (ihre Beschreibung als ,B besitzt A' verbietet sich allerdings, da dem eine sinnvolle Komposita-Beschreibung erst ermöglichenden Grundsatz Rechnung zu tragen ist, die einem Komp. zugrunde liegende Relation immer als vom (determinierenden) Erstglied definiert zu betrachten). a) Merkmal bezieht sich auf einfache

§171

Ausstattung

Ansichtskarte, Apfelkuchen 2, Bäckereigebäude, Bäckereikompanie, Bandsäge, Bandschleifmaschine, Bildwetterkarte, Birnenbrot, Birnenkuchen, Bockschlitten 2, Bollenhut 2, Brezelsuppe 3, Bruchwald, Butterbrot, Drahtseilbahn, Dreckweg, Düsenjäger 4, Eiernest, Eisschwimmer, Emailgeschirr 2, Erdölfeld, Federhütlein, Fischwasser 2, Fischweiher 3, Flakeinheit, Flügelmaschine, Flügelmine, Fransenkleidlein, Garnisonsstadt 2, Gasgranate, Gesälzbrot, Goldschnitt 3, Grasfeld 2, Hafenstadt, Hallenschwimmbad, Halmfrucht, Himmelbett, Hobelzahnsäge 5, Irrlichtgeist, Kachelofen 2, Kernobst, Kleisterpapier, Krämpenhelm, Kulturmensch, Laubholz, Lederkästlein, Lenkachswagen 2, Lichterbaum, Milchbrot, Motorboot 2, Moorbadstadt, Motorkarren, Motormäher 7, Motorpflug 2, Motorrad 35, Motorsäge 64, Motorspritze, Motorwagen, Musikball, Musikfest 4, Panzereinheit, Pechdraht 2, Pfarrdorf, Phosphorgranate, Planwagen, Polenhaus, Polstermöbel, Polstersessel 2, Pritschenwagen, Rehwieslein, Reisigprügel, Reisprügel 2, Reisschlag 2, Reisteil 2, Riegelfachwerk, Rüsselkäfer, Salzbrezel, Salzstengel, Salzwasser 2, Schattenseite, Schellennarr, Schimmelbatterie, Schmalzpflaster, Schmirgelpapier, Schneesturm, Seilbahn 3, Skijäger 3, Speckkuchen, Sprungfedermatratze, Stachelbeere 4, Stacheldraht 3, Steinobst, Stoppelfeld, Streuprügel 2, Tankzug 2, 1) Für die betr. Kompp. könnte daher der in der traditionellen Grammatik insbesondere zur Bezeichnung bestimmter Verben verwendete Begriff der „Ornativa" herangezogen werden, doch ist dieser jedenfalls auch nicht präziser als die hier gewählte Bezeichnung.

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Trachtengruppe 2, Trachtenkapelle, Trichterfeld, Vierscharpflug, Waldberg, Wasenried, Waldhügel, Zahneisen, Zahnrad 2, Zahnradbahn, Zweischarpflug 2, Zwetschgenkuchen, Zwiebelkuchen

Bei den hier zusammengestellten Kompp. nennt das Erstglied etwas, womit das vom Zweitglied Bezeichnete ausgestattet ist oder das dieses ,hat' bzw. das diesem .gehört'. Entsprechend den Bildungen mit zugrunde liegender Possessiv-Relation sind hierbei „gehören" und auch „haben" in einem weiten Sinn zu verstehen, der auch Bildungen wie Birnenbrot oder Brezelsuppe mitzuerfassen erlaubt, welche in expliziterer normalsprachlicher Paraphrase als ,Brot, das (als charakteristischen Bestandteil) Birne(n) enthält' bzw. entsprechend als ,Suppe, die Brezel(n) enthält' o.ä. zu umschreiben wären. 1) Im Unterschied zu anderen Kompp., die deshalb zu einer eigenen Untergruppierung zusammengefaßt sind (-»• §171), bezieht sich bei den hier behandelten Bildungen das Erstglied auf das einfache Vorhandensein des damit benannten Merkmals, nicht also auf ein Vorhandensein in quantitativ besonders ausgeprägtem Maße. Selbst für die Bezeichnung eines Hauses als Polenhaus reicht es aus, daß sich unter dessen Bewohnern ein Pole befindet.2) Hinzuzufügen ist allerdings, daß sich auch dies nicht immer eindeutig entscheiden läßt. Bei Moorbadstadt beispielsweise kann man der Ansicht sein, daß eine solche Benennung das Vorhandensein einer (natürlich relativen) ,Fülle' von entsprechenden Bädern voraussetzt. §172

Die zuletzt angeführte Interpretation von Moorbadstadt ist jedenfalls möglich, d.h. sie setzt nicht ihrerseits die Form ?Moorbäderstadt voraus; umgekehrt dürfte bei Polenhaus das Erstglied, das allerdings auch als Gen.Sg. verstanden werden kann, spontan als PI. aufgefaßt werden. Form — Sg. oder (zumindest scheinbarer', durch ein Fugenelement entstehender) PI. — und Inhalt — Ein- oder Mehrzahl — stehen hier also in Widerspruch zueinander, und es lassen sich hierfür weitere Bspp. nennen: Fischweiher, Stachelbeere3), Sprungfedermatratze usw. für singularische Form bei tatsächlich intendierter Mehrzahl, Hallenschwimmbad, Krämpenhelm, Pritschenwagen, Düsenjäger für pluralische Kodierung von tatsächlicher Einzahl."*) Der Frage der möglichen Plural-Bedeutung von Fugenelementen kann anhand der im Augenblick behandelten Kompp. deshalb besonders gut nachgegangen werden, weil bei deren im Erstgüed benannten Merkmalen die sachlich-logische Referenz auf Einoder Mehrzahl — sofern diese Unterscheidung überhaupt möglich ist — in aller Regel eindeutig feststellbar ist. Bei Brezelsuppe ist dies allerdings nicht der Fall; dieser Beleg wird daher in die folgenden Betrachtungen nicht mit einbezogen. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben Flakeinheit und Planwagen, und zwar ersteres deshalb, weil es sich bei dessen Erstglied um ein Abkürzungs-Wort (aus Flugabwehrkanone) handelt, das möglicherweise hinsichtlich der Verwendung eines Fugenmorphems besonderen Bedingungen 1) Kompp. dieser Art kann außersprachlich selbstverständlich auch ein Besitzverhältnis im juristischen Sinne zugrunde liegen. 2) Beim vorliegenden Beleg ist das tatsächlich der Fall, und dies ist überhaupt erst der Grund dafür, das Erstglied als Angabe eines Merkmals und nicht als solche eines Subjekts/Objekts im Sinne der unter Il.l.a. behandelten Bildungen aufzufassen. Im übrigen ist es eine interessante pragmalinguistische Frage, in welchen Fällen Benennungen nach diesem Muster erfolgen oder wann - anders formuliert - ein einziges abweichendes Element als in charakteristischer (und daher sozusagen namensfähiger) Weise merkmalhaft empfunden wird. 3) Da es nicht eigentlich die Beere ist, die Stacheln hat, ist diese (lexikalisierte) Bildung möglicherweise eher der Unteigruppierung II.7.b. zuzuordnen. 4) Daß es z.B. Düsenjäger auch mit mehreren „Düsen' (Triebwerken) gibt, spielt für die Argumentation keine Rolle, da bereits die Bezeichnung für das betr. Flugzeug mit nur einem Triebwerk nicht anders lautet.

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unterliegt, das andere deshalb, weil dessen mit e-Ausfall als Fugenmorphem 1) gebildetes Erstglied zwar als Nicht-Plural, aber damit noch nicht als Singular bestimmt werden kann, also hinsichtlich eines möglichen Numerus indifferent ist. Bei den dann verbleibenden 103 Bildungen dieser Gruppierung stellen sich die Verhältnisse hinsichtlich der Bestimmbarkeit des Numerus des Erstglieds wie folgt dar: Erstglied-Numerus 103 BeU. = 100% nicht gegeben bzw. nicht bestimmbar

bestimmbar

40 BeU. = 39%

63 Bell. = 61 %

Singular 48 Bell. = 47%

Plural 15 Bell. = 15%

Die Fälle, in denen dem Erstglied kein Numerus zugesprochen werden kann, sind einmal solche, in denen (Nom.) Sg. und PI. dieselbe Form aufweisen (Flügelmaschine, Polstermöbel, Riegelfachwerk usw.), häufiger jedoch solche, in denen das Erstglied ein Massenname und damit pluralunfähig ist (Emailgeschirr, Gesälzbrot, Laubholz usw.). Bei den Kompp. dieser Gruppierung mit numerusfähigem bzw. -bestimmbarem Erstglied liegt folgende Verteilung auf referentiell gegebene Ein- oder Mehrzahl vor: . . . Referenz-» Einzahl Erstglied+ Form Singular Plural

| i Mehrzahl

|

1 1 Ges.

'

29 BeU. = 60% i 19 BeU. = 40% j_48= 100% 5Bell.= 33%~[ 10 BeU. = 67%

| 15=100%

Dieser Auflistung zufolge sind die semantischen Beziehungen zwischen numerusbezogener Form des Erstglieds und dessen diesbezüglichem Inhalt in Fällen des Plurals relativ eindeutiger als in solchen des Singulars: steht — was insgesamt mit 15% der betrachteten Fälle (-*• erste Auflistung) selten ist — das Erstglied im Plural bzw. in einer Form, die sich als Plural deuten läßt, so referiert sie zwar bei weitem nicht durchgängig, aber immerhin in 2/3 der Fälle auch auf eine Mehrzahl; bei singularischer Form hingegen ist das Übergewicht für die entsprechende Einzahl-Bedeutung mit 60% : 40% schwächer ausgeprägt, und es wird durch die Tatsache, daß 8 Belege dasselbe Erstglied aufweisen (nämlich Motor-), zunächst noch weiter relativiert. Auch die beiden Zusammensetzungen mit Wald-, das auch im Sinne eines Massennamens aufgefaßt werden kann, wirken in dieser Richtung, während umgekehrt eine andere Interpretation von Moorbadstadt, welches hier als , Stadt mit Moorbädern' gewertet und gezählt ist, keine wesentliche Verschiebung der Verhältnisse bewirken würde. Geht man bei der Betrachtung nicht von der Form-, sondern von der Inhaltsseite aus, 1) ¿EPIC spricht hier von einem .negativen Morph" (S.26) und verweist in diesem Zusammenhang auf den von Hockett eingeführten Begriff des „subtractive morph" (ebd.); vgl. BERGENHOLTZ/MUGDAN, S.66f.

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fragt man also, in welchem Umfang jeweils Ein- oder Mehrzahl durch singularische oder pluralische Erstgliedform repräsentiert wird, so ergibt sich folgendes Bild: _ , ,. . Form-. Singular Erstglied* Referenz Einzahl Mehrzahl

j Plural

j Gesamt

|

I

29 Bell. = 85% 1 5 Bell. = 15% 1 3 4 = 100% 1 L—_ 19 Bell. = 65% 10 Bell. = 35% | 2 9 = 100%

Bei dieser Betrachtungsrichtung - welche der Richtung der (En-)Kodierung entspricht — geht die relative Eindeutigkeit der Beziehung zwischen Mehrzahl-Bedeutung und pluralischer Form verloren: die singularische Kodierung überwiegt in jedem Fall, bei Mehrzahl-Referenz im Unterschied zur Einzahl-Referenz lediglich nicht ganz so stark, doch wird auch intendierte Mehrzahl immerhin in rund 2/3 der Fälle durch singularisches Erstglied wiedergegeben. (Auch hier ist das relativ häufige Vorkommen ein und desselben Erstglieds bei den singularischen Formen mit Einzahl-Referenz zu berücksichtigen, d.h. die Quote der Übereinstimmung zwischen Einzahl-Bedeutung und singularischer Kodierung ist als eventuell tatsächlich etwas niedriger anzunehmen.) Beide Betrachtungsweisen zusammenfassend kann festgestellt werden: Bei denjenigen Kompp. dieser Gruppierung, deren Erstglied eine Numerusbestimmung zuläßt, hat das Erstglied in gut 3/4 der Fälle (48 von 63) die Form des Singulars. Hieraus ergibt sich bereits, daß auch bei Mehrzahl-Referenz des Erstglieds in der überwiegenden Zahl der Fälle singularische Form vorliegt, doch ist im Vergleich zu Erstgliedern mit EinzahlReferenz der Anteil pluralischer Formen mehr als doppelt so groß (35% gegenüber 15%). Der darin sich ausdrückende positive Zusammenhang zwischen Form und Inhalt - der auch als Ausdruck der Tatsache betrachtet werden kann, daß die als Plural-Anzeiger interpretierbaren Elemente bei Erstgliedern von Substantiv-Kompp. nicht nur reine Fugenmorpheme sind —, stellt sich etwas anders dar, wenn man von der Formseite ausgeht. Dann nämlich läßt sich feststellen, daß singularische Erstglieder nur in etwa 60% der Fälle, pluralische dagegen nun etwas häufiger, nämlich in 2/3 der Fälle die ihnen semantisch jeweils entsprechende Referenz aufweisen. Anders augsdrückt bedeutet dies, daß bei einem Komp. mit (merkmalhaftem) pluralischem Erstglied mit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, daß dieses auch auf eine Mehrzahl referiert, während umgekehrt für den Ausdruck einer Mehrzahl im Erstglied eines Komp. dennoch die singularische Form die wahrscheinlichere ist, im Vergleich zum Einzahl-Ausdruck allerdings doch die relativ weniger wahrscheinliche. An seine Untersuchung „Uber das Fugenmorphem bei Zusammensetzungen" hat ÄUGST einen „Korrelation zwischen Inhalt und Form des Furgenmorphems" überschriebenen „Exkurs" angeschlossen (S. 145-152), in dem der hier soeben untersuchten Frage nachgegangen wird. Die Untersuchung ist einerseits differenzierter und vor allem umfangreicher (es liegen ihr 2264 Zusammensetzungen mit allerdings nur 60 verschiedenen Erstgliedern zugrunde), andererseits jedoch auch eingeschränkter als die hier durchgeführte, da sie sich aus methodischen Gründen (s.d. S. 145f.) auf Erstglieder beschränkt, die ihren Plural mit -er (ggf. + Umlaut des Stammvokals) bilden. Die unmittelbare Vergleichbarkeit beider Untersuchungen ist dadurch zwar behindert, doch läßt sich unbeschadet hiervon eine Übereinstimmung in den Grundprinzipien des Befunds 154

feststellen. Auch ÄUGST, der sein Material aus (schriftsprachlichen) Wörterbüchern gewinnt, kommt zu dem Ergebnis, daß zwischen Form und Inhalt des Erstglieds bezüglich Singular : Plural und Einzahl : Mehrzahl ein Zusammenhang besteht (S.152), daß dieser in der Richtung Form-Inhalt deutlicher bzw. eindeutiger ist als in der Richtung Inhalt-Form (ebd.; vgl. dazu insbes. die Tabellen S.151) und daß vor allem bei Mehrzahl-Referenz des Erstglieds der Schluß auf die zu erwartende (Plural-)Form relativ unsicher ist (S. 151). Daß hierbei noch immer in 76% der Fälle Übereinstimmung zwischen Inhalt und Form besteht, in der umgekehrten Richtung gar in 91 % der Fälle, dürfte an der Auswahl der Erstglieder hegen, die ÄUGST — wie dargelegt — für seine Untersuchung vorgenommen hat. §173

Einige Bildungen bedürfen zum Verständnis ihrer Bedeutung bzw. zur Verdeutlichung derjenigen Interpretation, die zur Einordnung in die hier behandelte Gruppierung geführt hat, noch erläuternder Hinweise. Bruchwald kann als ,Wald, in dem es (Wind-)Bruch gegeben hat' aufgefaßt werden. (Wind-)Bruch wird jedoch auch als Bezeichnung des betr. Produktions-Objekts, also des durch Wind gebrochenen Holzes (im Sinne von Bäumen) verwendet, und dementsprechend wird das Komp. hier als ,Wald, in dem es (Wind-)Bruch gibt' interpretiert. Obwohl es als Normalform Seilbahn gibt, ist Drahtseilbahn nicht als dieses Komp. erweiternde Bildung (Draht-Seilbahn), sondern als Zusammensetzung der Komponenten Drahtseil und Bahn aufzufassen. Eisschwimmer bezeichnet einen mit Eis gefüllten Behälter, der zu dessen rascherer Abkühlung in frisch gesottenem Bier schwimmt. Eine Interpretation von Hallenschwimmbad als .Schwimmbad, das sich in einer Halle befindet' o.ä. würde der tatsächlich ja doch engeren als nur lokalen Beziehung zwischen den außersprachlichen Relaten der beiden Konstituenten nicht gerecht (vgl. im Unterschied hierzu z.B. Waldschwimmbad)-, die hier zugrunde gelegte Auffassung, die die Halle als ein Ausstattungsmerkmal des Schwimmbads begreift, ist daher vorzuziehen. Problematischer ist die Interpretation von Kulturmensch, doch dürfte auch hier letztlich die Vorstellung eines , Ausstattungsbesitzes' zugrunde liegen. Laubholz ist möglicherweise eher zu den elliptischen Bildungen (-*• II.8.C.) zu stellen, nämlich dann, wenn -holz synonym zu Wald begriffen wird, was zu einer Interpretation des Komp. als ,Wald, der aus Laubbäumen besteht' o.ä. führt. Die hier zugrunde gelegte Auffassung versteht indessen -holz synonym zu Baum/Bäume. Bei den Zusammensetzungen mit Motor- liegt an und für sich eine Auffassung nahe, die das Erstglied als Bezeichnung des betreibenden Instruments versteht; dies würde Zuordnung zu II.I.e. bedeuten, und zu dieser Gruppierung besteht hier tatsächlich ein fließender Übergang. Schlüsselwert für die Entscheidung gegen diese Zuordnung hat die Bildung Motorwagen-, dieses Komp. wird ganz überwiegend verwendet, um denjenigen Wagen einer Straßenbahn o.ä. zu bezeichnen, der sich dadurch auszeichnet, daß er einen Motor .besitzt'. Dem scheint der unmittelbare Sinn dieses Komp. zu entsprechen: es meint nicht den von einem Motor angetriebenen, sondern einfach den einen Motor habenden (und so selbst eine Antriebseinheit darstellenden) Wagen. Daß diese Inter155

pretation auf manche der anderen Motor-Zusammensetzungen nicht ohne weiteres im vollen Umfang übertragbar ist, entspricht dem bereits festgestellten Übergang dieser Bildungen in eine Gruppierung anderen Interpretationsmusters. Reisprügel ist dasselbe wie Reisigprügel-, beide Bezeichnungen meinen den vom Reisig befreiten, also ,Reisig gehabt habenden' Prügel, und analog hierzu ist auch Streuprügel zu verstehen, das sich auf Äste vom Laubbaum — vom Laub befreit, das als Streu verwendet wird — bezieht. Der Tankzug ist ein ,Tanklastzug' und kann deshalb als elliptische Bildung bzw. „Klammerform" (s. DUDEN, §4670) betrachtet werden. Die Annahme einer mit bzw. nach dem Wortbildungsprozeß stattfindenden Ellipse ist hier jedoch nicht unbedingt erforderlich, da bereits Lastzug zu Zug verkürzt und dann in dieser Form zur Basis des Komp. werden kann. Stärker noch unterscheidet sich diese Bildung von solchen Fällen der „Klammerform", in denen der wegfallende Teil Grundwort des seinerseits zusammengesetzten Erstglieds ist (DUDEN-Bsp. Öl(baum)zweig). Im Unterschied zu solchen Kompp. ergibt sich bei Tankzug auch in nicht-elliptischer Auffassung eine mögliche (und richtige) Interpretation. Die Bezeichnung Zahnradbahn bezieht sich auf das eine, direkt dem Antrieb dienende Zahnrad, das diese Art von Bahn gegenüber anderen merkmalhaft auszeichnet. ß) Merkmal bezieht sich auf mehrfache Ausstattung § 174

Bauerndorf 2, Bauerngegend, Fremdenort, Händlerdorf, Heidelbeerberg, Industriestadt, Spiegelsaal, Stubensandsteingebiet, Verbanntenstadt, Weinbaumarkung, Weinberg 10, Wiesental

Der nicht scharf abgrenzbare Unterschied dieser Untergruppierung zur vorigen ist insofern außersprachlicher Natur, als er sich auf die Frage bezieht, unter welchen Bedingungen etwas als charakteristisches Merkmal von etwas erscheinen kann, nicht hingegen auf die Frage, wie eine bestimmte Art von Merkmal sprachlich behandelt wird. Das Gemeinte läßt sich am Bsp. Spiegelsaal verdeutlichen: natürlich kann so auch ein Saal bezeichnet werden, in dem sich ein Spiegel befindet, doch dürfte das Faktum einer solchen Ausstattung allein normalerweise nur bei einer mit diesem Spiegel verbundenen besonderen Bewandtnis für eine derartige Bezeichnung ausreichen. Im Normalfall hingegen werden sich Benennung und Verständnis von Spiegelsaal auf die Tatsache einer besonders reichhaltigen Ausstattung mit Spiegeln beziehen.

b) Erstglied bezeichnet sonstiges Merkmal §175

Alteisenmann, Ausbildungskompanie, Ausstellungsstück, Bahnhoflouis (Bahnhofbeamter), Berufsfachschaft, Berufsgenossenschaft, Bewegungskrieg 2, Bierzelt 5, Bierhefe, Brennpunkt 2, Buschobst 2, Christbaum, Dampfnudel, Darlehenskasse 12, Doktorarbeit 2, Durchgangslager, Eisdiele, Fabrikfrau, Fachausdruck, Fachgruppe 3, Fachmann, Fachrechnen, Fachschule 3, Fachzeichnen, Fallkerbe 13, Farbentaube 2, Faßwein, Felgenbremse, Festessen, Festgottesdienst, Festmusik, Festrede 2, Festspiel 5, Festtrubel, Festwagen 5, Festzug 4, Flaschenwein, Geduldspiel, Geldmensch, Geräteturner 2, Geschäftsfreund, Geschäftsreisender, Gesellschaftsspiel, Grabenkrieg, Großmutterkind, Hakenmann, Handweber, Handwerksklasse, Hausaufgabe 3, Hausfrau 4, Hausierhandel 3, Herdenbub, Holzmann, Kaffeetante, Kaisermanöver 5, Kaiserparade 2, Kirchenlied 3, Kopfgeld, Korbflasche 3, Krämpenmann, Krankenschwester, Kreditkasse, Kühbub, Kuhbub 3, Laufschritt, Laugenbrezel, Logisherr, Lohnmetzger, Lohnmühle, Luftwaffe 2, Maschinenarbeit, Maschinensticker, Maschinenzeichner, Maskenball, Materialschlacht, Militärverein, Moorbad, Nachschuboffizier, Pachtacker, Pachtgeld, Panzergranate 2, Passantenbetrieb, Pfannkuchen,

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Pfmgstschimmel 3, Postkarte, Preismaskenball 2, Preisspiel 2, Profilhobel, Punktspiel, Quartierfrau, Religionsgemeinschaft, Rittersaal 2, Rostbraten, Schautaube, Schichtarbeiter, Schnitternte, Schularbeit, Schulaufgabe, Schulbub, Schulbus 2, Schulfreundin, Schulkind 6, Schulmädchen, Schulschwester, Seilmann S, Sicherheitsglufe, Sicherheitsnadel 2, Silofutter, Steigerungslauf, Stellungskrieg 2, Stempelgeld 2, Stilmöbel 4, Strukturtaube, Sturmlaterne, Tanzfahrt 2, Taufpate, Tischtennis (Verein) 2, Todesunfall, Tormann 2, Trauermarsch, Tropfstein 2, Turmfalke 2, Ukrainetruppe, Verdienstmedaille, Vertrauensmann, Vierfelderwirtschaft, Wasserschloß, Weidevieh, Weltkrieg 35, Wunderdoktor, Zuchtmann

Die bereits in § 169 getroffene Feststellung, daß es sich bei der unter dem Titel „Merkmal-Relation" behandelten Gruppierung (auch) um so etwas wie eine Restgruppe handelt, gilt besonders bezüglich der hier dargestellten Untergruppierung. Die darin zusammengefaßten Bildungen haben untereinander und mit den anderen Kompp. dieser Gruppe gemeinsam, daß es sich um Bezeichnungen handelt, die eine , Sache' durch Angabe eines dafür charakteristischen, im übrigen jedoch beliebigen, d.h. letztlich nicht weiter systematisierbaren Merkmals näher spezifizieren. Die Tatsache dieser Beliebigkeit und Nicht-Systematisierbarkeit schließt die Möglichkeit, innerhalb der betr. Bildungen einzelne Gruppierungen nach Maßgabe spezifischer Gemeinsamkeiten der Erstglieder bilden zu können, nicht aus, doch bedeutet sie, daß die zwischen Merkmal und seinem Träger bestehende Beziehung nicht unabhängig von diesem Träger beschrieben und nur sehr begrenzt generalisiert werden kann. Konkret ausgedrückt: während jedes Ding eine bestimmte Zeit, einen Ort seiner Existenz hat usw., muß etwas eben z.B. ein Braten sein, um auf einem Rost gebraten werden zu können (Rostbraten), muß es eine Frau - innerhalb eines bestimmten Kulturkreises — sein, um durch die ,im Haus' ausgeübte Tätigkeit bestimmt werden zu können (Hausfrau) usw.l) Auf eine Zusammenstellung derartiger Gruppierungen wird hier ebenso verzichtet wie auf eine Diskussion der einzelnen Merkmale oder Merkmalsarten, deren sehr unterschiedliche Natur auch bedeutet, daß im einzelnen Fall für ein Komp. auch die Zuordnung zu einer der bislang dargestellten Gruppen erwogen werden kann. Auch und besonders zu den in der nächsten Untergruppierung behandelten elliptischen Bildungen besteht ein fließender Übergang, der vor allem daraus resultiert, daß viele dieser Kompp. auf mehr oder weniger idiomatisierte syntaktische Ausdrücke zurückgehen. Als Bsp. hierfür sei Punktspiel (aus/für Spiel um Punkte) angeführt. Die Kompp. sind sozusagen Kurzformen dieser syntaktischen Ausdrücke, mit denen sie das Merkmal schwächer oder stärker ausgeprägter Fachsprachlichkeit gemein haben. Aus der beschriebenen Beliebigkeit des als Bestimmungsstück fungierenden Merkmals folgt für alle Bildungen dieser Gruppierung, daß ihr Verständnis bei fehlender Sachkenntnis zumindest nicht gesichert ist, wiewohl ihre Bildungsweise „durchsichtig" ist. 1) Der angedeutete Unterschied stimmt insoweit mit der Unterscheidung überein, wie sie FANSELOW zwischen „Grundrelationen" und „erschlossenen Relationen" trifft. Diese Unterscheidung erläutert er u.a. mit dem Hinweis darauf, daß das Erlernen der Bedeutung z.B. von Hammer oder Nagel u.a. bedeutet, sich Form, Funktion usw. der damit bezeichneten Dinge einzuprägen, daß man dabei jedoch nicht lernen müsse, „daß deren Denotata eine lokale Position haben, daß sie auch zu anderen Wortdenotaten gehören können, daß Hämmer und Nägel aus etwas gemacht sind usw." (S.158) Daß man mit einem Hammer auf etwas schlägt, wird also mit dem Erwerb der Bedeutung von Hammer gelernt und läßt sich dann - so FANSELOWs Gedankengang - z.B. beim Komp. Niethammer [Bsp. von mir] aus dieser Bedeutung als zwischen Niete und Hammer bzw. deren jeweiligen Denotaten bestehende Relation „erschließen" Diesen Zusammenhang meint FANSELOW, wenn er - hiervon die „Grundrelationen" abhebend - an der zitierten Stelle fortfährt: „Während also die erschlossenen Relationen etwas sind, was beim Erlernen der Bedeutung der Worte erst erworben werden muß, so handelt es sich bei den Grundrelationen um unabhängig von der Bedeutung einzelner Worte konstituierte Organisationsprinzipien der Wahrnehmung etwa und der semantischen Klassifikation." (Ebd.)

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c) Elliptische Bildungen §176

Daß die elliptischen Bildungen als Untergruppierung der Kompp. mit Merkmal-Relation aufgefaßt sind, entspricht dem Zustand, in dem sie sich nach dem Fortfall des von der Ellipse betroffenen Teils darbieten. Der Einwand, daß dies nur die Oberflächenform dieser Kompp. darstelle, deren für ihr Verständnis wie für ihre Beschreibung ausschlaggebende Tiefenstruktur demgegenüber der „vollständigen", nicht-elliptischen Form entspreche, ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Allerdings ist hier auch Vorsicht geboten. Der Redeweise von einer vollständigen Form kommt insofern suggestive Wirkung zu, als sie den Schluß auf die wirkliche Existenz einer solchen Form zumindest im Sinne ihrer verständnisleitenden Wirksamkeit nahelegt. Dieser Schluß muß nicht richtig sein. Tatsächlich ist es vielmehr so, daß zu jeder als elliptisch erscheinenden Form selbstverständlich eine entsprechende nicht-elliptische, „vollständige" gebildet werden kann; in manchen Fällen sind auch beide Formen im Korpus nebeneinander belegt (so etwa Unfallvorschrift und Unfallverhütungsvorschrift), in anderen kann neben einer belegten elliptischen Form (Wirtstisch) eine nicht belegte „vollständige" (Wirtshaustisch) als sicher sprachüblich gelten, in wieder anderen kann davon ausgegangen werden, daß eine „vollständige" der elliptischen Form vorausgegangen und dann im Lauf der Sprachentwicklung zu dieser verkürzt worden ist (so z.B. Ganzleinenband, das aus Ganzleineneinband entstanden ist — allerdings ursprünglich auch eben den Einband (und nicht das Eingebundene) meint 1)). In keinem dieser Fälle ist jedoch zwingend vorauszusetzen, daß das Verständnis der elliptischen Form auf demjenigen der „vollständigen" basiert oder ihm entspricht. Die Bedeutungsverschiedenheit von Ganzleinenband und Ganzleineneinband ist hierfür ein deutliches Indiz, und auch bei den anderen elliptischen Bildungen scheint die Annahme plausibel, daß ihr Verständnis (bei Sprecher und Hörer) der realisierten „verkürzten" Form entspricht, daß also etwa Unfallvorschrift in durchaus etwas diffuser, für die pragmatisch-praktischen Erfordernisse der Kommunikation aber hinreichend genauer Weise als .Unfälle betreffende Vorschrift' o.ä. aufgefaßt wird. Das entspricht dann aber genau den bei Kompp. mit zugrunde liegender Merkmal-Relation vorfindlichen Verhältnissen und ist der Grund dafür, die elliptischen Bildungen eben diesen zuzuordnen.

§177

Akkordsatz 4, Bedarfsartikel, Bezirksvorsteher, Bildröhre, Breitwandszene, Damenschneiderei, Dampfkolonne, Dreibockheinze, Edelpappband 2, Erntekrone, Emtetag, Erntetanz, Familienhochzeit, Fasnetkiste 2, Fernsehapparat 8, Feuerreiter 2, Floßweiher, Forsthaus 2, Ganzleinenband, Ganzpergamentband, Gummiwagen 6, Halblederband, Halbleinenband, Hammellauf, Harzhütte, Haselstecken, Hefekranz 3, Heimatschein 3, Herrenschneiderei, Hochwald 2, Holzplatz, Holzwagen, Infrarotstrahler, Jahresabschluß, Johanniswein, Jugendjahr, Kaffeefahrt 2, Kameradenmarsch, Kiesfahrt, Kraftfahrer 2, Kreispräsident, Kreispräsidium, Kundenschuhmacher, Landjahr, Laubwald 2, Lederband, Leimofen, Maschinengewehrhauptmann, Milchhaus, Möbelflaute, Mondwanderung, Narrenschneider, Naturbauten, Naturdoktor, Naturheildoktor, Obstleiter, ölsame, Osterplatz, Posaunenchor 2, Radiosondenstation 2, Rauchtisch, Rollschuhbahn 2, Rundfunkgerät, Säckleinbrief 11, Säckleinbub, Schaltjahr, Schnürtrog, Schwefelbad 4, Skihütte 2, Skilift 2, Sommeresch 2, Sommerflur 2, Steuerplattei, Stöckelschuh, Streichorchester, Strohbank 2, Strohstuhl (Gerät) 3, Sturmholz 5, Tanzkapelle, Theatermiete, Tonband, Tonbandgerät, Torchance, Trockenlöschanhänger, Unfallvorschrift, Viermeterball 2, Währungsstichtag, Wechselwirtschaft, Weingelände, Wetterfernschreibkanal, Wetterschlüssel, Winteresch 2, Winterflur, Wirtstisch 2, Zeichenblock

1) Nach Auskunft der DUDEN-Etymologie steht Band „im 17Jh. zuerst für den .Einband', dann für .Eingebundenes'."

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Wie bereits zu Ende von § 172 auch für die im Augenblick behandelten Bildungen angemerkt, ist deren Verständnis aufgrund ihrer Bildungsweise bei fehlender Sachkenntnis nicht unbedingt gesichert. So nimmt es nicht wunder, gerade unter den elliptischen Kompp. einen besonders hohen Anteil solcher Bildungen zu finden, die einer Erläuterung bedürfen. Solche Erläuterungen werden im folgenden gegeben, jedoch nur soweit, wie sie unmittelbar für das Verständnis der betr. Bildung oder zur Begründung für deren zugrunde gelegte elliptische Interpretation erforderlich sind. Der Verzicht auf darüber hinausgehende Erläuterung und Diskussion bedeutet auch und insbesondere, daß eine systematische Untersuchung dessen, was in diesen Kompp. elliptisch fortgelassen wird bzw. werden kann, hier nicht unternommen wird. Eine solche Untersuchung würde weit in die Pragmatik auszugreifen haben. Bedarfsartikel läßt sich nicht als .Artikel des Bedarfs' o.ä. umschreiben, vielmehr bezeichnet es ,Artikel des [sog.] täglichen Bedarfs', und auch diese Beschreibung der gemeinten Sache ist eine verkürzte (idiomatisierte), sie hätte vollständig , Artikel zur Befriedigung des täglichen Bedarfs' zu lauten. Daß hiervon das genannte Komp. sozusagen .übrigbleibt', demonstriert augenfällig, daß es berechtigt ist, diese Bildungen der Gruppe mit zugrunde liegender Merkmal-Relation zuzuordnen. Bezirksvorsteher ist gemeinsam mit Kreispräsident und Kreispräsidium zu sehen; für alle drei Fälle (sowie nicht belegte entsprechende) wird von einem Ausfall von -verband(s)- ausgegangen. Breitwandszene ist zu Breitwandfilm gebildet (das seinerseits bereits elliptisch ist, da-wand darin für Leinwand steht). Dampfkolonne bezeichnet eine mit einer Dampfmaschine (nämlich einer dampfgetriebenen Straßenwalze) ausgestatteten Baukolonne. Die Dreibockheinze ist eine dreifüßige Bockheinze (d.i. ein Trockengestell für das Heu), d.h. es handelt sich in „vollständiger" Bezeichnung um eine Dreifuß-Bockheinze. Daß -fuß hierbei ausfallen kann, ist nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil dadurch die spontan empfundene (und nicht durch Sachverstand gesteuerte) Segmentierungsgrenze verschoben wird: das Komp. wird spontan als Dreibock-heinze aufgefaßt, was daher rührt, daß ein Zahlwort normalerweise nicht als unmittelbares Bestimmungsstück eines Substantivs fungieren kann — mit Ausnahme von Nomina agentis, welche Zusammensetzungen wie Dreisprung (,aus drei Einzelsprüngen bestehender Sprung'), Fünfkampf (,aus fünf Einzelwettbewerben bestenhender Wettkampf') 1 ) usw. zulassen —, so daß Dreibockheinze analog zu Einschienenbahn, Dreifarbendruck, Fünfzimmerwohnung usw. empfunden wird. Die soeben genannten Bildungen führt FLEISCHER (neben anderen) an, der auch ihre Eigenart von zwei Seiten her beschreibt: „Die erste unmittelbare Konstituente existiert frei nicht als Wort, sondern als Wortgruppe" (S.91), und: „Die Numeralia [...] beziehen sich nur auf das unmittelbar folgende Substantiv und bilden mit ihm zusammen die erste unmittelbare Konstituente der Zusammensetzung" (S.91 f.). Erntekrone heißt ein im Brauchtum des Erntedankfestes verwendetes Strohgebilde: was 1) Ganz anderes hingegen Zweikampf = .zwischen zwei Personen ausgetragener (Wett-)Kampf. Diese Bildung ist - im Unterschied zu Fünfkampf usw. - wiederum elliptisch, außerdem lexikalisiert und in hohem Grade idiomatisiert, was daran ablesbar ist, daß analoge Neubildungen - etwa Dreikampf in der Bedeutung .Kampf zwischen drei Personen ' - regulär nicht möglich sind.

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hierbei als elliptisch ausgefallener Bestandteil anzunehmen ist bzw. ob hier überhaupt Ellipse angenommen werden soll, ist wesentlich schwieriger zu beantworten als bei Erntetag, das jedenfalls, Erntedanktag' meint; auch Erntetanz kann relativ zweifelsfrei als elliptische Bildung betrachtet werden, welche den ,Ernte(dank)festtanz' bezeichnet. Familienhochzeit steht im Gegensatz zur Dorfhochzeit, benennt also die nur im Familienkreis veranstaltete Hochzeit(sfeier). Fasnetkiste ist eine individuelle Benennung, die der Sprecher zur Bezeichnung einer Kiste, in der er seine Fasnet-Utensilien aufbewahrt, verwendet. Floßweiher könnte - abgesehen davon, daß es am Ubergang zum Namen steht auch als der zuvor behandelten Gruppierung zugehörig betrachtet werden; gemeint ist ein Weiher, in dem Baumstämme für den Transport zu Flößen zusammengestellt werden. Beim Forsthaus handelt es sich um ein in Staatsbesitz befindliches Gebäude, das von der Forstverwaltung dem Förster als Wohnung und Diensträumlichkeit zur Verfügung gestellt wird; eine mögliche „vollständige" Form dieser Bezeichnung wäre somit Forstverwaltungsdiensthaus. Gummiwagen steht für einen mit gummibereiften Rädern ausgestatteten Wagen; ihm entspricht Holzwagen für einen Wagen mit Holzrädern. Auch bei diesem Komp. ist die Ellipse (von am ehesten wohl singularischem -rad-) jedenfalls bemerkenswert, da die so entstehenden Bildungen mehrdeutig sind und bei isolierter Betrachtung eine ganz andere Interpretation nahelegen (bei Gummiwagen dürfte am ehesten an einen Wagen zum Transport von Gummi gedacht werden, bei Holzwagen an einen aus Holz bestehenden). Auch Hammellauf führt das unmittelbare, nicht von der Kenntnis der gemeinten Sache geleitete Verständnis in die Irre, was jedoch in diesem Fall nicht an der elliptischen Verkürzung liegt; vielmehr geht auch aus der „vollständigen" Bildung Hammelwettlauf nicht hervor, daß das Erstglied den Preis benennt, um den es bei diesem Wettlauf geht. 1 ) Harzhütte bezeichnet eine Hütte, in der man sich während Pausen beim Harzen, d.i. beim Harzsammeln, aufhalten kann. Hefekranz kann auch als nicht-elliptisch aufgefaßt werden, nämlich dann, wenn -kränz innerhalb des Komp. als gleichbedeutend mit-kuchen und zugleich Hefekuchen analog zu Apfelkuchen usw. angesehen wird (-• hierzu § 146); etwas näher scheint hingegen zu liegen, die Zusammensetzung als verkürzte Form zu Hefeteigkranz zu betrachten. Heimatschein ist nicht deshalb als elliptisch eingeordnet, weil -schein im Sinne von ,-berechtigungsschein' fungiert, sondern deshalb, weil das, wozu dieser Schein die Berechtigung dokumentiert, der Urlaub in der/das Zurückkehren in die Heimt o.ä. ist, also ein Tun, das im Komp. selbst keinen Ausdruck findet. Hochwald ist der aus hochstämmigen Bäumen bestehende oder der .hochstämmige Wald'. Johanniswein ist am Johannistag geweihter Wein, also .Johannistagswein'. Jugendjahr bezeichnet das .Jugend(arbeitsdienst)pflichtjahr' während der Zeit des Nationalsozialismus. 1) In gleicher Weise gebildet und mit derselben Problematik behaftet ist z.B. Hammeltanz. Diese Bezeichnungen stehen am Übergang zu Namen.

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Kameradenmarsch unter die hier behandelten elliptischen Bildungen aufzunehmen ist sicher problematisch; gemeint ist das Marschlied Ich hatt' einen Kameraden, dessen hier vom Sprecher gewählte Bezeichnung sicher eine verkürzende Bildung darstellt, die jedoch vielleicht eher zu den Namen-Kompp. §§181 f.) gestellt oder als besondere Bildungsweise behandelt werden sollte. Kraftfahrer erscheint als elliptisch, wenn es als ,Kraftwagenfahrer' aufgefaßt wird; möglich ist allerdings auch, diese Bezeichnung als Analogiebildung eben zu Kraftwagen anzusehen, in welcher dann das Erstglied Kraft- mehr oder weniger präfixoiden Charakter hätte. 1 ) Kundenschuhmacher ist als Bezeichnung des von Haus zu Haus bzw. von Kunde zu Kunde gehenden Schuhmachers verwendet; seine Aufnahme unter die elliptischen Bildungen ist in ähnlicher Weise wie die von Kameradenmarsch problematisch. Landjahr entspricht in der Sache dem Jugendjahr: es bezeichnet das zur Zeit des Nationalsozialismus für Mädchen bestehende Pflichtjahr für Arbeit auf dem Lande. Maschinengehwehrhauptmann wird vom Sprecher als Bezeichnung für den Hauptmann einer Maschinengewehrkompanie — also einer mit Maschinengewehren ausgestatteten Abteilung - verwendet; das Motiv für die Bildung dieser elliptischen Zusammensetzung ist ein doppeltes, nämlich die Vermeidung einer übermäßig langen Bildung (Maschinengewehrkompaniehauptmann), welche zudem in sich unübersichtlich ist, da es nicht auf Anhieb gelingt, -kompanie- sicher der ersten oder zweiten unmittelbaren Konstituente des Gesamtkomp, zuzuordnen. Naturbauten sind ,Natursteinbauten', also aus Natur-, nicht aus Ziegelsteinen o.ä. errichtet. Naturdoktor ist ,elliptischer' als Naturheildoktor, das jedoch seinerseits ebenfalls nicht „vollständig" ist, sondern als elliptische Bildung für ,Naturheilkundedoktor' angesehen werden kann: Naturdoktor ist entweder als weitere Verkürzung zu betrachten, kann aber auch auf direktem Wege erklärt werden, nämlich so, daß Natur- als Angabe eines Merkmals fungiert, dabei aber selbst den Charakter eines Kürzels trägt und als solches am Ubergang zu einem präfixoiden Element steht. Ölsame ist,Ölfruchtsame'. Osterplatz wird als Bezeichnung eines Platzes, an dem zu Ostern Spiele stattfinden, verwendet, meint also ,Osterspielplatz'. (Die Vermeidung dieser „vollständigen" Form liegt wegen der Bedeutungskollision mit Spielplatz, das mit semantischer Verengung bereits besetzt und lexikalisiert ist, nahe.) Der Säckleinbrief meint den — in dieser Form ebenfalls belegten — ,Säckleinstreckerbrief, d.i. einen Brief, der beim Brauch des Säckleinstreckens eine nicht unwesentliche Rolle spielt; entsprechend ist Säckleinbub ,Säckleinstreckerbub', also ein bei diesem Brauch Beteiligter. Schaltjahr meint das einen zusätzlich „eingeschalteten" Tag enthaltende Jahr, es ist somit,Schalttagjahr'. Schwefelbad steht als Bezeichnung für ein schwefelhaltiges Heilbad, meint also ,Schwefelwasserbad'. 1) Dies nicht zuletzt deshalb, weil Kraftwagen seinerseits als demotiviert zu gelten hat. (Es handelt sich dabei - ebenso wie bei Kraftfahrzeug - um ein künstlich gebildetes Wort zum Ersatz von Automobil, das nach Auskunft von KLUGEs „Etymologischem Wörterbuch" seit 1917 „amtlich eingeführt" ist, sich jedoch im normalen Sprachgebrauch nicht durchsetzen konnte.)

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Beim Schnürtrog handelt es sich um ein (früher) vom Zimmermann verwendetes Behältnis zum Färben von Schnur/Schnüren mit Hilfe von Kohlenstaub; die „vollständige" Form bzw. die Bedeutung des Komp. ist mithin ,Schnürfärbetrog'. Sommeresch wie Sommerflur bezeichnen Landstücke, auf denen Sommerfrucht/ -getreide angebaut wird; sinngemäß dasselbe gilt ftir Winteresch und Winterflur. Strohbank und Strohstuhl stehen für dieselbe Sache, nämlich ein Gerät zum Binden von Stroh (für das Dachdecken); elliptisch fortgelassen ist also -bindetn)-. Theatermiete meint ,Theaterplatzmiete'. Währungsstichtag ist der Stichtag für die Währungsreform. Bei Wechselwirtschaft, das die Landbewirtschaftung mit Fruchtwechsel benennt, ist im Gegensatz zu Strohbank der verbale Bestandteil erhalten, hingegen das Objekt, auf das die betr. .Tätigkeit' gerichtet ist, elliptisch gekürzt. Als Wetterfernschreibkanal wird von einem beruflich einschlägigen Sprecher der für die Datenübermittlung zu den Wetterämtern bestimmte Fernschreibkanal bezeichnet; es liegt nahe (ist allerdings nicht zwingend), das Komp. als elliptische Form für ,Wetteramt(s) fernschreibkanal' anzusehen. Wetterschlüssel wird vom selben Sprecher verwendet, und zwar für den Code der Übermittlung von Wetterdaten zwischen Wetterämtern; als elliptisch wird es hier nicht wegen des Ausfalls von Übermittlung/ Übertragung o.ä. angesehen (dies ist vielmehr in -schlüssel im Sinne von -code als inhärenter Bestandteil enthalten), sondern wegen des Fehlens von -daten, da schließlich nur solche übertragen werden können; die gedachte „vollständige" Bildung wäre also Wetterdatenschlüssel. Allerdings erscheint es als mindestens ebenso gut möglich, Wetterschlüssel aufgrund der inhärenten Merkmale von -schlüssel als selbständiges Komp. zu betrachten, dessen Erstglied als Referenzobjekt fungiert (also Gruppierung 1.1 .b.). Zeichenblock ist als ,Zeichenpapierblock' aufgefaßt, also als ,Block, der Zeichenpapier enthält' (nicht hingegen als ,Block zum Zeichnen' o.ä.).

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III. BESONDERE ASPEKTE

§178

In dieser Gruppe sind Kompp. zusammengestellt, die am Übergang zur Derivation stehen, also jene, deren Erstglied „präfixoiden" bzw. deren Zweitglieder „suffixoiden" Charakters sind (-»• hierzu § 179 bzw. § 181). Insofern es sich hierbei um einen Übergang zwischen den beiden grundsätzlich unterscheidbaren Wortbildungsarten handelt, also um Erscheinungen, die in einem präzisen Sinn weder der einen, noch der anderen ohne weiteres zuzurechnen sind, ist ihre Behandlung prinzipiell sowohl im Zusammenhang der Komposition als auch im Zusammenhang der Derivation möglich. Allerdings ist festzustellen, daß dieser Übergang sprachgeschichtlich natürlich eine bestimmte - und immer dieselbe - Richtung hat, nämlich die vom selbständigen Lexem zum nur noch gebunden vorkommenden Morphem. Auch in synchronischer Betrachtung kann dip Tatsache des Übergangs nicht als in sich ruhender Schwebezustand aufgefaßt werden, und zwar dies nicht zuletzt deshalb, weil dies den Prozessen normalen Sprachverstehens wie den Gegebenheiten naiven Sprachbewußtseins keine Rechnung trüge: unter der Voraussetzung, daß ein Zusammenhang überhaupt (bewußt oder unbewußt) realisiert wird, geht das Verständnis „prä-" und „suffixoider" Elemente vom jeweils entsprechenden selbständigen Wort aus, nicht jedoch umgekehrt. Aus diesen Gründen scheint es plausibler, die betr. Bildungen von dem her, was sie (im dia- wie im synchronischen Sinn) zunächst sind, zu beschreiben, sie also in den Zusammenhang der Komposition zu stellen. Dies entspricht im übrigen der Auffassung, daß allgemein eine gemeinsame Sicht und möglicherweise Beschreibung der Kompositions- und Derivationsprozesse nur von ersteren her möglich sein kann.

1. Komposita mit präfixoidem Erstglied §179

In den Innsbrucker Wortbildungsuntersuchungen wird die Bezeichnung „Präfixoid", die zunächst mehr oder weniger beiläufig eingeführt worden ist,^) schließlich wie folgt definiert: „Mit diesem Terminus werden Wortbildungssegmente wie hoch- bezeichent, die im Unterschied zu den Präfixen (z.B. ur-) ein gleichlautendes Lexem (das Adj. 1) Daß diese Bildungen in den Innsbrucker Wortbildungsuntersuchungen (= DW) bei den Ableitungen behandelt sind, dürfte letztlich in der Entstehungsgeschichte dieser Untersuchungen, also konkret in deren Beginn mit dem Bereich der Derivation begründet sein. 2) In seiner Einführung in diese Untersuchungen spricht ERBEN von „starktonigen ,Verbzusätze[n]', die unter bestimmten syntaktischen Bedingungen ihre formale Bindung zum Verb lösen können"; diese „haben am modifizierenden Ausbau des Verbbestandes [. . .] starken Anteil, ja sie stehen mehr oder weniger in einem systematischen Zusammenspiel mit den schwachtonigen Präfixen, während sie in ihren ursprünglichen, besonders raumbezogenen Verwendungsweisen z.T. von adverbialen Partikeln entlastet werden, die höchstens als .Präfixoide' zu bezeichnen sind und daher hier nur am Rande vermerkt werden (vgl. hinab-rollen neben ab-rotten, hinab-schreiten nebenabschreiten)." (DW 1, S.13.)

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hoch) neben sich haben, ohne daß die Bildungen der Reihe (hochaktuell, hochanständig, hochinteressant) semantisch ganz aus ihm erklärt werden könnten, und die außerdem eine funktionale' Annäherung, ja Einbeziehung in das System der deutschen Präfixe erkennen lassen, ,die etwa der Grammatikalisierung und Integration der sog. .„Hilfsverben"' ins Flexionsparadigma vergleichbar ist' [...]."!) Die auf die Kombination von „Präfixoiden" mit adjektivischen Zweitgliedern bezogene Definition läßt sich problemlos auf die Kombination mit Substantiven übertragen. Da „Präfixoid"-Bildungen in der vorl. Untersuchung prinzipiell nicht als Ableitungen, sondern als Zusammensetzungen aufgefaßt sind, können als „präfixoid" auch Elemente betrachtet werden, deren „funktionale Annäherung" an die tatsächlichen Präfixe von einer „Einbeziehung" in deren „System" noch recht weit entfernt ist. Abschlußzeugnis, Akkordsägen, Akkordsäger, Akkordschaffen, Atombombe, Aushilfsdienst, Aushilfskoch, Aushilfskraft 2, Aushilfsposten, Aushilfsstelle, Berufsschauspieler, Berufssoldat, Blitzmädlein, Dauerbrezel, Ehrenmitglied 2, Ehrenpreis, Ehrensold, Endherrschaft, Endprüfung, Endrunde, Endverbraucher, Extrainstrument, Fehlentscheidung 2, Grundausbildung, Grundbegriff, Grundlage, Grundpreis 2, Hauptamt, Hauptanbaufrucht, Hauptangriff, Hauptarbeit, Hauptarbeitgeber, Hauptaufführung, Hauptaufgabe 2, Hauptautomat, Hauptberuf 2, Hauptbeschäftigung, Hauptbetrieb, Hauptbuch, Hauptding 2, Haupteinnahme 2, Haupternährungslage, Hauptfach 2, Hauptfest, Hauptfigur, Hauptfront, Hauptgeldgeber, Hauptgeschäft, Hauptgetränk, Hauptkarte, Hauptleitung 2, Hauptmacher, Hauptmann 21, Hauptmaschine, Hauptnahrung, Hauptperson, Hauptprobe 2, Hauptproblem, Hauptrolle 4, Hauptsaal, Hauptsache 53, Hauptschlachtung, Hauptstadt, Hauptstraße 9, Hauptstrecke, Hauptstück, Hauptsturmholz, Haupttag 3, Haupttheaterprobe, Hauptunterschied 3, Hauptverbandsplatz 2, Hauptverein, Hauptversammlung 2, Hauptweinbaugebiet, Hauptzuckerrübe, Heidenarbeit, Heidenspaß, Hilfsarbeiter 3, Hilfsbote, Hilfskasse, Hilfskraft, Hilfsmaier, Hilfsmetall, Hilfsmittel, Hilfsschreiber, Hilfswärter, Kriegsheld, Kriegshorde, Kriegsinvalide, Kriegsleiden, Kriegsrente, Kriegsverletzter, Kriegswaise, Kuhrausch, Kunstfahren 2, Kunstmühle, Kunstradfahren, Kunstradsport 4, Kunstschlosser, Kurgarten 2, Kurgast 22, Kurort 2, Lehrbub 25, Lehrfach, Lehrherr, Lehrjahr 3, Lehrmädlein, Lehrmeister 2, Lehrstelle 7, Lehrverhältnis, Lehrwerkstatt, Lehrzeit 17, Lieblingsfach 2, Lumpenzeit, Massenrübe, Mistpumpe, Mordsanziehungskraft, Mordsarbeit 4, Mordsbacke, Mordsfest, Mordsfreude 2, Mordsgeschäft 5, Mordshirsch, Mordskerl 2, Mordskrach, Mordsrauferei, Notbehelf, Notgemeinschaft, Notquartier, Pfundskerl, Riesenkabel, Riesenlager, Riesenmädlein, Riesenstück, Riesentierfreund, Sanitätswagen, Sauarbeit, Saufeuer, Sauhund, Saukerl, Scheißangst, Scheißbeterei, Scheißkerl, Scheißlohn, Schlußprobe, Schlußtag, Sonderfahrt, Sonderkommando, Sondersportlazarett, Sonderwunsch, Sonderzweig 2, Sozialwesen, Spitzenverdienst, Stammarbeiter, Stammtisch, Tafelobst, Vizefeldwebel, Vizewachtmeister, Weltwunder

Das Element Grund- wird von FLEISCHER (S.201) voll zu den Präfixen gerechnet; Haupt- zählt er zu den „aus Kompositionsgliedern entstandenen" Präfixen (S. 71 f.). §180

Anhöhe, Anrecht, Anteil, Anzahl, Ausland 6, Beifahrer, Beihilfe, Beirat, Durloch, Gegenangriff, Gegengabe, Gegensatz 3, Gegenseite, Gegenspieler, Gegenstoß 2, Gegenstück, Gegenteil 3, Gegentor, Längsdraht, Mitbegründer, Mitbewohner, Mitbürger, Mitglied 8, Mitleid 3, Mitverantwortung, Nachbehandlung, Nachdruck, Nachkirbe, Nachkur, Nachmittag 19, Nachschnitt, Nachschub 2, Nachteil 4, Nachtisch, Nebenabteilung 2, Nebenamt, Nebenarbeit, Nebenbeschäftigung, Nebenbuhler, Nebenerwerb, Nebengebäude, Nebenhaus, Nebenraum, Nebensache 4, Nebenstraße, Nebental, Nebenverdienst, Nebenweg 3, Nebenzimmer 2, Nebenzinken, Übergewicht, Umgegend 3, Umkreis 2, Ummesser (Umfang), Umstände 2, Umweg 4, Untersatz, Vorberg, Vorbruch, Vorgebirge, Vorgelände, Vorgelenk 2, Vorjahr 2, Vorklasse, Vorkurs, Vorliebe, Vormittag 10, Vorname, Vorort 3, Vortag 4, Vorteig, Vorväter, Widerrede, Zwischenbehälter, Zwischenfrucht 2, Zwischenlehrarbeit, Zwischenprüfung, Zwischenraum, Zwischenstellung, Zwischenzeit 10

Die Erstglieder dieser Bildungen sind insofern präfixähnlicher als diejenigen der vorigen Gruppierung, als ihre entsprechenden freien Formen als solche bereits nur Partikeln sind (vgl. hierzu FLEISCHER, S. 204-207).

1) DW 3, S.252, Anm.l (zu S.175); das Zitat im Schlußteil dieser Stelle aus ERBEN, Wortbildungslehre, S.25.

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2. Komposita mit suffixoidem Zweitglied §181

Die Definition der „Suffixoide" entspricht genau deijenigen der „Präfixoide" mit dem Unterschied, daß sie sich auf als Zweitglieder verwendete Elemente beziehen. In vielen Fällen ist das betr. Zweitglied, das nur der Bildung eines Allgemeinbegriffs bzw. eines Abstraktums dient, weglaßbar. Anfangssache, Ausflugsding, Aussteuersache, Bankding, Bauernwesen, Bauwerk, Beetleswirtschaft, Berufsding, Betoniermaterial, Bettzeug, Buttercremesache, Doktorsache, Fahrzeug 23, Fasnetgeschichte, Fasnetzeug, Feuerwerk (Feuerung) 2, Feuerwesen, Filmmaterial, Finanzmittel, Flegelsache, Fliegerangriffsache, Flugzeug 6, Forstwirtschaft, Fremdengeschichte, Fuhrwerk 25, Fundsache, Futtermittel, Gastwirtschaft, Gemüsezeug, Genossenschaftssache, Glückssache, Handelsgut, Handelsobjekt, Handwerkszeug 2. Hauswirtschaft, Heiratsgeschichte, Herrensache, Hurenzeug, Impfsache, Kraftfahrzeugwesen 3,Landwirtschaft 197,Lebensmittel 3, Leergut,Leibding4, Liebessache, Löschwesen, Luitgarda-Dings, Lumpenzeug 4, Männersache, Meisterangelegenheit, Menschenmaterial, Messerwerk, Milchdings, Milchgeschichte, Milchwirtschaft 7, Natursache, Nebensache 4, Parzellenwirtschaft, Perlonsache, Querding, Räucherwerk, Rauchwaren 2, Reitzeug, Romansache, Saatgut, Scheuerding, Schlagzeug 5, Schneelage, Schuhwerk, Schulsach, Schweizerding, Segenssache, Sozialwesen, Spezialitätensache, Spielwaren, Spielzeug, Steingutware, Süßsach, Tatsache 5, T.B.-Geschichte, Teigwaren, Textilware, Töpfereiware, Unterkunftssache, Versicherungswesen, Versuchswesen, Vertrauenssache, Verwaltungsangelegenheit 2, Vespersach, Viehwirtschaft, Währungsgeschichte, Wahlsache, Weibsleutsache, Weidewirtschaft, Weinwirtschaft 2, Weißzeug, Werkzeug 5, Wintersache, Wohlfahrtswesen, Wohnungsmaterial, Zuschußangelegenheit

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IV. NICHT BEHANDELTE BILDUNGEN

§182

Bei manchen Bildungen, die hier in einer Restgruppe i.e.S. zusammengestellt sind, wird eine Einordnung in eine der früheren Gruppierungen möglich erscheinen, doch ist es dann oft so, daß hierfür sogleich mehrere Gruppierungen in Frage kommen. Zum größten Teil handelt es sich bei den hier aufgelisteten Kompp. um solche, die in hohem Maße idiomatisiert, also synchronisch in ihrer Bildungsweise bzw. hinsichtlich ihrer Bildungssemantik nicht mehr durchschaubar sind. Die Gruppierung enthält ferner Fremdwort-Bildungen und Namen-Kompp. (Zusammensetzungen, die Namen enthalten, Titel usw.), Zusammenbildungen und -rückungen bzw. mehr als zweigliedrige Bildungen sowie singulare und individuelle Bildungen. Aberglaube 2, Abertausende, Achtklässler, Achtstundentag, Ackerbau 11, Ackerbauer 3, Ackerboden, Ackernahrung, Adlerkeller 2, Adlersaal, Adlerwirt 3, Adlerwirtin 3, Agathabrot, Albverein 8, Allerheiligen 2, Allerseelen, Alpenhochstraße, Amphitheater, Amtmann 11, Amtsgericht, Anderleute, Anerbgut, Anfangsmannschaft, Anfangssaison, Annaheini, Arbeiterkontrolluhr, Arbeitskreis, Arbeitslosenversicherung, Aschermittwoch 2, Assistenzarzt 3, Aufgabenstellung, Augenlicht 3, Augenmerk, Augustenkrankenhaus, Auslandspaß, Austauschlehrer, Autobahn 16, Autobus, Autodidakt, Backhitze, Badekabine, Badenwerk 3, Bärlocher-Schuster 2, Bahnhof 38, Bahnhofspolizei, Bahnhofstraße, Bahnmeisterei, Bandstatt (Flofibindes teile), Bannemann (Spiel) 2,Barockgesicht, Barockorgel,Bauerund Weingärtnerbund, Baukastenweise, Baumscheibe, Baumsetzgebiet, Baurat, Bausparkasse 2, Bausparversicherung, Beamtenstelle, Beckengips, Bergmann, Beigspiegel 4, Bergwerk 4, Berufslaufbahn, Berufsunfall, Berufsvortrag, Bettlade, Biberleinskäse (Quark) 2, Bierbonze (Faß), Biergarten 2, Bildfunk, Bildfunkschreiber, Bildhauer 2, Bildhauertalent, Bildschirm, B-Klarinette, Blähmiihle (Putzmühle) 2, Blindgänger 3, Blödsinn 4, Blutritt, Blutstaufe 3, Bodenkar (Abteilung in der Scheune), Bodensee, Bolzenwirt, Bolzgewicht, Bopsergegend, Brautfräulein, Breitdrescher (Maschine) 2, Brombeere 3, Brotzeit, Brüdergemeinde, Bubikopf 4, Budenkaffee 2, Bürgermeister 55, Bundaxt, Bundestag, Bundgeschirr, Büß- und Bettag 2, Chevaux-Legers-Major, Christenlehre 4, Christfest, C-Klarinette, Dachbairen, Dachfirst, Dachstuhl 4, Dachtrauf-Schwabe, Denkmal 2, Denkzettel, Diätküche, Dingbunker, Dingsschlacht, Dienstag 21, Dienstbote 2, Dienstmädlein 5, Dienstmagd, Dienstpersonal, Dienstprüfung, Dienststelle, Dieselmotor 3, Donnerstag 18, Donnerwetter 2, Doppelubersetzung (Getriebe) 2, Doppelverdiener, Doragerät, Drachenloch, Drahtwurm, Drehscheibe 2, Dreibock, Dreieck 3, Dreifelderwirtschaft 8, Dreikönig 3, Dreirad, Dreiviertelstunde, Dreiviertelstag, Drudegießerei, Ebenbild, Eckball, Ehrenschild, Eichbauschel, Eiertatsch 4, Eilzuschlag, Einachser, Einakter, Einfamilienhaus 2, Einmaleins, Einmannsäge, Einsiedler, Eintagheu, Eintagsküken, Einwohnermeldeamt, Einzelsiedlung, Einzelzimmer 2, Eisenbahn 9, Eiweiß, Elbsandsteingebirge, Elf-Ecken-See, Elfmeter, Ellenbogen 2, Erbgutshof, Erbhof 5, Erdäpfelkäfer 2, Erdenrund, Erntedank, Erste-Hilfe-Kurs, Erwerbsweinbau, Erzengel, Eschweg, Essentragkratten, Etablissementuhrenfabrik, Etappenhengst, Ewigenheu, Fälloch, Fahnenjunker, Familienbesuch, Familientantelein, Fassungskraft, Fastnacht 7, Faustsäge, Federseemuseum, Feierabend 40, Feinbäcker, Feldgendarmerie, Feldschütze 6, Feld- und Waldschütze 4, Feldwebel 12, Fensterladen 3, Fernsehstück, Festmeter 23, Feuerlage, Feuerstein, Feuertaufe, Flaschenzug 4, Flegelgarbe, Floßknecht 3, Flügelkompanie, Flugschtttze 4, Flugwetterdienst 2, Flugwetterwarte 4, Frankreich, Frauenzimmer 3, Freibank, Freifahrschein, Freiherr, Freilichtbühne, Freilichtspiel, Freilichttheater, Freimaurer, Freitag 39, Fremdenmiete, Fremdenverkehr 8, Friedensfest, Friedhof 4, Frondienst 2, Fronleichnam, Fronmeister 5, Frühstück 8, Führerschein, Führerschiff, Fünfhundertjahrfeier, Fünftklässler 2, Fünfziger-Deutz (Traktor) 3, Fünfzigmarkschein 2, Funktionsdienstgrad, Fußballbraut, Fußmarsch 2, Fußweg 3, Futterschneidemaschine 2, Gabelheuwender, Gabelmaß 4, Gaskranker, Gasometer 2, Gasthaus, Gaststätte 2, Gefahrenpunkt, Gefechtsbagage, Geistesamt 2, Geistestaufe 2, Gelbsucht 2, Gemeindepflege 2, Gemeindepfleger 4, Gemengegerste, Generalarzt, Generalkommando, Generalkommandourlaub, Generalmajor 2, Genesungshaufen, Gepäckpost, Geradewohl, Gerichtsvollzieher, Gesellenstück, Gesellschaftslied, Gesichtspunkt, Gnadenamt, Göpelbetrieb, Goldlack, Gottesdienst 8, Grabmal 2, Grasmähmaschine, Graswuchs, Greifzug, Gründonnerstag, Gründungsmitglied 2, Grundbirkäfer 4, Grundriß, Halsrübe, Hammerführer 3, Handvoll 2, Handwelle (Handtuch) 3, Handwerksbursche 4, Hanglage, Handelsdünger, Handelswagen, Handgaul (rechtes Pferd im Gespann),

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Handgemenge, Handlanger 2, Handschrift, Harmonie-Gesangverein, Hannoniemusik, Harmonieorchester, Harweiden (Flachsbänder), Hauptmann 21, Haushaltsware, Hausleute 2, Hausmittel, Haustrunk, Hebeliste, Heckenstumpen, Heidelbeere 39, Heilsarmee 2, Heißluder (Luder (Schimpfwort), das nur tut, was man es heifit), Hektarertrag, Hektarfeld, Hemdklunker, Heraklitplatte, Herbergsstinker (Most), Hermannsschlacht 3, Herzasthma 2, Herzinfarkt, Herzschlag 5, Heukatz (Fest) 18, Heuschrecke 3, Heuschwanz, Himbeere 11, Himmelsrichtung, Hirnschlag, Hochamt, Hochflieger, Hochofen 2, Hoch- und Tiefbauarbeiter, Hochzeit 36, Höhenkamm, Höhenlage, Höhenrücken, Hörensagen 2, Hörspiel 4, Hofapotheke, Hoffart 2, Hofkammer 2, Hofstatt, Hohlkehle, Holzberufsgenossenschaft, Holzbildhauer 2, Holzhauerwald, Holzhof, Hubertusmühle 2, Hühnerpest 4, Ipfmesse 5, Ischiasleiden, Istform, Jägerlatein, Jagdspringen, Jahrestag, Jahrgang 42, Jahrhundert 27, Jahrmarkt 4, Jahrzahl, Jahrzehnt 2, Johannisbeere 5, Johannisbrot, Jungfrau 2, Jungfrau (Tierkreiszeichen) 2, Junggeselle 4, Junghans-Krankenhaus 2, Jungmann, Kältegrad, Käsewasser, Kaffeekränzlein, Kalkammonsalpeter, Kanzleikaserne, Kapellmeister, Kapitelsaal, Karlsgymnasium 2, Karsamstag 4, Kartenfuhrwerk (Schererei mit dem Abrechnen von Lebensmittelkarten), Katharinenstift 2, Kassenbestandsaufnahme, Kastensägmühle, Kennkarte, Kerbholz, Kesslerwerk 2, Keupersandstein, Kiliansmesse (Ausstellung), Kilometer 82, Kindergarten 3, Kindeskind, Kirchenpflege, Kirchgraben 3, Kirchhalde, Kirchspiel 4,Kirschwasser 2, Klammhaken, Klassenarbeit 2, Kneippkur, König-Karl-Schule, Königsbau, Königsfest, Kohlasche 2, Kohlensäure 2, Kohlmeise, Kohlrabe 17, Kolpinghaus, Kolpingsfamilie 2, Kolpingsverein, Kommerzienrat, Kostgänger 2, Kotflügel, Kraftfutter 2, Kraftwagen 2, Krautherbst, Krautnudel, Kreisfeuerwehrfest, Kreissäge 2, Kriegsmaterial, Kronprinz, Kruchelbeere, Kubikmeter 7, Kttkenalleinmehl, Kükenstarterfutter, Kundenschöpplein, Kunkelmarkt 2, Kunkelstube 2, Kurfürst 8, Kurortklimagutachten, Kurzvorrichtung, Kuschelwerk 2, Labkehr (Ferment beim Käsen), Lammwirt, Lampenfieber, Landesschütze 3, Landforstmeister, Landjäger (Polizist) 4, Landjäger (Wurstsorte) 2, Landkreis 2, Landrat 3, Landstrich, Landsturm 6, Landtag 3, Landtagsgebäude, Landwehr 3, Landwirt 5, Landwirtschaftsrat, Landwirtschaftswinterschule, Langenbachkolonist, Lanzschlepper, Lattenriß, Laufkundschaft, Lausbub, Lebensglück, Lebensgröße, Lebenswandel, Lebensmitteleinzelhändler, Lebtag 7, Lehrgang 4, Leibarzt, Leichtverwundeter, Leinwand 2, Lichtbild 3, Lichtgang 5, Lichthaus 2, Lichtherr 3, Lichtmeß 13, Lichtsingen, Lichtstube 3, Liebespärchen, Liebesrolle, Liederhalle, Liederkranz 7, Linksaußen 2, Lochenheim 2, Lösegeld, Löwenwirt 3, Lohenmühle, Lohnholz, Luftschiff 4, Luftschutz 2, Luisa-Schule, Luitgardafest, Lukleinsohle (Gummisohle), Lustspiel 5, Maginotlinie 2, Mahdenstreuer, Mannsbild 3, Marienhospital, Markthalle 8, Marktplatz 8, Massenfraß, Maßgabe, Mausgras, Medizinalrat, Meeresspiegel, Mehltau, Meineid 2, Menschenskind 2, Merkmal, Meterbeige, Meterholz, Meterstab, Metzelsuppe 2, Mickymaus, Mittag 103, Mittagsstunde 2, Mittagstisch, Mitternacht, Mittwoch 9, Moltkekaserne, Monatsklee, Monatslohn, Morgenröte 2, Morgenstück, Motorsägenstunde 2, Mühlenkapelle, Münsterkäse, Mummelseewirt, Mundart 4, Muschelkalk, Mustersteward, Nachkriegszeit, Nachtloch 2, Nachtwächterkontrolluhr, Nahkampf, Namenstag, Nairenengel, Narrenmarsch 2, Nationalfeiertag, NebenbeiTheaterprobe, Neckarbrücke, Neckarkanal, Neckarstraße, Neuformationsregiment, Neumond 5, Notstand,Oberamtseinteilung, Oberfräse, Oberstleutnant 3, Obmann 5, Obstbauversuchsring, Obstwachs 2, Ölfarbenplastik, Ohrfeige 2, Olgakaserne, Olgastift, Olgastraße, Ortsbild 2, Palmenkönig, Palmesel 3, Palmsamstag, Palmsonntag 4, Personalausweis, Pfarrer-Krükler-Geschlecht, Pfingstlümmel 4, Pflanzschule 2, Pflichtjahr 7, Pflichtjahrstelle, Plattdeutsch, Polizeistunde 2, Posthalter, Posthalterei 2, Preisrichter 2, Preissortiment, Prozeßhose (Theaterstück) 2, Putzstelle, Quadratkilometer, Quadratmeter 4, Quertreiber (Querschläger), Radschuh 2, Raiffeisenverein 2, Ratschlag, Ratskeller, Raummeter 2, Realschule 3, Rebhuhn, Rebstock, Rechtsanwalt 2, Rechtsaußen 2, Regierungsrat 2, Reichsstadt 2, Reißboden, Reiswelle, Reitstock, Rekrutendepot, Renaissancegesicht, Rententag, Rhonebrücke, Richtfest, Richtschmaus, Richtspruch, Rohabgabe, Romanusfest 3, Rosenkranz 4, Rotkreuzschwester, Rotkreuzwagen, Rucksack 8, Rückenseite, Rückgrat 3, Ruhestand, Ruhesteinwirt, Rumpelkammer, Rundfunk 6, Saatenstroh, Sachsenstellung, Saitenwurst, Samenkorn (Dinkel), Sandstein 2, Saubohne 4, Schällesbäcker 2, Schafgarbe, Schantle-Larve 2, Schanzwirt, Schatzbrief 3, Schaufenster, Schiedsrichter 4,Schienbein 2,Schießprügel 2,Schifferwald 3,Schimmelpartie, Schlachtbraten, Schüttschuh, Schlußkatze, Schneeschuh 2, Schrapnellungenschuß, Schraubenschlüssel, Schriftbedingung, Schriftführer 2, Schriftgelehrter 4, Schriftsatz, Schriftverkehr, Schubert-Messe, Schüttelfrost, Schuldienst 2, Schulentlassung 6, Schulpflege, Schulpfleger, Schulrat, Schuluntersuchung, Schwarzenbachwerk, Schwarzerhof, Schwarzwaldhalle, Schwarzwaldverein, Schwedenreiter 4, Schweinerotlauf, Schweizerding, Schweizerkäse, Schweizersprache, Schwerkranker, Schwerverletzter, Schwerverwundeter 2, Schwiegermutter 6, Schwiegersohn 8, Schwiegertochter 2, Schwiegervater 12, Sechstakt 2, Sedankaserne, Seeherrschaft, Segelflugplatz, Sehnsucht, Selbstableger 7, Selbstbinder, Selbsttränke, Siedegrad, Siedlungsaufbauwerk, Siedlungswerk 2, Siegestreffer, Siegfriedstellung, Siemenswerk, Sigelhalle 2, Sinnbild 2, Skikjöring, Sommesauerei, Sonnenwirt, Sortenversuch, Sowjetzone, Sparkasse 2, Sperrholz 2, Spießruten, Spitzbub, Spitzname 4, Spinnschule, Sprichwort 2, Sprunggelenk, Spurkörper, Staatsexamen, Staatsrat 4, Stabsarzt, Stadtgraben, Stammapostel 11, Stammbaum, Standesamt 2, Standkonzert, Standquartier, Stangenreisschlag, Staufenkopf, Steckenpferd 3, Stecksplitter, Steffenbauer 3, Stegreif 2, Steinakkord, Steinbock, Steinhauer 5, Stemmbogen, Stempelesmarkt 5, Sterbebett, Sternenwirt, Stickstoff 2, Stichtag 2, Stiefbruder, Stiefmutter, Stiefvater 6, Stiegenhaus 2, Stiftermaschine 2, Stiftertrommeldreschmaschine, Stockgebälk, Stockstiege (Treppenhaus) S, Stockwerk, Stollenbeschlag, Storchentag S, Storchenvater 3, Storchenwirt, Storkentag 2, Stoßbetrieb, Strafzettel 7, Straßenbaumeister 3, Streichholz 3, Stubensandstein, Stubensandsteinhorizont, Studienrat 3, Stützpunkt, Stuhlfeier, Stuhlgang, Stundenlohn 10, Sturmzug, Taglohn 17, Tappkarte (Kartenspiel), Taschengeld 2, Tatsache 5, Teakholz, Tenorhorn 2, Teufelstein 5, Theaterprobe 2, Theaterrolle, Theaterspieler 2, Theaterstück 7, Thomasmehl 3, Tiefbohrbrunnen, Tiefflieger 2, Tischlade 2, Todes-

168

stoß, Tränkemehl, Trauerspiel, Treffnagel, Tretesel, Trinkgeld 5, Truppenübungsplatz 3, Truthenne, Ulanenhäcksel, Ungsrhirsch, Unternehmungsgeist 2, Unterwasserfilm 2, Urbansgesellschaft, Vermunt-Schrägaufzug, Vertikalbeobachtung, Verwaltungsdienst 2, Vesperbrot, Vieierbengel, Vierecksband, Viermeter 2, Viermeterkreis, Viertakt 2, Vierteljahr 22, Viertelstag, Viertelstunde 15, Vierzehnerkrieg 3, Vierzigstundentag, Vögeleswäldlein, Völkerball 3, Volksbank 2, Volksklasse, Volksschulabschluß, Volksstück, Volkssturm 13, Vollerntemaschine, Vorkriegspreis, Vorpiüfungszeit, Vorzugsmilch 3, Wachtmeister 5, Wadenbein, Waffenplatz, Waldgerechtigkeit, Waldmockelein (Mockel = Vieh), Wasserbad 2, Wassergalle (stagnierende Quelle) 4, Wasserkraut 2, Wasserleiden 2, Wassermann, Wasserschwierigkeit, Wasserversorgungsgruppe, Wechseljahre, Wegzeit, Wehrmacht 5, Wehrmachtsbericht, Wehrmeldeamt, Weibsbild 5, Weihnachten 47, Weihnachtsfeier 3, Weltumtrieb, Werdegang 3, Werksatz, Werkstatt 25, Werkstatternst, Werwolf 2, Wespennest, Wettbewerb, Wetterbeobachtungsstation 2, Wetterbeobachtungsstelle, Wettkampf, Wiesengrund, Wieswachs 2, Wildschütz (Theaterstück), Windfallholz, Wirtschaftsjahr, Wirtschaftswetterdienst, Wirtshaus 21, Witfrau 11, Witmann 2, Wochenbett 2, Wochenlohn 3, Wolframstraße 2, Wünschelrute, Wurfsendung, Zeitlang 8, Zeitlohn 3, Zeitlohnarbeit, Zeitpunkt, Zeitspanne, Zeltsee, Zentimeter 28, Zickzackfahrer, Zottelhaber (Schläge), Zuchthaus 3, Zweimannarbeit, Zweimannsäge, Zweipfundbecher, Zweirad, Zweispitz, Zweitakt 2, Zweiter-Klasse-Kuh, Zwieback 3, Zwillingsreifen, Zwischenlehrarbeit, Zwölfender 3

169

Teil 2 Bernhard Gersbach: Substantiv-Derivation

§183

Der vorliegende Teil behandelt die Bildung von Substantiven durch Präfixe und/ oder Suffixe aus Basen unterschiedlicher Wortarten. Die Wortbildung erfolgt dabei durch gebundene Morpheme, die sich vom Basislexem isolieren lassen und die nur in Kombination mit dem Substantiv in bestimmten, unveränderlichen Positionen vorkommen. Berücksichtigt werden nur solche Substantive, für die sich synchronisch gesehen ein Ableitungszusammenhang ergibt, der als deutsche Wortbildung aufgefaßt wird. Unberücksichtigt bleiben somit alle jene Lemmata, die aus einer Fremdsprache übernommen wurden und bei denen der Ableitungsvorgang ein solcher der Fremdsprache ist (z.B. bei Training, das eine ins Deutsche übernommene englische Ableitung zum englischen Verb train darstellt). -* dazu im übrigen auch die Einleitung, § 15.

§ 184

Da zur Substantiv-Derivation schon die umfangreiche Monographie vorliegt, die in der Innsbrucker Außenstelle des Instituts für deutsche Sprache erarbeitet wurde (DW), schien es aus Gründen der Vergleichbarkeit geboten, jener Untersuchung an geschriebener Sprache die vorliegende Untersuchung an gesprochener Sprache in der Vorgehensweise so weit wie möglich anzugleichen. Daß aufgrund des Untersuchungsmaterials einige Unterschiede zwischen beiden Arbeiten bestehen, liegt auf der Hand. Diese Unterschiede werden teils schon im folgenden, teils an der betr. Stelle, an der sie auftreten, erläutert. Auf die Problematik des der Untersuchung von DW zugrunde liegenden Korpus wurde in der Einleitung, §13 hingewiesen. In genauer Entsprechung zu DW gliedert sich auch die vorl. Untersuchung in zwei Teile, und zwar in einen strukturellmorphologischen und einen funktional-semantischen Teil.

§185

In der Darstellung von DW werden neben den Prä- und Suffixen „auch präfix- und suffixartige Wortbildungsmittel einbezogen, die mit den Affixen konkurrieren oder sie in ihrer Funktion komplementär ergänzen und sich dadurch in das ermittelte .System' der Substantivableitung einfügen. Solche ,Präfixoide' und ,Suffixoide' werden insoweit berücksichtigt, als sie sich den ermittelten Ableitungsparadigmen anschließen, reihenhaft ausgeprägt sind und einen so weit reduzierten Zeichenwert aufweisen, daß sie in dieser Bedeutung nicht mehr als freie Lexeme verwendet werden und auch nicht mehr selbst zu Basen der Ableitung werden können, wenn das Lexikon auch noch ein lautgleiches Lexem aufweist." (DW 2, S.18.) Da außerdem substantivische Komposition und Derivation „nicht so streng abzugrenzen" sind (ebd., S.21), sind auch „konkurrierende Komposita, wo es methodisch sinnvoll erscheint, in die Darstellung einbezogen." (Ebd., S.21.) Für die vorl. Untersuchung hingegen wurden die Bildungen mit Prä- und Suffixoiden als eher der Komposition zugehörig betrachtet: es handelt sich nach unserer Meinung in allen Fällen der in DW herangezogenen Prä- und Suffixoide eher um Abstufungen von Komposition, nicht jedoch um Affixe, die den genuinen Affixen der Derivation an die Seite zu stellen wären (-»• hierzu § 175).

§ 186

Einige Termini bedürfen einer Klärung. Als (Ableitungs-).Muäter wird die formale Bildungsweise von Substantiven mittels Prä- und/oder Suffixen bezeichnet (z.B. das Muster -ung). Innerhalb dieser Muster gibt es verschiedene semantische Klassen (z.B. Abstrakta, Kollektiva usw.), die sich aus verschiedenen Gruppen zusammensetzen, welche sich 173

aus den unterschiedlichen Ausgangs- oder Basiswortarten ergeben (so gibt es z.B. in der Klasse der Subjektbezeichnungen die Gruppen -er 1 = deverbale Bildungen und -er 3 = desubstantivische Bildungen). Teil A der vorl. Untersuchung behandelt nur die einzelnen Abltg.-Muster samt den darin vorfindlichen Gruppen, Teil B behandelt dann das Zusammenspiel der verschiedenen Gruppen bei der Konstitution der semantischen Klassen. § 187

Entsprechend dem Vorgehen von DW 2 werden innerhalb der WB-Muster die einzelnen Gruppen des Musters durch Indizes voneinander unterschieden. Diese Indizes richten sich nach der Vorkommenshäufigkeit der Lemmata im Innsbrucker Korpus: -ung 1 ist innerhalb des Musters -ung dort die nach Lemmata häufigste Gruppe, -ung 2 die zweithäufigste usw. Für die vorl. Untersuchung wurden bei den Gruppen, die DW 2 genau entsprechen, die dort vorgebenen Indizes beibehalten, die Reihenfolge richtet sich aber nach der Lemma-Häufigkeit in unserem Korpus. Auf diese Weise zeigen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede sofort: stimmen die Rangfolgen der Vorkommenshäufigkeit in beiden Untersuchungen überein, so erscheinen die Gruppen auch in der vorl. Untersuchung in der numerischen Reihenfolge ihrer Indizes; weicht hingegen die Rangfolge von derjenigen in DW 2 ab, so wird dies sogleich an der dann .gestörten' Abfolge der Gruppen-Indizes deutlich. Bei gleicher Lemma-Anzahl richtet sich die Anordnung nach der Beleghäufigkeit. Die Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede in der Abfolge der Gruppen-Indizes können nicht einfach als Unterschied gesprochene : geschriebene Sprache genommen werden, sind aber möglicherweise Hinweise auf derartige Unterschiede. Daß die Ergebnisse von DW 2 nicht einfach mit „geschriebener Sprache" überhaupt gleichgesetzt werden dürfen, ergibt sich aus dem dort zugrunde liegenden Material; -*• hierzu auch Einleitung, § 13.1) Weicht die Definition einer Gruppe von der bei DW 2 definierten ab, insofern die Gruppe erweitert oder eingeengt wurde, so wird dies durch + gekennzeichnet (z.B. -e (fem.) 2+). In DW nicht vorkommende Gruppen, die auf Besonderheiten gesprochener Sprache beruhen oder z.B. durch Einführung einer neuen, in DW nicht vorgesehenen Basiswortart innerhalb einer semantischen Klasse notwendig werden, sind gleichfalls mit + gekennzeichnet und im Anschluß an die Numerierung von DW weitergezählt (z.B. -er 10+). Gelegentlich schien es sinnvoll, zwei Gruppen aus DW zusammenzufassen, wodurch sich die Schreibung von z.B. -(er)ei 2 / 7 ergibt.

§ 188

Im morphologischen Teil werden alle Wortbildungsmuster aufgeführt, die im Korpus der vorl. Untersuchung auftreten, und zwar in der Reihenfolge, in der sie in DW 2 erscheinen. Uber jedem WB-Muster findet sich zunächst eine „Strukturformel", z.B. BVerb/Subst./Zw.(+SV)-er, welche die den Abltgg. zugrunde liegenden Basiswortarten anführt (hier: Basis Verb/Substantiv/Zahlwort); es wird ferner (mögliche) Stammveränderung angegeben, wobei aber nicht angezeigt wird, worin die Stammveränderung besteht, ob es sich also um Ablaut (klingen — Klang), Umlaut (empfangen — Empfänger) oder morphologische Änderung (gehen — Gang) handelt. Weiter wird auf die Stelle verwiesen, an der in DW 2 das betr. Muster genannt wird. Die nach1) Für das Korpus der vorl. Untersuchung wird im übrigen auch nicht behauptet, daß es „die" gesprochene Sprache repräsentiere; -> dazu Einleitung, § 12.

174

folgende Tabelle mit den zu diesem Muster vorhandenen Gruppen entspricht in ihrer Anlage den Tabellen in DW 2, zusätzlich wird in Erweiterung der Angaben von DW 2 die semantische Klasse, zu der die jeweilige Gruppe gehört, genannt. In der Spalte „Musterwörter" erscheint ein für die jeweilige Gruppe typisches Lemma; die insgesamt zu einer Gruppe gehörenden Lemmata finden sich bei der Darstellung im semantischen Teil mit Angabe der Beleg-Häufigkeit, auf die betr. Stelle wird verwiesen. Im anschließend an jede Tabelle gegebenen Text werden — wo nötig — Änderungen und Unterschiede zu DW 2 näher erläutert sowie vergleichende Relationen Lemmata : Belege, BVerb : BSubst. usw. im Untersuchungskorpus gegeben. Bei den deverbalen Abltgg. wird bei der Aufschlüsselung nach starken bzw. schwachen Verben als Basis der Abltg. bei denjenigen Verben, die sowohl stark als auch schwach flektieren können (z.B. backen — backte/ buk) für die vorl. Untersuchung stets nur diejenige Form gewertet, die im Material belegt oder im UG üblich ist. Die als Stammableitung (-*• Einleitung, § 15) aufgefaßten Lemmata werden denjenigen Gruppen, denen sie nach DW zuzuordnen sind, beigegeben. Ihr Sonderstatus wird durch ein nachgestelltes (S) gekennzeichnet. Damit soll darauf hingewiesen werden, daß diese Lemmata sich in der vorgenommenen Analyse von den übrigen Lemmata der betr. Gruppe nicht unterscheiden, daß für sie aber nicht behauptet wird, daß sie (wie die übrigen Lemmata) z.B. deverbale Abltgg. darstellen. Vielmehr gilt für die Stammabltgg. ja gerade, daß hier keine eindeutige Richtung des Ableitungszusammenhangs erkennbar ist. Das Belassen der Stammabltgg. in der jew. Gruppe ist in der damit erreichten größeren Übersichtlichkeit begründet, die bei der Einführung jew. eigener Gruppen für die Stammabltgg. verloren ginge. Mit einer solchen Anordnung würde auch der Zusammenhang mit den übrigen Lemmata zerstört. In den Tabellen mit den Häufigkeitsangaben werden die Stammabltgg. gesondert ausgewiesen. So findet sich z.B. in der Gruppe -e(fem.) 2 der Eintrag „25 (13)" bei den Lemmata bzw. „129 (91)" bei den Belegen. Die 1. Zahl gibt die Gesamtzahl aller für diese Gruppe vorhandenen Lemmata/Belege an, die Zahl in Klammern weist die in dieser Gesamtzahl enthaltenen Stammabltgg. aus. §189

Im semantischen Teil werden die einzelnen semantischen Klassen entsprechend dem Vorgehen in DW angeführt, wobei alle zur jeweiligen semantischen Klasse im Korpus belegten WB-Muster in der Reihenfolge ihrer Lemmata-Häufigkeit einzeln aufgeführt werden. Dabei wird zunächst wiederum in einer „Strukturformel" wie im morphologischen Teil auf die Struktur der Bildungen hingewiesen. Danach werden alle zu der betr. Gruppe gehörenden Lemmata, die im Korpus belegt sind, angegeben. Nach den Lemmata steht — wo nötig — in Klammern eine Angabe zur Bedeutung des Lemmas, danach wird die Vorkommenshäufigkeit des betr. Lemmas im Korpus angegeben, keine Angabe bedeutet dabei = lmal belegt. In einer zusammenfassenden Übersicht finden sich Angaben zur Relation von Lemmata und Belegen (wo sinnvoll auch im Vergleich mit DW), Begründungen zur Einteilung der Gruppen, evtl. notwendige Änderungen gegenüber DW 2 oder Erklärungen nicht-hsprl. Lemmata.

§ 190

Eine gegenüber DW 2 konsequent durchgeführte Änderung soll bereits hier näher erläutert werden, und zwar handelt es sich dabei um die Behandlung der doppelt motivierten 175

Lemmata wie z.B. Arbeiter, bei denen offenbleiben muß, ob sie vom Verb (arbeiten) oder aber vom Subst. (Arbeit) abgeleitet sind. DW 2 führt dazu (S.375) aus: „Einige dieser Bildungen sind doppelt motiviert und lassen sich auch auf ein Verb beziehen (z.B. Geiger, Texter, Trompeter). Wenn dieses Bezugsverb seinerseits als denominale Ableitung zu interpretieren ist (geige-n, text-en, trompete-ri), werden die -er-Bildungen zu den Bildungen mit subst. Bezugsgröße (Typ Fußballer) gerechnet, ebenso wie diejenigen Fälle, in denen die semantische Koppelung an ein Subst. enger zu sein scheint als die an ein Verb der gleichen Wortfamilie (Aufrührer gehört enger zu Aufruhr als zu aufrühren)." Für die vorl. Untersuchung wurde demgegenüber so verfahren, daß alle als doppelt motiviert angesehenen Lemmata eine eigene Gruppe bilden, da das von DW angegebene Verfahren nicht immer zu eindeutigen Lösungen führt und es uns von daher besser schien, die fraglichen Lemmata nicht einfach entweder den desubstantivischen oder den deverbalen Abltgg. zuzurechnen. Damit wurde es verschiedentlich notwendig, Lemmata aus den Gruppen von DW herauszunehmen, wodurch sich die betr. Gruppen (z.B. -er 3) der beiden Untersuchungen nicht mehr völlig entsprechen. Hierauf wird mit einem + hingewiesen, die betr. Gruppe erscheint also in der vorl. Untersuchung mit dem Index -er 3+. §191

Idiomatisierte Lemmata werden im morphologischen Teil nur quantitativ berücksichtigt, sie finden sich im Anschluß an den semantischen Teil in § 540 alphabetisch aufgeführt. Entsprechend dem Vorgehen bei den Komposita werden auch hier Lemmata nach der tatsächlichen Verwendung zugeordnet. Dies trifft insbesondere auf viele Lemmata des Musters -er zu, die sowohl Personenbezeichnung als auch Instrumentativum sein können, z.B. Rechner, das gemäß der hier belegten Verwendung nur als Personenbezeichnung erscheint.

§192

Einzelne im HGS enthaltene Fehler wurden korrigiert. So wird z.B. im HGS Erbe als nur ein Lemma gefuhrt, obgleich sich aus den Kontexten der Belege ergibt, daß es sich einmal um der Erbe, einmal um das Erbe handelt. Hier waren für die vorl. Untersuchung zwei Lemmata anzusetzen. Vom HGS war auch in den Fällen abzuweichen, in denen dort zwei Lemmata angesetzt sind, deren Bedeutung unterschiedlich ist, während sich unter dem Gesichtspunkt der Wortbildung kein Unterschied ergibt (z.B. Verbindung ( Verkehr) und Verbindung (Verknüpfung))', in diesem Fall wurden die beiden Lemmata des HGS zu einem zusammengefaßt.

§ 193

Die morphologischen Regularitäten der Subst. -Derivation werden von DW 2 erschöpfend beschrieben (S.23-47), so daß sich eine erneute Darstellung hier erübrigt. Die Schreibung der WB-Muster folgt deijenigen von DW, also finden sich auch hier unter -heit die Allomorphe -heit, -keit, -igkeit zusammengefaßt. Auch in Fällen, in denen im Korpus der vorl. Untersuchung zu einem Muster nur ein Lemma belegt ist, folgt die Schreibung solcher von DW zusammengefaßter Bildungsweisen der dort vorgegebenen, so z.B. bei Baronesse, dem einzigen Lemma dieses Musters, das dennoch — analog DW 2 — als Muster -(i/e)ss(e/in) erscheint.

176

A. MORPHOLOGISCHER TEIL

§ 194

Die folgende Zusammenstellung der an der Ableitung von Substantiven beteiligten Morpheme schließt sich an DW 2 an. Für die tabellarischen Darstellungen gelten die bereits in § 188 gegebenen Hinweise. Der „transformationeile Wert" aus DW wird beibehalten und wo nötig, etwa bei neugeschaffenen Gruppen, entsprechend ergänzt. Restgruppen erhalten keinen trafoWert. Der trafoWert gilt dabei — ganz entsprechend DW - als „Näherungswert" zur systematischen Darstellung der Substantivbildung, wie ihn DW 2 S.19 und in der Anm.87, S.493 beschreibt.

I. Präfix + Suffix

§195

1. Ge-BVerb/Subst.(+SV)-0/-e

(DW: 2.1.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Abstrakta

(die Tatsache), daß jmd. (wiederholt) schwätzt etw., das gedichtet worden ist die gesamten/viele Balken (eines Hauses) das, womit etw. geblasen wird Spaß etw., das wächst/gewachsen ist Ort, an dem etw. gerichtet wird

Verb

Objektbezeichnungen Kollektiva Instrumen tativa Affix weglaftbar Subjektbezeichnungen Locativa Restgruppe

-

Musterwörter

"» §

1

Geschwätz

375

Verb Subst.

3 2

Gedicht Gebälk

461 348

Verb Subst. Verb Verb Subst.

5 6+ 4 8+ 7+

Gebläse Gespafi Gewächs Gericht Geflügel

473 362 419 492 514

Gegenüber DW 2 ergeben sich nur geringfügige Änderungen. Die hier als Gruppe 6 erfaßten Lemmata werden von DW (2,S.207) ebenfalls genannt, jedoch nicht in die Indizierung einbezogen. Gruppe 7 entspricht genau der Restgruppe in DW, wenn man aus dieser die hier als Gruppe 6+ bezeichneten Lemmata herausnimmt. WGS-Gruppe 1-5 6+ 7+ 8+

=

DW-Gruppe 1-5 S.207 Restgruppe S.50 abzüglich Gruppe 6+ S.455

177

§ 196

Lemmata und Belege verteilen sich folgendermaßen: Lemmata

Gruppe

Belege

abs.

%

abs.

%

12 11 10 7 4 2 1 3

24,00 22,00 20,00 14,00 8,00 4,00 2.00 6,00

31 28 43 20 7 2 4 5

22,14 20,00 30,71 14,29 5,00 1,43 2,86 3,57

Gesamt

50

100,00

140

100,00

Idiomatisiert

24

Klasse

Basis

Abstrakta Objektbezeichnungen Kollektivs Instrumentativa Affix weglafibar Subjektbezeichnungen Locativa Restgruppe

Veib Verb Subst. Verb Subst. Verb Verb Subst.

1 3 2 5 6+ 4 8+ 7+

516

Die teilweise andere Reihenfolge der Gruppen zeigt Unterschiede zu DW, besonders deutlich bei Gruppe 4, die hier im Korpus selten ist. Die ersten drei Gruppen liegen bei den Lemmata sehr dicht beieinander, während in DW die 1. Gruppe mit fast 71% Anteil am Gesamt der Lemmata sehr deutlich überwiegt. § 197

Bei den deverbalen Abltgg. verteilen sich starke und schwache Verben als Basis für die Lemmata folgendermaßen: Gruppe

verbale Basis stark schwach 2 5 3 2

1 3 5 4 8+ Gesamt

§ 198

12

-

1 21

Bei den desubstantivischen Abltgg. werden ganz überwiegend Simplizia als Basis verwendet: Gruppe 2 6+ 7+ Gesamt

§ 199

-

10 6 4

substantivische Basis Ableitung Simplex 10 2 2

2 1

14

3

-

Deverbale Abltgg. sind fast doppelt so häufig wie desubstantivische: Lemmata

178

Basis

abs.

%

Verb Subst.

33 17

66,00 34,00

Gesamt

50

100,00

§200

Stammveränderung zeigt sich in folgender Häufigkeit: Lemmata Stammveränderung

§201

abs.

%

ohne Umlaut Ablaut

26 15 9

52,00 30,00 18,00

Gesamt

50

100,00

Die Ableitungen weisen teils ein Endungs-e auf, teils fehlt dieses. Es zeigt sich dafür folgende Verteilung: Gruppe 1 3 2 5 6+ 4 8+ 7+ Gesamt

Lemmata mit -e ohne -e 2 4 3 2 -

1 -

12

10 7 7 5 4 1 1 3 38

Abltgg. ohne -e sind 3mal so häufig wie solche mit -e. Auf die sich gelegentlich ergebenden semantischen Differenzen der beiden Bildungsmöglichkeiten wird bei den betr. Gruppen hingewiesen. Die Verteilung der Abltgg. auf die einzelnen semantischen Funktionsklassen ergibt sich schon aus § 196, da jede Klasse nur einmal vertreten ist. 2. Ge-BVerb-sei §202

(DW: 7.3.)

DW 2 führt ein Muster BVerb-se/ (S.416), unter dem auch zwei Lemmata genannt werden, die durch Präfix + Suffix abgeleitet werden, wofür hier ein eigenes Muster angesetzt wurde. Da es sich bei den vorhandenen Lemmata um Einzelfälle handelt, werden sie unter den Restgruppen in § 514 genannt.

II. Präfixe §203

l.Miß-BSubst. Klasse

(DW: 2.2.) transfoimationeller Wert

Ersatz für Attribute aus dem Um- falscher Ton kreis von .falsch' o i .

Basis

Gruppe

Subst.

1

Musterwort

->

Mißton

359

§

Präfixbildungen dieses Musters sind mit nur 3 Lemmata (und zusammen 5 Belegen) recht selten. Negationsbildungen, die DW in der Gruppe 2 nennt, fehlen. In DW sind beide Gruppen praktisch gleich stark besetzt. 179

2 der 3 Lemmata haben ein Simplex als Basis der Abltg., 1 Lemma ist zu einem abgeleiteten Subst. gebildet. Stammveränderung kommt nicht vor. §204

2. Un-BSubst. Klasse

(DW: 2.3.) transformationeller Wert

kein Glück Negation Ersatz für Attribute aus dem Um- unnützes Kraut kreis von .falsch' o X unübersehbare Menge Augmentativa

Musterwörter

Basis

Gruppe

Subst. Subst.

1 2

Unglück Unkraut

356 358

Subst.

3

Unmenge

345

Alle von DW angeführten Gruppen sind auch hier vertreten, das Muster ist aber recht selten: Lemmata

Belef

Klasse

Basis

Gruppe

abs.

%

abs.

%

Negation Ersatz f. Attribute... Augmentativa

Subst. Subst Subst.

1 2 3

5 4 2

45,45 36,36 18,18

17 12 4

51,52 36,36 12,12

11

100,00

33

100,00

Gesamt

1

Idiomatisiert

4

Hier zeigt sich bei den Lemmata zwischen den einzelnen Gruppen kein deutlicher Unterschied. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zum Befund in DW, wo sich (2,S.53) zeigt, daß die einzelnen Gruppen jeweils in einem „Doppelungsverhältnis" zueinander stehen, denn dort ist Gruppe 1 genau doppelt so häufig wie Gruppe 2, und diese Gruppe ist wiederum genau doppelt so häufig wie Gruppe 3. Die substantivischen Basen für die Abltgg. sind bei 9 Lemmata Simplizia, bei 2 Lemmata dient ein abgeleitetes Subst. als Basis. Stammveränderung kommt nicht vor. §205

3. Ur-BSubst.

(DW: 2.35.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Verwandtschaftsbezeichnungen

deij., der im nächsthöheren Grade verwandt ist ursprünglicher Wald

Subst.

3+

Urgroßvater

510

Subst.

1

Urwald

346

Bezeichnung des Ursprünglichen

Gruppe

Musterwörter

Die Gruppe der Verwandtschaftsbezeichnungen wurde hier eingeführt, sie findet sich in DW nicht. Gruppe 2, die Augmentativa enthält, fehlt auch in DW, sie ist offenbar nur noch bei Adelung nachzuweisen, vgl. DW 2, S.147, wo einige der bei Adelung belegten Lemmata genannt werden. Lemmata und Belege weisen folgende Verteilung auf: Bele :e

Lemmata abs.

%

abs.

%

4 3

57,14 42,86

15 5

75,00 25,00

Gesamt

7

100,00

20

100,00

Idiomatisiert

1

Klasse

Basis

Verwandtschaftsbezeichnungen Subst. Bezeichnung d. Ursprünglichen Subst.

180

Gruppe 3+ 1

1

An der Bildung von Abltgg. dieses Musters sind Simplizia und Kompp. gleich häufig beteiligt (bei je 3 Lemmata), bei 1 Lemma ist ein abgeleitetes Subst. die Basis. §206

4. Ab-BSubst.

(DW:-)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Bezeichnung des nicht Verwertbaren

nicht verwertbares Holz

Subst.

Gruppe 1+

Musterwort Abholz

§

511

Präfixbildungen mit Ab- werden von DW 2 nicht behandelt, weil sie offenbar nicht als Morpheme, die der Subst.-Derivation dienen, angesehen werden. Da Ab- bei den in Frage stehenden Lemmata jedoch seinen präpositionalen Charakter verloren und sich in der Funktion Ur-, Un- usw. angeglichen hat, erscheint es gerechtfertigt, hier mit FLEISCHER gegen DW dieses Präfix zu behandeln und es in die Subst .-Derivation mit einzubeziehen. Das entscheidende Argument dafür findet sich bei FLEISCHER (S.78f.): „In der präpositionalen Gruppe wird ein Verhältnis in bezug auf ein Drittes angegeben: Auf dem Tisch (liegt ein Buch). Das Präfix dagegen ist unmittelbar attributiv auf das Substantiv bzw. auf die Basis bezogen: Auf-takt, Auf-geld. Die Transformation ergibt hier nicht eine präpositionale Gruppe auf dem Geld o.ä., sondern erfordert ein Verb: daraufgezahltes Geld o.ä." Es finden sich 2 Lemmata mit je 1 Beleg für dieses Muster. FLEISCHER nennt (S.224f.) insgesamt 11 Lemmata zu diesem Muster, worunter sich das als Musterwort angeführte obige Lemma jedoch nicht findet. Es entstammt der Fachspr. der Waldarbeiter, die hier im Korpus besonders stark vertreten ist. Die beiden Lemmata sind zu Subst.-Simplizia gebildet und weisen keine Stammveränderung auf. §207

5. Be-BSubst.(+SV)

(DW:-)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Affix weglaßbar

Hag

Subst.

Gruppe 1+

Musterwort Behäg

365

Das angeführte und im Korpus lmal belegte Lemma gehört zu den Lemmata, bei denen das Affix entfallen kann, da es am semantischen Gehalt des Simplex nichts oder nur wenig ändert. Beim vorl. mdal. Lemma ist als Basis Hag ,Zaun' anzusetzen, und dieses Simplex findet sich auch im HGS belegt. Gleichfalls belegt ist ein Verb hagen (umzäunen), jedoch ist hier wohl das Verb als desubstantivisch aufzufassen, so daß für Behäg auch nur substantivischer Bezug in Frage kommt. Das Präfix Be- wird weder von FLEISCHER noch von DW behandelt, möglicherweise handelt es sich um eine mundartspezifische Form der Präfigierung. Das der Abltg. zugrunde liegende Subst. ist ein Simplex, Stammveränderung findet sich als Umlautbildung.

181

IU. Suffixe §208

l . B Verb-(at) ion

(DW: 2.4.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Musterwörter

-Ȥ

Abstrakta

(die Tatsache), dafi jmd. etw. organisiert dasj., womit etw. kanalisiert wird/ worden ist

Verb

1

Organisation

378

Verb

4

Kanalisation

480

Instrumentativa

Von den in DW (2, S.54) genannten sechs Gruppen dieses Musters finden sich hier nur zwei. Für diese zeigen sich folgende Häufigkeiten:

Klasse

Basis

Gruppe

Abstrakta Instrumentativa

Verb Verb

1 4

Gesamt

Lemmata (S) abs. %

Belege (S)

%

abs.

7(1) 2(1)

77,78 22,22

21 (3) 2(1)

91,30 8,70

9(2)

100,00

23(4)

100,00

Das Muster ist recht selten und weist auch keine große Gebrauchshäufigkeit auf. Stammveränderung findet sich bei keinem Lemma. Als Basis dienen ausschließlich schwache üprben auf -(is)ier-(en). Sämtliche Lemmata sind mit dem Suffix -ation gebildet, die Form -ion (Präzision) kommt nicht vor. Andere als deverbale Albtgg. sind - im Gegensatz zu DW 2 (S.54f.) und FLEISCHER (S.191 f.) - nicht vorhanden. §209

2. BVerb/Subst.-(at)or

(DW: 2.5.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Instrumentativa

etw., womit etw. kultiviert wird derj., der eine Revision vornimmt, durchführt...

Verb

2

Kultivator

475

Subst.

3

Revisor

431

Subjektbezeichnungen

Musterwörter

DW 2 führt (S.56f.) insgesamt vier Gruppen zu diesem Muster an, von denen sich nur zwei auch hier finden. Zu jeder Gruppe ist hier nur jew. ein Lemma (lmal belegt) vorhanden. DW stellt (2, S.354, ähnlich auch S.387) fest, daß diese Abltgg. eher „in Sprachschichten des öffentlichen Lebens wie etwa in der Amtssprache verwendet" werden, und von daher erklärt sich wohl die Seltenheit dieses Musters hier. Nach DW (2, S.387) haben die deverbalen Abltgg. dieses Musters „gewöhnlich das erweiterte Suffix - a t o r w ä h r e n d die desubstantivischen Abltgg. zumeist auf -or gebildet sind, wozu sich (nach DW 2, S.387) nur bei Gruppe 3 wenige Ausnahmen finden, DW führt nur Auktionator an. §210

3. BSubst.(+SV)-chen

(DW: 2.6.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Deminutiva

kleiner Stuhl

Subst.

1

182

Musterwort Stühlchen

341

Deadjektivische Abltgg., wie sie DW als Gruppe 2 nennt (S.56f.), kommen hier nicht vor. Deminutivbildungen dieses Musters sind im Korpus mit 10 Lemmata und ebensovielen Belegen sehr selten, dazu kommen noch zwei als idiomatisiert angesehene Lemmata mit zusammen 5 Belegen. Die Seltenheit des Musters erklärt sich daraus, daß im UG die Deminutivbildung auf -lein als die übliche Form anzusehen ist, während -chen nur in Ausnahmefällen erscheint. Dadurch zeigen sich natürlich deutliche Unterschiede zwischen geschriebener Sprache, wie sie DW 2 erfaßt, und der gesprochenen Sprache, wie sie im Korpus der vorl. Untersuchung vertreten ist. Ist das der Abltg. zugrunde liegende Subst. umlautfahig, erfolgt stets Umlaut der Abltg. gegenüber der Basis. Nur 3 von 10 Lemmata hier haben keinen Umlaut. Mit der Ausnahme Kinderhöschen sind alle als Basis dienenden Substt. Simplizia. Daß Kinderhöschen hier erscheint, erklärt sich daraus, daß dieses Lemma als Abltg. zu Kinderhose aufgefaßt wird und nicht als Zusammensetzung aus Kinder + Höschen, wobei dann die zweite Wortkomponente als deminuiert erscheinen würde. In allen diesen Fällen (so auch bei -lein) gilt, daß das Komp. insgesamt als deminuiert erscheint. -»• dazu im übrigen auch Einleitung, § 15. §211

4. BVerb/Adj.(+SV)-e (fem.)(mask.)(neutr.)

(DW: 2.7.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Musterwörter

-+§

Abstrakta Ubjektbezeichnungen Instrumentativa

(die Tatsache), daß jmd. anfragt dasj., was eingenommen wird dasj., womit etw. geschnitten wird (die Tatsache), daß/wie kalt etw. ist ebene Fläche (Ort, Stelle), wo man Tiere tränkt etw., das würzt Schwindsucht deij., der nachkommt

Verb Verb Verb

(fem.) 1 (fem.) 4 (fem.) 2

Anfrage Einnahme Schneide

374 460 472

Adj.

(fem.) 3

Kälte

386

Adj. Verb

(fem.) 5 (fem.) 6

Ebene Tränke

423 487

Verb Verb Verb Verb Verb

Würze (fem.) 7 (fem.) 8+ Schwinde (mask.) 9+ Nachkomme (mask.) 10+ Glaube (neutr.)lH Erbe

Abstrakta Subjektbezeichnungen Locativa Subjektbezeichnungen Kurzformen Subjektbezeichnungen Restgruppe Restgruppe

--

-

419 508 412 515 515

Eine Änderung der Gruppeneinteilung gegenüber DW 2 erfolgte nicht, wohl aber eine Erweiterung: so sind die Gruppen 8+, 10+ und 11+ durch im Material vorfindliche Lemmata notwendig geworden. Gruppe 9+ entspricht genau der von DW S.58f. angeführten Gruppe von mask. Abltgg. dieses Musters, die hier lediglich in die Indizierung einbezogen wurden. §212

In der vorl. Untersuchung ist die Gruppe 4 nach Lemmata gleich häufig wie Gruppe 1, so daß sich hier eine Unterbrechung der ansonsten mit DW 2 übereinstimmenden Reihenfolge der Gruppen ergibt. In der Gebrauchshäufigkeit allerdings ist die 1 .Gruppe etwas häufiger als die 4.:

183

Klasse

Basis

Gruppe

Abstrakta Objektbezeichnungen Instrumentativa Abstrakta Subjektbezeichnungen Locativa Subjektbezeichnungen Kurzformen Subjektbezeichnungen Restgruppe Restgruppe

Verb Verb Verb Adj. Adj. Verb Verb Verb Verb Veib Verb

(fem.) 1 (fem.)4 (fem.) 2 (fem.) 3 (fem.) 5 (fem.) 6 (fem.) 7 (fem.) 8+ (mask.) 9+ (mask.) 10+ (neutr.) 11+1

Gesamt

Lemmata (S) abs. %

%

28 (22) 28 (3) 25 (13) 16 9 (2) 9 7 (1) 4 3 (1) i (1) 1 (1)

21,05 21,05 18,80 13,53 6,77 6,77 5,26 3,01 2,10 0,75 0,75

217 (209) 196 (23) 129 (91) 150 39 (7) 63 37 (15) 9 13 (2) 15 (15) 1 (1)

24,97 22,55 14,84 17,26 4,49 7,25 4,26 1,04 1,50 1,73 0,12

133 (44)

100,00

869 (363)

100,00

Idiomatisiert

§213

Belege (S) abs.

8

100

Überwiegend werden nicht-präfigierte Verben als Basis für die deverbale Abltg. verwendet: Gruppe

verbale Basis nicht-präfigiert präfigiert

(fem.) 1 (fem.) 4 (fem.)2 (fem.)6 (fem.) 7 (fem.) 8+ (mask.)9+

5 14 1 2 3 1

1 11 11 7 3 4 1

Gesamt

26

38

-

Die einzelnen Präfixe weisen dabei folgende Häufigkeiten auf: aus- 6, an- 4, zu- 4, auf- 3, ein- 3, ab- 2, nach- 2, b e - 1 , v o r - 1 . §214

Schwache Verben sind insgesamt doppelt so häufig wie starke Verben: Gruppe

verbale Basis stark schwach

(fem.) 1 (fem.)4 (fem.) 2 (fem.) 6 (fem.) 7 (fem.) 8+ (mask.) 9+

1 10 3 1 3 2 1

5 15 9 8 3 2 1

Gesamt

21

43

§215

Bei den deadjetivischen Abltgg. kommen mit einer Ausnahme nur Simplizia als Basis der Abltgg. vor. Ein abgeleitetes Adj. ist auf -all-eil gebildet. Dies entspricht DW, w o sich gleichfalls fast nur Simplizia als Basis finden.

§ 216

Ganz überwiegend erfolgt die Abltg. ohne Stammveränderung:

184

Stammveränderung

§217

§218

§219

%

ohne Ablaut Umlaut

55 22 12

61,80 24,72 13,48

Gesamt

89

100,00

Deverbale Abltgg. sind 3mal so häufig wie deadjektivische, und dieses Ergebnis entspricht demjenigen in DW 2: Basis

Lemmata (S) abs. %

abs.

Verb Adj.

106 (42) 27 (2)

79,70 20,30

680(356) 189 (7)

78,25 21,75

Gesamt

133 (44)

100,00

869 (363)

100,00

Belege (S) %

Neben fem. Abltgg. spielen mask, und neutr. Abltgg. kaum eine Rolle, und neutr. Genus dürfte sogar als Ausnahme anzusehen sein, DW führt solche Abltgg. gar nicht an, und hier ist auch nur ein Lemma vorhanden: Belege (S) abs.

Genus

Lemmata (S) abs.

fem. mask. neutr.

128 (41) 4 (2) 1 (1)

96,24 3,01 0,75

840 (345) 28 (17) 1 (1)

96,66 3,22 0,12

Gesamt

133 (44)

100,00

869 (363)

100.00

%

%

Dieses Muster wird ganz überwiegend, und zwar nach Lemmata wie nach Belegen, für die Bildung von Abstrakta verwendet: Lemmata (S) abs. %

Klasse Abstrakta Objektbezeichnungen Instrumentativa Subjektbezeichnungen Locativa Kurzformen

46 28 25 19 9 4

(22) (3) (13) (4)

131(42)

Gesamt

§220

Lemmata abs.

5. BVerb/Subst. -ent (-ant)

35,11 21,37 19,08 14,50 6,89 3,05 100,00

Belege (S) abs.

43,02 22,98 15,12 10,43 7,39 1,06

853 (347)

100,00

(DW: 2.8.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Subjektbezeichnungen Subjektbezeichnungen Subjektbezeichnungen

derj., der ministriert deij., der Abitur macht derj., der kommandiert/ das Kommando führt

Verb Subst. Verb/ Subst. Subst.

Restgruppe

% (209) (23) (91) (24)

367 196 129 89 63 9

-

Musterwörter

-+§

1+ 2+ 3+

Ministrant Abiturient Kommandant

411 431 435

4+

Fabrikant

516

Gruppe

DW 2 weist (S.351) auf die Schwierigkeit hin, daß oft nicht sicher zu entscheiden ist, von welcher Wortart aus die Abltg. erfolgt. Aus diesem Grund wurde hier die Gruppe 3+ neu eingeführt, die die doppelt motivierten Lemmata enthält, die DW offenbar teils der Gruppe 1, teils der Gruppe 2 zuordnet. Hier finden sich in den 185

beiden Gruppen nur noch eindeutig deverbale bzw. desubstantivische Abltgg. Gruppe 4+ enthält Einzelfalle, sie wird von DW 2 zwar S.392 erwähnt, jedoch nicht in die Indizierung einbezogen. § 221

Das Muster ist insgesamt im Korpus nicht besonders häufig: Klasse

Basis

Subjektbezeichnungen Subjektbezeichnungen Subjektbezeichnungen Restgruppe

Verb Subst. Verb/Subst. Subst.

Lemmata (S) abs. %

Gruppe 1+ 2+ 3+ 4+

Gesamt

Belege (S) abs.

%

6(2) 3 1(1) 1

54,55 27,27 9,09 9,09

27(16) 5 2 (2) 2

75,00 13,89 5,56 5,56

11(3)

100,00

36(18)

100,00

Gruppe 1+ ist nach Lemma gerade doppelt so häufig wie Gruppe 2+; Gruppe 1 + weist eine wesentlich größere Gebrauchshäufigkeit auf als alle anderen Gruppen. §222

Bei Gruppe 1+ sind alle Lemmata zu Verben auf -(is)ier-(en) gebildet, bei Gruppe 2+ erscheinen ausschließlich Subst.-Simplizia als Basis. Stammveränderung findet sich nicht. Die Endungen -ent bzw. -ant weisen folgende Verteilung bei den Lemmata auf: Gruppe 1+ 2+ 3+ 4+ Gesamt

-ent

-ant

4 2 -

2 1 1 1

6

5

-

Die beiden Endungen sind also gleich häufig, wobei die erweiterte Form -ient bzw. -iant, die in Gruppe 1+ bzw. 2+ je lmal vorkommt, bei der nicht-erweiterten Form mitgezählt wurde. Nach DW 2 (S.32) dominiert im heutigen Dt. jedoch die Form -ant im Verhältnis 2 : 1 , was sich hier nicht bestätigt.

§223

6. -enz(-anz)

(DW: 2.9.)

Dieses von DW genannte WB-Muster wird hier nicht behandelt, da die in Frage stehenden Lemmata nicht als Abltgg. und Resultat eines dt. WB-Vorganges aufgefaßt werden. Von den in DW 2 behandelten Lemmata sind hier auch Differenz und Konkurrenz belegt, jedoch liegt in beiden Fällen kein dt. WB-Vorgang zugrunde, denn das Suffix -enz(-anz) kann prinzipiell nur an fremdwörtliche Stämme angefügt werden. Dies zeigt sich u.a. auch in DW 2, wo in einer Fußnote zur betr. Tabelle S.60 festgestellt wird: „So stehen Audienz, Frequenz, Jurisprudenz, Kadenz, Koinzidenz, Provenienz, Referenz, Sentenz usw. im heutigen Sprachgebrauch nicht in Korrelation mit einem Nomen auf -ent(-ant) oder einem Verb auf -ieren."^ 1) Mindestens kadenzieren ist in der musikalischen Fachspr. in Verbindung mit Kadenz jedoch ein durchaus übli-

186

§224

7. BVerb/Subst./Zw.(+SV)-er

(DW: 2.10.) Gruppe

Musterwörter

-+§

Reiter Bohrer

410 471

3+ 10+

Fußballer Mörder

430 434

4

Italiener

450

Verb

5

Schucker

377

Verb Subst.

8 9

Anhänger Eisenbahner

456 447

Zw.

7

Hunderter

438

11+ 12+ 13+ 14+

Witwer Dampfer Gockeler Kälberer

336 509 366 517

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Subjektbezeichnungen Instrumentativa

deij., der reitet etw. (Gerät), mit dem etw. gebohrt wird jmd., der Fußball spielt deij., der mordet/einen Mord verübt jmd./etw., der/das aus Italien kommt/stammt (die Tatsache), daß jmd. schuckt etw., das angehängt wird jmd., der der Eisenbahn angehört etw. (Geldschein), das 100 Mark wert ist männl. Witwe Dampfschiff Gockel

Verb Verb

1+ 2+

Subst. Verb/ Subst. Subst.

Subjektbezeichnungen Subjektbezeichnungen Herkunftsbezeichnungen Abstrakta Objektbezeichnungen Zugehörigkeitsbezeichnungen Subjektbezeichnungen Movierung Kurzformen Affix weglaßbar Restgruppe

-

Subst. Subst. Subst. Verb

Änderungen gegenüber DW ergaben sich nur bei den Gruppen 1 und 3. DW weist (2, S.375) darauf hin, daß manche der bei Gruppe 3 eingeordneten Lemmata auch eine doppelte Motivationsbasis aufweisen, trennt diese Lemmata jedoch nicht von den eindeutig zugeordneten. Für die vorl. Untersuchung wurde hingegen entschieden, alle Lemmata, bei denen eine Doppelmotivierung angenommen werden kann, aus den Gruppen 1 und 3 herauszulösen und sie in der neuen Gruppe 10+zusammenzufassen. Gruppe 11+ ist in DW in einer Restgruppe vertreten, erhielt hier jedoch aus systematischen Gründen einen eigenen Index. Gruppen 12+-14+mußten aufgrund der im Material vorhandenen Lemmata neu gebildet werden, Gruppe 6 aus DW fehlt hier völlig. Nicht zu den Abltgg. dieses Musters gehören die substantivierten Partt. und Adjj. {Reisender, Gefallener, Geistlicher), die im HGS stets mit der Endung -er erscheinen, in DW jedoch alle auf -e enden. Unberücksichtigt bleiben ferner einige im HGS aufgeführte Pluralformen von Simplizia, die lediglich zur besseren Unterscheidung ihrer Bedeutungen im Plural aufgeführt werden und damit auf -er enden, ohne eine Ableitung dieses Musters zu sein, z.B. Kräuter, das in dieser Form (Heil-)Kräuter meint im Gegensatz zum Simplex Kraut, womit z.B. (Sauer-)Kraut gemeint ist. § 225

Es zeigt sich in der Verteilung von Lemmata und Belegen eine große Ubereinstimmung mit DW 2, denn die Reihenfolge ist bis Gruppe 5 in beiden Untersuchungen gleich. Die Lemmata der Gruppe 10+ wären teils der Gruppe 1, teils Gruppe 3 zuzuschlagen und bestätigen somit in jedem Fall die Übereinstimmung. Gleichfalls übereinstimmend mit DW zeigt sich ein deutlicher Abstand in der Lemma-Häufigkeit zwischen Gruppe 1+ und der nächsthäufigen Gruppe, während zwischen dieser und der folgenden Gruppe nur ein geringer Abstand in der Lemma-Häufigkeit zu verzeichnen ist. Für die Beleghäufigkeit gilt fast dasselbe. ches Verb, und ob frequentieren (neben frequent), referieren und koinzidieren im heutigen Sprachgebrauch - im Gegensatz zu dem von DW 2 in der Gruppe 4 genannten Lemma Divergenz (S.60) - nicht in Korrelation mit den betr. Substt. stehen, muß hier offen bleiben.

187

Klasse

Basis

Subjektbezeichnungen Instrumentativa Subjektbezeichnungen Subjektbezeichnungen Herkunftsbezeichnungen Abstrakta Objektbezeichnungen Zugehörigkeitsbezeichn. Subjektbezeichnungen Movierung Kurzformen Affix wegla&bar Restgruppe

Verb Verb Subst. Verb/Subst. Subst. Verb Verb Subst. Zw. Subst. Subst. Subst. Verb

Lemmata (S) abs.

Gruppe 1+ 2 3+ 10+ 4 5 8 9 7 11+ 12+ 13+ 14+

Gesamt Idiomatisiert

§ 226

%

97 (1) 34(1) 31 14 10 8(2) 4 2 1 1 1 1 2(1)

47,09 16,50 15,05 6,80 4,85 3,88 1,94 0,97 0,49 0,49 0,49 0,49 0,97

206 (5)

100,00

12

Belege (S) abs. 465 (1) 111 (2) 142 71 20 13 (6) 19 2 1

%

3 1 3 (2)

54,51 13,01 16,¿5 8,32 2,34 1,52 2,23 0,23 0,12 0,23 0,35 0,12 0,35

853(11)

100,00

1

406

Nicht-präfigierte Basen überwiegen deutlich: Gruppe

verbale Basis präfigiert nicht-präfigiert

1+ 2 5 8 14+

27 4 1 1

Gesamt

33

69 29 5 3 1

-

107

Folgende Präfixe^) sind beteiligt: be- 7, an- 4, ver- 4, vor- 4, ab- 3, auf- 2, aus- 2, zu- 2, durch-1, ein-1, nach-1, um-1, unter-1. §227

Schwache Verben als Basis überwiegen, sie sind bei den beiden häufigsten Gruppen jeweils fast 3mal so oft an der Bildung der Abltgg. beteiligt wie die starken Verben: Gruppe

§228

verbsile Basis stark schwach

1+ 2 5 8 14+

28 9 1 1

Gesamt

39

-

68 24 5 3 1 101

Subst.-Simplizia überwiegen, abgeleitete Subst. kommen als Basis überhaupt nicht vor:

1) Als „Präfixe" weiden dabei über die Präfixe im engeren Sinn hinaus auch alle jene Präfixe verstanden, die DW 1 berücksichtigt. Wo sinnvoll, werden auch Erstglieder von Verb-Kompp. mit einbezogen.

188

substantivische Basis Kompositum Simplex

Gruppe 3+ 4 9 11+ 12+ 13+

-

1 1 1

§230

-

13

33

Gesamt

§ 229

9 2 2

22 8

Stammveränderung findet sich überwiegend als Umlautbildung: Stammveränderung Umlaut Ablaut

Gruppe

ohne

1+ 2 3+ 4 5 8 9 7 11+ 12+ 13+ 14+

85 31 25 5 6 4 2 1 1 1 1 1

10 2 6 5

Gesamt

163

23

1

-

1

Ganz überwiegend werden zu diesem Muster deverbale Abltgg. gebildet. Die doppelt motivierten Lemmata weisen jedoch die größte durchschnittliche Häufigkeit von Belegen pro Lemma auf, gefolgt von den deverbalen und den desubstantivischen Abltgg.: Basis

Verb 145 (5) Subst. 46 Verb/Subst. 14 Zw. 1 Gesamt

Belege (S) abs.

Lemmata (S) abs. %

206 (5)

%

70,39 22,33 ¿,80 0,49

611(11) 170 71 1

71,63 19,93 8,32 0,12

100,00

853(11)

100,00

Belege (S)

Klasse

Lemmata (S) abs. %

Subjektbezeichnungen Instrumentiva Herkunftsbezeichnungen Abstrakta Objektbezeichnungen Zugehörigkeitsbezeichnungen Kurzformen Movierung

143 (1) 34(1) 10 8(2) 4 2 1 1

70,44 16,75 4,93 3,94 1,97 0,99 0,49 0,49

679(1) 111 (2) 20 13(6) 19 2 3 1

80,07 13,09 2,36 1,53

Gesamt

203 (4)

100,00

848 (9)

100,00

abs.

%

IM

0,24 0,35 0,12

189

Hauptsächlich werden nach diesem Muster Subjektbezeichnungen gebildet, ein zweiter Schwerpunkt hegt bei der Bildung von Instrumentativa, und dieses Ergebnis entspricht demjenigen von DW. §232

(DW: 2.11.)

8. BSubst.(+SV)-ler Klasse

transfoimationellei Wert

Subjektbezeichnungen Zugehörigkeitsbezeichnungen Heikunftsbezeichnungen

deij., der Rad fährt Subst. deij., der der Post angehört Subst. deij., der aus dem Dorf kommt Subst.

Gruppe

Basis

1 2 3

Musterwörter

-*§

Radler Postler Dörfler

431 448 452

Zur Begründung der von -er gesonderten Behandlung von -ler und -ner führt DW 2 ( S . 3 4 ) aus: „-ler und -ner waren ursprünglich nur Suffixvarianten zu -er. Im heutigen Dt. gelten für sie aber ganz andere Kombinationsbedingungen, die nicht [...] allein aus der Lautgestalt der Basis abgeleitet werden können. [...] Unterschiede der Basiswortart haben zur Ausbildung unterschiedlicher Ableitungsstrukturen mit verschiedener Produktivität geführt; deshalb werden -ler und -ner in der Darstellung als eigene Morpheme von dem weitgehend (zu 85%) deverbativen Suffix -er abgehoben und nicht als dessen Allomorphe behandelt." Vgl. auch DW 2, S . 3 7 6 f . und FLEISCHER, S. 144f. Von den in DW 2 angeführten fünf Gruppen sind hier nur drei vertreten, die alle mit DW übereinstimmen. Deverbale Abltgg. kommen nicht vor, und es fehlt auch die nach DW 2 ( S . 3 9 5 f . ) vorherrschend in der Zeitungsspr. verwendete Gruppe 4. Lemmata und Belege verteilen sich folgendermaßen: Klasse

Basis

Gruppe

abs.

Subjektbezeichnungen Zugehörigkeitsbezeichnungen Herkunftsbezeichnungen

Subst. Subst. Subst.

1 2 3

Gesamt

Lemmata

Belege %

abs.

%

5 1 1

71,43 14,29 14,29

8 1 1

80,00 10,00 10,00

7

100,00

10

100,00

Als Basis für die Abltgg. dienen 4 Simplizia, 2 Abltgg. und 1 Komp. Stammveränderung findet sich bei Gruppe 1 bei 2 Lemmata als Umlaut, bei Gruppe 3 beim einzig vorhandenen Lemma ebenfalls als Umlaut. 4 Lemmata weisen keine Stammveränderung auf. §233

9. BSubst.(+SV)-ner

(DW: 2.12.)

Klasse

transformationeller Wert

Subjektbezeichnungen Herkunftsbezeichnungen

deij., der Rente empfangt Subst. deij., der aus Amerika kommt/ Subst. stammt

Basis

Gruppe 1

Musterwörter Rentner Amerikaner

1

431 451

Zu der von -er getrennten Behandlung dieses Musters -*• den vorigen Paragraphen. Das Muster ist hier insgesamt recht selten: Lemmata

Belege

%

%

abs.

4 2

66,67 33,33

13 3

81,25 18,75

Gesamt

6

100,00

16

100,00

Idiomatisiert

1

Klasse

Basis

Gruppe

abs.

Subjektbezeichnungen Herkunftsbezeichnungen

Subst. Subst.

1 2

190

2

Gruppe 1 ist bei den Lemmata doppelt so häufig wie Gruppe 2, und dieses Ergebnis entspricht genau demjenigen in DW. Als Basis für die Abltgg. dienen 5 Simplizia und 1 Komp. Stamm Veränderung findet sich nur lmal als Umlautbildung. §234

10. BVerb/Subst.(+SV)-(er)ei Klasse Abstiakta Locativa Locativa Locativa Abstiakta KoUektiva Objektbezeichnungen Locativa Restgruppe

(DW: 2.13.)

transformationeller Wert

Basis

(die Tatsache), dafi jmd. hetzt Ort, an dem etw. gedruckt wird/Betrieb eines Druckers Betrieb/Geschäft eines Gärtners Ort/Betrieb, in dem Käse hergestellt wird (die Tatsache), dafi jmd. als Schriftsteller handelt/das, was ein S. getan hat/tut zusammengehörige Bücher etw., das gestickt worden ist Ort, an dem etw. gekellert wird

Verb Verb/ Subst. Subst. Subst.

-

Subst. Subst. Verb Verb Subst.

Gruppe

Musterwörter

-M

1 9+

Hetzerei Druckerei

372 504

4+

Gärtnerei

498

8+

Käserei

501

Schriftstellerei

398

Bücherei Stickerei Kellerei Großputzerei

350 465 488 518

2/7 6 5 3+ 10+

Wie aus den Indizes hervorgeht, wurden einige Änderungen gegenüber der von DW getroffenen Einteilung vorgenommen. Die Gruppen 2 und 7 wurden zusammengefaßt, weil aufgrund der vorhandenen Lemmata nicht immer mit Sicherheit die nach den trafoWerten geltende Unterscheidung zwischen dem Tun (= Gruppe 2) und dessen Resultat (= Gruppe 7) zu treffen ist. Die Locativa der Gruppen 3 und 4 wurden anders zusammengefaßt derart, daß nun in Gruppe 3+ nur noch deverbale, in Gruppe 4+ nur noch desubstantivische Lemmata zu finden sind. Doppelt motivierte Lemmata aus beiden Gruppen finden sich hier als Gruppe 9+. Diese Änderung wurde durch einen Hinweis von DW notwendig, wo zur Gruppe 3 für das Lemma Druckerei ausgeführt wird, daß neben dem deverbalen Bezug („Ort, an dem etw. (Schriften) gedruckt wird"; 2, S.68) auch der Bezug auf ein Subst. möglich ist und folglich der trafoWert der Gruppe 4 Anwendung finden kann („Betrieb/Geschäft eines Druckers"; 2, S.68). Diese doppelte Bezugnahme hegt nach DW anscheinend nur dann vor, wenn es sich bei dem der Abltg. zugrunde liegenden Subst. um eine Berufsbezeichnung handelt, weshalb auch Braterei nur in die Gruppe 3 gehören kann. Jedoch ist sprachlich Braterei wie Druckerei zu behandeln, beides ist sowohl vom Verb wie vom Subst. her ableitbar, allerdings ist Brater noch keine Berufsbezeichnung, so daß hier für DW der Bezug auf ein Subst. nicht in Frage zu kommen scheint. Warum Metzgerei nach DW nur der Gruppe 4 zugehören kann, ist unklar, denn auch hier ist der Bezug auf ein Verb metzgen (im HGS 28mal belegt) möglich und das Lemma entsprechend auch in die Gruppe 3 einzuordnen. §235

Lemmata und Belege verteilen sich wie folgt:

191

Lemmata Klasse

Basis

Abstrakta Locativa Locativa Locativa Abstrakta Kollektiva Objektbezeichnungen Locativa Restgruppe

Verb Verb/Subst Subst. Subst Subst. Subst. Verb Verb Subst

Belege

Gruppe

abs.

%

abs.

%

1 9+ 4+ 8 2/7 6 5 3+ 1 Gendarmerie), so daß eine Behandlung im Rahmen der vorl. Untersuchung entfällt.

§253

16. BAdj./Verb-ik (fem.)(mask.)

(DW: 2.18.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Abstrakta Restgruppe Restgruppe

leichtathletischer Sport

Adj. Verb Adj.

Leichtathletik (fem.) 1 (fem.) 5+ Fabrik (mask.) 6+ Katholik

-

Musterwörter 387 520 520

Zu diesem Muster sind nur wenige Lemmata vorhanden, die hier alle als Stammabltgg. aufgefaßt werden. Die Gruppen 5+ und 6+ wurden nötig, weil das Korpus ja vollständig beschrieben werden soll und somit auch die dort enthaltenen Einzelfälle berücksichtigt werden müssen. DW nennt die beiden Lemmata zwar auch, bezeichnet sie (2, S.281) aber als „isolierte Formen" bzw. als von den angegebenen systematischen Bezügen abweichende Formen (S. 76). Lemmata und Belege verteilen sich folgendermaßen: 197

Lemmata (S) abs.

Klasse

Basis

Gruppe

Abstrakta Restgruppe Restgruppe

Adj. Verb Adj.

(fem.) 1 (fem.) 5+ (mask.)6+

Gesamt

§254

17. BAdj./Subst.-ismus

Belege (S)

%

%

abs.

4(4) 1(1) 1(1)

66,67 16,67 16,67

10 (10) 62 (62) 1 (1)

13,70 84,93 1,37

6(6)

100,00

73 (73)

100,00

(DW. 2.20.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Musteiwörter

Abstrakta

(die Tatsache), daß jmd./etw. dilettantisch ist rheumatische Erkrankung

Adj./ Subst. Adj.

1

Dilettantismus

406

4

Rheumatismus

423

Subjektbezeichnungen

Dieses Muster ist im Korpus recht schwach vertreten, es finden sich nur die beiden angeführten Lemmata (dasjenige der Gruppe 1 mit 1, das der Gruppe 4 mit 3 Belegen). Für die Gruppe 1 wird mit DW eine doppelte Motivierung angenommen, jedoch wird das Lemma hier als Stammabltg. betrachtet, weil die Richtung des WB-Vorganges nicht, eindeutig ist. Das Muster dürfte insgesamt eher geschriebener oder der Hspr. nahestehender Sprache angehören als der gesprochenen Alltagsspr. des UG. §255

18. BSubst./Adj.-ist

(DW:2.21.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Zugehörigkeitsbezeichnungen Subjektbezeichnungen Restgruppe

derj., der der Reserve angehört Subst. Subst. deij., der Ba£ spielt Adj. -

Gruppe 3 1 5+

Musterwörter

-+§

Reservist Bassist Zivilist

446 431 521

Das Muster ist im Korpus selten, die Gruppen 2 und 4 aus DW fehlen. Für ein einziges Lemma mußte in Erweiterung der von DW vorgegebenen Gruppeneinteilung die Gruppe 5+ neu geschaffen werden. Das Muster wird offenbar in der im UG gesprochenen Alltagsspr. selten benutzt: Lemmata Klasse

Basis

Zugehörigkeitsbezeichnungen Subjektbezeichnungen Restgruppe

Subst. Subst. Adj.

Gesamt

Gruppe 3 1 5+

Belege

abs.

%

abs.

%

6 1 1

75,00 12,50 12,50

11 3 2

68,75 18,75 12,50

8

100,00

16

100,00

Bei Gruppe 3 ist für 2 Lemmata ein abgeleitetes Subst. die Basis, für alle anderen Abltgg. finden nur Simplizia als Basis Verwendung. §256

19. Der Typ „Optimist" (DW: 5.14.) Im Anschluß an die soeben genannten Abltgg. auf -ist nennt DW noch eine weitere Bildungsmöglichkeit von Lemmata, die diese Endung aufweisen, jedoch keine Abltgg. dieses Musters sind. Die in Frage stehenden Lemmata sind dort als „Typ Optimist (: optimistisch)" beschrieben (DW 2, S.333). Es finden sich hier 2 Lemmata für diesen 198

Typ, die bei den Subjektbezeichnungen in §426 genannt werden. Beide Lemmata werden als Stammabltgg. angesehen. §257

20. BAdj.-ität

(DW: 2.22.)

Klasse

tiansformationeller Wert

Basis

Gruppe

Abstrakta

(die Tatsache), daß jmd. aktiv ist jmd., der eine spezielle Fähigkeit besitzt

Adj.

1

Aktivität

389

Adj.

2

Spezialist

423

Subjektbezeichnungen

Musterwörter

§

Abltgg. dieses Musters sind hier im Korpus sehr selten, es finden sich nur die beiden (jeweils lmal belegten) Lemmata. Für Gruppe 1 findet sich noch ein weiteres (2mal belegtes) Lemma, das als Stammabltg. angesehen wird. Die von DW (2, S.84 und 208) genannte Restgruppe ist hier nicht vertreten. §258

21. BSubst.(+SV)-(er)in

(DW: 2.23.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Musterwörter

Movierung Movierung

weibl. Dolmetscher weibl. X/Frau des X

Subst. Subst.

1 2

Dolmetscherin Königin

§

331 335

Bei beiden Gruppen handelt es sich um Fälle von Movierung, die von DW vorgegebene Trennung wurde hier der Vergleichbarkeit wegen beibehalten. Für Gruppe 2 findet sich nur das angeführte (3mal belegte) Lemma, das nach dem Kontext in diese Gruppe einzuordnen war. Für Gruppe 1 sind insgesamt 43 Lemmata mit zusammen 119 Belegen vorhanden. Einige Lemmata weisen die erweiterte Suffixform -erin auf, woraus sich die gegenüber DW geänderte Schreibung des Morphems erklärt. Abgeleitete Substt. als Basis der Lemmata sind am häufigsten: Gruppe

substantivise he Basis Ableitung Simplex Kompositum

1 2

20

16 1

7

-

Gesamt

20

17

7

-

38 Lemmata werden ohne Stammveränderung gebildet, bei 6 Lemmata zeigt sich Umlaut gegenüber der Basis. §259

22. BVerb/Adj./Subst./Zw.(+SV)-ling (DW: 2.24.) Klasse Subjektbezeichnungen Objektbezeichnungen Subjektbezeichnungen Subjektbezeichnungen Restgruppe

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

etw., das wild ist deij., der angelernt wird derj., der eine Flucht unternimmt deij., der nachkommt

Adj. Verb Subst.

1 4 2

Wildling Anlernling Flüchtling

415 456 431

Verb Zw.

3 7

Nachkömmling Zwilling

412 522

-

Musterwörter

§

Es fällt auf, daß die numerische Reihenfolge der Gruppen gegenüber DW hier nicht beibehalten ist und daß überdies die Gruppen 5 und 6 fehlen. Das Muster ist hier selten: 199

Lemmata

Belege

Klasse

Basis

Gruppe

abs.

%

abs.

%

Subjektbezeichnungen Objektbezeichnungen Subjektbezeichnungen Subjektbezeichnungen Restgiuppe

Adj. Verb Subst. Verb Zw.

1 4 2 3 7

3 3 1 1 1

33,33 33,33 11,11 11,11 11,11

18 18 34 1 3

24,32 24,32 45,95 1,35 4,05

9

100,00

74

100,00

Gesamt

Daß das Muster insgesamt in der gesprochenen Alltagsspr., wie sie das Korpus der vorl. Untersuchung repräsentiert, so selten ist, könnte u.U. daran liegen, daß die von DW in der Gruppe 1 geführten und dort offenbar recht zahlreich vorhandenen Lemmata, die zumeist abwertende Personenbezeichnungen darstellen {Dümmling, Feigling, Rohling, Schwächling), als Substt. eher gemieden werden und dafür häufiger die betr. Adjj. eintreten. Zu den genannten Substt. sind im HGS die Adjj. dumm, schwach, roh und blöd belegt (mit 46, 15, 4 und 3 Belegen). Die ausgesprochene Vermutung erfährt von daher eine gewisse Stützung. Ein Vergleich mit DW ist allerdings nicht möglich, u. a. deshalb, weil dort ja keine Angaben zur Gebrauchshäufigkeit gemacht werden. §260

Morphologische Untersuchungen sind bei so wenigen Lemmata, die sich zudem noch auf vier verschiedene Wortarten als Basis verteilen, nicht sinnvoll. Stammveränderung findet sich lediglich bei 2 Lemmata als Umlaut. Das Muster wird am häufigsten für die Bildung von Subjektbezeichnungen genutzt: Lemmata

Klasse

§261

Belege

abs.

%

abs.

%

Subjektbezeichnungen Objektbezeichnungen

5 3

62,50 37,50

53 18

74,65 25,35

Gesamt

8

100,00

71

100,00

23. BVerb/Adj./Part.(+SV)-nis (fem.)(neutr.)

(DW: 2.25.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Objektbezeichnungen Abstrakta

das, was erlebt wird/worden ist (die Tatsache), da£ man etw. kennt (die Tatsache), daß etw. erlaubt ist etw., das sich ereignet hat (die Tatsache), daß etw. geheim ist

Verb Verb

2 1

Erlebnis Kenntnis

464 379

Verb (part.) Verb Adj.

3

Erlaubnis

394

4 5

Ereignis Geheimnis

419 390

Part.

6+

Gefängnis

523

Abstrakta Subjektbezeichnungen Abstrakta Restgruppe

-

Musterwörter

Gruppe 6+ wird von DW 2 zwar S.456 angeführt, jedoch nicht in die Ubersicht über alle Bildungen dieses Musters (S.88f.) aufgenommen. Die Gruppe erhielt hier aus systematischen Gründen eine Indexziffer. Lemmata und Belege verteilen sich folgendermaßen: 200

Lemmata

Klasse

Basis

Objektbezeichnungen Abstiakta Abstiakta Subjektbezeichnungen Abstiakta Restgruppe

Verb Verb Verb (part.) Verb Adj. Part.

Gruppe 2 1 3 4 5 6+

Gesamt Idiomatisiert

Belege

abs.

%

abs.

%

5 4 1 1 1 1

38,46 30,77 7,69 7,69 7,69 7,69

21 12 2 5 1 4

46,67 26,67 4,44 11,11 2,22 8,89

13

100,00

45

100,00

2

17

Gruppen 1 und 2 sind praktisch gleich häufig und überdies die einzigen beiden Gruppen, die im Korpus etwas häufiger sind (und zwar nach Lemmata wie nach Belegen), alle anderen Gruppen sind hier sehr selten. In DW hingegen ist Gruppe 1 mehr als doppelt so häufig wie die Gruppe 2. § 262 Es überwiegen präfigierte Basen: Gruppe

verbale Basis nicht-präfigiert präfigiert

2 1 3 4

4 3 1 1

1 1

Gesamt

9

2

-

Nach Häufigkeit ergibt sich folgende Liste der beteiligten Präfixe: er- ist 5mal, be2mal, miß- und ver- je lmal belegt. § 263

Starke und schwache Verben als Basis sind insgesamt fast gleich häufig:

Gruppe

§ 264

2 1 3 4

2 4 -

1 1

Gesamt

6

5

-

3 -

Stammveränderung findet sich recht selten: Gruppe 2 1 3 4 5 6+ Gesamt

§265

verbale Basis schwach stark

Stammveränderung ohne Umlaut 4 2 1 1 1

1 2 -

-

1

9

4

-nis ist das einzige Muster, bei dem innerhalb einer Gruppe das Genus wechselt. Es 201

findet sich im Korpus folgende Verteilung auf die beiden beteiligten Genera: Gruppe

fem.

1 1 3 4 5 6+

1 1 1

-

1 1 1

3

10

-

Nach Lemmata sind Abstrakta und Objektbezeichnungen fast gleich häufig, jedoch weisen letztere eine größere Gebrauchshäufigkeit auf: Lemmata Klasse Abstrakta Objektbezeichnungen Subjektbezeichnungen Gesamt

§267

4 3

-

Gesamt

§266

Genus neutr.

Belege

abs.

%

abs.

%

6 5 1

50,00 41,67 8,33

15 21 5

36,59 51,22 12,20

12

100,00

41

100,00

24. BSubst./Verb/Adj./Part.-schaft

(DW: 2.26.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Musterwörter

Kollektiva

alle/die gesamten Bürger (einer Stadt) (die Tatsache), daßjmd. jmds. Feind ist Ort (die Tatsache), daßjmdm. etw. eisen ist

Subst.

1

Bürgerschaft

349

Subst.

2

Feindschaft

396

Subst. Adj.

3 4

Ortschaft Eigenschaft

363 388

Verb Part. Verb / Subst.

6+ 7+ 8+

Wanderschaft Gefangenschaft Erbschaft

524 524 524

Abstrakta Affix weglafibar Abstrakta Restgruppe Restgruppe Restgruppe

-

Die Lemmata der Gruppen 6+ und 7+ finden sich auch in DW und werden dort in der Restgruppe zusammen genannt. Hier wurden sie — da mit unterschiedlicher Basiswortart gebildet - getrennt; die Gruppen selbst stellen jedoch keine Änderung gegenüber DW dar. Bei Gruppe 8+ findet sich eine geringfügige Änderung gegenüber DW: das hier einzig für diese Gruppe belegte Lemma Erbschaft wird von DW (2, S.90 und 417) in der Gruppe 5 genannt mit Basis Verb(part). FLEISCHER schlägt (S. 162) eine doppelte Motivation vor als BVerb/Subst. In der vorl. Untersuchung werden Erbe/erben als Stammabltgg. angesehen, und es liegt von daher eine doppelte Motivationsbasis für Erbschaft nahe. Entsprechend wird nun verfahren, wobei das Lemma als Einzelfall eine Restgruppe bildet. Nach DW wäre allerdings — neben der dort vorgenommenen Zuweisung zu Gruppe 5 - auch eine Zuordnung zur Gruppe 3 möglich, da bei diesem Lemma das Affix weglaßbar ist, ohne daß sich große Bedeutungsveränderungen gegenüber Erbe ergeben. § 268

Lemmata und Belege verteilen sich folgendermaßen:

202

Klasse

Basis

Kollektiva Abstrakta Affix weglaßbar Abstrakta Restgruppe Restgruppe Restgruppe

Subst Subst Subst. Adj. Verb Part. Verb/Subst.

Lemmata abs.

Gruppe 1 2 3 4 6+ 7+ 8+

Belege %

abs.

%

1 1 1

39,13 26,09 13,04 8,70 4,35 4,35 4,35

61 52 28 4 1 53 3

30,20 25,74 13,86 1,98 0,50 26,24 1,49

23

100,00

202

100,00

9 6 3 2

Gesamt Idiomatisiert

6

144

Das Muster ist nach Lemmata wie nach Belegen nicht besonders häufig. Aufnahmebedingt weisen einige Lemmata jedoch eine extrem große Gebrauchshäufigkeit auf (am auffälligsten bei Gruppe 7+). §269

Substt. als Basis für die Abltgg. überwiegen eindeutig, andere Wortarten finden eher in Ausnahmefällen Verwendung, und dieses Ergebnis entspricht demjenigen in DW. Für die semantischen Funktionsklassen ergibt sich folgende Verteilung von Lemmata und Belegen: Klasse Kollektiva Abstrakta Gesamt

Lemmata abs. %

Belege abs.

%

9 8

52,94 47,06

61 56

52,14 47,86

17

100,00

117

100,00

Beide Funktionsklassen sind fast gleich häufig, und zwar nach Lemmata wie nach Belegen. In DW zeigt sich ein deutliches Überwiegen der Kollektiva. §270

25. BSubst./Verb./Adj.-tum

(DW: 2.27.) Basis

Klasse

transformationeller Wert

Locativa Abstrakta Affix weglaßbar Restgruppe

Subst. Reich eines Fürsten (die Tatsache), dafi etw. wächst Verb Subst. Besitz Adj. -

Gruppe 3 4 5+ 6+

Musterwörter

-Ȥ

Fürstentum Wachstum Besitztum Eigentum

499 379 364 525

Die Gruppen 1 (Abstrakta; Sektierertum) und 2 (Kollektiva; Bürgertum) sind im Korpus nicht vertreten, Gruppe 5+ findet sich bei DW nicht, Gruppe 6+ entspricht der Restgruppe in DW. Das Muster ist im Korpus sehr selten: Lemmata

Klasse

Basis

Locativa Abstrakta Affix weglaßbar Restgruppe

Subst. Verb Subst. Adj.

Gruppe

Belege

abs.

%

abs.

%

1 1 1 1

25,00 25,00 25,00 25,00

1 2 2 2

14,29 28,57 28,57 28,57

Gesamt

4

100,00

7

100,00

Idiomatisiert

1

3 4 5+ 6+

3

203

Da sich hier im Korpus zu jeder Gruppe nur 1 Lemma findet (die Beleghäufigkeit ist nicht wesentlich größer), in DW hingegen immerhin 132 Lemmata erscheinen, muß angenommen werden, daß das Muster eher der geschriebenen denn der gesprochenen Alltagsspr. des UG angehört. §271

26. BVerb/Subst./Adj.(+SV)-ung

(DW: 2.28.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Abstrakte

(die Tatsache), daß jmd. etw. ahnt das, was gedichtet wird/ worden ist dasj., womit etw. geheizt wird (die Tatsache), daß jmd. begeistert ist diejn., die regieren Ort, an dem jmd. siedelt alle/die gesamten Reifen (eines Fahrzeugs)/das (Dinge), womit ein Fahrzeug bereift ist Wald

Verb

Objektbezeichnungen Instrumentativa Abstrakta Subjektbezeichnungen Locativa KoUektiva Affix weglaßbar Restgruppe

-

Musterwörter

-*§

1

Ahnung

371

Verb

3

Dichtung

359

Verb Verb (part.) Verb Verb Verb/ Subst.

4 2

Heizung Begeisterung

478 393

5 7 6

Regierung Siedlung Bereifung

418 491 353

Subst. Adj.

8+ 9+

Waldung Niederung

361 525

Gruppe 8+ entspricht genau der Restgruppe in DW und wurde hier nur in die Indizierung einbezogen. Deadjektivische Abltgg. kommen in DW nicht vor und bilden hier eine Restgruppe. §272

Die Verteilung von Lemmata und Belegen auf die einzelnen Gruppen: Klasse

Basis

Abstrakta Obj ektbezeichnungen Instrumentativa Abstrakta Subjektbezeichnungen Locativa Kollektiva Affix weglaßbar Restgruppe

Verb Verb Verb Verb (part.) Verb Verb Verb/Subst. Subst. Adj.

Gesamt Idiomatisiert

Gruppe 1 3 4 2 5 7 6 8+ 9+

Lemmata abs.

Belege %

abs.

%

118 35 27 23 16 7 4 4 1

50,21 14,89 11,49 9,79 6,81 2,98 1,70 1,70 0,43

333 99 64 69 81 46 5 19 1

46,44 13,81 8,93 9,62 11,30 6,42 0,70 2,65 0,14

235

100,00

717

100,00

14

118

Es fällt die gegenüber DW deutlich andere Reihenfolge der Gruppen auf, Übereinstimmungen zeigen sich nur darin, daß hier wie dort die Gruppen 1, 5 und 8+ an den gleichen Stellen stehen und daß auch hier die Gruppe 1 nach Lemmata deutlich häufiger ist als die anderen Gruppen. Die größte durchschnittliche Zahl von Belegen pro Lemma weisen hier die Gruppen 5 und 7 auf. § 273

Bei den deverbalen Abltgg. überwiegen präfigierte Basen:

204

Gruppe

verbale Basis nicht-präfigiert präflgiert

1 3 4 2 5 7

75 20 17 16 Ii 2

43 15 10 7 3 5

Gesamt

143

83

Die einzelnen beteiligten Präfixe in ihrer Verteilung auf die Gruppen können der folgenden Tabelle entnommen werden: Gruppe be- ver1 3 4 2 5 7

18 6 3 5 6

Gesamt

38

-

13 2 5 5 3 -

28

ab- an-

er-

über3 3 2

-

4 1 1 3

-

-

-

-

5 3

7 2

-

-

1 2 1

1

12

10

9

8

um-

Präfixe aus- ent-

unter-

vor-

auf-

ein-

5

4

2

4

-

-

3 1

1

-

3 2

2

-

-

-

1 1

1

1 1

2

1

-

-

1

-

-

-

-

-

-

1

-

-

-

1

-

1

-

-

-

-

-

-

-

-

1

2

7

6

5

5

5

5

3

wieder- zu-

Am weitaus häufigsten sind be- und ver- beteiligt, danach folgen mit deutlichem Abstand und in kontinuierlicher Abnahme die übrigen Präfixe. § 274

Starke Verben als Basis sind recht selten: Gruppe

verbale Basis schwach stark

1 3 4 2 5 7

18 5 3 2 2 1

100 30 24 21 14 6

Gesamt

31

195

Selbst in der größten Gruppe 1 sind schwache Verben als Basis 5mal so häufig wie starke, und in den anderen Gruppen ist die Relation teilweise noch drastischer. § 275

Bei den desubstantivischen Abltgg. der Gruppe 8+ findet sich 1 Komp. als Basis, die restlichen 3 Lemmata sind zu Simplizia gebildet. Die deadjektivische Abltg. der Gruppe 9+ ist gleichfalls zu einem Simplex gebildet. Stammveränderung ist insgesamt selten. Zum Verb besetzen ist hier neben Besetzung (ohne Stammveränderung; in Gruppe 1) als Ablautbildung auch noch Besatzung (in Gruppe 5) vorhanden, Umlautbeseitigung findet sich bei Nahrung, und Löhnung (in Gruppe 8+) weist einen Umlaut auf, wenn — wie hier — eine desubstantivische Abltg. angenommen wird, bei Bezug auf ein Verb (löhnen) wäre keine Stammveränderung erfolgt.

205

Gruppe 1 3 4 2 5 7 8+ 9+ Gesamt

ohne

Ablaut

117 35 26 23 15 7 3 1

1

227

Stammveränderung Umlaut Umlaut-Beseitigung -

-

-

-

-

-

1

-

-

-

1

-

-

-

-

-

-

1

-

-

-

-

2

1

1

§ 276

Konkurrierende Formen des substantivierten Inf., die prinzipiell Uberall möglich wären, treten im Korpus nur vereinzelt auf, es finden sich insgesamt 17 Parallelbildungen (z.B. das Führen : Führung). Zu den in §530 genannten 333 substantivierten Inff. wären insgesamt 107 Formen auf -ung möglich, von denen jedoch keine im Korpus belegt ist.

§ 277

Der überwiegende Teil der Abltgg. dieses Musters ist deverbal: Belege

Lemmata Basis

abs.

%

abs.

%

Verb Subst. Verb/Subst. Adj.

226 4 4 1

96,17 1,70 1,70 0,43

692 19 5 1

96,51 2,65 0,70 0,14

Gesamt

235

100,00

717

100,00

Andere als deverbale Abltgg. sind extrem selten, und deadjektivische müssen als Einzelfälle angesehen werden, DW führt sie überhaupt nicht an. Die enorme Differenz zwischen den deverbalen Abltgg. und allen anderen hier entspricht dem Ergebnis von DW an geschriebener Sprache, dort sind die deverbalen Abltgg. 62mal häufiger als die desubstantivischen . § 278

Abltgg. dieses Musters werden vorwiegend zur Bildung von Abstrakta genutzt: Lemmata

Belege

Klasse

abs.

%

abs.

%

Abstrakta Objektbezeichnungen Instrumentativa Subjektbezeichnungen Locativa Kollektiva

141 35 27 16 7 4

61,30 15,22 11,74 6,96 3,04 1,74

402 99 64 81 46 5

57,68 14,20 9,18 11,62 6,60 0,72

Gesamt

230

100,00

697

100,00

Neben der Hauptfunktion, Abstrakta zu bilden, wird das Suffix in größerem Mkße auch noch zur Bildung von Objektbezeichnungen und Instrumentativa verwendet, etwas seltener sind Subjektbezeichnungen. Für alle anderen semantischen Klassen werden Abltgg. dieses Musters eher in Ausnahmefällen genutzt. Dies entspricht dem Ergebnis von DW, wo sich ebenfalls zwischen den Instrumentativa und den Subjektbezeichnungen ein deutlicher Abstand ergibt und alle nachfolgenden Klassen vergleichsweise selten sind. 206

§279

27. BVerb(+SV)-0 (mask.)(fem.)(neutr.)

(DW: 2.29., 2.30.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Musterwörter

Abstrakta

(die Tatsache), dafi jmd. etw. respektiert dasj., was aufgeschnitten wird/ worden ist dasj., was abfällt dasj., womit etw. verbunden wird Stelle, an der etw. abfließt (die Tatsache), dafi jmd. rastet dasj., was ausgewählt wird/ worden ist dasj., was angeboten wird (die Tatsache), dafi jmd. leidet

Verb

(mask.)l

Respekt

370

Verb

(mask.) 3

Aufschnitt

458

Verb Verb

(made.) 5 (mask.)4

Abfall Verband

417 479

Verb Verb Verb

(mask.) 2 (fem.) 6+ (fem.) 7+

Abfluß Rast Auswahl

490 376 462

Verb Verb Verb Verb

(neutr.) 8+ Angebot (neutr.) 9+ Leid (fem.) 10+ Wehr (neutr.) 11+ Schloß

463 379 526 526

Objektbezeichnungen Subjektbezeichnungen Instrumentativa Locativa Abstrakta Objektbezeichnungen Objektbezeichnungen Abstrakta Restgruppe Restgruppe

-

Die fem. und neutr. Gruppen stimmen völlig mit DW 2 überein und wurden hier lediglich in die Indizierung einbezogen. Für diese Gruppen veranschaulicht das folgende Schema die Übereinstimmung: WGS-Gruppe

=

6+ 7+ 8+ 9+

DW-Gruppe (fem.)l (fem.) 2 (neutr.), S.428 (neutr.), S.233

Die Gruppen 10+ und 11+ wurden für einige Lemmata der vorl. Untersuchung notwendig, die sich in den von DW vorgegebenen Gruppen nicht unterbringen lassen und wohl Einzelfälle darstellen. §280

Lemmata und Belege verteilen sich folgendermaßen: Klasse

Basis

Gruppe

Lemmata (S) abs. %

abs.

Abstrakta Objektbezeichnungen Subjektbezeichnungen Instrumentativa Locativa Abstrakta Objektbezeichnungen Objektbezeichnungen Abstrakta Restgruppe Restgruppe

Verb Verb Verb Verb Verb Verb Verb Verb Verb Verb Verb

(mask.) 1 (mask.) 3 (mask.) 5 (mask.)4 (mask.) 2 (fem.) 6+ (fem.) 7+ (neutr.) 8+ (neutr.) 9+ (fem.) 10+ (neutr.) 11+

119 (20) 57 (1) 36 (4) 17 14 13 (7) 10 (3) 10 (1) 6 (6) 4 (2) -2

41,32 19,79 12,50 5,90 4,86 4,51 3,47 3,47 2,08 1,34 0,69

805 (327) 407(177) 208 (16) 47 37 261(243) 43 (20) 95 (36) 47 (47) 9 (4) 7

39,73 23,05 10,27 2,32 1,83 12,88 2,12 4,70 2,32 0,44 0,35

288 (44)

100,00

2026 (870)

100,00

Gesamt Idiomatisiert

40

Belege (S)

%

690

Es fällt bei den mask. Abltgg. dieses Musters die gegenüber DW andere Reihenfolge der Gruppen auf, worin sich zweifellos Unterschiede zwischen geschriebener und gesprochener Sprache zeigen, denn die Seltenheit von Locativa der Gruppe 2 in der vorl. Untersuchung kann nicht korpusbedingt sein. Für die fem. und neutr. Abltgg. zeigt sich 207

eine Ubereinstimmung mit DW in der Reihenfolge der Gruppen und zugleich auch in deren Seltenheit im Vergleich zu den mask. Abltgg. dieses Musters. §281

Insgesamt überwiegen die präfigierten Basen: verbale Basis präfigiert nicht-präflgiert

Gruppe (mask.) 1 (mask.) 3 (mask.)S (mask.) 4 (mask.) 2 (fem.) 6+ (fem.) 7+ (neutr.) 8+ (fem.) 10+ (neutr.) 11+

52 32 23 11 9

-

47 24 9 6 5 6 3 6 1 2

135

109

-

4 3 1

Gesamt

In der häufigsten Gruppe zeigt sich ein Gleichverhältnis beider Basisformen, während etwa in Gruppe 5 die präfigierten Basen deutlich überwiegen, hingegen in Gruppe 6+ präfigierte Basen überhaupt nicht vorkommen. Die einzelnen an den Bildungen beteiligten Präfixe weisen folgende Häufigkeiten auf: Gruppe

Präfixe be- auf- an- ab- aus- ein- ver- vor- um- iiber- unter- er- zu- ent- bei- nach- wider- Gesamt

(mask.) 1 (mask.) 3 (mask.) 5 (mask.) 4 (mask.) 2 (fem.) 7+ (neutr.) 8+ (fem.) 10+ Gesamt

6 3 3 3

7 5 1 1

-

-

-

1

1

6 3

2

4 4 1

1 1

2

-

-

-

1

2 2

1

-

2

4 4 3

-

2

3

i

-

-

-

-

-

-

-

-

-

2

6 2

1 1 1

3 1

12

12

6 1

5 4

2

1

-

-

1 1 1

-

-

1

I -

1 1

-

-

1

1

-

-

-

-

1

-

-

-

-

-

1

-

1 16

15

14

12

12

12

9

5

5

3

3

2

1

1

1

52 32 23 11 9 4 3 1 135

Zwischen um- und über- ergibt sich ein kleiner Sprung in der Häufigkeit, nach übernehmen die Präfixe in der Häufigkeit kontinuierlich ab. Bemerkenswert ist noch, daß 5 Präfixe (von ab- bis vor-) eine gleich große Vorkommenshäufigkeit aufweisen. § 282

Insgesamt zeigt sich ein deutliches Überwiegen der starken Verben als Basis, das in einzelnen Gruppen recht extrem ausfallen kann (z.B. in Gruppe 2), während andererseits z.B. in der Gruppe 6+ nur schwache Verben vorkommen. Dies ist aber nicht etwa korpusbedingt, denn auch DW stellt (2, S.233) fest, daß die Bildungsweise für Lemmata dieser Gruppe generell auf schwach flektierende Verben beschränkt ist.

208

verbale Basis stark schwach

Gruppe (mask.) 1 (mask.) 3 (mask.)S (mask.)4 (mask.) 2 (fem.) 6+ (fem.)7+ (neutr.) 8+ (fem.) 10+ (neutr.)ll+

157

87

-

1 6 -

Gesamt

§283

1

32 23 7 6 1 6 6 3 2 1

67 33 25 11 13

Stammveränderung ist mit 58% am Gesamt der Lemmata häufiger als Lemmata, die keine Stammveränderung aufweisen (42%). Im einzelnen zeigt sich folgende Verteiohne

Gruppe (mask.)l (mask.) 3 (mask.) 5 (mask.) 4 (mask.) 2 (fem.)6+ (fem )7+ (neutr .18+ (fem.) 10+ (neutr.) 11+ Gesamt

Stammveränderung Ablaut Umlaut-Beseitigung Umlaut

1 5

7 4 1 2 1 2 3 1

-

-

1

-

-

21

2

43 21 16 5 5 4 3 2 2 1

49 31 14 10 8

102

119

-

-

1 -

1 -

Ablautbildung gegenüber der Basis ist am weitaus häufigsten, mit deutlichem Abstand folgt die Umlaut-Beseitigung. Umlaut ist eine Ausnahme, er erscheint im Korpus nur bei den Lemmata Bäck und Bräu. §284

Auf die drei Genera, die bei den Abltgg. dieses Musters möglich sind, verteilen sich Lemmata und Belege folgendermaßen:

Genus

Lemmata (S) abs. %

Belege (S) abs.

(mask.) (fem.) (neutr.)

243 (25) 27 (12) 18 (7)

84,38 9,38 6,25

1564 (520) 313(267) 149 (83)

77,20 15,45 7,35

Gesamt

288 (44)

100,00

2026 (870)

100,00

%

Es zeigt sich eine hohe Übereinstimmung mit DW, denn auch dort stellen die mask. Abltgg. den weitaus größten Anteil, gefolgt von den fem. und neutr. Abltgg. Bei DW (S.96f.) stellen die mask. Abltgg. 90% aller Abltgg. dieses Musters, die fem. weisen dort 6% und die neutr. 3,5% auf. 209

§285

Für die semantischen Klassen, zu denen Abltgg. dieses Musters gebildet werden, zeigt sich folgende Verteilung von Lemmata und Belegen: Klasse

Lemmata (S) abs. %

Belege (S)

Abstrakta Objektbezeichnungen Subjektbezeichnungen Instiumentativa Locativa

138(33) 77 (5) 36 (4) 17 14

48,94 27,30 12,77 6,03 4,96

1113(617) 605 (233) 208 (16) 47 37

55,37 30,10 10,35 2.34 1,84

Gesamt

282 (42)

100,00

2010 (866)

100,00

abs.

%

Abstrakta überwiegen deutlich vor den auch noch recht häufigen Objektbezeichnungen, die anderen semantischen Klassen weisen weder bei den Lemmata noch bei deren Gebrauchshäufigkeit eine im Verhältnis dazu große Häufigkeit auf. Im Vergleich zum Ergebnis in DW zeigen sich hier allerdings deutliche Unterschiede, hier in einer entsprechenden Tabelle die Lemmata-Anzahlen in DW, berechnet nach den Angaben aus DW 2, S.96f.: DW Lemmata Klasse

abs.

%

Abstrakta Locativa Objektbezeichnungen Instrumentativa Subjektbezeichnungen

527 66 57 27 8

76,93 9,64 8,32 3,94 1,17

Gesamt

685

100,00

Zwar stimmen beide Untersuchungen insofern überein, als die Klasse der Abstrakta bei diesem Muster am weitaus häufigsten vertreten ist. Aber während in DW die Locativa an 2.Stelle erscheinen, sind diese in der vorl. Untersuchung sehr selten und erscheinen als letzte Klasse. Im übrigen zeigen sich im Korpus hier keine so großen Unterschiede zwischen den Abstrakta und allen folgenden Klassen wie in DW, denn hier sind die Objektbezeichnungen als zweithäufigste Klasse etwas mehr als halb so häufig wie die Abstrakta vertreten, während in DW die Abstrakta sehr eindeutig alle anderen Klassen überwiegen. Die Unterschiede sind insgesamt so gravierend, daß sie nicht auf Korpusunterschiede allein zurückgeführt werden können, sondern auch im Unterschied gesprochene : geschriebene Sprache gesucht werden müssen. Ein wesentlicher Unterschied liegt bereits in den Subjektbezeichnungen: diese sind in DW mit nur 8 Lemmata vertreten, während sie hier 40 stellen (Gruppe 5). Wie man aus der Liste der hier belegten Lemmata für diese Gruppe entnehmen kann (-»• §417), handelt es sich keinesfalls um nur mdal. gebräuchüche Lemmata. Es scheint vielmehr so, als ob sich hier eine Korpusbedingtheit im Material von DW bemerkbar macht, daß nämlich in den dort untersuchten Texten Subjektbezeichnungen dieses Musters bzw. dieser Gruppe entsprechend selten sind, daß also die hier einzuordnenden Lemmata der Literaturspr., wie sie im Material von DW ja sehr stark vertreten ist, fehlen, während sie in der hier untersuchten Alltagsspr. in durchaus normaler Verteilung auftreten. 210

§286

28. BVerb-är (DW: 2.35.) DW 2 führt (S. 104) „einige Morpheme mit geringerer systematischer Bedeutung" an, die „eine Verteilung auf mehrere Muster erkennen lassen". Sie werden hier — entsprechend dem Vorgehen von DW - angeschlossen. Als erstes Muster erscheint dort BSubst.-är mit zwei Gruppen. Im Korpus hier findet sich für dieses Muster auch ein Lemma (Volontär, 3mal belegt), das jedoch nicht als desubstantivisch anzusehen ist. Es wäre von daher eine Ergänzung der Gruppen von DW notwendig, jedoch wird das Lemma als Stammabltg. angesehen. FLEISCHER weist zwar (S. 196) auf deverbale Abltgg. dieses Musters hin, nennt als einziges Lemma aber Notar, das hier ebenfalls belegt ist, jedoch als idiomatisiert angesehen wird. Es finden sich hier somit keine „regulären" Abltgg., wie sie DW anfuhrt, sondern nur ein Einzelfall, der entsprechend bei den Restgruppen in § 527 eingeordnet wird.

§287

29. BVerb/Subst.-(i)at

(DW: 2.35.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Objektbezeichnungen

dasj., was diktiert wird/ worden ist das Gebiet, das einem Protektor untersteht

Verb

1

Diktat

456

Subst.

3

Protektorat

500

Locativa

Musterwörter

§

Das Muster ist im Korpus nur mit den beiden angeführten (je lmal belegten) Lemmata vertreten, wobei das Lemma der Gruppe 1 als Stammabltg. angesehen wird. Das Muster dürfte insgesamt eher geschriebener oder der Hspr. nahestehender Sprache angehören als der im UG gesprochenen Alltagsspr. Beide Lemmata weisen als Endung -at auf, die mögliche Variante -iat (Kommissariat) fehlt. §288

30. BVerb-bold

(DW: 2.35.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Subjektbezeichnungen

derj., der gern/dauernd rauft

Verb

1

Musterwort Raufbold

§

412

Zu diesem Muster ist hier nur das angeführte (und lmal belegte) Lemma vorhanden. Desubstantivische Abltgg. (= Gruppe 2 in DW) fehlen. §289

31. BSubst./Verb(+SV)-el

(DW: 2.35.) Basis

Klasse

transformationeller Wert

Deminutiva Instrumentativa

Subst. kleines Kalb dasj., womit etw. getrieben wird Verb

Gruppe 1 2

Musterwörter Kalbel Triebel

i 342 474

Besonders unter den Lemmata der Gruppe 1 finden sich Deminutivbildungen, die eher der gesprochenen denn der geschriebenen Sprache angehören dürften. Zwar sind die weitaus meisten Lemmata dieser Gruppe nur noch schwach motiviert, worauf auch DW (2, S. 125) hinweist, jedoch scheint -el in der gesprochenen Sprache - im Gegensatz zur geschriebenen - noch durchaus als produktives Deminutivsuffix zu fungieren, wie die Liste der Lemmata in §474 zeigt. Es ergeben sich hier also deutliche Unterschiede zu den Ergebnissen von DW an schriftsprl. Material. Dennoch ist das Muster 211

insgesamt nicht besonders häufig, wie die Verteilung von Lemmata und Belegen zeigt: Klasse

Basis

Gruppe

Deminutiva Instrumentativa

Subst. Verb

1 2

Lemmata (S) abs. % 5 3(1)

62,50 37,50

Gesamt

8(1)

100,00

Idiomatisiert

7

Belece (S) abs. % 27 7(1)

79,41 20,59

34(1)

100,00

25

Es überwiegen nach Lemmata wie nach Belegen die Deminutiva, so daß hier die Hauptfunktion dieses Musters liegt. Dies entspricht DW, dort sind die Deminutiva mehr als 3mal so häufig wie die Instrumentativa. Bei den desubstantivischen Abltgg. dieses Musters finden sich 4 Simplizia und 1 abgeleitetes Subst. als Basis. Bei den deverbalen Abltgg. finden sich nur starke Verben als Basis, präfigierte Verben kommen nicht vor. Stammveränderung findet sich bei den Lemmata in folgender Häufigkeit: Stammveränderung Ablaut Umlaut

Gruppe

ohne

1 2

2

3

-

-

-

2

Gesamt

2

3

2

Abltgg. mit Stammveränderung sind doppelt so häufig wie Lemmata ohne Stammveränderung. Nach den hier vorfindlichen Lemmata läßt sich jedoch nicht behaupten, daß Stammumlaut in der Gruppe 1 obligatorisch ist, wie dies DW aufgrund des dort vorfindlichen Materials annimmt (vgl. DW 2, S. 125 ;-*• dazu die Liste der Lemmata in §474). §290

32. BSubst.-(i/e)ss(e/in)

(DW: 3.1.2.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Movierung

Tochter eines Barons

Subst.

Gruppe 1+

Musterwort

-+Î

Baronesse

332

Zu diesem Muster ist nur das angeführte (und lmal belegte) Lemma im Korpus enthalten. Die Schreibung des Musters erfolgt in Übereinstimmung mit DW, auch wenn hier keine Lemmata belegt sind, die die alternative Schreibung aufweisen ( P r i n z e s s i n , Ä b t i s s i n ) .

§291

33. BVerb-age

(DW: 4.1.16.)

Klasse

transformationeller Wert

Abstrakta

(die Tatsache), daßjmd. Verb massiert dasj., was siliert wird/worden ist Verb

Objektbezeichnungen

Basis

Gruppe

Musterwörter

1+

Massage

379

2+

Silage

466

Jede Gruppe ist im Korpus nur mit dem angeführten (und je lmal belegten) Lemma vertreten. DW nennt (S.241) insgesamt 7 Lemmata, so daß das Muster auch in geschriebener Sprache recht selten sein dürfte.

212

§292

34. BVerb-sel

(DW: 7.3.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Objektbezeichnungen

etw., das an etw. hängt

Verb

Gruppe 1+

Musterwort 456

Anhängsel

Zu diesem Muster finden sich im Korpus insgesamt 2 je lmal belegte Lemmata, das Muster ist also recht selten, DW verzeichnet (2, S.417) 6 Lemmata, -sei findet sich jedoch auch noch als kombinatorisches Morphem in Verbindung mit dem Präfix ge- (-* dazu §202), und es muß bei der von DW angegebenen Gesamtzahl offenbleiben, ob darin auch die mit dem kombinatorischen Morphem gebildeten Lemmata mit enthalten sind oder nicht. §293

35. BVerb/Part.(+SV)-(s)t/d(e) (fem.)(mask.)

(DW: 4.1.12.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Gruppe

Musterwörter

-M

Abstrakta

(die Tatsache), daß jmd. sich freut

Verb

(fem.) 1+

Freude

373

Verb Verb Part.

(mask.) 2+ Dienst (fem.) 3+ Ausfahrt (fem.)4+ Geschwulst

Restgruppe Restgruppe Restgruppe

-

-

528 528 528

Abweichend von DW wurde hier eine Indizierung notwendig, weil DW einerseits nur verbale Basen anführt und die hier belegte Abltg. aus einem Part. II nicht berücksichtigt, und da sich bei DW (2, S.236) ausschließlich Lemmata mit fem. Genus finden, wurde hier andererseits auch noch eine Unterteilung nach dem Genus notwendig. Jedoch sind die angeführten weiteren Gruppen mit den darin enthaltenen Einzelfällen nur Restgruppen. § 294

Lemmata und Belege verteilen sich folgendermaßen: Klasse

Basis

Gruppe

Abstrakta Restgruppe Restgruppe Restgruppe

Verb Verb Verb Part.

(fem.) 1+ (mask.) 2+ (fem.) 3+ (fem.)4+

Gesamt Idiomatisiert

Lemmata (S) abs. %

Belege S) abs.

%

33(1) 3 2 1

84,62 7,69 5,13 2,56

181 (5) 73 2 1

70,43 28,40 0,78 0,39

39 (1)

100,00

257 (5)

100,00

6

21

Am weitaus häufigsten ist nach Lemmata wie nach Belegen die Gruppe 1+ (es entfallen im Durchschnitt in dieser Gruppe auf jedes Lemma fast 6 Belege). In den anderen Gruppen finden sich wenige Lemmata, doch weisen die 3 Lemmata der Gruppe 2+ eine sehr große Gebrauchshäufigkeit auf. §295

Es überwiegen die nicht-präfigierten Basen:

213

verbale Basis nicht-präfigiert präfigiert

Gruppe (fem.)l+ (mask.) 2+ (fem.) 3+ (fem.)4+

14 2 2

Gesamt

18

18 1 -

1

-

20

Die einzelnen Präfixe weisen dabei folgende Häufigkeit auf: ab- 4, auf- 3, vor- 3, über2, ver- 2, an- 1, aus- 1, unter- 1, zu- 1. Es zeigt sich eine kontinuierliche Abnahme in der Häufigkeit, kein Präfix fällt durch eine gegenüber den anderen Präfixen entschieden höhere Vorkommenshäufigkeit auf. Berücksichtigt man nicht nur die Präfixe im engeren Sinn, so zeigt sich, daß die weitaus meisten Lemmata (nämlich 22 von 39) zu insgesamt 6 nicht-präfigierten Basen gebildet sind. Die folgende Zusammenstellung zeigt die Verteilung der präfigierten Bildungen auf die nicht-präfigierten Basen (ohne Berücksichtigung der Gruppeneinteilung): Fahrt

Sicht

Schrift

•Kunft

Zucht

Dienst

abaufübervoranausheimhochrunduntervervorauswallzuzusammen-

2 1 1

1 1

1

-

-

-

-

1

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

1

-

1

-

-

-

-

1

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

1

-

-

Gesamt

9

2

2

1

Präfix

-

1 1

1 1

1 1

-

1

1 1 -

5

3

Alle Basis-Lemmata bis auf Zucht und *Kunft sind auch nicht-präfigiert im Korpus belegt. Wall- ist das einzige Präfix, das nur mit Fahrt kombiniert werden kann, alle anderen Präfixe wären auch noch mit anderen bzw. mehreren Basis-Lemmata kombinierbar, wobei sich teilweise jedoch idiomatisierte Lemmata ergeben wie z.B. das gleichfalls belegte Zukunft. §296

Es überwiegen eindeutig die starken Verben als Basis: Gruppe

§297

verbale Basis stark schwach

(fem.)l+ (mask.) 2+ (fem.) 3+ (fem.) 4+

24 1 2 1

8 2

Gesamt

28

10

-

Lemmata mit Stammveränderung sind knapp häufiger als solche ohne Stammverän214

derung. Es zeigen sich insgesamt folgende Formen und Verteilungen: Stammveränderung ohne Ablaut Umlaut - Beseitigung

Gruppe

§298

(fem.) 1+ (mask.) 2+ (fem.) 3+ (fem.) 4+

13 2 2

Gesamt

17

16 1

-

3 -

-

-

1

-

18

3

Die Schreibung des Musters erfolgt in Übereinstimmung mit DW (2, S.236). Auf die einzelnen möglichen Endungen der Abltgg. entfallen folgende Lemma-Häufigkeiten: Gruppe

-t

-st

-d

-de

-te

(fem.)l+ (mask.) 2+ (fem.) 3+ (fem.)4+

29 1 2

-

2

1

1

2

-

-

-

-

-

-

-

1

-

-

-

Gesamt

32

3

2

1

1

-

Die weitaus meisten Lemmata enden also auf -t, was allerdings damit zusammenhängt, daß als Basiswort Fahrt sowie die weiteren in § 295 genannten Lemmata so überaus häufig sind. Die anderen Endungen treten selten auf, und auch in DW finden sich 13 Lemmata auf -t, während sich für die übrigen Endungen 1-3 Lemmata finden. § 299

Für die Genera zeigt sich, daß Lemmata mit mask. Genus als Ausnahme erscheinen, es finden sich hier 3 Lemmata mit diesem Genus, während die Mehrzahl der Lemmata (36) fem. Genus aufweist.

§300

Zur Verteilung von Lemmata und Belegen auf die semantischen Funktionsklassen sollen hier einmal die als Restgruppen bezeichneten Lemmata mit einbezogen werden. Als Abstrakta sind die Lemmata der Gruppen 1+ und 2+ anzusehen, Locativa entsprechen der Gruppe 3+, und die Gruppe 4+ bildet Subjektbezeichnungen. Es zeigt sich dann folgende Verteilung: Klasse

Lemmata (S) abs. %

abs.

Abstrakta Locativa Subjektbezeichnungen

36(1) 2 1

92,31 5,13 2,56

254 (5) 2 1

98,83 0,78 0,39

Gesamt

39(1)

100,00

257(5)

100,00

Belege (S) %

Als Hauptfunktion des Musters ist demnach die Bildung von Abstrakta anzusehen, alle anderen semantischen Klassen finden sich nur mit Einzelfällen belegt, und entsprechend behandelt DW das Muster auch nur unter den Abstrakta.

215

§301

36. BVerb/Subst.-(at)ur

(DW: 4.1.16., 9.1.4.)

Klasse

transformationeller Wert

Abstrakta

(die Tatsache), daß jmd. etw. Verb repariert Ort, an dem etw. registriert ist Verb Subst. -

Locativa Restgruppe

Basis

Gruppe

Musterwörter

§

1+

Reparatur

379

2+ 3+

Registratur Kommandantur

493 527

Dieses Muster erscheint in DW ohne Index an zwei Stellen, nämlich bei den Abstrakta die hier als Gruppe 1+ bezeichnete Gruppe (DW 2, S.241) und bei den Locativa die hier als 2+ benannte Gruppe (2, S.456). Die Restgruppe enthält einen singulären Fall und wird von DW nicht berücksichtigt. Die Indizierung zeigt also keine Änderung gegenüber DW an, sondern wurde aus systematischen Gründen notwendig. Lemmata und Belege verteilen sich folgendermaßen: Lemmata Klasse

Basis

Abstrakta Locativa Resteruppe

Verb Verb Subst.

Gruppe 1+ 2+ 3+

Gesamt

BeleiF

%

abs.

%

abs.

2 1 1

50,00 25,00 25,00

10 1 1

83,33 8,33 8,33

4

100,00

12

100,00

Das Muster ist weder nach Lemmata noch nach Belegen häufig, und dies entspricht dem Ergebnis in DW, dort finden sich für Gruppe 1+ 7 Lemmata, für Gruppe 2+ 2 Lemmata. Als Hauptfunktion des Musters kann demnach die Bildung von Abstrakta angesehen werden. Als Suffixform sind -atur und -ur möglich, und beide Formen sind im Korpus gleich häufig realisiert: auf -ur enden Glasur, Kommandantur, auf -atur Reparatur und Registratur. §302

37. BSubst.(+SV)-lein

(DW: 3.3.2.)

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Deminutiva

kleiner Acker

Subst.

Gruppe 1+

Musterwort

->

Äckerlein

338

§

Das Muster ist im Korpus mit 261 Lemmata und zusammen 787 Belegen vertreten. Die große Gebrauchshäufigkeit des Suffixes erklärt sich aus der Tatsache, daß das Suffix fast an jedes Subst. treten kann, und somit wird -lein zu dem nach Lemmata zweithäufigsten Suffix im Korpus. Offenbar wird in der gesprochenen Alltagsspr. des UG eine Ausdrucksweise bevorzugt, die das überaus häufige Auftreten von Deminutiva begünstigt. Als Basis der Lemmata finden sich 217 Bildungen zu einem Simplex, 30 Lemmata haben ein abgeleitetes Subst. als Basis, bei 14 Lemmata ist ein Komp. die Basis. Für alle Kompp. gilt das in § 210 Gesagte. Stammveränderung findet sich bei 141 Lemmata als Umlaut, 120 Lemmata sind ohne Stammveränderung gebildet, so daß insgesamt Stammveränderung gegenüber der Basis überwiegt. Eine Differenzierung nach phonetischen Varianten (z.B. -erl, -Ii, -liri) ist nicht möglich, weil für das HGS alle Varianten auf die Einheitsform -lein gebracht wurden. 216

§303

38. BSubst./Verb(+SV)-(er)les Klasse Abstrakta Abstrakta

(DW: - )

transformationeller Wert

Basis Subst. Verb

-

Gruppe 1+ 2+

Musterwörter

-> §

Indianerles Fangeries

397 379

Mit diesem Muster beginnt die Reihe deijenigen WB-Muster, die in DW nicht enthalten sind und die als typisch für die gesprochene Sprache des UG gelten dürfen. Dieses Muster dient ausschließlich für die Bezeichnung von Kinderspielen. Mit insgesamt 7 Lemmata und zusammen 9 Belegen ist es nicht besonders häufig, was einerseits an der beschränkten Zahl derartiger Kinderspiele liegt, andererseits vielleicht korpusbedingt ist, da wenige Aufnn. von Kindern enthalten sind und Erwachsene in den Aufnn. selten über Kinderspiele sprechen. Daß kein trafoWert für die beiden Gruppen angegeben wird, liegt daran, daß die Lemmata sich einem solchen widersetzen: die desubstantivischen Lemmata bezeichnen was/womit man spielt, die deverbalen hingegen sind Vorgangsbezeichnungen. In den ansonsten für Abstrakta geltenden trafoWert „(die Tatsache), daß . . können die Lemmata nicht umgeformt werden, weil stets ein Verb erscheint, das dazu gehört. An einem Beispiel: Fangeries = ,(die Tatsache), daß man Fangeries spielt'. Bei der Umformung erscheint stets das Verb spielen (für beide Gruppen; BSubst. = X spielt Indianer, BVerb: X spielt Fangeries), während sonst für die Abstrakta der trafoWert: ,die Tatsache, daß jmd. x-t' eben genau das zugrunde liegende Verb benennt, ohne daß ein weiteres Verb erscheint. Aus der Schwierigkeit heraus, daß hier offensichtlich die Grenzen der Paraphrasierung erreicht sind, wurde auf den trafoWert verzichtet. 4 Lemmata haben die mit -er- erweiterte Form des Suffixes, die anderen 3 Lemmata enden auf -les. Soldäterles ist im übrigen der einzige Fall mit Umlaut gegenüber der Basis. §304

39. BSubst.-et

(DW: - )

Klasse

transformationeller Wert

Basis

Abstrakta

(die Tatsache), daß jmd. Heu macht

Subst.

Gruppe 1+

Musterwort

->§

Heuet

399

Dieses Muster ist mit 2 Lemmata (und zusammen 104 Belegen) im Korpus vertreten. Beide Lemmata entstammen dem Umkreis der Termini für landwirtschaftliche Arbeiten, daraus erklärt sich auch die extreme Gebrauchshäufigkeit. Bei SZADROWSKY, Abstrakta, findet sich (S.75f.) eine Zusammenstellung weiterer Bildungen zu diesem Muster aus dem Schweizerdt., wobei neben Abstrakta auch Sachund Spielbezeichnungen vertreten sind. Zur Etymologie dieses wie auch des folgenden Musters vgl. ferner HENZEN, S. 175f. §305

40. BVerb-ete

(DW: - )

Klasse

transformationeller Wert

Abstrakta

(die Tatsache), daß jmd. jmdn. Verb verschimpft

Basis

Gruppe 1+

Musterwort Verschimpfete

§

379

217

Diese von WELLMANN (S. 113 und 182f.) als „Schweizerdeutsch" angeführte Form der Abltg. von Abstrakta kommt mit 2 Lemmata Geweils lmal belegt) auch hier im Korpus vor. Es handelt sich um eine der gesprochenen oberdt. Sprache eigene Form der Abltg., die neben Abstrakta auch für die Bildung von Kollektiva, Locativaund Instrumentativa verwendet werden kann; vgl. dazu SZADROWSKY, Abstrakta, S.77-81.

IV. Zusammenfassung zum morphologischen Teil §306

Die folgende Zusammenfassung beschäftigt sich ausschließlich mit den morphologischen Gegebenheiten, für die semantischen Funktionsklassen findet sich eine entsprechende Zusammenstellung in § 512. Entsprechend der Gliederung dieses Teiles werden zunächst die durch Präfix + Suffix gebildeten Abltgg. behandelt, dann die mit Präfixen bzw. Suffixen abgeleiteten Formen. Wo immer möglich, werden Vergleiche mit den Ergebnissen aus DW gezogen, so insbesondere bei der Übersicht über alle im Korpus vorkommenden Bildungsweisen.

§307

Für die mit Präfix + Suffix abgeleiteten Formen zeigen sich im Korpus folgende Häufigkeiten: Belege

Lemmata abs.

%

abs.

%

Ge-0/-e Ge-sel

50 1

98,04 1,96

140 1

99,29 0,71

Gesamt

51

100,00

141

100,00

Muster

Ein Muster überwiegt sehr deutlich, und dies stimmt mit dem Ergebnis in DW überein. §308

Für die nur durch Präfixe abgeleiteten Formen zeigt sich folgende Verteilung: Muster

abs.

Lemmata

%

abs.

Belege %

UnUrMißAbBe-

11 7 3 2 1

45,83 29,17 12,50 8,33 4,17

33 20 5 2 1

54,10 32,79 8,20 3.28 1,61

Gesamt

24

100,00

61

100,00

Dieses Ergebnis stimmt insofern mit DW überein, als auch dort Un- am häufigsten ist, gefolgt von Miß- und Ur-, die hier allerdings die Plätze getauscht haben. Es ergeben sich für DW folgende Werte:

218

DW Lemmata

%

Muster

abs.

UnMißUr-

49 26 22

50.52 26.80 22,68

Gesamt

97

100,00

Zwischen dem häufigsten und dem zweithäufigsten Muster zeigt sich in beiden Untersuchungen eine gleiche Relation des Abstandes, nur daß jeweils ein anderes Muster an 2.Stelle steht. Ob sich hier Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache bemerkbar machen, ist schwer zu entscheiden, da die Präfixbildungen im Korpus der vorl. Untersuchung so selten sind. §309

Die durch Suffixe abgeleiteten Formen weisen folgende Häufigkeiten auf: Rang

Muster

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39

-0 -lein -ung -er -e -(er) ei -heit -(er) in -(s)t/d(e) -schaft -nis -ent (-ant) -chen -ling -(at)ion -el -ist -1er -(ei)les -ner -ik -eui -(at) ui -tum -ität -et -ismus -(at)or -age -sei -(i)at -ete Typ Optimist -är -ie -bold -euse -(i/e)ss(e/in) Morphologische Reduktion

Gesamt

Lemmata (S) abs. %

Belege (S) abs. %

288 (44) 19,21 261 17,41 235 15,68 206 (5) 13,74 133 (44) 8,87 83 5,54 3,67 55 44 2,94 39 (1) 2,60 23 1,53 13 0,87 11 (3) 0,73 10 0,67 9 0,60 9 (2) 0,60 8 (1) 0,53 8 0,53 7 0,47 7 0,47 6 0,40 6 (6) 0,40 5 (3) 0,33 0,27 4 4 0,27 3 (1) 0,20 2 0,13 2 0,13 2 0,13 2 0,13 2 0,13 2 (1) 0,13 2 0,13 2 (2) 0,13 0,07 1 (1) 0,07 1 (1) 1 0,07 1 0,07 1 0,07 0,07 1 (1) 1499(116) 100,00

2026 (870) 30,09 787 11,69 717 10,65 853 (11) 12,67 869 (363) 12,90 218 3,24 178 2,64 120 1,78 257 3,82 (5) 202 3,00 45 0,67 36 (18) 0,53 10 0,15 74 1,10 23 0,34 (4) 34 0,50 (1) 16 0,24 10 0,15 9 0,13 16 0,24 73 (73) 1,08 9 0,13 (6) 12 0,18 7 0,10 4 0,06 (2) 104 1,54 4 0,06 2 0,03 2 0,03 2 0,03 2 0,03 (1) 2 0.03 2 (2) 0,03 0,04 3 (3) 2 0,03 (2) 1 0,01 1 0,01 1 0,01 1 0,01 (1) 6734(1362) 100,00

Die ersten vier Muster liegen in der Lemma-Häufigkeit noch recht nahe beieinander, es folgt dann aber ein deutlicher Abstand zwischen -er und -e und ein kleinerer zwischen letzterem und allen folgenden Mustern, die eine kontinuierliche Abnahme in der Lemma-Häufigkeit zeigen. Cum grano salis stimmt dies auch für die Gebrauchshäufigkeit, allerdings weist das nach Lemmata erst auf Rang S erscheinende Muster -e die zweitgrößte Gebrauchshäufigkeit auf. 219

Ein Vergleich mit DW zeigt deutliche Unterschiede. Die folgende Übersicht enthält die in DW häufigsten 10 Muster im Vergleich mit den Rangziffern, die die betr. Muster im Korpus der vorl. Untersuchung einnehmen: Muster -ung -heit -er -0 (er) ei -(er)in -e -chen -(at)ion -ismus

Rang DW WGS 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

3 7 4 1 6 8 5 13 15 27

Es ist selbstverständlich, daß hier im Korpus -chen selten sein muß, wie auch -ismus zu den in gesprochener Sprache selten genutzten Möglichkeiten der Abltg. gehört. Aber bei den häufigsten Mustern ergeben sich doch auch unerwartete Unterschiede, die nicht einfach als korpusbedingt anzusehen sind, so etwa bei -heit, das hier viel seltener ist als in DW, wo es das zweithäufigste Muster stellt, und ähnlich bei -e, das in DW an 7. Stelle erscheint, hier jedoch schon den 5. Platz innehat. Am allerdeutlichsten allerdings fällt der Unterschied beim hier häufigsten Muster aus, das in DW erst an 4. Stelle erscheint. Das zweithäufigste Muster hier ist -lein, und auch bei Berücksichtigung der Tatsache, daß dieses Muster in der von DW untersuchten geschriebenen Sprache notwendigerweise selten sein muß und man daher dessen Häufigkeit hier mit dem hsprl. Pendant -chen vergleichen muß, zeigt sich doch keine Übereinstimmung, denn -chen ist im Material von DW erst an 8. Stelle zu finden. Hieraus ergibt sich, daß die im UG gesprochene Alltagsspr. eine Sprechweise bevorzugt, die die Bildung und Verwendung von Deminutiva begünstigt. Insgesamt zeigt sich im Vergleich mit DW, daß die hier untersuchte gesprochene Sprache ganz offensichtlich andere Möglichkeiten zur Abltg. von Substt. benutzt als die von DW untersuchte geschriebene Sprache. §310

Zur Abltg. von Substt. stehen Präfigierung, Suffigierung sowie die Kombination von beidem zur Verfügung. Nach Lemmata und Belegen aufgeschlüsselt werden die drei Möglichkeiten hier in folgenden Häufigkeiten genutzt: Abltg. durch

Lemmata (S) abs. %

abs.

Suffix Präfix+Suffix Präfix

1499 (116) 51 24

95,24 3,24 1,52

6734(1362) 141 61

Gesamt

1574 (116)

100,00

Belege (S) % 97,09 2,03 0,88

6936(1362) 100,00

Suffigierung ist am weitaus häufigsten, und zwar nach Lemmata wie nach Belegen. Demgegenüber sind andere Arten der Abltg. eher als marginal anzusehen. Dieses Ergebnis entspricht demjenigen in DW, und zwar nicht nur im — erwartbaren - Gesamtergebnis, sondern auch in der Abfolge der drei Möglichkeiten, denn auch dort sind 220

Abltgg. durch Präfix + Suffix häufiger als Präfigierungen (375:97 Lemmata). Eine Relationierung dieses Ergebnisses aus DW mit dem der vorl. Untersuchung ist nicht möglich, weil sich für DW die Gesamtzahl der beteiligten Suffixe nicht ohne großen Aufwand errechnen läßt, da im „Systematischen Teil" von DW oft noch Gruppen bzw. Muster angeführt werden, die in keiner Übersicht des „Morphologischen Teiles" erscheinen. §311

Die einzelnen für die Abltgg. als Basis dienenden Wortarten weisen folgende Häufigkeiten auf: Belege

Lemmata Basis

abs.

Verb Subst. Adj. Verb/Subst. Part. Zw. Gesamt

%

abs.

%

831 500 81 33 10 3

57,00 34,29 5,56 2,26 0,69 0,21

3283 1686 346 158 84 17

58,90 30,25 6,21 2,83 1,51 0,30

1458

100,00

5574

100,00

Am weitaus häufigsten werden also deverbale Abltgg. gebildet, desubstantivische sind schon wesentlich seltener, und andere Basen sind eher in Ausnahmefällen vertreten. Ein Vergleich mit DW muß aus dem im vorigen Paragraphen genannten Grund entfallen. §312

Bei den deverbalen Abltgg. zeigt sich zwischen präfigierten und nicht-präfigierten Verben als Basis folgende Relation: Lemmata verbale Basis

abs.

%

nicht-präfigiert präfigiert

462 369

55,60 44,40

Gesamt

831

100,00

In dieser Tabelle sind die Abltgg. nicht berücksichtigt, die durch Präfix + Suffix gebildet werden. Aber auch bei Berücksichtigung von deren Anteil ändert sich am Ergebnis nichts, in jedem Fall sind nicht-präfigierte Basen häufiger. Die folgende Tabelle veranschaulicht die Anteile, die die einzelnen Präfixe aufweisen. Es zeigt sich dabei, daß zwei Präfixe deutlich häufiger sind als die anderen, danach zeigt sich eine kontinuierliche Abnahme in der Lemma-Häufigkeit:

221

Lemmata Präfix

§313

abs.

%

beveranabaufausvoreinerumüberunterzuentnachbeidurchmißwiderwieder-

63 48 35 33 28 27 25 20 17 17 15 12 12 7 5 1 1 1 1 1

17,07 13,01 9,49 8,94 7,59 7,32 6,78 5,42 4,61 4,61 4,07 3,25 3,25 1,90 1,36 0,27 0,27 0,27 0,27 0,27

Gesamt

369

100,00

Starke und schwache Verben als Basis verteilen sich folgendermaßen; Lemmata verbale Basis

abs.

%

schwach stark

522 309

62.82 37,18

Gesamt

831

100,00

Die schwachen Verben sind fast 1,7mal häufiger als die starken. Dieses Ergebnis ist zunächst nicht überraschend, weil allgemein die schwachen Verben häufiger sind als die starken. Zum Vergleich wurde die entsprechende Relation am HGS ausgezählt 1), wobei sich folgendes Ergebnis zeigte: Lemmata Verben im HGS

abs.

%

schwach stark

1153 161

87,75 12,25

Gesamt

1314

100,00

Die Relation zwischen starken und schwachen Verben ist hier deutlich zugunsten der schwachen verschoben, sie sind 7,16mal häufiger als die starken. Für die Wortbildung zeigt sich eine außerordentliche Änderung der Relation dahin, daß starke Verben überproportional zu ihrem Auftreten im HGS für die Wortbildung herangezogen werden. 1) Diese Relation wurde an der Grundverb-Liste ausgezählt, daraus erklärt sich die Gesamtzahl, die deutlich von der im HGS (S.20) für die Verben insgesamt gegebenen abweicht.

222

§314

Bei den desubstantivischen Abltgg. überwiegt eindeutig die Abltg. aus Simplizia: Lemmata

§315

substantivische Basis

abs.

%

Simplex Kompositum Ableitung

375 67 58

75,00 13,40 11,¿0

Gesamt

500

100,00

Bei den deadjektivischen Abltgg. zeigt sich folgende Verteilung der Lemmata auf die möglichen Basen: Lemmata adjektivische Basis

abs.

%

Simplex Ableitung Kompositum

59 18 4

72,84 22,32 4,94

Gesamt

81

100,00

Auch hier überwiegen deutlich die Simplizia. Für die abgeleiteten Adjj. als Basis zeigt sich dabei folgende Verteilung: Lemmata adjektivische Basis

§316

abs.

%

-lieh ig -bar -al/-ell -los -sam

9 4 2 1 1 1

50,00 22,22 11,11 5,56 5,56 5,56

Gesamt

18

100,00

Ganz überwiegend werden die Lemmata ohne Stammveränderung gebildet: Lemra ata

Stammveränderung

abs.

%

ohne mit

1001 424

70,25 29,75

Gesamt

1425

100,00

Zeigt sich Stammveränderung, so weisen die einzelnen Möglichkeiten folgende Häufigkeit auf: Lemmata Stammveränderung

abs.

%

Umlaut Ablaut Umlaut-Beseitigung

226 173 25

53,30 40,80 5,90

Gesamt

424

100,00

223

Umlautbildung überwiegt, und dies ist zunächst überraschend, weil deverbale Abltgg. ja deutlich häufiger sind als desubstantivische (-• §311), so daß eigentlich erwartbar wäre, daß Ablaut überwiegt. Jedoch weisen offenbar die deverbalen Abltgg. eine insgesamt geringere Häufigkeit der Stammveränderung auf als die desubstantivischen bzw. deadjektivischen Lemmata.

V. Substantivierungen §317

Durch einfaches Vorsetzen des Artikels ist es möglich, Verben (und einige andere Wortarten) zu substantivieren. Im folgenden werden die hier belegten Möglichkeiten aufgelistet und in Verbindung mit der Darstellung in DW beschrieben. Die semantische Seite der Beschreibung beschränkt sich dabei darauf festzustellen, daß ein Wechsel der Wortklasse stattfindet, jede weitergehende Beschreibung wäre eine Beschreibung des Einzelwortes, die hier nicht zu leisten ist, denn unter dem Gesichtspunkt der Wortbildung ist mit Wortklassenwechsel schon alles Dazugehörende gesagt. Die in Frage stehenden Bildungen erscheinen darum auch nicht mehr im semantischen Teil der vorl. Untersuchung. DW behandelt die Substantivierungen als Ergänzung der Abstrakta, fuhrt sie aber (mit Ausnahme der substantivierten Adjj.) nicht in den Zusammenfassungen auf. 1. Substantivierter Infinitiv (neutr.) (DW: 4.1.13.)

§318

DW bezeichnet diese Bildungsmöglichkeit (2, S.237-240) als BVerb-e« und gibt damit eine genaue morphologische Beschreibung des vorliegenden Sachverhaltes: an eine Verbwurzel tritt die Endung -en, und der so gebildete Inf. wird insgesamt durch Vorsetzen des Artikels substantiviert, das Verb also in ein Subst. übergeführt: „Deshalb soll hier [...] -en ebenfalls in der Reihe der Wortbildungsmittel behandelt werden, als ein Morphem, dessen primäre Funktion wie bei den anderen [...] behandelten Morphemen der Wortklassenwechsel — aber in der Form der syntaktischen Konversion — und damit die Überführung eines Prädikatskomplexes in einen Nominalkomplex [...] ist." (DW 2, S.238.) Weitere Ausführungen zu den Gebrauchsmöglichkeiten finden sich in DW 2, S.238f. Die hier belegten Lemmata sind in § 530 aufgelistet. 2. Substantivierter Infinitiv (mask./fem.)(neutr.)

§319

(DW: - )

Die in §318 angeführten Lemmata sind alle Neutra. Es gibt beim substantivierten Inf. jedoch einige wenige Lemmata, die ein doppeltes Genus aufweisein, wovon die eine Form mit neutr. Genus ein substantivierter Inf. ist, die andere Form mit entweder mask. oder fem. Genus jedoch als Stammabltg. aufgefaßt werden muß und so eine besondere Art der Abltg. mit Null-Morphem bildet. Es handelt sich hierbei um Homonyme, die nicht weiter gekennzeichnet sind, die aber verschiedene Dinge bezeichnen. Auf diese Besonderheit gehen weder FLEISCHER (S.208-210 nur neutr. Formen) noch DW ein, obwohl DW (2, S.237) unter den angeführten Lemmata auch einige aufweist, die mask. Genus haben (Schrecken, Schaden). Die 224

hier im Korpus vorfindlichen Lemmata sind in § 531 aufgelistet. Da die meisten Lemmata eine zu große Beleganzahl haben, als daß über die Referenzlisten des HGS geklärt werden könnte, welches Genus (und damit welche Bedeutung) im jeweiligen Fall gemeint ist, müssen sie hier alle mit doppeltem Genus genannt werden. Eine Ausnahme macht nur Flicken insofern, als dieses Lemma im HGS einerseits als substantivierter Inf., andererseits durch die Zusatzangabe ,Abfallstücke' als davon getrenntes Lemma zu finden ist. Unter dem Gesichtspunkt der Wortbildung ist dasselbe zu sagen, was auch für den substantivierten Inf. mit neutr. Genus gilt, -*• dazu den vorigen Paragraphen. 3. Substantiviertes Adjektiv (mask.)(fem.)(neutr.) §320

Eine Trennung nach dem Genus der substantivierten Adjj., wie sie DW (2, S.331 f.) vornimmt, ist hier nicht möglich, weil für das HGS danach nicht unterschieden wurde und alle Formen prinzipiell auf die mask. Form reduziert erscheinen sollten: „Substantivierte Adjektive werden in der Form des Nom.Sg.mask. angegeben und mit a als deadjektivisch bezeichnet, falls sie vom gleichlautenden Substantiv unterschieden werden sollten (Alter a : Alter). Dies gilt auch dann, wenn nur fem.- oder neutr.-Formen belegt sind. Alter a ist also stets als Alter, -e, -es zu lesen. Wo nur ein anderes Genus vorkommen kann, wird natürlich die fem.- oder neutr.-Form des Belegs beibehalten: Aufgewärmtes." (HGS, S.20.) Damit aber ist es nicht mehr möglich, nach dem Genus zu unterscheiden und quantitative Angaben über die Häufigkeit der Genera bei den substantivierten Adjj. zu machen. In den Listen des HGS finden sich darüber hinaus einige Abweichungen von der oben formulierten Regel, so wenn etwa Badischer und Bayrisches nebeneinanderstehen, wo letzteres eigentlich auch Bayrischer lauten müßte, oder wenn Dummer und Dummes vorkommen. In §532 werden die Lemmata in der Form aufgelistet, in der sie im HGS erscheinen. 4. Substantiviertes Partizip II (mask.)(neutr.)

§321

(DW: 6.1.2.)

In DW wird (2, S.345-347) diese Bildungsweise als BVerb-ender bezeichnet und als Ergänzung zu den Subjektbezeichnungen beschrieben, die vorl. Untersuchung folgt dem. Die Lemmata sind in § 534 angegeben. 6. BAdj.-O (mask.)(neutr.)

§323

(DW:7.11.)

DW nennt diese Substantivierungsmöglichkeit als Ergänzung zu den Objektbezeichnungen (2, S.421), und zu Vergleichszwecken verfährt die vorl. Untersuchung genauso. Die hier belegten Lemmata finden sich in § 533. 5. Substantiviertes Partizip I (mask.)(neutr.)

§322

(DW: 5.12.)

(DW: 4.4.4., 5.1.13.)

DW erwähnt diese Substantivierungsform, bei der die Adjj. in suffixlose mask. bzw. neutr. Formen übergeführt werden, an zwei Stellen, und zwar die mask. Bildungen als Ergänzung zu den Abstrakta (2, S.271), die neutr. Formen als Subjektbezeichnungen (2, S.332f.). Zu Vergleichszwecken werden die in §535 genannten Lemmata auch hier herangezogen. 225

7. BAdj.-sein §324

Bei dieser Bildungsweise werden Adjj. durch -sein zu einem Subst. DW behandelt diese Substantivierungsmöglichkeit bei den Abstrakta (2, S.288). Das einzige hier belegte Lemma findet sich in § 536 angegeben. 8. BAdvb.-sein

§325

(DW: - )

DW weist (2, S.288) auf weitere Bildungsmöglichkeiten von Abstrakta mittels -sein hin, zu denen sich auch die hier belegten Lemmata (->• § 537) finden, die aufgrund der anderen Basiswortart von dem im vorigen Paragraphen genannten Lemma getrennt wurden. 9. Weitere Substantivierungen

§326

(DW: 4.4.13.)

(DW: - )

Zur vollständigen Beschreibung des zugrunde liegenden Korpus müssen noch weitere Substantivierungen genannt werden, die sich in DW nicht finden und die auch quantitativ sehr selten sind. Da es sich stets um Einzelfälle handelt, wurden sie nicht weiter aufgeschlüsselt und finden sich zusammengefaßt in § 538 genannt. 10. Zusammenfassung

§327

Die im Korpus vorkommenden Substantivierungsmöglichkeiten Häufigkeiten von Lemmata und Belegen auf: Bildungsweise

Lemmata (S) abs.

substantivierter Inf. (neutr.) substantiviertes Adj. (mask.)(fem.)(neutr.) substantiviertes Part.II (mask.Hneutr.) BAdj.-O (mask.) (neutr.) substantivierter Inf. (mask./fem.)(neutr.) substantiviertes Parti (mask.) (neutr.) BAdvb.-sein BAdj.-sein Restliche Substantivierungen

333 180 26 15 12 10 2 1 4

Gesamt

583 (19)

(2) (6) (2) (9)

%

weisen folgende

Belege (S) abs.

%

57,12 30,87 4,46 2,57 2,06 1,72 0,34 0,17 0,69

821 (2) 866 (39) 66 44 (17) 150(145) 12 3 1 5

41,72 44,00 3,35 2,24 7,62 0,61 0,15 0,05 0,25

100,00

1968 (203)

100,00

Am weitaus häufigsten werden Inff. substantiviert, gefolgt von den Adjj. Letztere weisen jedoch die größte Gebrauchshäufigkeit auf, obwohl sie nach Lemmata nur etwas mehr als halb so häufig sind wie die (neutr.) substantivierten Inff. Die übrigen Substantivierungsmöglichkeiten spielen quantitativ eine untergeordnete Rolle, dies gilt insbesondere für die Bildungen mit -sein, die theoretisch weit häufiger sein könnten als sie es im aktuellen Sprachgebrauch tatsächlich sind. Ein Vergleich mit DW muß entfallen, da dort nicht für alle Substantivierungsmöglichkeiten Häufigkeitsangaben gemacht werden.

226

VI. Morphologische Reduktion (DW: 4.4.14.) §328

Zur Wortbildung durch morphologische Reduktion gehört auch die bereits in §256 beschriebene Möglichkeit der Bildung von Substt. durch Verkürzung des entsprechenden Adj., dort als „Typ Optimist" bezeichnet (Optimist < optimistisch). Während der „Typ Optimist" zur Bildung von Subjektbezeichnungen dient, bilden die hier zu erwähnenden Lemmata, die in DW als „Korrelationen vom Typ freisinnig : Freisinn" beschrieben sind, Abstrakta. DW führt (2, S.288f.) dazu u.a. aus: „Zwischen den Adjektiven eifersüchtig, geizig, vernünftig und den Substantiven Eifersucht, Geiz, Vernunft besteht [...] funktional dieselbe Korrelation wie zwischen Adjektiven und ihren Ableitungen auf -heit, -e usw. Und es gibt Substantive, für die sich ihre .Rückbildung' aus Adjektiven durch morphologische Reduktion historisch nachweisen läßt (z.B. ist Freisinn aus freisinnig entstanden). Mit dieser Beobachtung stimmt überein, daß Wörter, die bei rein morphologischer Betrachtung als Ausgangsbasen der Adj .-Bildung einzustufen wären, die gleiche textsyntaktische Funktion haben wie die übrigen gramm. Abstrakta: ,Ich ermahne Sie zur Vernunft' Ich ermahne Sie dazu, vernünftig zu sein. [...] In diesen Fällen ist also die — auch bei anderen gramm. Abstrakta beobachtete — Transformation in eine Nominalgruppe möglich [...]." (DW 2, S.288f.) Der Gesichtspunkt der historischen Genese muß natürlich in einer synchronischen Beschreibung außer Betracht bleiben, aber das entscheidende Kriterium ist, daß die betr. Bildungen die gleiche textsyntaktische Funktion haben wie die übrigen grammatischen Abstrakta. Aus diesem Grunde werden die hierhergehörenden Lemmata als Ergänzung der Abstrakta in § 408 angeführt.

227

B. SEMANTISCHER TEIL

§329

Auch in der Anlage des semantischen Teiles folgt die vorl. Untersuchung so weit wie irgend möglich dem Vorgehen von DW 2. Es werden zunächst alle semantischen Klassen in der Reihenfolge beschrieben, in der sie dort auftreten, es schließen sich dann diejenigen Klassen an, die nur hier vorkommen. Am Ende des semantischen Teiles finden sich die Restgruppen. In der folgenden Darstellung entsprechen die Kapitel I. —VIII. hier dem Kapitel 3 in DW; die Kapitel X.—XVI. entsprechen Kapitel 4-9 in DW. Diese Grobeinteilung in zwei deutlich voneinander geschiedene Teile ergibt sich dadurch, daß die in den beiden Teilen behandelten Morpheme unterschiedliche Funktionen haben. Für Kapitel 3 aus DW ergibt sich der Zusammenhang der darin behandelten Morpheme dadurch, daß sie alle zur semantischen Modifikation dienen, während die von DW in den Kapiteln 4-9 behandelten Morpheme fei semantischen und syntaktischen Transposition dienen, wobei sich eine Überführung in eine andere Bezeichnungsklasse und oft auch in eine andere Wortart ergibt.

I. Movierung §330

Mit den Movierungssuffixen werden Maskulina in Feminina bzw. umgekehrt Feminina in Maskulina übergeführt. In der vorl. Untersuchung ist nur ersteres häufiger belegt, letzteres ist sehr selten. Lemmata mit -kraft und -hilfe als letztem Glied, die von DW im Zusammenhang mit der Movierung behandelt werden, finden sich hier bei den Kompp. abgehandelt. (-+ dazu auch §§87 und 177). 1. Movierte Feminina a) BSubst.(+S V)-(er)in 1

§331

Apothekerin, Arbeiterin, Assistentin, Bademeisterin 2, Bäuerin 19, Beamtin, Chefin 3, Doktorin (Titel), Dolmetscherin 2, Frauenschaftsführerin, Freundin 10, Funkerin, Gehilfin, Gräfin, Hauserin, Haushälterin 2, Jahrgängerin 2, Kaiserin 2, Kameradin 2, Kettenmacherin, Kindbetterin, Köchin 5, Kulturarbeiterin, Kunstgewerblerin, Landsmännin, Legerin, Lehrerin 16, Malerin, Maschinistin, Meisterin 8, Nachbarin 4, Näherin 2, Partnerin 5, Rheinländerin, Schneiderin, Schülerin, Schulkamaradin 2, Schwäbin, Schwägerin 7, Sekretärin, Verkäuferin, Wirtin, Zauberin

Wie sich anhand dieser Auflistung aller im Korpus vorhandenen Lemmata zeigt, handelt es sich ausschließlich um mask. Personenbezeichnungen, die ebenfalls möglichen und in DW 2 (S.l 10) angeführten Tierbezeichnungen (Eselin) fehlen. Zu Frauenschaftsßhrerin 229

und Kindbetterin fehlt das mask. Pendant und bei Rheinländerin ist eine doppelte Erklärungsmöglichkeit gegeben: zum einen kann eine Movierung aus Rheinländer + in angenommen werden, zum anderen ist es auch denkbar, daß eine Abltg. aus Rheinland + -erin vorliegt. Bei einigen Lemmata muß vom erweiterten Suffix -erin ausgegangen werden, so bei Kindbetterin.

b) BSubst.-(i/e)ss(e/in) §332

1+

Baronesse

Dieses Muster ist hier nur mit dem angeführten Lemma vertreten, jedoch ist es nach DW 2, S . l l l auch in geschriebener Sprache offenbar selten (dort sind insgesamt 5 Lemmata erwähnt). c) B Verb/Subst. -euse 1 + §333

Friseuse

Auch zu diesem Muster findet sich hier nur das angeführte Lemma. Die Wortbildung erfolgt entweder durch Suffixtausch (-eur > -euse) am Subst., wobei das Merkmal „weiblich" hinzukommt, oder es wird von deverbalem Bezug ausgegangen, so daß das Lemma vom Verb frisieren her motiviert erscheint. Genauso wird dies auch in DW (2, S.70f.) gesehen, wo eine doppelte Movierung angenommen wird, dann jedoch das Lemma (2, S.l 12) als desubstantivisch angesehen wird. d) Zusammenfassung §334

Im Korpus der vorl. Untersuchung erweist sich -(er)in als das weitaus häufigste Movierungssuffix: Belege

Lemmata Gruppe

abs.

%

abs.

% 98,35 0,63 U,83 100,00

-(er)in 1 -(i/e)ss(e/in)l+ -euse 1+

43 1 1

95,56 2 22 2,22

119 1 1

Gesamt

45

100,00

121

Andere Movierungssuffixe als -(er)in spielen keine Rolle, und dieser Befund stimmt mit DW 2 überein, wo der Anteil dieses Suffixes fast 97% erreicht (2, S. 115). Die Movierungssuffixe treten fast ausschließlich an ein Subst., lediglich bei -euse 1 + muß von einer doppelten Motivierung ausgegangen werden. Stammveränderung spielt nur bei -(er)in 1 eine Rolle, dazu § 258.

230

2. Feminina des Musters „Weibl. X/Frau des X (= BSubst.)" a) BSubst.(+SV)-(er)in §335

2

Königin 3

Genau wie in DW spielt die Modifikationsbildung nach dem hier zur Diskussion stehenden Muster auch im Korpus der vorl. Untersuchung nur eine untergeordnete Rolle, denn auch in DW 2 ist diese Gruppe mit nur 8 Lemmata deutlich seltener als die Gruppe 1 mit 458 Lemmata. Das von DW (2, S.117f.) angeführte Muster -sehe findet sich hier überhaupt nicht. Aufgrund des Kontextes wurde das Lemma hier eingeordnet.

3. Mo vierte Maskulina a) BSubst.-er 11 + §336

Witwer 2

Die Überführung von Feminina in Maskulina ist weitaus seltener als der umgekehrte Vorgang, es findet sich im Korpus nur das oben genannte Lemma. Das von DW (2, S. 119) erwähnte Suffix -erich fehlt. Gesprochene und geschriebene Sprache stimmen bei den movierten Maskulina darin überein, daß diese in beiden Sprachformen gleich selten sind, denn auch in DW finden sich im dortigen Material geschriebener Sprache nur insgesamt 8 Lemmata für movierte Maskulina (DW 2, S.120).

II. Deminutiva

§ 337

Zu drei Mustern werden hier im Korpus Deminutiva gebildet, wovon eines ganz überwiegend verwendet wird. Dies bedeutet eine geringere Zahl von Bildungsmöglichkeiten gegenüber den von DW (2, S.123-127) angeführten Mustern. Starke Unterschiede ergeben sich zur Untersuchung von DW dadurch, daß das in geschriebener Sprache überwiegend verwendete Muster -chen hier im UG eher eine Ausnahme darstellt und stattdessen das weniger hsprl. Muster -lein ganz entschieden bevorzugt wird. Die Schreibung -lein steht dabei hier vereinfachend für alle möglichen phonetischen Varianten, die im HGS planiert wurden. Für die Ausdrucksseite der Deminutivbildung wird von FLEISCHER (S.181 f.) darauf hingewiesen, daß die Deminutiva keineswegs ausschließlich zur Bezeichnung der Verkleinerung dienen, sie haben vielmehr oft eine emotionale Färbung, mit der der Sprecher seine Einschätzung der besprochenen Sache gegenüber deutlich macht, wobei auch Ironie oder Geringschätzung anklingen können. Auch in DW (2, S.128) wird die Sprecherperspektive gegenüber der besprochenen Sache betont, die eine Komponente einer emotionalen Anteilnahme enthalten kann. Über FLEISCHER hinaus weist DW 231

noch darauf hin, daß einzelne Bildungen (Freundchen) und daß auch Kosenamen (Muttilein). In das semantische Umfeld der Deminutiva DW berücksichtigt werden, finden sich hier delt.

einen pejorativen Beisinn haben können mit Deminutiv-Suffixen gebildet werden gehörende Komposita mit Klein-, die von bei den Subst.-Komposita in § 103 behan-

a) BSubst. (+S V)-lein 1+ §338

Äckerlein 3, Ämtlein, Ämpelein, Ästlein, Amtsblättlein, Anzüglein 2, Bächlein 2, Bälklein, Bändelein 3, Bänklein 8, Bäslein 18, Bäuerlein 5, Bäumlein 7, Bahnhöflein, Bauerndörflein, Bauplätzlein, Becheilein 4, Beerlein 4, Bettlein 4, Bengelein (Holzstück), Biberlein (Küken) 2, Bildlein, Blättlein 5, Blättlein (Zeitung), Blümlein 3, Böglein, Bottlein 2, Brettlein 3, Bröckelein 2, Brötlein 2, Buchelein (Buchecker), Biiblein 10, Büchlein 12, Bückelein, Bückelein (Hügel), Bündelein 2, Bürschlein, Büschelein 7, Buschlein, Buslein, Chaislein, Christkindlein 2, Dimdelein, Dörflein 2, Drähtlein, Dreschmaschinlein, Ecklein, Eilein, Eimerlem, Eiselein (Eisenstück), Elektromotorlein, Enkelein 8, Erdapfelein (Kartoffel), Fabriklein, Fächlein (Ablage), Fädelein 4, Fäßlein 13, Fahrrädlein 2, Federlein, Fensterlein 3, Festlein 5, Fetzlein, Feuerlein 3, Fischlein 2, Fläschlein 4, Fleischlein, Fraulein, Fünfmarkstücklein, Fürlein (Furche), Füßlein, Fuhrscheinlein, Gäbelein 3, Gänslein, Gärblein 3, Gärtlein 3, Gäfilein 4, Gäulein, Gatterlein 2, Gedichtlein, Geißlein, Gemeindeblättlein, Geschäftlein 2, Geschenklein 2, Geschichtlein 4, Geschmäcklein, Geschwisterlein, Gläslein 7, Gliedlein 2, Glöcklein, Göckelein 2, Göpelein, Goldstücklein, Gräbelein, Gräslein, Gücklein (Tüte) 2, Gütlein, Häklein, Hälmlein, Häplein (Messer), Häuflein 17, Häuslein 29, Häutlein, Hanfkörnlein, Hebelein, Hecklein 2, Heftlein, Heftlein (Gehöft) 2, Herzlein 2, Hintertürlein, Hocklein (Getreidehaufen), Höflein 3, Hölzlein, Hühnlein 2, Hüttlein, Hundlein 3, Jäcklein, Jährlein 2, Jungpflänzlein, Kälblein 5, Kämmlein, Käirelein, Käßlein, Kästlein 2, Kapellelein (Kirche) 2, Kindlein, Kirchlein (Gebäude), Kistlein, Klädderlein (Büschel), Kleidlein 9, Klötzlein 3, Klümplein 3, Knäblein, Knödelein (kleines Kind), Knöpflein (Nudel) 11, Körblein 6, Körnlein, Kränzlein 2, Kräutlein, Krawättlein, Kreuzlein, Kreuzerlein, Krieglein 2, Krönlein (Spitzeisen), Krüglein, Kübelein, Küchlein 4, Kühlein 2, Kütschlein, Kurstädtlein, Lädelein, Ländlein 3, Laiblein, Leiterlein, Leutlein 3, Lichtlein 3, Liedlein 6, Löchlein, Männlein 8, Märklein 4, Mäskerlein 3, Maidlein 2, Maschinlein 3, Messerlein, Mockelein (Vieh) 3, Nägelein, Nestlein 5, Päcklein 7, Pärlein 5, Pfeiflein, Pferdlein, Pflänzlein 9, Pflöcklein, Plätzlein 2, Pöstlein, Putzelein, Rädlein 4, Räpplein, Rechlein, Regimentlein, Reihlein, Riebelein (Brotrest), Riegelein, Rindlein 4, Ringlein, Ripplein, Röhrlein 2, Rößlein 2, Rütlein, Sacktüchlein, Sächlein 3, Säcklein 7, Säcklein (Brauchtum) 50, Säglein 3, Säulein 6, Schäflein 3, Schätzlein, Scherlein, Scheuerlein, Schiedlein (Schiede = Korb), Schifflein, Schläglein (Waldrevier), Schmetterlinglein 2, Schnäpslein 3, Schöchlein (Heuhaufen) 5, Schühlein, Schwipslein, Söcklein, Sofalein, Spinnrädlein 7, Springerlein (Gebäck), Sprüchlein 6, Stäblein, Städtlein 16, Stämmlein 3, Stäpfelein (Stufe) 3, Staubsaugerlein 2, Steinlein 2, Steinschlegelein, Stengelein, Stöcklein, Sträßlein, Streichholzschächtelein, Strohhälmlein, Stüblein, Stücklein 79, Täfelein, Tällein 4, Tännlein 4, Täschlein, Theaterstücklein 4, Tierlein 9, Tischlein, Töchterlein 3, Törlein, Träublein 2, Türlein 3, Verslein 3, Viertelein, Völklein, Volksstücklein, Wäldlein 2, Wägelein 6, Wamslein, Weglein 4, Weiblein 4, Weiherlein 2, Weißkörnlein (Dinkel), Werkbänklein, Westlein, Würmlein 2, Wülstlein 3, Zäpflein, Zehnerlein, Zettelein, Zipfelein, Zottelein, Zuckermärklein, Zündhölzlein, Zwanzigmarkstücklein, Zwiebelein

Häplein ist zum Subst. Hape gebildet, das gleichfalls im Korpus des HGS belegt ist (lmal), entsprechend Weißkömlein zu Weißkorn (2mal belegt). Pöstlein ist ein Deminutiv zu Posten, nicht zu Post. Putzelein wird durch den Kontext als .kleines Kind' erklärt. Rindlein ist zu Rind gebildet, Sacktüchlein zu mdal. Sacktuch (aus Sack = Hosentasche + Tuch). Zottelein schließlich gehört zu Zotte ,Franse'. Daß Kompp. wie Streichholzschächtelein hier erscheinen, liegt daran, daß hier nicht von einem Kompositum ausgegangen wird, dessen zweiter Teil deminuiert ist, sondern daß das Lemma insgesamt als Deminutivum aufgefaßt wird. § 339 Wesentliche Unterschiede zwischen geschriebener und gesprochener Sprache zeigen sich bei den Deminutiva dieses Musters offenbar darin, daß die von DW (2, S.125) angeführten euphonischen Gründe, die eine Bildungsweise mit dem Morphem -lein verhindern oder wenigstens einschränken, in der gesprochenen Sprache des UG nicht oder nur 232

bedingt gültig sind. DW führt (2, S.125) insgesamt vier Typen von Einschränkungen an, so findet sich diese Bildungsweise nie bei 1. einsilbigen Basen auf -/ sowie 2. nie bei mehrsilbigen Basen auf -le(n). Eingeschränkt, wenn auch nicht völlig unmöglich, ist diese Bildung 3. bei mehrsilbigen Substt. auf -el, und 4. findet sich diese Bildungsweise nie bei einsilbigen Basen mit dem Stammvokal -ei. Der obigen Auflistung aller im Korpus vorhandenen Lemmata lassen sich jedoch Beispiele für die ersten drei Bildungsweisen entnehmen, so finden sich zur Einschränkungs-Regel nach DW u.a.: 1. Gäulein, Tällein 2. Kapellelein, Kinderpistölelein 3. Bengelein, Bröckelein, Bückelein, Bündelein, Büschlein, Dirndelein, Enkelein, Gäbelein, Göckelein, Göpelein, Hebelein, Knödelein, Kübelein, Mockelein, Nägelein, Riebelein, Stäpfelein, Stengelein, Täfelein, Viertelein, Zettelein, Zipfelein, Zwiebelein Zu 3. wird in DW selbst festgestellt, daß diese Bildung nicht unmöglich sei, entsprechend viele „Ausnahmen" finden sich hier. Bei 1. erfolgt bei umlautfähigem Stammvokal stets ein Umlaut. Die Feststellung, daß okkasionelle Bildungen, die auf eine Produktivität des Morphems schließen lassen, vereinzelt blieben (DW 2, S.125), ist auf die geschriebene Sprache beschränkt, denn sie stimmt angesichts der oben angeführten Lemmata für die gesprochene Sprache im UG nicht. § 340

Die vorgenannten Lemmata lassen sich grob gliedern in Personenbezeichnungen (Männlein), Tierbezeichnungen {Hundlein), Kollektiva/Abstrakta (Völklein/Pöstlein), Teilbezeichnungen (Tortenstücklein) und Sachbezeichnungen im weitesten Sinn (z.B. Jäcklein, Kirchlein, Körnlein). Auf diese Gruppen verteilen sich die Lemmata wie folgt: Lemmata abs.

%

Sachbezeichnungen Personenbezeichnungen Kollektiva/Abstrakta Tierbezeichnungen Teilbezeichnungen

189 22 20 19 11

72,41 8,43 7,66 7,28 4,21

Gesamt

261

100,00

Es überwiegen deutlich die Sachbezeichnungen, alle übrigen Bezeichnungen kommen etwa gleich häufig vor.

b) BSubst. (+S V)-chen 1 §341

Bändchen (Buch), Beilchen, Breischen (Manschette), Engelchen, Kinderhöschen, Örtchen, Rippchen, Röckchen, Schränkchen, Stühlchen

Alle Lemmata wären auch auf -lein bildbar, sind so jedoch im Korpus nicht belegt. Euphonische Gründe, die eine Bildung mit -lein behindern könnten, wären allenfalls 233

im Falle von Beilchen denkbar, dürften dort aber auch nicht stichhaltiger sein als die von DW gegen -lein vorgebrachten und in §339 diskutierten Gründe. c) BSubst.(+SV)-el 1 § 342

Bändel 5, Bröckel, Büschel 12, Büschel 7, Kalbel 2,

In der gesprochenen Sprache scheint dieses Muster noch häufiger zu sein als in der geschriebenen Sprache, in der es — nach DW 2, S.125 — nur bei „ansatzweise schon isolierten Wörtern" vorkommt, die wie Simplizia verwendet werden. Dem widerspricht unter den angeführten Lemmata Kalbel. Dieses Lemma zeigt auch, daß der Umlaut des Stammvokals in der gesprochenen Sprache des UG offenbar nicht obligatorisch ist, wie dies DW für die dort untersuchte geschriebene Sprache feststellt (DW 2, S.125). d) Zusammenfassung §343

Für die Deminutiva ergibt sich hier folgende Verteilung von Lemmata und Belegen: Lemmata

Belege

Gruppe

abs.

%

abs.

%

-lein 1+ -chen 1 -eil

261 10 5

94,57 3,62 1,81

787 10 27

95,51 1,21 3,28

Gesamt

276

100,00

824

100,00

Neben -lein sind die anderen beiden Deminutiv-Suffixe sehr selten, die Bildung von Deminutiva erfolgt im UG fast ausschließlich durch -lein. Alle Lemmata der Gruppen -chen 1 und -el 1 wären auch auf -lein bildbar, jedoch sind die Lemmata auf -chen nur so belegt, während von Lemmata auf -el alle auch auf -lein belegt sind. Als Basis der Abltgg. dienen ganz überwiegend Subst.-Simplizia: Lemmata substantivische Basis

abs.

%

Simplex Kompositum Ableitung

206 49 21

74,64 17,75 7,61

Gesamt

276

100,00

Kompp. sind immerhin noch mehr als doppelt so häufig an der Bildung der Deminutiva beteiligt wie Abltgg. Stammveränderung kommt in folgenden Häufigkeiten vor: Lemmata Stammveränderung

abs.

%

Umlaut ohne

153 123

55,43 44,57

Gesamt

276

100,00

Uberwiegend werden die Deminutiva mit Umlaut gebildet, jedoch sind die Lemmata ohne jede Stammveränderung nur wenig seltener. 234

III. Augmentativa

§ 344

Als Gegenstück zu den eben besprochenen Deminutiva führt DW Substt. mit Riesen-, Spitzen-, Mords-, Heiden- usw. an und bemerkt dazu (2, S.136): „Komposita dieser Art bilden eine Gegenkategorie zu den Deminutiva. Für ihre Benennung bietet sich noch am ehesten der Terminus ,augmentativ' an, der besonders in der romanischen Sprachwissenschaft verwendet wird." Im Rahmen der vorl. Untersuchung werden jedoch die angeführten und weitere, von DW 2, S.136-146 genannte Präfixoide nicht bei den Subst.-Abltgg., sondern bei den Kompp. behandelt, weil sie von dort her eher zu beschreiben sind. Es bleibt so nur noch das folgende Muster übrig.

a) Un-BSubst. 3 §345

Unmasse 2, Unmenge 2

Speziell zu diesem Präfix stellt FLEISCHER (S.217) fest, daß es als „Verstärkungs-" und „Steigerungspräfix" dient, der Terminus „augmentativ" wird von ihm nicht verwendet, da die von ihm behandelten „ Vergrößerungsbildungen" enger gefaßt sind als in DW (vgl. dazu auch die Anm. 92 in DW 2, S.495f.). Augmentativa mit genuinen Präfixen kommen also hier im Korpus recht selten vor, und das entspricht dem Befund an geschriebener Sprache, wie ihn DW (2, S. 147) darstellt.

IV. Bezeichnung des Ursprünglichen a) Ur-BSubst. 1 § 346

Urbestand, Urkirche 2, Urwald 2

An die Augmentativa schließt DW (2, S.155-160) noch „vergleichbare Bildungen mit Haupt-, Grund- und Ur- 1" (2, S.155) an. Bildungen mit Haupt- und Grund- werden bei den Kompp. in § 179 behandelt, es bleibt also nur Ur-1 übrig. Das Muster ist jedoch im Vergleich zu den bei FLEISCHER (S.218f.) und DW(2, S.157f.) angeführten Bildungsmöglichkeiten im Korpus hier recht selten, so daß sich hier Unterschiede zwischen geschriebener und gesprochener Sprache bemerkbar machen.

V. Kollektivs

§347

DW trennt die primär geprägten Kollektivbildungen von den sekundären Kollektivverwendungen, die vorl. Untersuchung folgt dem. Zu den „sekundär geprägten Kollektiva" führt DW (2, S.177) aus, daß sie durch Umprägung von Abstrakta die Funktion von Kollektiva erhalten haben, und zwar „auf dem Wege einer reihenhaften inhaltli235

chen Umbildung" und daß sie teilweise nach ähnlichen Gebrauchsmustern analog abgeleitet werden. Die primären Kollektiva hingegen sind Wörter, bei denen die ursprüngliche Abltg. bereits das Kollektivum ergibt, sie werden also nicht auf dem Umweg über Abstrakta zu Kollektiva. DW führt dazu (2, S. 160) aus: „In die große Gruppe der Modifikationsbildungen lassen sich auch Kollektiva [...] einordnen, insofern als sie [...] sich auch prinzipiell gegen die Basis — jedoch in ihrer Pluralform — austauschen lassen. Substituens und Substituendum unterscheiden sich bei dieser Probe semantisch durch das Merkmal der Kollektivität, das sich durch Attribute wie die gesamten, die ganzen, alle zusammengehörigen usw. explizieren läßt. Die meisten Kollektiva sind dementsprechend nicht pluralfähig." Die von DW bei den primären Kollektiva herangezogenen Suffixoide und Kompositionsglieder mit -zeug, -material, -leute usw. werden hier bei den Kompp. behandelt. 1. Primäre Kollektiva a) Ge-BSubst. (+S V)- 0/-e 2 §348

8, Gebiüder 2, Gebüsch, Gelände 17, Gelump 7, Gemäuer, Gerippe, Gestühl Daß kaum Kollektiva zu Basen gebildet werden, die Personenbezeichnungen sind, wie dies in DW (2, S. 163) festgestellt wird, bestätigt sich hier. „Im allgemeinen wird Ge- 2 nur zur Kollektivbildung mit Bez. der belebten und unbelebten Natur (Gewürm, Gesträuch, Gelände) kombiniert, mit Bez. für Körperorgane (Gedärm) und Artefakten 0Gestänge) [...]", so DW (2, S. 163), was sich gleichfalls bestätigt. Nur 3 Lemmata enden auf -e, so daß die Endung auf -0 als der Regelfall angesehen werden muß. Sofern die Basis umlautfähig ist, erfolgt stets Umlaut der Abltg. gegenüber der Basis. Gebälk 4, Gebein, Gebirge

b) BSubst.-schaft 1 §349

Bruderschaft 4, Bürgerschaft, Einwohnerschaft 2, Frauenschaft 2, Genossenschaft 6, Kundschaft 25, Lehrerschaft, Mannschaft 13, Verwandtschaft 7

Einzig zu Bruderschaft findet sich hier auch Gebrüder, weitere Parallelbildungen, wie sie DW (2, S. 163) anführt, fehlen. Es bestätigt sich, daß als Basis zumeist Substt. auftreten, die selbst schon Abltgg. sind (so DW 2, S. 162); daß es vor allem Substt. auf -er seien, läßt sich aufgrund der geringen Lemma-Häufigkeit nicht überprüfen.

c) BSubst.-(er)ei 6 § 350

Bücherei 5, Marketenderei, Panzerjägerei

Bücherei wird in DW (2, S. 175) mit folgendem trafoWert erklärt: „Meine Bücherei ist durch -*• meine gesamten Bücher ersetzbar." Das Lemma wird von den Sprechern der hier zugrunde liegenden Aufnn. jedoch im Sinne von .Leihbücherei' verwendet, worauf der von DW angegebene trafoWert zwar ebenfalls zutrifft, wo aber auch zu 236

überlegen ist, ob nicht im Verständnis der Sprecher mit einer Leihbücherei primär der lokale Aspekt im Vordergrund steht. Natürlich sind auch die Bücher einer Leihbücherei zunächst eine Bücherei im von DW beschriebenen Sinn (eben als Gesamtheit aller in einer Leihbücherei vorhandenen Bücher), und diese Bücher benötigen eben einen bestimmten Platz. Für den Sprecher, der Bücherei im Sinne von .Leihbücherei' verwendet, ist jedoch möglicherweise der lokale Aspekt entscheidender, denn er geht an eine Stelle, an der es Bücher gibt. Entsprechende Überlegungen gelten für die von DW angeführten Lemmata Aktei und Kartei. Da unentschieden bleiben muß, welcher Aspekt ausschlaggebender ist, wurde entschieden, das Lemma in der Gruppe zu belassen, in der es in DW steht.

d) BSubst.-heit § 3 51

5

Geistlichkeit 4

Zum Muster -heit findet sich als Kollektivbildung hier nur das angeführte Lemma, jedoch scheinen Kollektiva zu diesem Muster auch in geschriebener Sprache selten zu sein, denn DW führt nur 6 Lemmata an, die alle - wie auch das hier genannte - auf Personenbezeichnungen zurückzuführen sind.

e) §352

Zusammenfassung

Zunächst eine Übersicht über Lemmata und Belege: Lemmata

Belege

Gruppe

abs.

%

abs.

%

Ge- 2 -schaft 1 -(er)ei 6 -heit 5

10 9

i

1

43.48 39,13 13,04 4,35

43 61 7 4

37,39 53,04 6,09 3,48

Gesamt

23

100,00

115

100,00

Nach Lemmata sind Ge- 2 und -Schaft 1 fast gleich häufig, jedoch zeigen sich in der Gebrauchshäufigkeit deutliche Unterschiede. Zu den anderen beiden Mustern werden selten Kollektiva gebildet. In DW zeigen sich Unterschiede derart, daß zunächst einmal -schaft 1 deutlich häufiger ist als Ge- 2, und zwar doppelt so häufig, während -heit 5 auch im schriftsprl. Korpus von DW mit nur 6 Lemmata deutlich gegen die beiden anderen Muster abfällt. Daß hier Ge- 2 etwas häufiger ist als schaft 1, könnte daran liegen, daß schaft 1 eher schriftsprl. bzw. hsprl. ist, DW stellt (2, S. 162) fest: „Die relativ höchsten Frequenzwerte erreicht die Bildungsweise im öffentlichen Sprachgebrauch, wie er sich in Zeitungstexten dokumentiert." Dementsprechend ist das obige Ergebnis hier erwartbar.

237

2. Sekundäre Kollektiva a) B Verb/Subst. (+SV)-ung 6 § 3 53

Bereifung, Bewaffnung, Bewölkung, Kleidung 2

DW führt die Gruppe -ung 6 in der tabellarischen Übersicht des Musters (2, S.95) als BSubst.-wng 6, bei der Beschreibung der Gruppe jedoch dann als Be/Ver-BV/BS-ung 6, da als Erklärung eine doppelte Motivierung angesetzt wird derart, daß entweder ein präfigiertes Verb als Basis dient (in diesem Falle wäre die Gruppe als BVerb-wwg 6 zu beschreiben) oder daß ein Subst. die Basis bildet, das dann noch mit entweder Be- oder Ver- präfigiert ist, so daß sich ein kombinatorisches Morphem ergibt. In DW wird dies ausführlich diskutiert (2, S.181), und es wird gezeigt, daß sich mit den beiden möglichen Interpretationen verschiedene Aspekte der Wortbildungsweise ergeben. Nach FLEISCHER (S. 165) wären die betr. Lemmata wohl als eindeutig deverbal anzusehen und fielen unter seinen Strukturtyp (2): „Das Verb ist eine Präfixbildung mit sekundärer verbaler, adjektivischer oder substantivischer Basis" (FLEISCHER, S.165). Entsprechend wären 3 der 4 vorhandenen Lemmata hier als Abltgg. zu einem präflgierten Verb anzusehen. Die vorl. Untersuchung folgt jedoch dem Vorgehen von DW und behält die doppelte Motivationsbasis bei.

3. Zusammenfassung §354

Im Vergleich zwischen primären und sekundären Kollektiva zeigt sich folgendes HäuLemmata

Belege

Kollektiva

abs.

%

abs.

%

primäre sekundäre

23 4

85,19 14,81

115 5

95,83 4,17

Gesamt

27

100,00

120

100 00

Es überwiegen deutlich die primären Kollektiva. Dieses Ergebnis bestätigt sich auch in DW, wenn man dort nur die einzelnen WB-Morpheme berücksichtigt, nicht jedoch die Kompp. und Kompositionsglieder mit -wesen, -volk usw. Dann zeigt sich, daß dort gleichfalls die primären Kollektiva überwiegen, wenn auch nicht so deutlich wie hier: DW Lemmata abs.

%

primär sekundär

160 81

66,39 33,61

Gesamt

241

100,00

Über die Gebrauchshäufigkeit läßt sich für DW nichts sagen, doch steht zu vermuten, daß auch in der geschriebenen Sprache die primären Kollektiva überwiegen, wie sich dies am Ergebnis hier zeigt, wo sekundäre Kollektiva in der Gebrauchshäufigkeit kaum häufiger sind als die Lemmata selbst. 238

§ 355

In DW findet sich (2, S. 186) eine Übersicht über die „allgemeinsten semantischen Merkmale, in denen sich Kollektiva unterscheiden". Die Lemmata der vorl. Untersuchung wurden gleichfalls in dieses Raster eingebracht, es zeigt sich dabei folgende Verteilung: Gruppe

[+belebt] Tierbezeichnungen

Pflanzenbezeichnungen

[-belebt] Sachbezeichnungen

1 9 2

-

1

8

-

-

-

-

-

-

-

1 4

1

-

-

-

Personenbezeichnungen

Ge-2 -Schaft 1 -(er) ei 6 -ung 6 -heit 5

-

Ge-2 kommt in DW reihenhaft bei Tier-, Pflanzen- und Sachbezeichnungen vor, bei Personenbezeichnungen nur in Einzelfällen, dies bestätigt sich hier. -Schaft 1 ist reihenhaft nur bei Personenbezeichnungen belegt, vereinzelt bei Sachbezeichnungen, was mit dem Ergebnis hier übereinstimmt, -(er)ei 6 ist in DW vereinzelt bei Personen- und Sachbezeichnungen belegt, -ung 6 hat seine Hauptfunktion bei Sachbezeichnungen, vereinzelt bei Personen- und Pflanzenbezeichnungen; beides stimmt mit dem Ergebnis hier überein. -heit 5 wird nach DW ausschließlich für Personenbezeichnungen verwendet, und auch hierin stimmen beide Untersuchungen überein, so daß zusammenfassend festgestellt werden kann, daß sich bei den Kollektiva zwischen geschriebener und gesprochener Sprache nur der Unterschied ergibt, daß in geschriebener Sprache -schaff 1 häufiger ist als Ge- 2, während sich dies in der gesprochenen Sprache des UG genau umgekehrt verhält.

VI. Negationsbildungen a) Un-BSubst. 1 §356

Unglück 12, Unruhe 2, Unschuld, Untugend, Unzufriedenheit

Von den in DW (2, S. 184-197) behandelten Negationsbildungen mit Un-, Miß- und Nicht- kommt hier nur ersteres vor. Bei den angeführten Lemmata dient Un- stets als Negationsbildung zu einem Abstraktum, und außer Tugend sind auch alle nicht-präfigierten Subst.-Abstrakta hier belegt. Entsprechendes gilt für die betr. Adjj. (glücklich, ruhig usw.), die bis auf tugendsam alle belegt sind. Für diejenigen Negationsbildungen mit Un-, zu denen ein entsprechendes Adj. möglich ist, zeigen DW und FLEISCHER (S.216) zweierlei Beschreibungsweisen: zum einen erscheinen die Lemmata als Rückbildungen zu Adj.-Bildungen (mit einem Beispiel aus DW (2, S.194): Die Frau hat keine Schuld => die Frau ist unschuldig =» Die Unschuld der Frau). Nicht zu jedem mit Un- präfigierten Subst. ist jedoch ein entsprechendes Adj. vorhanden (mit zwei Beispielen FLEISCHERS (S.216): Unordnung, Unvermögen), so daß manchmal ausschließlich substantivischer Bezug möglich ist. Außerdem ist zu bedenken, daß im Verständnis der Sprecher die Negationsbildung wohl eher zum betr. Subst. gebildet als über ein Adj. motiviert erscheint, denn es ist davon auszugehen, daß für den Sprecher die längere Form aus der kürzeren abgeleitet erscheint. 239

Hier kommt als Negationsmorphem bei den Subst.-Abltgg. nur Un- vor, es fehlen die von DW (2, S.195f.) angeführten übrigen Morpheme Miß- und Nicht-, so daß die Negationsbildungen in der gesprochenen Sprache des UG stark eingeschränkt erscheinen, und zwar nach der Zahl der Bildungsmuster wie nach den tatsächlich belegten Lemmata und deren Gebrauchshäufigkeit. In DW sind Bildungen mit Nicht- sogar häufiger als solche mit Un- (DW 2, S.197), jedoch scheint auch in geschriebener Sprache Miß- selten zu sein. Es fehlen in unserem Korpus gleichfalls die konkurrierenden Formen (z.B. Unschuld : Nichtschuld), die DW (2, S.197) anführt. Damit entfällt hier auch der durch beide Bildungsweisen ausgedrückte Gegensatz: während Un- für die Bezeichnung des Gegenteils verwendet wird, steht Nicht- für die Verneinung von etwas. Diese Differenz wird in der hier untersuchten gesprochenen Sprache offensichtlich nicht mit Mitteln der Wortbildung ausgedrückt.

VII. Morpheme, die Attribute aus dem Umkreis von ,falsch' ersetzen

§357

Von den in DW 2, S. 198-200 angeführten Präfixbildungen mit Miß-, Fehl-, Un- und After- sind hier im Korpus nur Un- und Miß- vorhanden, ein einziges Lemma mit Fehlwird bei den Kompp. behandelt. Bildungen mit After- sind nach DW (2, S.200) veraltet und kommen dort nicht vor. Alle Präfixe dienen „zur Bewertung des als .falsch' oder ,schlecht' Erkannten [...] durch den Sprecher" (DW 2, S.198), sie dienen der „Angabe des vom Normalen nach dem Negativen (Verkehrten, Falschen, Schlimmen) Abweichenden" (FLEISCHER, S.215). Für die vorl. Untersuchung wird die Beschreibung von DW (2, S.198) als: „Die Modifikationsbildung durch Morpheme, die Attribute aus dem lexikalischen Umkreis von .falsch' ersetzen" übernommen, da sie den vorliegenden Sachverhalt am besten wiedergibt.

a) Un-BSubst. 2 §358

Unart 2, Unding 2, Unklaut 7, Unsitte

DW stellt (2, S.200) zu dieser Gruppe fest, daß es hierzu nur eine kleine Gruppe von usuellen Bildungen gibt, die keine Tendenz zur Ausweitung erkennen läßt. Es finden sich dort 14 Lemmata für diese Gruppe.

b) Miß-BSubst. 1 §359

Mißernte 3, Mißjahr, Mißton

Daß 2 von 3 Lemmata der bäuerlichen Welt entstammen, ist aufnahmebedingt. In DW ist diese Gruppe gleich häufig wie Un-2. Konkurrierende Formen, wie sie FLEISCHER (S.216) und DW 2, S.198 anführen (z.B. Unmut: Mißmut; Untat: Missetat), kommen hier nicht vor. 240

Vffl. Weglaßbares Affix

§360

Als weitere Gruppe der „Modifikationsbildungen" behandelt DW (2, S.206-208) eine Reihe von Abltgg. durch Affixe, deren Gemeinsamkeit darin besteht, daß das Affix weglaßbar und das Lemma mit Affix gegen das entsprechende Lemma ohne Affix austauschbar ist, wobei sich nicht immer auch semantische Unterschiede ergeben. Dies steht im Gegensatz zu allen bisher behandelten Affigierungen, die ja gerade dadurch gekennzeichnet sind, daß sie dem Basiswort etwas hinzufügen (z.B. das Merkmal .kollektiv').

a) BSubst.(+SV)-ung § 361

8+

Haushaltung 6, Löhnung 3, Stallung 7, Waldung 3

Außer Löhnung könnten alle Lemmata als Kollektivs aufgefaßt werden, da das Suffix hier eine kollektive Komponente zum entsprechenden Simplex hinzufügt. So wird dies auch von FLEISCHER (S.174) gesehen, und mit Einschränkungen von WELLMANN, S.180f., bestätigt. Dort (sowie in DW 2, S.207) auch der Hinweis, daß Simplex und Abltg. unterschiedlichen Stilsphären angehören können. Im Falle von Löhnung ist wohl von einer vollkommenen Identität mit dem Simplex Lohn auszugehen. Stammveränderung findet sich lediglich als Umlaut bei Löhnung, alle anderen Lemmata weisen keine Stammveränderung auf, und dies wird auch durch die weiteren, bei FLEISCHER (S.174) und WELLMANN (S.180f.) sowie in DW (2, S.207) genannten Lemmata bestätigt. Jedoch ist gerade bei diesem Lemma auch zu überlegen, ob nicht auch deverbaler Bezug (auf löhnen) möglich ist, wodurch sich dann keine Stammveränderung ergäbe. Da das Lemma bei deverbalem Bezug aber das einzige Lemma mit anderer Basis in dieser Gruppe und auch innerhalb der hier zu behandelnden Lemmata mit weglaßbarem Affix wäre, wurde entschieden, nur von desubstantivischem Bezug auszugehen und keine doppelte Motivierung anzunehmen. Mit der Ausnahme von Haushaltung sind die Basen allerin dieserGruppe vorhandenen Lemmata Simplizia. b) Ge-BSubst. (+SV)-0/-e 6+ § 362

Gehöft 2, Gelüst, Gespaß (Vergnügen), Getiänk 3

Bei Gehöft fügt das Präfix dem entsprechenden Simplex Hof eine semantische Komponente hinzu, die sich nicht mit den übrigen Funktionen des Präfixes Ge- in Übereinstimmung bringen läßt. Gelüst und Gespaß hingegen sind gegen die entsprechenden Simplizia (Lust, Spaß) austauschbar, ohne daß durch das Präfix eine neue Komponente hinzukommt. Entsprechendes stellt FLEISCHER (S. 187) für Getränk fest, weswegen das Lemma hier eingeordnet wurde. DW hingegen fuhrt das Lemma in der Gruppe 3 (2, S.426) als deverbal, und in der Tat ist zu fragen, ob nicht synchronisch betrachtet eher ein Bezug zum Verb trinken vorliegt als zum Subst. Trank. Dies würde aller241

dings auch bedeuten, Getränk nicht als Subst. aufzufassen, bei dem das Affix weglaßbar ist, sondern als Objektbezeichnung, wie es auch von DW gesehen wird. Der entscheidende Grund, das Lemma dennoch nicht in die Gruppe 3 einzuordnen, ist der für diese Gruppe geltende trafoWert. Nach DW (2, S.50) ergibt sich „etw., das getrunken worden ist", und dies ist sicher keine zutreffende Beschreibung von Getränk. Bei der Darstellung der Gruppe (2, S.426) wird weiter ausgeführt, daß die in Frage stehenden Lemmata dem substantivierten Part. II „morphologisch besonders nahe" stehen sollen, was jedoch bei Getränk zu das Getrunkene führt und damit falsch wird. Das Lemma wurde aus der Gruppe 3 herausgenommen und — FLEISCHER folgend — hier eingeordnet. Stammveränderung findet sich als Umlaut bei allen Lemmata außer Gespaß.

c) BSubst.-schaft 3 § 363

Briefschaft, Landschaft 7, Ortschaft 20

Die extreme Vorkommenshäufigkeit von Ortschaft ist aufnahmebedingt. Briefschaft erscheint im HGS als Singular, weil dort fast alle Substt. auf die Singularform reduziert wurden, ist jedoch in der betr. Aufn. als Plural belegt. d) BSubst.-tum 5+ §364

Besitztum 2

Bei diesem Lemma ist ein Austausch mit dem Simplex Besitz möglich, ohne daß sich semantische Differenzen zeigen.

e) Be-BSubst. (+SV) 1+ §365

Behäg (Umfriedung)

Dieses Lemma kann gegen Hag ausgetauscht werden, ohne daß sich am semantischen Gehalt etwas ändert. Durch die Präfigierung erfolgt ein Umlaut des zugrunde liegenden Subst., der jedoch nicht als obligatorisch angesetzt wurde, da die möglicherweise ebenfalls hierher gehörenden Lemmata, die das SWb. nennt, keinen Umlaut aufweisen. Bei den vom SWb. angeführten Lemmata handelt es sich um Bedank (.Danksagung'; 1,746) und Beruhm (,Ruhm, R u f ; 1,883), ferner sind noch eine Reihe von Lemmata genannt, die aber als ausgestorben bezeichnet werden. Es scheint sich hier um Reste einer einst größeren Gruppe zu handeln. f ) BSubst.-er 13+ §366

Gockeler

Ist mit Gockel semantisch synonym. Ob sich auch zu diesem Muster noch weitere Lemmata im SWb. finden, konnte nicht überprüft werden, da hierfür ein rückläufiges SWb. nötig wäre. 242

g) Zusammenfassung § 367

Zunächst die Verteilung von Lemmata und Belegen: Belege

Lemmata Gruppe

abs.

%

abs.

%

-ung 8+ Ge- 6+ -schaft 3 -tum 5+ Be-1+ -er 13+

4 4 3 1 1 1

28,57 28,57 21,43 7,14 7,14 7,14

19 7 28 2 1 1

32,76 12,07 48,28 3,45 1,72 1,72

Gesamt

14

100,00

58

100,00

Keine der Gruppen ist nach Lemmata besonders zahlreich, und die große Vorkommenshäufigkeit einiger Lemmata der Gruppen -ung 8+ und -schaft 3 ist aufnahembedingt. In DW finden sich zu Ge-6+ und -schaft 3 jeweils 10 Lemmata, zu -ung 8+ 9, alle Gruppen sind hier entschieden seltener vertreten. Jedoch finden sich hier gegenüber DW weitere Muster zu diesen Modifikationsbildungen. DW behandelt allerdings nur „die am häufigsten vorkommenden Modifikationsbildungen", so daß ein Vergleich nicht möglich ist und auch nicht ohne weiteres gefolgert werden kann, daß in DW nicht genannte Muster auf einen Unterschied zwischen geschriebener und gesprochener Sprache deuten, dies scheint nur bei Be-1+ der Fall zu sein, weil dieses Präfix in dieser Funktion wohl der geschriebenen Sprache fehlt. Alle Lemmata sind desubstantivisch, auf den Problemfall Getränk wurde in §362 hingewiesen. Stammveränderung findet sich nur bei Be-1+, Ge-6+ und -ung 8+, und zwar ausnahmslos als Umlaut. Insgesamt sind die Lemmata ohne Stammveränderung doppelt so häufig wie diejenigen mit Umlaut.

IX. Zusammenfassung zu den Kapiteln I. — VIII.

§368

Die bis hierher behandelten Morpheme haben gemeinsam, daß sie der semantischen Modifikation dienen. DW führt dazu (2, S.205) aus: „Als Basis fungiert immer ein Subst., und die Bildungen können [...] in der Regel durch das BS substituiert werden, ohne daß sich der Kontext dadurch syntaktisch ändern muß. Durch das Morphem erhält die Bildung gegenüber dem BS einen neuen Inhalts wert; sie kommt aber nicht in eine grundlegend andere Bezeichnungskategorie, wie es etwa geschieht, wenn die subst. Sachbez. Fußball durch das -er 5-Morphem in die Personenbez. Fußballer überführt wird." Unter den Modifikationsmorphemen wurden zunächst die der Movierung dienenden Suffixe behandelt. Von diesen ist nur -in 1 in großer Häufigkeit im Korpus vertreten, die anderen Morpheme sind sehr selten, und zwar nach Lemmata wie nach Belegen. Dieses Ergebnis deckt sich mit demjenigen in DW. Ganz überwiegend erfolgt die Movierung von Maskulina in Feminina, der umgekehrte Vorgang ist extrem selten und ist auch im größeren Korpus von DW nur mit Einzelfällen vertreten. 243

Für die Deminutiva finden sich im Korpus der vorl. Untersuchung insgesamt drei Morpheme, wovon aber nur -lein 1+ in größerer Häufigkeit auftritt. Es zeigt sich so ein deutlicher Unterschied zum schriftsprl. Material von DW, da das dort am häufigsten verwendete Suffix -chen hier nur in Ausnahmefällen auftritt. Augmentativa werden in der hier untersuchten gesprochenen Sprache selten gebildet, unter den von DW behandelten Morphemen war hier nur Un- zu berücksichtigen; die von DW erwähnten Präfixoide finden sich hier bei den Kompp. abgehandelt. Jedoch sind hier im Korpus auch die Präfixoide nicht besonders häufig vertreten. Während — entsprechend dem Ergebnis in DW — bei den Deminutiva fast nur Sachbezeichnungen erscheinen, finden sich für die Augmentativa hier nur Abstrakta, die gleichfalls möglichen (und in DW belegten) Sachbezeichnungen fehlen. „Die Kollektiva stehen in einer semantischen Minimalopposition zu den Pluralformen der Grundwörter" (DW 2, S.205), vgl. etwa Gestühl: Stühle. Primäre Kollektiva sind im Korpus der vorl. Untersuchung entschieden häufiger als sekundäre, die hier nicht wie in DW fast halb so oft vorkommen wie die primären. Für die im Zusammenhang mit den Modifikationsmorphemen behandelten Bildungen mit weglaßbarem Affix gilt generell die Feststellung (DW 2, S.208): „Die semantische Differenz zum BS läßt sich auf keinen einheitlichen Nenner bringen. Sie ist nicht Ergebnis einer reihenkonstituierenden Suffixfunktion. Das Charakteristische dieser Bildungen liegt gerade darin, daß die Modifikationskomponente wechselt und nicht aus der Wortbildung zu erklären ist."

X. Grammatische Abstrakta

§ 369

Die Definition sprachlicher Abstrakta in der vorl. Untersuchung folgt der von DW vorgegebenen, die von der syntaktischen Funktion ausgeht. Unter Hinweis auf Porzig definiert WELLMANN (S.50) die Abstrakta so: „.Substantiva, die einen Satzinhalt vom Prädikat aus vergegenständlichen*. Dabei bedeutet .vergegenständlichen' grammatisch gesehen .substantivieren' und inhaltlich, daß eine Aussage im Substantiv zu etwas für sich Bestehendem .hypostasiert' wird." Kürzer gefaßt findet sich die Definition in DW (2, S.90) so: „Im Satzgefüge und bei der Textkonstitution dienen sie [die Abstrakta] zur Wiederaufnahme prädikativer Konstruktionen. In dem Satz Die Kleinheit und Enge des Raumes bedrückten ihn erspart die Substantivableitung einen Nebensatz: Ihn bedrückte, daß der Raum klein und eng war/wie klein und eng der Raum war. Die Morpheme -heit und -e stehen hier im Dienste einer Nominalisierung, durch die prädikative Komplexe in Nominalgruppen überführt werden." DW weist (2, S.210) noch auf mögliche Umformproben hin, wodurch sich Abstrakta besser bestimmen lassen. Aufgrund der speziellen Definition erscheinen dann dort von den Abstrakta getrennt die Subjekt* und Objektbezeichnungen, die zum größten Teil ebenfalls als Abstrakta anzusehen sind, jedoch nicht die gleiche syntaktische Funktion haben. Diesem Unterschied wird mit der Definition der hier in diesem Kapitel zu behandelnden Abstrakta als grammatische Abstrakta Rechnung getragen. Im übrigen folgt die vorl. Untersuchung schon aus 244

Gründen der Vergleichbarkeit der Einteilung von DW, auch wenn sich dort gelegentlich Widersprüche zwischen der gegebenen Definition und den getroffenen Zuordnungen ergeben. Während die bisher behandelten Morpheme alle der semantischen Modifikation dienten, dienen die im folgenden behandelten Morpheme dazu, im Rahmen der syntaktischen und semantischen Transposition Lemmata von einer Bezeichnungsklasse in eine andere zu überführen, wobei sich häufig auch ein Wortklassenwechsel ergibt.

1. Abstrakta mit einem Verb als Basis a) B Verb(+SV)-0 (mask.) 1 § 370

Abbruch, Ablaß, Ablauf, Abschluß 5, Anfall, Anfang 68, Angriff 16, Anlauf, Anruf, Anschluß, Aufsatz (Abhandlung) 2, Aufschwung 2, Aufstand, Aufstieg, Aufstoß, Ausbruch, Ausgang (Freizeit) 2, Bedarf 2, Befehl (S) 5, Beschiß, Beschuß 2, Besitz 7, Besuch 9, Biß, Blick (S) 4, Brand 12, Bund 3, Dank (S) 12, Druck (Zwang), Einblick, Einbruch, Einkauf, Einmarsch 12, Einsatz, Einzug, Empfang 7, Entschluß, Erwerb, Fall (S) 59, Fortschritt 2, Fund 5, Galopp, Gang 11, Gruß 3, Halt 4, Handel (S) 7, Heimgang, Hieb 4, Hinblick, Jubel (S), Kampf 12, Kauf 7, Lärm (S) 2, Lauf (S) 10, Marsch, Mord (S), Plan (S) 8, Raub, Reinfall, Respekt 3, Ruck (S), Schlaf 3, Schlag (S) 32, Schliff (Militär) 2, Schluß 58, Schnitt 10, Schrei (S) 4, Schritt 7, Schuß 16, Schwindel (S) 2, Schwung 5, Sieg (S), Spaziergang 6, Spott 2, Sprung 2, Spurt 2, Stamm (S) 152, Stand 6, Stich 4, Stillstand 3, Stoß (S) 3, Streit 6, Sturz, Tadel (S) 2, Tanz (S) 17, Tausch (S) 4, Trab, Transport 9, Treff, Tritt 2, Überblick, Übergriff, Umgang 2, Umriß, Umsturz 13, Umtrieb 5, Umzug 7, Untergang, Unterricht 4, Verdacht, Vergleich 2, Verkauf 3, Verlauf, Versand 2, Versuch 4, Vorgang 3, Vormarsch 3, Vorsitz 8, Vortrag 9, Wechsel 2, Weggang, Weitertransport, Widerstand 2, Wille 11, Wunsch 6, Wurf 2, Zusammenbruch 4, Zusammenhang 2, Zweifel 3

Aufnahmebedingt finden sich unter obiger Aufstellung viele Lemmata aus dem Umkreis von Militär und Krieg, darunter einige, die recht häufig verwendet werden (z.B. Angriff, Einmarsch, Kampf, Schuß, Umsturz). Die Lemmata Ablauf, Anschluß, Besuch, Bund und Einsatz sind im HGS undifferenziert angeführt, sie mußten jedoch nach der Funktion auf jeweils zwei Gruppen aufgeteilt werden, wie dies DW schon für Besuch zeigt (2, S.96f.). Zur Verteilung von präfigierten und nicht-präfigierten Verben als Basis §281. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede zum Ergebnis in DW (2, S.231), weil hier be- das häufigste Präfix ist, zu dem es nach DW nur wenige Lemmata geben soll. Daß Präfixverben häufiger als Basis dienen sollen als nicht-präfigierte Verben, bestätigt sich hier nur knapp, denn präfigierte und nicht-präfigierte Verben als Basis sind fast gleich häufig. b) B Verb-ung 1 §371

Ablieferung, Abmeldung, Abnutzung, Abstellung, Abwechslung 3, Achtung 3, Änderung 3, Ahnung 4, Anerkennung, Anlaschung, Anleitung 2, Anmeldung, Anregung, Anstellung 2, Anweisung 2, Aufbereitung, Auffassung 5, Aufrechterhaltung, Auseinandersetzung, Auslösung, Ausnutzung, Ausstellung 9, Bedeutung 6, Beendigung, Beerdigung 7, Beförderung, Beförsterung, Befreiung, Begünstigung 2, Behandlung, Bekanntmachung 3, Beleidigung, Beobachtung 2, Beratung, Berührung 3, Beschießung, Besetzung, Besichtigung 3, Besprechung, Betreuung, Düngung 2, Eingemeindung 2, Einladung 4, Entlassung 3, Entwicklung 5, Erholung 4, Erinnerung 10, Ermäßigung, Erwägung, Fertigung, Feststellung, Fixierung, Führung 2, Führung (das Führen), Fütterung 2, Genehmigung 3, Gliederung, Grabung, Herführung (Herstellung) 2, Herstellung, Hoffnung 4, Industrialisierung, Kündigung, Landung, Meinung 2, Mitteilung, Mobilmachung, Musterung 13, Normung, Ordnung 25, Prämiierung, Prüfung 28, Quetschung, Rationalisierung, Rationierung, Rettung 2, Schulung, Schwankung, Sicherung (Militär), Sortierung 2, Stellvertretung,

245

Störung, Tagung 4, Übernachtung 4, Überwachung, Überwindung 3, Übung 13, Umleitung, Ummeldung, Umschwung, Umsiedlung, Umstellung 5, Unterbrechung, Unterhaltung 9, Untermauerung 2, Untersuchung, Verantwortung 3, Verarbeitung, Verbrennung, Vereinigung, Verfügung 8, Vergärung, Vergünstigung, Verhandlung 5, Verheiratung 3, Vermessung, Versiegelung, Verteidigung 2, Verzuckerung 2, Vorbereitung 5, Vorführung 3, Vorstellung (Theater), Wanderung 20, Wartung, Weckung, Wiedergutmachung, Wirkung, Zulassung

Bei Beförsterung muß von einem Verb beförstern als Basis ausgegangen werden. Im Falle von Stellvertretung ist von einer Wortgruppe auszugehen, wie dies DW (2, S.212) für Namensgebung beschreibt. Führung wurde im HGS zwar in zwei Lemmata getrennt, jedoch wurden irrtümlich auch den -ung 5 zuzurechnenden Belegen weitere zwei Belege hinzugerechnet, die nach dem Kontext hier einzuordnen waren. Ganz überwiegend werden für die Abltgg. dieser Gruppe präfigierte Verben als Basis verwendet (-»• §273), wobei die weitaus häufigsten Präfixe be- und ver- sind, was dem Ergebnis in DW (2, S.212) entspricht. Als Basis werden fast 6mal häufiger schwache als starke Verben verwendet (-+ §274). Es bestätigt sich das Ergebnis aus DW 2, S.214: „Insgesamt ist die -ung 7-Bildung also vor allem bei Verben eingeschränkt, die einen andauernden Zustand, einen zeitlich nicht begrenzten Ablauf, einen wiederholten Vorgang oder eine mehrfache Tätigkeit bezeichnen, also das Merkmal der Unabgeschlossenheit enthalten." c) BVerb-(er)ei 1 §372

Ackerei, Bieterei, Böllerei, Drescherei 2, Eindünsterei, Flößerei 3, Hackerei, Herumschwätzerei, Hetzerei, Hexerei, Holzhauerei 2, Jägerei 2, Kälberei, Kocherei, Köhlerei 2, Kühlerei, Laderei, Lauferei, Macherei 2, Mosterei, Putzerei, Rauferei, Säckleinstreckerei, Schafferei, Schichtenschafferei, Schikaniererei, Schinderei 3, Schlägerei 3, Spritzerei, Stäuberei, Streiterei, Studiererei, Teererei, Trielerei, Trinkerei, Zimmerei

Parallelformen auf -(er)ei und -ung, wie sie DW (2, S.218) anführt, kommen hier nicht vor, jedoch sind zu einigen Lemmata auch substantivierte Inff. belegt. Bei Köhlerei wurde nach dem Kontext entschieden, das Lemma hier einzuordnen. DW führt das Lemma ebenfalls an, jedoch in der Gruppe 4 (2, S.461), dort mit substantivischem Bezug auf Köhler, da ein Verb köhlern nicht angesetzt werden soll. Jedoch ist hier eben dieses Verb belegt, und da überdies der Kontext besagt, daß es sich bei Köhlerei nicht um BetriebIGeschäft, in dem ein Köhlerarbeitet (so die Analyse in DW 2, S.461) handelt, sondern um eine Vorgangsbezeichnung, die durch einen substantivierten Inf. ersetzbar wäre, wurde das Lemma hier zu dieser Gruppe genommen. Hexerei wird von DW in der desubstantivischen Gruppe 2 geführt (2, S.303), jedoch wird für die vorl. Untersuchung von deverbalem Bezug ausgegangen und das Lemma hier eingeordnet. Bei Kälberei handelt es sich um den Ersatz eines substantivierten Inf. („beim Kalben"). Mosterei wird im HGS fälschlicherweise als nur ein Lemma geführt, jedoch entfallen von den zwei Belegen je einer auf ein Locativum und auf eine Vorgangsbezeichnung, so daß das Lemma an beiden Stellen genannt wird. Zur Morphologie -*• §§236 und 238. Die morphologischen Ergebnisse bestätigen den Befund von DW(2,S.220). Von den in DW (2, S.219) genannten sechs Typen von BVerb-Gruppen, in die sich die den Abltgg. zugrunde liegenden Basisverben einteilen lassen, finden sich hier nur drei Gruppen realisiert, wobei der Typ f) („Bezeichnung für als lästig beurteilte, alltägliche Tätigkeiten und Vorgänge") überwiegt. Jedoch muß dabei die Einschränkung gemacht 246

werden, daß nicht alle der unter f) zu subsumierenden Verben das Merkmal .lästig beurteilt' haben und daß einige der Tätigkeiten nicht unbedingt alltäglich sind (so besonders im Falle von säckleinstrecken, denn dieses Verb gehört in den Umkreis speziellen Brauchtums, das gerade nicht alltäglich ist, sondern nur bei bestimmten Gelegenheiten ausgeführt wird). Daß der Typ f), der im weitesten Sinne also Bezeichnungen für (alltägliche) Tätigkeiten enthält, so überwiegt, ist in einem Korpus gesprochener Alltagsspr. nicht überraschend. Mit 3 Lemmata ist der Typ d) vertreten: „Verben der Auseinandersetzung" (Rauferei, Schlägerei, Streiterei), mit 2 Lemmata der Typ b): „Verben eines negativ beurteilten Verhaltens oder einer Meinungsäußerung" (Herumschwätzerei, Schikaniererei). d) B Verb(+SV)-(s)t/d(e) (fem.) 1+ § 373

Abfahrt 2, Abfahrt (Ski) 2, Abschrift, Absicht, Ansicht 8, Auffahrt 5, Aufsicht 6, Aufzucht, Blüte, Fahrt 14, Flucht 3, Freude 41, Glut 4, Heimfahrt, Hochzucht, Jagd 7, Mahd 23, Predigt (S) 5, Rundfahrt, Saat 5, Schlacht 9, Schrift 5, Sicht 2, Tat 3, Tracht (Traglast), Überfahrt, Überschrift, Unterkunft 2, Voraussicht, Vorschrift 11, Vorsicht, Wallfahrt 11, Zusammenkunft

Einige Lemmata weisen eine besonders große Gebrauchshäufigkeit auf, so etwa Dienst, Freude, Mahd. Auf die Tatsache, daß sich die meisten Lemmata nach Abzug des Präfixes auf nur wenige Basis-Lemmata zurückführen lassen, wurde in §295 hingewiesen. Schlacht findet sich in DW (2, S.96) unter dem Muster BVerb-0 (fem.), wo es als „gegenüber der Basis isoliert und daher in dieser Übersicht nicht berücksichtigt" erscheint. Zweifellos ist das Lemma dort aber falsch eingeordnet, denn es handelt sich um eine Abltg. zu schlagen, nicht zu schlachten. Hier wurde daher mit FLEISCHER (S. 188) gegen DW entschieden und das Lemma dieser Gruppe zugeordnet. e) B Verb(+SV)-e (fem.) 1 § 374

Analyse (S), Anfrage 2, Anrede, Aussprache, Bürste (Frisur) (S), Ernte (S) 75, Folge (S) 2, Frage (S) 18, Gefangennahme, Henke (Fest) (S) 2, Hetze (S) 2, Klage (S), Kontrolle (S) 6, Nachfrage 2, Pflege (S) 2, Plage (S) 5, Probe (S) 18, Rede (S) 7, Reise (S) 4, Reue (S), Ruhe (S) 34, Schelte (S), Schmelze (Schneeschmelze) (S), Sorge (S) 8, Strafe (S) 13, Taufe (S) 5, Vorsorge, Wende (S) 2

Henke ist eine verkürzte Form zu Sichelhenke. Gefangennahme ist passivisch umzuformen und fällt insofern aus dem Rahmen der übrigen hier angeführten Lemmata, jedoch wurde das Lemma zur Vermeidung von Restgruppen hier zugeordnet. Daß das größere Gewicht der Abltgg. dieser Gruppe auf den präfigierten Verben liege, wie dies DW feststellt (2, S.234), ist hier nicht zutreffend, es finden sich hier mehr nicht-präfigierte Basen. Zur Morphologie insgesamt §§213-218. f ) Ge-B Verb(+SV)-0/-e 1 §375

Gebet 4, Gebrauch 6, Gehudel, Gejage 2, Gepolter, Gesang 3, Gescheite 4, Geschmack 2, Geschmack (Speise) 3, Geschwätz 3, Gespräch, Gestöber

Der trafoWert von DW zu dieser Gruppe (2, S.50) enthält nur „etw." („die Tatsache, daß etw. ..."), während dann bei der Beschreibung der Gruppe auch „jmd." berücksichtigt wird (2, S. 221-224), was hier überwiegt. Im Material von DW fanden sich über247

dies viele Doppelformen für die Gruppe Ge-1 sowie für -(er)ei 1 zu ein und demselben Verb (DW 2, S.221), hier ist jedoch keine Parallelform belegt. g) B Verb(+SV)-0 (fem.) 6+ §376

Arbeit (S) 230, Feier (S) 3, Fortdauer, Flut, Geduld, Heimkehr, Heirat (S), Prügel (Hiebe) (S) 2, Rast (S), Schau (S), Schuld (S) 5, Wahl 10, Wut 4

Diese Gruppe entspricht genau der in DW (2, S.232f.) geführten Gruppe BV-0 (fem.) 1 und erhielt hier lediglich aus den §279 genannten Gründen eine andere Indexziffer. h) B Verb-er 5 §377

Abpraller, Jammer (S) 5, Jammer (Heimweh) (S), Pfuzger (Knall), Raunzer (Aufstoßen), Schlenker, Schucker (Stoß), Treffer 2

Nach DW 2, S.228 liegt der Schwerpunkt dieser Bildungsweise bei Verben, die eine akustische Äußerung oder eine Körperbewegung bezeichnen, was sich hier bestätigt. Für Pfuzger und Raunzer ist von den nur mdal. Verben pfuzgen und raunzen auszugehen. i) B Verb-(at)ion 1 §378

Kapitulation 2, Konfirmation (S) 3, Meditation, Organisation 8, Reformation 3, Reklamation, Säkularisation 3

Abltgg. zu diesem Muster sind hier vergleichsweise selten, da sie wohl gehobeneren Sprachschichten angehören dürften. DW macht (2, S.216) darauf aufmerksam, daß sich Abltgg. dieses Musters insgesamt eher in der Sprache derer finden dürften, die Fremdsprachen beherrschen, da die Richtigkeit der Bildungsweise weitgehend durch frz. und lat. Vorbilder vorgezeichnet ist. Konkurrierende Formen zwischen -(at)ion und -ung, wie sie DW (2, S. 216) anführt, finden sich hier nicht. j) Die übrigen Gruppen §379

-0 (neutr.) 9+: Bad (S) 8, Interview (S), Leid (S) 5, Lob (S), Opfer (S) 2, Spiel (S) 30 -nis (neutr.) (fem.) 1: Bedürfnis 2, Begräbnis, Kenntnis 4, Verständnis 5 -(er)les 2+: Fangeries 2, Handverrateries, Tännleinfangerles -(at)url+: Glasur 2, Reparatur 8 -ete 1+: Rechete (Zusammenrechen), Verschimpfete -tum 4+: Wachstum 2 -age 1+: Massage

-nis ist das einzige Suffix, das bei gleicher Funktion ein wechselndes Genus aufweist. Nach DW 2, S.224f., sind die meisten Lemmata dieser Gruppe Neutra, was sich hier bestätigt. Nur bei diesem Muster ist unter den hier genannten Gruppen auch von fakultativer Stammveränderung auszugehen. Bildungen auf -(er)les und -ete sind der gesprochenen oberdt. Sprache eigen. Dies zeigt sich u.a. auch am Präfix ver- in Verschimpfete, das in dieser Form und Verwendung nur in oberdt. Mdaa. vorkommt. Die Lemmata auf -(er)les sind alle Kinderspielbezeichnungen. 248

Zu den meisten Gruppen sind hier nur wenige Lemmata vorhanden, jedoch deckt sich dieser Befund mit demjenigen von DW 2, wo für die dort belegten Gruppen zumeist weniger als 10 Lemmata genannt sind. k) §380

Zusammenfassung

Lemmata und Belege weisen folgende Verteilung auf: Gruppe

Lemmata (S) abs. %

abs.

-0 (mask.) 1 -ung 1 -(er) ei 1 -(s)t/d(e)(fem.) 1+ -e (iem.) 1 - 0 (fem.) 6+ Ge-1 -er 5 -(at) ion 1 - 0 (neutr.) 9+ -nis (neutr.) (fem.) 1 -(er)les 2+ -(at)ur 1+ -ete 1+ -tum 4 -age 1+

119(20) 118 36 33 (1) 28 (22) 13 ( 7 ) 12 8 (2) 7 (1) 6 (6) 4 3 2 2 1 1

30,28 30,03 9,16 8,40 7,12 3,31 3,05 2,04 1,78 1,53 1,02 0,76 0,51 0,51 0,25 0,25

805 (327) 333 47 181 (5) 217(209) 261(243) 31 13 (6) 21 (3) 47 (47) 12 4 10 2 2 1

Gesamt

393 (59)

100,00

Belege (S)

1987(840)

% 40,51 16,76 2,37 9,11 10,92 13,14 1,56 0,65 1,06 2,37 0,60 0,20 0,50 0,10 0,10 0,05 100,00

Am weitaus häufigsten werden Abstrakta auf -0 (mask.) und -ung gebildet, die beiden Gruppen sind gleich häufig vertreten. Danach ergibt sich ein deutlicher Abstand, die dritthäufigste und die vierthäufigste Gruppe sind bei den Lemmata annähernd gleich stark vertreten, zu ihnen gesellt sich noch als 5.Gruppe -e (fem.) 1, bevor sich zu den folgenden Gruppen wiederum ein deutlicher Abstand ergibt und die einzelnen Gruppen kontinuierlich seltener werden. Die Gruppe -0 (mask.) 1 weist überdies die größte Beleghäufigkeit auf, und zwar ist sie im Vergleich zur nach Lemmata gleich großen Gruppe -ung 1 bei den Belegen mehr als doppelt so häufig. §381

In DW 2 zeigt sich teilweise ein deutlich anderes Ergebnis. Zwar sind auch dort -ung 1 und -0 (mask.) 1 am häufigsten (in DW sogar deutlich -ung 1 mit 2086 Lemmata vor -0 (mask.) 1 mit 471 Lemmata), jedoch ergibt sich dann eine andere Reihenfolge, die einmal schematisch gezeigt werden soll. Es finden sich in der folgenden Gegenüberstellung die Gruppen in der Reihenfolge, die sich hier nach der Lemma-Häufigkeit ergibt, kontrastiert mit der Rangziffer, die sie in DW erhalten würden (unter Auslassung derjenigen Gruppen, die hier gar nicht vorkommen). Zusammenfassend ergibt sich dabei, daß nur die Ränge 1-3 in beiden Untersuchungen übereinstimmen, wobei sich hier im Korpus eine Vertauschung gegenüber DW durch die Differenz von nur einem Lemma ergibt. Bemerkenswert an der folgenden Tabelle ist, daß die Gruppe -(s)t/d(e) (fem.) 1+, die in DW eine ziemlich untergeordnete Rolle spielt, hier schon an 4.Stelle liegt, während z.B. -(at)ion 1+, das dort immerhin Rang 5 einnimmt, hier erst an 9.Stelle erscheint. Bei letzterem Muster könnte das daran liegen, daß sich hier Unterschiede zwischen geschriebener und gesprochener Sprache zeigen, wie dies in 249

Rangfolge WGS DW

Gruppe -0 (mask.) 1+ -ung 1 -(er) ei 1 -(s)t/d(e) (fem.) 1+ -e (fem.) 1 Ge-1 -0 (fem.) 6+ -er 5 -(at)ion 1 -0 (neutr.) 9+ -nis (neutr.)(fem.) 1 -(at)ur 1+ -age 1+ -tum 4

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Ii 13 15

2 1 3 10 6 4 8 7 5 11 9 13 12 14

§378 angedeutet wurde. Daß die Gruppe -(s)t/d(e) (fem.) 1+ im Gegensatz zum schriftsprl. Material von DW hier so häufig ist, könnte u. U. daran liegen, daß sich nur wenige Lemmata zu diesem Muster bilden lassen, daß aber durch Präfigierung aus den wenigen Basis-Lemmata recht viele weitere Lemmata zu gewinnen sind; darauf wurde schon in §295 hingewiesen (zur Überprüfung auch §373). §382

Parallelformen, also zu einem Verb gebildete Abltgg. verschiedener Muster, kommen hier nicht vor, lediglich Formen des substantivierten Inf. sind zu einigen Lemmata belegt. Möglicherweise handelt es sich dabei um einen stilistischen Unterschied zwischen geschriebener und gesprochener Sprache. Während nämlich in der von DW untersuchten geschriebenen Sprache (dort aufgrund der Materialzusammenstellung wohl zumeist Literaturspr.) ein Bestreben wirksam sein könnte, in einem Text eine gewisse Variationsbreite der Wortwahl zu haben, so daß etwa aus stilistischen Gründen das Gelaufe neben Lauferei steht, ist diese Tendenz in der gesprochenen Alltagsspr., wie sie hier repräsentiert wird, nicht unbedingt wirksam, denn wohl nur in seltenen Fällen wird in der Alltagsspr. der Sprecher bewußt die Wortwahl so steuern, daß z.B. statt zweimaligem Gebrauch von Lauferei einmal stattdessen das Gelaufe erscheint.

§383

Es überwiegen deutlich die nicht-präfigierten Basen: Lemmata Basis

abs.

%

präfigiert nicht-präfigiert

150 184

44,91 55,09

Gesamt

334

100,00

Die an den Bildungen beteiligten Präfixe in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit: be- 26, ver- 21, an- 16, ab- 14, auf- 13, vor- 11, um- 10, ein- 9, über- 7, unter- 6, aus- 5, er- 5, ent- 3, nach- 1, wider- 1, wieder- 1, zu- 1. Zu den möglichen Präfix-Kombinationen mit den einzelnen Gruppen (jedoch ohne quantitative Angaben) vgl. DW 2, S.247f. §384

Starke und schwache Verben als Basis verteilen sich wie folgt: 250

Lemmata verbale Basis

abs.

%

stark schwach

129 205

38,62 61,38

Gesamt

334

100,00

Die Relation zwischen starken und schwachen Verben entspricht fast genau der in § 313 ermittelten. Für die einzelnen Gruppen ergibt sich folgende Verteilung: Gruppe -0 (mask.) 1 -ung 1 -(er)ei 1 -(s)t/d(e) (fem.) 1+ -e (fem.) 1 Ge-1 -0 (fem.) 6+ -er 5 -(at) ion 1+ -nis (neutr.) (fem.) 1+ -(er)les 2+ -(at) ur 1+ -ete 1+ -tum 4 -age 1+ Gesamt

verbale Basis schwach stark 67 18 8 24 1 2 -

1 -

4 3 -

1 -

129

32 100 28 8 5 10 6 5 6 -

2 2

_ 1

205

In den Gruppen -0 (mask.) 1 und -(s)t/d(e) (fem.) 1+ überwiegen deutlich die starken Verben, bei -ung 1, Ge-1 und -0 (fem.) 6+ ist es gerade umgekehrt.

2. Abstrakta mit einem Adjektiv als Basis a) BAdj.-heit 1 § 385

Abwesenheit, Ähnlichkeit 3, Arbeitslosigkeit 2, Aufmerksamkeit, Dummheit 4, Ewigkeit, Fähigkeit 3, Feinheit 2, Feuchtigkeit 2, Frechheit 2, Freiheit 4, Fruchtbarkeit, Gemütlichkeit, Geschwindigkeit 2, Geselligkeit 3, Gesundheit 4, Krankheit 16, Krisensicherheit, Männlichkeit, Möglichkeit 8, Opferwilligkeit, Schnelligkeit, Schönheit, Schwierigkeit 8, Seltenheit 6, Sicherheit 2, Tätigkeit 7, Tapferkeit, Wichtigkeit, Zufriedenheit 6

Die Restriktionen, die für die Bildung von Abstrakta zu dieser Gruppe gelten, sind in DW erschöpfend abgehandelt (2, S.264-266). b) BAdj. (+SV)-e (fem.) 3 § 386

Breite, Ferne 2, Frische, Frühe 7, Größe 6, Gfite 2, Härte, Helle 2, Höhe 44, Kälte 11, Kühle, Länge 22, Nähe 37, Reife 3, Stärke 3, Stille 2, Tiefe, Wärme 4

Das Lemma Stärke ist im HGS 7mal belegt, wovon 3 Belege hier einzuordnen waren, die restlichen Belege entfallen auf Gruppe 5, so daß eine Doppelzählung dieses Lemmas eintritt. 251

Einige Lemmata weisen eine große Gebrauchshäufigkeit auf, die hier indes nicht einfach als aufnahmebedingt anzusehen ist. Die betr. Lemmata (vor allem Höhe, Nähe, Länge, Kälte) bezeichnen elementare Eigenschaften (besonders der räumlichen Ausdehnung), die offenbar aufgrund ihrer großen praktischen Bedeutung entsprechend häufig erscheinen. Abltgg. zu Adjj., die sich auf charakterliche Eigenschaften beziehen, wie sie DW 2, S.268 anführt, fehlen hier ganz. Es finden sich auch keine konkurrierenden Formen zwischen -heit 1 und -e (fem.) 3, wie sie DW 2, S.268 anführt, z.B. Grelle : Grellheit. Es kommen im Korpus nur Abltgg. zu Simplizia vor. Das Ergebnis von DW (2, S.268) wird damit bestätigt, wonach zu abgeleiteten Adjj. keine Abstrakta dieser Gruppe gebildet werden können. Ist die Basis umlautfähig, tritt stets Umlaut der Abltg. gegenüber der Basis ein. c) BAdj.-ik(fem.) §387

1

Leichtathletik (S) 3, Mathematik (S) 2, Politik (S) 4, Technik (S)

DW 2 nennt Mathematik im Anschluß an die Lemmata der Gruppe 2 (S.327), und zwar unter den Lemmata dieses Musters, „die eine Wissenschaftsrichtung, Lehrdisziplin oder einen Forschungsbereich bezeichnen." Nach der Nennung einiger Lemmata wird weiter ausgeführt: „Die Bildungen sind gewöhnlich aus griech. (oder lat.) Stammwörtern hergeleitet und zum größten Teil schon im Frz. vorgeprägt." (DW 2, S.327.) Entscheidend ist hier der Hinweis auf die Stammwörter, dementsprechend wird das Lemma hier auch als Stammabltg. angesehen. Daß es jedoch — anders als in DW — hier erscheint, hegt daran, daß es als grammatisches Abstraktum fungiert und folglich nicht unter den Subjektbezeichnungen, unter denen es in DW genannt wird, einzuordnen war. Parallelformen, wie sie DW (2, S.281) anführt (Realismus : Realistik), fehlen hier im Korpus, wo diese Gruppe ohnedies recht schwach vertreten ist. Dies dürfte daran liegen, daß Lemmata zu diesem Muster überhaupt eher der Hspr. nahestehender Sprache angehören als der Alltagsspr., was auch in DW festgestellt wird. Leichtathletik wird hier als Abltg. zum Stamm leichtathlet- betrachtet, zu dem auch noch das Subst. Leichtathlet belegt ist (-• §§ 102 und 408). Alle Lemmata gehören zur Gruppe l(b), zu der in DW (2, S.282) ausgeführt wird: „Die übrigen Abstrakta auf -ik entsprechen im allgemeinen Sprachgebrauch Syntagmen der Form Adj.-Attr. (= BA)+gramm. Abstraktum bzw. dem entsprechenden Prädikatskomplex aus Adv. (= BA) und ergänzbarem Verb (= Basis des Abstraktums): (1) .wenn wir Gymnastik machen Trude, dann sind wir lächerlich ' [...] (2) wenn wir gymnastische Bewegungen machen ...; (3) wenn wir uns gymnastisch bewegen ..." d) BAdj.-schaft 4 § 3 88

Bekanntschaft 2, Eigenschaft 2

DW nennt für diese Gruppe insgesamt 5 Lemmata, die alle als Einzelformen gelten müssen. Die beiden hier belegten Lemmata finden sich auch in DW (2, S.272). FLEISCHER nimmt (S. 162) für Bekanntschaft ein Part.II als Basis an. Da jedoch die Grenze zwischen Adj. und Part. II oft genug nur schwer zu bestimmen ist und DW das Lemma als deadjektivisch auffaßt, folgt die vorl. Untersuchung DW. 252

e) BAdj.-ität 1 § 389

Aktivität, Elektrizität (S) 2

Konkurrierende Bildungen, wie sie DW (2, S.273f.) anfuhrt (z.B. Intellektualismus : Intellektualität; Periodik : Periodizität), kommen hier nicht vor. Überhaupt ist das Muster insgesamt recht selten, und dies dürfte daran liegen, daß Abltgg. dieses Musters zumeist gehobeneren Sprachschichten angehören und entsprechend selten in der Alltagsspr. des UG erscheinen. In DW wird (2, S.276) festgestellt, daß sich Bildungen zu diesem Muster in der Wissenschaftsspr. als „konstitutives Element" erweisen. f ) BAdj.-nis 5 §390

Geheimnis

DW bemerkt (2, S.270), daß die Abltgg. dieser Gruppe immer fem. seien. Demnach würde das Lemma nicht hierher gehören, jedoch erscheint das Lemma als „nur bei Adelung" in der Tabelle zu dieser Gruppe (DW 2, S. 271). Da es in DW keine andere deadjektivische Gruppe dieses Musters gibt, das Lemma andererseits nicht als idiomatisiert gelten kann, bleibt es in dieser Gruppe, wobei der Hinweis, daß die Lemmata „immer fem." seien, zu streichen ist. g) Zusammenfassung §391

Die Verteilung von Lemmata und Belegen: Gruppe

Lemmata (S) abs. %

Belege (S) abs

%

-heit 1 -e (fem.) 3 -ik (fem.) 1 -schaft 4 -ität 1+ -nis 5

30 18 4(4) 2 2(1) 1

52,63 31,58 7,02 3,51 3,51 1,75

96 150 10(10) 4 3 (2) 1

36,36 56,82 3,79 1,52 1,14 0,38

Gesamt

57(5)

100,00

264 (12)

100,00

Das weitaus häufigste Muster zur Abltg. von deadjektivischen Abstrakta ist -heit, wobei die Gruppe dieses Musters entschieden häufiger ist als die zweithäufigste Gruppe. Die anderen an der Bildung von deadjektivischen Abstrakta beteiligten Gruppen sind sehr selten und müssen hier eher als Ausnahme gelten. Bei diesen Gruppen — bei denen es sich zumeist ja um der Alltagsspr. recht fernstehende Bildungsweisen handelt — ist auch die Gebrauchshäufigkeit nicht sehr groß, während die nach Lemmata zweithäufigste Gruppe -e (fem.) 3 die größte Gebrauchshäufigkeit aufweist. Dies dürfte daran liegen, daß in dieser Gruppe Lemmata zu finden sind, die sehr elementare Eigenschaften benennen (-»• dazu §386), so daß dieses Ergebnis erwartbar ist. Im schriftsprl. Material von DW ergeben sich jedoch andere Resultate, eine Übereinstimmung zeigt sich nur darin, daß auch dort -heit 1 am weitaus häufigsten bei den Lemmata ist und daß auch in DW auf die häufigste Gruppe die anderen Gruppen erst mit sehr deutlichem Abstand in der Lemma-Häufigkeit folgen. Die Reihenfolge der anderen Gruppen 253

weicht jedoch erheblich von deijenigen hier ab, was wiederum erwartbar ist, da sich dabei Korpusunterschiede bemerkbar machen derart, daß hier nicht vertretene Sprachformen (z.B. die Wissenschaftsspr. usw.) sich im Ergebnis von DW deutlich niederschlagen, verschiedentlich wurde schon daraufhingewiesen. Konkurrierende Bildungen, wie sie DW öfters nachweist und in einer Zusammenfassung (2, S.293) darstellt, finden sich hier nicht, obwohl DW gerade für die beiden hier häufigsten Gruppen -heit 1 und -e (fem.) 3 die weitaus meisten Konkurrenzformen belegt hat. Möglicherweise geht dies wiederum auf stilistische Unterschiede zwischen den untersuchten Sprachformen zurück. §392

Simplizia, Kompp. und Abltgg. als Basis der Lemmata weisen folgende Häufigkeiten Lemmata Basis

abs.

%

Simplex Ableitung Kompositum

40 9 3

76,92 17,31 5,77

Gesamt

52

100,00

Simplizia überwiegen sehr stark, und dieses Ergebnis ist in erster Linie dadurch bestimmt, daß bei der zweithäufigsten Gruppe -e (fem.) 3 überhaupt nur Simplizia als Basis vorkommen. Kompp. finden sich nur bei -heit 1 und -ik (fem.) 1, Abltgg. kommen nur bei -heit 1 vor.

3. Abstrakta mit einem Verb in der Funktion eines Part.II als Basis a) B Verb(part.)-ung 2 §393

Abstufung, Aufregung 3, Ausbildung 9, Befriedigung, Begeisterung 2, Beruhigung 2, Beschäftigung 9, Bewegung 3, Erfahrung 5, Erfüllung, Erleichterung 11, Genesung 3, Hemmung, Lähmung, Maserung, Mattierung, Motorisierung 2, Neigung, Verkümmerung, Verpflichtung, Versöhnung, Verspätung, Verwundung 8

Konkurrierende Bildungen mit -heit (Anstrengung : Angestrengtheit), wie sie DW (2, S. 254) anführt, fehlen hier. S.253 gibt DW die Präfixe an, die bei den zugrunde liegenden Verben am häufigsten sind, dort in der Reihenfolge der Häufigkeit: be-, ver-, ab-, ent-, er- und aus-. Hier sind be- und ver- gleich häufig (bei jeweils 5 Lemmata), er- findet sich mit 3 Lemmata an der nächsten Stelle, es folgen mit jeweils 1 Lemma ab-, auf- und aus-. Es zeigt sich hier eine kleine Verschiebung gegenüber dem Befund in DW. b) B Verbfpart.)-nis 3 §394

Erlaubnis 2

Diese Gruppe ist auch in DW mit nur 10 Lemmata nicht besonders umfangreich, wozu festgestellt wird (2, S.252), daß diesem Gebrauchsmuster im heutigen Sprachgebrauch enge Grenzen gesetzt sind. 254

c) Zusammenfassung §395

Verbalabstrakta mit einem Verb in der Funktion eines Part.II als Basis sind hier recht selten. DW nennt über die beiden auch hier vertretenen Gruppen hinaus nur noch Bildungen des Musters -(at)ion, die dort sogar häufiger sind als diejenigen auf -nis. Jedoch ist auch in DW -ung 2 bei weitem am häufigsten vertreten (130 Lemmata gegenüber 18 bei -(at)ion und 10 bei -nis 3). Über die Bildungsweise der hier zusammengefaßten Lemmata führt DW aus (2, S. 255): „Bei der Bildung von Zustandsabstrakta auf -ung, -(at)ion, -nis entsteht in der Regel zunächst ein Vorgangsabstraktum zu dem BV, das dann in einem zweiten Schritt in ein Zustandsabstraktum überfuhrt wird." DW nennt dann die weiteren morphologischen Gegebenheiten (2, S.255f.).

4. Abstrakta mit einem Substantiv als Basis a) BSubst.-schaft 2 § 3 96

Feindschaft, Freundschaft, Herrschaft 20, Kameradschaft 7, Meisterschaft S, Nachbarschaft 18

Konkurrierende Bildungen mit -tum, wie sie DW 2, S.301 anführt (z.B. Komplizenschaft : Komplizentum), finden sich hier nicht. Nachbarschaft findet sich in DW an zwei Stellen abgehandelt, wobei sich der Unterschied abstrakt : konkret in dieser Einteilung niederschlägt. Hier wurde das Lemma entsprechend nach Kontext eingeordnet und findet sich darum bei den Abstrakta. Es bestätigt sich, daß -schaft 2 in der Regel nur mit Personenbezeichnungen kombiniert wird (DW 2, S.301); alle den Abltgg. zugrunde liegenden Substt. sind Simplizia. b) BSubst.-(er)les 1+ § 3 97

Indianerles, Räuberles, Schnelleries 2, Soldäterles

Ausschließlich zur Bezeichnung von Kinderspielen wird dieses Muster im UG genutzt. Die Bildung erfolgt dabei stets aus Subst.+ferJ/es. Bei Schnelleres ist als BSubst. das ebenfalls im Korpus belegte Schneller .Spielkugel' anzusetzen. c) BSubst.-(er)ei 2/7 § 398

Liebhaberei 2, Lumperei, Narretei, Sauerei 19, Schriftstellerei, Schweinerei

Zur Zusammenfassung der beiden Gruppen -*• §234. Bei Sauerei wäre im UG auch ein Bezug auf das mdal. Verb sauen .laufen' (im HGS lmal belegt) denkbar, konnte jedoch aufgrund des Kontextes ausgeschlossen werden. Das von DW in der Gruppe 2 genannte Lemma Hexerei wird hier als deverbal aufgefaßt und entsprechend Gruppe 1 zugeordnet. 255

d) BSubst.-et 1+ §399

Heuet 103, Omadet

Die extreme Häufigkeit des einen Lemmas ist korpusbedingt. Zu dieser Gruppe bzw. zu diesem Muster überhaupt -*• §304. Bei Omadet handelt es sich um eine Nebenform zu Emd (22mal im HGS belegt), das hier in Frage stehende Lemma ist eine Abltg. zu Om(e)d, vgl. dazu SWb.2,700. e) BSubst.-heit 6 §400

Kindheit

Für diese Gruppe führt DW (2, S.305) 6 Lemmata an, von denen nur das genannte auch hier belegt ist. Abltgg. dieser Gruppe sind demnach auf einzelne Personenbezeichnungen beschränkt. f ) Zusammenfassung §401

Lemmata und Belege verteilen sich folgendermaßen: Gruppe -schaft 2 -(er) ei 2/7 -(er)les 1+ -et 1+ -heit 6 Gesamt

Lemmata

Belege

abs.

%

abs.

%

6 6 4 2 1

31,58 31,58 21,05 10,53 5,26

52 27 5 104 1

27,51 14,29 2,65 55,03 0,53

19

100,00

189

100,00

Desubstantivische Abstrakta werden vorwiegend nach zwei Mustern gebildet, die anderen hier belegten Muster sind selten an der Bildung von Abstrakta mit substantivischer Basis beteiligt. Die drei nach Lemmata häufigsten Gruppen weisen aber eine unterschiedliche Gebrauchshäufigkeit auf. Läßt man einmal den Sonderfall -et 1+ weg, wo ein Lemma korpusbedingt eine extreme Vorkommenshäufigkeit aufweist, zeigt sich, daß zwar -schaff 2 und -(er)ei 2/7 nach Lemmata gleich häufig sind, daß sie sich in der Gebrauchshäufigkeit jedoch deutlich unterscheiden. Die nach Lemmata dritthäufigste Gruppe weist nur eine geringe Gebrauchshäufigkeit auf, und ein Muster ist nur mit einem Einzelfall vertreten. § 402

Als Basis für die Abltgg. dienen ganz überwiegend Simplizia: Basis Simplex Ableitung Kompositum Gesamt

§403

Lemmata abs. % 78,95 15 15,79 3 1 5,26 19

100,00

Es zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen geschriebener und gesprochener Sprache, und zwar insbesondere darin, daß die in DW häufigsten Morpheme zur Bildung 256

desubstantivischer Abstrakta, nämlich -ismus und -tum (DW 2, S.312), in dieser Funktion hier überhaupt nicht vorkommen. Abltgg. zu diesen Mustern dürften in der Tat eher gehobeneren Sprachschichten und Fachsprachen angehören als der hier vertretenen Alltagsspr.; dieses Ergebnis ist von daher erwartbar. Ein weiterer Unterschied zeigt sich darin, daß in DW die Gruppe -(er)ei 2 fast doppelt so häufig ist wie -schaft 2, während hier beide Gruppen nach Lemmata gleich häufig sind. Da desubstantivische Abstrakta hier vergleichsweise selten sind, kann auch nichts über mögliche Konkurrenzen gesagt werden; DW gibt dafür umfangreiche Tabellen (vgl. DW 2, S.310-313).

5. Abstrakta mit einem Zahlwort als Basis a) BZw.-heit 7+ §404

Einheit 13

Da in DW Zahlwörter als Basis für die Abltg. von Abstrakta nicht vorgesehen sind, mußte dem hier einzig dafür vorhandenen Lemma eine eigene Gruppe geschaffen werden. Bildungen zu dieser Gruppe dürften im übrigen recht selten sein, FLEISCHER führt (S.149) neben dem genannten Lemma noch weitere 2 Lemmata an (daneben noch 2 Lemmata vom Typ Vielheit, die kein Zahlwort als Basis haben).

6. Abstrakta mit einem Verb in Form und Funktion eines Part.II als Basis a) BPart. (+SV)-heit 2 § 405

Gewandtheit

Abltgg. zu dieser Gruppe sind hier nur mit den angeführten Lemma vertreten, und das dürfte daran liegen, daß — wie DW (2, S.259) feststellt - diese Gruppe „am stärksten [...] im Feuilleton und in bildungssprachlichen Abschnitten von Tages- und Wochenzeitungen, in wissenschaftlicher Fachprosa und innerhalb der Romanliteratur besonders bei Th. Mann vertreten" ist. Dementsprechend ist zu erwarten, daß Lemmata zu dieser Gruppe in der Alltagsspr. des UG selten sind.

7. Doppelt motivierte Abstrakta a) BSubst./Adj.-ismus §406

1

Dilettantismus (S)

Diese Gruppe wird von DW als doppelt motiviert angesehen (2, S.306). Im Falle eines deadjektivischen Bezugs muß ein Suffixtausch zwischen der Adj.-Endung -isch und der Subst.-Endung -ismus angesetzt werden. Hier wird indes eine Stammabltg. angenommen. 257

8. Zusammenfassung zu den Abstrakta §407

Lemmata und Belege verteilen sich folgendermaßen: Belege (S)

Basis

Lemmata (S) abs. %

abs.

Verb Adj. Verb(part.) Subst. Zw. Part. Subst./Adj.

393 (59) 57 (5) 24 19 1 1 1 (1)

79,23 11,49 4,84 3,83 0,20 0,20 0,20

1987(615) 264 (12) 71 189 13 1 1 (1)

78,66 10,45 2,81 7,48 0,51 0,04 0,04

Gesamt

496 (65)

100,00

2526(628)

100,00

%

Abstrakta werden ganz überwiegend deverbal gebildet, zwischen den deverbalen Abstrakta und den nächsthäufigen Abltg.-Basen ergibt sich ein deutlicher Abstand, und die zweithäufigste Basiswortart, Adj., ist noch häufiger als alle anderen an der Bildung von Abstrakta beteiligten Basen. Lediglich in der Gebrauchshäufigkeit weisen die desubstantivischen Abstrakta eine nahe an die deadjektivischen herankommende Größenordnung auf, jedoch sind auch in der Gebrauchshäufigkeit die deverbalen Abstrakta am weitaus häufigsten. Der Befund hier entspricht ganz demjenigen in DW, wie er sich dort in der Tabelle (2, S.210) zeigt: dort nämlich sind gleichfalls die deverbalen Abstrakta am weitaus häufigsten, es folgen deadjektivische Abstrakta, dann solche mit einem Partizip als Basis und schließlich die desubstantivischen Abstrakta.

9. Morphologische Reduktion §408

Als Ergänzung zu den deadjektivischen Abstrakta führt DW (2, S.288f.) einen als „morphologische Reduktion" bezeichneten Typ von Abltgg., bei dem die Substt. durch Kürzung einer längeren adjektivischen Basis entstehen (dort auch als Korrelation vom Typ freisinnig : Freisinn bezeichnet). In §328 wurde schon auf die Ausfuhrungen von DW zu diesem Typ eingegangen. Für die vorl. Untersuchung bleibt lediglich ein (1 mal belegtes) Lemma für diesen Typ übrig: Leichtathlet (S). Es wird als Stammabltg. zu leichtathlet- angesehen, wozu auch das Lemma Leichtathletik vorhanden ist. Alle anderen von DW angeführten Lemmata sind hier nicht zu behandeln, da sie - wie bei Vernunft : vernünftig, Tatkraft : tatkräftig — durch die Umlautbildung im Adj. gegenüber dem Subst. als abgeleitetes Adj. angesehen werden, oder weil sie - wie bei Geiz : geizig - so aufgefaßt werden, daß im Verständnis der Sprecher die längere Adj.-Bildung aus der kürzeren Subst.-Form entstanden ist. Daß dies dem historischen Prozeß widerspricht (DW weist darauf hin, daß Freisinn aus freisinnig entstanden ist), spielt für die synchronische Betrachtung keine Rolle.

258

XI. Subjektbezeichnungen § 409

Auf den einfachsten Nenner gebracht findet sich die Beschreibung der hier zusammengefaßten Abltgg. in DW, weshalb die Definition (2, S.337f.) hier zitiert sei: „Ein Verb kann regelmäßig in der adjektivierten Form des Partizips zum Attribut werden: Das Tier nagt an etw. das an etw. nagende Tier. Zu einem Wort wird die Attributgruppe dann entweder durch Zusammensetzung (Nagetier) oder durch Ableitung (Nager) vereinigt. Daß hier ein Subst. von einem umgeformten Prädikat aus näher bestimmt wird, wird noch deutlicher, wenn man die Wortbildung in Determinatum und Attributivsatz auflöst: Nager/Nagetier -* Tier, das nagt. Eine Größe wird als Subjekt der Tätigkeit determiniert." DW behandelt zunächst die deadjektivischen, dann die deverbalen und schließlich die desubstantivischen Subjektbezeichnungen. Die ersten beiden Großgruppen werden weiterhin in primäre und sekundäre Prägungen unterteilt. Die vorl. Untersuchung folgt zwar prinzipiell DW, und auch dieses Kapitel unterscheidet sich von der dort gewählten Vorgehensweise inhaltlich nicht, jedoch wurden formal einige Änderungen in der Anordnung getroffen. Es werden hier zunächst die primären Prägungen erörtert, und diese wiederum unterteilt in deverbale und deadjektivische. Es folgen sodann die sekundären Prägungen, wiederum in deverbale und deadjektivische unterteilt. Danach erscheinen die desubstantivischen Abltgg., und nach diesen einige weitere Abltgg., die quantitativ aber verhältnismäßig selten sind. Im Anschluß daran werden die auch von DW nur zu Vergleichszwecken behandelten weiteren hierher gehörenden Bildungsweisen (z.B. der Typ Optimist) erörtert. Die von DW an die desubstantivischen Abltgg. angeschlossenen Herkunfts- und Zugehörigkeitsbezeichnungen finden sich nach den Subjektbezeichnungen in zwei weiteren Kapiteln.

1. Primäre Subjektbezeichnungen mit einem Verb als Basis

a) B Verb(+SV)-er 1+ §410

Abräumet, Anbindet (Tanz) 2, Anführer, Anlieger, Aufkäufer, Aufseher 5, Ausbilder 3, Ausscheller, Bäcker 27, Bastler, Beobachter, Besitzer 4, Besteller, Besucher 3, Bewerber, Bewohner, Blobbeler (alter Traktor), Brägler (langweiliger Mensch), Dichter, Diener, Dolmetscher (S), Dreher, Drucker 2, Durchfahrer, Fahrer 6, Finder, Flieger 17, Flößer 5, Führer 3, Gerber 3, Gründer, Händler 32, Hausierer, Heimkehrer 4, Heirer (Freier), Helfer, Herausgeber, Jäger 14, Käufer 5, Köhler 4, Küfer 3, Läufer 2, Lehrer 75, Liebhaber, Lotser, Maler 4, Maurer 26, Melker, Metzger 29, Mitarbeiter, Müller 13, Nachfolger 7, Pächter 9, Prediger, Radfahrer 3, Rechner 3, Reiter 5, Richter, Rodler, Säger 7, Sänger, Sammler, Sauser, Schaffer, Schausteller, Schinder, Schleifer (Person, die Holz schleppt) 2, Schmierer, Schneider 10, Schreiber 2, Schwärmer, Schwimmer, Segler, Siedler 4, Sprecher, Stellvertreter 7, Stürmer 2, Teilhaber 2, Teilnehmer, Träger 2, Turner 2, Unternehmer 2, Verbraucher 5, Verteidiger 2, Vertreter 6, Verwalter 6, Vorarbeiter 6, Vorgänger 6, Vorsteher, Vorvorgänger, Wallfahrer 2, Wanderer 2, Weber 13, Wilderer 7, Wühler, Zuschauer 4, Zutreibet

Zur gegenüber DW geänderten Gruppeneinteilung -*• § 224. Die weitaus meisten Lemmata sind Personenbezeichnungen, insofern bestätigt sich hier der Befund aus DW, daß Abltgg. dieser Gruppe zu 80% Personenbezeichnungen sind. Keine Personenbezeich259

nungen sind unter den angeführten Lemmata nur Anbinder, Blobbeler, Flieger, Sauser, Segler und Träger. Sauser gehört zum Verb sausen und bezeichnet den neuen Wein. Brägler und Heirer sind zu den mdal. Verben bräglen und heiren gebildet. Durchfahrer ist nach dem Kontext eine Person auf der Durchfahrt. Schleifer entstammt der Holzarbeiterterminologie des Schwarzwaldes, aus dem viele Aufnn. in das Korpus eingegangen sind. Mit Wühler wird ein sehr viel arbeitender Mensch bezeichnet, es ist eine Bildung zum mdal. Verb wühlen in der Bedeutung ,emsig arbeiten'. b) BVerb-ent (-ant) 1+ §411

Abonnent 2, Denunziant, Dirigent (S) 6, Ministrant 7, Reagent, Student (S) 10

Reagent ist die Bezeichnung für ein auf eine Tbc-Impfung positiv reagierendes Rindvieh. Die Abltg. ist - wie alle anderen dieser Gruppe auch - durch Suffixtausch zwischen der Verbalendung -ieren und -entj-ant gebildet. c) Die übrigen Gruppen § 412

-eur 1+: Dekorateur (S), Friseur (S) 3, Monteur 2, Souffleur -e (mask.) 9+: Erbe (S) 2, Nachkomme 4, Schütze 7 4ing 3: Nachkömmling -bold 1: Raufbold

Erbe wird im HGS undifferenziert angeführt, mußte hier aber in eine mask. und eine neutr. Bildung aufgelöst werden und findet sich entsprechend an zwei Stellen genannt. Bei -ling 3 ist fakultative Stammveränderung anzunehmen, denn die von DW 2, S.348f. genannten Lemmata weisen stets Umlaut bei umlautfähigen Basen auf. Konkurrierende Bildungen zwischen -er 1+ und -bold 1, wie sie DW 2, S.350 anfuhrt, fehlen hier völlig. d) Zusammenfassung §413

Zunächst die Verteilung von Lemmata und Belegen: Gruppe -er 1+ -ent(-ant) 1+ -eur 1+ -e (mask.) 9+ -ling 3 -bold 1 Gesamt

Lemmata (S) abs. %

Belege (S) abs.

%

97(1) 6(2) 4(2) 3(1) 1 1

86,61 5,36 3,57 2,68 0,89 0,89

465 (1) 27 (16) 7 (4) 13 (2) 1 1

90,47 5.25 1.36 2,53 0,19 0,19

112(6)

100,00

514 (23)

100,00

Ganz überwiegend werden die Subjektbezeichnungen durch das Muster -er gebildet, die anderen Bildungsmöglichkeiten fallen demgegenüber weder nach Lemmata noch nach Belegen stärker ins Gewicht. Eine Übereinstimmung mit dem Ergebnis aus DW zeigt sich darin, daß die drei häufigsten Gruppen in beiden Untersuchungen in der 260

Reihenfolge übereinstimmen. Dann ergeben sich aber für die letzten drei Gruppen Unterschiede derart, daß in DW an 4.Stelle -ling 3 erscheint, gefolgt von -bold 1 und -e (mask.) 9+. Übereinstimmend zeigt sich auch ein vergleichbar großer Abstand zwischen der häufigsten und der zweithäufigsten Gruppe, er beträgt in DW fast 15, d.h., daß die Gruppe -er 1+ in DW fast 15mal häufiger ist als -ent (-ant) l+\ hier ist -er 1 + sogar 16mal häufiger. § 414

Präfixverben als B asis sind selten: verbale Basis nicht-präfigiert präilgiert Gesamt

Lemmata abs.

%

78 28

73,58 26,42

106

100,00

Die Häufigkeit der Präfixe wird entscheidend durch die Gruppe -er 1+ bestimmt, da fast nur dort Präfixverben als Basis vorkommen. Die Präfixe nach Häufigkeit geordnet: be- 6, ver- 4, vor- 4, an- 3, nach- 3, auf- 2, aus- 2, zu- 2, ab- 1, unter- 1. Es zeigt sich also eine kontinuierliche Abnahme in der Häufigkeit. Starke und schwache Verben weisen folgende Verteilung auf: Lemmata verbale Basis

abs.

%

stark schwach

30 76

28,30 71,70

Gesamt

106

100,00

Es überwiegen also die schwachen Verben, wobei die Relation zwischen starken und schwachen Verben nicht ganz derjenigen entspricht, die für die Abltgg. insgesamt gilt, sie ist hier geringfügig zugunsten der schwachen Verben verschoben.

2. Primäre Subjektbezeichnungen mit einem Adjektiv als Basis a) BAdj.-ling 1 §415

Frühling 16, Spätling (Herbst), Wildling

An primären Prägungen mit einem Adjektiv als Basis ist hier nur dieses Muster beteiligt, das in DW häufigste Muster -iker und die anderen, weniger häufigen Muster fehlen ganz. Überdies ist die einzig vertretene Gruppe weder nach Lemmata noch nach Belegen zahlreich. Daß Frühling hier erscheint, liegt an Spätling. Frühling würde normalerweise als lexikalisiert und nur noch schwach motiviert angesehen. Da jedoch die Analogiebildung Spätling hier belegt ist, muß Frühling als im Verständnis der Sprecher offenbar doch noch voll motivierte Form angesehen werden. Wildling ist die Bezeichnung für einen wilden Trieb, also keine Personenbezeichnung. 261

3. Zusammenfassung zu den primären Subjektbezeichnungen §416

Im Korpus der vorl. Untersuchung sind deadjektivische Subjektbezeichnungen extrem selten, sie werden durch nur ein Muster repräsentiert, und dieses ist das in DW zweithäufigste Muster. Alle anderen in DW vorhandenen Muster fehlen völlig. Deverbale Subjektbezeichnungen sind entschieden häufiger, die Relation in der Häufigkeit entspricht praktisch derjenigen in DW, dort sind nämlich die deverbalen Subjektbezeichnungen mit 91% an allen primären Prägungen beteiligt, so daß auch dort deadjektivische Abltgg. vergleichsweise selten sind. Übereinstimmend zeigt sich an beiden Untersuchungen, daß bei den deverbalen Subjektbezeichnungen die Reihenfolge der ersten drei Muster nach Lemma-Häufigkeit übereinstimmt, sich Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache bei den primären Subjektbezeichnungen also nicht zeigen.

4. Sekundäre Subjektbezeichnungen mit einem Verb als Basis a) B Verb(+SV)-0 (mask.) 5 §417

Abfall 3, Anflug, Anklang 4, Aufschluß 2, Ausfall, Ausfall (Verlust) 2, Ausschlag, Bäck 6, Bestand 3, Besuch 9, Betrag, Dampf (S) 2, Durchfall, Fluß 2, Kassier 3, Koch (S) 6, Nachwuchs, Niederschlag 8, Schein (S), Schleck (naschhafter Mensch), Schmerz (S) 7, Stand (Verkaufsstand) 3, Stich (Kartenspiel) 3, Trieb (Hefe) 2, Überfluß, Überhang, Überschuß, Unterschied 36, Verein 62, Verkehr 11, Vorschein, Vorstand 16, Vorwuchs, Zulauf, Zusammenhalt 2, Zuwachs 2

Der Waldarbeiterterminologie entstammen die Lemmata Anflug und Vorwuchs. Ersteres bezeichnet das, was in eine Baumpflanzung wild angeflogen ist und entfernt werden muß, letzteres die vorstehenden Triebe an Bäumen, die abgeschnitten werden müssen. Bäck wird von DW (2, S.350) in der Gruppe BVerb-e (mask.) angeführt, die dort gegebene Herleitung ist aber diachronisch. Synchronisch muß das Lemma als Abltg. zu backen aufgefaßt werden und erscheint darum hier. Schleck ist eine Bildung zum Verb schlecken ,naschen', Trieb ist zu treiben gebildet. Besuch ist ein geteiltes Lemma, es erscheint schon unter den Abstrakta in §370. b) BVerb-ung5 §418

Abkürzung 2, Ablösung, Bedienung 2, Begleitung, Belastung 2, Besatzung 7, Bevölkerung 11, Bewachung 4, Entzündung, Führung 3, Kreuzung 2, Regierung 2, Umgebung 21, Verbindung (Korporation) 2, Versammlung 14, Verwaltung 6

Führung ist im HGS nur ein Lemma, mußte hier aber geteilt werden und findet sich — entsprechend seiner Bedeutung — auch bei den Abstrakta in §371. Die Lemmata bestätigen die von DW (2, S.359) genannten Verwendungsmöglichkeiten der Abltgg. dieser Gruppe, sie sind entweder Sammelwörter für die Bezeichnung von Gruppen bzw. größeren Ganzheiten oder aber Bezeichnungen für das nicht-personale Subjekt eines Vorgangs (etwa Entzündung). 262

c) Die übrigen Gruppen §419

-e (fem.) 7: Abhilfe, Auflage, Aushilfe 2, Hilfe 13, Ranke 4, Wache (S) 15, Würze Ge-0/-e 4: Gefalle, Gewächs -nis4: Ereignis 5

Wie DW zur Gruppe -e (fem.) 7 feststellt, sind die in dieser Gruppe zusammengefaßten Lemmata in ihrer semantischen Bezeichnungsfunktion sehr uneinheitlich und besetzen einzelne Leerstellen (vgl. DW 2, S.360). Dies bestätigt sich hier, wo sich neben Personenbezeichnungen auch Sachbezeichnungen finden. Die Einordnung von Gefälle erscheint etwas problematisch, jedoch paßt das Lemma in keine andere Gruppe dieses Musters, und auch die Tatsache, daß es als grammatisches Abstraktum gebraucht werden kann, spricht für seine Einordnung hier. d) Zusammenfassung §420

Die Verteilung von Lemmata und Belegen: Gruppe

Lemmata (S) abs. %

abs.

Belege (S)

-0 (mask.) 5+ -ung 5 -e (fem.) 7 Ge-4 -nis 4

36 (4) 16 7(1) 2 1

58,06 25,18 11,29 3,23 1,61

208 (16) 81 37 (15) 2 5

62,46 24,32 11,11 0,60 1,50

Gesamt

62 (5)

100,00

333 (31)

100,00

%

Am häufigsten, und zwar nach Lemmata wie nach Belegen, werden Abltgg. der Muster -0 (mask.) und -ung für sekundäre Subjektbezeichnungen gebraucht. Dies bedeutet einen Unterschied zu DW, wo die Gruppe -ung 5 am weitaus häufigsten ist, gefolgt von -e (fem.) 7. Zur Gruppe -0 (mask.) 5 verzeichnet DW nur 8 Lemmata, und dies ist einigermaßen überraschend, da hier in dieser Gruppe keineswegs nur oder wenigstens überwiegend mdal. Lemmata belegt sind, vielmehr ist der größte Teil der Lemmata auch in der Hspr. üblich, wie sich aus der Liste aller Lemmata in §417 ergibt. Offenbar werden aber Abltgg. dieser Gruppe in den geschriebenen Texten, die DW untersucht und die zu einem sehr großen Teil aus literarischen Werken bestehen, selten verwendet. Immerhin bestätigt sich hier jedoch, daß in beiden Untersuchungen die Gruppe -ung 5 fast 3mal häufiger ist als -e (fem.) 7. § 421

Präfigierte und nicht-präfigierte Verben als Basis der Abltgg. weisen folgende Verteilung auf: Lemmata verbale Basis

abs.

%

präfigiert nicht-präfigiert

40 17

70,18 29,82

Gesamt

57

100,00

Es überwiegen also eindeutig die präfigierten Basen. Das Ergebnis wird natürlich ent263

scheidend durch die Gruppe -0 (mask.) 5 bestimmt, die die größte Gruppe und zugleich auch die Gruppe mit den meisten Präfixverben als Basis ist. Die einzelnen Präfixe weisen dabei folgende Häufigkeiten auf: be- 9, ver- 5, ab- 4, aus- 4, über- 3, vor- 3, an- 2, auf-2, unter- 2, zu- 2, ent-1, er-1, nach-1, um-1. Starke und schwache Verben als Basis weisen folgende Verteilung auf: verbale Basis

Lemmata abs.

stark schwach

32 25

56,14 43,86

Gesamt

57

100,00

%

Die Relation von starken : schwachen Verben beträgt hier 1 : 1,3 und ist damit zugunsten der starken Verben verschoben, denn für alle Abltgg. insgesamt wurde in § 313 eine Relation von 1 : 1,7 ermittelt.

5. Sekundäre Subjektbezeichnungen mit einem Adjektiv als Basis a) BAdj.-heit 3 §422

Einzelheit, Feierlichkeit, Festlichkeit 2, Kleinigkeit 10, Lustbarkeit, Neuigkeit, Persönlichkeit, Räumlichkeit 3, Sehenswürdigkeit, Süßigkeit, Wahrheit, Wirklichkeit 6

Im Rahmen dieser Gruppe stellt Persönlichkeit nach DW 2, S.321 insofern eine Ausnahme dar, als diese Gruppe im allg. nicht für die Abltg. von Personenbezeichnungen genutzt wird. b) Die übrigen Gruppen § 423

-e (fem.) 5: -ismus 4: -ie 2+: -ität 2:

Brache 4, Ebene 6, Fläche 3, Fremde 12, Runde 2, Spitze (S) 5, Stärke 4, Wunde (S) 2, Zentrale Rheumatismus 3 Photographie (S) 2 Spezialität

Stärke ist im HGS nur ein Lemma, mußte aber nach der Bedeutung differenziert werden. In der Gruppe -ismus 4 finden sich ausschließlich Krankheitsbezeichnungen, die offenbar auch in der geschriebenen Sprache selten sind, DW nennt (2, S.330) außer dem auch hier belegten Lemma nur weitere 2 Lemmata. Zu Photographie führt DW (2, S.328) aus: „[...] ist morphologisch wieder ein Austausch des Adj.-Suffixes -isch gegen das Subst.-Suffix anzusetzen." Hier wird hingegen davon ausgegangen, daß ein eindeutiger Ableitungsbezug nicht gegeben ist, sondern daß vielmehr eine Abltg. zum Stamm photograph- vorliegt. c) Zusammenfassung § 424

Lemmata und Belege verteilen sich wie folgt: 264

Gruppe

Lemmata (S) abs. %

Bele se(S) abs.

%

-heit 3 -e (fem.) 5 -ismus 4 -ie 2+ -ität 2

12 9(2) 1 1(1) 1

50,00 37,50 4,17 4,17 4,17

29 39 (7) 3 2(2) 1

39,19 52,70 4,05 2,70 1,35

Gesamt

24(3)

100,00

74(9)

100,00

Sekundäre Subjektbezeichnungen mit adjektivischer Basis werden hier ganz überwiegend zu nur zwei Mustern gebildet, nämlich -heit und -e (fem.). Dabei ist zwar -heit 3 nach Lemmata am häufigsten, jedoch werden Abltgg. der Gruppe -e (fem.) 5 viel häufiger gebraucht. Alle anderen hier vertretenen Gruppen sind weder nach Lemmata noch nach Belegen häufig. Für DW zeigt sich (2, S.335) gleichfalls ein Uberwiegen der Gruppe -heit 3, es folgt -e (fem.) 5, so daß sich hier eine Übereinstimmung zeigt. Die anderen in DW angeführten Muster bzw. Gruppen finden sich hier teilweise nicht, sie sind wohl in der Mehrzahl eher schriftsprl. als in der gesprochenen Alltagsspr. des UG verwendete Bildungweisen. §425

Simplizia, Abltgg. und Kompp. als Basen verteilen sich wie folgt: adjektivische Basis

Lemmata

Simplex Ableitung Kompositum

13 7 1

Gesamt

21

Es überwiegen also die Simplizia, Abltgg. sind jedoch entschieden häufiger als Kompp. und stellen insgesamt halb so viele Lemmata wie die Simplizia. Die einzelnen Sufixe bei den abgeleiteten Adjj. weisen folgende Häufigkeiten auf: -lieh 4, -bar 1, -al/-ell 1, -isch 1. Am weitaus häufigsten werden also abgeleitete Adjj. auf -lieh als Basis verwendet. d) Der Typ „Optimist" § 426

Als Ergänzung zu den sekundären Subjektbezeichnungen mit adjektivischer Basis nennt DW (2, S.330-334) noch die substantivierten Adjj., den Typ BAdj.-O und den Typ Optimist. Nur auf letzteren ist hier einzugehen, die anderen Bildungsweisen werden als Ergänzung zu den Subjektbezeichnungen in einer vergleichenden Übersicht in §444 genannt. Für den Typ Optimist fanden sich im Korpus folgende Lemmata: Idealist (S), Kapitalist (S). DW führt zu diesem Typ (2, S.333) aus: „Aus der Analyse Optimist -*• derj., der optimistisch ist (einfacher dann optimistischer Mensch) ergibt sich die strukturelle Parallelität zu den erörterten Ableitungen Feigling, Blondchen, Zyniker. Nur liegt dort eine Derivation durch Suffigierung (-ling, -chen) oder einen Suffixwechsel (zyn-isch : Zyn-iker) vor, hier aber eine synchron beschreibbare Korrelation zwischen — längerer — adj. und — kürzerer — subst. Bildung zum gleichen .Stamm'." Weiterhin führt DW aus, daß die Beschreibung solcher Lemmata als komplementäre Ergänzung der anderen Typen des Ableitungsparadigmas erfolgen kann, und so werden sie von DW auch behandelt, „ihre systematische Stellung ist dann dadurch bestimmt, 265

daß sie synchron ebenfalls als durch ein Adj. motiviert angesehen werden können, welches in dem Falle als Determinans zu interpretieren ist." (DW 2, S.333.) Die vorl. Untersuchung folgt dem im ersten Zitat gegebenen Hinweis und faßt die Bildungen als Stammabltgg. auf, da die Bildungen in einem „reversiblen Verhältnis zueinander stehen" (DW 2, S.333). Die beiden hier belegten Lemmata ergänzen so die Subjektbezeichnungen und werden entsprechend in der Zusammenfassung (-»• §444) mit angeführt.

6. Sekundäre Subjektbezeichnungen mit einem Part.n als Basis a) BPart.-heit 4 § 427

Angelegenheit 5,Begebenheit, Gelegenheit 16, Ungelegenheit, Vergangenheit, Vergessenheit

Begebenheit wird von DW in der Übersicht über das Muster -heit (2, S.72) in die Gruppe 4 eingeordnet, erscheint dann jedoch (2, S.258) in der Gruppe 2. Nach dem trafoWert der S.72 paßt das Lemma allerdings nicht zur Gruppe 2: *„(die Tatsache), daß jmd. begeben ist". DW 2, S.257 führt zu -heit 2 aus, daß es Syntagmen der Form Part.II+Kopula vertrete und daß die Analyse der Bildung am besten nach dem Beispiel Der Mann ist deklassiert =» Die Deklassiertheit (des Mannes) erfolge. Setzt man in ein ähnliches Syntagma Begebenheit ein, ergibt sich jedoch keine sinnvolle Transformation, so daß hier das Lemma bei -heit 4 eingeordnet wurde, wo es am einfachsten als Abltg. zu einem Part.II erklärt werden kann (entsprechend verfährt FLEISCHER (S. 148) mit Gegebenheit). Von den 6 Lemmata sind 2 Präfixbildungen zum gleichfalls belegten Gelegenheit, die vorkommenden Präfixe sind an- und un-. Darüber hinaus kommt noch das Präfix be- lmal vor, ver- findet sich bei 2 Lemmata. Alle dem Part. II zugrunde liegenden Verben sind starke Verben. Alle Lemmata sind auf -heit gebildet, -keit/-igkeit kommen nicht vor.

7. Zusammenfassung zu den sekundären Subjektbezeichnungen § 428

Lemmata und Belege weisen folgende Häufigkeiten auf: Belege (S)

Basis

Lemmata (S) abs. %

abs.

Verb Adj. Part.

62 (5) 24(3) 6

67,39 26,09 6,52

333 (31) 74 (9) 25

77,08 17,13 5,79

Gesamt

92 (8)

100,00

432 (40)

100,00

%

Es überwiegen also eindeutig die deverbalen sekundären Subjektbezeichnungen, und zwar nach Lemmata wie nach Belegen. Dies verhält sich in DW jedoch anders, wie die entsprechende Übersicht für diese Untersuchung zeigt: 266

DW Lemmata Basis

abs.

%

Adj. Verb Part.

277 108 19

68,56 26,73 4,70

Gesamt

404

100,00

In DW sind die deadjektivischen Abltgg. entschieden häufiger. Die Prozentzahlen sind sehr ähnlich denjenigen, die hier ermittelt wurden - allerdings mit der Vertauschung der Basiswortarten. Daß in DW deadjektivische, hier aber deverbale sekundäre Subjektbezeichnungen häufiger sind, muß als Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache bewertet werden. Ausschlaggebend für diesen Unterschied ist, daß in DW einige WB-Muster zu finden sind, die der im UG gesprochenen Alltagsspr. offenbar recht fremd sind, so z.B. die Muster -ie, -ismus, -ik, -ität, die hier alle mit nur 1 Lemma vertreten sind, in DW aber (bis auf -ismus, das 17 Lemmata aufweist) alle zwischen 20 und 30 Lemmata erreichen.

8. Subjektbezeichnungen mit einem Substantiv als Basis §429

DW trennt die desubstantivischen Subjektbezeichnungen in zwei Großgruppen, die durch die Prädikation unterschieden sind, und zwar finden sich dort Abltgg. aus BSubst.+fwn-Prädikationen bzw. Abltgg. aus BSubst.+Äaften-Prädikationen. Hier im Korpus sind ausschließüch Abltgg. zu /««-Prädikationen belegt. Im Anschluß an die beiden genannten Großgruppen führt DW noch Abltgg. aus BSubst.+Prädikationen der räumlichen Zuordnung und Abltgg. aus BSubst.+Prädikationen der Gruppenzugehörigkeit. In der vorl. Untersuchung werden sie in den Kapiteln XII. (Zugehörigkeitsbezeichnungen) und XIII. (Herkunftsbezeichnungen) behandelt. a) BSubst.(+SV)-er 3+

§ 430

Apotheker, Feuerwerker 2, Fleischer, Förster 40, Freiheitskämpfer, Fuhrwerker, Fußballer, Glaser 3, Handwerker 4, Heuer, Hochzeiter, Jahrgänger, Klassiker, Komiker 2, Krieger, Kutscher, Mahder (Mäher) 9, Mathematiker 2, Mechaniker 5, Musiker 2, Sägwerker 3, Schäfer 3, Schauspieler 2, Schiffer 3, Schüler 15, Schuler 10, Taglöhner 7, Techniker 2, Trompeter 2, Wagner 3, Wengerter (Weingärtner) 12

Zur gegenüber DW geänderten Einteilung dieser Gruppe -* § 224. Besonders hinzuweisen ist auf die Doppelform Schüler¡Schüler, für die es eine regionale Verteilung gibt, die hier aber nicht aufgeschlüsselt werden kann. Beide Formen sind recht oft belegt. Die vergleichsweise große Häufigkeit von Förster ist korpusbedingt. Wengerter ist eine Abltg. zum gleichfalls belegten Wengert .Weingarten'. 267

b) Die übrigen Gruppen §431

-ler 1: Ausflügler 2, Künstler, Motorradler, Radler 3, Wissenschaftler -ner 1: Festredner, Gärtner 10, Hafner, Rentner -ent (-ant) 2+: Abiturient, Konsument 2, Musikant 2 -ling 2 : Flüchtling 34 -ist 1: Bassist 3 -(at)or 3: Revisor

DW nennt für die Gruppe -ling 2 insgesamt 17 Lemmata, während sich hier nur 1 findet, das überdies korpusbedingt sehr häufig belegt ist. Die von DW für einige Bildungen dieser Gruppe festgestellte Wertungskomponente fehlt dem hier belegten Lemma jedoch. Nach DW wird die Gruppe -ist 1 sehr häufig für die Bildung von Personenbezeichnungen herangezogen, was sich hier nicht bestätigt. § 432

Lemmata und Belege weisen folgende Verteilung auf: Lemmata

Belege

Gruppe

abs.

%

abs.

%

-er 3+ -ler 1 -ner 1 -ent (-ant) 2+ -ling 2 -ist 1 -(at)or 3

31 5 4 3 1 1 1

67,39 10,87 8,70 6,52 2,17 2,17 2,17

142 8 13 5 34 3 1

68,93 3,88 6,31 2,43 16,50 1,46 0,49

Gesamt

46

100,00

206

100,00

Das nach Lemmata wie nach Belegen häufigste Muster für die Bildung von desubstantivischen Subjektbezeichnungen ist -er. Alle anderen Muster sind hier recht selten. In DW ist zwar -er 3 gleichfalls die häufigste Gruppe, es folgt danach jedoch -ling 2 und dann erst -ler 1. Überdies sind dort noch andere Muster vertreten, die hier gar nicht erscheinen, so daß Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache sich einerseits darin ausdrücken, daß in der gesprochenen Sprache entschieden weniger Muster für die Bildung von desubstantivischen Subjektbezeichnungen Verwendung finden, während andererseits für die Bildung von Subjektbezeichnungen dieses Typs fast nur ein Muster in größerer Häufigkeit genutzt wird. Möglicherweise liegt der Unterschied zur geschriebenen Sprache darin, daß dort eher auf stilistische Varianz (DW hat zu einem wesentlichen Teil literarische Werke als Materialgrundlage) geachtet wird, um die sich die Alltagsspr., also unreflektiertes Sprechen, weniger kümmert. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß hier nur Personenbezeichnungen gebildet werden, die gleichfalls möglichen und von DW insbesondere für -ler 1 angeführten Sachbezeichnungen (2, S.377 z.B. Obstler) fehlen völlig. Allerdings bilden auch in DW Abltgg., die keine Personenbezeichnung sind, eher eine Ausnahme. §433

Es überwiegen eindeutig Simplizia als Basis für die Abltgg. Nur bei der Gruppe -ler 1 finden sich Abltgg. als Basis, nur bei -er 3+, -ler 1, -ner 1 kommen Kompp. vor, wie der folgenden Tabelle entnommen werden kann:

268

Lemmata substantivische Basis

abs.

%

Simplex Kompositum Ableitung

33 11 2

71,74 23,91 4,35

Gesamt

46

100,00

9. Doppelt motivierte Subjektbezeichnungen a) B Verb/Subst. (+SV)-er 10+ §434

Arbeiter 33, Fischer 3, Funker, Geiger, Gipser 2, Krämer, Mörder 5, Räuber 7, Scheller 2, Sieger, Spieler 12, Töpfer, Trommler, Wucherer

Bei den Abltgg. auf -er findet sich eine Reihe von Substt., die als doppelt motiviert angesehen werden müssen insofern, als hier die Basis der Abltg. gleichermaßen ein Verb wie ein Subst. sein kann. Diesen Lemmata wurde hier eine eigene Gruppe geschaffen; in der Darstellung von DW finden sich die Lemmata teils in der Gruppe 1, teils in der Gruppe 3 dieses Musters. DW führt zu diesem Problem (2, S.375) bei der Gruppe 3 aus: „Einige dieser Bildungen sind doppelt motiviert und lassen sich auch auf ein Verb beziehen (z.B. Geiger, Texter, Trompeter). Wenn dieses Bezugsverb seinerseits als denominale Ableitung zu interpretieren ist (geige-n, text-en, trompete-n), werden die -er-Bildungen zu den Bildungen mit subst. Bezugsgröße (Typ Fußballer) gerechnet, ebenso wie diejenigen Fälle, in denen die semantische Koppelung an ein Subst. enger zu sein scheint als die an ein Verb der gleichen Wortfamilie (Aufrührer gehört enger zu Aufruhr als zu aufrühren)." Entsprechend diesem Vorgehen werden die fraglichen Lemmata jeweils eindeutig entweder deverbal oder desubstantivisch erklärt und nur in einer der beiden Gruppen angeführt. Hier wurde aber eine eigene Gruppe geschaffen, so daß die betr. Lemmata gemäß ihrer besonderen Bildungsweise behandelt werden und nicht einfach in den anderen Lemmata aufgehen, die eine eindeutige Bezugsbasis aufweisen. Überdies zeigt sich hier deutlich, daß das von DW angegebene Kriterium des in die jeweils eine oder andere Richtung engeren semantischen Zusammenhanges (der ohnedies häufig wohl nur sehr subjektiv entschieden werden kann) nicht unbedingt zutrifft, da in einer Reihe von Fällen Verben belegt sind, die neben den betr. Substt. stehen und so ein doppelter Motivationszusammenhang gegeben ist, der unentschieden bleiben muß; als exemplarischer Fall ist dabei etwa Arbeiter anzusehen. Die S.270 abgedruckte Liste zeigt für alle als doppelt motiviert angesehenen Lemmata, ob hier im Korpus das betr. Verb bzw. Subst. belegt ist. In den Spalten der Tabelle steht dabei + dort, wo das betr. Wort im Korpus vorhanden ist, - zeigt Fehlen an. Bei Geiger ist zwar weder das betr. Verb noch das Subst. im Korpus belegt, dennoch wurde für dieses Lemma eine doppelte Bezugsbasis angenommen.

269

abgeleitetes Subst.

im Korpus dazu belegt Verb Subst.

Arbeiter Fischer Funker Geiger Gipser Krämer Mörder Räuber Scheller Sieger Spieler Töpfer Trommler Wucherer

b) BVerb/Subst.-ent § 435

+

+

+ +

+

-

-

-

-

+

-

+ +

+

+

-

+

+

+

+ +

+

+

+ +

+

(-ant) 3+

Kommandant (S) 2

DW führt dieses Lemma (2, S.351) unter der Gruppe 1, weist jedoch darauf hin, daß hier von einer doppelten Motivierung auszugehen ist, da nicht sicher entschieden werden kann, ob als Basis ein Verb oder ein Subst. anzusetzen ist. Hier wird eine doppelte Bezugsbasis angenommen und zugleich das einzig vorhandene Lemma als Stammabltg. angesehen, wobei zu diesem Stamm kommand- auch noch das Lemma der im folgenden Paragraphen behandelten Gruppe gebildet ist. Zwar findet sich hier nur ein Lemma für diese Gruppe, nach DW würden hierher aber auch noch die Lemmata Revoltant, Projektant und Debattant gehören, die DW allerdings alle (2, S.351 und 387) als „nicht-usuell" bezeichnet. c) B Verb/Subst. -eur 3+ § 436

Kommandeur (S) 2

DW erwähnt das Lemma gleichalls, und zwar 2, S.355 unter den deverbalen und 2, S.386 unter den desubstantivischen Abltgg. dieses Musters. S.386 wird auf die doppelte Motivationsbasis hingewiesen, das Lemma jedoch als eindeutig desubstantivisch bezeichnet. Hier wird eine doppelte Motivationsbasis angenommen, überdies ist das Lemma noch eine Abltg. zum Stamm kommand-, wie dasjenige des vorigen Paragraphen auch. d) Zusammenfassung §437

Die Verteilung von Lemmata und Belegen: Gruppe

270

Lemmata (S) abs. %

Belege (S) abs.

%

-er 10+ -ent (-ant) 3+ -eur 3

14 1(1) 1(1)

87,50 6,25 6,25

71 2(2) 2(2)

94,67 2,67 2,67

Gesamt

16(2)

too,00

75(4)

100,00

Am weitaus häufigsten sind Abltgg. des Musters -er, die anderen beiden Muster sind sehr selten, und zwar nicht nur hier bei den Subjektbezeichnungen, sondern insgesamt im Korpus. Die beiden zu den Mustern -ent (-ant) und -eur gebildeten Lemmata sind Konkurrenzformen, auf die auch DW (2, S.355) hinweist, jedoch scheinen solche Konkurrenzformen auch im schriftsprl. Material von DW selten zu sein.

10. Subjektbezeichnungen mit einem Zahlwort als Basis a) BZw.-er 7 §438

Hunderter

Im Material von DW finden sich für diese Gruppe 18 Lemmata, die teils als Bezeichnungen für Berge (Dreitausender), teils als Personenbezeichnungen (Sechziger) oder — wie im vorliegenden Fall — als Bezeichnungen für einen Geldschein dienen.

11. Zusammenfassung zu den Subjektbezeichnungen §439

Lemmata und Belege weisen folgende Häufigkeiten auf: Basis

Lemmata (S) abs. %

abs.

Verb Subst. Adj. Verb/Subst. Part. Zw.

174(11) 46 27 (3) 16 (2) 6 1

64,44 17,04 10,00 5,93 2,22 0,37

847 (54) 206 92 (9) 75 (4) 25 1

67,98 16,53 7,38 6,02 2,01 0,08

Gesamt

270(16)

100,00

1246 (67)

100,00

Belege (S) %

Am weitaus häufigsten werden Subjektbezeichnungen also deverbal gebildet, und diese Abltgg. weisen auch die größte Gebrauchshäufigkeit auf. Daß deadjektivische Abltgg. vergleichsweise selten sind, scheint typisch für die gesprochene Sprache des UG zu sein, verschiedentlich wurde darauf schon hingewiesen (-»• §§416 und 428). Für DW zeigt sich folgende Verteilung der Lemmata, bei der zu berücksichtigen ist, daß dort die Zahl der doppelt motivierten Lemmata nicht erschlossen werden kann: DW Lemmata Basis

abs.

%

Verb Adj. Subst. Part. Zw.

1156 373 349 19 18

60,37 19,48 18,22 0.99 0,94

Gesamt

1915

100,00

271

Bei den desubstantivischen Abltgg. wurden für DW nur diejenigen gezählt, die Abltgg. aus BSubst.+iuw-Prädikationen bilden, da in der vorl. Untersuchung die /zaöen-Prädikation ja nicht vorkommt. Würde man letztere noch bei DW dazuzählen, ergäbe sich ein Überwiegen der desubstantivischen über die deadjektivischen Abltgg. Es zeigt sich insgesamt wieder der charakteristische Unterschied bei den deadjektivischen Abltgg., die in der geschriebenen Sprache entschieden häufiger sind als in der im UG gesprochenen Sprache. Die deverbalen Abltgg. weisen in beiden Untersuchungen einen fast gleich großen Prozentsatz am Gesamt aller Subjektbezeichnungen auf. §440

Die deverbalen Subjektbezeichnungen weisen folgende Häufigkeiten auf: Lemmata (S) Subjektbezeichnungen abs. %

abs.

Belege (S)

primäre sekundäre

112 (6) 62 (5)

64,37 35,63

514 (23) 333 (31)

60,68 39,32

Gesamt

174(11)

100,00

847 (54)

100,00

%

Primäre Subjektbezeichnungen sind nach Lemmata wie nach Belegen fast doppelt so häufig wie sekundäre, und dieses Ergebnis entspricht demjenigen von DW. Es überwiegen die nicht-präflgierten Basen: Lemmata veibale Basis präfigiert nicht-präfigiert Gesamt

abs.

%

68 95

41,72 58,28

163

100,00

Aufgeschlüsselt nach primären/sekundären Subjektbezeichnungen zeigt sich folgende Verteilung: Lemmata

verbale Basis

Subjektbezeichnungen

abs.

%

präfigiert

primäre sekundäre

28 40

41,18 58,82

68

100,00

primäre sekundäre

78 17

82,11 17,89

95

100,00

Gesamt nicht-präfigiert Gesamt

Es zeigt sich, daß primäre Subjektbezeichnungen häufiger nicht-präfigierte Verben als Basis haben, während sekundäre Subjektbezeichnungen eher präfigierte Basen aufweisen. Die einzelnen beteiligten Präfixe sind dabei:

272

Präfix

Subjektbezeichnungen primär sekundär Gesamt

bevervorausabanaufnachzuüberunterenterumGesamt

6 4 4 2 1 3 2 3 2

9 5 3 4 4 2 2 1 2 3 2 1 1 1

15 9 7 6 5 5 4 4 4 3 3 1 1 1

40

68

-

1 -

28

Starke und schwache Verben als Basis weisen folgende Verteilung auf: Lemmata

verbale Basis

abs.

%

stark schwach

62 101

38,04 61,96

Gesamt

163

100,00

Die Relation zwischen starken und schwachen Verben entspricht deijenigen, die für das ganze Korpus gilt. Lemmata

verbale Basis

Subjektbezeichnungen

stark

primäre sekundäre

Gesamt schwach Gesamt

§441

primäre sekundäre

abs.

%

30 32

48,39 51,61

62

100,00

76 25

75,25 24,75

101

100,00

DW führt (2, S.369-371) einige Schemata an, die die Bezeichnungsfunktionen der deverbalen Subjektbezeichnungen verdeutlichen sollen. Die Lemmata werden zunächst in zwei Großgruppen mit den Merkmalen [+belebt] und [-belebt] getrennt, worunter sich dann noch eine weitere Auffächerung anschließt. Für die Darstellung hier wurden die Schemata übernommen, wobei folgende Zeichen Verwendung finden (entsprechend der in DW 2, S.369 angeführten Bedeutung): + bedeutet .häufiger vorkommend', ( ) = .selten vorkommend', - = .nicht in DW belegt'. In der Spalte DW der folgenden Übersicht werden also diese Zeichen von dort übernommen, in der Spalte WGS findet sich die Anzahl der hier im Korpus für jede einzelne Gruppe belegten Lemmata eingetragen. Es finden sich nur diejenigen WB-Muster wieder, die in beiden Untersuchungen belegt sind. Zusätzlich zu den hier besprochenen Subjektbezeichnungen führt DW auch noch das substantivierte Part.I an, das hier einmal zu Vergleichszwecken ebenfalls mit aufgenommen wurde. Die Anordnung der einzelnen WB-Muster geschieht 273

nach Lemma-Häufigkeit in der vorl. Untersuchung, wobei die primären Subjektbezeichnungen auch zuerst angeführt werden, davon getrennt durch einen Doppelstrich erscheinen die substantivierten Partt.I, nach einem weiteren Doppelstrich die sekundären Subjektbezeichnungen: [-belebt]

1+belebt] Personenbezeichnung

Tier- und Pflanzenbezeichnung

Bezeichnung einer geographischen Erscheinung

Bezeichnung von Artefakten u.a.

DW

WGS

DW

WGS

DW

WGS

DW

-er 1 + -ent(-ant) 1 + -eur 1 + -e (mask.) 9+ -ling 3 -bold 1

+ + + + + +

91

+

-

-

-

+

6

$

-

1

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

+

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

subst.Part.I

+

6

0

-

0

-

-0 (mask.) 5+ -ung5 -e (fem.) 7 + Ge-4 -nis4

+

7 11 3

+

1

-

-

-

+

-

Gruppe

+

4 3 1 1

-

+

-

+

1 1

-

-

-

-

+

-

-

WGS

-

25 4 3

-

-

+ + +

-

1

+

-

-

-

+

1

Es zeigt sich deutlich, daß die von DW als „häufiger vorkommend" beschriebenen Funktionen auch hier die jeweils besonders häufigen sind. Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache zeigen sich also nicht, oder anders gesagt: auch in gesprochener Alltagsspr. fungieren die Morpheme in der gleichen Weise, die DW für geschriebene Sprache feststellt. Zusammenfassend läßt sich weiterhin feststellen, daß die primären Subjektbezeichnungen fast ausschließlich als Personenbezeichnungen verwendet werden, während die sekundären hier eher als „Bezeichnung von Artefakten u.ä." dienen. Bei den primären Subjektbezeichnungen stimmen beide Untersuchungen überein, bei den sekundären zeigt sich für DW eher ein Gleichverhalten, so daß dort Personenbezeichnungen und die Bezeichnung von Artefakten annähernd gleich häufig sind. Gesicherte Aussagen dazu sind jedoch nicht möglich, da DW keine Lemma-Anzahlen mitteilt. Insgesamt aber stimmen beide Ergebnisse weitestgehend überein. §442

DW stellt (2, S.370f.) noch eine Tabelle mit „semantischen Ergänzungsmerkmalen " zusammen, in der dargestellt wird, inwieweit eine Gruppe als Individuativ- oder als Sammelbezeichnung verwendet wird und inwieweit das Zusatzmerkmal „ affektisch" eine Rolle spielt. Dem entspricht die folgende Übersicht für das Korpus hier. Es werden in der Spalte DW + für belegte Funktionen bzw. - für nicht belegte Funktionen verwendet, während für die vorl. Untersuchung wiederum die Lemma-Anzahlen eingetragen werden.

274

[+individuativ] Gruppe -er 1+ -ent(-ant) 1+ -eur 1+ -e (mask.) 9+ -ling 3 -bold 1 subst. Part. I -0 (mask.) 5+ -ung5 -e (fem.) 7+ Ge-4 -nis 4

DW

WGS

+

96 6 4 3 1 1

+ +

7

+

+

[-individuativ = zusammenfassend] DW

WGS -

-

-

-

-

-

-

-

7

-

7

-

-

-

-

-

+

+

+ +

+

-

-

+

4 28 11 2 2

+

1

-

-

+

DW

-

6 8 5 5

+

Zusatzmerkmal [+affektisch]

+ +

WGS 1 1

1

-

Die mit dem Zusatzmerkmal „affektisch" versehenen Lemmata sind Schinder, Denunziant und Raufbold. Es zeigt sich eine völlige Übereinstimmung mit DW, und es zeigt sich auch eine klare Trennung der semantischen Funktionen: primäre Subjektbezeichnungen können nur für Individuativbezeichnungen verwendet werden, sekundäre auch für Sammelbezeichnungen und sind dort sogar häufiger als bei den Individuativbezeichnungen. Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache zeigen sich auch bei dieser Aufschlüsselung nicht. §443

Bei den deadjektivischen Subjektbezeichnungen lung von Lemmata und Belegen: Subjektbezeichnungen

zeigt sich insgesamt folgende Vertei-

Lemmata (S) abs.

primäre sekundäre

3 24 (3)

Gesamt

27 (3)

%

11,11 88,89 100,00

Belege (S) abs.

%

18 74 (9)

19,57 80,43

92(9)

100,00

Sekundäre Subjektbezeichnungen sind hier viel häufiger, und dies entspricht dem Ergebnis in DW (2, S.335), wenn auch deutliche Unterschiede bestehen, auf die z.B. in § 428 hingewiesen wurde. Als Basis für die Abltgg. dienen überwiegend Simplizia: adjektivische Basis

abs.

Lemmata %

Simplex Ableitung Kompositum

17 6 1

70,83 25 00 4,17

Gesamt

24

100,00

1) Bei der Gruppe -e(mask.) 9+ finden sich in der Spalte DW Fragezeichen, da DW diese Gruppe nicht anführt und auch nur einen Teil der Lemmata nennt, aber vermutlich weicht diese Gruppe nicht vom Ergebnis ab, daß die primären Subjektbezeichnungen ausschließlich als Individuativbezeichnungen fungieren. Beim substantivierten Part.I trennt DW nach mask. und neutr. Bildungen, die mask. finden sich nur bei den Individuativbezeichnungen, die neutr. nur bei den Sammelbezeichnungen, und dem entspricht das Ergebnis hier, -+ auch die Liste der Lemmata zu dieser Gruppe in § 5 34.

275

Da bei den primären Subjektbezeichnungen nur Simplizia als Basis vorkommen, brauchen die übrigen Basis-Formen nicht weiter aufgeschlüsselt zu werden, sie können §425 entnommen werden. § 444

Für die semantische Bezeichnungsfunktion der deadjektivischen Subjektbezeichnungen bietet DW 2, S.335 ein Schema an, in dem die betr. Gruppen nach den beiden Merkmalen [+belebt] und [-belebt] gesondert angeführt werden. Dabei sind in der Spalte [+belebt] nach DW fast nur Personenbezeichnungen zu finden, in der Spalte [-belebt] insbesondere Bezeichnungen für Gedanken, Worte, Äußerungen, Handlungen, Verhaltensweisen usw. (DW 2, S.335). Wiederum werden die Spalten mit den Zeichen übernommen, die DW dort verwendet, so + für ,reihenhaft', ( ) für ,nur vereinzelt' und - für ,nicht bezeugt'. In der Spalte WGS werden wiederum die Lemma-Anzahlen aus dem Korpus hier genannt. Ergänzend zu den behandelten Subjektbezeichnungen werden - wie bei DW auch - zusätzlich die substantivierten Adjj., BAdj.-O und der Typ Optimist angeführt. £+belebt]

Lemmata Gruppe

DW

-ling 1 -heit 3 -e (fem.) 5+ -ismus 4 -ie 2+ -ität 2 BAdi.-O subst. Adj. Optimist

38 144 32 17 25 30 19 ca.150 ca. 70

WGS 3 12 9 1 1 1 13 180 2

DW

[-belebt]

WGS

+

-

0

1

-

-

-

-

-

-

-

-

+

3 81 2

+

DW 0 + + + + + +

0+ 0

WGS 3 11 9 1 1 1 10 99 -

Es zeigt sich insgesamt eine sehr hohe Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen der beiden Untersuchungen, und es zeigt sich auch sehr deutlich, daß die gesprochene Sprache des UG mit insgesamt wesentlich weniger Mustern zur Bildung von deadjektivischen Subjektbezeichnungen auskommt als die von DW untersuchte geschriebene Sprache. Dies liegt einerseits daran, daß in DW Muster berücksichtigt werden, die eher der Wissenschaftsspr. angehören (-ie, -ität, -ismus), die hier natürlich fehlt, andererseits aber kann darin auch ein Zug zur sprachlichen Ökonomie gesehen werden derart, daß in der Alltagskommunikation die sprachlichen Bedürfnisse mit weniger WB-Mustern befriedigt werden können und das möglicherweise in der von DW untersuchten geschriebenen Sprache wirksame Prinzip der sprachlichen Variation bei der Wortwahl in der Alltagsspr. eine untergeordnete Rolle spielt.

1) Bei den substantivierten Adjj. trennt DW nach dem Genus, dies ist aus den in § 320 genannten Gründen hier nicht möglich, weshalb sich in der betr. Spalte für DW alle dort vorkommenden Zeichen wiederfinden. Bei BAdj.-O wurden nur die neutr. Bildungen berücksichtigt, da nur diese als Subjektbezeichnungen fungieren. Die Angabe „ca." bei den substantivierten Adjj. und dem Typ Optimist findet sich so in DW 2, S.335.

276

XII. Zugehörigkeitsbezeichnungen §445

Die beiden folgenden Klassen von Zugehörigkeits- und Herkunftsbezeichnungen werden von DW innerhalb der desubstantivischen Subjektbezeichnungen als eigene Untergruppen behandelt. Da in der vorl. Untersuchung eine weitere Untergruppe der Subjektbezeichnungen, nämlich die recht umfangreiche aus BSubst.+Ziaften-Prädikation ohnehin fehlt, wurden die hier folgenden weiteren Gruppen aus den Subjektbezeichnungen herausgelöst. Ein Vergleich mit DW ist jederzeit möglich, weil an der Gruppeneinteilung nichts geändert wurde. a) BSubst.-ist 3

§ 446

Artillerist, Infanterist 4, Kolonist 3, Polizist, Reservist, Wachist

4 der 6 vorhandenen Lemmata weisen auf den militärischen Bereich hin, wobei sich hier nicht nur eine gewisse Korpusbedingtheit dadurch bemerkbar macht, daß die Gespräche der Aufnn. eben oft um Krieg bzw. Militärzeit kreisen, es scheint nach dem Befund von DW so, daß diese Gruppe für andere als militärische Bezeichnungen eher ausnahmsweise genutzt wird, denn auch die von DW im dortigen schriftsprl. Material gefundenen 9 Lemmata weisen ganz überwiegend auf den militärischen Bereich. Das vergleichsweise häufige Auftreten von Kolonist ist auf die im Korpus enthaltenen Schwarzwald-Aufnn. zurückzuführen, in denen häufig von den die Schwarzwaldtäler besiedelnden Kolonisten die Rede ist (-»• dazu auch die Einleitung, § 12). Alle den Abltgg. zugrunde hegenden Substt. sind Simplizia; die von DW (2, S.405) genannten Lemmata bestätigen dieses Ergebnis, Ausnahmen stellen nur die dort als „nicht-usuell" gekennzeichneten Lemmata Rotarmist und Oberligist dar. b) BSubst.-er 9 §447

Eisenbahner, Straßenbahner

Auch im schriftsprl. Material von DW sind Abltgg. zu dieser Gruppe recht selten, weshalb DW (2, S.404) feststellt: „Die Ableitung nach dem Muster BS-/er 2 kann demnach als die Regelform gelten, zu der mit -er nur einzelne Varianten gebildet werden." Für Eisenbahner nimmt FLEISCHER (S. 142) an, daß es sich um eine Kurzform zu Eisenbahnarbeiter handle, wobei -arbeiter durch das Suffix -er ersetzt werde. Jedoch ist hierzu zu bemerken, daß nicht in allen Fällen die Konstituente -arbeiter eines Komp. ersetzt wird, denkbar wäre auch Eisenbahnbeamter, das entsprechend zu Eisenbahner gekürzt wird, und überdies ist FLEISCHERS Analyse auf eine sehr begrenzte Zahl von Lemmata beschränkt (er selbst nennt zwei), bei den von DW genannten Lemmata ist die Annahme einer verkürzten Form nur auf Eisenbahner anwendbar. c) BSubst.-ler 2 §448

Postler

DW weist darauf hin (2, S.403), daß Abltgg. zu dieser Gruppe zumeist in der Zeitungsspr. zu finden sind und daß sie außerhalb dieses Bereichs recht selten sind; das Ergebnis hier ist eine Bestätigung dafür. 277

d) Zusammenfassung §449

Lemmata und Belege verteilen sich folgendermaßen: Lemmata Gruppe

abs.

Belege

%

abs.

% 78,57 14,29 7,14 100,00

-ist 3 -er 9 -ler 2

6 2 1

. 66,67 22,22 11,11

11 2 1

Gesamt

9

100,00

14

Am weitaus häufigsten wird -ist 3 für die Bildung von Zugehörigkeitsbezeichnungen verwendet, diese Gruppe weist auch die größte Beleghäufigkeit auf. Es zeigt sich hier ein reziprokes Verhältnis zu den Ergebnissen in DW, dort sind gerade -ler 2 am häufigsten und -ist 3 am seltensten. Dieses Resultat ist aber dadurch bestimmt, daß Bildungen mit -ler in der Zeitungsspr., die hier im Korpus nicht vertreten ist, so häufig sind. Nur bei 2 der 9 Lemmata liegt als Basis ein Komp. zugrunde (beide Lemmata finden sich in Gruppe -er 9), ansonsten werden die Abltgg. stets zu Simplizia gebildet. Stammveränderung kommt nicht vor, findet sich aber in DW 2, S.403 bei einigen Lemmata der Gruppe -ler 2 (Aktionsbündler).

XIII. Herkunftsbezeichnungen a) BSubst.(+SV)-er 4 §450

Ausländer 4, Deutscher 4, Holländer (große Tanne) 2, Italiener 2, Landauer (Wagen), Rheinländer, Schwarzwälder, Schweizer 2, Städter, Württemberger 2

Nach der Duden-Etymologie (S.386) ist Ausländer ein Simplex, doch muß synchronisch von einer Abltg. zu Ausland ausgegangen werden. Dieses Lemma sowie Städter sind die beiden einzigen Gattungsbezeichnungen, alle anderen Lemmata haben als Basis einen Orts-, Regional- oder Ländernamen. Im Falle von Holländer ist allerdings statt von einer Herkunftsbezeichnung eher von einer „Ziel(ort)"-Bezeichnung zu sprechen, denn das Lemma bezeichnet große Tannen, die früher aus dem Schwarzwald nach Holland geflößt wurden. Insofern fällt das Lemma innerhalb der /fer&un/tebezeichnungen aus dem Rahmen, fügt sich aber diesem VIB-Muster ein, 3a es gleichfalls aus einem Ländernamen +-er gebildet ist, weswegen es auch in dieser Gruppe belassen wurde. b) BSubst.-ner 2 § 451

Amerikaner, Amerikaner (Gebäck) 2

DW führt (2, S.399) für diese Gruppe insgesamt 8 Lemmata an, darunter auch das hier belegte, das lediglich aus Gründen der Bedeutungsdifferenzierung für das HGS in zwei Einträgen erscheint. Als Basis dienen, wie DW ausführt, zumeist Länder- oder Kontinentnamen, in Ausnahmefällen auch Ortsnamen (hier nicht belegt.) 278

c) BSubst.(+ SV)-ler 3 §452

Dörfler

Als Regularität für diese Gruppe gibt DW (2, S.399) an, daß die Bildungsweise nach dem Muster -ler auf Regionalbezeichnungen beschränkt ist, die nicht als Namen fungieren, sondern allgmein verwendet werden. d) Zusammenfassung §453

Die Verteilung von Lemmata und Belegen: Lemmata Gruppe

Belege

abs.

%

abs.

%

-er 4 -ner 2 -ler 3

10 2 1

76,92 15,38 7,69

20 3 1

83,33 12,50 4,17

Gesamt

13

100,00

24

100,00

Herkunftsbezeichnungen sind hier recht selten, der überwiegende Teil der Bildungen erfolgt nach dem Muster -er, und dieses Ergebnis entspricht demjenigen in DW. -ner und -ler sind auch nach DW selten genutzte Muster für die Abltg. von Herkunftsbezeichnungen, jedoch ist dort -ler 3 häufiger als -ner 2. Als Basis dienen ganz überwiegend Simplizia, nur bei -er 4 kommen auch zwei Kompp. vor. Stammveränderung kommt bei der Gruppe -ner 2 nicht vor, für die beiden anderen Gruppen gilt, daß bei umlautfähiger Basis auch stets Umlaut der Abltg. eintritt. Die genauen Regularitäten finden sich erschöpfend dargestellt in DW 2, S.398-400. e) Weitere § 454

Herkunftsbezeichnungen

Neben den angeführten Gruppen zur Abltg. von Herkunftsbezeichnungen gibt es noch eine Reihe weiterer derartiger Bildungen, die in keines der besprochenen Muster passen und die auch von DW als Ergänzungen zu den behandelten drei Mustern genannt werden. Da hier das Korpus vollständig beschrieben werden soll, finden sich hier alle weiteren Herkunftsbezeichnungen aufgelistet: Franzose 6, Pole 4, Portugiese 4, Russe, Schwabe 6, Schwabe (Ungeziefer), Türke 3

Die zusammen 7 Lemmata mit 25 Belegen stellen eine quantitativ große Ergänzung zu den angeführten Mustern dar. Die Regularitäten der verschiedenen Bildungsweisen werden von DW (2, S.401f.) ausführlich dargestellt (dort auch für weitere, hier nicht belegte Bildungsmöglichkeiten), so daß sich eine Wiederholung hier erübrigt. Die Lemmata Franzose und Pole (hierher gehört auch Russe) sind aufnahmebedingt hier recht häufig, sie entstammen den Erzählungen zum Themenkomplex „Krieg", und zwar werden die Lemmata fast ausschließlich dort verwendet, wo von Gefangenen berichtet wird, die im Krieg auf Bauernhöfen gearbeitet haben. In den Umkreis von „Krieg" gehört auch das unter -ner 2 geführte Lemma Amerikaner. Demgegenüber nehmen die Bezeichnungen für ausländische Arbeiter in der Gebrauchshäufigkeit einen kleinen Raum ein, es findet sich dazu nur Portugiese, Türke und (bei -er 4) Italiener. Dies liegt daran, daß zum Zeitpunkt, als die meisten Aufnn. entstanden, die das Korpus 279

der vorl. Untersuchung bilden (1955-65), die Problematik und die Anzahl der ausländischen Arbeiter noch nicht so sehr ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gedrungen waren, so daß sich also auch kein Niederschlag davon in den zugrunde gelegten Aufnn. findet.

XIV. OBJEKTBEZEICHNUNGEN

§455

Die hier zusammengefaßten Bildungen bezeichnen das Objekt einer Prädikation, und zwar überwiegend aus Verben. DW trennt wiederum in „primäre" und „sekundäre Prägungen", die vorl. Untersuchung folgt dieser Unterscheidung. Für die Objektbezeichnungen gilt in etwas vergröberter und allgemeiner gefaßter Form bei Personenbezeichnungen das Schema „derjenige, der ge-xt (= BVerb) wird" bzw. bei Sachbezeichnungen „etwas, das ge-xt (= BVerb) wird" als Basis der Wortbildung.

1. Primäre Objektbezeichnungen § 4 56

-ei 8: Anhänger 7, Durchmesser 9, Hänger, Schneller (Spielkugel) 2 -ling 4: Anlernling, Findling, Lehrling 16 -sei 1+: Anhängsel, Häcksel -(i)at 1+: Diktat (S)

Anhänger ist nach dem Kontext keine Personen-, sondern eine Sachbezeichnung, zu der überdies auch noch die nicht-präfigierte Form Hänger belegt ist. Bei Schneller ist als Basis das Verb schnellen anzusetzen. Anlernling wird in DW (2, S.415) als „nicht usuell" bezeichnet. §457

Lemmata und Belege verteilen sich folgendermaßen: Gruppe -er 8 -ling 4 -sei 1+ -(i) at 1 + Gesamt

Lemmata (S) abs. %

Belege (S) abs.

%

4 3 2 1(1)

40,00 30,00 20,00 10,00

19 18 2 KD

47,50 45,00 5,00 2,50

10(1)

100,00

40(1)

100,00

Primäre Objektbezeichnungen sind recht selten, und zwar nach Lemmata wie nach Belegen. Dies Ergebnis entspricht demjenigen in DW, denn auch dort weist keine Gruppe eine große Lemma-Häufigkeit auf. Bei 3 Lemmata erscheint eine präfigierte Basis, und zwar in allen Fällen mit dem Präfix an-, die restlichen Lemmata sind nicht-präfigiert. 3 starke Verben dienen als Basis, 6mal werden schwache Verben verwendet.

280

2. Sekundäre Objektbezeichnungen a) B Verb (+ SV)-0 (mask.) 3 §458

Ablaß (Stammende) 4, Absatz (Verkauf) 6, Abschnitt 3, Abzug 2, Anbau 4, Anbau (Haus), Anzug 13, Aufbau 2, Aufsatz 3, Aufschnitt 2, Auftrag 8, Aufwand, Ausdruck 18, Aushub 2, Bau (Bauwesen) 23, Beitrag 6, Bericht 4, Bescheid 3, Betrieb (Unternehmen) 30, Brand (Schnaps) 2, Bruch 4, Bund 8, Drasch (l.Dreschung) 4, Druck (Buch), Drusch (das Dreschen) 2, Durchschnitt 3, Eindruck, Einsatz 9, Entwurf 2, Erlös 2, Falz 7, Fang, Gewinn, Guß 2, Sang (Gesang), Satz (Drude), Schiß, Schleck (Leckerbissen), Schmaus 2, Schweiß, Spruch 11, Stich (Kupferstich), Sud, Teil (S) 177, Traum, Umbau 2, Umbruch, Umsatz 3, Umtrieb (Umsatz), Verbrauch, Vorhang 2, Vorsatz 2, Vorschlag 3, Vorwurf 2, Wickel, Zug 66, Zuschlag

DW stellt zu den Lemmata dieser Gruppe (2, S.424) fest: „Die meisten von ihnen sind daneben auch als gramm. Abstrakta in Gebrauch, aber nicht alle." Dies bestätigt sich hier, und aus diesem Grund mußten die Lemmata Bund und Einsatz, die im HGS undifferenziert verzeichnet sind, nach der Verwendung getrennt werden und finden sich so auch noch in § 370 bei den Abstrakta. b) B Verb -ung 3 §459

Abfüllung, Abmachung, Abteilung 17, Anforderung, Anschaffung 3, Aufführung 4, Bearbeitung, Bedingung 2, Bekanntmachung 3, Bemerkung, Beschreibung, Bestellung 3, Darstellung, Dichtung (Poesie) 2, Erfindung 2, Forschung, Ladung 2, Leistung 4, Meldung 9, Mischung 3, Rechnung 9, Sammlung 2, Sendung, Stiftung 2, Überlegung, Übertragung 2, Überweisung, Veranstaltung 8, Verordnung 2, Voraussetzung, Vorstellung (Idee), Zahlung, Zeichnung 3, Zukehrung, Zusammenstellung 2

Am weitaus häufigsten sind mit 17 Lemmata die Vorgangsbezeichnungen, es folgen Sachbezeichnungen mit 10 Lemmata und schließlich die Resultatsbezeichnungen mit 8 Lemmata. Die meisten der angeführten Lemmata können auch noch als Abstrakta gebraucht werden, sind so hier aber nicht belegt. c) B Verb (+ SVJ-e (fem.) 4 §460

Anlage 13, Aufgabe 19, Aufnahme 8, Ausbeute 2, Auslage 2, Ausnahme 6, Aussage, Beige, Beschütte, Eingabe, Einlage, Einnahme 2, Fuhre 4, Gabe, Kerbe (S) 2, Lage 18, Lehre 43, Molke, Scheiße (S) 2, Schoche (Heuhaufen) (S) 19, Speise, Sprache 25, Vorhersage 3, Wäsche 14, Wette 2, Zulage, Zunahme, Zusage 2

Beschütte ist eine mdal. Bezeichnung für ,Jauche'. Molke war hier einzuordnen, weil es vom Sprecher der betr. Aufn. individuell als Bezeichnung für , Milch' verwendet wird, statt in der sonst üblichen für das Käsewasser.

d) Ge-BVerb(+SV)-0/-e §461

3

Gedanke 6, Gedicht 3, Gefecht, Geflecht, Gefüge, Gericht, Geröll 3, Geschenk 7, Geschoß, Gewinde 3, Gewölbe

Zu Gefüge stellt WELLMANN (S.135) fest, daß es unsicher sei, ob deverbaler oder desubstantivischer Bezug anzusetzen sei. Für die Untersuchung der Subst.-Derivation entscheidet DW zugunsten des deverbalen Bezugs, dem die vorl. Untersuchung folgt. Die Lemmata sind überwiegend Resultatsbezeichnungen. In einigen Fällen würde durch die suffigierte Form auf -e eine Vorgangsbezeichnung entstehen (Geflecht : Geflechte), bei Geröll wäre die nicht-umgelautete und suffigierte Form eine Vorgangsbezeichnung. 281

e) B Verb (+SV)-0 (fem.) 7+ § 462

Antwort (S) 5, Arbeit (Produkt) (S), Auflage (Buch), Auswahl 2, Brut 3, Einfuhr 2, Mauer (S) 14, Schicht (Lage), Streu 13, Vorarbeit

Für diese Gruppe finden sich hier mehr Lemmata als in DW, wo (2, S.97) lediglich 4 Lemmata verzeichnet sind. Unterschiede zwischen geschriebener und gesprochener Sprache lassen sich aus den hier belegten Lemmata jedoch nicht entnehmen. Antwort wäre nach DW auch als Abstraktum möglich (so findet sich 2, S.233 auch das Verb antworten unter den als Basis für die Abstrakta dienenden Verben), wurde hier aber nach dem Kontext eingeordnet, zumal auch DW das Lemma noch dieser Gruppe zuordnet. f ) B Verb (+SVJ-0 (neutr.) 8+ §463

Angebot, Ausmaß, Band 21, Begehr, Bräu, Floß 13, Gebot, Grab 7, Maß 13, Vesper (S) 36

Auch für diese Gruppe finden sich hier mehr Lemmata als in DW, wo (2, S.97) nur 7 Lemmata genannt sind. Bei Gebot wurde nach dem Kontext eine Zuordnung zu dieser Gruppe getroffen, da das Lemma dem von DW 2, S.428 angeführten („das Gebot brechen") entspricht und keine Abltg. zu bieten darstellt (als solche in DW ebenfalls (2, S.426) in der Gruppe Ge-3 genannt). g) B Verb -nis 2 §464

Erlebnis 8, Erkenntnis 2, Erzeugnis, Mißverständnis, Zeugnis 9

Gegen DW wird Zeugnis als wenn auch schwach, so doch noch motiviertes Lemma angesehen (vgl. DW 2, S.88). h) B Verb -(er) ei 5 § 465

Schnitzerei 2, Stickerei

DW stellt zu den Lemmata dieser Gruppe fest, daß die Verschiebung von den Abstrakta weg zu den Objektbezeichnungen am häufigsten bei verbalen Bezeichnungen für Handarbeiten zu beobachten ist, deren Abltg. dann auch ein handwerkliches Erzeugnis angibt, was sich bei den beiden einzigen hier belegten Lemmata bestätigt. i) BVerb -age 2+ § 466

Silage

Dieses Lemma bezeichnet nach WELLMANN (S.186) primär einen Vorgang, ist hier aber eine Resultatsbezeichnung und war darum nicht unter den Abstrakta einzuordnen.

282

j) § 467

Zusammenfassung

Lemmata und Belege weisen folgende Verteilung auf: Gruppe -0 (mask.) 3 -ung 3 -e (fem.) 4 Ge-3 -0 (fem.) 7+ -0 (neutr.) 8+ -nis 2 -(er)ei 5 -age 2+ Gesamt

Lemmata (S) abs. % 57 (1) 35 28(3) 11 10(3) 10(1) 5 2 1

35,85 22,01 17,61 6,92 6,29 6,29 3,14 1,26 0,63

159 (8)

100,00

Belege (S) abs. 467 99 196 28 43 95 21 3 1

(177) (23) (20) (36)

953 (256)

% 49,00 10,39 20,57 2,94 4,51 9,97 2,20 0,31 0,10

100,00

Am weitaus häufigsten nach Lemmata wie nach Belegen ist hier die Gruppe-0(mask.) 3, an zweiter Stelle erscheint -ung 3. Dies ist ein Unterschied zu DW, wo sich das umgekehrte Ergebnis findet. Die weitere Reihenfolge entspricht der in DW vorfindlichen, mit der Ausnahme der Gruppen -0 (fem.) 7+ und -0 (neutr.) 8+, die hiereine wesentlich größere Lemma-Anzahl aufweisen als dort. Dort wiederum ist -(er)ei 5 häufiger als -nis 2, während hier diese beiden Gruppen nicht besonders häufig sind und überdies nach Lemmata gegenüber DW den Platz tauschen. §468

Es überwiegen leicht die präfigierten Basen: Lemmata verbale Basis präfigiert nicht-präfigiert Gesamt

abs.

%

78 62

55,71 44,29

140

100,00

Dabei weisen die einzelnen Präfixe folgende Häufigkeiten auf: be- 11, auf- 9, aus- 8, ab- 7, an- 7, vor- 7, ein- 6, er- 5, zu- 5, um- 4, über- 3, ver- 3, bei-1, ent-1, miß-1. Starke und schwache Verben als Basis verteilen sich folgendermaßen: Lemmata abs.

%

stark schwach

62 89

41,06 58,94

Gesamt

151

100,00

verbale Basis

Die Relation ist geringfügig zugunsten der starken Verben verschoben (hier: 1 : 1,4; für das Korpus insgesamt 1 : 1,7).

283

3. Zusammenfassung zu den Objektbezeichnungen

§469

Getrennt nach primären/sekundären Objektbezeichnungen ergeben sich folgende Häufigkeiten für Lemmata und Belege im Korupus: Objektbezeichnungen

Lemmata (S) abs. %

Belege (S) abs.

primäre sekundäre

10(1) 159 (8)

5,92 94,08

40 (1) 953 (256)

4,03 95,97

Gesamt

169 (9)

100,00

993 (257)

100,00

%

Sekundäre Objektbezeichnungen sind also deutlich häufiger als primäre. Dies Ergebnis entspricht demjenigen von DW, es zeigt sich dort folgende Häufigkeit (unter Auslassung der Suffixoide und Kompp.): Lemmata Obj ektbezeichnungen

abs.

%

primäre sekundäre

63 278

18,48 81,52

Gesamt

341

100,00

Die Relation primäre : sekundäre Objektbezeichnungen ist in DW nicht so drastisch zugunsten der sekundären verschoben, jedoch überwiegen diese auch dort ganz eindeutigDW teilt zusammenfassend für das dort zugrunde liegende Material mit, daß die Objektbezeichnungen das Ergebnis oder das Produkt der in der Basis genannten Tätigkeit bezeichnen; Personenbezeichnungen werden selten gebildet, weil diese das substantivierte Part.II bezeichne. Dem entspricht das Ergebnis hier, wo sich Personenbezeichnungen nur bei einer Gruppe (-ling 4) finden, ansonsten kommen nur Resultats- bzw. Sachbezeichnungen vor. Für das substantivierte Part.II stellt DW fest, daß die mask. und fem. Abltgg. nur zur Bezeichnung von Personen dienen, die neutr. bezeichnen Nichtbelebtes. Dem entspricht das Ergebnis hier, es zeigt sich (-*• dazu §§327 und 533) zum einen, daß - entsprechend dem Ergebnis in DW (2, S.422) - mask. Abltgg. häufiger sind als neutr. und daß erstere nur als Personenbezeichnungen dienen, letztere Sachbezeichnungen sind. Die substantivierten Part.II erfüllen somit die Funktion, im Rahmen der Objektbezeichnungen die dort wenig vertretenen Personenbezeichnungen zu stellen.

XV. Instrumentativa § 470

Bei den Instrumentativa werden von DW wiederum primäre Prägungen von den sekundären unterschieden, die vorl. Untersuchung folgt dem. Nicht berücksichtigt werden hingegen die von DW gleichfalls herangezogenen Kompp. auf -mittel, -maschine o.ä., die hier als Kompp. betrachtet werden (-»• §§ 25-27 und 177). 284

1. Primäre Instrumentativa a) BVerb (+ SV) -er 2 § 471

Ableger 4, Behälter 4, Binder 14, Blocker (S) 2, Bohrer 4, Dämpfer (Topf) 4, Drescher 3, Dünger, Einschießer (Gerät, um Brot in den Backofen „einzuschieben"), Feger, Fernseher, Fräser (Steinbruchgerät), Hächler 4, Häcksler 2, Hocker, Klemmer (Meßinstrument), Kühler 3, Lenker 2, Quetscher S, Roller, Rührer, Schalter (elektrisch), Schieber 3, Schläger 2, Schlager, Schlepper 27, Schöpfer 2, Schüttler, Sender, Stecher, Umkehrer 2, Wender (Pflug) S, Zähler 2, Zünder 3

Die angeführten Lemmata stammen zur Hälfte aus dem landwirtschaftlichen Bereich, zwei Lemmata finden sich in der Fachspr. der Steinbrucharbeiter (Fräser, Schlager), ein Lemma entstammt der Forstwirtschaft (Klemmer). Diesen insgesamt 13 Lemmata stehen 18 Lemmata gegenüber, die bereichsübergreifend verwendet werden. Bei der Bebrauchshäufigkeit allerdings macht sich ein starkes Überwiegen der landwirtschaftlichen Gerätebezeichnungen bemerkbar, es findet sich aus diesem Bereich das häufigste Lemma der Gruppe überhaupt, Schlepper, 27mal belegt. Dies ist ebenso aufnahmebedingt wie das Fehlen von spezifischen Lemmata aus dem Bereich der Fabrikarbeit, da Bauern im Korpus einen erheblich größeren Anteil an Sprechern stellen als Fabrikarbeiter. b) B Verb -e (fem.) 2 § 472

Beize (S), Breche 5, Bremse 7, Egge (S) 5, Feile (S) 2, Fräse 2, Hacke, Haue (Hacke) 9, Heinze (Heugestell)(S) 23, Hupe (S), Knitsche (S), Lauge (S) 2, Pfeife (S) 4, Presse (S) 9, Reibe 2, Rutsche, Säge (S) 25, Schneide 2, Schraube (S) 8, Schütte 3, Spritze 4, Strecke, Walze (S) 9, Wiege (S), Zudecke

Zu Knitsche ist im Korpus auch das Verb knitschen .quetschen' belegt, Strecke ist ein Gerät zum Strecken. c) Ge-BVerb (+ SV)-0/-e § 473

5

Gebiß, Gebläse 2, Gefäß, Gefühl 5, Gehör 5, Gestell 4, Getriebe 2

Zu Getriebe stellt WELLMANN (S.135) fest, daß nach dem DWB hier nicht sicher auszumachen ist, ob das Lemma von einem Subst. oder von einem Verb abgeleitet ist. Für die vorl. synchronische Untersuchung jedoch ist von einem deverbalen Bezug auf treiben auszugehen, ebenso verfährt FLEISCHER (S.186). d) BVerb(+SV)-el § 474

2

Schlüssel 5, Stichel (S), Triebet

Bei Triebet handelt es sich um eine fachsprl. Bezeichnung für ein Werkzeug zum Treiben. Auch in DW ist diese Gruppe recht selten, es finden sich dort insgesamt vier Lemmata. Stichel wird dort zwar erwähnt, jedoch als „nur bei Adelung" belegt geführt (DW 2, S.440); es findet sich aber auch hier im Korpus in identischer Bedeutung.

285

e) B Verb -(at)or2 §475

Kultivator

Diese Gruppe ist hier sehr selten, im Gegensatz zu DW, wo 15 Lemmata verzeichnet sind. f ) Zusammenfassung § 476

Lemmata und Belege weisen bei den primären Instrumentativa folgende Häufigkeiten auf: Gruppe

Lemmata (S) abs. %

abs.

-er 2 -e (fem.) 2 Ge-5 -el 2+ -(at)or 2

34 (1) 25 (13) 7 3 (1) 1

48,57 35,71 10,00 4,29 1,43

111 (2) 129 (91) 20 7 (1) 1

41,42 48,13 7,46 2,61 0,37

Gesamt

70 (15)

100,00

268(94)

100,00

Belege (S)

%

Am weitaus häufigsten nach Lemmata ist die Gruppe -er 2, jedoch weisen die Lemmata der Gruppe -e (fem.) 2, die an 2. Stelle der Lemma-Häufigkeit stehen, die größere Gebrauchshäufigkeit auf. Die übrigen drei an der Bildung von primären Instrumentativa beteiligten Gruppen sind nach Lemmata wie nach Belegen (Ausnahme: Ge- 5 bei der Gebrauchshäufigkeit) gleich selten. Das Ergebnis entspricht fast demjenigen in DW, denn auch dort sind die beiden häufigsten Gruppen -er 2 und -e (fem.) 2, gefolgt allerdings von -(at)or 2, das dort häufiger ist als hier und noch vor den beiden anderen Gruppen steht. § 477

Es überwiegen sehr stark die nicht-präfigierten Basen: verbale Basis

Lemmata abs.

präfigiert nicht-präfigiert

5 43

10,42 89,58

Gesamt

48

100,00

%

Die vorkommenden Präfixe sind je einmal belegt, es handelt sich in einzelnen um ab-, be-, ein-, um- und zu-. Starke und schwache Verben verteilen sich folgendermaßen: Lemmata verbale Basis

abs.

%

stark schwach

17 38

30,91 69,09

Gesamt

55

100,00

In der Relation zwischen starken und schwachen Verben als Basis zeigt sich, daß hier die schwachen Verben überwiegen, denn die Relation beträgt hier 1 : 2,3, während für die Abltgg. insgesamt eine Relation von 1 : 1,7 ermittelt wurde (-+§313). 286

2. Sekundäre Instrumentativa a) BVerb (+ SV) -ung4 §478

Armierung, Auszeichnung 4, Bedeckung, Beleuchtung 2, Belohnung, Bindung, Deckung 2, Einrichtung 2, Entlohnung, Entschädigung, Erklärung, Feuerung, Heizung 3, Leitung 6, Lenkung, Nahrung, Sicherung, Überbrückung, Übersetzung (Getriebe), Umfassung, Unterstützung 4, Verbindung (Verkehr) 3, Verbindung (Verknüpfung) 10, Verpackung, Verpflegung 9, Versicherung 3, Zündung

An vielen dieser Lemmata zeigt sich sehr deutlich, daß sie auch als Abstrakta fungieren können und sich somit als „sekundäre" Instrumentativa erweisen. Die Einordnung geschah nach dem Kontext. b) BVerb (+SV) -0 (mask.) 4 §479

Anstrich, Aufzug, Ausgleich 3, Ausweis, Belag, Beschlag, Bezug, Dung 7, Ersatz 4, Griff 4, Hinweis, Schapf (Schöpfgefäß), Schutz 10, Verstand 6, Verband, Verschluß, Wisch 3

Zu Verband stellt DW 2, S.446 fest, daß es „kaum mehr dazu verwandt" werde, „ein Prädikat in der Weise aufzunehmen, wie es sonst durch das Abstraktum geschieht". Hier im Korpus ist Verband in beiden Verwendungsweisen gleich häufig belegt, und erst nach Kenntnis der Gebrauchshäufigkeit läßt sich feststellen, welche Verwendungsweise die häufigste ist. Weil DW aber keine Beleghäufigkeiten mitteilt, ist eben dies für das dort zugrunde liegende Material unmöglich. c) B Verb -(at)ion 4 §480

Dekoration (S), Kanalisation

Bei diesem Muster scheint die instrumentative Verwendung insgesamt recht selten, DW führt 10 Lemmata an (2, S.447). d) Zusammenfassung § 481

Lemmata und Belege weisen folgende Verteilung auf: Gruppe

Lemmata (S) abs.

Belege (S)

%

abs.

%

-ung 4 -0 (mask.) 4 -(at) ion 4

27 17 2(1)

58,70 36,96 4,35

64 47 2(1)

56,64 41,59 1,77

Gesamt

46(1)

100,00

113(1)

100,00

Nach Lemmata wie nach Belegen sind Instrumentativa zum Muster -ung am häufigsten, gefolgt von Abltgg. mit Null-Morphem, während die hier gleichfalls belegte Bildungsmöglichkeit auf -(at)ion im Vergleich zu diesen Mustern sehr selten ist. Dies entspricht dem Ergebnis in DW.

287

§482

Es überwiegen deutlich die präfigierten Basen:

veibale Basis

Lemmata abs.

Gesamt

% 62,22 37,78

präfigiert 28 nicht-präfjgiert 17

100.00

45

Dabei kommen folgende Präfixe vor: ver- 8, be- 6, aus- 3, ent- 2, er- 2, über- 2, an-1, auf-1, ein-1, u m - 1 , unter-1. Starke und schwache Verben als Basis verteilen sich wie folgt: Lemmat a verbale Basis

abs.

%

stark schwach

14 31

31,11 68,89

Gesamt

45

100,00

Es zeigt sich hier eine zugunsten der schwachen Verben verschobene Relation (1 : 2,2), während in §313 eine solche von 1 : 1,7 ermittelt wurde (für die Abltgg. insgesamt).

3. Zusammenfassung zu den Instrumentativa

§483

Zunächst eine Übersicht über die Häufigkeiten von primären und sekundären Instrumentativa im Korpus: Lemmata (S) Instrumentativa abs. % primäre sekundäre Gesamt

Belege (S) abs.

%

70(15) 46 (1)

60,34 39,66

268 (94) 113 (1)

70,34 29,66

116(16)

100,00

381(95)

100,00

Primäre Instrumentativa sind also nach Lemmata wie nach Belegen häufiger als sekundäre. Das Ergebnis entspricht in hohem Maße dem von DW, dort läßt sich aus der Tabelle (2, S.450) folgendes Ergebnis ermitteln (ohne die Kompp.): DW Lemmata Instrumentativa abs.

288

%

primäre sekundäre

224 126

64,00 36,00

Gesamt

350

100,00

§484

Bei den präflgierten bzw. nicht-präfigierten Verben als Basis zeigt sich, daß primäre Instrumentativa selten präfigierte Basen haben, während sekundäre eher präfigiert gebildet werden: Lemmata Basis präfigiert

abs.

%

primäre Instrumentativa sekundäre Instrumentativa

5 28

15,15 84,85

Gesamt

33

100,00 Lemmata

Basis nicht-präfigiert

abs.

%

primäre Instrumentativa sekundäre Instrumentativa

43 17

71,67 28,33

Gesamt

60

100,00

An den beteiligten Präfixen ändert sich sehr wenig, die Werte können leicht aus den §§477 und 482 ermittelt werden. Bei den starken und schwachen Verben als Basis zeigt sich, daß die Relation zugunsten der schwachen Verben verschoben ist, denn für die Instrumentativa insgesamt gilt die Relation von 1 : 2,3, während für die Abitgg. in §313 eine solche von 1 : 1,7 ermittelt wurde. §485

Die von DW vorgenommene Unterteilung in primäre und sekundäre Instrumentativa zeigt sich begründet durch die unterschiedliche Bezeichnungsfunktion, zu der DW (2, S.449) feststellt, daß die primären Instrumentativa eine spezifisch individuative Zeichenfunktion haben und ganz überwiegend Gerätebezeichnungen sind, während die sekundären Instrumentativa z.T. als weniger spezifische Bezeichnungen für etwas dienen, dessen man sich bei der im zugrunde liegenden Verb genannten Tätigkeit bedient. Dies bestätigt sich hier am Korpus, so daß sich Unterschiede zwischen geschriebener und gesprochener Sprache bei den Instrumentativa nicht zeigen.

XVI. Locativa

§486

Bei den deverbalen Locativa trennt DW wiederum in primäre und sekundäre Prägungen, was hier übernommen wird. Die Vergleichbarkeit beider Untersuchungen ist jedoch dadurch etwas erschwert, daß hier beim Muster -(er) ei Änderungen gegenüber DW vorgenommen wurden (-*• hierzu §234), die im Bereich dieses Musters eine Vergleichbarkeit ausschließen. Alle anderen Gruppen wurden jedoch so übernommen, wie sie sich auch in DW finden. 289

1. Primäre Locativa mit einem Verb als Basis a) B Verb (+ S V) -e (fem.) 6 § 487

Ablage 5, Anrichte 2, Dörre 5, Miste 6, Moste, Schmiede 8, Steige 6, Tränke 2, Weide 28

Neben Miste, das eine Abltg. zum hier gleichfalls belegten Verb misten darstellt (9mal belegt), ist auch das Komp. Misthaufen belegt, das mit nur 2 Belegen seltener ist als die Abltg. Korpusbedingt ist die extreme Vorkommenshäufigkeit von Weide. b) BVerb-(er) ei 3+ §488

Kellerei

Als einziges Lemma für die rein deverbale Gruppe der Locativa auf -(er) ei fand sich hier im Korpus das angeführte Lemma. Die Einordnung in diese Gruppe geschah nach dem trafoWert, aus dem sich „Ort, an dem etw. gekellert wird" ergibt. c) Zusammenfassung § 489

Eine Übersicht über die Verteilung von Lemmata und Belegen: Lemmata Gruppe -e (fem.) 6 -(er) ei 3+ Gesamt

Belege

abs.

%

abs.

%

9 1

90,00 10,00

63 1

98,43 1,56

10

100,00

64

100,00

Hier ist eindeutig die Gruppe -e (fem.) 6 am häufigsten an der Bildung von primären Locativa beteiligt. Ein Vergleich mit DW scheidet aus, da dort ja die Gruppe -(er)ei 3 anders gefaßt ist. Es findet sich lediglich bei der Gruppe -e (fem.) 6 bei 2 Lemmata eine präfigierte Basis (ab- und an-), 8 Lemmata sind zu nicht-präfigierten Verben als Basis gebildet. Nur bei 1 Lemma der Gruppe -e (fem.) 6 ist ein starkes Verb die Basis, die restlichen 9 Lemmata sind zu schwachen Verben gebildet.

2. Sekundäre Locativa mit einem Verb als Basis a) B Verb (+SV) -0 (mask.) 2 § 490

Abfluß, Ablauf, Anschluß, Ausgang 8, Eingang 4, Einschlag 2, Einschuß, Gang (Hausgang), Hau, Riß 4, Schlag (Waldrevier) 5, Sitz 5, Unterschlupf 2, Unterstand

Hau wird von DW 2, S.455 als „nur bei Adelung" belegt angeführt, findet sich jedoch in identischer Bedeutung auch im Korpus der vorl. Untersuchung und gehört ebenso wie das recht oft gebrauchte Schlag zur Terminologie der Waldarbeiter im Schwarzwald. Die Lemmata Ablauf und Anschluß wurden schon bei den Abstrakta in §370 behandelt, nach dem Kontext mußten die im HGS undifferenziert genannten Lemmata geteilt werden. 290

b)BVerb -ung 7 § 491

Abzweigung, Ansiedlung, Biegung, Handlung, Siedlung 17, Sommerung, Wohnung 24

Wohnung wird von DW auch unter den Abstrakta der Gruppe -ung 1 genannt (DW 2, S.213), kommt aber so im Korpus nicht vor und wurde nach dem Kontext dieser Gruppe zugeordnet. Sommerung wird vom Sprecher der Aufn., der der Beleg entstammt, erläutert als , Pflanzland für Sommergewächse wie Gerste oder Hafer' und findet sich in eben dieser Bedeutung im SId.7,984 angeführt. Es handelt sich dabei um eine Abltg. zum ebd. 7,980 genannten Verb sum(m)eren (und das SId. führt folglich auch das Subst. als Sum(m)ering) mit der Bedeutung ,die Sommerfrüchte anpflanzen'. Weder Verb noch Subst. sind in dieser Bedeutung im SWb. belegt. Das SWb. verzeichnet nur Lautformen mit -o- bzw. -ö-, keine mit -u- wie das SId. (vgl. Sommerung bzw. sömmeren im SWb.5,1441 und 1444), deren Bedeutung aber auf das hier belegte Lemma nicht paßt. Für das HGS wurde die Aussprache des Sprechers beibehalten. c) Ge-B Verb-0/-e 8+ § 492

Gericht 4

Das Lemma findet sich auch in DW 2, S.455 in identischer Bedeutung, jedoch wurde diese Gruppe des Musters Ge- -Oj-e dort nicht in die Übersicht dazu (S.50) aufgenommen, so daß hier aus systematischen Gründen eine Indizierung vorgenommen wurde. In DW finden sich insgesamt nur 5 Lemmata, so daß es sich um eine nur wenig entwickelte Bezeichnungsfunktion des Musters handelt. d) BVerb-(at)ur §493

2+

Registratur

In DW findet sich zu dieser Gruppe (2, S.456) neben dem angeführten Lemma nur 1 weiteres Lemma, das als „nicht usuell" gekennzeichnet ist. e) Zusammenfassung § 494

Lemmata und Belege weisen folgende Verteilung auf: Gruppe

Lemmata

Belege

abs.

%

abs.

-0 (mask) 2 -ung 7 Ge- 8+ -(at)ur 2+

14 7 1 1

60,87 30,43 4,35 4,35

37 46 4 1

42.05 52,27 4,55 1,14

Gesamt

23

100,00

88

100,00

%

Am weitaus häufigsten sind also sekundäre Locativa auf -0 (mask), die nächst häufige Gruppe -ung 7 ist nur noch halb so häufig, und die beiden anderen hier belegten Muster sind demgegenüber extrem selten. Bei der Beleghäufigkeit jedoch weist -ung 7 eine größere Häufigkeit auf als -0 (mask.) 2, doch sind auch die nach Lemmata seltenen 291

anderen Gruppen nach Belegen nicht besonders häufig. In DW ist gleichfalls die Gruppe -0 (mask.) 2 häufiger als -ung 7, jedoch ist dort die Relation deutlich zugunsten von -0 (mask.) 2 verschoben, das 6mal häufiger ist als -ung 7. § 495

Es überwiegen geringfügig die nicht-präfigierten Basen: verbale Basis präfigiert nicht-präfigiert

Gruppe -0 (mask.) 2 -ung 7 -(at) ur 2+ Gesamt

9 2

5 5 1

-

13

19

Im einzelnen finden sich dabei bei -ung 7 die Präfixe ab- und an- je lmal belegt, bei -Ofmask.) 2 kommen ein- 3mal, ab-und unter-je 2mal sowie an-und aus- lmal vor. Starke und schwache Verben als Basis kommen in folgender Verteilung vor:

Gruppe

verbale Basis stark schwach

-0 (mask.) 2 -ung 7 Ge- 8+ -(at)ur 2+

13 1

Gesamt

15

-

1 6 1 1 18

3. Zusammenfassung zu den deverbalen Locativa

§ 496

Primäre und sekundäre Locativa mit einem Verb als Basis weisen folgende Häufigkeiten auf: Lemmata

Belet e

Locativa

abs.

%

abs.

%

primäre sekundäre

10 23

30,30 69,70

64 88

42,11 57,89

Gesamt

33

100,00

152

100,00

Sekundäre Locativa sind also häufiger als primäre, und dieses Ergebnis entspricht demjenigen von DW. Bei den primären Locativa überwiegen eindeutig die nicht-präfigierten Basen, bei den sekundären ist dies zwar genauso, jedoch ist der Unterschied nicht so ausgeprägt. Faßt man alle vorkommenden Präfixe zusammen, so zeigen sich folgende Häufigkeiten für die einzelnen Präfixe: ab- 4, an- 3, ein- 3, unter- 2, aus-1. Schwache Verben überwiegen bei den primären Locativa als Basis (9 : 1). Dies ist zwar bei den sekundären Locativa genauso, jedoch ist hier die Relation nicht so deutlich zugunsten der schwachen Verben verschoben (-*• §495). 292

4. Locativa mit einem Substantiv als Basis

§497

Bei den desubstantivischen Locativa unterscheidet DW zwei Großgruppen, nämlich solche Locativa, die eine Personenbezeichnung als Basis haben, und solche, denen eine Produktbezeichnung zugrunde liegt. Letzteres betrifft allerdings nur das Muster -(er)ei, denn zu den anderen Mustern finden sich keine Abltgg. aus Produktbezeichnungen (außer bei Kompp. auf -werk, die DW einbezieht, die aber hier entfallen und bei den Kompp. abgehandelt erscheinen). Die hier als -(er)ei 4+ und -tum 3 bezeichneten Gruppen entsprechen also Abltgg. aus einer Prädikation aus einer substantivischen Personenbezeichnung, die Gruppe -(er)ei 8 enthält Abltgg. aus einer Prädikation aus einer substantivischen Produktbezeichnung. a) BSubst. -(er)ei 4+

§498

Bildhauerei, Buchbinderei 2, Försterei, Gärtnerei 6, Konditorei 11, Küferei, Maierei, Pfarrei 8, Schuhmacherei 2, Uhrenmacherei, Wagnerei 5

DW führt (2, S.461f.) drei Kategorisierungsmöglichkeiten an, die sich aus den Umformproben ermitteln lassen. Es ergeben sich dabei drei semantische Reihen mit den Prädikationen (a) arbeiten, (b) wohnen und (c) leiten. Zum Typ (a), der Substt. aus dem Umkreis von Betrieb, Geschäft, Produktionsstätte enthält, würden demnach von den oben angeführten Lemmata alle bis auf Försterei, Maierei und Pfarrei gehören (Gärtnerei -*• Betrieb¡Geschäft, in dem ein Gärtner arbeitet, nach DW 2, S.461), Försterei und Maierei entsprechen dem Typ (b), wo Substt. wie „Wohnung", „Sitz" oder „Residenz" erscheinen (Försterei -*• Wohnung eines Försters, nach DW 2, S.462), und für Pfarrei ergibt sich der Typ (c) mit der Prädikation „etw. verwalten, leiten" (nach DW 2, S.462). Zur gegenüber DW etwas geänderten Gruppeneinteilung -*• §234. b) BSubst. -tum 3 § 499

Fürstentum

Abltgg. dieses Musters werden zur Bezeichnung eines Herrschaftsgebietes verwendet. DW führt insgesamt 5 Lemmata an (darunter auch das hier belegte), so daß diese Gruppe nicht sehr umfangreich zu sein scheint. c) BSubst. -(i)at 3 §500

Protektorat

Mit nur 7 Lemmata in DW scheint diese Gruppe auch in geschriebener Sprache nicht besonders umfangreich zu sein. d) BSubst. -(er)ei 8 §501

Glaserei, Käserei 3, Molkerei 4, Mosterei, Rahmkäserei, Sprudlerei (Sprudelfabrik), Sprudelei (Sprudelfabrik), Stuterei, Süßmosterei, Ziegelei

293

Mosterei wird im HGS undifferenziert geführt, mußte aber für die vorl. Untersuchung nach dem Kontext in zwei Lemmata getrennt werden und steht auch schon in §372 als Vorgangsbezeichnung. In dieser Gruppe finden sich nun die Locativa auf -(er) ei, die aus substantivischen Produktbezeichnungen gebildet werden. Für das Lemma Stuterei ist jedoch der von DW gegebene trafoWert (2, S.465 zu Käserei: y stellt z (Käse) in v her ist eine Käserei) etwas zu ändern, wobei statt „stellt her" wohl „züchtet" anzusetzen ist. Die Lemmata Sprudelei/Sprudlerei werden von demselben Sprecher gebraucht.

5. Zusammenfassung zu den desubstantivischen Locativa

§502

Lemmata und Belege weisen folgende Verteilung auf: Lemmata Gruppe

Belege abs.

%

30,00 4,55 4,55 40,91

39 2 1 14

69,64 3,57 1,79 25,00

100,00

56

100,00

abs.

%

-(er) ei 4+ -tum 3 -(i)at 3 -(ex) ei 8

11 1 1 9

Gesamt

22

Abweichend vom sonst hier herrschenden Prinzip, die Gruppen nach Lemma-Häufigkeit anzuordnen, wurde hier die Trennung nach den beiden von DW vorgegebenen Großgruppen beibehalten derart, daß die ersten drei Gruppen den Abltgg. aus Personenbezeichnungen, die letzte Gruppe den Abltgg. aus Produktbezeichnungen entspricht. Faßt man die drei zur ersten Großgruppe gehörenden Gruppen einmal zusammen und stellt sie der zweiten Großgruppe gegenüber, so zeigt sich folgende Häufigkeitsverteilung: Lemmata

Belege

abs.

%

abs.

Personenbezeichnungen Produktbezeichnungen

13 9

59,09 40,91

42 14

75,00 25,00

Gesamt

22

100,00

56

100,00

Ableitung aus

%

Abltgg. zur ersten Großgruppe sind etwas häufiger als diejenigen zur zweiten, und zwar nach Lemmata wie nach Belegen (hier sogar noch deutlich häufiger). Auch in DW sind Abltgg. auf -(er)ei 4+ unter den in der ersten Großgruppe vertretenen Mustern am weitaus häufigsten, gefolgt von-tum 3, so daß sich beide Untersuchungen im Endergebnis entsprechen, wiewohl berücksichtigt werden muß, daß hier die Gruppe -(er)ei 4+ etwas anders gefaßt ist als in DW. Das dort vertretene Muster -schaft fehlt hier.

294

Die als Basis dienenden Simplizia, Abltgg. und Kompp. weisen folgende Lemma-Häufigkeit auf: Basis

Lemmata abs.

%

Simplex Kompositum Ableitung

15 5 2

68,18 22/73 9,09

Gesamt

22

100,00

6. Doppelt motivierte Locativa §503

Zum Muster -(er) ei gibt es eine ganze Reihe von Lemmata, die als doppelt motiviert angesehen werden müssen, weil hier der Bezug auf ein Verb wie auf ein Subst. gleichermaßen möglich ist. Hierdurch ergibt sich eine Änderung der Gruppeneinteilung bei diesem Muster gegenüber DW, die im einzelnen in §234 beschrieben ist. Ein direkter Vergleich mit DW ist aufgrund der vorgenommenen Änderungen nicht möglich. a) BVerbjSubst.

§504

-(er)ei 9+

Bäckerei 27, Brauerei 13, Brennerei 4, Druckerei 2, Gerberei, Gießerei 2, Metzgerei 7, Schneiderei 2, Schreinerei 13, Setzerei, Spinnerei 2, Stanzerei, Weberei 3

Einige Lemmata (z.B. Bäckerei) weisen eine sehr große Gebrauchshäufigkeit auf, von der aber nicht ohne weiteres behauptet werden kann, daß sie korpusbedingt sei; hier müßten ähnliche Angaben aus einem Korpus geschriebener Sprache vorliegen, bevor gültige Aussagen möglich sind. Schreinerei findet sich in dieser Gruppe, weil davon ausgegangen wird, daß im Verständnis der Sprecher als substantivische Motivationsbasis nicht Schrein, sondern wohl Schreiner angesehen wird. Die folgende Zusammenstellung zeigt, ob das als Basis in Frage kommende Verb bzw. Subst. im HGS belegt (+) oder nicht belegt (-) ist:

Lemma Bäckerei Brauerei Brennerei Druckerei Gerberei Giefierei Metzgerei Schneiderei Schreinerei Setzerei Spinnerei Stanzerei Weberei

Verb +

HGS Subst. +

-

+ + +

-

+ +

-

-

+ +

+ +

+

+

+ + + +

-

+

295

In der Hälfte der Fälle ist im Korpus sowohl das Verb wie auch das Subst. belegt, 2mal ist weder das eine noch das andere belegt, 4mal ist nur das Verb belegt. Das Fehlen des Verbs und/oder des Subst. bedeutet jedoch nicht, daß die fragliche Abltg. dann nicht als doppelt motiviert angesehen werden kann, vielmehr ist das Fehlen des Verbs/ Subst. lediglich korpusbedingt. Die Umformprobe, die DW 2(S.451) für diese doppelt motivierten Bildungen angibt, läßt sich bei allen hier belegten Lemmata durchfuhren: Bäckerei (a) -*• Ort/Betrieb, an/in dem man z (= Brot...) bäckt/an /in dem z gebacken wird;(b) -*• Ort/Betrieb, an/in dem Bäcker arbeiten.

7. Zusammenfassung zu den Locativa § 505

Lemmata und Belege weisen folgende Verteilung auf: Lemmata

Belege

Basis

abs.

%

abs.

Verb Subst. Verb/Subst.

33 22 13

48,53 32,35 19,12

152 56 78

53,15 19,58 27,27

Gesamt

68

100,00

286

100.00

%

Am häufigsten werden Locativa also deverbal gebildet, wobei unter den deverbalen Locativa die sekundären Prägungen häufiger sind als die primären (-»• §496). In DW finden sich in der Zusammenfassung (2, S.468) insgesamt 149 deverbale und 51 desubstantivische Lemmata, d.h., daß die deverbalen Locativa fast 3mal so häufig sind wie die desubstantivischen. Hier zeigt sich eine solch große Differenz nicht, jedoch ist zu berücksichtigen, daß hier das Muster -(er)ei durch Ausgliederung der doppelt motivierten Lemmata, die DW nicht führt, umgestaltet wurde. Übereinstimmend zeigt sich in beiden Untersuchungen, daß Locativa überwiegend deverbal gebildet werden. §506

Mit den Locativa endet die Darstellung der Subst.-Derivation in DW. Weil für die vorl. Untersuchung das zugrunde gelegte Korpus aber vollständig beschrieben werden soll, müssen nun noch die hier vorhandenen weiteren Bildungsweisen, die zumeist quantitativ nicht besonders häufig sind, besprochen werden. Es müssen auch noch die Restgruppen, die in DW teilweise nicht berücksichtigt werden, angeführt werden. Für die meisten der folgenden Gruppen scheidet eine Vergleichbarkeit mit DW aus.

XVII. Kurzformen

§ 507

Bei den im folgenden anzuführenden Lemmata handelt es sich um Bildungsweisen, die teilweise nur der oberdt. gesprochenen Sprache eigen sind und in geschriebener Sprache so nicht vorkommen. Gemeinsam ist allen hier zusammengefaßten Lemmata, daß sie aus Verkürzungen von Kompp. entstanden sind. 296

1. Deverbale Kurzformen a) B Verb -e(fem.) 8+ § 508

Säge (Sagemühle) 2, Schneide (Schneiderwerkstatt), Schütze (Fest) 5, Schwinde (Schwindsucht)

Die hier zum Muster -e(fem.) gebildeten Kurzformen werden auch von SZADROWSKY, Abstrakta, S.l 6 angeführt, dort jedoch aufgrund derschweizerdt. Ausspr. mit der Endung -i (z.B. Öli, Mosti). SZADROWSKY analysiert die betr. Bildungen als Kurzformen zu den Kompp. Öl-Müll und Most-Ribi und sieht einen doppelten Bezug, nämlich einerseits zum Verb, andererseits zum Subst. (also ölen bzw. Ö0- Für die vorl. Untersuchung wird nur deverbaler Bezug angenommen, da z.B. im Falle von Schwinde ein entsprechendes Subst. fehlt. Neben der Kurzform Schütze findet sich im Korpus auch noch das Komp. Schützenfest 3mal belegt, wobei 1 Beleg vom selben Sprecher stammt, der die 5 Belege für die Kurzform beiträgt. In der betr. Aufn. verwendet der Sprecher das Komp. am Anfang der Aufn., und als später das Gespräch wiederum auf die betr. Thematik zurückkommt, wird 5mal die Kurzform verwendet. Möglicherweise handelt es sich um eine individuelle Bildung. Gemeinsam ist allen hier belegten Lemmata, daß sie statt eines Subst.-Kompositums mit deverbalem Erstglied als Abltg. zu einem Verb + -e auftreten. Im Korpus sind auch Sägemühle sowie die Abltg. Schneiderei belegt, nicht jedoch das Komp. Schneiderwerkstatt, Schwindsucht fehlt. Bildungen zu dieser Gruppe scheinen weiter ausbaufähig bei Lemmata, die als Komp. in ihrem Zweitglied etwa -Werkstatt, -halle o.ä. haben, wobei der zweite Teil des Komp. gekürzt und durch die Endung -e ersetzt wird. 2. Desubstantivische Kurzformen a) BSubst. -er 12+ §509

Dampfer 3

Diachronisch wäre das Lemma wohl als deverbal zu erklären, synchronisch hingegen liegt der Bezug auf ein Subst. näher. Hier wird das Lemma - analog FLEISCHERs Vorgehen (S.l42) - als eine Verkürzung eines entsprechenden Subst.-Komp. aufgefaßt. So wäre Dampfer zu interpretieren als Dampfschiff, wobei der zweite Teil des Komp. ausfällt und die Endung -er an seine Stelle tritt. Analog gebildet sind nach FLEISCHER Bomber, Frachter, Laster, Tanker aus entsprechenden Bombenflugzeug, Frachtschiff, Last(kraft)wagen, Tankschiff Von ähnlich aussehenden anderen Abltgg. auf -er unterscheiden sich die Kurzformen deutlich: Während etwa Drescher als Gerät möglicherweise eine Verkürzung zu Dreschmaschine darstellt, die umgeformt werden kann zu .Gerät, mit dem man dreschen kann', ist eine solche Umformung bei den angeführten Lemmata nicht möglich: Tankerist nicht gleich .Fahrzeug, mit dem man tanken kann'. Der Unterschied liegt darin, daß bei Drescher wohl doch eher mit deverbalem Bezug zu rechnen ist, weil das der Abltg. zugrunde liegende Verb die Tätigkeit bezeichnet,dieAbltg.danndasNomenagentisPwas bei den hier angeführten Lemmata unmöglich ist. Entsprechend wurden hier die Instrumentativa auf -er als deverbal aufgefaßt, die Kurzformen jedoch als desubstantivisch. 1) „Nomen agentis" gilt hier unabhängig davon, ob es sich um eine Person oder um ein Gerät handelt. Vgl. die betr. Ausfuhrungen bei SZADROWSKY, Nomina (S.29) und im vorl. Band Einleitung §9 sowie §§19, 27 und 34.

297

XVffl. Verwandtschaftsbezeichnungen

a) Ur-BSubst. 3+ §510

Urenkel, Urgroßmutter 2, Urgroßvater 10, Ururgroßvater 2

Die angeführten Lemmata dienen als Verwandtschaftsbezeichnungen des nächsten Grades der direkten Verwandtschaft (auf-/absteigend), hinzugenommen wurde noch die um eine Stufe weiter zurückweisende Bezeichnimg Ururgroßvater. Dieses Lemma zeigt auch die weitere Ausbaufahigkeit des Musters Ur- in dieser Funktion an, indem durch die Präfigierung jeweils um eine Stufe zurück- bzw. vorverwiesen werden kann.

XIX. Bezeichnung des nicht Verwertbaren

a) Ab-BSubst. § 5 11

1+

Abholz, Abwasser

Wie schon in §206 erwähnt, findet sich das hier behandelte Präfix Ab- in DW 2 nicht als eigenes WB-Muster angeführt. FLEISCHER hingegen behandelt Ab- im Rahmen weiterer Präfixbildungen, die alle in DW 2 fehlen. Die meisten dieser Präfixbildungen haben jedoch ihren präpositionalen Charakter noch bewahrt und sind daher eher als Zusammensetzungen anzusehen denn als Abltgg. (vgl. die bei FLEISCHER gegebene Zusammenstellung S.224-226). Da Ab- jedoch anders fungiert als etwa Über-, wird es hier behandelt. Ist bei Abwasser sofort zu erkennen, daß es sich um eine „Bezeichnung des nicht Verwertbaren" (in FLEISCHERs Terminologie) handelt, ist dies bei Abholz nicht so. Das Lemma stellt eine Verkürzung aus Abfallholz dar (ebenfalls lmal im Korpus hier belegt) und macht erst in der ungekürzten Form deutlich, daß das Lemma hierher gehört.

XX. Zusammenfassung zum semantischen Teil

§512

Die folgende Übersicht zeigt, in welchen Häufigkeiten (nach Lemmata wie nach Belegen) die einzelnen semantischen Klassen, die in der vorl. Untersuchung berücksichtigt wurden, vorkommen:

298

Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Klasse Abstrakta Deminutiva Subjektbezeichnungen Objektbezeichnungen Instrumentativa Locativa Movierung KoUektiva Herkunftsbezeichnungen Zugehörigkeitsbezeichnungen aus dem Umkreis .falsch* Negation Verwandtschaftsbezeichnungen Bezeichnung des Ursprünglichen Augmentativa Bezeichnung d. nicht Verwertbaien

Gesamt Affix weglaßbar sonst. Herkunftsbezeichnungen Kurzformen

Lemmata (S) abs. % 496 (65) 32,80 276 18,25 270 (16) 17,86 169 (9) 11,18 115 (15) 7,61 68 4,50 46 3,04 27 1,79 13 0,86 9 0,60 7 0,46 5 0,33 4 0,26 3 0,20 2 0,13 2 0,13 1512(105) 14 7 5

100,00

Belege (S) abs. % 2526 (628) 38,29 824 12.49 1246 (67) 18.89 993 (257) 15,05 381 (95) 5,78 286 4,34 123 1,86 120 1,82 24 0,36 14 0,21 17 0,26 17 0,26 15 0,23 5 0,08 4 0,06 2 0,03 6597(1047) 100,00 58 25 12

Am weitaus häufigsten werden durch die Subst.-Derivate also Abstrakta gebildet, es folgen mit deutlichem Abstand die Deminutiva. Daß Abstrakta so außerordentlich häufig sind (und zwar nach Lemmata wie nach Belegen), liegt wohl daran, daß sie am „vielseitigsten" in der Bezeichnungsfunktion sind, denn neben der Bezeichnung von Abstraktem (Freiheit) dienen sie u.a. auch als Vorgangsbezeichnungen (Kampf), als Resultatsbezeichnungen ( T r e f f e r ) oder als Sachbezeichnungen (Glasur). Daß die Deminutiva an 2. Stelle stehen, dürfte mit der (mehr oder minder starken) affektischen Sprechweise, wie sie im UG auch und gerade in der Alltagsspr. üblich ist, zusammenhängen. Die drei übrigen, unter dem Gesamt angeführten Klassen, also „Affix weglaßbar", „sonstige Herkunftsbezeichnungen" und „Kurzformen", stellen strenggenommen keine semantischen Klassen dar und erscheinen darum hier außerhalb der übrigen Klassen, müssen aber der Vollständigkeit halber mitangeführt werden. Es fehlen in obiger Übersicht auch die Restgruppen, die ja alle irgendeiner der genannten Klassen zugehören. Da es sich bei diesen Gruppen aber zumeist um Einzelfälle handelt, ist der durch die Nichtberücksichtigung entstehende Fehler gering. Für den folgenden Vergleich mit DW werden natürlich nur diejenigen Klassen berücksichtigt, die auch DW abhandelt. Zunächst die für DW errechneten Lemma-Anzahlen:

299

DW Lemmata Rang

Klasse

abs.

%

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Abstrakta Subjektbezeichnungen Movierung Deminutiva Instrumentativa Objektbezeichnungen Locativa Kollektiva Heikunftsbezeichnungen Zugehörigkeitsbezeichnungen Negationsbildungen aus dem Umkreis .falsch' Bezeichnung des Urspiiinglichen Augmentativa

5768 1695 478 449 340 307 200 168 72 47 28 28 22 7

60,03 17,64 4,97 4,67 3,54 3,19 2,08 1,75 0,75 0,49 0,29 0,29 0,23 0,07

9609

100,00

Gesamt

Auch in DW sind also die Abstrakta am weitaus häufigsten, gefolgt allerdings von den Subjektbezeichnungen. Auch ist dort der Abstand zwischen der häufigsten und der zweithäufigsten Klasse deutlich größer, denn die Abstrakta sind mehr als 3mal so häufig wie die Subjektbezeichnungen. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Untersuchungen zeigt am schnellsten die folgende Zusammenstellung, in der nur die Rangplätze miteinander verglichen werden: Klasse Abstrakta Deminutiva Subjektbezeichnungen Objektbezeichnungen Instrumentativa Locativa Movierung Kollektiva Herkunftsbezeichnungen Zugehörigkeitsbezeichnungen aus dem Umkreis .falsch' Negation Bezeichnung des Ursprünglichen Augmentativa

Rang WGS DW 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 14 15

1 4 2 6 5 7 3 8 9 10 12 11 13 14

Gemeinsamkeiten zeigen sich nur auf den Rangplätzen 1, 5 und 8-10. Bemerkenswert sind einige Vertauschungen, besonders diejenige bei den Deminutiva: während diese Klasse hier den 2. Rang einnimmt, erscheint sie in DW erst an 4. Stelle, und die Movierung, die dort den 3. Rang innehat, steht hier erst an 7. Stelle. Gerade bei den häufigsten Klassen also finden sich mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen beiden Untersuchungen, jedoch zeigt sich übereinstimmend, daß in jedem Fall die Subst.Derivation ganz überwiegend für die Bildung von Abstrakta genutzt wird. Daß hier die Deminutiva an 2. Stelle erscheinen, weist zweifellos auf einen deutlichen Unterschied zwischen der gesprochenen Sprache des UG und geschriebener Sprache hin.

300

§513

Es gibt bei den meisten Mustern Lemmata, die sich in keine der vorhandenen Gruppen einordnen lassen und die zumeist Einzelfälle darstellen. Da hier das Korpus vollständig beschrieben werden soll, finden sich recht viele solcher Restgruppen, die in der Reihenfolge, in der die einzelnen Muster im morphologischen Teil erscheinen, angeführt werden.

§514

Ge-BSubst.(+SV)-0/-e 7+: Geflügel, Gerähms (Gittereinfassung) 2, Gestüt 2 Ge-BVerb-sel 1+: Geschreibsel

Geflügel wird von DW 2, S.50 beschrieben als „Haustiere, die Flügel haben", es erscheint so das der Abltg. zugrunde liegende Subst. FLEISCHER hingegen hält das Lemma (S.187) für völlig idiomatisiert. Hier wurde mit DW gegen FLEISCHER entschieden, weil eine Motivierung durch Flügel noch erkennbar ist. Bei Gerähms für , Fenstergitter' ist zu überlegen, ob hier tatsächlich desubstantivischer Bezug vorliegt oder ob evtl. deverbaler Bezug in Betracht kommt. Das Lemma erscheint aber eher durch ein Subst. motivert, wiewohl WELLMANN (S. 128) es für demotiviert hält. Das Lemma blieb in der Restgruppe, weil nicht sicher entschieden werden konnte, ob es vielleicht als Kollektivum anzusehen ist (im Sinne von ,alle Gitterstäbe eines Fenstergitters'), oder ob es vielleicht sogar in die Gruppe Ge- 6+ gehört, in der sich diejenigen Lemmata finden, bei denen das Affix weglaßbar ist, so daß - vielleicht mit geringer semantischer Differenzierung — Gerähms einfach für Rahmen stehen würde. Gestüt ist ein desubstantivisches Pendant zu der in DW 2, S.455 genannten deverbalen Gruppe mit Locativa und bildet wohl einen Einzelfall. DW führt (2, S.416) das Muster BVerb-se/, unter dem auch - mit Hinweis auf das kombinatorische Morphem Ge- -sei — das hier genannte Lemma zu finden ist. Über dieses Lemma hinaus führt DW nur noch als hierher gehörig Gemengsei an, so daß es sich um Einzelfalle handelt. Für die vorl. Untersuchung wurde das kombinatorische Morphem als eigenes Muster angesehen. Das Lemma ist eine Objektbezeichnung. §515

BVerb-e (mask.) 10+: Glaube (S) 15 BVerb-e (neutr.) 11+: Erbe (S)

Beim ersten Lemma handelt es sich um einen Einzelfall, der zu den Abstrakta gehört, dort aber in keine der von DW vorgesehenen Gruppen paßt. Neutr. Abltgg. dieses Musters werden von DW nicht angeführt, und sie stellen wohl Einzelfälle dar. Im HGS wird das Lemma Erbe undifferenziert genannt, doch mußte es aufgrund der Kontexte in zwei Lemmata mit unterschiedlichem Genus getrennt werden. Die anderen Belege finden sich bei den Subjektbezeichnungen in §412. §516

BSubst. -ent(-ant) 4+: Fabrikant 2

Für dieses Lemma wurde mit DW gegen FLEISCHER desubstantivischer Bezug angenommen. Für FLEISCHER (S.194) liegt hier deverbaler Bezug auf fabrizieren vor, jedoch ergeben sich dann Erklärungsschwierigkeiten, wie das -k- helgeleitet werden soll, wenn — wie bei allen anderen deverbalen Lemmata dieses Musters — von einem einfachen Suffixtausch zwischen -ieren und -ent(-ant) ausgegangen werden kann. 301

Bei einer Herleitung aus dem Subst. Fabrik entfällt diese Schwierigkeit. Nach DW 2, S.397 bildet dieses Lemma (zu dem nur noch das österr. übliche Trafikant gehört) eine Nebengruppe zu den deverbalen Abltgg. aus BSubst. + haben -Prädikation, umzuformen also als „deij., der eine Fabrik besitzt". § 517

BVeib-er 14+: Kälbeier, Kelter (S) 2

Kälberer ist zum mdal. Verb kälberen gebildet, das hsprl. kalben entspricht. Das Lemma ist die Bezeichnung für eine Person, die der Kuh beim Kalben hilft. Kelter wäre als Locativum aufzufassen, stellt jedoch einen Einzelfall dar, weil zum Muster -er sonst keine Locativa gebildet werden. § 5 18

BSubst.-(ei)ei 10+: Großputzerei

Abstrakta dieses Typs sind in DW nicht vorgesehen, weswegen für das einzig vorhandene Lemma eine eigene Gruppe geschaffen werden mußte. § 5 19

BAdj.-heit 8+: BSubst.-heit 9+:

Allgemeinheit, Öffentlichkeit 5 Streitigkeit 3

Gruppe 8+ scheint nicht sehr umfangreich zu sein, denn auch WELLMANN führt (S. 174-177) nur wenige Lemmata an. Dort werden sie offenbar als Kollektiva angesehen, jedoch wäre auch eine Interpretation als Abstrakta denkbar. Das Lemma der zweiten Gruppe ist in jedem Fall als singulär anzusehen. FLEISCHER führt das Lemma (S.l 53) als desubstantivisch, worin ihm die vorl. Untersuchung folgt. § 520

BVerb-ik (fem.) 5+: Fabrik (S) 62 BAdj.-ik (mask.) 6+: Katholik (S)

Keines der Lemmata wird von DW berücksichtigt, und sie passen auch in keine der anderen Gruppen. Mask. Subjektbezeichnungen werden von DW ohnedies nicht angeführt. § 5 21

BAdj. -ist 5+: Zivilist 2

DW 2 verzeichnet keine deadjektivischen Abltgg. zu diesem Muster, es dürfte sich hierbei um einen Einzelfall handeln. § 5 22

BZw. -ling 7: Zwilling 3

DW nennt diese Restgruppe ebenfalls. Zwar wäre theoretisch ein reihenhafter Ausbau dieser Gruppe möglich, doch wird dieser in der Praxis kaum angewandt. § 523

BPart. (+ SV) -nis 6+: Gefängnis 4

DW behandelt das Lemma auch, jedoch in einer Gruppe dieses Musters, die nicht in der Übersicht über das Muster (2, S.88f.) erscheint. Dort wird diese Gruppe als BV-nis unter den sekundären Locativa angeführt (2, S.456) und dafür die Lemmata Begräbnis, Verzeichnis und Gefängnis angegeben. Bei letzterem Lemma kann allerdings deverbaler Bezug nicht angenommen werden, hier kommt nur ein Part.II oder allenfalls - die Grenzen sind fließend - ein Adj. in Betracht. FLEISCHER sieht das Lemma (S.l58) als vom Part.II abgeleitet an, entsprechend verfährt die vorl. Untersuchung.

302

§524

BVerb-schaft 6+: Wanderschaft BPart.-schaft 7+: Gefangenschaft 53 BVerb/Subst.-schaft 8+: Erbschaft 3

Das erste Lemma wird auch von DW als Einzelfall in der dortigen Restgruppe genannt (2, S.90), es finden sich sonst keine deverbalen Abstrakta zu diesem Muster. Gleichfalls in dieser Gruppe nennt DW auch das zweite Lemma, welches wiederum insofern einen Einzelfall darstellt, als Abstrakta mit einem Part.II als Basis bei diesem Muster sonst nicht vorkommen. Das letzte Lemma nennt DW als deverbale Objektbezeichnung in der Gruppe 5 (2, S.90 und 417). Da für die vorl. Untersuchung Erbe/erben als Stammabltgg. angesehen werden, muß eine doppelte Motivationsbasis angesetzt werden, was der Analyse FLEISCHERS entspricht (S.162). Das Lemma würde in eine Gruppe mit weglaßbarem Affix gehören, stellt jedoch einen Einzelfall dar.

§525

BAdj.-tum 6+: Eigentum 2 BAdj.-ung 9+: Niederung

Das erste Lemma wird von DW gleichfalls in einer Restgruppe zum Muster -tum genannt. Aus diesem trafoWert (,das, was jmd. eigen ist') ergibt sich, daß es als Objektbezeichnung anzusehen ist. Deadjektivische Abltgg. zum Muster -ung verzeichnet DW nicht, sie stellen wohl Einzelfälle dar. Zu dem hier belegten Lemma würde auch das von DW (2, S.94) als „von der Basis isoliert" angesehene Lemma Lichtung gehören.

§526

BVerb-0 (fem.) 10+: BVerb(+SV)-0 (neutr.) 11+:

Abwehr, Fessel (S) 3, Hechel (S), Wehr 4 Schloß (Verriegelung) 3, Wehr 4

Abwehr wird als Einzelfall auch von DW (2, S.360) erwähnt. Wehr ist ein im HGS undifferenziert genanntes Lemma, das hier in zwei Lemmata mit unterschiedlichem Genus getrennt werden mußte. Mit fem. Genus ist es wohl als Kollektivum aufzufassen und stellt dann eine singulare Bildung dar, mit neutr. Genus ist es als Objektbezeichnung anzusehen. Die beiden Lemmata mit neutr. Genus sind nach DW nicht zuordenbar.

§527

BVerb-ar: Volontär (S) 3 BVerb-(i)um: Studium (S) 7 BSubst.-(at)ur 3+: Kommandantur

Studium wird als Stammabltg. zum Stamm stud- aufgefaßt, es finden sich keine weiteren Abltgg. dieses Musters hier im Korpus. Die beiden anderen Lemmata sind Einzelfälle ihres Musters. Kommandantur entspricht den deverbalen Locativa seines Musters. 303

§528

BVerb (+SV>(s)t/d(e) (mask.) 2+: Dienst 53, Verdienst 14, Verlust 6 BVerb-(s)t/d(e) (fem.) 3+: Ausfahrt, Zufahrt BPart.(+SV>(s)t/d(e) (fem.) 4+: Geschwulst

Die Lemmata mit mask. Genus sind nicht in die einzige Gruppe einzuordnen, die DW dafür vorsieht. Entsprechendes gilt für das Lemma mit Part.II als Basis, denn dieses ist dort als Basis für Abltgg. dieses Musters nicht erwähnt. Das Lemma ist eine Subjektbezeichnung. Ausfahrt nennt DW gleichfalls, und zwar S.456 als zum Muster B V e r b - 0 ( f e m . ) gebildet. Dies ist überraschend, weil DW selbst Fahrt S.236 BVerb -(s)t/d(e) zuordnet.

304

C. NICHT BEHANDELTE LEMMATA

§529

Zur vollständigen Beschreibung des Korpus müssen nun diejenigen Lemmata angeführt werden, die bisher nicht berücksichtigt wurden. Dazu gehören zunächst die Substantivierungen, die lediglich zu Vergleichszwecken verschiedentlich in quantitativen Übersichten mit herangezogen wurden, dazu gehören aber auch alle als idiomatisiert aufgefaßten Lemmata sowie jene, die nicht als völlig demotiviert, andererseits aber auch nicht als völlig motiviert angesehen werden können.

1. Substantivierungen

§530

Abbinden, Abfahren, Abflauen, Abladen, Ablassen, Ablegen, Ablesen, Abliefern 2, Abreißen, Absterben, Abwerfen, Ackern 4, Anhängen 2, Anrücken (Baum), Antreten, Aufheben, Aufladen, Aufräumen, Aufrichten, Aufwachsen 13, Aufzahlen, Aufziehen (Teig), Aushelfen, Auskommen 5, Auslichten, Ausmessen, Ausrücken, Ausruhen, Aussäen, Aussehen, Autofahren, Bahnen, Bauen 5, Baumfällen, Baumschneiden, Baumspritzen, Bedauern 5, Bedienen, Behandeln, Beschütten, Bestehen, Bestreben 3, Beten, Betonieren, Biegen, Bieten, Binden, Blasen, Blühen, Blumensuchen, Bodenlegen 4, Brennen (Schnaps) 4, Brotessen, Brühen, Bulldogfahren 3, Dafürhalten, Denken 2, Dörren, Drehen, Dreschen 15, Düngen, Durchlichten, Durchputzen, Eggen, Eindünsten 2, Eingefrieren, Einmachen, Einmäuschen (vom Bier) 2, Einrichten 2, Einrücken 2, Einschalen, Emden, Empfinden, Entsetzen, Erachten 2, Erbarmen, Erdäpfelschälen, Erdäpfelhacken, Erdäpfelsetzen, Erdbirhacken, Ergötzen, Erleben, Ernten, Essen 77, Fällen 8, Fahren 6, Fahrradfahren, Falgen (Hacken) 2, Fasnetausrufen, Fasten, Fernsehen 15, Fernsehgucken, Fischen 5, Flegeldreschen 4, Flößen 4, Forsten, Fressen 4, Führen, Füttern 2, Fuhrwerken, Fußballspielen 2, Garbenabladen, Gartenmachen, Gedenken 3, Gefrieren 2, Geschäftslaufen (um Aufträge), Grasholen, Grundbirenverkaufen, Hacken 8, Häufeln, Handballspielen, Handdreschen, Handmähen, Handvergolden, Harzen, Hauen (Schlagen), Heben, Hechtfangen, Heimtun 2, Heiraten 4, Heizen, Helfen 2, Heraufbringen, Heraustun 2, Heuabladen, Heuen 21, Heuhopsen, Heumachen 5, Hinaufsetzen, Hinaustun, Hineingehen, Hinliegen, Hobeln, Hören 2, Holzführen, Holzhauen, Holzmachen 14, Holzputzen, Holzheraushauen, Holzsägen, Holzschleifen, Hühnerfüttern, Hüten 3, Hungerleiden, Jäten, Jagen 3, Käsen 2, Kaffeemachen, Kaffeetrinken 3, Kartoffelherausmachen, Kehren 2, Klepfen (Knallen), Kochen 10, Köhlern, Können 2, Kompanieantreten, Krachen, Kräuteren (Jäten), Krümmen (Viehkrankheit), Kugelstoßen, Lachen 2, Lächeln, Laufen 5, Leben 63, Legen, Leiten, Lernen, Lesen 2, Liefern, Liegen, Machen 3, Mähen 25, Markieren, Maschinenschreiben 2, Mauern 3, Melken 5, Messerwerfen, Metzgen, Mischen, Mißtrauen (S), Misten 2, Mistreden (Mistsieben), Mistreiben, Modellzeichnen, Morsen, Nachgucken, Nachlassen, Nähen 17, Obenherummachen, Papierschneiden, Pechmachen, Pfählen, Pferdputzen, Pflanzensetzen, Pressen, Propagandafahren, Protzen, Pullen (Rudern) 2, Putzen 2, Ratzen 2, Rauchen, Raufen, Rechnen 4, Reigenfahren, Reisen, Rennen 2, Rennfahren, Reparieren, Retourkommen, Richten, Riesen (Holzrutschen), Ringscholderen (Spiel), Rollen 2, Rudern, Rübenhacken, Rübenheraustun, Rübenverziehen 2, Rundfunkhören, Säckleinstrecken 11, Säen 8, Sägen 8, Säuefüttern, Sandaalgraben, Saustechen 3, Schaffen 19, Schanzen, Schichtenschaffen, Schießen, Schinden 2, Schinkenklopfen, Schlafen 2, Schlagen, Schleifen 2, Schlittenfahren 4, Schnapsbrennen 3, Schnaufen, Schneewaten, Schneiden 5, Schneidern, Schokoladescholderen (Spiel), Schreiben 2, Schiiren, Schütteln, Schuhkaufen, Schulputzen, Schwätzen, Schwimmen 3, Schwindeln, Sehen, Seilen 6, Seilspringen, Servieren, Setzen, Singen, Skifahren 2, Skilaufen, Skispringen, Spielen 3, Spinnen 6, Springen 2, Spritzen 5, Spülen 2, Stäuben, Stemmen, Stempeln, Sterben 2, Sternensingen 2, Sticken 2, Stockfischessen, Strählen, Streckenlaufen, Streuen, Stricken, Studieren, Stutzen, Tagen, Tanzen, Theaterspielen 3, Tragen, Trainingsspringen, Treiben, Trinken 2, Trocknen 2, Tropfen 5, Türfuttersetzen, Tun, Turnen 8, Überbrücken, Überholen, Übernachten 2, Übertragen,

305

Umkehren, Verbrennen, Verdienen, Veredeln, Vereinsturnen, Verfeuern, Vergehen 2, Verkaufen, Verrecken, Verrupfen, Verschütteln, Versprechen (Gelöbnis), Verzählen (Erzählen) 2, Volontieren, Vorschmieden 4, Vorzeigen, Wagenladen, Waldschaffen, Wallfahren, Wanderfahren, Wedeln, Weinen, Wenden 3, Werbeturnen, Wiederaufrichten, Winken, Wissen 5, Worben, Wünschen, Zerrupfen, Ziehen, Zimmern 5, Zopflen (Pflücken), Zupfen 2, Zurichten, Zurückgucken, Zusammenleben, Zusammentun, Zuschneiden 2, Zutrauen 2 D i e h i e r a n g e f ü h r t e n L e m m a t a d e s s u b s t a n t i v i e r t e n I n f . g e h ö r e n z u der i n § 3 1 8 b e schriebenen Bildungs weise. § 531

Braten (S) 5, Gefallen, Graben (S) 28, Husten (S), Knoten (S), Rechen (S) 19, Schaden (S) 21, Schlitten (S) 65, Schnupfen (S) 2, Streifen 6 Bedenken 2, Flicken (S) 3, Kosten 2 D i e zuerst g e n a n n t e n s u b s t a n t i v i e r t e n I n f f . sind m i t m a s k . / n e u t r . G e n u s g e b i l d e t , d i e übrigen w e i s e n f e m . / n e u t r . G e n u s a u f . Zur B e s c h r e i b u n g dieser B i l d u n g s w e i s e -*• § 3 1 9 .

§ 532

Adeliger 6, Ähnlicher, Älterer 8, Ältester 6, Aktiver 3, Alemannisches, Alltägliches, Altdeutsch, Alte (alte Leute) 66, Alter 20, Altrottweilerisches, Anderer 57, Angehöriger 3, Apostolisches 2, Arbeitsloser 2, Armer, Aufrechtes, Auswärtiger 2, Badischer 10, Bayrisches 2, Bekannter 13, Belgischer 5, Berufliches 2, Beschäftigter, Besoffener, Besonderer 3, Beständiges, Betuchter, Blaues 2, Blöder, Bodenständiges, Doppeltes 2, Dramatisches (S), Dreifaches 2, Dreijähriger, Dreißiger, Dringendes, Dürre, Dummer 4, Dummes, Einheimischer 5, Einjähriger (Soldat) 2, Einjähriges (Schulprüfung), Einzelner 3, Einziges 3, Elektrisches (Strom) (S) 16, Englisches, Ernstes 2, Erster 2, Evangelischer (S) 7, Externer, Fachliches 3, Feinmechanisches, Feinstes, Flüssiges, Französischer 2, Freies 12, Fremder 37, Früheres, Fünfmetriges, Fünfte, Fünfzehnte, Fürstliches 2, Ganzes 41, Geistlicher, Gewerbliches, Gewöhnliches, Glattes 2, Gleichaltriger, Gleicher 18, Grausiger, Grelles, Grimmiger, Großartiges, Großer 39, Großer (Großknecht), Grünes 6, Guter 9, Häusliches, Halbes, Halbschwarzes, Hauptsächliches, Heißes, Heutiger, Hinterer, Hinterster, Historisches (S) 2, Hochdeutsches 3, Höchster, Hohes 2, Inneres, Intellektueller 2, Interessantes 2, Jüngerer 4, Jugendlicher 4, Junger 119, Katholischer (S) 12, Kaufmännisches, Kirchliches, Klares, Kleiner 39, Kleinerer 3, Kraftvolles, Kranker 2, Künstliches, Längster, Landwirtschaftliches, Lediger 3, Letztes 3, Liebster, Lustiges 2, Männliches, Meistes, 15, Mögliches 12, Musikalisches, Nächster 3, Närrisches, Naseweis, Negatives, Netter, Neuapostolischer 4, Neues 7, Neuzeitliches, Nobles, Nötiges, Norddeutscher 2, Oberes, Origineller, Originellster, Praktisches (S), Privates, Rechtes 3, Reicher, Richtiges 2, Rotes, Rottweilerisches, Saftiges, Sankt-Romanerisch, Satter, Schlaues, Schlechter, Schlimmer, Schlimmster, Schönes 10, Schönster, Schwaches, Schwäbisches, Schwarzer 6, Schwere 2, Sechste, Siebzigjährige, Spritziger, Städtisches 3, Starker, Süßlicher, Tarifmäßiges, Teures, Toter 11, Überzwerches (Fleisch), Übriges, Unmögliches, Verschiedenes 4, Verwandter 26, Viermetriges, Vornehmster, Warmes 2, Weißes, Weitestes, Weltliches, Wesentliches, Wichtiges 5, Wichtigstes 2, Wilder 2, Wirklicher, Württembergisches 4, Wunderbares, Zehnjähriges, Zehnter (Abgabe) 4, Zufriedener, Zwanzigjähriger, Zweiter 2 D i e L e m m a t a g e h ö r e n z u d e n in § 3 2 0 e r w ä h n t e n s u b s t a n t i v i e r t e n Adjj.

§533

Amputierter, Angestellter 6, Ausgelernter, Erwachsener, Gefallener, Gefangener 17, Gefreiter 15, Geheirateter, Gesandter 2, Hereingeschmeckter (Neuzugezogener), Studierter 2, Untergebener, Verletzter, Verwundeter 4, Vorgesetzter, Zurückgebliebener Aufgekreiseltes, Aufgewärmtes, Furniertes, Geflochtenes, Gekreuztes, Gesticktes, Gewalktes, Kombiniertes, Unvorhergesehenes, Warmgemachtes D i e z u e r s t a n g e f ü h r t e n L e m m a t a d e s s u b s t a n t i v i e r t e n Part.II w e i s e n m a s k . G e n u s a u f , d i e übrigen sind n e u t r . Es b e s t ä t i g t s i c h an d e n L e m m a t a die in D W g e t r o f f e n e F e s t s t e l l u n g : „ M a s k u l i n a u n d F e m i n i n a d i e n e n i m Sg. u n d PI. nur zur B e z e i c h n u n g v o n P e r s o n e n , N e u t r a n u r zur B e z e i c h n u n g von N i c h t b e l e b t e m . " ( D W 2, S . 4 2 1 . )

Fem.

k o m m e n hier n i c h t vor, u n d m a s k . L e m m a t a sind d e u t l i c h h ä u f i g e r als n e u t r . ( 1 6 : 1 0 L e m m a t a b z w . 5 6 : 1 0 B e l e g e ) . E i n i g e der m a s k . L e m m a t a s i n d k o r p u s b e d i n g t sehr h ä u f i g , s o Gefangener §534

u n d Gefreiter.

Zur B e s c h r e i b u n g -*• § 3 2 1 .

Ferienreisender, Führender, Lebender, Leidtragender, Reisender, Wachhabender Aufregendes, Hervorstehendes, Laufendes 3, Überwiegendes

306

Unter den mask. Lemmata des substantivierten Part.I sind Ferienreisender, Leidtragender und Wachhabender als Zusammenbildungen aufzufassen. Insgesamt wird diese Bildungsmöglichkeit also sehr viel seltener genutzt als das substantivierte Part.II. In DW finden sich offensichtlich 69 Lemmata, wie sich aus den Angaben (2, S.347) errechnen läßt, und somit wäre diese Substantivierungsform dort erheblich häufiger als hier. 6 Lemmata sind mask. Personenbezeichnungen, 4 Lemmata neutr. Abstrakta, fem. Bildungen fehlen überhaupt und scheinen sehr selten zu sein, DW nennt 8 Lemmata, während sich 43 mask. und 16 neutr. Bildungen dort im Material finden (DW 2, S.347). § 535

Siech (Schimpfwort), Stolz (S) 10 Alt, Arge, Böse, Deutsch, Dick, Dünn, Elend 3, Fett (S) 7, Französisch (Unterricht), Jung, Übel, Wild 13, Zivil

DW bezeichnet diese Bildungsweise als BAdj. -0 (mask.)(neutr.). Einige Lemmata entstammen den fürs HGS aufgelösten Redewendungen wie Alt und Jung, durch Dick und Dünn, das liegt im Argen, wodurch sich die zunächst merkwürdig erscheinenden Lemmata erklären. Alt und Jung finden sich ebenfalls bei den neutr. Lemmata, wiewohl sie dieses Genus nicht aufweisen. Nach DW würden sie aber wohl hier einzuordnen sein. Insgesamt überwiegen die Neutra deutlich, und dies entspricht dem Ergebnis in DW, wo festgestellt wird, daß die mask. Bildungen „selten" sind (2, S.271; dort 3 Lemmata angeführt, jedoch keine Gesamtzahl); an neutr. Bildungen finden sich dort 19 Lemmata (2, S.332), hier sind es nur geringfügig weniger. §536

Kranksein

DW nennt (2, S.288) insgesamt 21 Lemmata für diese deadjektivische Bildungsweise und bemerkt dazu, daß das Muster theoretisch vielfältig anwendbar wäre, tatsächlich jedoch wenig genutzt wird. §537

Beisammensein 2, Zusammensein

Es scheint sich hier um eine eng umgrenzte Gruppe mit adverbialer Basis zu handeln, DW erwähnt 8 Lemmata (2, S.288). §538

Durcheinander 2, Drum und Dran, Halbe, Narro

Die angeführten Lemmata gehören alle verschiedenen Wortarten an und wurden substantiviert: Durcheinander ist ein substantiviertes Advb., Drum und Dran eine substantivierte Präp., Halbe ein substantiviertes Zahlwort, und Narro ist eine substantivierte Interjektion zum Narrenruf narrol

2. „Zusammenhang" § 539

Annehmlichkeit, Bereich 2, Drittel 29, Gebühr, Gehäuse, Hälfte 35, Hintern 4, Krach 6, Neuerung 2, Schicksal 2, Schlupfe (Spiel) 2, Schriften 4, Spezialist, Spitzel, Tracht (Kleidung) 20, Unfall 23, Unkosten 7, Verhältnisse 3, Viertel 7

Die hier genannten Lemmata bilden eine Gruppe, die nicht einfach als idiomatisiert, andererseits aber auch nicht als völlig motiviert angesehen werden kann. Bei diesen Lemmata ist noch ein Zusammenhang mit dem zugrunde liegenden Wort erkennbar, 307

jedoch wird die Abltg. zumeist wohl nicht mehr als solche empfunden, wie etwa bei Tracht. Gehäuse erscheint noch voll motviert durch Hans, aber das Lemma schließt sich nicht den übrigen Funktionen des Morphems Ge—e an und würde innerhalb dieser Abltgg. allenfalls einen Einzelfall darstellen. Bei den Maßangaben Drittel und Viertel ist -tel noch als Entsprechung des alten „Teil" erkennbar, die Bildung besteht dann aus Zahlwort + „Teil", jedoch ist der Zusammenhang insgesamt so verdunkelt, daß die betr. Bildungen sicher nicht mehr als Abltgg. empfunden werden. In Falle von Hintern ist von einem substantivierten Adj. auszugehen {Hinterer), bei Krach dient ein Schallwort als Ausgangsbasis. Neuerung hat wohl ein Adj. als Basis, das dann — evtl. auf dem Umweg über ein Verb wie (er)neuern — zur Subst.-Abltg. wird; vgl. die diesbezüglichen Bemerkungen von FLEISCHER (S.174). Schlupfe als Bezeichnung für ein Kinderspiel hat seinen Ausgangspunkt wohl darin, daß man beim Spiel „schlüpft" (oder mdal. „schlupft"), ohne daß die Bezeichnung als Abltg. zum betr. Verb verstanden würde. Schriften und Verhältnisse existieren nur als Pluralbildungen mit gegenüber dem Singular veränderter Semantik, so daß die Lemmata nicht den entsprechenden SingularBildungen zugeschlagen werden können. Un- in Unkosten und Unfall deckt sich nicht mit den übrigen Bezeichnungsfunktionen dieses Präfixes.

3. Idiomatisierte Lemmata § 540

Da einerseits das zugrunde liegende Korpus vollständig beschrieben werden soll, andererseits gerade in der Frage der Motiviertheit einer Bildung erhebliche Auffassungsunterschiede bestehen können, die nicht vorschnell entschieden werden sollen, werden im folgenden alle Bildungen, die hier als idiomatisiert angesehen werden, aufgelistet. Es ist damit jederzeit möglich, im Falle anderer Entscheidungen die betr. Lemmata den entsprechenden Mustern und Gruppen zuzuordnen und die quantitativen Angaben entsprechend zu verändern. Die Auflistung der Lemmata erfolgt wiederum mit Angabe der Häufigkeit in alphabetischer Reihenfolge. Unterschiedliche Grade von Motiviertheit, die selbstverständlich bestehen, bleiben dabei unberücksichtigt. Akkordant 2, Absatz (Schuh) 4, Abschied, Abstand 2, Altertum 3, Andacht 3, Anlaß 3, Anliegen 3, Anspruch 6, Anstand, Anstand (Einwand), Antrag 2, Aufenthalt 2, Aufhebens 2, Aufruhr, Ausflug 46, Auskunft 4, Ausschuß 7, Aussicht 4, Ausstand, Aussteuer 4; Band (Buch) 2, Bauer 321, Begriff 4, Belang, Belegschaft, Beruf SO, Betracht, Betrieb 41, Beziehung 2, Bezirk 8, Böschung 6, Brästling (Erdbeere), Bräutigam, Bündel 12, Biinkel (Bündel), Bünkel (kleine Geschwulst) 2; Draufgänger; Einfluß, Einkommen, Einstand 2, Eintritt, Einwohner 10, Engerling, Entfernung, Erfolg 9, Ertrag 17; Fall 59, Fehler 13, Festung 3, Flaschner 2, Franse 3, Frost 2; Gang (Getriebe) 9, Gattung, Gebäude 9, Gedächtnis 2, Gefahr 9, Gegner 2, Gehalt 6, Gehilfe 4, Gelenk, Gemarkung 2, Gemeinde 99, Gemeinschaft 4, Gemüse 13, Gerät 8, Gerech (oberster Scheunenteil), Gerümpel, Gerüst 3, Gesälz (Marmelade) 2, Geschäft 310, Geschichte (Erzählung) 13, Geschichte (Historie) 7, Geschichte (Sache) 9, Geschick 2, Geschirr 19, Geschöpf, Geschwister 42, Geselle 37, Gesellschaft 8, Gesetz 6, Gesicht 25, Gespann 4, Gestalt 5, Gestrüpp, Getreide 12, Gewalt, Gewand, Gewand (Flurstück) 3, Gewehr 20, Gewerbe 4, Gewerkschaft 2, Gewicht 6, Gewissen, Gewitter 17, Großeltern 4, Großmutter 20, Großnichte, Großvater 35; Hang 20, Haushalt 42, Hebel 5, Henkel, Heigang 2, Hinsicht, Hub; Inhalt, Innung 2; Junge 6; Kaninchen, Kittchen 2, Krätzer (Hemmschuh) 2, Krieg 355, Kunst 6; Läufel (Laufschiene des Schlittens), Lauf (Tierfuß);

308

Mütchen 4, Mitleidenschaft; Neige, Niederlage, Notar 5; Obrigkeit; Platte 9; Richtung 43, Rücksicht 3; Sage 10, Sanitäter 3, Sattler 3, Satz 2, Satz (Anzahl) 4, Schalter 2, Scheusal, Schicht 7, Schlegel 2, Schlosser 14, Schmetterling, Schnitz 9, Schnitzel 2, Schreiner 29, Schütze (Weberschiffchen), Schweizer (Viehwärter) 4, Stand (soziale Schicht) 2, Stellung (Anstellung) 10, Stellung (Position) 2, Stellung (Schützengraben) 15, Stimmung 3, Strecke 21; Tracht 4; Umfang 7, Umstand 6, Unflat, Ungeziefer 4, Ursprung; Verband (Vereinigung) 5, Verhältnis 15, Verschlag, Vertrag 3, Vorbild 2; Weile 63, Wichse (Schläge), Wirtschaft 128, Witterung 8; Zeitung 20, Zufall 2, Zukunft 2, Zustand.

309

LITERATURVERZEICHNIS ABRAHAM, Werner: Nachwort. In: Kasustheorie. Mit Beiträgen von Charles J. FILLMORE, Jane J. ROBINSON, John ANDERSON. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Werner ABRAHAM. Frankfurt/M. 1971, S.185-205. ÄUGST, Gerhard: Über das Fugenmorphem bei Zusammensetzungen. In: Gerhard ÄUGST: Untersuchungen zum Morpheminventar der deutschen Gegenwartssprache. Tübingen 1975 (= Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache 25), S.71-155. BEHAGHEL, Otto: Deutsche Syntax. Eine geschichtliche Darstellung. Bd.I: Die Wortklassen und Wortformen. Heidelberg 1923 (= Germanistische Bibliothek. I. Sammlung germanischer Elementar- und Studienbücher, 1.Reihe, lO.Bd.). [BEHAGHEL, Syntax] BEHAGHEL, Otto: Zur Lehre von der deutschen Wortbildung. In: Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen deutschen Sprachvereins 14/15 (1898), S.137-144. [BEHAGHEL, Lehre] BERGENHOLTZ, Henning und Joachim MUGDAN: Einführung in die Morphologie. Stuttgart usw. 1979. BREKLE, Herbert E.: Generative Satzsemantik und transformationelle Syntax im System der englischen Nominalkomposition. München 1970 (= Internationale Bibliothek für Allgemeine Linguistik 4). [BREKLE, Satzsemantik] BREKLE, Herbert E.: Zur Stellung der Wortbildung in der Grammatik. In: Flexion und Wortbildung. Akten der V.Fachtagung der Indogermanischen Gesellschaft, Regensburg, 9. - 14.September 1973. Wiesbaden 1975, S. 26-39. [BREKLE, Stellung] BREKLE, Herbert E. und Dieter KASTOVSKY: Wortbildungsforschung: Entwicklung und Positionen. In: -> Perspektiven der Wortbildungsforschung, S.7-19. BRUGMANN, Karl: Über das Wesen der sogenannten Wortzusammensetzung. Eine sprachpsychologische Studie. In: Wortbildung. Hg. v. Leonhard LIPKA und Hartmut GÜNTHER. Darmstadt 1981, S.135-186. [Zuerst in: Berichte über die Verhandlungen der königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Classe, 52.Band (1900), S.359-401.] BÜHLER, Karl: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. 2.unveränd. Aufl. Stuttgart 1965. CHOMSKY, Noam: Remarks on Nominalization. In: Roderick A. JACOBS, Peter S. ROSENBAUM (Hgg.): Readings in English transformational grammar. Waltham, Mass. 1970, S. 184-221. [CHOMSKY, Remarks] CHOMSKY, Noam: Studies on Semantics in Generative Grammar. Den Haag, Paris 1972 (= Janua Linguarum. Series minor 107). [CHOMSKY, Studies] COSERIU, Eugenio: Bedeutung und Bezeichnung im Lichte der strukturellen Semantik. In: Sprachwissenschaft und Übersetzen. Symposion an der Universität Heidelberg 24.2. - 26.2.1969. Hg. v. P[eter] HARTMANN und H[enri] VERNAY. München 1970, S.104-121. [COSERIU, Bedeutung] COSERIU, Eugenio: Lexikalische Solidaritäten. In: Poetica 1 (1967), S.293-303. [COSERIU, Solidaritäten] COSERIU, Eugenio: System, Norm und Rede. In: Eugenio COSERIU: Sprachtheorie und allgemeine Sprachwissenschaft. 5 Studien. München 1975 (= Internationale Bibliothek für Allgemeine Linguistik 2), S.l 1-101. [COSERIU, System] Deutsche Wortbildung. Typen und Tendenzen in der Gegenwartssprache. Eine Bestandsaufnahme des Instituts für deutsche Sprache, Forschungsstelle Innsbruck. Erster Hauptteil: Ingeburg KÜHNHOLD/Hans WELLMANN: Das Verb. Mit einer Einführung von Johannes ERBEN. Düsseldorf 1973 (= Sprache der Gegenwart 29). [DW 1] Zweiter Hauptteil: Hans WELLMANN: Das Substantiv. Düsseldorf 1975 (= Sprache der Gegenwart 32). [DW 2] Dritter Hauptteil: Ingebutg KÜHNHOLD/Oskar PUTZER/Hans WELLMANN, unter Mitwirkung von Anna Maria FAHRMAIER u.a.: Das Adjektiv. Düsseldorf 1978 (= Sprache der Gegenwart 43). [DW 3] DOKULIL, MiloS: Zum wechselseitigen Verhältnis zwischen Wortbildung und Syntax. In: Travaux linguistiques de Prague. 1.L'école de Prague d'aujourd'hui, Prag 1964, S. 215-224. DUDEN. Etymologie. Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. Bearb. v. der Dudenredaktion unter Leitung von Dr.phil.habil. PaulGrebe. Mannheim 1963 (= Der große Duden 7). DUDEN. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Hg. v. der Dudenredaktion unter Leitung von Dr.phil. habil. Paul Grebe unter Mitwirkung namhafter Fachgelehrter. Mannheim, l.Aufl. 1959, 2.Aufl. 1966, 3.Aufl. 1973. (=Der große Duden 4). [Sofern nicht anders angegeben, ist die 2.Aufl. zitiert.] DUDEN. Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter. 15., erweiterte Auflage. Jubiläumsausgabe. Völlig neu bearbeitet von der Dudenredaktion unter Leitung von Dr.phil.habil. Paul Grebe Mannheim 1961 (= Der große Duden 1).

311

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