Woellner und das Religionsedikt: Kirchenpolitik und kirchliche Wirklichkeit im Preußen des späten 18. Jahrhunderts 9783161510601, 9783161501869

Das vom 9. Juli 1788 datierende 'Edikt, die Religionsverfassung in den preußischen Staaten betreffend' ist im

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Widmung
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
A. Der Werdegang Woellners bis 1788
I. Der Beginn
II. Der Landwirt und Ökonom
III. Die Heirat
IV. Der Kammerrat und Ökonom
V. Die Freimaurer und die Gold- und Rosenkreuzer
VI. Die Kronprinzenvorträge
1. Die staatswissenschaftlichen Vorträge
2. Die „Abhandlung von der Religion“ (1785)
VII. Das Ende Friedrichs II
VIII. Aufklärerische Kommunikationsformen
1. Die „Berlinische Monatsschrift“
2. Der Montagsclub und die Mittwochsgesellschaft
IX. Der neue König Friedrich Wilhelm II
1. Die persönlichen Lebensverhältnisse
2. Die Außenpolitik
X. Der Aufstieg an die Spitze des Geistlichen Departements
1. Die Bevölkerungsstruktur in Deutschland und Preußen
2. Die obere Kirchenverwaltung
a) Das Geistliche Departement
b) Das Berliner Oberkonsistorium
c) Die Bestallungen der geistlichen Räte des Oberkonsistoriums
d) Das deutsch-reformierte Kirchendirektorium
3. Das Patronatswesen
4. Die Gesangbuchreform
5. Die Stellenbesetzungspraxis
6. Der beginnende Aufstieg
a) Nobilitierung und neue Ämter
b) Die Dispositionskasse
c) Reformierte Liturgie
d) Die Ernennung zum Vorsitzenden Rat des Oberschulkollegiums
e) Die Erhebung zum Chef des Geistlichen Departements
aa) Die Reaktion Johann Salomo Semlers
bb) Glückwünsche aus Preußen
cc) Die Reaktion Gotthilf Samuel Steinbarts
dd) Weite Wirkungsfelder Woellners
B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten
I. Zur Entstehung des Allgemeinen Landrechts
1. Die Arbeiten unter Friedrich II
2. Die Arbeiten unter Friedrich Wilhelm II
II. Zur Terminologie des Allgemeinen Landrechts
1. „Religionsparteyen“
2. „Religionsgesellschaften“
3. „Kirchengesellschaften“ und „geistliche Gesellschaften“
III. Staatliches Aufsichtsrecht
IV. Toleranz
V. Gewissensfreiheit
VI. Irrlehre
VII. Das Religionsedikt und das Allgemeine Landrecht
C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788
I. Religionsedikte anderer Staaten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation
II. Der Text des Religionsedikts
III. Die Bestimmungen des Religionsedikts
1. Der Titel des Religionsedikts
2. § 1 des Religionsedikts
3. § 2 des Religionsedikts
a) Toleranz und Gewissensfreiheit
b) Die öffentlich geduldeten Sekten
c) Juden
d) Herrnhuter
e) Mennoniten
f) Böhmische Brüder
4. Feiertage
5. Exemtion vom Militärdienst
IV. Der Erlaß des Religionsedikts
V. Erste Reaktionen auf das Religionsedikt
VI. Reaktionen aus dem Ausland
D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt
I. Wilhelm Abraham Tellers Schreiben an Woellner vom 21. Juli 1788
II. Friedrich Samuel Gottfried Sacks Promemoria vom 26. August 1788
III. Die Reaktion auf Sacks Promemoria
IV. Der beginnende Widerstand aus dem Oberkonsistorium
V. Die „Vorstellung“ aus dem Oberkonsistorium vom 10. September 1788
VI. Die Reaktion auf die „Vorstellung“ vom 10. September 1788
VII. Die „Vorstellung“ aus dem Oberkonsistorium vom 1. Oktober 1788
VIII. Die Reaktion auf die „Vorstellung“ vom 1. Oktober 1788
IX. Silberschlags Stellungnahme zu den „Vorstellungen“ aus dem Oberkonsistorium
X. Die Resolution für die widerständigen Oberkonsistorialräte
XI. Der „Schluß der ganzen Sache“
E. Erste Maßnahmen
I. Der neue Katechismus
1. Die Entstehung
2. Die Reaktion aus dem Oberkonsistorium
3. Der weitere Widerstand
a) Die Reaktion aus Halberstadt
b) Die weitere Reaktion aus dem Oberkonsistorium
4. Die Schwierigkeiten bei der Einführung
5. Reformierter Katechismus
6. Der strukturell begrenzte Wirkungskreis
II. Das „Schema Examinis Candidatorum“
1. Die Entstehung und Einführung
2. Die Bataille mit dem Oberkonsistorium
a) Die Kollektiveingabe
b) Die „Vorstellung“ an den König vom 26. Februar 1791 und Woellners harsche Reaktion
c) Die Zuspitzung des Konflikts
d) Die zweite Auflage des „Schema“
3. Die Examina publica im Oberkonsistorium
F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission
I. Die Einsetzung der Geistlichen Immediat-Examinationskommission
1. Die zukünftigen Mitglieder
2. Die „Instruction für die Königliche Examinations-Commission in Geistlichen Sachen“
3. Die Instruktion für die lutherischen Konsistorien zur Aufrechterhaltung des Religionsedikts
4. Das Tentamen pro licentia concionandi
5. Andreas Jakob Hecker als Nachfolger Silberschlags
II. Die Feldprediger
1. Die Stellung der Feldprediger
2. Die Tentamina der angehenden Feldprediger
III. Woellners zunehmende Entmachtung
IV. Die „Umständliche Anweisung für die Evangelisch-Lutherischen Prediger“
V. Der Streit um die beiden Diakone an der Petrikirche
VI. Der Revers beim Examen pro ordinatione
VII. Die Visitationsreise von Hermes und Hillmer
1. Der Arbeitsauftrag
2. Der Krawall in Halle
a) Der Tumult der Studenten
b) Woellners Reaktion auf die Abreise von Hermes und Hillmer
3. Das Kloster Berge
G. Das Universitätswesen
I. Der Revers
II. Die Universitäten
1. Die Universität zu Königsberg
2. Die Universität zu Duisburg
3. Die Universität zu Frankfurt an der Oder
4. Die Universität zu Halle an der Saale
a) Der Kanzler Carl Christoph v. Hoffmann
b) Ein angebliches Mordkomplott gegen Woellner
III. Die Einführung eines neuen Lehrbuchs der lutherischen Dogmatik
1. Der Auftrag an Nösselt zur Abfassung eines Lehrbuchs
2. Das Verbot von Niemeyers „Populäre[r] und praktische[r] Theologie“
3. Nösselts Bitte um Dispens von der Aufgabe
4. Niemeyers Verteidigung seines Buches
5. Die Einführung der „Epitome theologiae christianae“ von Morus
IV. Niemeyer und Nösselt des weiteren
V. Versuche obrigkeitlicher Eingriffe in die Lehrpraxis
H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen
I. Die Gründung
1. Die Mitglieder
a) Magdeburg
b) Neumark
c) Pommern
d) Halberstadt
e) Minden
f) Ostfriesland
g) Grafschaft Mark: Soest
h) Grafschaft Mark: Frömern
i) Westpreußen
j) Ostpreußen
k) Kleve
2. Die Instruktion für die Provinzialkommissionen
a) Die Bestimmungen der Instruktion
b) Die Reaktion aus den Provinzen
II. Die Finanzierung
III. Provinzialsynoden in den Provinzen
IV. Prüfungsvorschriften
V. Die Visitationspredigten
1. Die Ergebnisse
2. Der Prediger Wahl zu Klein Oschersleben
3. Visitationspredigten des weiteren
VI. Die halbjährlichen Generalberichte
1. Die Prüfungsergebnisse der Examina
2. Die Berichte aus den Provinzen
VII. Die tabellarischen Verzeichnisse der Geistlichen Immediat-Examinationskommission
J. Die Zensur
I. Das Zensuredikt vom 19. Dezember 1788
II. Carl Friedrich Bahrdt
1. Bahrdts Weg nach Halle
2. Die „Deutsche Union“
3. Die Festnahme
4. Die Untersuchung
5. Erste Geständnisse
6. Bahrdts erste Fürbitten bei Woellner
7. Der Fortgang der Untersuchung
8. Woellners Eintreten für Bahrdt
9. Das Ende der Untersuchung
10. Das Urteil und die Festungshaft
11. Nach der Freilassung
III. Jacob Friederich Roennberg und Pierre Villaume
1. Die Zensur von Villaumes „Prüfung der Rönnbergischen Schrift über Symbolische Bücher“
2. Villaumes Beschwerde
3. Die Untersuchung der Beschwerde
4. Woellner versus Carmer
5. Das Verbot des Drucks in Berlin
IV. Johann Friedrich Unger und Johann Georg Gebhard
1. Johann Georg Gebhards „Prüfung der Gründe“
2. Die Klage Johann Friedrich Ungers
3. Weitere Zensurmaßnahmen
V. Die „Allgemeine deutsche Bibliothek“ von Friedrich Nicolai
1. Das Verbot
2. Die Aufhebung des Verbots
VI. Immanuel Kant
1. Die verweigerte Drucklegung
2. Die „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“
VII. Johann Gottfried Hasse
1. Die Broschüre „Ueber itzige und künftige Neologie“
2. Hasses Verteidigung
K. Fiskalische Untersuchungen
I. Christian Gotthilf Storck
II. Weitere Amtsentsetzungen
III. Woellner und Carmer und fiskalische Untersuchungen
IV. Heinrich Würtzer
1. Die „Bemerkungen über das Preußische Religionsedikt vom 9ten Julius“
2. Der Prozeß
V. Johann Heinrich Schulz
1. Der Prozeß
2. Die letzten Jahre
VI. Carl Wilhelm Brumbey
1. Die ersten Amtsjahre
2. Die ersten Jahre als Prediger in Berlin
3. Der mißglückte Aufstieg
4. Die Hauptstreitpunkte
a) Die Erbauungsstunden
b) Der Danksagungsvers nach dem Abendmahl
5. Die Demission
6. Die Wegführung aus Berlin
7. Die Wiederkehr nach Berlin
8. Die letzten Jahre
L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts
I. Das nahende Ende der Herrschaft
II. Das Ende Friedrich Wilhelms II
III. Die Trauerfeierlichkeiten für Friedrich Wilhelm II
IV. Die beginnende Regierung Friedrich Wilhelms III
V. Gotthilf Samuel Steinbarts Hilfsgesuch bei Friedrich Wilhelm III
VI. Die Beschwerden des Oberkonsistoriums über Woellner
VII. Das Ende der Geistlichen Immediat-Examinationskommission
VIII. Die Entlassung Woellners
IX. Weitere Entlassungen und Entfernungen
X. Das Ende
Quellenanhang
Edict, die Religions-Verfassung in den Preußischen Staaten betreffend. De Dato Potsdam, den 9. Julii 1788
Erneuertes Censur-Edict für die Preußischen Staaten exclusive Schlesien. De Dato Berlin, den 19. December 1788
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Quellen
a) Archivalische Quellen
b) Nichtarchivalische Quellen
2. Hilfsmittel
3. Sekundärliteratur
Personenregister
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Beiträge zur historischen Theologie Herausgegeben von

Albrecht Beutel

150

Uta Wiggermann

Woellner und das Religionsedikt Kirchenpolitik und kirchliche Wirklichkeit im Preußen des späten 18. Jahrhunderts

Mohr Siebeck

Uta Wiggermann, geboren 1976 in Bielefeld; Studium der Ev. Theologie in Münster; 2002–2007 Assistentin am Seminar für Kirchengeschichte II an der Ev.-Theol. Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster; 2007 Beginn des Vikariats in Paderborn; 2008 Promotion.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. e-ISBN PDF 978-3-16-151060-1 ISBN 978-3-16-150186-9 ISSN 0340-6741 (Beiträge zur historischen Theologie) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen aus der Bembo gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Meinen lieben Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2008 an der EvangelischTheologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Für den Druck ist sie geringfügig überarbeitet und um das Register erweitert worden. Mein sehr herzlicher Dank gilt Herrn Professor Dr. Albrecht Beutel für den vielfältigen Rat, für die kundige Hilfe und für die akademische Freiheit, die er seiner Assistentin gewährt hat. Außerdem danke ich ihm für die Erstellung des ausführlichen Erstgutachtens und die Aufnahme der Arbeit in die „Beiträge zur historischen Theologie“. Herr Professor Dr. Holger Strutwolf hat die mühevolle Aufgabe des Zweitgutachtens auf sich genommen. Dafür danke ich ihm herzlich. Für die freundliche Hilfe verschiedener Einrichtungen bekunde ich meine Dankbarkeit. Sie gilt insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz in Berlin, der Staatsbibliothek zu Berlin, der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (Historische Sammlungen) und der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen zu Halle a.d. Saale. In ganz besonderer Weise haben meine Eltern, Marianne und Dr. KarlFriedrich Wiggermann, das Zustande- und Zuendekommen des Buches treu unterstützt. Von Herzen danke ich ihnen dafür. Meine Schwester, Dorothee Wiggermann, und mein Bruder, Dr. Frank Wiggermann, sowie Herr PD Dr. Jakob Wöhrle haben den Entstehungsprozeß der Arbeit durch vielgestaltige Hilfe befördert. Ihnen danke ich sehr herzlich. Meinem Vikariatsmentor an der Abdinghofkirche in Paderborn, Herrn Pfarrer Dr. Eckhard Düker, danke ich für das Interesse an der Arbeit. Herrn Dr. Henning Ziebritzki und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebührt mein Dank für die sorgfältige verlegerische Betreuung des Buches. Der VG Wort sei gedankt für den namhaften Druckkostenzuschuß, mit dem sie die Drucklegung der Arbeit befördert hat. Paderborn, im Dezember 2009

Uta Wiggermann

Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Der Werdegang Woellners bis 1788 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten . . . . . . . . . . . 96 C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 E. Erste Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission . . . . . . . . . . . . . . 254 G. Das Universitätswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen . . . . . . . . . . . 348 J. Die Zensur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 K. Fiskalische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 Quellenanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Der Werdegang Woellners bis 1788 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

I. II. III. IV. V. VI.

Der Beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Landwirt und Ökonom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Heirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Kammerrat und Ökonom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Freimaurer und die Gold- und Rosenkreuzer . . . . . . . . . . . Die Kronprinzenvorträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die staatswissenschaftlichen Vorträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die „Abhandlung von der Religion“ (1785) . . . . . . . . . . . . . VII. Das Ende Friedrichs II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Aufklärerische Kommunikationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die „Berlinische Monatsschrift“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Montagsclub und die Mittwochsgesellschaft . . . . . . . . . . IX. Der neue König Friedrich Wilhelm II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die persönlichen Lebensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Außenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Der Aufstieg an die Spitze des Geistlichen Departements . . . . . 1. Die Bevölkerungsstruktur in Deutschland und Preußen . . . . 2. Die obere Kirchenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Geistliche Departement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Berliner Oberkonsistorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Bestallungen der geistlichen Räte des Oberkonsistoriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das deutsch-reformierte Kirchendirektorium . . . . . . . . . . 3. Das Patronatswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Gesangbuchreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Stellenbesetzungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6 11 16 19 20 24 24 28 44 46 46 47 48 48 54 56 56 57 57 58 60 65 66 67 69

XII

Inhaltsverzeichnis

6. Der beginnende Aufstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nobilitierung und neue Ämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Dispositionskasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reformierte Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Ernennung zum Vorsitzenden Rat des Oberschulkollegiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Erhebung zum Chef des Geistlichen Departements . . aa) Die Reaktion Johann Salomo Semlers . . . . . . . . . . . . . bb) Glückwünsche aus Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Reaktion Gotthilf Samuel Steinbarts . . . . . . . . . . dd) Weite Wirkungsfelder Woellners . . . . . . . . . . . . . . . .

75 75 76 77 80 82 89 90 93 94

B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten . . . . 96 I.

Zur Entstehung des Allgemeinen Landrechts . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Die Arbeiten unter Friedrich II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Die Arbeiten unter Friedrich Wilhelm II. . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Zur Terminologie des Allgemeinen Landrechts . . . . . . . . . . . . 108 1. „Religionsparteyen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. „Religionsgesellschaften“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. „Kirchengesellschaften“ und „geistliche Gesellschaften“ . . . . 109 III. Staatliches Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 IV. Toleranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 V. Gewissensfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 VI. Irrlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 VII. Das Religionsedikt und das Allgemeine Landrecht . . . . . . . . . . 122

C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I.

Religionsedikte anderer Staaten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Der Text des Religionsedikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 III. Die Bestimmungen des Religionsedikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Der Titel des Religionsedikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. § 1 des Religionsedikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. § 2 des Religionsedikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Toleranz und Gewissensfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Die öffentlich geduldeten Sekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 d) Herrnhuter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 e) Mennoniten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 f) Böhmische Brüder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Inhaltsverzeichnis

XIII

4. Feiertage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 5. Exemtion vom Militärdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 IV. Der Erlaß des Religionsedikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 V. Erste Reaktionen auf das Religionsedikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 VI. Reaktionen aus dem Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 I.

Wilhelm Abraham Tellers Schreiben an Woellner vom 21. Juli 1788 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 II. Friedrich Samuel Gottfried Sacks Promemoria vom 26. August 1788 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 III. Die Reaktion auf Sacks Promemoria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 IV. Der beginnende Widerstand aus dem Oberkonsistorium . . . . . 169 V. Die „Vorstellung“ aus dem Oberkonsistorium vom 10. September 1788 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 VI. Die Reaktion auf die „Vorstellung“ vom 10. September 1788 . . 178 VII. Die „Vorstellung“ aus dem Oberkonsistorium vom 1. Oktober 1788 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 VIII. Die Reaktion auf die „Vorstellung“ vom 1. Oktober 1788 . . . . 186 IX. Silberschlags Stellungnahme zu den „Vorstellungen“ aus dem Oberkonsistorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 X. Die Resolution für die widerständigen Oberkonsistorialräte . . . 191 XI. Der „Schluß der ganzen Sache“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

E. Erste Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 I.

II.

Der neue Katechismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Die Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Die Reaktion aus dem Oberkonsistorium . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Der weitere Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Die Reaktion aus Halberstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Die weitere Reaktion aus dem Oberkonsistorium . . . . . . . 212 4. Die Schwierigkeiten bei der Einführung . . . . . . . . . . . . . . . 219 5. Reformierter Katechismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 6. Der strukturell begrenzte Wirkungskreis . . . . . . . . . . . . . . . 232 Das „Schema Examinis Candidatorum“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Die Entstehung und Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Die Bataille mit dem Oberkonsistorium . . . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Die Kollektiveingabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

XIV

Inhaltsverzeichnis

b) Die „Vorstellung“ an den König vom 26. Februar 1791 und Woellners harsche Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 c) Die Zuspitzung des Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 d) Die zweite Auflage des „Schema“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 3. Die Examina publica im Oberkonsistorium . . . . . . . . . . . . . 251

F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission . . . . . . . 254 I.

Die Einsetzung der Geistlichen Immediat-Examinationskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 1. Die zukünftigen Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Die „Instruction für die Königliche Examinations-Commission in Geistlichen Sachen“ . . . . . . . . 264 3. Die Instruktion für die lutherischen Konsistorien zur Aufrechterhaltung des Religionsedikts . . . . . . . . . . . . . . 268 4. Das Tentamen pro licentia concionandi . . . . . . . . . . . . . . . . 273 5. Andreas Jakob Hecker als Nachfolger Silberschlags . . . . . . . . 275 II. Die Feldprediger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 1. Die Stellung der Feldprediger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 2. Die Tentamina der angehenden Feldprediger . . . . . . . . . . . . 281 III. Woellners zunehmende Entmachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 IV. Die „Umständliche Anweisung für die Evangelisch-Lutherischen Prediger“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 V. Der Streit um die beiden Diakone an der Petrikirche . . . . . . . . 308 VI. Der Revers beim Examen pro ordinatione . . . . . . . . . . . . . . . . 310 VII. Die Visitationsreise von Hermes und Hillmer . . . . . . . . . . . . . . 312 1. Der Arbeitsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 2. Der Krawall in Halle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 a) Der Tumult der Studenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 b) Woellners Reaktion auf die Abreise von Hermes und Hillmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 3. Das Kloster Berge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

G. Das Universitätswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 I. II.

Der Revers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Die Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 1. Die Universität zu Königsberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 2. Die Universität zu Duisburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 3. Die Universität zu Frankfurt an der Oder . . . . . . . . . . . . . . . 326

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XV

4. Die Universität zu Halle an der Saale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 a) Der Kanzler Carl Christoph v. Hoffmann . . . . . . . . . . . . . 329 b) Ein angebliches Mordkomplott gegen Woellner . . . . . . . . 331 III. Die Einführung eines neuen Lehrbuchs der lutherischen Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 1. Der Auftrag an Nösselt zur Abfassung eines Lehrbuchs . . . . . 332 2. Das Verbot von Niemeyers „Populäre[r] und praktische[r] Theologie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 3. Nösselts Bitte um Dispens von der Aufgabe . . . . . . . . . . . . . 334 4. Niemeyers Verteidigung seines Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 5. Die Einführung der „Epitome theologiae christianae“ von Morus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 IV. Niemeyer und Nösselt des weiteren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 V. Versuche obrigkeitlicher Eingriffe in die Lehrpraxis . . . . . . . . . 344

H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen . . . 348 I.

Die Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 1. Die Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 a) Magdeburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 b) Neumark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 c) Pommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 d) Halberstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 e) Minden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 f) Ostfriesland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 g) Grafschaft Mark: Soest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 h) Grafschaft Mark: Frömern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 i) Westpreußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 j) Ostpreußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 k) Kleve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 2. Die Instruktion für die Provinzialkommissionen . . . . . . . . . . 368 a) Die Bestimmungen der Instruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 b) Die Reaktion aus den Provinzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 II. Die Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 III. Provinzialsynoden in den Provinzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 IV. Prüfungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 V. Die Visitationspredigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 1. Die Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 2. Der Prediger Wahl zu Klein Oschersleben . . . . . . . . . . . . . . 389 3. Visitationspredigten des weiteren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391

XVI

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VI. Die halbjährlichen Generalberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 1. Die Prüfungsergebnisse der Examina . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 2. Die Berichte aus den Provinzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 VII. Die tabellarischen Verzeichnisse der Geistlichen Immediat-Examinationskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412

J. Die Zensur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 I. II.

Das Zensuredikt vom 19. Dezember 1788 . . . . . . . . . . . . . . . . 414 Carl Friedrich Bahrdt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 1. Bahrdts Weg nach Halle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 2. Die „Deutsche Union“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 3. Die Festnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 4. Die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 5. Erste Geständnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 6. Bahrdts erste Fürbitten bei Woellner . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 7. Der Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 8. Woellners Eintreten für Bahrdt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 9. Das Ende der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 10. Das Urteil und die Festungshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 11. Nach der Freilassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 III. Jacob Friederich Roennberg und Pierre Villaume . . . . . . . . . . . 444 1. Die Zensur von Villaumes „Prüfung der Rönnbergischen Schrift über Symbolische Bücher“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 2. Villaumes Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 3. Die Untersuchung der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 4. Woellner versus Carmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 5. Das Verbot des Drucks in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 IV. Johann Friedrich Unger und Johann Georg Gebhard . . . . . . . . 456 1. Johann Georg Gebhards „Prüfung der Gründe“ . . . . . . . . . . 456 2. Die Klage Johann Friedrich Ungers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 3. Weitere Zensurmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 V. Die „Allgemeine deutsche Bibliothek“ von Friedrich Nicolai . . 461 1. Das Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 2. Die Aufhebung des Verbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 VI. Immanuel Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 1. Die verweigerte Drucklegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 2. Die „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“. . 469 VII. Johann Gottfried Hasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 1. Die Broschüre „Ueber itzige und künftige Neologie“ . . . . . . 471 2. Hasses Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471

Inhaltsverzeichnis

XVII

K. Fiskalische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 I. II. III. IV.

Christian Gotthilf Storck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 Weitere Amtsentsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 Woellner und Carmer und fiskalische Untersuchungen . . . . . . . 482 Heinrich Würtzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 1. Die „Bemerkungen über das Preußische Religionsedikt vom 9ten Julius“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 2. Der Prozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 V. Johann Heinrich Schulz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 1. Der Prozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 2. Die letzten Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 VI. Carl Wilhelm Brumbey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 1. Die ersten Amtsjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 2. Die ersten Jahre als Prediger in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 3. Der mißglückte Aufstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 4. Die Hauptstreitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 a) Die Erbauungsstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 b) Der Danksagungsvers nach dem Abendmahl . . . . . . . . . . . 528 5. Die Demission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 6. Die Wegführung aus Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 7. Die Wiederkehr nach Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 8. Die letzten Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555

L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts . . . . . . . . . . . . 558 I. II. III. IV. V.

Das nahende Ende der Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 Das Ende Friedrich Wilhelms II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 Die Trauerfeierlichkeiten für Friedrich Wilhelm II. . . . . . . . . . 567 Die beginnende Regierung Friedrich Wilhelms III. . . . . . . . . . 570 Gotthilf Samuel Steinbarts Hilfsgesuch bei Friedrich Wilhelm III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 VI. Die Beschwerden des Oberkonsistoriums über Woellner . . . . . . 578 VII. Das Ende der Geistlichen Immediat-Examinationskommission . 581 VIII. Die Entlassung Woellners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 IX. Weitere Entlassungen und Entfernungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 X. Das Ende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 Quellenanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 Edict, die Religions-Verfassung in den Preußischen Staaten betreffend. De Dato Potsdam, den 9. Julii 1788 . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 Erneuertes Censur-Edict für die Preußischen Staaten exclusive Schlesien. De Dato Berlin, den 19. December 1788 . . . . . . . . . . . . . . 599

XVIII

Inhaltsverzeichnis

Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 1. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 a) Archivalische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 b) Nichtarchivalische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 2. Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 3. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633

Abkürzungsverzeichnis Abt. AdB ALR BPH CCM Fasz. GStA PK HA NadB NCC ND NF Nl o. J. r

Rep. SpKA Tit. unpag. v

Abteilung Allgemeine deutsche Bibliothek Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Brandenburg-Preußisches Hausarchiv Corpus Constitutionum Marchicarum […] Faszikel Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin Hauptabteilung Neue allgemeine deutsche Bibliothek Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium praecipue Marchicarum […] Neudruck Neue Folge Nachlaß ohne Jahresangabe recte [Vorderseite] Repositur Johann Joachim Spalding. Kritische Ausgabe Titel unpaginiert verso [Rückseite]

Einführung Der preußische Etatsminister Johann Christoph v. Woellner, der am 9. Juli 1788 im Namen des Königs Friedrich Wilhelm II. ein Religionsedikt erlassen hat, ist in der Literatur nicht unbekannt, jedoch weitgehend verfemt. Aufs Ganze gesehen gilt noch immer Friedrich R. Pauligs 1904 getroffene Feststellung: „Von seinen Zeitgenossen und auch von der Nachwelt ist er viel geschmäht worden, aber er hat einen vorurteilsfreien Richter noch nicht gefunden.“1 Um so mehr fordert diese „gewiß sehr merkwürdig bleibende“2 Gestalt zu einer Darstellung heraus. Das Woellnersche Religionsedikt ist im Preußen des späten 18. Jahrhunderts der kirchenpolitisch bedeutsamste Erlaß. Mit diesem Edikt und mit weiteren darauf folgenden Maßnahmen suchte Woellner der theologischen Aufklärung im Kirchen-, Schul- und Universitätswesen entgegenzuwirken. In einiger polemischer Ausführlichkeit hat sich als erster Johann David Erdmann Preuß zu Woellner geäußert. Seine drei von 1865 bis 1866 aufeinander folgenden Aufsätze3 malen ein durchweg negatives Bild des Ministers, der angeblich „so gern freisinnige Geistliche cassirte“4. Preuß resümierte: „ein 1 Friedrich R. Paulig, Friedrich Wilhelm II. König von Preussen. (1744 bis 1797). Sein Privatleben und seine Regierung im Lichte neuerer Forschungen, Familiengeschichte des Hohenzollernschen Kaiserhauses, Bd. 4 Friedrich Wilhelm II., 4. Aufl., Frankfurt a.O. 1904, 306. Es gibt freilich auch Stimmen, die sich von einer grundsätzlich negativen Einschätzung Woellners und des Religionsedikts absetzen. Vgl. etwa Hans-Jürgen Becker, Art. Wöllnersches Religionsedikt, in: HDRG 5 (1998), 1516–1519 und Peter Krause, Mit Kants schädlichen Schriften muß es auch nicht länger fortgehen. Trägt die Ära Woellner ihren Namen zu Recht?, in: Wolff, Jörg (Hg.), Stillstand, Erneuerung und Kontinuität. Einsprüche zur Preußenforschung, Rechtshistorische Reihe 234, Frankfurt a. M. u. a. 2001, 87–140. 2 [Wilhelm Abraham Teller,] Denkschrift auf den Herrn Staats-Minister von Wöllner, Berlin 1802, 15. In der zeitgenössischen Redeweise bedeutet „merkwürdig“ hier „notatione dignus“ und nicht – wie im heutigen Sprachgebrauch – „verwunderlich“. Jacob Grimm/ Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch 12, Leipzig 1885 (ND München 1984), 2107 f. 3 Johann David Erdmann Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, I–III, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 2 (1865, ND 1972), 577–604 und Ders., Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, IV–V, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 2 (1865, ND 1972), 746–774 und Ders., Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 3 (1866, ND 1972), 65–95. 4 Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, IV–V (1865, ND 1972), 746–774, hier 773.

2

Einführung

wie geringer historischer Charakter er auch gewesen, – er war ein Unglück, und die Geschichte darf ihm nicht vorübergehen, ohne seiner zu gedenken. Wissenschaft, Kirche und Schule hat Wöllner zehn Jahre lang in Knechtsgestalt gehalten: Kant und die theologischen Professoren hat er in Religionsprozesse verwickelt; ohne bestimmt zu sagen, was sein offizieller Glaube sei, hat er Mißfällige als Neologen, d. h. als Uebertreter des verhaßten Religions-Edikts, mit Cassation verfolgt“5. Einige Jahre später – 1880 und 1882 – stellte Martin Philippson in zwei Bänden materialreich die innere Entwicklung des preußischen Staatswesens vom Tod Friedrichs des Großen bis zu den Freiheitskriegen dar6. Auch für Philippson ist der vorausgesetzte „kleinliche, gehässige Charakter“7 Woellners die Grundlage der historischen Darstellung. Auf die Ereignisse des provinziellen Lebens ging Philippson nur insoweit ein, wie sie für das Ganze des Staates von Bedeutung waren. Das Übrige könne der Lokal- und Provinzialgeschichte überlassen bleiben8. Die von ihm gebrauchten archivalischen Quellen hat Philippson nur spärlich angegeben. Überdies entsprechen seine Angaben nicht mehr dem heutigen Repositurensystem des Berliner Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz. Paul Bailleu hat 1898 in der „Allgemeine[n] Deutsche[n] Biographie“ einen detaillierten Artikel über Woellner verfaßt9. 1925 trat Paul Schwartz mit einer ausführlichen, den sprechenden Titel „Der erste Kulturkampf in Preußen um Kirche und Schule“ tragenden Untersuchung hervor10. Schwartz hat intensiv mit archivalischen Quellen gearbeitet, jedoch auf deren Angaben verzichtet, da nur die wenigsten Leser die Akten würden benutzen oder nachprüfen wollen. Daher kann der Leser tendenziöse Darstellungen von Schwartz nicht überprüfen11. 5 Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner (1866, ND 1972), 65–94, hier 86. 6 Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 1, Leipzig 1880 und Ders., Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 2, Leipzig 1882. 7 Philippson, Geschichte, Bd. 1, 210. 8 AaO V. 9 Paul Bailleu, Art. Woellner, Johann Christof, in: ADB 44 (1898), 148–158. An Polemik mangelt es auch Bailleu nicht: Woellner sei „durch den völligen Mangel an Charakter abstoßend“ gewesen. AaO 158. 10 Paul Schwartz, Der erste Kulturkampf in Preußen um Kirche und Schule (1788– 1798), MGP 58, Berlin 1925. 11 Verschiedene Aktenstücke hat dann Udo Krolzik sorgsam für seine Arbeit über das Religionsedikt und damit zusammenhängende Maßnahmen herangezogen. Udo Krolzik, Das Wöllnerische Religionsedikt, Hamburg 1998 [veröffentlicht im Internet unter http:// www.fachpublikation.de/dokumente/01/02/].

Einführung

3

Mithin blieb in der Forschung über Woellner und das Kirchenwesen im Preußen des späten 18. Jahrhunderts bislang das Desiderat einer gründlichen Suche und Durchsicht der entsprechenden – teilweise bislang unbeachteten – handschriftlichen Quellen, die im Berliner Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz lagern. Der zweite Teil des Nachlasses von Woellner, der zuvor als Eigentum der Familie v. d. Marwitz unzugänglich gewesen war, wurde im Juli 2007 vom Geheimen Staatsarchiv gekauft und ist in der vorliegenden Darstellung berücksichtigt worden. Die schulischen Verhältnisse im Preußen des ausgehenden 18. Jahrhunderts haben einige monographische Aufmerksamkeit erfahren, so daß die vorliegende Darstellung hier auf längere Erörterungen verzichten darf. Paul Schwartz hat von 1910 bis 1912 drei dickleibige Bände über die Gelehrtenschulen vorgelegt12, Manfred Heinemann hat 1974 die Entwicklung der Unterrichtsverwaltung nachvollzogen13, und von Karl-Ernst Jeismann ist 1996 eine Studie über das Gymnasium erschienen14. Die konkrete Schulwirklichkeit – und nicht nur die obrigkeitlichen Verfügungen – hat detailliert und quellengesättigt Wolfgang Neugebauer erhellt. Entgegen dem allgemeinen Vorurteil habe der absolutistische Staat über keine allumfassenden Eingriffsmöglichkeiten verfügt. Daher müßten „auch die Grenzen des Woellnerschen Regiments deutlich ins Auge gefaßt werden“15. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 hat in seiner Zeit eine brausende Flut von – mitunter freilich recht seichten – gedruckten Schriften ausgelöst. Bereits 1793 verfaßte der Abt des Klosters Michaelstein und Theologieprofessor zu Helmstedt Heinrich Philipp Conrad Henke für die „Allgemeine deutsche Bibliothek“ eine Sammelrezension von 94 über das Religionsedikt und damit zusammenhängende Maßnahmen erschienenen Schriften16. 1996 schließlich 12 Paul Schwartz, Die Gelehrtenschulen Preußens unter dem Oberschulkollegium (1787–1806) und das Abiturientenexamen, Bd. 1, MGP 46, Berlin 1910 und Ders., Die Gelehrtenschulen Preußens unter dem Oberschulkollegium (1787–1806) und das Abiturientenexamen, Bd. 2, MGP 48, Berlin 1911 und Ders., Die Gelehrtenschulen Preußens unter dem Oberschulkollegium (1787–1806) und das Abiturientenexamen, Bd. 3, MGP 50, Berlin 1912. 1900 hatte Colmar Grünhagen in einem Aufsatz das schlesische Schulwesen untersucht. Colmar Grünhagen, Das schlesische Schulwesen unter Friedrich Wilhelm II., in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 34 (1900), 1–32. 13 Manfred Heinemann, Schule im Vorfeld der Verwaltung. Die Entwicklung der preußischen Unterrichtsverwaltung von 1771–1800, SWGB 8, Göttingen 1974. 14 Karl-Ernst Jeismann, Das preußische Gymnasium in Staat und Gesellschaft, Bd. 1: Die Entstehung des Gymnasiums als Schule des Staates und der Gebildeten 1787–1817, Industrielle Welt 15, 2. Aufl., Stuttgart 1996. 15 Wolfgang Neugebauer, Absolutistischer Staat und Schulwirklichkeit in BrandenburgPreußen. Mit einer Einführung von Otto Büsch, VHK 62, Berlin / New York 1985, 195. 16 Heinrich Philipp Conrad Henke, Beurtheilung aller Schriften welche durch das Königlich Preußische Religionsedikt und durch andre damit zusammenhängende Religionsverfügungen veranlaßt sind (gesonderter Abdruck aus AdB 114/2 und 115/1), Kiel 1793.

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Einführung

gab Dirk Kemper eine gründliche Mikroficheedition dieser Schriften heraus, die er noch um weitere 32 Titel hatte ergänzen können17. Zu der öffentlichen literarischen Debatte um das Religionsedikt und das Zensuredikt ist dann 2003 eine Monographie von Christina Stange-Fayos erschienen18. An dieser Debatte, welche die Öffentlichkeit einbezog, hatten nicht nur Theologen, sondern etwa auch Philosophen und Juristen teilgenommen. Stange-Fayos zeigt eindrücklich, daß gerade durch die Einschränkung der Pressefreiheit eine intensive Publikationstätigkeit einsetzte. Wegen dieser ausführlichen Monographie geht die vorliegende Darstellung nur insoweit auf die literarische Debatte ein, als die handschriftlichen Akten, die Stange-Fayos grundsätzlich nicht herangezogen hat, für das Verständnis einzelner Schriften von Bedeutung sind. Sekundärliteratur wird in der vorliegenden Darstellung nur angegeben, wenn sie am jeweiligen Ort geboten erscheint. Die Fußnoten wollen kein bibliographisches Kompendium der Aufklärung in Preußen sein, sondern die komplizierte Aktenlage erhellen. Der an der Aufklärung in ganz Deutschland interessierte Leser wird auf seine Fragen mühelos Antwort finden in Albrecht Beutels 2006 erschienener, gründlich-umfassender und den neuesten Forschungsstand bietender Darstellung „Aufklärung in Deutschland“19. Die sorgfältige Ausschöpfung der archivalischen Quellen ermöglicht, das Vergangene annähernd zu rekonstruieren und auf diese Weise zu versuchen, es zu verstehen20. Allzu leicht befinden sich auf der Bühne historischer Darstellung ausschließlich einige wenige bedeutende, wirkungsmächtige Hauptgestalten. Die Vorgänge um Woellner jedoch heben gerade auch weniger bekannte sowie unbekannte Figuren ans Licht, deren Betrachtung für das bunte Bild der kirchlichen Realität im Preußen des ausgehenden 18. Jahrhunderts unverzichtbar ist. 17 Dirk Kemper (Hg.), Mißbrauchte Aufklärung? Schriften zum preußischen Religionsedikt vom 9. Juli 1788. 118 Schriften auf 202 Mikrofiches. Begleitband, Hildesheim u. a. 1996. 18 Christina Stange-Fayos, Lumières et obscurantisme en Prusse. Le débat autour des édits de religion et de censure (1788–1797), Bern 2003. 19 Albrecht Beutel, Aufklärung in Deutschland, KIG 4 O2, Göttingen 2006. 20 Die Zitate folgen originalgetreu der zeitgenössischen Graphematik, Interpunktion und Grammatik. Der Hinweis „sic“ wird nur dann verwendet, wenn tatsächlich ein Fehler und nicht bloß eine in Ermangelung zeitgenössischer Reglementierung ungewöhnliche Schreibweise oder Konstruktion vorliegt. Dies gilt sowohl für die deutschen als auch für die lateinischen und französischen Zitate. Doppelbindestriche werden in der vorliegenden Darstellung als einfache Bindestriche und Hervorhebungen in den Quellen werden durch kursive Setzung wiedergegeben. Wenn die Quellen die Verdoppelung von Buchstaben durch einen Strich über den jeweiligen Buchstaben anzeigen, gibt die vorliegende Darstellung nicht den Strich, sondern den verdoppelten Buchstaben wieder. In seltenen Fällen bietet die vorliegende Darstellung bei den Quellen eine Blattangabe ohne die Hinweise „recte“ und „verso“, weil sie dann einer jeweiligen zeitgenössischen Paginierung folgt, die ohne „recte“ und „verso“ zählte. Die Schreibung von Eigennamen richtet sich vornehmlich nach autographen Unterschriften.

Einführung

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Woellner sowie die Kirchenpolitik und die kirchliche Wirklichkeit seiner Zeit sind von einer eigentümlichen Verwobenheit und Spannung theologischer Überzeugungen, persönlicher Interessen, machtpolitischer Überlegungen und religiöser Gewohnheiten geprägt, die sich schematischen Zuweisungen entziehen. Eine Zusammenfassung der Erlasse, Instruktionen, Auseinandersetzungen, Prozesse und lokalen Besonderheiten wäre nur eine Paraphrase des Inhaltsverzeichnisses und dürfte sich also erübrigen. Die Verfasserin der vorliegenden Darstellung hat die Quellen getreu einer alten Maxime zu lesen gesucht: „sedulo curavi, humanas actiones non ridere, non lugere, neque detestari, sed intelligere“21.

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Seit dem 23. Juli 2007 ist dieses Wort von Baruch Spinoza aus dem Tractatus politicus, 1 § 4 wieder auf der Wand über der großen Eingangstür im renovierten Forschungssaal des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz in Berlin zu lesen, nachdem die Schriftzüge in der Zeit des Nationalsozialismus getilgt worden waren.

A. Der Werdegang Woellners bis 1788 I. Der Beginn Es war im späten Frühjahr, als in einem märkischen Pfarrhaus ein Knabe das Licht der Welt erblickte. Am 19. Mai 1732 wurde Johann Christoph Woellner in Döberitz bei Spandau geboren1. Seine ersten Jugendjahre verlebte Woellner auf dem Land. Hier hat wohl „die schöne Natur mit allem was zu ihrer Cultur gehört, einen so frühen als tiefen Eindruck“2 auf ihn gemacht, „daß man den Geschmack daran, welchen er, auch in spätern Jahren, nicht verlohr, als einen Grundzug seines Charakters annehmen kann“3. Das Kind erhielt Privatunterricht und konnte sich gute Französisch- und Englischkenntnisse aneignen. Nach einer „sorgfältigen Erziehung“4, an der die von ihm sehr verehrte Mutter 1 Am 28. Januar 1802 hielt Wilhelm Abraham Teller bei Gelegenheit der Friedrichsfeier in einer öffentlichen Sitzung der Königlichen Akademie der Wissenschaften eine Gedächtnisrede für Woellner. Diese dreizehnseitige wohltemperierte Rede zeugte von feiner Geistesart und erschien wenig später bei Johann Friedrich Unger in Berlin unter dem Titel „Denkschrift auf den Herrn Staats-Minister von Wöllner“. AaO 3. Teller, der ebenso wie Woellner 1787 in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen worden war, hatte „mit Vergnügen“ die Gedächtnisrede zu Woellners Andenken übernommen. AaO 13. In allen eigenhändigen Unterschriften schrieb Woellner seinen Namen ohne Umlaut. Eine Ausnahme bildet nur ein Schreiben an Friedrich II. vom 20. April 1763. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 29, Bl. 8r. Friedrich Wilhelm II., der des Deutschen wenig mächtig war, buchstabierte Eigennamen häufig nach Gehör. So findet sich im März 1797 die Version „Wölner“. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 E, unpag. Woellners Vater hieß ebenfalls Johann Christoph Woellner. Er buchstabierte den Nachnamen freilich „Wöllner“. Vgl. zwei Briefe des Vaters an den Sohn aus dem Sommer 1756. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 29, Bl. 3r–3v und 5r. Seine Mutter Dorothea Rosinna, geb. Cuno, war eine Nichte des unter Friedrich Wilhelm I. die Finanzangelegenheiten verwaltenden Ministers Christoph v. Katsch. In einer testamentarischen Erklärung gegenüber der Generalin v. Itzenplitz unterschrieb Woellners Mutter als „Dorothea Rosinna Wöllnerin“. Aus dieser Erklärung geht überdies hervor, daß Woellner zwei Brüder hatte. AaO Bl. 6r. 1786 legte Woellner dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm auf dessen Befehl hin eine „Characteristic guter Leute“ vor, die hundert Personen umfaßte. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 206 E, Bl. 25r–59r. Dort nannte er auch lobend einen Bruder, den fünfzigjährigen Hofpostrat und Oberziesemeister der Landschaft Woellner: Der Minister Hans Ernst Dietrich v. Werder als sein Chef sei mit ihm zufrieden. „Ist mein Bruder, den ich aber nicht dafür erkennen würde, wenn er nicht ehrlich, gut, und fromm wäre.“ AaO Bl. 52v. 2 [Teller,] Denkschrift, 3. 3 Ebd. 4 Ebd.

I. Der Beginn

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großen Anteil genommen haben soll, wurde es dem Unterricht und der Aufsicht des Rektors der Stadtschule in Spandau J. A. Ziegler übergeben5. Diese Schule war damals eine bloße Bürgerschule gewesen; diejenigen, die sich den „eigentlichen Wissenschaften“6 widmen wollten, besuchten noch zuvor eine sogenannte höhere Schule, bevor sie ihre Universitätsstudien begannen. Nur „die besondre Leitung“7 Zieglers, von der Woellner stets „mit Rührung“ sprach und die er bis zu dessen Tod in dankbarer Erinnerung behielt, ermöglichte es Woellner, unmittelbar von dieser Schule zum Studium der Theologie auf die Universität Halle zu gehen8. Seit Ostern 1750 lebte dort auch studierend der etwa neun Monate ältere Hermann Daniel Hermes9. Der Student Woellner erlebte in Halle an der philosophischen Fakultät noch den berühmten Breslauer Christian Wolff, der dann 1754 starb. In der unter dem Prorektor Johann Joachim Lange stehenden theologischen Fakultät strahlte vor allem Siegmund Jacob Baumgarten, der Wolffs philosophische Methode in der Theologie anwandte. Der junge Woellner kam also durchaus mit Gedankengut in geistige Berührung, das die Grundlage für eine neologische Theologie bilden konnte10. 1752 kehrte er zwanzigjährig von der Universität ins Elternhaus zurück. Döberitz war zu jener Zeit im Besitz eines v. Börstel, dessen Zuneigung sich Woellner bald erwarb. Börstel empfahl zusammen mit August Friedrich Wilhelm Sack dem Generalleutnant August Friederich v. Itzenplitz den jungen Kandidaten als Hofmeister seines Sohnes auf Groß und Klein Behnitz bei Nauen im Havelland11. 5

Ebd. AaO 4. 7 Ebd. 8 Ebd. Am 8. Mai 1750 stellte ihm der Rektor Ziegler in lateinischer Sprache ein vorzügliches Zeugnis aus. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 29, Bl. 1r. Unter dem 2. Mai 1750 war Woellner an der Fridericiana eingeschrieben worden. Das gesiegelte Schriftstück findet sich aaO Bl. 2r. 9 Vgl. zu Hermann Daniel Hermes zum Beispiel Kapitel F.I.1. 10 Georg Hoffmann, Hermann Daniel Hermes, der Günstling Wöllners. (1731–1807). Ein Lebensbild, Breslau 1914, 9. Woellners Studium war vom Vermögen seiner Mutter finanziert. In der testamentarischen Erklärung gegenüber der Generalin v. Itzenplitz schrieb Dorothea Rosinna Wöllner, daß sie für das Studium ihrer beiden ältesten Söhne „gern und willig“ ihr Vermögen gegeben habe. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 29, Bl. 8r. Woellners Mutter starb am 1. Dezember 1766. Abschrift und Erschließung der Kirchenbücher, Lieferung 2: Gesamtkirchenbuch Nr. 2 (1747–1780/97), Lieferung 3: Gesamtkirchenbuch Nr. 3 (1780/98–1803), hg. von Stefan Lindemann, Beiträge zur Geschichte der Dörfer Groß und Klein Behnitz (Havelland) 3 und 4, Potsdam 2001, 151. 11 1781 erinnerte sich Woellner an Waldungen, die dreißig Jahre zuvor derartig dicht mit Holz bewachsen gewesen waren, daß er – „als ein Liebhaber der Jagd“ – damals an vielen Orten oft Mühe gehabt hatte, mit seinem Hund dort hindurchzukriechen, wo man nun mit ganzen Regimentern exerzieren könnte. Dies schrieb Woellner 1781 in einem für den damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm verfaßten „Memoire über das Forst Wesen und 6

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

Woellner bewährte sich, so daß ihn der als Patron dazu berechtigte Generalmajor am 12. November 175412 zum Pfarrer von Groß und Klein Behnitz berief, nachdem der vormalige dortige Pfarrer Andreas Henckel gestorben war. Jedoch mußte der Generalmajor am 3. Februar 1755 den König um Hilfe bitten13, da das Berliner Konsistorium Woellner nicht ohne königlichen Dispens zu dieser Stelle admittieren wollte, weil er das kanonische Alter von 25 Jahren noch nicht erreicht hatte14. Bereits unter dem 5. Februar erging eine Ordre die Holtz Wirthschafft in der Marck Brandenburg“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 1, Bl. 3r–30v, hier 12r. 12 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 28, Bl. 3r–3v. August Friederich v. Itzenplitz berief Woellner, weil ihm gegenüber dessen Studien und guten Gaben im Predigen gerühmt worden waren. 13 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 5 [Ministerial-Archiv 32], Bl. 173r [Abschrift]. 14 Vom 19. Februar 1738 datierte das von Friedrich Wilhelm I. und Samuel v. Cocceji unterschriebene „Patent, daß künfftighin kein Candidatus Theologiae, er sey, wer er wolle, zum würcklichen Predigt-Amt befordert [sic] werden solle, welcher nicht das fünff und zwantzigste Jahr zurück geleget hat“. Dies galt für die deutsch-reformierten und die lutherischen Kandidaten, nachdem im Blick auf die Französisch-Reformierten bereits ein gutes Jahr zuvor (am 13. November 1736) ein entsprechendes Reglement ergangen war. CCM Continuatio I, Erster Theil, Erste Abtheilung, Nr. 11, 131 f. Diese Bestimmung konnte dann auch auf die römisch-katholische Geistlichkeit übertragen werden. Unter dem 27. Juni 1798 antwortete der Großkanzler Heinrich Julius v. Goldbeck dem Freiherrn Friedrich Leopold v. Schrötter, der angefragt hatte, ob zur Erlangung der Priesterweihe oder zur Erlangung einer Seelsorgerstelle das vollendete oder aber nur das angefangene 25. Lebensjahr erfordert werde, daß – da die kanonischen Bestimmungen nicht eindeutig waren – es am sichersten sei, analog zu der Bestimmung des Patents vom 19. Februar 1738 das vollendete 25. Jahr zu fordern. Freilich sei ihm durchaus bekannt, daß das Geistliche Departement in gewissen Fällen von dieser Vorschrift einen Dispens erteile. Diese Fälle würden sich aber auf besondere Prüfungen über die Lehre, das Leben und den Wandel des Kandidaten gründen. Ähnliche Dispense könnten also auch bei den römisch-katholischen Geistlichen gegeben werden; unter welchen Modalitäten dies geschehen könne, sei aber Angelegenheit der neuen Konstitution über die Verhältnisse der katholischen Geistlichkeit in Südpreußen. GStA PK, I. HA, Rep. 84, VII, Nr. 525 Bd. 1, Bl. 99r–99v. Teller bemerkte 1802 in seiner Denkschrift auf den Verstorbenen, daß sich das zur Übernahme eines Predigtamtes erforderliche Alter zwar eigentlich aus dem päpstlichen Recht herleite, es aber gewiß nicht ohne zureichenden Grund in mehreren protestantischen Ländern beibehalten worden sei. In einer Fußnote fügte Teller an, daß – soviel er wisse – in Kursachsen dieses Alter nicht üblich sei. Jedenfalls sei er selbst schon im zwanzigsten Jahr ohne Widerspruch des Leipziger Konsistoriums von dem Leipziger Magistrat zum Katecheten an der Peterskirche gewählt worden. Nur in einzelnen Fällen finde eine Ausnahme statt, wie auch zu seiner Zeit das Berliner Oberkonsistorium sie zuweilen gemacht habe. Denn, „man sage was man wolle“, das alte Sprichwort „‚Verstand kommt nicht vor Jahren‘“ habe Recht. Und auch „Gesetztheit und männlicher Ernst“ stellten sich erst bei fortschreitendem Alter ein. Selbst der Körper habe noch nicht „die gehörige Festigkeit“, um besonders bei großen Landgemeinden den Amtsarbeiten nicht zu unterliegen. [Teller,] Denkschrift, 5. Wenn nun dennoch das Konsistorium später bei Woellner eine Ausnahme machte, „so muß man schon annehmen, daß er in den mit ihm angestellten Prüfungen sich besonders ausgezeichnet habe“. AaO 6.

I. Der Beginn

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Friedrichs II. an Carl Ludolph v. Danckelmann, durch die dem Kandidaten Woellner der Dispens erteilt wurde15. Vom 7. Februar datierte dann die von Danckelmann unterschriebene Resolution, daß Woellner „in Betracht seiner Geschicklichkeit“ dispensiert und zum Predigtamt zugelassen werden solle16, so daß das Konsistorium am 18. März die Wahl bestätigen konnte17. Die erfahrungsgesättigten Lokal- und Sittengemälde derjenigen Predigten Woellners, die gedruckt wurden, zeigen sein Bemühen, die Menschen kennenzulernen, deren Seelsorge ihm anvertraut war18. Der allgemeinen zeitgenös-

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GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 5 [Ministerial-Archiv 32], Bl. 172r. AaO Bl. 171r–171v [Konzept]. Die von Friedrich II. unterschriebene und gesiegelte Urkunde vom 7. Februar 1755 findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 28, Bl. 4r. 17 Diese von v. Danckelmann und v. Irwing unterschriebene Confirmation findet sich aaO Bl. 5r–6r. Johann David Erdmann Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, I–III, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 2 (1865, ND 1972), 577–604, hier 578. Es gab auch andere Fälle, in denen die Regelung des kanonischen Alters nicht genau eingehalten wurde. So wurde dem Kandidaten Johann Christian Siegmund Bratring am 1. Februar 1755 erlaubt, sein Predigtamt auszuüben, obwohl ihm noch drei Monate bis zur Erreichung des kanonischen Alters fehlten. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 5 [Ministerial-Archiv 32], Bl. 174r [Konzept]. Unter dem 24. Januar 1755 hatte er um diese Erlaubnis nachgesucht (aaO Bl. 175r) und einen Geburtsschein beigelegt (aaO Bl. 176r). 18 1761 erschienen im Druck vierzehn Predigten von Woellner ([Johann Christoph Woellner,] Predigten, Berlin 1761). Woellner habe sich vielleicht, mutmaßte Teller 1802 in seiner Denkschrift auf den Verstorbenen, seines extraordinär früh erlangten Predigtamtes würdig zeigen wollen, indem er mehrere nach militärischen Siegen gehaltene Dankpredigten nebst einigen Festpredigten, die er seinem früheren Schulrektor Ziegler zueignete, 1761 drucken ließ. Mache schon diese Widmung ihm als einem dem Lehrer seiner Jugend unveränderlich ergebenen Schüler Ehre, so seien auch die Predigten selbst „nach den besten Mustern“ in der Mitte des 18. Jahrhunderts abgefaßt. Zwar seien sie in einem besonders für Landleute „etwas zu blühende[n] Styl, auch oft zu declamatorisch“ geschrieben. Doch sei der Ausdruck „sehr gefeilt“, der Ideengang logisch richtig „und das Ganze ein warmes Gefühl für practische Religion nach dem damaligen kirchlichen System und in so weit dieses demselben nicht mehr hinderlich war, athmend“. AaO 6. 1789 wurde dann in Berlin in Kommission der Buchhandlung der Königlichen Realschule eine neue Auflage der gedruckten Predigtsammlung von 1761 verlegt (Johann Christoph von Wöllner, Predigten, 2. Aufl., Berlin 1789). Die ersten fünf der insgesamt vierzehn Predigten waren Dankpredigten aus aktuellem politischen Anlaß. Woellner hatte die Dankpredigten geschrieben anläßlich des Sieges bei Lowositz (aaO 1–30), bei Prag (aaO 31–60), bei Rosbach (aaO 61–92), bei Leuthen (aaO 93–126) und bei Zorndorf (aaO 127–162). Woellner sprach seine Gemeinde, ganz der damaligen Gepflogenheit verpflichtet, oft als „Andächtige“ (zum Beispiel aaO 3 f. 6–9. 11. 14–18. 20. 22. 24. 26. 33–36. 38. 45 f. 51 und 56) oder als „meine andächtigen Zuhörer“ (zum Beispiel aaO 3) an. In der ersten Dankpredigt gebrauchte er nur diese Anreden. Später bezeichnete er sie auch als „Freunde“ (zum Beispiel aaO 38). Anläßlich des Sieges bei Lowositz predigte Woellner über „Die Pflichten eines Volks bei den Siegen seines Königs“. Der Predigt lag als Bibeltext Ps 33,20–22 zugrunde. Woellner bezeichnete Friedrich II. uneingeschränkt preisend als „einen Landesvater, einen Helden, den besten König, unsern König“. AaO 5. 16

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

sischen Kunde nach richtete er auch überhaupt den Inhalt seiner Predigten größtenteils auf die Verhältnisse, Pflichten und Arbeiten des Landmanns aus19. Lange freilich stand der junge Prediger nicht im Pfarramt, das er bereits in jungen Jahren „seiner damaligen schwächlichen Gesundheit halber“20 niederlegte. Daraufhin erteilte die verwitwete Generalin Karoline Sophie v. Itzenplitz, geb. v. Viereck21, deren Gemahl – der Generalleutnant August Friederich v. Itzenplitz22 – auf dem Schlachtfeld bei Kunersdorf geblieben war, die vakante Predigerstelle Woellners Vater, der sie am 25. September 1760 übernahm23. Als der alte Wöllner 1765 starb, erhielt dessen Bruder Martin Gottlieb, also Johann Christophs Onkel, die Pfarrstelle24. Den jungen Woellner, dem sie 1766 ein Kanonikat in dem Lieben Frauenstift zu Halberstadt kaufte25, bestimmte die Generalin zum Gesellschafter ihres von der Universität zurückgekehrten Sohnes. 1762 pachtete Woellner mit seinem Freund Friedrich Wilhelm Gottfried v. Itzenplitz die Behnitzschen Güter und widmete sich fortan mit aller Kraft dem Studium der Landökonomie26. 19 [Teller,] Denkschrift, 6 f. Dies solle, fügte Teller an, im übrigen jeder Landprediger tun. AaO 7. 20 Diese Angabe findet sich in einem von dem Kriegsrat und Geheimen Archivar Johann Daniel Kluge 1791 zusammengetragenen Verzeichnis Geheimer Etats- und Kriegsräte. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 31, Bl. 47r. 21 Karoline Sophie v. Viereck war am 25. November 1722 geboren worden. Sie starb am letzten Maitag 1770. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Uradeligen Häuser. Der in Deutschland eingeborene Adel (Uradel) 18 (1917), 433. Nach ihrem Tod besorgte Woellners Bruder in Berlin Trauergarderobe für Woellner, dessen Ehefrau und den jungen v. Itzenplitz. Für den jungen v. Itzenplitz ließ er auch Formulare für Trauerbriefe, die den Tod von dessen Mutter anzeigten, beim Buchdrucker anfertigen. Vgl. einen Brief von Woellners Bruder an Woellner vom ersten Pfingsttag 1770 sowie einen Nachtrag vom zweiten Pfingsttag. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 29, Bl. 23r–23v. 22 August Friederich v. Itzenplitz wurde am 15. März 1691 geboren. In der Schlacht bei Kunersdorf erlitt er schwere Wunden, an denen er am 25. September 1759 in Stettin starb. Er war Ritter des Schwarzen Adlerordens. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch, 433. 23 Die von v. Danckelmann und v. Irwing unterschriebene gedruckte Confirmatio des „Johann Christoph Wöllner“ zum Prediger nach Groß und Klein Behnitz findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 28, Bl. 7r–8r. 24 Woellners Vater hatte das Amt bis zu seinem Tod am 6. April 1765 inne. Dessen Bruder wirkte dann bis zum 10. Januar 1776 in dieser Pfarrstelle. Diese Angaben finden sich in einem vom 21. März 1847 datierenden Bericht des zu jener Zeit das Pfarramt in Groß Behnitz verwaltenden Predigers. AaO Bl. 20v–21r. Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, I–III (1865, ND 1972), 577–604, hier 578. Der Todestag von Woellners Vater ist bezeugt in Abschrift und Erschließung der Kirchenbücher, Lieferung 2, Lieferung 3, hg. von Stefan Lindemann, 149. 25 Am 20. Mai 1787 wurde Woellner urkundlich gesiegelt und von Zedlitz unterschrieben das Beneficium a latere bewilligt. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 33, unpag. 26 Teller urteilte 1802 in seiner Denkschrift für Woellner: „Da war er nun ohnstreitig in seinem eigentlichen Fache“. [Teller,] Denkschrift, 7. Unter dem 20. April 1763 bat Woellner Friedrich den Großen, einen Plan für einen verbesserten Seidenbau übergeben zu dürfen. Er selbst hatte seit einigen Jahren eine Plantage von nahezu zehntausend Maulbeerbäumen

II. Der Landwirt und Ökonom

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II. Der Landwirt und Ökonom Woellner wurde märkischer27 Landwirt28 – dieser Bereich umschloß auch die Forstwirtschaft29 – und sachkundiger Ökonom30. 1763 übersetzte und kommentierte er Francis Homes „Grundsätze des Ackerbaues und des Wachsthums der Pflanzen“31. In der Vorrede stellte Woellner die Engländer als Vorbild dar: England verdanke seine gegenwärtige Macht nicht nur dem Handel, sondern auch dem Ackerbau32. Seit 1765 publizierte Woellner emsig ökonomische Rezensionen in der „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“. 1780 dann beendete er seine Mitarbeit33. 1766 veröffentlichte er anonym eine längere, abzüglich des Vorberichts 160 Seiten und 95 Paragraphen umfassende Schrift, die als sein „Hauptwerk“34 angelegt. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 29, Bl. 8r. Im Juni gewährte ihm der König die Bitte. AaO Bl. 9r. 27 Für „uns Märcker“ stellte er seine Betrachtungen an. [Johann Christoph Woellner,] Die Aufhebung der Gemeinheiten in der Marck Brandenburg nach ihren grossen Vortheilen ökonomisch betrachtet, Berlin 1766, 80. 28 Woellner sprach ganz selbstverständlich von „uns Landwirthen“. AaO 4. Eigens betonte er, daß er „nur als Landwirth“, nicht aber als Rechtsgelehrter schreibe. AaO 134. 29 Die Forstwirtschaft war Woellners „Lieblingsbeschäftigung“. AaO 141. Er entwarf eine Forstordnung für die Bauern. AaO 141–159. 30 Woellner hatte beispielsweise berechnet, wieviel Land auf einer Feldmark durch sogenannte Scheidfahren einerseits und wieviel Land durch Äcker trennende Gräben andererseits ungenutzt blieb. AaO 102. 31 Franz Home, Grundsätze des Ackerbaues und des Wachsthums der Pflanzen aus dem Englischen nach der zweyten vermehrten Ausgabe ins Teutsche übersetzt und mit Anmerkungen begleitet von Johann Christoph Wöllner des Ober-Collegiat-Stifts U. L. F. zu Halberstadt Canonico, Berlin 1763. Das Buch erschien im Verlag der Buchhandlung der Realschule. Eine dritte, vermehrte Auflage erschien 1782. [Teller,] Denkschrift, 7 f. 32 Home, Grundsätze des Ackerbaues, 3–40. Die zweite Auflage erschien 1779. Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, I–III (1865, ND 1972), 577–604, hier 580. 33 In Band 3 bis Band 44 der „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“ schrieb er unter dem Abschnitt „Haushaltungskunst“ die meisten Rezensionen. Dirk Kemper (Hg.), Mißbrauchte Aufklärung? Schriften zum preußischen Religionsedikt vom 9. Juli 1788. 118 Schriften auf 202 Mikrofiches. Begleitband, Hildesheim u. a. 1996, 77 Anm. 55. Diplomatisch äußerte sich 1802 Teller in seiner Denkschrift für Woellner zu dieser Tätigkeit: Bemerkenswert sei noch, „nach einer ausdrücklichen Anzeige meines geehrten Freundes und Collegen“ bei der Königlichen Akademie, Friedrich Nicolai, daß Woellner bis 1780 Beiträger der „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“ gewesen war. „Mit der Frage, warum nur bis dahin und nicht wenigstens bis 1786, da gehäuftere Geschäfte ihn hätten abhalten können, habe ich den Herrn Herausgeber nicht in Verlegenheit setzen wollen; und so mag ich auch mit einer bloßen Sage weder seine Manen beunruhigen, noch diese ansehnliche Versammlung täuschen.“ [Teller,] Denkschrift, 12. 34 AaO 8. Durch diese Schrift habe er sich, schrieb Teller 1802, nach dem Urteil aller Kenner das größte Verdienst um die spätere Realisierung der Aufhebung der Gemeinheiten erworben; „wie es der Fall bey jedem Schriftsteller ist, der eine große fruchtbare Idee zuerst in Umlauf bringt“. Mit vieldeutigem Lob diskreditierte Teller indirekt Woellners weiteres Wir-

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

gelten kann: „Die Aufhebung der Gemeinheiten in der Marck Brandenburg nach ihren grossen Vortheilen ökonomisch betrachtet“35. Unbefangen pries er im Vorbericht seinen König Friedrich II.: Der königliche Befehl zur Aufhebung der Gemeinheiten sei „unter denen unzählichen Wohlthaten, die das Vaterland von seinem grossen und gütigen Beherrscher je empfangen hat, eine der allerwichtigsten“36. Seine Überlegungen leitete Woellner „aus der Natur der Landwirthschaft“37 her. Zur Bestätigung seiner Sätze machte er zwei Größen namhaft, die er für theologische Aussagen später nicht geltend gemacht hätte: Vernunft und Erfahrung38. In selbstbewußter Befreiung von der Tradition39, die er in theologischen Belangen nicht antastete, stellte Woellner die Vorteile der Aufhebung der Gemeinheiten dar40. ken: „So verstehe ich es, wenn, ich entsinne mich nicht wer eigentlich, gesagt hat: ‚ein Autor könne nicht mehr als Ein gutes Werk schreiben.‘“ Wenn Woellner sich auch in seinen späteren Schriften nicht immer wiederhole, so liege doch der Keim aller seiner folgenden Einsichten und Schriften in der ersten Schrift schon gewissermaßen verborgen. „Jeder Psycholog wird das wahr finden, wenn er den Gelehrten auch als Schriftsteller auf seiner Bahn nachspürt.“ Ebd. 35 [Woellner,] Die Aufhebung der Gemeinheiten. Eine französischsprachige, handschriftliche Fassung der Abhandlung über die Aufhebung der Gemeinheiten in der Mark Brandenburg findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 32, Bl. 3r–16v. Woellner verfaßte die Abhandlung unter dem Titel „Essai sur la Nécessité et l’utilité d’abolir les communaux dans les Marches Electorales de Brandebourg“. AaO Bl. 4r. In dem französischen Begleitbrief an Friedrich II. hatte er die Reformbemühungen des Königs in dieser Sache gepriesen. Dermaleinst würden die Untertanen ihrem König „sentimens de la plus vive Gratitude“ entgegenbringen. AaO Bl. 1r–2r, hier 2r. Woellner schloß nach seiner Belobigung des Königs ganz untertänig: „C’est dans ces sentimens que j’ose me dire de la plus profonde vénération et soumission“. 36 [Woellner,] Die Aufhebung der Gemeinheiten, Vorbericht, unpag. 37 AaO Vorbericht, unpag. 38 Zum Rekurs auf die Erfahrung vgl. auch aaO 17. Die „tägliche Erfahrung“ nahm er aaO 57 in Anspruch. AaO 77 verwies Woellner – ohne explizit das Wort zu gebrauchen – auf seine eigene Erfahrung beim Anbau von Hecken zur Ackerbegrenzung und aaO 78 auf Erfolge in seinen Baumschulen; aaO 149 berichtete er, daß er wiederholt bereits im November und den ganzen Winter hindurch – und also nicht erst im März – die Kienäpfel habe pflücken lassen und deren Samen zur Saat neuer Kiefern für gut befunden habe; aaO 156 schilderte er seine Methode, Eichen pflanzen zu lassen. 39 „Das graue Alterthum ist aller Verehrung würdig, und durch die Beobachtung mancher von unsern Vorfahren herstammenden Einrichtungen und Gewohnheiten, leisten wir ihnen eine Art der Ehrerbietung, die wir ihrem Andenken schuldig sind. Nur lehret uns die Klugheit hierinn von solchen Gewohnheiten eine Ausnahme zu machen, welche in der Folge der Zeit durch veränderte Umstände nicht selten höchst unbequem, und oft schädlich geworden sind. Dieses leztere ist der Fall bei der Landwirthschaft in Absicht der in denen meisten Gegenden Teutschlands bis diese Stunde noch üblichen Gemeinheiten.“ AaO 3. Vgl. auch Woellners Zwischenrésumé aaO 54: „Ein so uhraltes Herkommen aufzuheben, war gewiß keine Kleinigkeit.“ AaO 81 f hieß es: „Ein kalter Schauer überfällt mich bei dem Gedanken, daß ich es wage, eine so uhralte löbliche Gewohnheit, als die Feldgemeinschaft ist, so verwegen zu bestreiten, denn ich weiß, wie es solchen Neulingen in der ökonomischen Welt zu gehen pflegt. Die Liebhaber alter Gebräuche, und deren giebt es leider nirgend mehr als bei der Landwirthschaft, hören kaum so etwas von neuen Vorschlägen, so sind sie entweder weit

II. Der Landwirt und Ökonom

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Auch die Pfarrer bezog er in das Reformprogramm ein: „Edelleute, Prediger, und Beamten“41 müßten den Bauern Anfangsunterricht im Anbau von Futterkräutern geben. Außerdem müsse ein einfaches Handbüchlein für die Bauern gedruckt werden: „Ich stehe dafür, daß in kurzen der Bauer diesen Unterricht besser als seinen Catechismus inne haben […] wird.“42 Woellner strebte nach größerem ländlichen Besitz und bat daher am 12. März 1790 Friedrich Wilhelm II., ihm in der folgenden Woche drei Tage Urlaub zu gewähren, damit er in der Gegend von Beeskow einige zum Verkauf stehende Güter besehen könne, die er von dem Vermögen seiner Frau kaufen wollte, um ihr nach seinem Tod eine Retraite zu verschaffen. Der König gewährte Woellners Bitte umstandslos durch den eigenhändigen Vermerk „acordirt“43. Woellners Besichtigungsfahrt war erfolgreich, und er kaufentfernt, sich die Mühe zu geben, darüber nachzudenken, und denn wird die beste Sache mit einem mitleidsvollen oder auch höhnischen Lachen durch ihr dictatorisches Machtwort: das geht nicht an, verworfen; oder würdigen sie ja eine neue Angabe ihrer näheren Aufmerksamkeit, so haben sie sogleich ein Heer von Einwürfen in Bereitschaft, um solches gleich einen undurchdringlichen Phalanx allen Bemühungen entgegen zu stellen, die auf die Ausübung solcher Vorschläge gerichtet sind.“ Außerhalb der Theologie kritisierte Woellner unbefangen die Tradition. In seiner 1784 für den damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm geschriebenen „Abhandlung von der Bevölckerung der Preuß[ischen] Staaten, vornehmlich der Marck Brandenburg“ wandte er sich den die Untertanen niederdrückenden Fron- und Hofdiensten zu, die „uralten“ Ursprungs seien. Die Tradition allein war für Woellner kein hinreichendes Argument: „Indeßen ist nicht allemahl dasjenige gut, was vom alten Herkommen ist.“ Oft sei eine Sache zur Zeit ihres Entstehens nicht zu tadeln, aber wenn sich in der Folge die übrigen Umstände veränderten, könne sie in anderen Verhältnissen eine ganz andere Gestalt gewinnen. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 2, Bl. 4r–80v, hier 67v. 40 Hauptsächlich war Woellner daran gelegen, nicht mehr, wie bislang üblich, ein Drittel des Ackerlandes jährlich brachliegen zu lassen und als Weide für Rinder, Pferde, Schafe, Schweine und Gänse zu nutzen, sondern diesen dritten Teil mit Futterkräutern zu bestellen, so daß der Viehbestand spürbar vergrößert werden könnte. [Woellner,] Die Aufhebung der Gemeinheiten, Vorbericht, unpag. Auch ein weiteres Anliegen Friedrichs II. unterstützte Woellner: Er empfahl nachdrücklich den Anbau von Kartoffeln, da sie reichlich Nahrung für Mensch und Vieh böten und überdies in Jahren schlechter Kornernte günstig seien. AaO 69. 1784 schrieb Woellner in seiner für den damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm verfaßten „Abhandlung von der Bevölckerung“, daß er – als er fünfzehn Jahre auf dem Land gelebt hatte – dem König manchen Untertan gerettet habe, indem er ihm aus seiner kleinen Hausapotheke sehr einfache Medikamente gegeben habe oder für ihn auf seine eigenen Kosten aus einer benachbarten Stadt einen Arzt habe holen lassen. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 2, Bl. 4r–80v, hier 37r. 41 [Woellner,] Die Aufhebung der Gemeinheiten, 100. 42 Ebd. 1769 veröffentlichte Woellner ein „Schreiben eines Landwirths an die Bauren wegen Aufhebung der Gemeinheiten“. Diese kurze, mitsamt Anhang 48 Seiten umfassende Schrift zeigt Woellner als praktischen, lebensnahen, erfahrenen Fachmann. Das Jahr 1769 ist [Johann Christoph Woellner,] Schreiben eines Landwirths an die Bauren wegen Aufhebung der Gemeinheiten, Berlin [1769], 44 genannt. 43 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 C, Bl. 3r.

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

te diese v. d. Marwitzschen Güter – mit Groß Rietz als Herrensitz44 – dann tatsächlich45. Die Güter wollten freilich auch finanziell unterhalten sein. Am 27. Mai 1790 übersandte Woellner dem König den Hofstaatskassenetat und verband damit die Bitte um einen von Friedrich Wilhelm II. selbst festzusetzenden Betrag aus der reich gefüllten Dispositionskasse46. Die Spree richtete auf seinem Gut großen Schaden an, so daß er einen kostspieligen Wasserbau vornehmen mußte. Außerdem drohte der Kirchturm einzustürzen47, und auch die Kirche selbst bedurfte einiger Reparaturen. Der König erfüllte Woellners Wunsch großzügig. Woellner, der nach einer Kabinettsordre vom 19. Mai bereits „zu einem gewißen Behuf “ 5.000 Reichstaler erhalten hatte48, bekam nach einer Kabinettsordre vom 30. Mai ebenfalls „zu einem gewißen Behuf “ weitere 20.000 Reichstaler49. Bereits am folgenden Tag, am 1. Juni, dankte Woellner dem Monarchen, der ihn „mit einmahl zu einem reichen Mann gemacht“50 habe. Er sei nun in der Lage, die Marwitzschen Güter in einer solchen Weise zu verbessern, daß sie den besten Gütern im Land in nichts nachstehen würden. „Wenn ich nur meine Danckbarkeit so recht ausdrücken könnte, wie sie meine gerührte Seele empfindet! Aber das kann ich nicht.“51 Sein Dank war umfassend: „[A]lles was ich bin“52, sei das Werk des Königs. Woellner wirkte in der Landwirtschaft nicht nur literarisch, sondern auch praktisch erfolgreich und fortschrittlich. Er wollte auf seinem Gut die Mecklenburgische Koppelwirtschaft einführen und bedurfte deswegen dringend

44 Insgesamt handelte es sich um Groß und Klein Rietz, Birckholtz, Rasmannsdorff, Drahendorff und Rietz Neuendorff. 45 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 C, Bl. 4r. Woellner bat den König, ihm von der sehr großen Menge trockenen Bauholzes, das er bei der Führung der königlichen Bauten „durch anhaltenden Fleiß“ angehäuft hatte, einen kleinen Teil zu schenken, dessen er dringend für die Bau- und Renovierungsarbeiten der Güter bedurfte. Die dortigen Waldungen seien „völlig ruiniret“ und das Bauholz, das man in anderen Forsten kaufen konnte, sei grün und naß, so daß die Haltbarkeit der zu errichtenden und reparierenden Gebäude empfindlich geschmälert würde. Woellner schloß kurz und selbstsicher: „Ich verlange nicht viel und Ew. Königl. Majestät helfen gern.“ 46 AaO Bl. 6r. 47 1791 ließ Woellner in Groß Rietz einen neuen Kirchturm bauen, nachdem der alte Turm zuvor bis auf die nur fußhohe alte Mauer hatte abgetragen werden müssen. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 32, Bl. 1r [Konzept]. 48 GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 660, Bl. 25. 49 Ebd. Paul Schwartz, Der erste Kulturkampf in Preußen um Kirche und Schule (1788–1798), MGP 58, Berlin 1925, 464 hat also Recht, wenn er vermutet, daß die Summe wohl „nicht gering“ gewesen sei. 50 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 C, Bl. 7r. 51 Ebd. 52 Ebd.

II. Der Landwirt und Ökonom

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zusätzlicher Hilfe. Am Neujahrstag 1791 akkordierte der König ihm einen Kondukteur der Kurmärkischen Kammer53. Auch weiterhin konnte Woellner bei der Koppelwirtschaft, in der ihm bereits zwei seiner benachbarten Gutsbesitzer folgten, auf königliche Unterstützung nicht verzichten, weil er diese Wirtschaftsform zukünftig allerorts in jener Gegend etablieren wollte. Dann könnten – schrieb er am 22. Juni 1792 dem König54 – zwei Millionen für den Staat gespart werden, die gegenwärtig alljährlich für den Import von Schlachtvieh, Butter und Käse ausgegeben würden. Woellner hatte bereits vierzehn Bauernhöfe aufgerichtet, die er unentgeltlich mit Pferden und Vieh ausgestattet hatte. Mit diesen Maßnahmen suchte Woellner das Land zu peuplieren. Da ihm dies aus eigenen finanziellen Kräften nicht möglich war, bat er den König um 9.000 Reichstaler. Wegen seiner „vielen Feinde“55 war Woellner an einer diskreten Handhabung des Geldgeschenks gelegen. Der König reagierte nicht, so daß Woellner am 3. Juli seine Bitte schriftlich wiederholte56. Ohne die Geldsumme, die für Friedrich Wilhelm II. nur „eine Kleinigkeit“ sei, könne er seine „solide und schöne Entreprise“57 nicht vollenden. Er legte den Entwurf einer Kabinettsordre bei58. Woellner suchte die alte rosenkreuzerische Verbindung zum Monarchen zu nutzen und gebrauchte für Hans Rudolf v. Bischoffwerder und sich selbst die Rosenkreuzernamen. Farferus – Bischoffwerder – könne ihm die Kabinettsordre offen zustellen, ohne daß ein weiterer Mensch von dem Geldtransfer erführe. Sich selbst bezeichnete er als „alten treuen Ophiron“59. Und wieder hatte Woellner mit seiner Bitte Erfolg. Am 1. Oktober 1795 meldete sich Woellner nach dem Urlaub auf seinem Gut beim König zurück. Seine neuen Einrichtungen hätten sich gut bewährt, und die Bauern seien zufrieden. Er „Armer“ könne „nur bloß mit gerührter

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AaO Bl. 9r. Von der Einführung der Koppelwirtschaft in Groß Rietz berichtete Woellner auch in der vom 20. August 1791 datierenden Nachricht, die in dem goldenen Knopf des neuen Kirchturms aufbewahrt wurde. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 32, Bl. 1r–1v [Konzept]. Woellner kümmerte sich umsichtig um das Wohl der auf seinen Gütern lebenden Menschen. In Groß Rietz etwa hatte er die Kossäten zu Bauern gemacht, um ihnen aus der größten Armut zu verhelfen. „O! ihr reichen Guthsbesitzer mercket es Euch, daß es eine Freude im Leben und Trost auf dem Sterbe-Bette gewähret wenn wir unsere MitMenschen, unsere Gefährten auf dem Wege zur Ewigkeit wo wir denn alle gleich sind, hier so glückl. machen als es in unsern Kräfften stehet.“ AaO Bl. 2r [Konzept]. 54 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 C, Bl. 10r. 55 Ebd. 56 AaO Bl. 11r. 57 Ebd. 58 AaO Bl. 12r. 59 AaO Bl. 11r.

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

Seele dancken, aber der reiche Gott“ könne und werde Friedrich Wilhelm II. „alles tausendfach wieder vergelten“60. Seine landwirtschaftliche Tätigkeit blieb Woellner stets eine Herzensangelegenheit. Am 25. September 1796 bat er den König, den gesamten Oktober auf seinem Gut verbringen zu dürfen, um die dortige Wirtschaft und die Lebensverhältnisse der neuen Bauern zu begutachten61. Pünktlich einen Tag nach dem Ende des Urlaubsmonats, am ersten Novembertag, meldete sich Woellner schriftlich zurück und versicherte nochmals seine unbedingte und fortwährende Pflichttreue, die räumliche Distanzen zu nivellieren wußte: „Die kleine Entfernung von nur 8. Meilen sezt mich immer in den Stand, meine Départements Sachen ununterbrochen selbst zu bearbeiten, so daß ich in beständiger Connexion bleibe, und meinen Posten versehe. Ich würde auch sonsten viel zu ängstlich sein, wenn ich fürchten müste daß durch meine Abwesenheit etwas versäumet würde.“62 Dank der gelegentlichen Aufenthalte auf seinem Gut sei es ihm möglich, „eine Wildnis anzubauen“63 und in dem von unfruchtbarem Acker gekennzeichneten Beeskowschen Kreis den benachbarten Adligen durch sein Beispiel zu beweisen, „wie viel eine thätige Industrie zur Aufnahme eines LandGuthes bewircken kann. Viele von meinen Nachbarn folgen mir schon, und dancken es mir, und wofern ich nur noch einige Jahre lebe, so werde ich die Satisfaction mit ins Grab nehmen, einer ganzen Gegend ein anderes Ansehen gegeben zu haben. Auch dis verdancke ich der Gnade des besten Königs.“64

III. Die Heirat Am 14. Januar 176665 heiratete Woellner die Tochter des verstorbenen Generalleutnants v. Itzenplitz, mit der er „die glücklichste und zufriedenste Ehe durchlebt hat, und durch welche nicht nur seine äusserlichen Umstände ansehnlich verbessert wurden, sondern die auch den größten Schatz hoher weiblichen Tugenden zu ihm brachte, ganz für ihn lebte, abgezogen von dem, was man die große Welt zu nennen pflegt, ob gleich es in derselben auch zuweilen sehr klein zugehen soll. Und so war auch Er, mit unveränderlicher Hochachtung ihr ergeben.“66 Ein eindrückliches Zeugnis der guten Ehe sind 60

AaO Bl. 19r. AaO Bl. 20r. 62 AaO Bl. 21r. 63 Ebd. 64 Ebd. 65 Abschrift und Erschließung der Kirchenbücher, Lieferung 2, Lieferung 3, hg. von Stefan Lindemann, 11. 66 [Teller,] Denkschrift, 10. 61

III. Die Heirat

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die französischsprachigen Briefe zwischen Woellner und seiner Frau67. Da Friedrich II. hinterbracht wurde, Charlotte Amalie Elisabeth v. Itzenplitz68 sei zu dieser Ehe gezwungen worden, verordnete er sogleich am 14. Januar, daß das Justizdepartement die Sache untersuchen und, wenn sich der Vorwurf als begründet erwiese, die Ehe nicht zulassen sollte. Die gründliche Untersuchung entkräftete die Beschuldigung. Daraufhin verordnete der König am 7. Februar, daß es bei der Ehe sein Bewenden haben „und nur darauf gesehen werden solle, daß der Familie in ihren Rechten für die Zukunfft nicht præjudicirt werde“69. Amalie v. Itzenplitz’ gesamtes Vermögen wurde in Beschlag genommen und nicht nur ihr selbst, sondern auch ihrer Mutter „aus der ganz ungegründeten Vermutung, daß dieselbe blödsinnig seyn müße“70, Vormünder bestellt. 1777 berichtete das Ministerium, daß keine Veranlassung bestehe, die Vormundschaft aufrechtzuerhalten, jedoch gedachte Friedrich II. seinen früheren Beschluß nicht zu revidieren, so daß die Kuratel fortbestand71. 67 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 12, Bl. 2r–122r. Häufig gebrauchte Woellner die zärtliche Anrede „Cherissime Coeur!“. Zum Beispiel aaO Bl. 120r. Oder er nannte seine Frau „Mon cher Coeur“. AaO Bl. 3r. War Woellner auf Reisen, folgte ihm Amalie gedanklich; am 11. April 1791 schrieb sie: „j’espère que Vous êtes heureusement arrivé à Rietz mes pensées vous ont suivis fidèlement“. AaO Bl. 85r. Als Woellner am 17. Mai 1769 in Hamburg war, schrieb er seiner Ehefrau und schickte Orangen, die er ihr versprochen hatte. AaO Bl. 3r–4r. Am 16. Dezember 1801 nachts um elf Uhr starb Amalie Woellner in Groß Rietz an der „Brust Wassersucht“ im Alter von 59 Jahren. Sie hatte sich bei einem von Jugend auf schwachen Körper – sie litt, wie Woellner am 19. Februar 1777 an Hans Rudolf v. Bischoffwerder geschrieben hatte, an „Nerven Schwachheit“ (GStA PK, BPH, Rep. 48, F II, Nr. 9, Bl. 87r) – die Tugenden der Geduld und Sanftmut in einem hohen Grade erworben. In der Anzeige ihres Todes betonten ihre Schwägerin und ihr Neffe, daß sie wohltätig gewirkt und daß bei ihr der Unglückliche Trost und Hilfe gefunden habe. Sie habe nie auf irgendeine Weise glänzen wollen, aber sie habe Gutes im Stillen getan. Besonders von den Bewohnern ihrer Güter werde sie betrauert. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 39, Bl. 15r [Konzept]. 68 Charlotte Amalie Elisabeth v. Itzenplitz war am 9. September 1742 geboren worden. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch, 434. In einem Brief an Bischoffwerder buchstabierte Woellner den zweiten Vornamen nicht Amalie, sondern Amalia. GStA PK, BPH, Rep. 48, F II, Nr. 9, Bl. 87r. In einer Sammlung bezahlter Wechsel lauten die Vornamen stets „Amalia Charlotte“. Zum Beispiel GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 33, Bl. 8r. 69 So hieß es in einem undatierten, wahrscheinlich Anfang September 1786 geschriebenen Bericht. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 C, Bl. 2r–2v, hier 2r. 70 Ebd. 71 Bereits zwei Wochen nach der Inthronisation Friedrich Wilhelms II., am 30. August 1786, wandte sich Woellners Ehefrau dann in französischer Sprache an den König. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 C, Bl. 1r–1v. Als ein „[v]ictime de l’injustice la plus cruelle“ seufze sie seit zwanzig Jahren unter einer erniedrigenden Vormundschaft. Der Großkanzler habe wegen ihrer Heirat den König veranlaßt, ihr die freie Verfügung über ihre von den Eltern geerbten Güter, auf die niemand das geringste Recht geltend machen könne, durch eine willkürliche Entscheidung zu entziehen. Selbstbewußt fuhr sie fort: „Sire! je ne démande point de grace, je n’implore que la Justice de mon Roi.“ AaO Bl. 1r. Mit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms II. brachen für Amalie Woellner dann bessere Zeiten an.

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

Der bürgerliche Woellner hatte in seinen neuen Verwandtschaftskreisen adligen Standesdünkel zu gewärtigen. Unter dem 12. April 1768 wurde Friedrich II. ein Gesuch des Obristen Isaak v. Forcade vorgetragen72. Forcade bat, da v. Itzenplitz seine jüngste Tochter zu heiraten im Begriff war, Woellner, der die Schwester des Itzenplitz geheiratet hatte und mit dem er durch die angezeigte Heirat in eine verwandtschaftliche Beziehung treten würde, zu nobilitieren. Woellner möge erlaubt werden, das Wappen seines Onkels mütterlicherseits, des verstorbenen Etatsministers Christoph v. Katsch, führen zu dürfen. Friedrich der Große jedoch kam dieser Bitte keineswegs nach, sondern notierte aufgebracht: „das gehet nicht an, ich anoblire wan einer Sich durch den Degen Meriten erwirebt, aber der Wölner ist ein betrigerscher und Intriganter Pfafe weiter nichts“73.

72 GStA PK, I. HA, Rep. 96 B, Nr. 135, Bl. 162r. Vgl. auch Gustav Berthold Volz, Friedrich der Große am Schreibtisch, in: Hohenzollern-Jahrbuch. Forschungen und Abbildungen zur Geschichte der Hohenzollern in Brandenburg-Preußen 13 (1909), 1–56, hier 44 f. 73 GStA PK, I. HA, Rep. 96 B, Nr. 135, Bl. 162r. Die emotionale Erregung des großen Friedrich zeigt sich an der durch unterschiedlichen Federdruck bedingten verschiedenen Tintenstärke sowie an dem sehr variierenden Zeilenabstand. Diese verurteilenden Worte Friedrichs begleiten seitdem fast jede Erwähnung Woellners in der Literatur. Jedoch wird immer nur – in den unterschiedlichsten graphematischen Variationen und mit divergierender Vollständigkeit – voneinander abgeschrieben und nicht die Quelle geboten. Als ein Beispiel von vielen vgl. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 37. In seiner 1784 für den damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm verfaßten „Abhandlung von der Bevölckerung der Preuß[ischen] Staaten, vornehmlich der Marck Brandenburg“ kritisierte Woellner nachdrücklich den Adel. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 2, Bl. 4r–80v. Er komme nun an einen Punkt, bekannte Woellner im dortigen § 76, vor dem ihm vom Anfang der Abhandlung an „gegrauet“ (aaO Bl. 59v) habe. Da er von der gesamten Bevölkerung rede, müsse er es mit allen Edelleuten aufnehmen. Woellner verharrte in einer skeptischen Grundhaltung: „ich habe mit diesen gnädigen Herren nicht gern etwas zu thun, eine kleine Anzahl ausgenommen die meine Freunde sind“, weil er wisse, daß die allermeisten von ihnen einen ehrlichen Bürgerlichen „wenig achten, und noch weniger lieb haben“. AaO Bl. 59v. Er behauptete, daß die großen Rittergüter des Adels, der abgesehen von den wenigen Königlichen Ämtern alle Landgüter in den Preußischen Staaten besaß und nach dem Willen Friedrichs II. „exclusive“ (aaO Bl. 60r) besitzen sollte, der Bevölkerung schädlich seien. In § 77 erklärte Woellner, wie auf den Rittergütern der Adligen neue Bauernhöfe anzubringen seien. Bei den Königlichen Ämtern und Domänen sei es ein Leichtes, sie in Bauerngüter umzuwandeln, bei den Rittergütern sei dies jedoch außerordentlich schwierig; „diese Herren in Helm u. Panzer blicken noch ehe ich rede von dem Gipfel ihrer Stammbäume drohend auf mich herab“. Woellner fügte hinzu: „Mir wird bange“. AaO Bl. 60r. Es war Woellner nur an den großen Rittergütern gelegen. Die kleinen Rittergüter, die ihren Besitzern kaum zum Unterhalt ausreichten, ließ er unangetastet. AaO Bl. 60v.

IV. Der Kammerrat und Ökonom

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IV. Der Kammerrat und Ökonom Mit seiner Ehefrau Amalie lebte Woellner 1768 ein ganzes Jahr lang in Charlottenburg74. Um diese Zeit wurde Woellner dem damaligen Staats- und Finanzminister v. d. Hagen bekannt, der ihm verschiedene kameralistische Geschäfte und besonders die erste Aufhebung der Gemeinheiten in der Kurmark auftrug und ihn nach Ostfriesland – insbesondere Aurich – schickte, um dort etliche Eindeichungen und Torfgräbereien zu veranstalten75. Nachdem Woellner diesen Auftrag vollendet hatte, erhielt er die Stelle eines Kammerrats bei der Domänenkammer des Prinzen Friedrich Heinrich Ludewig v. Preußen76. Dieses Amt verwaltete Woellner bis 1786 zu Heinrichs völliger Zufriedenheit77, ohne freilich sein Privatstudium in der Physik sowie der Land- und Staatswirtschaft aufzugeben. In den folgenden Jahren wurde Woellner Mitglied der meisten gelehrten Gesellschaften im nördlichen Europa78.

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[Teller,] Denkschrift, 10. AaO 11. Die Arbeit an den Torfgräbereien im Sommer 1769 beanspruchte deutlich mehr Zeit, als ursprünglich geplant geworden war. Vgl. einen Brief Woellners an seine Ehefrau vom 13. August 1769. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 12, Bl. 26r. 1781 erinnerte sich Woellner in einem für den damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm verfaßten „Memoire über das Forst Wesen und die Holtz Wirthschafft in der Marck Brandenburg“, daß er fünfzehn Jahre zuvor, als er durch alle Torfgräbereien im Fürstentum Ostfriesland und in Holland gekrochen war, davon Augenzeuge gewesen sei, wie gut sich Torf zur Feuerung eigne. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 1, Bl. 3r–30v, hier 26r. 76 Die vom Prinzen Heinrich unterschriebene Bestallungsurkunde für Woellner als Kammerrat datierte vom 11. Juni 1770. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 29, Bl. 15r–16v. Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, I–III (1865, ND 1972), 577–604, hier 585. 77 Unter dem 28. Dezember 1786 erging eine gesiegelte Décharge vom Prinzen Heinrich. Heinrich werde gegenüber Woellner, der sechzehn Jahre lang bei seiner Domänenkammer als Kammerrat angesetzt gewesen war, niemals irgendeinen finanziellen Anspruch erheben können. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 30, Bl. 39r. 78 Unter dem 6. Januar 1768 wurde Woellner zum Mitglied der „Königlich Groß-Britannische[n] und Chur-Fürstlich Braunschweig-Lüneburgsche[n] Landwirthschafts-Gesellschaft“ ernannt. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 29, Bl. 14r. Vom 18. Juni 1775, als er Kanonikus von Halberstadt und Hofkammerrat des Prinzen Heinrich von Preußen war, datierte seine Aufnahme in die „Curpfälzische Physikalisch-oekonomische Gesellschaft“. Die Aufnahmeurkunde mit Siegel findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 33, Bl. 1. Woellner wurde verpflichtet, nach bester Möglichkeit seine Kenntnisse zu erweitern, von deren Ausübung „der glükliche Erfolg einer vernünftigen Landwirthschaft“ abhänge. Vom 20. November 1787 datierte die Urkunde der Aufnahme Woellners in die Berliner „Gesellschaft Naturforschender Freunde“. Auch Johann Esaias Silberschlag gehörte der Gesellschaft an und war ein Mitunterzeichner der Urkunde. AaO unpag. Am 28. November wandte sich die Gesellschaft brieflich an Woellner und legte die Urkunde bei. Einstimmig war Woellner in der letzten Versammlung gewählt worden, und die Gesellschaft hoffte nun, daß er die Wahl annehmen werde. AaO unpag. 75

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

V. Die Freimaurer und die Gold- und Rosenkreuzer Woellner wandte sich sowohl den Freimaurern als auch den Gold- und Rosenkreuzern zu. 1791 wurde Woellner, der seit Ende 1775 als Freimaurer das Amt eines Altschottischen Obermeisters innegehabt hatte79, als Rosenkreuzer zum deputierten National-Großmeister in der „Große[n] National Mutterloge in den preußischen Staaten, genannt zu den drei Weltkugeln“ ernannt80. Die Freimaurerei teilte sich in verschiedene Logen auf, die über keine geheimen Oberen und auch keine geheimen Kenntnisse verfügten81. 1741 war in Berlin unter dem Protektorat des Kronprinzen Friedrich die Loge „Aux Trois Globes“ entstanden, aus der später die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ wurde82. 1772 trat der Kronprinz Friedrich Wilhelm in den Freimaurerbund ein83. Starkes Verbindungsband zwischen Friedrich Wilhelm II. und Woellner war die gemeinsame Zugehörigkeit zu den Rosenkreuzern84. Der Rosenkreuzerorden ermöglichte es seinen Mitgliedern, nicht persönlich, sondern korporativ im Leben Fuß zu fassen. Solche Gesellschaften dienten dem gesellschaftlichen und politischen Erfolg der Mitglieder. 79 Als Woellner im Dezember 1778 dieses Amt niederlegte, ermahnte er in seiner Abschiedsrede die freimaurerischen Brüder, nicht zu glauben, daß er, indem er deren Loge verließ, auch die Maurerei verlasse. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 9, Bl. 191r–191v, hier 191r. 80 Johann David Erdmann Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, IV–V, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 2 (1865, ND 1972), 746–774, hier 773 f. In Woellners Nachlaß finden sich etliche Schreiben Ordensangehöriger an die Triumviratsvorsteher des Deutschen Generalats. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 5, Bl. 1r–61v. 81 Helmut Reinalter, Die Freimaurer, Beck’sche Reihe 2133, 4. Aufl., München 2004, 7. Zu der Freimaurerei vgl. ferner Alexander Giese, Die Freimaurer. Eine Einführung, 4., erweiterte Aufl., Wien u. a. 2005. 82 Reinalter, Freimaurer, 12. 83 Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 1, Leipzig 1880, 34 f. 84 Roland Edighoffer, Die Rosenkreuzer, Beck’sche Reihe 2023, 2. Aufl., München 2002, 106. Zu dem Orden der Gold- und Rosenkreuzer vgl. auch Harald Lamprecht, Neue Rosenkreuzer. Ein Handbuch, Kirche – Konfession – Religion 45, Göttingen 2004, 47–59. Zu Woellners rosenkreuzerischem Wirken vgl. auch Dirk Kemper, Obskurantismus als Mittel der Politik. Johann Christoph von Wöllners Politik der Gegenaufklärung am Vorabend der Französischen Revolution, in: Weiß, Christoph/Albrecht, Wolfgang (Hg.), Von „Obscuranten“ und „Eudämonisten“. Gegenaufklärerische, konservative und antirevolutionäre Publizisten im späten 18. Jahrhundert, Literatur im historischen Kontext. Studien und Quellen zur deutschen Literatur- und Kulturgeschichte vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart 1, St. Ingbert 1997, 193–220. Woellner äußerte sich auch literarisch zu Ordensfragen. [Johann Christoph Woellner (zumindest Teilautorschaft),] Die Pflichten der G[old] und R[osen] C[reutzer] alten Sistems. In Juniorats-Versammlungen abgehandelt von Chrysophiron, nebst einigen beigefügten Reden anderer Brüder, o. O. 1782.

V. Die Freimaurer und die Gold- und Rosenkreuzer

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Der Geheimbund der Rosenkreuzer erstrebte eine „Generalreformation“ der Welt85. Ein direkter Zusammenhang zwischen der älteren Rosenkreuzerbewegung und der im 18. Jahrhundert entstandenen Bruderschaft bestand nicht86. Innerhalb des freimaurerischen Hochgradsystems gaben sich die Rosenkreuzer als die höchste Stufe der Freimaurerei aus87. Auch der am 13. November 1741 geborene Hans Rudolf v. Bischoffwerder, der 1789 zum königlichen Generaladjutanten, 1791 zum Generalmajor und Anfang 1796 zum Generalleutnant aufstieg, gehörte dem Orden an88. Durch Bischoffwerder hatte Woellner 1780 den Kronprinzen kennengelernt. Da Friedrich Wilhelm an Wunderdinge glaubte, konnte sich der Orden seiner Person bemächtigen, und am 8. August 1781 machten Bischoffwerder und Woellner, der 1780 zum Oberhauptdirektor bestallt worden war89, den Erben 85

Reinalter, Freimaurer, 70. Zu den Gold- und Rosenkreuzern vgl. auch Horst Möller, Die Gold- und Rosenkreuzer. Struktur, Zielsetzung und Wirkung einer anti-aufklärerischen Geheimgesellschaft, in: Ludz, Peter Christian (Hg.), Geheime Gesellschaften, WSA 5/1, Heidelberg 1979, 153–202. In dem Ordenseid verpflichtete sich der Rosenkreuzer unter anderem, „mich in der Furcht Gottes beständig zu üben“, „die Liebe des Nächsten vorsetzlich nie zu betrüben“, „die höchste Verschwiegenheit unfehlbahr zu halten“ und „denen Oberen allen Gehorsam zu bezeigen“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 7, Bl. 32r. 86 Reinalter, Freimaurer, 77. 87 AaO 78 und Edighoffer, Rosenkreuzer, 107 f. 88 Johannes Schultze, Hans Rudolf von Bischoffwerder, in: Ders., Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte. Ausgewählte Aufsätze. Mit einem Vorwort von Wilhelm Berges, VHK 13, Berlin 1964, 266–286. Schultze unterstreicht den großen Einfluß Hans Rudolf v. Bischoffwerders auf den Kronprinzen und späteren König Friedrich Wilhelm II. Bischoffwerder wurde in Ostramondra als Offizierssohn im damals kursächsischen Teil Thüringens geboren. Kurze Zeit studierte er in Halle und trat dann während des Siebenjährigen Krieges – obwohl er gebürtiger Sachse war – als Kornet in die preußische Kavallerie ein. Als Adjutant des Generals v. Seidlitz hat er die letzten Feldzüge miterlebt. Ein Sturz vom Pferd verletzte ihn schwer, so daß er nach dem Friedensschluß seine Entlassung nahm und Kammerherr am kursächsischen Hof in Dresden wurde. Bereits wenig später verließ er den Hof und arbeitete als Stallmeister des sächsischen Prinzen Karl, der den Titel eines Herzogs von Kurland innehatte und ein glühend überzeugter Anhänger des Mystizismus und des Wunderglaubens war. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 57 f. Bischoffwerder war unter dem Ordensnamen Farferus Phocus Vibron de Hudlohn eifriger Anhänger der Dresdner Rosenkreuzer. Hoffmann, Hermes, 32. Als 1778 der Bayerische Erbfolgekrieg ausbrach, war Sachsen mit Preußen verbündet. Der Ehrgeiz drängte Bischoffwerder, wieder in preußische Dienste zu treten. Also warb er eine Freikompagnie an und rückte als deren Hauptmann unter dem Prinzen Heinrich in Böhmen ein. Während dieses Feldzugs lernte er den Prinzen von Preußen kennen. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 68 und Schwartz, Der erste Kulturkampf, 39 f. Zum Gold- und Rosenkreuzerorden vgl. Kemper (Hg.), Mißbrauchte Aufklärung?, 76–96. Der eigenhändige Namenszug „Farferus Phocus Vibron de Hudlohn“ findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 3, Bl. 37r. Woellner war Bischoffwerder zum ersten Mal 1772 begegnet. Schultze, Bischoffwerder, 266–286, hier 271. 89 Die Urkunde findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 4, Bl. 7r. Als Oberhauptdirektor erhielt Woellner die Konduitenlisten anderer Rosenkreuzerzirkel. GStA PK,

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

der Krone unter dem Ordensnamen Ormesus Magnus zum frater roseae et aureae crucis90. Bei der Aufnahme waren nur drei Ordensbrüder anwesend: Herzog Friedrich August v. Braunschweig-Oels, der den Namen Rufus trug91, Bischoffwerder, der Farferus hieß92, und Woellner, der den Namen Heliconus erhalten hatte93. Von vier Reden, die 1781 und 1782 bei den Rezeptionen des Kronprinzen gehalten worden waren, stammten eine von Herzog Friedrich v. Braunschweig und drei augenscheinlich von der Hand Woellners94. Zum Rosenkreuzerorden führten die drei ersten Stufen der Freimaurerei. Er forderte Sinnesänderung, Ablegung des alten und Anziehung des neuen Adam, Erstickung aller sinnlichen Begierden und unbedingte Folgsamkeit95.

VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 3. Vgl. auch Christina Rathgeber, Forschungsperspektiven zu dem Gold- und Rosenkreuzer-Orden in Norddeutschland: Ein Überblick, in: Reinalter, Helmut (Hg.), „Aufklärung und Geheimgesellschaften: Freimaurer, Illuminaten und Rosenkreuzer: Ideologie – Struktur und Wirkungen“. Internationale Tagung 22. / 23. Mai 1992 an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Bayreuth 1992, 161–166. 90 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 40–43. Fälschlich gibt Barclay als Namen „Ormenus“ an. David E. Barclay, Friedrich Wilhelm II. (1786–1797), in: Kroll, Frank-Lothar (Hg.), Preußens Herrscher. Von den ersten Hohenzollern bis Wilhelm II., 2. Aufl., München 2001, 179–196, hier 187. 91 Der eigenhändige Namenszug „Rufus“ findet sich zum Beispiel in einem Brief des Herzogs an Woellner vom 27. März 1788. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 16, Bl. 13r. 92 Der eigenhändige Namenszug „Farferus“ findet sich zum Beispiel in einem undatierten Brief Bischoffwerders an Woellner. AaO Bl. 1r–1v, hier 1v. 93 Vgl. einen Bericht vom 23. Februar 1798 vom Minister v. d. Reck, Major v. Lützow, Präsidenten Friedrich Leopold v. Kircheisen, Geheimen Rat Pitschel und Kabinettsrat Carl Friedrich v. Beyme. GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 91, Bl. 9r–36v, hier 27r–28v. Die Berichtschreiber wußten freilich nicht, wer Farferus war. Dies müsse noch untersucht werden. AaO Bl. 36r–36v. Woellner bildete zusammen mit dem Herzog Friedrich August v. Braunschweig-Oels und mit Bischoffwerder „das leitende Berliner Gremium“ des Ordens. Wilhelm Moritz Freiherr von Bissing, Friedrich Wilhelm II. König von Preussen. Ein Lebensbild, Berlin 1967, 39. 94 Vgl. den Bericht vom 23. Februar 1798 von v. d. Reck, Lützow, Kircheisen, Ritschel und Beyme. GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 91, Bl. 9r–36v, hier 25v. Am 10. Februar 1798 hatte die Kommission gemeldet, daß sich dies durch einen Handschriftenvergleich ergeben hatte. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 3, Bl. 244r–245r. 95 Vgl. den Bericht vom 23. Februar 1798 von v. d. Reck, Lützow, Kircheisen, Ritschel und Beyme. GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 91, Bl. 9r–36v, hier 26r. Auch nachdem der Kronprinz Friedrich Wilhelm zum König geworden war, konnte Woellner an ihn als einen Ordensbruder schreiben. Vgl. zum Beispiel einen Brief vom 28. September 1789. GStA PK, BPH, Rep. 48, F II, Nr. 8, Bd. 1, Bl. 56r. Friedrich Wilhelm II. trug bis zu seinem Tod ein Ordenszeichen an einem roten Band auf der Brust, und auf seinen mündlichen Befehl ist ihm dieses Zeichen erst nach dem Tod abgenommen und durch den Geheimen Kämmerer Johann Friedrich Ritz dem General Bischoffwerder ausgehändigt worden. Vgl. den Bericht vom 23. Februar 1798 von v. d. Reck, Lützow, Kircheisen, Ritschel und Beyme. GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 91, Bl. 9r–36v, hier 25r–25v.

V. Die Freimaurer und die Gold- und Rosenkreuzer

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Woellner trug die Rosenkreuzernamen Heliconus, Chrysophiron und Ophiron96. In seiner Rolle als Ordensbruder war er zunächst unsicher und schrieb am 19. Februar 1777 an Bischoffwerder97: „Täglich bete ich zwar Gott soll mich würdig laßen erfunden werden jenen großen Geheimnißen näher zu kommen, aber zuweilen werde ich doch kleinmüthig weil noch gar kein Anschein dazu vorhanden ist.“98 Es seien tausend Dinge, die ihn bei seinem Obermeisteramt beunruhigten, weil er derartig unwissend sei99. 1787 verfügte der Orden das „Silanum“, also den Stillstand der Zirkelarbeit; die rosenkreuzerische Tätigkeit war freilich nicht gänzlich eingestellt100. Woellner nutzte auch danach noch gelegentlich die rosenkreuzerische Ver-

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Johann David Erdmann Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 3 (1866, ND 1972), 65–94, hier 87. Die eigenhändige Unterschrift „Heliconus“ findet sich zum Beispiel GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 9, Bl. 143r. Die eigenhändige Unterschrift „Ophiron“ findet sich zum Beispiel GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 6, Bl. 18r; 20r und 22r. Die eigenhändige Unterschrift „von Oberhaupt-Direction wegen Ophiron“ findet sich zum Beispiel aaO Bl. 21r; 24r; 85v; 108r; 110r; 111r; 112v; 113v; 114r; 117r; 118r; 120r; 121r; 122v; 124r; 126r; 127v; 128v und 129v. In den Konduitenlisten, die Woellner als Ordensdirektor von 1779 bis 1786 verfaßte, nannte er als seine Namen „Heliconus Solaster Ruwenus Ophiron“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 3, Bl. 5v. Der Name „Chrysophiron“ findet sich dort nicht. Zu Woellners Zirkel gehörten neben anderen Heinrich Julius v. Goldbeck und der Buchdrucker Georg Jacob Decker. Ebd. In einer Urkunde über die Verleihung besonderer Geistesgewalt an Woellner sind die Namen als „Heliconus Solaster Ruvenus Ophiron“ buchstabiert. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 7, Bl. 27r–28r. 97 GStA PK, BPH, Rep. 48, F II, Nr. 9, Bl. 86r–87v. 98 AaO Bl. 86r. 99 AaO Bl. 86v. 100 Am 21. Dezember 1790 bemerkte Woellner in der Konvention – also der vierteljährlichen Zusammenkunft – seines Zirkels, daß immer noch alle Direktionsgeschäfte der höheren Ordensstellen abgebrochen seien, weil sich deren Mitglieder „auf dem großen DecennialConcilium“ versammelt hätten. Jedes andere Decennial-Silanum habe gewöhnlich neun Monate lang gewährt, während das gegenwärtige bereits viermal so lange andauere und es gänzlich unbekannt sei, wann es enden werde. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 9, Bl. 200r–203v. Daher schärfte er zur Aufmunterung ein: „Die Obern lieben Uns.“ AaO Bl. 201v. 1789 hatte Woellner sich an die Brüder und Ordensdirektoren gewandt, weil deren Gemüter wegen des schon geraume Zeit andauernden Decennial-Silanums „vielleicht“ niedergeschlagen seien. Er habe – behauptete er geheimnisvoll – vor wenigen Tagen auf Befehl der höchsten Ordensoberen einen Erlaß eines Bruders erhalten. Die höchsten Ordensoberen würden sich „ungemein“ über das Edikt freuen, das der König 1788 zur Aufrechterhaltung der „ächten unverfälschten“ christlichen Religion gegen die „sogenannten Aufklärer“, die diese Religion und „die Lehre von Jesu“ in ihrer „Grundveste zu untergraben mit satanischer Bosheit“ sich bemüht hätten, hatte publizieren lassen. Dem Orden sei alles wichtig, was auf die Ausbreitung und feste Gründung „des Reiches J. C. in den Seelen der Menschen“ abziele. Wenn die Brüder und Ordensdirektoren den Ordensoberen folgten, seien sie des Segens Gottes gewiß. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 10, Bl. 20r–21v.

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

bindung, um persönlichen Einfluß auf Friedrich Wilhelm II. zu gewinnen101; die Wirkungsmöglichkeiten einzelner Rosenkreuzer waren jedoch begrenzt102.

VI. Die Kronprinzenvorträge 1. Die staatswissenschaftlichen Vorträge Woellner hielt dem Kronprinzen vom Dezember 1781 bis zum 4. August 1786 mehrere Vorträge über die Regierungskunst103. In den Vorlesungen ging Woellner von drei Hauptgesichtspunkten aus. Zunächst bestimmte häu101 Unter dem 21. Juli 1792 berichtete Woellner an das Ordensgeneralat, daß der König immer noch alle Pflichten des Ordens mit unerschütterlicher Standhaftigkeit erfülle, obwohl er wegen des Silanums „von Oben“ keine Antwort erhalte. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 14, Bl. 6r. 102 Brigitte Meier, Friedrich Wilhelm II. König von Preußen (1744–1797). Ein Leben zwischen Rokoko und Revolution, Regensburg 2007, 207 f. Auch Horst Möller sagt, daß der Orden „nicht mehr sichtbar in Erscheinung“ trat. Möller, Die Gold- und Rosenkreuzer, 153–202, hier 159. Möller spricht freilich dennoch von einem „politische[n] Erfolg des Ordens“. AaO 174. Kay-Uwe Holländer formuliert, daß Woellners Kronprinzenvorträge (vgl. Kapitel A.VI.) eine „Angelegenheit des Ordens“ gewesen seien. Kay-Uwe Holländer, „Und das kann doch schließlich nicht all und jeder“. Der Aufstieg Johann Christoph Woellners zum preußischen Staatsminister unter Friedrich Wilhelm II., in: Neugebauer, Wolfgang/ Pröve, Ralf (Hg.), Agrarische Verfassung und politische Struktur. Studien zur Gesellschaftsgeschichte Preußens 1700–1918, Innovationen. Bibliothek zur Neueren und Neuesten Geschichte 7, Berlin 1998, 225–256, hier 244. In den Kronprinzenvorträgen selbst macht Woellner die rosenkreuzerische Verbindung zu Friedrich Wilhelm freilich nicht explizit namhaft. 103 Die Konzepte der Vorlesungen liegen heute in dem vom GStA PK verwalteten ersten Teil des Nachlasses von Woellner. Im Folgenden wird nach diesen Konzepten zitiert. Für den Kronprinzen schrieb Woellner die Konzepte in Reinschrift ab. Diese Exemplare wurden dann in verschiedenfarbigen Samt eingebunden. Erhalten sind folgende samtene Büchlein: GStA PK, I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 206 A Abhandlung von den Finanzen. 1784, Bl. 1–192; GStA PK, I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 206 B, Bd. 1 Abhandlung über die Bevölckerung. Erster Band. 1784, Bl. 1–160 [vorangestellt ist Prov 14,28: „Wo ein König viel Volcks hat, das ist seine Herrlichkeit: wo aber wenig Volcks ist, das machet einen Herrn blöde.“]; GStA PK, I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 206 B, Bd. 2 Abhandlung über die Bevölckerung. Zweiter Band. 1784, Bl. 1–197; GStA PK, I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 206 C Memoire über das Forstwesen und die Holzwirthschafft in der Marck Brandenburg. 1784, Bl. 1r–57v [das Memoire ist datiert auf den 4. Januar 1784]; GStA PK, I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 206 D Abhandlung von der Leibeigenschafft. 1785; GStA PK, I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 206 E I. Regie. II. Characteristic, Bl. 1r–59v [Woellner selbst paginierte, ohne Titel und Inhaltsverzeichnis, von 1 bis 116]. Philippson kannte nur die bei Preuß (Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, I–III [1865, ND 1972], 577–604, hier 593–603) abgedruckten Auszüge aus den Vorträgen. Der Erbe des Woellnerschen Nachlasses hatte ihm keine Einsicht in die Originale gewährt. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 83–87.

VI. Die Kronprinzenvorträge

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fig – jedoch nicht durchgehend – der Gegensatz zu Friedrich dem Großen die Ausführungen104. Sodann betonte er die der Aufklärung abholde religiöse Richtung, die er seit zehn Jahren eingeschlagen hatte. Und schließlich verfolgte Woellner politisch, ökonomisch und sozial fortschrittliche Ideen, welche die Regierungszeit des späteren Königs prägen sollten. Manche der Vorschläge Woellners – wie zum Beispiel die Aufhebung des Kaffee- und Tabakmonopols – konnten später verwirklicht werden105. Am 14. Dezember 1781 beendete Woellner ein reformorientiertes und sachkundiges „Memoire über das Forst Wesen und die Holtz Wirthschafft in der Marck Brandenburg“106. Am 4. Februar 1784 begann er eine „Abhandlung von der Bevölckerung der Preuß[ischen] Staaten, vornehmlich der Marck Brandenburg“107 zu schreiben, die er am 8. Juni 1784 vollendete108. Woellners Ausführungen beruhten auf einem wesentlichen Prinzip des Kameralismus: Glück und Wohlstand eines Staates hängen von der Menge der Untertanen ab. Bereits 1766 hatte sich Woellner progressiv und ausführlich über die Aufhebung der Gemeinheiten in der Mark Brandenburg geäußert109. Das größte Hindernis eines blühenden Kommerziums und blühender Manufakturen und zugleich das „ärgste Gift“ für die durch Handel und Wandel sowie durch die Manufakturen110 zu mehrende Bevölkerung eines Staates erkannte Woellner in seiner „Abhandlung von der Bevölckerung“ in den Monopolen111.

104

Fälschlich behauptet Philippson, daß der Gegensatz zu Friedrich II. umfassend sei. AaO 84–87. 105 Bereits wenige Tage nach der Inthronisation kündigte Friedrich Wilhelm II. an, auch die französische Regie – also das unter Friedrich II. gültig gewesene, unter französischer Leitung stehende Steuersystem – abzuschaffen. Woellner hatte 1784 über die allgemein verhaßte Regie geschrieben: „Die ganze unsinnige Einrichtung der Regie ist eine höchst überflüßige Sache für das Land.“ Dagegen hatte er die „ganz simple“ Einrichtung des Zoll- und Akzisewesens aus den Zeiten Friedrich Wilhelms I. gelobt. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 3, Bl. 25v. Zur Innenpolitik Friedrich Wilhelms II. insgesamt vgl. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 92– 176 und 381–469 und Ders., Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 2, Leipzig 1882, 259–292. Vgl. auch Wilhelm Bringmann, Preußen unter Friedrich Wilhelm II. (1786–1797), Frankfurt a. M. u. a. 2001, 152–196. 255–261. Vgl. auch jüngst Meier, Friedrich Wilhelm II., 121–147. Eine erste Darstellung von Friedrich Wilhelm II. hatte 1895 Friedrich R. Paulig geboten. Friedrich R. Paulig, Friedrich Wilhelm II. König von Preussen. (1744 bis 1797). Sein Privatleben und seine Regierung im Lichte neuerer Forschungen, Familiengeschichte des Hohenzollernschen Kaiserhauses, Bd. 4 Friedrich Wilhelm II., 4. Aufl., Frankfurt a. O. 1904. 106 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 1, Bl. 3r–30v. 107 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 2, Bl. 4r. 108 AaO Bl. 80v. 109 Vgl. Kapitel A.II. 110 In beiden Fällen hat Woellner die Manufakturen erst nachträglich am Rand eingefügt. 111 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 2, Bl. 20r.

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

Intensiv beklagte Woellner außerdem den von ihm diagnostizierten Sittenverfall. Zu den Zeiten des Königs Friedrich Wilhelm I. seien Stadt und Land „lange! lange! nicht so verderbt“ gewesen, denn sie waren noch durch keinen Voltaire und andere französische Philosophen „erleuchtet u. unsere Religion von unsern heutig[en] Theologen noch nicht aufgekläret“112. Das wirksamste Mittel, um die Hurerei auszurotten, sei die Wiederherstellung der „Religion u. Gottesfurcht“113 in ihrem eigentümlichen „Glantz“. „Unsere heutige neumodische114 GottesGelehrte predigen lauter Moral, dringen bloß auf die Verbeßerung der Sitten, und schreien sich heiser daß diese so verdorben sind.“115 Sie würden aber bei ihrer sogenannten aufgeklärten Religion noch lange vergeblich schreien, weil diese Religion niemals ein festes Fundament für die Moral abgeben werde116. Am Schluß der „Abhandlung“ äußerte sich Woellner noch einmal heftig gegen die Aufklärer. Friedrich Gedike und Johann Erich Biester hätten wenigstens die Bauern noch nicht „erleuchtet“, die noch an einen Himmel und eine Hölle glaubten und sich „feste an die Bibel als Gottes Wort“117 hielten, über die der vornehme Teil der Untertanen „schon lange“ nach dem Beispiel des Oberkonsistoriums öffentlich „gespöttelt“118 habe. Am 17. August 1784 begann Woellner eine „Abhandlung“ „Von den Finanzen oder StaatsEinkünfften“119 zu schreiben, die er am 23. Oktober 1784 112 AaO Bl. 24r. Die zitierte Passage, abgesehen von der partizipialen Bestimmung „aufgekläret“, hat Woellner nachträglich am Rand eingefügt. Über der am Rand eingefügten Zeile hat er wiederum den Zusatz „von unsern heutig[en] Theologen“ nachträglich eingefügt. In Berlin befänden sich nach Aussage der Polizeibeamten einhundert öffentliche Bordelle, in denen jeweils neun bis zehn Prostituierte ihrem Gewerbe nachgingen. Zu Zeiten Friedrich Wilhelms I. dagegen hätten nur drei öffentliche Bordelle in der Stadt existiert. AaO 30v. 113 AaO Bl. 32r. Den Zusatz „u. Gottesfurcht“ hat Woellner nachträglich am Rand eingefügt. 114 Ursprünglich hatte Woellner noch als zusätzliches Attribut „aufgeklärte“ geschrieben, dies dann aber durchgestrichen. 115 Ebd. 116 Woellner erläuterte diese Behauptung nicht näher, um nicht den Hauptgegenstand seiner Abhandlung aus den Augen zu verlieren. Er kündigte ein eigenständiges Mémoire über die Religion an. Nur noch eine Anmerkung fügte Woellner an: Wenn die sogenannte aufgeklärte Religion der gegenwärtigen Theologen eine „so herrliche Sache“ wäre, wie sie vorgäben, dränge sich die Frage auf, warum denn seit eben dieser Zeit die Sitten so allgemein verschlimmert würden. Sobald der Mensch von den „klaren Worten der Bibel“ weggeführt werde, „wie Ihr elenden Geistlichen! gegenwärtig zu thun Euch nicht entblödet“, gerate er „in das Labyrinth von Lastern, daraus Ihr ihn mit Euerer gekünstelten Moral niemals wieder herausziehen werdet“. Woellner fügte mit einem „Wehe Euch“-Ruf hinzu, daß diese Geistlichen sich am Jüngsten Tag würden verantworten müssen. Ebd. 117 AaO Bl. 80v. Den präzisierenden Zusatz „die Bibel als“ hat Woellner nachträglich eingefügt. 118 Ebd. 119 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 3, Bl. 2r. Die gesamte Abhandlung findet sich

VI. Die Kronprinzenvorträge

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zum Abschluß brachte120. Die Landwirtschaft, die Manufakturen und Fabriken sowie der Handel seien die drei vornehmsten Quellen des Reichtums des Staates121. Da freilich keine dieser Quellen ohne Menschenhände hinlänglich genutzt werden könne, sei die Bevölkerung eines Landes das eigentliche Haupterwerbungsmittel des Staatsvermögens. „So bald, der Staat nur Menschen hat, so hat er alles.“122 Vom 6. Dezember123 bis zum 29. Dezember124 1784 schrieb Woellner eine 32 Paragraphen umfassende „Abhandlung von der Leibeigenschafft“125. Woellner benannte einen vierfachen Schaden der Leibeigenschaft. Der Schaden betreffe die Menschheit selbst, sodann die Bevölkerung des Landes, außerdem die Verbesserung der Landwirtschaft und schließlich das eigene Wohl des Gutsbesitzers. Nachdem Woellner am 20. Dezember 1785 mit der Abfassung einer zehn Paragraphen umfassenden „Abhandlung von der Ober-Rechen-Kammer“126 begonnen hatte, konnte er seine Arbeit am 5. Januar 1786 abschließen127. Die Oberrechenkammer128 müsse in einer Weise eingerichtet sein, daß kein Untertan den König betrügen könne129. „Nach meinem geringen Urtheil aber ist dis eine Sache von der äußersten Wichtigkeit, und in unsern Tagen um so nothwendiger da Gottesfurcht und Religion130 durch unsere Berliner Aufklärer täglich mehr in Verachtung kommen131, und dieser stärckste Grund der Treue eines Unterthanen gegen seinen König bei Tausenden, bald132 völlig umgerißen sein wird.“133 aaO Bl. 2r–30v. Als Preuß das Manuskript sah, fehlten die Bögen 12 bis 15. Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, I–III (1865, ND 1972), 577–604, hier 599. 120 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 3, Bl. 30v. Am 29. Dezember 1784, nachmittags von drei bis fünf Uhr, las er sie dem Kronprinzen vor. AaO Bl. 1r. 121 AaO Bl. 2r. 122 Ebd. 123 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 4, Bl. 3r. 124 AaO Bl. 23v. 125 AaO Bl. 3r. Am 10. Januar 1785 las er sie dem Kronprinzen von drei bis fünf Uhr nachmittags vor. AaO Bl. 2r. 126 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 7, Bl. 2r. Zunächst hatte Woellner „Cammer“ geschrieben und dann das „C“ mit einem „K“ übergeschrieben. 127 AaO Bl. 17v und 24v. Noch an demselben Tag, nachmittags von halb vier bis fünf Uhr, trug er dem Kronprinzen seine Abhandlung vor. AaO Bl. 1r. 128 In § 1 definierte Woellner die Oberrechenkammer. Sie sei ein Landeskollegium, das die Staatseinkünfte beobachtet und „von der richtigen oder unrichtigen Anwendung derselben“ urteile. AaO Bl. 2r. 129 AaO Bl. 2v. 130 Hier folgte ursprünglich noch „täglich“. 131 Ursprünglich stand hier „gebracht werden“. Das hat Woellner dann durchgestrichen und am Rand durch „kommen“ ersetzt. 132 Statt der am Rand nachgetragenen Wendung „bei Tausenden, bald“ stand ursprünglich „nach gerade“. 133 AaO Bl. 3r.

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

Am 6. März 1786 beendete Woellner eine „Abhandlung über die Fabriquen, Manufacturen und das Commercium in den Preus[sischen] Staat[en]“134. Einen Monat später, am 5. April, schloß er einen „Plan zu Einrichtung u. Erbauung des neuen großen Frid. Willhelm [sic] Hospitals zu Berlin“135 ab. Woellner plante eine Vergrößerung und grundlegende Erneuerung der Charité. Er vermochte jedoch nichts auszurichten. Noch 1798 waren die Zustände in der Charité erbärmlich136. Am 4. August 1786 vollendete Woellner seine „Anmerckungen über die mir gnädigst communicirte Abhandlung von Verpflegung der Soldaten Kinder“137. Er suchte sich als glühenden Vaterlandsverehrer darzustellen: „Das Wort: Soldat! ist mir als Patriot so ehrwürdig daß ich einem jeden der den Soldaten nicht lieb hat, gerade in die Augen sage: Er sei nicht werth ein Preuß[ischer] Unterthan zu sein.“138 Besonders kinderreiche Soldatenehen sollten belohnt werden, zum Beispiel könnte jeder Soldat, der acht oder zehn Kinder hätte, die älter als zehn Jahre wären, für jedes Kind 100 Reichstaler erhalten. Woellner resümierte freudig: „Du lieber Himmel! was würde das für ein[en] erstaunl[ichen] Effect auf die Population machen.“139 2. Die „Abhandlung von der Religion“ (1785) Am 1. Juni 1785 begann Woellner in Halberstadt, eine „Abhandlung von der Religion“ zu verfassen, die er am 15. September beendete. Seine Ausführungen umfaßten fünf Kapitel mit insgesamt 27 Paragraphen140. Die „Abhandlung“ malte ein vielfarbiges Bild der religiösen, kulturellen und sozialen Zeitlage. Im ersten Kapitel setzte Woellner mit allgemeinen Überlegungen zur christlichen Religion ein. „Die reine, wahre, christliche Religion ist allein der dauerhafte Grund aller menschlichen Glückseeligkeit in dieser und jener Welt. Sie schreibt die goldenen Pflichten vor deren Beobachtung das Wohl einzelner Personen so wohl, als ganzer Societæten schaffet und befördert. Sie sagt: fürchte Gott und ehre den König. Sie predigt Nächsten Liebe, Einigkeit, Gehorsam gegen die Obrigkeit als von Gott verordnet, und verbietet Haß, Feindschafft, 134 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 8, Bl. 1r–36v. Ursprünglich hatte Woellner statt „Abhandlung“ „Reflexiones“ geschrieben. 135 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 9, Bl. 2r–7r. 136 Ludwig Geiger, Berlin 1688–1840. Geschichte des geistigen Lebens der preußischen Hauptstadt, Bd. 2 1786–1840, Berlin 1895, 112–114. 137 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 10, Bl. 2r–10v. 138 AaO Bl. 2r. 139 AaO Bl. 6r. 140 Da Woellner wenige Jahre später sagte, daß er in dieser Abhandlung bereits alles für den Kampf gegen die Aufklärer Notwendige vorgearbeitet und vorbereitet habe, werden im Folgenden etliche ausführliche Zitate geboten.

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SelbstRache, und alle Anordnungen welche die Glückseeligkeit einzelner Menschen und ganzer Gesellschafften hindern, stöhren und untergraben und ist ein festes Band welches die Tausende der Mitglieder eines Staates an ihren gemeinschaftlichen LandesVater feste ankettet; weil es Gott befiehlet: Jedermanne sei unterthan aller weltlichen Obrigkeit die Gewalt über ihn hat. Die christliche Religion arbeitet dem Regenten vor, um sein Land glücklich zu regieren.“141 Eindringlich schärfte Woellner dem Kronprinzen ein, daß das Staatswohl durch ungläubige Bürger gefährdet sei. Selbst ein ungläubiger Landesherr würde „offenbar wieder sich selbst und wieder seinen eigenen Nutzen handeln, wenn er nicht eine Sache die ihm auf unzählige Weise bei seiner Regierung Vortheil bringt, mit seinem ganzen Ansehen in seinen Ländern unterstützen und aufrecht halten wollte. Handelt also ein Fürst nicht in der That äußerst unweise, wenn er nicht nur durch sein eigenes böses Exempel vor den Augen aller seiner Unterthanen beweiset daß er selbst keine Religion hat, sondern bei aller Gelegenheit alle diejenigen für Thoren erkläret und lächerlich machet die Religion und Frömmigkeit lieben und durch ihren guten Wandel verehren? Wenn er in seinem Lande allen ReligionsSpöttern eine solche zügellose Freiheit verstattet, daß ein jeder ungescheut alles ehrwürdige der Religion unter die Füße treten öffentlich allen Gift dagegen ausbreiten kann und darf? – O! wie kann ein solcher Fürst verlangen daß dem Volck die Majestät des Königs heilig sein soll, dem die Majestät Gottes lächerlich gemacht wird? Wie kann er Treue, und Ehrlichkeit in seinem Dienst von Leuten verlangen, die nach seinem Exempel nichts von Religion wissen, da die Bewegungs Gründe zur Treue und Ehrlichkeit hauptsächlich aus der Religion hergenommen werden müssen? Denn so bald ein Mensch ohne Religion den König ohne Gefahr der Entdeckung betrügen kann, so betrügt er ihn sicher und stiehlt allenthalben wo es nur heimlich und im Verborgenen geschehen mag; denn vor den [sic] allwissenden Gott fürchtet er sich nicht, der König aber ist nicht allwißend.“142 Wie schon in der „Abhandlung von der Bevölckerung“ und wie auch in den kommenden Jahren wandte sich Woellner bereits in der „Abhandlung von der Religion“ äußerst scharf gegen Friedrich Gedike und Johann Erich Biester, die er als „Apostel des Unglaubens“ bezeichnete, „welche das bisgen Religion und GottesFurcht unter den Leuten noch vollends verdrängen –.“143 Um seines eigenen Nutzens willen müsse ein Landesherr bestrebt sein, sein Land „voll wahrer Verehrer Gottes“144 und nicht „voll ruchloser Religions 141

GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 6, Bl. 4r. AaO Bl. 4v. 143 AaO Bl. 7v–8r. Die Bezeichnung „Apostel des Unglaubens“ findet sich für Gedike und Biester – mit einer Hervorhebung – nochmals aaO Bl. 28r. 144 AaO Bl. 9r. 142

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Spötter“145 zu haben. Gottesfurcht und Staatstreue sah Woellner – wie auch in späteren Jahren – in untrennbarer Korrelation: „Denn wer Gott nicht treu dienet, wird auch nie dem Könige treu dienen.“146 In § 5 erläuterte Woellner den Nutzen der Religion für die Bevölkerung des Landes. Für die Preußischen Staaten sei, betonte er wie bereits in seiner „Abhandlung von der Bevölckerung“, eine starke Bevölkerung unabdingbar notwendig. Lobend erwähnte er Friedrich II., der große Geldsummen aufgebracht hatte, um mehr Menschen nach Preußen zu bringen. Woellner freilich nannte ein Mittel, das keinerlei Kosten verursachte: Die Religion könne zu einem Bevölkerungswachstum führen147. Zwei der größten Hindernisse, deretwegen gegenwärtig verhältnismäßig weniger Kinder geboren wurden als zuvor, seien die Prostitution und – noch verheerender – die Verhütungsmethoden in der Ehe. Diesen beiden Hindernissen stehe man machtlos gegenüber. Ursächlich für diese Situation war nach Woellners Auffassung die mangelnde Religiosität: „In einen solchen Abgrund von Elend hat uns bereits unsere Mode-Philosophie gestürzt, nach welcher keine Obrigkeit sich mehr um eine so überflüßige Sache als die Religion überhaupt, und sonderlich bei dem gemeinem Mann und großen Haufen ist, bekümmert; kein Ober-Consistorium es mehr der Mühe werth achtet dafür zu sorgen, daß Prediger und Schullehrer die reine Lehre des Christenthums dem Volcke vortragen; sondern alles einer zügellosen Aufführung148 überlaßen wird. Tritt man erst bei der VolcksMenge das Ansehen der Religion unter die Füße, so folgen Zucht und Ehrbarkeit bald nach, und nichts kann den Strohm der Zerrüttungen mehr aufhalten die der Staat bald bitter genug fühlen muß.“149 Da die Bevölkerung der erste Hauptgrundpfeiler des Staates sei, müsse die größte Sorgfalt darauf gerichtet werden, „daß die VolcksMenge in Absicht der Religion nicht wie jezt leider! geschiehet, sich selbst überlaßen bleibt; sondern daß mit ängstlichem Fleiße so wohl von Seiten der Regierung, als hauptsächlich vom Geistlichen Departement darauf gesehen werde, daß vornehmlich der große Haufe auf Gottes Wort zurück geführet werde, und einen treuern Unterricht und mehrere Aufmunterung zur Nachfolge der allein wahren Religion Jesu erhalte, als jezt nicht geschiehet“150. Im zweiten Kapitel handelte Woellner fortschrittlich von der Toleranz in einem Staat. Der kurze § 6 bot eine Definition: „Wenn die Regierung in einem 145

Ebd. Ebd. 147 Woellner verwies auf seine ausführliche Behandlung dieser Materie in seiner „Abhandlung von der Bevölckerung“. 148 Schwartz gibt hier fälschlich „Aufklärung“ wieder. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 75. 149 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 6, Bl. 9v–10r. 150 AaO Bl. 10r. 146

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Staate neben der herrschenden Landes Religion die freie Ausübung anderer Religionen verstattet, und übrigens allen und jeden Unterthanen eine uneingeschränckte GewissensFreiheit erlaubet; so nennet man dieses die Toleranz in einem Lande, im Gegensatz desjenigen Betragens einer Regierung, da außer der im Staate allgemein eingeführten und herrschenden Religion keine weder heimliche noch öffentliche Verrichtung des Gottesdienstes vor irgend einer andern Kirche erlaubt wird, und übrigens die Einwohner mehr oder weniger dem Gewissens Zwange unterworfen sind.“151 Gewissensfreiheit meinte Woellner auch später in dem am 9. Juli 1788 erlassenen Religionsedikt zu gewähren. § 8 stand unter der thetischen Überschrift „Gewißens-Zwang und Intoleranz ist eine abscheuliche Sache“152. In religiösen Angelegenheiten dürfe niemand einem Gewissenszwang unterliegen. „Auf Gottes weitem Erdboden ist keine Sache die mehr unbillig, ungerecht, mehr die Freiheit der Seele erniedrigend, und für die ganze Menschheit trauriger wäre, als der GewißensZwang, oder die Forderung von Menschen an andere Menschen in Religions Sachen wieder ihre Überzeugung und Empfindung zu dencken und zu handeln. Die Menschliche Natur empöhret sich bei dem bloßen Gedancken, daß ich auf Befehl eines andern das vor wahr halten soll, was mein Gewißen als der innere Richter meiner Gedancken und Empfindungen offenbar vor falsch erklärt. Ich soll mit Gewalt vor einer Sache die meine Seeligkeit und die Ruhe meines Lebens betrift so dencken und empfinden wie der andere und ich dencke und empfinde davon ganz anders. Das Gewissen des Menschen ist immer respectable, und wenn es auch irrig ist.“153 Andersgläubige müsse man argumentativ davon zu überzeugen suchen, daß sie irrten. Gelinge dies nicht, müsse man sich mit dem Mißerfolg bescheiden und den Andersgläubigen „ruhig gehen laßen – tolerant sein –, und seinen Glauben nicht kräncken. Ich falle sonst Gott in sein Richter Amt, Er allein ist unumschränckter Herr über das Gewissen der vernünftigen Wesen die Er erschaffen hat.“154 Woellner plädierte nachdrücklich auch für interkonfessionelle Toleranz: „Wenn also Vernunfft und Billigkeit gebieten den Heiden und Mahomdaner in seinem irrigen Glauben nicht zu kräncken nicht intolerant gegen ihn zu sein, sondern ihn bloß wenn es angehet eines Beßern zu belehren, und ihn zu überzeugen, daß nur der Glaube an Jesum die wahre Religion sei, wie viel mehr ist es gegen Vernunfft und Billigkeit, wenn die Menschen die alle an Jesum 151

AaO Bl. 10v. AaO Bl. 11v. 153 Ebd. 154 Lasse sich jemand in seinem irrigen Glauben nicht zurechtweisen, habe er selbst diese Sünde zu verantworten. „Gehet seine Seele verlohren, so ist es ja nicht die meinige, und über seine Seele habe ich kein Recht, weil kein Mensch wer er auch sein mag, ein Recht über die Seele eines andern Menschen hat.“ AaO Bl. 12r. 152

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glauben, und folglich alle die wahre Religion haben, nur aber durch Kirchliche Meinungen und Menschen Satzungen in diesem oder jenem Stück von einander abgehen, und in verschiedene Partheyen getheilet sind, wenn diese Partheyen unter und gegen einander intolerant sind, sich einander verkezzern, haßen, verfolgen?“155 In § 9 schilderte Woellner das Verhalten eines christlichen Regenten, der die Toleranz liebt. Um die kirchlichen Meinungen der verschiedenen christlichen Religionsparteien kümmere er sich nicht, denn als Regent seien ihm Reformierte, Lutheraner und Katholiken „gleich lieb“156. § 10 war thetisch überschrieben: „Die Toleranz bringt Länder und Staaten in Flor“157. Ein Land, in dem „völlige GewißensFreiheit“ herrsche, werde in der ganzen Welt „wie ein sicherer Freyhafen“158 angesehen, der allen Nationen offenstehe159. „Bevölckerung, Künste und Wissenschafft, Manufacturen und Fabriquen, Handlung und Ackerbau, kurtz alles was einen Staat innerlich starck und mächtig machen kann, das blühet und gedeiet bloß unter dem wohlthätigen Schatten der Toleranz; und verwelcket und wird vernichtet, da, wo Gewissens Zwang und Intoleranz die Fackel der Religions Verfolgung anzündet.“160 Wiederum hob Woellner also das Staatswohl hervor. Woellner kannte auch einen Mißbrauch der Toleranz, den er in § 11 ausführte. „Die christliche Religion vornehmlich obgleich unstreitig die vollkommenste unter allen, weil sie auf die göttliche Offenbahrung gegründet ist, hat in unserm gegenwärtigen Jahrhundert, da über alles philosophiert, und nichts mehr geglaubet werden will, das unverdiente Schicksaal, daß gemeiniglich die seichtesten Köpfe (denn dis ist immer die größte Anzahl) allerhand an ihr zu 155 Aus der Außenperspektive müßten die Streitigkeiten der christlichen Religionsparteien untereinander absurd erscheinen. Nähme ein Heide die gegenseitigen heftigen Verketzerungen der Katholiken, Reformierten, Lutheraner, Herrnhuter, Quäker, Mennoniten, Gichtelianer und anderer wahr und „fragte sie: glaubet ihr alle an Jesum? und hörte denn wie aus einem Munde die Antwort: Ja! wir glauben alle an Jesum; würde man es dem Heiden einen Augenblick verübeln können wenn er sich die Freiheit nähme zu sagen: Nun so seid ihr ja alle Narren, daß ihr euch zancket?“ Ebd. 156 „Er vor seine Person bleibt zwar bei derjenigen ReligionsParthei darinn er erzogen ist, und also die meiste Überzeugung und Beruhigung findet, und giebt dadurch zugleich seinen Unterthanen ein nachahmenswürdiges Beispiel, standhaft bei der ihrigen zu bleiben, und nicht leichtsinnig von einer Kirche zur andern überzulaufen, als wodurch nicht selten Unruhen und Uneinigkeiten in Familien u.d.g. entstehen.“ AaO Bl. 13r. 157 AaO Bl. 13v. 158 Ebd. 159 Wer aus seinem Vaterland auswandern wolle, werde als zukünftige Heimstatt für seine gesamte Familie ein Land wählen, in dem „Gerechtigkeit und völlige Religions- und Gewißensfreiheit blühet“. Die tolerante Einwanderungspolitik, die in Rußland seit Peter dem Großen und in Preußen seit dem Großen Kurfürsten betrieben worden war, habe den beiden Ländern einen großen Teil ihrer „nützlichsten“ Einwohner bereitgestellt. Ebd. 160 AaO Bl. 14r.

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tadeln finden und daher mit vieler Unverschämtheit oft so gar die GrundSäulen derselben angreifen, um sie völlig überm Haufen zu werfen. So lange diese Art Menschen ihre Idées für sich behalten, nach ihrer Überzeugung dencken, und sich dabei ruhig als gute Bürger verhalten, und ihrem Nebenmenschen kein Aergerniß geben; so sind sie ein Gegenstand der Toleranz, denn es ist bloß ihre eigene Sache, wenn sie ihre künftige Verdamiß [sic] in jener Welt selbst bauen, und muthwillig ihre Seele verlohren gehen laßen; weil Die Regierung des Landes, darinn diese Elenden leben, sich bloß mit den Dingen dieser gegenwärtigen Welt beschäfftiget und sich über die Seelen der Unterthanen kein Recht anmaaßet. Sobald aber denn diese Menschen anfangen ihren Gift auszubreiten, die christliche Religion öffentlich anzutasten, sich zu Volckslehrer aufzuwerfen, und durch gedruckte Schrifften oder sonst bei allen Gelegenheiten ihren Mitbürger zu ärgern und seinen heiligen Glauben zu kräncken, dabei er bisher so glücklich lebte: so werden alsdenn diese Menschen sehr gefährliche Mittglieder des Staates; sie machen ihre arme Mitbürger höchst unglücklich, indem sie weit ärger als StraßenRäuber an ihnen handeln, und ihnen ihre Gewissens- und Seelen Ruhe rauben, die einem jeden unendlich kostbarer ist, als Geld und Guth das der Straßen Räuber nimmt.“161 Diese Schilderung nahm die künftige Auseinandersetzung Woellners mit der Aufklärung, deren Vertreter er hier nachgerade inkriminierte, bereits vorweg. Das dritte Kapitel der „Abhandlung“ behandelte die „Ursachen, warum die christliche Religion in unsern Tagen so vorzüglich angegriffen und gelästert wird, oder die Quellen des Unglaubens“162. Insgesamt zählte Woellner fünf Quellen des Unglaubens auf. In § 14 erläuterte er die erste Quelle des Unglaubens: „Erste Quelle des Unglaubens: Die unrichtige Erkentniß unsrer heutigen Gelehrten von der Natur des Menschen“163. Der zweiten Quelle des Unglaubens wandte sich Woellner in § 15 zu: „Die Verwerfung oder doch Verdrehung der Bibel“164. In § 16 nannte Woellner die dritte Quelle des Unglaubens: „Der unrichtige Satz: daß man in der Religion nur das annehmen müße, was die Vernunfft begreifen könne“165. § 17 behandelte die vierte Quelle des Unglaubens: „die Geheimnisse der christlichen Religion“166. Hier gab Woellner eine außerordentlich kurze Zusammenfassung von seinem Verständnis des Christentums: „Den ganzen Inhalt der Religion Jesu, und den ganzen Lehrbegrif des Glaubens, der 161 AaO Bl. 14r–14v. Während der Straßenräuber am Galgen ende, werde der öffentliche Religionsspötter geduldet und in Berlin „befördert, geehrt, belohnet – dis, dis ist Misbrauch der Toleranz“. AaO Bl. 14v. 162 AaO Bl. 15r. 163 AaO Bl. 15v. 164 AaO Bl. 17v. 165 AaO Bl. 18r. 166 AaO Bl. 19r.

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Christen, erzählen diese wenigen Worte: Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber. 2Cor:5.19. Jeder Ausdruck enthält ein tiefes ReligionsGeheimniß, das der Unglaube wegläugnet. Hier sind sie alle diese Geheimnisse der christlichen Religion so wie sie uns Gott in der Bibel offenbahret hat.“167 Die – von den Aufklärern teils nivellierte – Versöhnungslehre war für Woellner also das zentrale Kennzeichen des Christentums. Auch in § 7 des Religionsedikts betonte er später besonders das Versöhnungswerk Christi. In § 18 der „Abhandlung“ beschrieb Woellner anschaulich die fünfte Quelle des Unglaubens: „die Weichlichkeit der Sitten unsers Jahrhunderts, der Luxus, die Verfeinerung u. Erhöhung der sinnlichen Begierden“168. Mit „Traurigkeit der Seele“169 ging Woellner dann zum vierten Kapitel über, das die „Ursachen warum die Preussischen Staaten der HauptSitz des Unglaubens in Deutschland sind“170 behandelte. § 19 bot eine „Traurige aber wahre Schilderung des Religions- und moralischen Zustandes der Einwohner in den 167 Ebd. Fünf Geheimnisse machte Woellner namhaft: Erstens: Durch den Sündenfall sei das ganze Menschengeschlecht in Feindschaft mit Gott geraten; „das endliche Geschöpf hatte die Majestät des unendlichen Schöpfers durch rebellischen Ungehorsam auf eine solche Art beleidigt, daß die hierauf erfolgte Entziehung der Gnade Gottes die größte Zerrüttung in der Seele u. in dem Körper des gefallenen Menschen dergestalt hervorbrachte, daß derselbe vom Guten u. vom [sic] dem Urheber deßelben ohne Rückkehr auf ewig entfernet u. also auf ewig unglücklich geworden wäre“ (ebd.), wenn nicht – so das zweite Geheimnis – der dreieinige Gott, „der ganz Liebe ist und seine arme durch Satan verführte Menschen unmöglich verlohren gehen laßen konnte, das tiefe Geheimniß der Verführung im Schooß der Gottheit selbst erfand, u. durch das ewige selbstständige Wort das Fleisch ward uns Menschen vor den Ketten der Finsterniß u. der Gewalt des Satans zu erlösen beschloß.“ AaO Bl. 19r–19v. Demzufolge – so das dritte Geheimnis – wurde Jesus Christus als ein wahrer Mensch geboren. Jesus Christus, „in dem nach dem Ausdruck der Schrifft die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnete, ward gleich wie ein anderer Mensch und an Geberden als ein Mensch erfunden“. AaO Bl. 19v. Dieser Gottmensch – so das vierte Geheimnis – wurde der Mittler zwischen Gott und den Menschen. „Als Mensch nahm er den Fluch der Sünde des ganzen MenschenGeschlechts auf sich, als Mensch litte er den blutigen Kreuzes Tod. Als Gott warf er den Fluch der Sünde des ganzen MenschenGeschlechts von sich, als Gott stand er mit der nun versöhnten, nun wieder verherrlichten Menschheit aus dem Grabe auf.“ Als fünftes Geheimnis bezeichnete Woellner das Versöhnungswerk Christi. „Jeder Nachkomme Adams der seine Noth der Sünde fühlt, seine Ohnmacht sich selbst zu helfen erkennt; Jesum für seinen Erretter annimmt, alles für wahr hält was die Bibel von dem Geheimnisvollen VersöhnungsWercke lehret; im Nahmen Jesu zu Gott um die Vergebung aller begangenen Sünden betet, um Krafft betet u. um den heiligen Geist sich für künftige Sünden zu hüten, den Weg des Lasters auch durch den alleinigen Beistand dieses heiligen Geistes wircklich verläßt, – Der hat den wahren Christenglauben, durch den allein er im Leben ruhig, im Tode getrost, u. am Tage des WeltGerichts gerettet wird.“ Ebd. Die Millionen der zukünftigen Untertanen seien bislang bei diesem Glauben „so glücklich“ (aaO Bl. 20r) gewesen. Aber gegenwärtig sei es „einer Rotte elender ReligionsSpötter“ gelungen, „den Hauptsitz des Unglaubens von ganz Deutschland“ (ebd.) in Preußen aufzuschlagen. 168 AaO Bl. 20v. 169 AaO Bl. 21v. 170 AaO Bl. 22r.

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Preussischen Staaten vornehmlich in Berlin“171. Nach dem Vorbild der Hauptstadt richte sich das ganze Land. „Berlin, das schöne Berlin verliehret allen Reitz und wird grundheßlich wenn ich es aus diesem GesichtsPunckt ansehe. Liebe zur Religion u. wahre Gottesfurcht –, wie viele Häuser u. Familien sind ganz leer davon.“172 Der öffentliche Gottesdienst werde wohl in keiner großen Stadt nachlässiger besucht als in Berlin173. In § 20 nannte Woellner die „Erste Ursache der Irreligion u. des Unglaubens in den Preussischen Staaten: das Exempel des Königs“174. Vorsichtig-kritisch skizzierte Woellner Friedrich II., wohingegen er – wie stets und wie auch später im Religionsedikt – für Friedrich Wilhelm I. nur lobende Worte fand: „Mit aller der Ehrfurcht, die ich als Unterthan meinem LandesHerrn schuldig bin, muß ich es doch bekennen, daß der König in seinen Ländern den HauptGrund zur Freidenckerei und zur Verachtung der christlichen Religion gewiß ohne Vorsatz u. ohne sein Wissen selbst gelegt hat; so leid es ihm gegenwärtig auch vielleicht sein mag, weil er die heutigen verwilderten Sitten mit vieler Unzufriedenheit bemercket, und noch vor nicht langer Zeit gegen jemand den Wunsch geäußert hat, daß selbige noch so gut sein mögten, als sie zu den Zeiten seines Höchstseeligen Herrn Vaters gewesen wären. Es gehet uns oft so in der Welt daß wir zu späte bereuen was wir nicht mehr zu ändern vermögend sind. Der König hatte in seiner Jugend einen zwar gründlichen aber nach dem Geschmack der damaligen Zeiten sehr pédantischen Unterricht in der Religion genoßen. Dis war sein Unglück. Sein großes Genie fühlte bald das lächerliche der Pedanterie, und leider! dehnte sich dis Gefühl auch auf den Gegenstand des Unterrichts selbst aus. Die erhabensten christlichen Religions-Warheiten erschienen ihm durch die Art des Vortrags in einem für ihre Hoheit und ihrem innern Werth sehr nachtheiligen Lichte. Daher wurde sein Verstand nicht überzeugt, und folglich blieb sein Hertz leer, von den freudigen hinreißenden Empfindungen der Liebe zu Jesu die man so ofte bei jungen fühlbaren Gemüthern antrifft, wenn sie die ersten Idees der christlichen Réligion mit Überzeugung gefaßet und sich zu eigen gemacht haben. Er muste nun freilich in seinen jungen Jahren äußerlich fromm und ehrbar sein, ordentlich in die Kirche und zum AbendMahl gehen, weil sein H. Vater hierinn keinen Schertz verstand.“175 Das preußische Volk blieb von Friedrichs II. Haltung keineswegs unbeeinflußt: „Denn das Exempel eines Königs wircket mit unglaublicher Stärcke auf das Hertz des Unterthans, zumahl in Religions- u. GlaubensSachen. Der Mode 171

Ebd. Ebd. 173 Außerdem waren in den Gottesdiensten die Männer stark unterrepräsentiert: Die Frauen machten mindestens drei Viertel der gottesdienstlichen Versammlung aus. 174 AaO Bl. 26r. 175 AaO Bl. 26r–26v. 172

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Ton bei Hofe und in den vornehmen176 Häusern war bald eine laute Spötterei über Christenthum und Frömmigkeit; und von hieraus breitete sich das Übel in alle übrige Societæten und Gesellschafften aus.“177 Woellner vermied eine direkte Anklage des großen Friedrich: Die Ausbreitung des Spotts habe, versicherte Woellner, nicht dem Willen des Königs entsprochen; ihm selbst – Woellner – seien Fälle bekannt, in denen Friedrich II. solchen Spott sehr mißbilligt hätte. „Allein eine herrschende neue Mode, gleichet einem reißenden Strohm, der sich nicht so leicht aufhalten läßet.“178 In § 21 erläuterte Woellner die „Zweite Ursache des Unglaubens in den Preussischen Staaten: der Misbrauch der Toleranz“179. Rhetorisch nahm Woellner Friedrich II. wiederum in Schutz: Dies alles habe sich der König nicht vorgestellt, als er kurz nach seiner Inthronisation trotz gegenteiliger Vorstellungen des Konsistoriums – in Klammern fügte Woellner bitter-ironisch hinzu: „denn damals hatten wir noch ein Consistorium“180 – dem „berüchtigten“181 Johann Christian Edelmann erlaubte, dessen Schrift gegen die christliche Religion öffentlich drucken zu lassen182. Wenn Friedrich II. wüßte, wie sehr die Nation schon dadurch verdorben sei, „daß die Religion aus seinen Staaten, weggeläugnet, weggespottet, weggelästert wird – nimmermehr würde er als ein so kluger Herr dieses Unwesen so gelaßen mit ansehen, nimmermehr würden Gedike und Biester diese Apostel des Unglaubens, so ungescheut noch alle Monathe mitten in seiner Residenz ihre hämischen Angriffe gegen den Glauben der Christen öffentlich drucken lassen dürfen.“183 In § 22 erörterte Woellner die „Dritte Ursache des Unglaubens in den Preußischen Staaten: der jetzige Ministre des Geistlichen Departemens“184. Sogleich setzte er angriffslustig gegen den Freiherrn Karl Abraham v. Zedlitz und Leipe ein, dessen Amt zu erlangen er sehnlichst anstrebte: „Du wirst hier einen schweren Stand bei mir haben guter Ministre! Denn du bist vornehmlich

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Schwartz gibt hier fälschlich „vornehmsten“ wieder. AaO Bl. 27r. 178 Ebd. 179 Ebd. 180 AaO Bl. 28r. 181 Ebd. 182 Johann Christian Edelmann war 1698 geboren worden. 1740 erschien seine berüchtigte Schrift „Moses mit aufgedecktem Angesichte, von zween ungleichen Brüdern, Lichtlieb und Blindling, beschauet. 1, 2, 3 Anblick“. Friedrich II. gewährte ihm Asyl in Berlin. Er starb 1767. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 82 Anm. 1. 183 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 6, Bl. 28r. Wieder malte Woellner ein ausschließlich positives Bild von Friedrich Wilhelm I.: Unter dessen Regierung hätten Gedike und Biester in der Festung zu Spandau in der Karre gehen müssen. 184 AaO Bl. 28v. 177

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an allem dem Unwesen Schuld, darüber ich und alle Patrioten die es mit Gott, dem Könige und dem VaterLande ehrlich meinen, seufzen müßen.“185 Woellner stellte affirmativ fest, daß der Kronprinz ihn nach seiner ganzen Denkungsart kenne. Daher sei er gewiß, daß der Erbe des Throns ihm nicht „persönliche Feindschafften oder andere unedle Absichten“ unterstellen werde, wenn er den Chef des Geistlichen Departements angreife, der unermüdlich den Unglauben in Preußen befördere und ausbreite. Überdies glaube dieser Minister, „dadurch ein gutes Werck zu thun und das Volck aufzuklären“186. Zedlitz sei „mein Freund“, und er schulde ihm sogar Dankbarkeit; „aber dis hält mich alles nicht ab, so wehe es mir auch wircklich thut, Ew.K. H. die Warheit zu sagen, weil ich sonst des Zutrauens unwürdig sein würde, das Höchstdieselben zu meiner Redlichkeit haben.“187 Zedlitz – „der gröster Freidencker und ein Feind des Nahmens Jesu“ – mißbrauche sein Ansehen dazu, die christliche Religion im Land auszurotten und den Deismus und Naturalismus „recht Planmäßig“188 in Preußen einzuführen. Nachdrücklich versicherte Woellner den Kronprinzen seiner argumentativen Redlichkeit: Er werde seine Behauptungen „durch lauter unläugbare Facta“189 beweisen. Woellner schilderte Zedlitz als unbedingten Aufklärer: Es sei „wirklich Bitterkeit bei ihm gegen Jesum, und er hält es vor eine Schande unsres erleuchteten Jahrhunderts, daß es noch Leute giebt, die an einen GottVersöhner glauben, und die christliche Religion vor wahr halten; auch würde er wegen dieses sogenannten Aberglaubens mit seinem wichtigen geistlichen Amte sehr unzufrieden sein, wenn er nicht glücklicherweise dadurch Gelegenheit hätte, das Volck von diesem angeblichen Irthum zu befreien und es aufzuklären. Hiezu glaubt er sich also in seinem Gewissen verbunden, denn so weit gehet in der That seine Verblendung, und er sinnet Tag u. Nacht darauf seinen heillosen Plan auszuführen, bis das ganze Land glauben soll was er glaubt, nehmlich – nichts von Jesu, nichts von der durch den WeltHeiland geschehenen Versöhnung mit Gott; nichts von Taufe und Abendmahl; nichts von der Bibel und von einer göttlichen Offenbahrung.“190 Anschließend fügte Woellner die von ihm zuvor angekündigten „Facta“ an und suchte Friedrich Wilhelm zunächst eindringlich von seiner Glaubwürdigkeit zu überzeugen: „Ich stehe wie ein ehrlicher Mann für die Richtigkeit

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Ebd. Ebd. 187 Ebd. „Ew.K. H.“ bedeutet „Eurer Königlichen Hoheit“. 188 Ebd. 189 AaO Bl. 29r. 190 AaO Bl. 29v. 186

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dieser Thatsachen.“191 Erstens: Vor kurzem habe Zedlitz im Konsistorium mit Blick auf die Landprediger gesagt: „Die Prediger würden beßer thun, sich mit andern Dingen als mit der heiligen Dreyeinigkeit u. dergleichen NarrensPossen abzugeben pp – Ich glaube daß bei Aussprechung dieser abscheulichen Worte, sich die Asche von Fr.W. noch im Grabe bewegt hat.“192 Zweitens: Weil Zedlitz zur Ausführung seines Plans, „die christliche Religion zu verdrängen u. dagegen den Naturarismus [sic] einzuführen, Helfershelfer braucht; so sind die berüchtigsten Irrlehrer und Freidencker seine Lieblinge“193, die er von überall her nach Preußen zu holen suchte. Woellner nannte Carl Friedrich Bahrdt, dessen Bekanntheit er voraussetzte194. Drittens: Woellner erinnerte an ein einige Jahre zuvor in Leipzig unter dem Titel „Horus“ erschienenes „abscheuliches Buch gegen die Religion“195 von Christian Ernst Wünsch196. Der Leipziger Magistrat hatte das Werk sofort konfiszieren lassen. Kaum habe jedoch Zedlitz das Buch gelesen, habe er Wünsch nach Preußen berufen und ihn vielen anderen „ehrlichen Leuten“197 vorgezogen und als Professor an der Frankfurter Universität bestallt. Viertens: Zedlitz hatte Gedike, der dem Kronprinzen hinlänglich bekannt sei, zum Oberkonsistorialrat erhoben198. Gedike lehre die jungen Leute öffentlich, daß Christus nichts weiter als ein „ehrlicher Mann“199 gewesen sei. Sie sollten also nicht an ihn glauben und nicht zum Abendmahl gehen, denn er selbst sei auch nicht zum Abendmahl gegangen200. 191

AaO Bl. 29v–30r. AaO Bl. 30r. 193 Ebd. 194 Carl Friedrich Bahrdt wurde von Woellner als der „bekandte D. Bahrdt“ eingeführt. Ebd. Zu Bahrdt vgl. Kapitel J.II. 195 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 6, Bl. 30v. 196 Anonym war 1783 die Schrift erschienen „Horus oder astrognostisches Endurtheil über die Offenbarung Johannis und über die Weissagungen auf den Messias wie auch über Jesum und seine Jünger. Ebenezer. Im Verlage des Vernunfthaußes“. Der Autor dieses Buches war der 1744 geborene Doktor der Philosophie und Medizin Christian Ernst Wünsch in Leipzig. 1784 wurde er Professor der Mathematik und Physik an der Frankfurter Universität. Wünsch behauptete, daß sich aus dem, was die Juden in Ägypten über den Horus genannten Sohn des Osiris und der Iris vernommen hatten, ihr Messiasbegriff und später dann die christliche Trinitätslehre entwickelt hätten. Jesus erschien bei Wünsch nur als ein frommer Fanatiker. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 84 f Anm. 1. Schwartz gibt bei der Titelangabe statt „astrognostisches“ fälschlich „astrologisches“ an. Woellner buchstabierte den Namen von Wünsch fälschlich „Wündsch“. 197 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 6, Bl. 30v. 198 Vgl. Kapitel A.VIII.1. 199 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 6, Bl. 30v. 200 Woellner resümierte klagend: „Anstatt also die christliche Religion in jungen Gemüthern zu befestigen, so werden die armen Kinder mitten in Berlin zum Heidenthum erzogen. Warrlich! gnädigster Herr! eine schöne Aussicht für die künftige Generation. Gott erbarme es sich doch!“ Ebd. 192

VI. Die Kronprinzenvorträge

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Im folgenden, nicht numerierten Kapitel handelte Woellner „Von den Mitteln diesem Unwesen zu steuern, und in den Preußischen Staaten die christliche Religion wieder in Ansehen zu bringen“201. § 23 war überschrieben: „Erstes Mittel die Religion wieder in Ansehen zu bringen: das Exempel des Königs.“202 Woellner pries nachdrücklich, daß der Kronprinz öffentlich zum Abendmahl ging. Dadurch beweise er in Potsdam dem Volk, daß er „ein Verehrer der christlichen Religion“203 sei. Von der zukünftigen Herrschaft Friedrich Wilhelms erwartete und erhoffte Woellner nur Gutes – sowohl für das Land als auch, implizit genannt, für sich selbst. „Nun dürfen außerdem nach HöchstDero Trohnbesteigung nur ein paar Fälle sich ereignen, wo Ew.K. H. mit der ganzen Würde der Majestät auf die Seite der christlichen Religion treten so wird jedermann leicht den Ton mercken nach welchem er schon aus Politique seine Urtheile über die Religion stimmen muß, und alle Spöttereyen – haben mit einmahl ein Ende. Kein Zedlitz wird es mehr wagen die heilige Dreyeinigkeit für NarrensPossen zu erklären; kein Gedike u. Biester werden sich mehr den mindesten frechen Gedancken gegen den Glauben der Christen öffentlich drucken zu lassen erlauben.“204 § 24 präsentierte das zweite Mittel, die Religion wieder in Ansehen zu bringen: „Ein erneuertes Edict zur Heiligung des Sabbaths.“205 Da die preußischen Könige in der Vergangenheit bereits die „herrlichsten“206 Edikte zur Feier des Sonntags und zum öffentlichen Gottesdienst erlassen hatten, möge der Kronprinz nach seiner Thronbesteigung dem Oberkonsistorium lediglich befehlen, diese alten Edikte zu erneuern und das Volk zur Beachtung dieser Edikte anzuhalten. Auch in § 12 des Religionsedikts schärfte Woellner später die Bedeutung der Sonn- und Festtage ein. In § 25 der „Abhandlung“ erläuterte er das dritte Mittel, die Religion wieder in Ansehen zu bringen: „Ein redlicher Ministre bei dem geistlichen Departement.“207 Der größte Anteil an der schnellen Ausbreitung des Naturalismus komme Zedlitz zu. Durch das Oberkonsistorium hingen alle Konsistorien, Pröpste, Superintendenten, Inspektoren208, Prediger und Schullehrer im ganzen Land – nur Schlesien und Preußen209 ausgenommen – von Zedlitz ab. Dem Geistlichen Departement müsse daher „ein redlicher Verehrer der 201

AaO Bl. 31r. Ebd. 203 Ebd. 204 AaO Bl. 31v. 205 Ebd. 206 Ebd. 207 AaO Bl. 32r. 208 Die Inspektoren unterstanden den Provinzialkonsistorien. Später – und teilweise auch schon zeitgenössisch – wurden sie als Superintendenten bezeichnet. 209 Gemeint ist Ostpreußen. 202

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

Religion Jesu“210 vorgesetzt werden. Unausgesprochen, jedoch hinreichend deutlich bot Woellner sich selbst für dieses Amt an. Er gab eine umfassende Charakteristik des notwendigen neuen Chefs des Geistlichen Departements: „Dieser wird zwar anfänglich alle Hände voll zu thun haben, um sich nur erst Lufft zu machen. Weiß er es aber daß er vom Trohne aus unterstützt wird, belebt ihn ein brennender Eifer um das gemeine Beste u. um die Wohlfarth der Millionen Seelen die doch eigentlich seiner geistlichen Führung bei seinem wichtigen Posten mit anvertrauet sind; liebt er Gott und Jesum über alles und ist selbst ein warhaftig frommer Mann; besizt er dabei die erforderliche Klugheit bei allen vorkommenden Fällen sich so zu nehmen, daß er auf der einen Seite zwar der guten Sache nichts vergiebt, auf der andern aber kein blinder Eiferer und störrischer Polterer ist, sondern mit sanftem Ernst dem Freigeist zu begegnen weiß, daß dieser nicht den Minister sondern den redlichen Mann zu fürchten u. zu verehren gezwungen wird: so wird ihm nichts wiederstehen können, den großen Plan glücklich auszuführen die christliche Religion wieder in Ansehen und Aufnahme zu bringen.“211 Der zukünftige König werde mit einem solchen Mann, den er seines Vertrauens würdig erachte, erreichen, daß in den königlichen Ländern „die reine Lehre des Evangelii wieder gelehret und gelernet, und der Staat von Ruchlosigkeit und verdorbenen Sitten als den traurigen Folgen des jetzigen Naturalismus gereinigt und befreiet wird.“212 In § 26 lieferte Woellner eine „Instruction für den Ministre des geistlichen Departements“, mit welcher der zukünftige König seine „edle Absicht“213 müheloser erreichen werde. Die Instruktion umfaßte dreizehn Punkte. „1, [sic] Der König hat schon lange mit vielem MisVergnügen bemercket, daß in den branden-214 burgischen Staaten mehr als in irgend einem andern Lande der Naturalismus, Deismus, Socinianismus, Indifferentismus pp als solche gefährliche Religions-Irthümer im Schwange gehen, die dem Staate frühe oder späte sehr schädlich werden können indem sich solche bereits sogar unter der VolcksMenge auszubreiten anfangen. Da nun also die gemeine Wohlfarth erheischet, daß diesem Unwesen gesteuret und allem besorglichen Übel kräftig215 vorgebeuget werde weil es noch Zeit ist, so erhält216 2. Der Ministre des geistlichen Départements hiedurch die gemessene Ordre, seine ganze Aufmerksamkeit darauf zu richten daß weder heimlich noch öffentlich, weder in Kirchen 210

AaO Bl. 32v. AaO Bl. 33r. 212 Ebd. 213 Ebd. 214 Ebd. 215 Diesen nachträglichen Einschub hat Schwartz ausgelassen. 216 AaO Bl. 33v. 211

VI. Die Kronprinzenvorträge

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noch Schulen oder auf andere Weise etwas gelehret werde das auch nur auf die entfernteste Art, das Volck auf dergleichen abscheuliche Irthümer hinführen könnte. Denn 3. Der König will daß die christliche Religion nach allen 3. HauptConfessionen nehmlich der Reformirten, Lutherischen und Catholischen im Lande aufrecht erhalten, und der Glaube an Jesum und nichts anderes dem Volcke gelehret werden soll; weil die christliche Religion die Basis aller wahren Glückseeligkeit der Menschen ausmacht, und der König nicht gestatten kann daß seine Unterthanen durch Unglauben und Schwärmerei unglücklich werden sollen. 4. Es muß also der Ministre die sämtliche Geistlichkeit im Lande wohl in Obacht nehmen, und nicht nur bei dem Examine der Candidaten zum PredigtAmte, darauf halten daß sie über den Punckt der Lehre von Jesu scharf untersuchet werden; sondern auch die bereits im Amte stehende Prediger genau observiren lassen: ob sie die christliche Religion völlig rein und unverfälscht vortragen. Sollte einer oder der andere dagegen handeln, so muß ihn der Ministre durch das Consistorium sogleich sein schriftliches GlaubensBekentnis an Eides statt abfordern lassen. Fände sich daß er in seiner Religion anbrüchig und etwan ein Naturaliste Socinianer oder dergleichen sei, so ist er seines Unrechts zu überführen und zur Beßerung217 zu ermahnen, und wenn diese in Jahres Frist nicht erfolgt, und er fortfährt auf seinen Irthümern hartnäckig zu beharren, ohne Anstand zu cassiren218. Denn obgleich in einem toleranten Lande einem jedem freistehet in Absicht der Religion zu denken wie er will, so findet doch dis bei einem öffentlichen Lehrer und Prediger nicht statt, sondern er ist vermöge seines Amts verbunden, Jesum zu predigen, und kann also dis Amt nicht länger behalten wenn er etwas anderes, als die reine christliche Religion lehret. Will er aber doch den Glauben an Jesum predigen, ohne selbst an Jesum zu glauben, so ist er ein elender Heuchler und schlechter Mensch der wieder seine Überzeugung und sein Gewissen handelt, und verdienet also in jedem Betracht die augenblickliche Cassation. 5., [sic] Die Toleranz muß nicht gekräncket werden, sondern der König will daß außer der christlichen Religion, alle möglichen Religions-Partheyen die nur in der Welt existiren, Juden, Türcken u. Heiden im Lande geduldet und im mindesten nicht beeinträchtiget oder verfolgt werden sollen. Selbst jene Verächter der christlichen Religion, Naturalisten, Socinianer pp sollen die völlige Freiheit ihrer DenkungsArt behalten da es ihre eigne Seele betrift: und durch nichts gestöhret werden so lange sie sich ruhig verhalten, und nicht Gelegenheit zum Ärgerniß geben oder aber andere verführen und Proselyten machen. In diesem Falle sind sie allerdings in Anspruch zu nehmen u. von der Toleranz ausgeschloßen, weil sie selbige zum Schaden des Staates und ihrer Mitbürger misbrauchen. 6. Die bisherige schnöde Entheiligung des Sonntags will der König nicht mehr gestaltet wißen, sondern der Ministre soll die hievon vorhandenen alten Edicte sonderlich die von 217 218

Ebd. AaO Bl. 34r.

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

F. W. umarbeiten, solche auf die jetzigen Zeiten adaptiren, und219 und [sic] dem Könige zur Approbation und Vollziehung vorlegen, damit ein solches Edict von neuen im ganzen Lande publiciret und befolget werde. Wegen Abstellung der bisherigen Unordnungen in Berlin dadurch der Feiertag entheiliget wird, muß der Ministre mit dem Policey-Präsidenten conferiren, und das Nöthige durch selbigen besorgen laßen220. 7. Die verdorbenen Sitten des Volcks welche aus der vernachläßigten Religion herrühren, will der König außer ihrer Schändlichkeit wegen des großen Schadens der dem Staate daraus erwächst schlechterdings gebeßert wißen, daher den Predigern ernstlich anbefohlen werden muß ihren Gemeinden auf der Canzel und im Beichtstuhl darüber ernstlich Vorstellungen zu thun; die öffentlichen Ausbrüche des Lasters aber müßen durch Anordnungen der Policey reprimiret werden, wofür der Ministre mit zu sorgen haben wird. Vor allen Dingen aber sind die etwanigen Hinderlichen Geistlichen in strenge Zucht zu nehmen, und in Fällen wo durch sie dem Volcke öffentlich Aergerniß gegeben wird, muß harte Strafe andern zum Exempel über sie verfügt werden, davon die augenblickliche Cassation die geringste ist. 8. Da bisher durch gottlose und freidenckerische Schrifften so vieles Unheil angerichtet worden, so muß der Ministre die Bücher Censor in ihr voriges Ansehen wieder herstellen, und soll Er dem Könige dafür haften wenn künftig dergleichen im Lande gedruckt oder debitiret werden. […] 13. Dieweil das Geistliche Departement von so großen Umfange und in manchem Betracht das wichtichtigste [sic] im Lande ist; so muß der Ministre deßelben nicht faul und träge oder unachtsam sein, sondern stets bedencken, daß da er als der oberste Geistliche gewisser maaßen der SeelSorger vor Millionen Menschen ist, er dereinst Gott wird Rechenschafft geben müßen von einer jeden Seele die durch seine Schuld verlohren gehet; der König aber jedes durch sein Versehen verwahrlosete WaisenKind, u. jeden Armen den er muthwillig dahinsterben läßet, von seiner Hand fordern wird.“221

Diese oder eine ähnliche Instruktion möge der Kronprinz nach seinem Regierungsantritt einem Kabinettsrat diktieren, und er möge sie dem Geistlichen Minister aushändigen lassen. Dieser Minister dürfe kein „ReligionsSpötter“222 wie Zedlitz, sondern müsse „ein kluger Mann [sein], der selbst Religion hat, und ganz Patriot ist, dabei nicht seinen Privat Nutzen u. Gemächlichkeit sondern das Beste des Ganzen, zur einzigen Beschäftigung seiner Seele macht“223. Und wen Woellner als geeigneten Mann für diese Aufgabe auserkoren hatte, war unausgesprochen deutlich: sich selbst. 219

Ebd. AaO Bl. 34v. 221 AaO Bl. 33r–35r. 222 AaO Bl. 35r. 223 Ebd. 220

VI. Die Kronprinzenvorträge

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Etliche Gedanken dieser in § 26 gebotenen Instruktion sind später im Religionsedikt vom 9. Juli 1788 aufgenommen worden: die Abwehr von „Naturalismus, Deismus, Socinianismus“224, die Betonung der Toleranz, die Einschärfung der Sonn- und Feiertage sowie die Hervorhebung eines sittsamen und frommen Lebenswandels. Anders als das Religionsedikt drohte die Instruktion bei Irrlehren nicht die sofortige Kassation, sondern zunächst noch vorangehende Maßnahmen an. Das in der Instruktion angemahnte Thema der Bücherzensur fand erst – dann freilich, angesichts der entstandenen Entwicklung, gegen Woellners Empfehlung – im Zensuredikt vom 19. Dezember 1788 Aufnahme225. Nicht nur § 26, sondern auch die gesamte „Abhandlung von der Religion“ ist mit dem Religionsedikt – wie gezeigt – durch bisweilen frappierende Ähnlichkeiten verbunden226. Die entscheidenden gemeinsamen Themen sind die Ablehnung der Aufklärung und die Toleranzidee. Jedoch redete die „Abhandlung“ nicht – im Gegensatz zum Religionsedikt – von den Symbolischen Büchern227, sondern stellte in § 26 als den Willen des Königs dar, daß „der Glaube an Jesum und nichts anderes dem Volcke gelehret werden soll“228. Die Formulierungen der „Abhandlung“ variierten: Es war in § 10 die Rede von den „GrundSäulen“ der christlichen Religion, in § 20 von den „erhabensten christlichen Religions-Warheiten“, in § 25 von der „reine[n] Lehre des Evangelii“ und in § 26 von der „Lehre von Jesu“ sowie von der „reine[n] christliche[n] Religion“. Und die oben aus § 22 zitierte Beschreibung dessen, was Zedlitz nicht glaube, stellt im Umkehrschluß die Soteriologie, die Sakramentenlehre und die Lehre von der Offenbarung als unabdingbar heraus. Offenbar sah sich Woellner bei der Konzeption des Religionsedikts später genötigt, diese Wendungen der „Abhandlung“ zu spezifizieren, um über einen vermeintlichen Kontrollmechanismus zu verfügen.

224

AaO Bl. 33v. Zum Zensuredikt vom 19. Dezember 1788 vgl. Kapitel J.I. 226 Durch diesen zeitlichen Zusammenhang wird Fritz Valjavecs These, daß das Religionsedikt „in der gewitterschwülen Stimmung der Zeit unmittelbar vor 1789“ – also vor Ausbruch der Französischen Revolution – „die erste entschiedene Kampfansage gegen die Aufklärung und ihre bereits deutlicher zutage tretende politische Ausstrahlung“ gewesen sei, relativiert. Fritz Valjavec, Das Woellnersche Religionsedikt und seine geschichtliche Bedeutung, in: HJ 72 (1953), 386–400, hier 395. 227 Walter Karowski, Das Bekenntnis und seine Wertung. Eine problemgeschichtliche Monographie, Bd. 1 Vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Berlin 1939, 58–75. 228 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 6, Bl. 33v. 225

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

VII. Das Ende Friedrichs II. Friedrich II. genoß in Europa wegen seiner militärischen Erfolge und auch wegen seiner Qualitäten auf den Gebieten der Philosophie, Musik und Literatur allenthalben achtende Bewunderung. Jedoch in seinen letzten Lebensjahren galt der große Friedrich zunehmend als zynischer Misanthrop. Stur hielt er am absolutistischen Regierungssystem mit der strengen Ständeordnung und dem von staatlichen Monopolen geprägten Merkantilismus fest229. Am 17. August 1786, bald nach zwei Uhr morgens, starb Friedrich der Große nach mehrmonatiger Krankheit in Sanssouci230. Die preußischen Aufklärer konnten mit seinem Tod durchaus vereinzelte Verbesserungen gewärtigen. Als er starb, umfaßte die Akademie der Wissenschaften nur 18 ordentliche Mitglieder; dreizehn dieser Mitglieder kamen aus dem Ausland231. In die Berliner Akademie fand die Mehrheit der führenden preußischen Aufklärer, zum Beispiel auch Immanuel Kant, erst unter Friedrich Wilhelm II. Aufnahme232. Freilich auch Woellner wurde Anfang 1787 in die Akademie aufgenommen233.

229 Zu Friedrich II. vgl. jüngst Johannes Kunisch, Friedrich der Große. Der König und seine Zeit, München 2004. 230 Philippson, Geschichte, Bd. 1, 1. In den eher kühlen Sommermonaten von 1786 hatte Friedrich, obwohl er zuvor nie mit dem gemäßigten Klima Preußens zufrieden gewesen war und lieber in den warmen Gefilden Italiens gelebt hätte, über Hitze geklagt und auf den sonst gewöhnlichen Zobelpelz verzichtet. In einer von Woellner befohlenen Anekdotensammlung über Friedrich II. hieß es: „Depuis que je suis sorti du ventre de ma mère, sagte er oft, je n’ai plus eu chaud.“ GStA PK, I. HA, Rep. 96 C, Nr. 10, Bl. 5r. Die gesamte Sammlung findet sich aaO Bl. 1r–13r und datierte vom 26. März 1795. 231 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 29 f Anm. 2. 232 Eine Ausnahme ist neben anderen Johann Georg Sulzer, der bereits vor 1786 Mitglied der Akademie war. Horst Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1763–1815, Deutsche Geschichte 7, Berlin 1994 (1989), 377. Zur Reorganisation der Akademie unter Friedrich Wilhelm II. durch den Minister Ewald Friedrich Graf v. Hertzberg vgl. Adolf Harnack, Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Ausgabe in einem Bande, Berlin 1901, 361–381. 233 Vom 24. Januar 1787 datierte die lateinische Urkunde, die Woellners Aufnahme in die Akademie anzeigte. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 33, Bl. 2. Vom 17. Februar 1787 datierte die Urkunde der Aufnahme Woellners als Ehrenmitglied und Assessor in die „Königliche Preussische Academie der Künste und Mechanischen Wissenschaften“. Da die Akademie „den Zweck hat, richtige Kenntnisse der Kunst in den Königlichen Staten zu verbreiten und Künstler zu bilden, deren Werke der Nation Ehre machen; so liegt ihr ob, solche Männer zu ihren Mitgliedern zu wählen, von deren Kunstfähigkeiten und Kenntnissen sich die Erfüllung dieses Zwecks am sichersten erwarten lässt, und durch deren Einsicht die Academie ihrer Vollkommenheit immer näher gebracht werden könne“. Unterschrieben war die Urkunde von Bernhard Rode als Direktor der Akademie sowie von Daniel Chodowiecki als Rektor und Sekretär sowie fünf Rektoren. AaO Bl. 5.

VII. Das Ende Friedrichs II.

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Nachdem Friedrich II. gestorben war, erlangte Woellner Zugang zu manchen Teilen von dessen Vermächtnis234. Unter dem 21. August 1786 wurde v. Beyer und Woellner durch eine Kabinettsordre befohlen, die königlichen Zimmer auf dem Schloß zu Potsdam, desgleichen in Sanssouci zu entsiegeln und die dort befindlichen Schriften und Kostbarkeiten zu inventarisieren235. Aus Friedrichs II. schriftlicher Hinterlassenschaft zog Woellner einigen finanziellen Profit. Im Frühjahr 1787 kaufte Friedrich Wilhelm II. auf Woellners Bitten von dem früheren Privatsekretär seines Onkels etliche Schriften des verstorbenen Monarchen236. Woellner ließ sich vom König diese und andere amtliche, Friedrich II. betreffende Schriftstücke schenken, die er dann teils an die Berliner Buchhändler Christian Friedrich Voß und Georg Jacob Decker verkaufte, um persönlichen Gewinn zu erzielen, teils aber in eigenem Besitz behielt237. Im Februarstück der „Berlinische[n] Monatsschrift“ 1787 gab Woellner eine kurze Nachricht von den Manuskripten238. 234 Als Friedrich II. bereits sterbenskrank an der Wassersucht gelitten hatte, hatte Woellner am 28. April 1786 einige „Gedancken über eine etwanige neue Einrichtung des Cabinets“ niedergeschrieben. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 9, Bl. 8r–11v. Friedrich II. habe sich die Geschäfte des Kabinetts außerordentlich erschwert und vervielfältigt, weil er in sehr vielen Dingen nicht das Allgemeine, sondern stets das Detail ergriffen habe und beständig Instruktionen habe geben wollen, durch welche die Leute vom Metier „confuse“ gemacht worden und unzählige Anfragen und Einwände ins Kabinett gebracht worden seien. Überdies habe Friedrich II. den Gang der Kabinettsgeschäfte dadurch erschwert, daß er beständig im „Wespen Nest“ der Justiz „herumgestöhret“ habe. AaO Bl. 10v. 235 GStA PK, BPH, Rep. 47, Nr. 1187, Bl. 2r [Abschrift von Woellners Hand]. Der Geheime Kabinettsrat v. Beyer sowie seine beiden Brüder gehörten dem Rosenkreuzerorden an. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 183 f und GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 3, Bl. 5v. Mit Beyer war Woellner auch persönlich verbunden. Am 6. Januar 1793 zum Beispiel schrieb Woellner seiner Ehefrau, daß er nun zu Beyer gehe, um Biersuppe zu essen. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 12, Bl. 105r. Das Zimmer, in dem Friedrich II. gestorben war, wurde nach wenigen Monaten völlig umgestaltet. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 186. Am 25. August 1786 meldeten Woellner und Beyer, daß die Inventur beendet sei. GStA PK, BPH, Rep. 47, Nr. 1187, Bl. 34r. 236 Unter dem 7. Dezember 1830 übergab der Sohn des Privatsekretärs eine französische Liste der Manuskripte, die sein Vater von Friedrich II. zum Geschenk erhalten und Woellner ausgehändigt hatte. GStA PK, I. HA, Rep. 94, IV. L.a. Nr. 6, unpag. Sein Vater hatte Woellner diese Liste – unter anderem Briefe von Voltaire enthaltend – am 10. Februar 1787 ausgehändigt. AaO unpag. 237 Nach dem Tod von Amalie Woellner ging diese Sammlung in den Besitz von Woellners Neffen Peter Ludwig Alexander Johann Friedrich Graf v. Itzenplitz über, der am 24. August 1769 geboren worden war. Er starb 34 Jahre nach Woellner, am 18. September 1834. Am 21. Juni 1815 war er in den Grafenstand erhoben worden. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch, 433 und Genealogisches Handbuch des Adels, hg. vom Deutschen Adelsarchiv e.V., Bd. 84, Adelslexikon Bd. 5, Limburg a.d. Lahn 1984, 475 f. Die nicht mehr vollständige Itzenplitzsche Sammlung findet sich heute in GStA PK, I. HA, Rep. 96 C Sammlung Itzenplitz („Die sogenannte Itzenplitzsche Sammlung“ zur Biographie Friedrichs des Großen), Nr. 10. Dort sind 46 Nummern verzeichnet.

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

VIII. Aufklärerische Kommunikationsformen Zwei Kommunikationsformen hatten für die Berliner Aufklärung maßgebliche Bedeutung: zum einen ein eigener Typ aufgeklärter Vereinigungen wie der Montagsclub und die Mittwochsgesellschaft und zum anderen die führenden Journale der deutschen – und nicht nur preußischen – Aufklärung. 1. Die „Berlinische Monatsschrift“ Am bekanntesten waren die „Berlinische Monatsschrift“, die seit 1783 der Königliche Bibliothekar Johann Erich Biester239 und der Gymnasialdirektor Friedrich Gedike240 herausgaben241, sowie die „Allgemeine deutsche Bibliothek“, die der 32jährige Friedrich Nicolai 1765 gegründet hatte242. Biester, Gedike und Nicolai waren auch Mitglieder des Montagsclubs und der Mittwochsgesellschaft243.

Trotz des theologischen Gegensatzes zu Woellner hielt Wilhelm Abraham Teller 1792 die Traurede für Woellners Neffen. Angela Nüsseler, Dogmatik fürs Volk. Wilhelm Abraham Teller als populärer Aufklärungstheologe, München 1999, 205 Anm. 21. Fälschlich behauptet Nüsseler, daß v. Itzenplitz Woellners Stiefsohn gewesen sei. 238 [Teller,] Denkschrift, 13. Berlinische Monatsschrift, hg. von Friedrich Gedike und Johann Erich Biester, Bd. 9 (1787), 161–165. Diese Ausführungen hatte Woellner bei seiner Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften am 30. November 1786 vorgetragen. Nach Friedrichs II. Tod bekam Woellner auch materialen Anteil an dessen Musikschaffen: Er erbte eine Querflöte des Verstorbenen. Am 27. Mai 1790 dankte Woellner Friedrich Wilhelm II. für das Geschenk, mit dem er ihm „viele Freude“ gemacht habe. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 C, Bl. 6r. Bereits am Vortag hatte Woellner Johann Friedrich Ritz seinen „lebhaftesten Dank“ bekundet, weil dieser sich wegen des Flötengeschenks für ihn verwendet hatte. GStA PK, BPH, Rep. 192, Nl Ritz, Abt. A, Nr. 2275, Bl. 4r. 239 Johann Erich Biester, ein Mann von kleiner, verwachsener Statur (Schwartz, Der erste Kulturkampf, 23 Anm. 2.), war Privatsekretär des Ministers Karl Abraham v. Zedlitz, der sich die klassische Gelehrsamkeit seines Sekretärs auch persönlich zunutze machte, indem er sich in Schriften der griechischen Autoren unterrichten ließ. Adolf Trendelenburg, Friedrich der Große und sein Staatsminister Freiherr v. Zedlitz. Eine Skizze aus dem preußischen Unterrichtswesen (Vortrag, gehalten am 27. Januar 1859 in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin), hg. von Jakob Wychgram, Bielefeld/Leipzig 1927, 16. 240 Nicht nur in mannigfachen Glückwunschschreiben wurde Woellner nach seiner Erhebung zum Etatsminister Ehrerbietung zuteil. Auch durch Widmungen suchte man sich seiner Gunst zu versichern. Gedike widmete Woellner 1789 einen Band seiner Schriften, obwohl er, Gedike, jahrelang Zedlitz’ der Aufklärung verpflichtete schulreformerische Aktivitäten unterstützt hatte und durch dessen Protektion 1784 zum Oberkonsistorialrat berufen worden war. 241 Herbert Schmitt, Friedrich Gedike. Gymnasialdirektor und erster preußischer Oberschulrat im friderizianischen Zeitalter, Phil. Diss. Halle-Wittenberg, Halle 1937, 44 f. 242 Zu Friedrich Nicolai vgl. Kapitel J.V. 243 Zum Teil gehörten die Mitglieder der aufgeklärten Assoziationen zugleich auch Freimaurerlogen an. Möller, Fürstenstaat, 377.

VIII. Aufklärerische Kommunikationsformen

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Nach einer Kabinettsordre vom 19. Oktober 1791 unterlagen dann auch die Monatsschriften dem Religionsedikt vom 9. Juli 1788244. Insonderheit gegen die „Berlinische Monatsschrift“ richtete sich diese Kabinettsordre245. Gegenüber Bischoffwerder klagte Woellner über die „Beschaffenheit der so genannt[en] Aufklärung darann Hr. Gedike und Consorten mit so vielem Fleiße und Mühe arbeiten“246. „Ihr System beruhet darauf daß jemand eine Religion habe [sic] könne welche er wolle, nur müsse er Christum verläugn[en] und von einem Welt Erlöser nichts wissen wollen.“247 Gedikes Aussagen wogen in Woellners Augen um so schwerer, als er Konsistorialrat in Berlin war, also Mitglied eines Kollegiums, das „über die Reinigkeit der protestantische [sic] Religion“ in den Preußischen Staaten „wach[en] und nicht zugeben soll daß bei der unter ihm steh[en]den Geistl[ich]keit Irthümer unter das Volck verbreitet“248 werden. Woellner lehnte Lästerreden gegen die Katholiken ab, gegen die besonders Biester „so giftig ist wie eine Creutz Spinne“249. Am Rand fügte er nachträglich ein: „Gott bewahre uns vor allem Catholicismus u. der geistl[ichen] Tyrannei des Pabstes! Er bewahre uns aber noch vielmehr vor dem ungeistl[ichen] Despotismus“250 von Gedike und Biester. 2. Der Montagsclub und die Mittwochsgesellschaft Zwei Berliner Aufklärungsgesellschaften waren am bedeutendsten251: der Montagsclub sowie die Mittwochsgesellschaft. Der Montagsclub, der immer nur 24 Mitglieder umfaßte, war 1748 gegründet worden. 1781 fand auch Woellner Aufnahme in den Club, zu dem ein Jahr später Wilhelm Abraham Teller stieß. Die Mitglieder durften Gäste einladen, die den gelehrten, kaum politischen, Diskurs belebten252. 244

Vgl. zu der Kabinettsordre vom 19. Oktober 1791 Kapitel J.IV.3. Um der Gunst Woellners bei der Aufnahme in die Akademie nicht verlustig zu gehen, war Gedike Anfang 1791 als Herausgeber der „Berlinische[n] Monatsschrift“ zurückgetreten, während Biester widerständig blieb. 246 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 1, Bl. 28v. 247 Ebd. 248 Ebd. 249 AaO Bl. 28r. 250 Ebd. 251 Eine weitere Aufklärerassoziation bildete zum Beispiel die Feßlersche Lesegesellschaft, die gewisse Ähnlichkeiten mit der Mittwochsgesellschaft hatte und zugleich auch in mehrerlei Weise Formen der später entstehenden Salons vorwegnahm. Möller, Fürstenstaat, 379. 252 Max von Oesfeld, Zur Geschichte des Berliner Montags-Klubs. Ein Beitrag zur preußischen Kulturgeschichte des vorigen Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 16 (1879), 328–352 und Horst Möller, Aufklärung in Preußen. Der Verleger, Publizist und Geschichtsschreiber Friedrich Nicolai, EHKB 15, Berlin 1974, 229 f. Bereits 1792 trat Woellner aus dem Club aus. AaO 230 Anm. 9. 245

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Auch in der Mittwochsgesellschaft, die von 1783 bis 1798 bestand, war die Mitgliederzahl auf 24 Männer beschränkt, deren Namen geheimgehalten wurden. Die Mittwochsgesellschaft war gleichsam eine Gegengründung zum Gold- und Rosenkreuzerorden. Abgesehen von vier Adligen waren alle Mitglieder der Mittwochsgesellschaft bürgerlicher Abstammung. Zu den Mitgliedern zählten unter anderen die Oberkonsistorialräte Johann Samuel Diterich und Teller, die Herausgeber der „Berlinische[n] Monatsschrift“ Gedike und Biester, der Diplomat Christian Wilhelm v. Dohm, die beiden Hauptverfasser des Allgemeinen Landrechts Carl Gottlieb Svarez und Ernst Ferdinand Klein, der Philosoph Moses Mendelssohn sowie der Verleger Friedrich Nicolai. Es war der Gruppe, die sich mittwochs versammelte, an reformerischem Wirken gelegen. Fragen des Staates, der Finanzen und des Rechts bildeten den bevorzugten Gesprächs- und Vortragsstoff 253. Friedrich Wilhelm III. setzte dann der Mittwochsgesellschaft ein Ende: Am 20. Oktober 1798 erließ er ein Gesetz „wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen, welche der allgemeinen Sicherheit nachteilig werden könnten“254. Zunächst behielten die Männer zwar ihre mittwöchlichen Sitzungen noch bei, zwei Jahre später jedoch beschlossen sie die Selbstauflösung der Gesellschaft255.

IX. Der neue König Friedrich Wilhelm II. 1. Die persönlichen Lebensverhältnisse Nach dem Tod Friedrichs des Großen am 17. August 1786 bestieg der bisherige Kronprinz Friedrich Wilhelm als Friedrich Wilhelm II. den preußischen Königsthron. Als am 9. September in Potsdam das Leichenbegängnis des großen Friedrich stattfand, das trotz der vom Verstorbenen noch zu Lebzeiten angeordneten Einfachheit mit königlichem Prunk begangen wurde, achtete man dies als ehrenvolle Geste des neuen Königs256. Dem Neffen Friedrichs II. war bereits früh der Titel des „Prinzen von Preußen“ zugekommen. Da Friedrich der Große keine Kinder hatte, war die Thronfolge zunächst auf seinen 1722 geborenen Bruder August Wilhelm gefallen, der mit Luise Amalie v. Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern verhei253

AaO 230–238. Das Diskussionsverfahren war streng geregelt: Der Vortrag eines Mitglieds zirkulierte in einer verschlossenen Kapsel, bis er mit den Voten der einzelnen Mitglieder – die einen Schlüssel besaßen – zurückkam. Möller, Fürstenstaat, 380. 254 Vgl. zur Entstehung des Edikts GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 27 B, Bl. 1r–13r. 255 von Oesfeld, Geschichte, 351. 256 Philippson, Geschichte, Bd. 1, 100 und Kunisch, Friedrich der Große, 529–539.

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ratet war. Im Siebenjährigen Krieg nahm August Wilhelms Leben jedoch eine tragische, schließlich zum Tod führende Wende. Dreizehnjährig avancierte nun dessen Sohn Friedrich Wilhelm zum unmittelbaren Thronfolger. Mit einem Heiratsarrangement suchte Friedrich II. die Thronfolge zu sichern, denn weder ihm selbst noch seinen Brüdern Heinrich und damals auch Ferdinand waren Söhne geboren worden. Bereits am 14. Juli 1765 vermählte sich der Prinz von Preußen mit der schönen Prinzessin Elisabeth Christine Ulrike v. Braunschweig-Wolfenbüttel, der vierten Tochter des Herzogs Karl v. Braunschweig-Wolfenbüttel257. Doch dieser dynastischen Ehe war kein Glück beschieden. 1769, zwei Jahre nach der Geburt der Tochter Friederike, kam es zur Scheidung258. Wenige Monate nach der Trennung von Elisabeth ging Friedrich Wilhelm am 19. Juli 1769 die Ehe mit der 1751 geborenen Prinzessin Friederike Luise v. Hessen-Darmstadt ein259. Sechs Kinder wurden geboren, doch eheliche Liebe stellte sich nicht ein260. Leichtes Glück dagegen fand Friedrich Wilhelm mit Wilhelmine Encke, deren Vater Johann Elias Encke als Hornist in der Kapelle Friedrichs II. musizierte. Bereits 1767 waren sich der 23jährige und die am 19. Dezember 1753 Geborene begegnet261. Wilhelmine gebar dem Kronprinzen fünf Kinder, von denen freilich nur ein Kind beim Tode des Vaters noch lebte262. Über die rosenkreuzerische Verbindung drängte Woellner auf eine Trennung des Verhältnisses. Als Friedrich Wilhelm schließlich zu Beginn der 1780er Jahre nachgab und eine Scheinehe zwischen Wilhelmine und seinem Kämmerer Johann Friedrich Ritz, der in der königlichen Haus- und Gartenverwaltung

257 Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, I–III (1865, ND 1972), 577–604, hier 590 und Philippson, Geschichte, Bd. 1, 30 sowie Meier, Friedrich Wilhelm II., 56–62. 258 Die in Unfrieden von ihm geschiedene Elisabeth wurde in Stettin eingekerkert. Achtzehn Jahre währte dies Elend. Dann, nach seiner Thronbesteigung, schenkte Friedrich Wilhelm ihr die Freiheit sowie eine Domäne. Elisabeth überlebte ihre Zeitgenossen um ein Weites, war Zeugin der gesamten Regierungszeit Friedrich Wilhelms III. und starb hochbetagt 1840. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 100. 259 AaO 32 und Meier, Friedrich Wilhelm II., 62–64. 260 Barclay, Friedrich Wilhelm II., 179–196, hier 184. 261 Geiger, Berlin, 22 f und Philippson, Geschichte, Bd. 1, 30 f. Zu Wilhelmine Encke vgl. auch Edelgard Abenstein, Die Mätresse des Königs. Gräfin Lichtenau alias Wilhelmine Encke, Berlin 2006 und Meier, Friedrich Wilhelm II., 64–70. Alfred P. Hagemann widmet sich in seiner Studie intensiv dem Kunstengagement der Gräfin Lichtenau. Alfred P. Hagemann, Wilhelmine von Lichtenau (1753–1820). Von der Mätresse zur Mäzenin, Studien zur Kunst 9, Köln u. a. 2007. 262 Diese im Februar 1780 geborene Tochter Friederica Wilhelmine Marianne Diderica hat ihr Vater später zur Gräfin von der Mark erhoben. Meier, Friedrich Wilhelm II., 67. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 32 gibt als Geburtsjahr fälschlich das Jahr 1770 an.

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großen Einfluß hatte263, arrangierte, konnte der Kronprinz des Ordenslobs und der rosenkreuzerischen Heilsvergewisserung gewärtig sein264. Woellner schrieb ihm, daß er mit der „Entfernung des Gegenstandes einer grausamen Leidenschafft“265, die seine unsterbliche Seele in der schrecklichsten Gefahr gefangengehalten habe, nun „den so schweren Stein des Anstosses“266 wider die weitere Führung zu einer höheren Ordensstufe gehoben habe. Innerlich trennte sich Friedrich Wilhelm aber keineswegs von seiner Wilhelmine, die ebenso wie er selbst unter dieser Eheschließung litt267. Als Woellner die fortdauernde Bedeutung dieser Beziehung für Friedrich Wilhelm erkannte, suchte er sich dessen besondere Gunst zu erwerben, indem er sich als Ordensbruder für die Rückkehr der Ritz aussprach. Am 22. April 1783 schrieb Woellner in dieser Sache an Bischoffwerder, den er als „Liebster Bruder“ anredete268. Wilhelmine Ritz wird nicht namentlich genannt, es ist nur 263 AaO 32 und 178. Als Friedrich Wilhelm König wurde, erlangte der Kämmerer Ritz großen Einfluß. Zu seinen Korrespondenzen, zum Beispiel mit dem Hofbuchdrucker Decker, vgl. etwa GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 62, Bl. 5r–77v. Zu Ritz vgl. auch Meier, Friedrich Wilhelm II., 177–181. Nach einer Kabinettsordre vom 11. Mai 1790 erhielt der Geheime Sekretär Ritz für verschiedene Arbeiten im Königlichen Garten am Heiligen See 2.904 Reichstaler, 22 Groschen und 8 Pfennige. GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 659, Bl. 28. 264 GStA PK, BPH, Rep. 48, F II, Nr. 9, Bl. 88r–88v [Abschrift von Woellner selbst]. 265 AaO Bl. 88r [Abschrift von Woellner selbst]. 266 Ebd. 267 Als Wilhelmine 1782 heiratete, schrieb ihr der Kronprinz in einem undatierten Brief: „Hertzens liebe freundin, Wie sehr hat mir nicht Ihr Brief gerühret, ihre unruh zerreißet mein hertz ich bite Ihnen sich die traurige einbildungen aus dem Sin zu schlagen die ihnen so ungegründet beunruhigen[.] laßen Sie sich beste freundin auf alles in der welt von mir beteuren das ich Ihnen gewis auf das zärtlichste liebe, und das mein hertz Sie Ehrt und das ich hierinn mein Leben lang nicht enderen werde, ich schätze Sie über alles auf Erden[.] Sehe ihre heiraht als Eine schikung des allerhöchsten an, zum glük ist mir ihr man so genau bekant das ich sicher bin das er mit seinem willen nichts gegen ihr glük beitragen wird, und kenne sein hertz für gut dieses beruhiget mir, doch ist eine gewise innre ruhe weit vom kalt sin und fühllosichkeit entfernet ia weit entfernet seind diese regungen von meinem hertz, mit einem wort weil Sie mir zu dieser erklärung zwingen so gestehe Ich ihnen den, Das ich meinen verlust in ihrer Person mit aller macht in meinem hertzen empfinde und das ich ihm ohne Christentum nicht ertragen würde, empfangen Sie in diesem gestendnis noch ein Opfer, meines schwachen hertzen, es hat sehr gekempft das letzte mahl das wir uns sahen um mir bei meiner manheit zu erhalten last uns dulden und Got anrufen wir leiden zur ehre seines nahmens Seine gebote zu folgen ist ia der einzige trieb der uns zu diesem schrit gebracht hat last uns alles vertrauen auf ihm setzen auf ihm der uns erschafen hat der uns seine gebote gegeben hat, und der hertzen und nirren prüft und uns durch das nachfolgen seiner gebot dem einzigen weg zur seligkeit, und zu unserem wahren glük gemacht hat, er weis was uns gut ist, und wil unser und jedes menschen glük last uns ihm getreu anrufen er wird uns erhören und uns stärken Getreu ist der ihr ruhet er wirdt es auch thun. sagt der Apostel, Doch ist unsere freundschaft und zu frauen keine sünde und wird Sie schwischen uns bleiben bis an unser ende – Hertzlich freue ich mich Ihnen bald zu sehn […]“. GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 64, unpag. 268 GStA PK, BPH, Rep. 48, F II, Nr. 8, Bd. 1, Bl. 20r–21r. Woellner unterschrieb als Ordensbruder Heliconus: „Sum et maneo Totus Tuus H -----“. AaO Bl. 21r.

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die Rede von der „Person“. Der Kronprinz habe „das Urim und Thummim passiret“269 und sei für bewährt befunden worden. Freundschaft gegen die Mutter seiner Kinder werde der Orden niemals verbieten. „Nein! der Orden ist nicht hart, nicht grausam, er ist liebreich. Freundschafft verbietet er nicht, nur Sünde verbietet er, und Orm: wird mit ihr nicht mehr sündigen, ich stehe Ihnen und den Obern dafür, denn ich glaube ihn nunmehro ganz zu kennen. Trauen Sie es mir zu, der Herr ist fester im Guten als wir glauben, und Gott wird ihn nicht verlassen, weil er gewis etwas Großes mit ihm vorhat.“270 Die Entfernung habe der Kronprinz dem Publikum geschuldet, denn seine Ehre sei beleidigt gewesen. Aber nun habe die Ritz ihre Strafe ausgestanden und könne Pardon erhalten271. Damit das Publikum bei ihrer Rückkehr jedoch nicht denke, „es sei noch alles auf dem alten Fuß“272, solle er sie, besonders am Anfang, weniger sehen und ihr zu erkennen geben, daß er nicht wolle, daß man sie noch für seine Mätresse halte. Bischoffwerder möge „die gute Person“273 wiederkommen lassen, er selbst, Woellner, werde es den Ordensoberen berichten. Einige Jahre später, 1787, starb als kleines Bürschlein von achteinhalb Jahren der gemeinsame Sohn Friedrich Wilhelm Moritz Alexander Graf von der Mark274. Wenige Tage nach dem Todesfall war der König im Garten von Wilhelmine Ritz in Charlottenburg, als plötzlich eine Stimme „Papa, Papa“ rief. Der König und die gemeinsame Tochter Marianne hielten diesen Laut für die Stimme des verstorbenen Alexander, und Wilhelmine vermochte nicht, ihn davon zu überzeugen, daß ein Kind aus der Nachbarschaft diese Worte gerufen haben könnte. Drei Jahre vergingen, dann machte sich Wilhelmine diese Einbildung Friedrich Wilhelms II. zunutze, um ihn fest an sich zu binden. Seit 1790 spiegelte sie dem König Erscheinungen von Alexander vor, die sie in einem kleinen blauen Buch festhielt275. Zu den Grundsätzen der Rosenkreuzer standen diese Ver269

AaO Bl. 20r. Ebd. „Orm:“ ist die Abkürzung von Friedrich Wilhelms Rosenkreuzernamen „Ormesus Magnus“. 271 Ebd. 272 AaO Bl. 20v. 273 Ebd. 274 1788 bis 1789 schuf Johann Gottfried Schadow für diesen Grafen von der Mark ein Grabmal für die Dorotheenstädtische Kirche, das heute seinen Platz in der Alten Nationalgalerie Berlins gefunden hat. Des Todestages Alexanders am 1. August gedachte Friedrich Wilhelm II. auch sieben Jahre später im Lager bei Wohla. Von dort aus schrieb er Wilhelmine Ritz am 2. August 1794, daß er „gantz alleine“ in seinem Zelt zu Mittag gegessen und ungefähr zur Sterbestunde „nach allen kräften mein gebeth“ verrichtet habe. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Fasz. 6, Bl. 38r–39v, hier 39r. 275 Eine Abschrift „des kleinen blauen Buchs welches die Weissagungen enthält“, findet sich GStA PK, Rep. 131, K 159, Nr. 2, Bl. 211r–220r. Am 5. September 1790 bestärkte der Geist 270

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kündigungen in Widerspruch, denn während der Orden unbedingten Gehorsam verlangte, ließ die Gräfin den Geist sagen, daß der König seinem eigenen freien Willen folgen solle. Sie habe, betonte sie viele Jahre später, die Antworten immer in einer Weise eingerichtet, wie sie dem bereits zuvor gefaßten Entschluß des Königs am angemessensten und ihm selbst am beruhigendsten gewesen wären. Einen Mißbrauch in eigennütziger und politischer Hinsicht konnte auch die unter Friedrich Wilhelm III. gegen sie eingerichtete Kommission nicht erkennen276. Mit Hermann Daniel Hermes und Gottlob Friedrich Hillmer pflegte sie keinen Kontakt277. Nicht lange vor seinem Tod adelte der König 1796 schließlich seine Wilhelmine, als sie sich auf einer Italienreise befand, zur Gräfin von Lichtenau278. seinen Vater: „Mein Vater hat bis jezt in seinem Beruf Recht gethan. Wer den Dreieinigen im Geiste anbetet, den verläßt er nicht. Nur muß er das Böse bekämpfen. Nur Kampf bringt Lohn. Freien Willen habt ihr alle.“ AaO Bl. 212r–212v. Im Sommer 1791 erdichtete die Ritz eine konkrete Situation: Am 21. August 1791 um zwölf Uhr vormittags sei sie in die Kirche gekommen. Alles war still. Sie lehnte sich an das eiserne Gitter, das um Alexanders Grab errichtet war, und betete. Dann nahm sie einen Schlüssel, schloß auf, ging auf das Mausoleum zu und stand zehn Minuten still. Auf einmal wies sie eine fremde Stimme an, daß sie die Augen dem Grab zuwenden solle. Die Kirche wurde in blendend helles Licht getaucht. „Die schönsten Töne ließen sich hören und solche Harmonie ist nicht zu beschreiben.“ Am Grab aber war es so finster, daß die Ritz kaum noch etwas sehen konnte. Dann öffnete sich das Grab. Tief unten lag aufgelöst das Kind. Millionen Würmer krochen herum, aber der weiße Atlas sah wie neu aus. Die Ritz imitierte partiell die Somnambule: Wie sie nach Hause gekommen und wie sie dies geschrieben habe, wisse sie nicht, da sie vom Schlaf überfallen worden sei. AaO Bl. 214r–215r. Am 20. April 1794, um neun Uhr morgens am ersten Ostertag, ließ die Ritz den Geist sprechen: „Sage meinem Vater, wann die Zeit kommen wird, da die Weisheit der Welt zur Narheit werden wird, denn wird auch er sehen, wie wunderbar und ganz unbemerkt er geführet werde. Wo die Gottlosen werden nichts gedacht haben, da wird der Fromme sagen, Gott hat es gethan. Gelobt sey der Dreieinige.“ AaO Bl. 217v–218r. 276 Vgl. einen Bericht vom 23. Februar 1798 von v. d. Reck, Lützow, Kircheisen, Ritschel und Beyme. GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 91, Bl. 9r–36v, hier 11r und 13v–15r. Vom König erhielt Wilhelmine neben anderen Häusern das Palais Lichtenau in Potsdam. Barclay, Friedrich Wilhelm II., 179–196, hier 185. 277 Hermes betonte, daß er nur ein einziges Mal bei der Gräfin Lichtenau gewesen sei: „Ich hatte kein interesse an ihrer Bekantschaft“. Dies berichtete er in einem am 5. Februar 1798 mit ihm abgehaltenen Verhör, das im Zusammenhang mit der Untersuchung gegen die Gräfin erfolgte. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 3, Bl. 199r–204r, hier 200v. Auch Hillmer gab für seine eigene Person später an, daß er lediglich ein einziges Mal in kleiner Gesellschaft und ein anderes Mal zusammen mit seiner Frau bei der Gräfin gespeist habe. Dies berichtete er in einem am 6. Februar 1798 mit ihm abgehaltenen Verhör, das im Zusammenhang mit der Untersuchung gegen die Gräfin erfolgte. AaO Bl. 224r–232r, hier 231r. 278 Das 1796 erteilte Adelspatent wurde um zwei Jahre zurückdatiert. So heißt es dann, daß Wilhelmine das Wappen und den Namen Gräfin von Lichtenau am 28. April 1794 nach einem ihr geschenkten Gut in der Neumark (Friedeberg) erhielt. Adelslexicon der preußischen Monarchie, hg. von Leopold Freiherrn von Ledebur, Bd. 2, Berlin [o. J.], 33. Am 25. Januar 1798 sagte die Gräfin Lichtenau aus, daß sie den Grafentitel nur wegen der geplanten Verheiratung ihrer Tochter mit dem Sohn des Lord Bristol erstrebt habe, um – wenn sie die

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Seiner unsteten Lebensweise kam Friedrich Wilhelm II. auch durch zwei morganatische Ehen nach. Diese seltsame Einrichtung der Ehe zur linken Hand wurde später in das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten aufgenommen279. Friedrich Wilhelms Ehen zur linken Hand fanden im Oberkonsistorium ihre Rechtfertigung in dem Hinweis auf Martin Luther und Philipp Melanchthon, die ihrerzeit der morganatischen Ehe des Landgrafen Philipp v. Hessen zugestimmt hatten280. Tochter nach England begleitete – in die Familie introduziert werden zu können. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 3, Bl. 43v. 279 Im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten konsolidierte Carmer – auch im Eherecht – etliche Sonderstellungen des Adels. „Mannspersonen von Adel können mit Weibspersonen aus dem Bauer- oder geringerem Bürgerstande keine Ehe zur rechten Hand schließen.“ (ALR II 1 § 30). Der höhere Bürgerstand war im folgenden Paragraphen definiert: „Zum höhern Bürgerstande werden hier gerechnet, alle öffentliche Beamte, (die geringern Subalternen, deren Kinder in der Regel dem Canton unterworfen sind, ausgenommen;) Gelehrte, Künstler, Kaufleute, Unternehmer erheblicher Fabriken, und diejenigen, welche gleiche Achtung mit diesen in der bürgerlichen Gesellschaft genießen.“ (ALR II 1 § 31). Freilich konnte nach ALR II 1 § 32 das Landesjustizkollegium der Provinz für ungleiche Ehen eines Adligen einen Dispens erteilen, wenn der Ehewillige nachwies, daß drei seiner nächsten Verwandten desselben Namens und Standes einwilligten. Konnte er diese Einwilligung nicht beibringen oder fand sich von Verwandten, die mit den Zustimmenden gleich nahe waren, ein Widerspruch, konnte der Dispens nach ALR II 1 § 33 nur vom Landesherrn erteilt werden. Als Ausweg von diesen restriktiven Regelungen führte das ALR die altrömische Institution des Konkubinats wieder ein und erweiterte die Ehe zur linken Hand, die in der Neuzeit nur in souveränen Fürstenhäusern geschlossen wurde, auf den gesamten Adel. „Ehen zur linken Hand unterscheiden sich von andern Ehen bloß darinn, daß die Frau durch selbige nicht alle Standes- und Familienrechte erlangt, welche die Gesetze einer würklichen Ehefrau beylegen.“ (ALR II 1 § 835). „Dergleichen Ehen sind in der Regel nicht zuläßig; vielmehr erfordern sie allemal, wenn sie statt finden sollen, die unmittelbare Landesherrliche Erlaubniß.“ (ALR II 1 § 836). „Diese Erlaubniß kann nur von Mannspersonen höhern Standes, in außerordentlichen Fällen, und aus erheblichen Gründen nachgesucht werden.“ (ALR II 1 § 837). Zu den erheblichen Gründen gehörte insbesondere der Fall, in dem der Mann nicht ein ausreichendes Vermögen oder genügend Einkünfte besaß, um eine Frau und eine Familie standesgemäß zu versorgen. Vgl. ALR II 1 § 838. Die Schließung einer Ehe zur linken Hand setzte einen schriftlichen Kontrakt voraus (ALR II 1 § 846), den die Ehewilligen beim Landesjustizkollegium der Provinz zur Bestätigung vorlegen (ALR II 1 § 858) und zu dem sie sich vor dem Gericht persönlich bekennen mußten; durch Handschlag mußten sie geloben, am Kontrakt festzuhalten (ALR II 1 § 859). In seiner 1784 für den damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm geschriebenen „Abhandlung von der Bevölckerung der Preuß[ischen] Staaten, vornehmlich der Marck Brandenburg“ hatte auch Woellner – um sich die Gunst des Kronprinzen zu sichern – die Meinung vertreten, daß eine Ehe zur linken Hand vor Gott und den Menschen erlaubt sei. Woellner verwies auf Carmer, der dem Vernehmen nach willens sei, diesen Gedanken seinem neuen Gesetzbuch einzuverleiben. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 2, Bl. 4r–80v, hier 80r. 280 Ein Gutachten des Oberkonsistoriums freilich wurde nicht eingefordert. Paul Schwartz, Der Geisterspuk um Friedrich Wilhelm II., in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 47, Heft 2 (1930), 45–60, 58 f. Schwartz korrigiert hier sich selbst. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 111 f Anm. 2. Zu der Doppelehe Philipps von Hessen vgl. Stephan Buchholz,

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Die erste Ehe zur linken Hand, die der Hofprediger Johann Friedrich Zöllner im Mai 1787 vollzog, ging der König mit der 1783 nach Berlin gekommenen Julie v. Voß ein, die später zur Gräfin Ingenheim wurde. Nachdem Julie am 25. März 1789 an der Schwindsucht gestorben war, verehelichte sich Friedrich Wilhelm II. im April 1790 morganatisch mit Sophie Gräfin Dönhoff. Wieder zeigte sich Zöllner willfährig, den Trauakt zu vollziehen281. Ein Sohn und eine Tochter gingen aus dieser Ehe hervor282, die bereits 1792 wieder getrennt wurde283. 42 Jahre lang führte die Gräfin dann ein Leben in Zurückgezogenheit, bis sie 1834 schließlich starb284. 2. Die Außenpolitik Außenpolitisch mußte sich Friedrich Wilhelm II. in schwierigen Zeitläuften bewegen285. Am 27. Juli 1790 unterzeichneten Preußen und Österreich, das nach dem Tod Josephs II. seit 1790 von Leopold II. regiert wurde, die Konvention von Reichenbach. In den folgenden Jahren kam es zu einer „allerdings eher mißmutig betriebenen Kooperation“286 zwischen Österreich und Preußen. Zunächst scheute Friedrich Wilhelm II. eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem revolutionären Frankreich. Schließlich veranlaßte ihn vor allem das Wirken der französischen Émigrés, mit Österreich am 27. August 1791 die Pillnitzer Erklärung zu unterschreiben. Wenig später verlor Ewald Friedrich

Recht, Religion und Ehe. Orientierungswandel und gelehrte Kontroversen im Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert, Ius commune. Sonderhefte 36, Frankfurt a. M. 1988, 382–386. 281 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 111 f sowie Meier, Friedrich Wilhelm II., 70–74. Es war nicht der Hofprediger Sack, der die Trauung vornahm. Gegen Manfred Heinemann, Schule im Vorfeld der Verwaltung. Die Entwicklung der preußischen Unterrichtsverwaltung von 1771–1800, SWGB 8, Göttingen 1974, 256. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 180 f gibt als Todesjahr der Gräfin Ingenheim fälschlich das Jahr 1788 an. 282 Der Sohn Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg war später von 1848 bis 1859 preußischer Ministerpräsident. 283 Philippson, Geschichte, Bd. 2, 148 und Barclay, Friedrich Wilhelm II., 179–196, hier 185. 284 Philippson, Geschichte, Bd. 2, 148. 285 Zur Außenpolitik Friedrich Wilhelms II. vgl. Philippson, Geschichte, Bd. 2, 1–12 und 93–144. Vgl. ferner Barclay, Friedrich Wilhelm II., 179–196. Vgl. auch Bringmann, Preußen, 261–688. Vgl. außerdem Wolfgang Neugebauer, Die Hohenzollern, Bd. 2 Dynastie im säkularen Wandel. Von 1740 bis in das 20. Jahrhundert, Stuttgart 2003, 63–69. Vgl. ferner Meier, Friedrich Wilhelm II., 108–120. Vgl. jüngst auch Peter Baumgart, Preußische Außenpolitik vor 1806 und ihre finanziellen Dimensionen, in: Kloosterhuis, Jürgen/ Neugebauer, Wolfgang (Hg.), Krise, Reformen – und Finanzen. Preußen vor und nach der Katastrophe von 1806, FBPG NF, Beiheft 9, Berlin 2008, 91–117. 2004 hat Kittstein eine in mancher Hinsicht eigenwillige Darstellung vorgelegt. Lothar Kittstein, Politik im Zeitalter der Revolution. Untersuchungen zur preußischen Staatlichkeit 1792–1807, Stuttgart 2003. 286 Barclay, Friedrich Wilhelm II., 179–196, hier 191.

IX. Der neue König Friedrich Wilhelm II.

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Graf v. Hertzberg zugunsten von Hans Rudolf v. Bischoffwerder seinen Einfluß in der Außenpolitik. Nachdem Preußen und Österreich im Februar 1792 ein formelles Bündnis eingegangen waren, erklärte ihnen Frankreich im April den Krieg. Bereits im September 1792 erlitten die beiden mitteleuropäischen Großmächte eine erhebliche Niederlage bei Valmy. Das Jahresende 1792 und der Jahresbeginn 1793 waren von weiteren Niederlagen bestimmt. Nachdem dann im März 1793 der Reichskrieg gegen Frankreich erklärt worden war, konnten preußische Truppen ein französisches Heer in Mainz einkesseln. Dort kapitulierten die Franzosen am 23. Juli 1793. Friedrich Wilhelm II. zog oft auch persönlich ins Feld. Sowohl an den Kampfhandlungen im Sommer und im Herbst 1792 als auch an der Belagerung von Mainz war er beteiligt. Im September 1793 errang Preußen einen Sieg bei Pirmasens, und Ende November siegten die preußischen Truppen bei Kaiserslautern. Nach dem Sieg bei Pirmasens kehrte der von den Strapazen des Krieges gezeichnete König zurück nach Berlin. Trotz großer britischer Subventionszahlungen verschlang der Krieg immense Geldmengen. Am 5. April 1795 schloß Preußen dann im Baseler Frieden mit Frankreich einen Separatfrieden und trat aus der Koalition mit Österreich aus. Zwischen Polen und Preußen kam es am 29. März 1790 für kurze Zeit zu einem Bündnis, dem freilich, nachdem sich Friedrich Wilhelm II. in der Reichenbacher Konvention neue Bündnisoptionen eröffnet hatten, keine stabile Zukunft beschieden war. Durch die zweite polnische Teilung verleibte sich Preußen 1793 dann Danzig, Thorn sowie weitere große Gebiete Polens ein. Als der von Tadeusz Kosciuszko geleitete Revolutionskrieg neue kriegerische Unternehmungen Preußens hervorrief, nahm Friedrich Wilhelm II. auch an diesen persönlich teil. Am 6. September 1794 hob er nach einer schwankenden Kriegsführung287 die Belagerung Warschaus auf, weil er fürchtete, von den Aufständischen umringt zu werden. Innerlich und äußerlich erschöpft kehrte der König, der sich von den Ereignissen der Jahre 1793 und 1794 nie mehr erholte, nach Berlin zurück288. Schließlich schlug Rußland den polnischen Aufstand nieder. 287 Am 19. Mai 1794 schrieb der König an Wilhelmine Ritz: „Die Gefahren des krieges machen mir nicht mis muthig, aber die ungewisheit, die schwirigkeit einen guten entschlus zu trefen machen mir viel kumer, und der ekel für den lande und denen leuten wo ich bin machet mir recht unglüklich“. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Fasz. 6, Bl. 4r–7v, hier 7r. Und am 9. August klagte er aus dem Feldlager vor Warschau: „ich Bin so traurig über die elende lebens art“. AaO Bl. 42r–43r, hier 43r. Am 14. September bekannte er gegenüber Wilhelmine, daß er „aus vielen gründen“ stets an der Einnahme Warschaus gezweifelt habe. AaO Bl. 47r–48v, hier 48r. 288 Philippson, Geschichte, Bd. 2, 149. Am 21. November 1794 formulierte Friedrich Wilhelm II. in einem Brief an Wilhelmine Ritz: „mit meiner guten gesundheit ist es vorbei

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

Wenige Monate nach der Unterzeichnung des Baseler Friedens folgte die dritte Teilung Polens, an der Preußen wiederum beteiligt war und durch die es litauische Gebiete sowie Gebiete um Warschau erwarb. In außenpolitischen Fragen hatte Woellner keinen Einfluß auf den König289. Woellner verfügte also keineswegs über umfassende Machtmöglichkeiten.

X. Der Aufstieg an die Spitze des Geistlichen Departements 1. Die Bevölkerungsstruktur in Deutschland und Preußen Im Deutschland des 18. Jahrhunderts war die Bevölkerung mehrheitlich katholisch. 1792 lebten im Alten Reich etwa 16 Millionen Katholiken, die sich vor allem im südlichen Deutschland, einschließlich Österreich, konzentrierten, sowie zehn Millionen Lutheraner, die zumal im nördlichen Deutschland wohnten, und zwei Millionen Reformierte, die vor allem am Rhein, in Hessen, Westfalen, Brandenburg und Anhalt sowie in einzelnen Hugenottenstädten wie zum Beispiel Erlangen lebten. Insgesamt waren in Deutschland mehr als 200.000 Juden ansässig, von denen allein in den deutschen Erblanden Habsburgs etwa 80.000 wohnten. In manchen Städten, zum Beispiel in Augsburg und Osnabrück, erhielten Juden kein Wohnrecht; in anderen Städten dagegen, vor allem in Prag, Frankfurt am Main, Fürth, Wien, Hamburg und dem preußischen Berlin, existierten größere jüdische Gemeinden, die in Ghettos lebten. Die Böhmische Brüdergemeine umfaßte etwa 25.000 Angehörige290. In den Preußischen Staaten stellte sich die konfessionelle Aufteilung anders dar. 1740 zählten die Preußischen Staaten 2,3 Millionen Einwohner. Davon waren zwei Millionen – also etwa 90 Prozent – Lutheraner, 166.000 – etwa sieben Prozent – Katholiken sowie 79.000 – nur etwa ein Prozent – Reformierte291. Nachdem Friedrich II. Schlesien erobert hatte, stieg die Einwohnerzahl auf 3.479.649. Durch die verheerenden Folgen des Siebenjährigen Krieges vergrößerte sich die Zahl bis 1764 nur auf 3.616.178. Bereits 1789 lebten dann in

zeit dem ich in Pohlen gewesen“. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Fasz. 6, Bl. 54r–54v, hier 54r. 289 Vgl. Kapitel L.X. 290 Die obigen Zahlen beziehen sich auf zeitgenössische Schätzungen. Vgl. Möller, Fürstenstaat, 335. 291 Hans-Wolfgang Strätz, Das staatskirchenrechtliche System des preußischen Allgemeinen Landrechts, in: Civitas. Jahrbuch für Sozialwissenschaften 11 (1972), 156–183, 161 Anm. 32.

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Preußen 5.668.294 Einwohner, und um 1800 konnten 6.220.951 Menschen gezählt werden292. 2. Die obere Kirchenverwaltung a) Das Geistliche Departement Seit der Reformation bemühten sich die brandenburgischen Kurfürsten, das lutherische Kirchenwesen in Abhängigkeit vom Staat zu halten293. Im 17. Jahrhundert wandelte sich dann das Verhältnis von Kirche und Staat in Brandenburg-Preußen. Die absolutistischen Staatsinteressen ließen den Kirchenfragen nur noch Raum neben den Fragen der Außen-, Militär-, Finanz- und Ständepolitik. In der staatskirchenrechtlichen Theorie fand die neue Verhältnisbestimmung Niederschlag im Territorialsystem, welches das Episkopalsystem ablöste294. An der Schwelle vom 17. zum 18. Jahrhundert wurden 1692 das Feldkonsistorium, 1694 das französisch-reformierte Oberkonsistorium und 1713 das deutsch-reformierte Kirchendirektorium gegründet. Das Geistliche Departement, dessen Bildung in den Jahren von 1730 bis 1736 abgeschlossen wurde295, war eine Abteilung des Justizdepartements. Es wurde von zweien der Justizminister gebildet, von denen der eine der Chef des geistlichen Spezialdepartements für lutherische und katholische Angelegenheiten und der andere der Chef des geistlichen Spezialdepartements für reformierte Angelegenheiten war. Der Chef des geistlichen Spezialdepartements für lutherische und katholische Angelegenheiten stand den lutherischen Oberkonsistorien296 und der Chef des geistlichen Spezialdepartements für reformierte Angelegenheiten dem deutsch-reformierten Kirchendirektorium in Berlin sowie dem französisch-reformierten Oberkonsistorium vor297. 292 Möller, Fürstenstaat, 79 f. Vgl. auch Otto Behre, Geschichte der Statistik in Brandenburg-Preussen bis zur Gründung des Königlichen Statistischen Bureaus, Berlin 1905. 293 Heinrich von Mühler, Geschichte der evangelischen Kirchenverfassung in der Mark Brandenburg, Weimar 1846, 28–98. 294 Martin Lackner, Die Kirchenpolitik des Großen Kurfürsten, UKG 8, Witten 1973, 90–107. 295 Zur komplizierten Gründungsgeschichte des Geistlichen Departements vgl. Wolfgang Neugebauer, Absolutistischer Staat und Schulwirklichkeit in Brandenburg-Preußen. Mit einer Einführung von Otto Büsch, VHK 62, Berlin/New York 1985, 80–102. 296 Zu den lutherischen Oberkonsistorien zählten das Berliner Oberkonsistorium sowie die schlesischen Oberkonsistorien zu Glogau, Breslau und Brieg. Zu den schlesischen Oberkonsistorien vgl. Paul Schoen, Das evangelische Kirchenrecht in Preußen, Bd. 1, Berlin 1903 (ND 1967), 36. 297 Adolf Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung dargestellt im Wirken seiner Landesfürsten und obersten Justizbeamten, Bd. 2, Berlin 1888, 298. Zu den Französisch-Reformierten vgl. auch Schoen, Kirchenrecht, Bd. 1, 20–22.

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Am 17. Juni 1764 wurde der Justizminister Ernst Friedemann Freiherr v. Münchhausen Chef des lutherischen Spezialdepartements298, der dieses Amt am 18. Januar 1771 an Karl Abraham Freiherr v. Zedlitz und Leipe übergab299. Seit 1771 war Wolfgang Ferdinand Freiherr v. Dörnberg Chef des reformierten Spezialdepartements. Am 2. Dezember 1793 folgte ihm Friedrich Wilhelm v. Thulemeyer300. b) Das Berliner Oberkonsistorium Das Berliner Oberkonsistorium wurde am 4. Oktober 1750 gegründet301. In dem alten, bis 1750 bestehenden und auf die Kurmark beschränkten Konsistorium waren nur drei geistliche Räte bestallt gewesen, nämlich ein reformierter Hofprediger und die beiden Berliner Pröpste. Bei der Errichtung des für ganz Preußen zuständigen Oberkonsistoriums, dem die Konsistorien der Provinzen unterstellt waren und das für die Kurmark zugleich als Provinzialkonsistorium agierte, kamen Johann Julius Hecker und Nathanael Baumgarten noch als weitere geistliche Räte hinzu302, so daß nun August Friedrich Wilhelm Sack, Johann Peter Süßmilch, Johann Ulrich Christian Köppen, Hecker und 298 Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, IV–V (1865, ND 1972), 746–774, hier 748. Der am 19. September 1724 geborene Ernst Friedemann v. Münchhausen wurde 1750 Kanzler der Neumärkischen Regierung. Am 19. September 1763 stieg er zum Geheimen Staats- und Justizminister und am 31. Oktober zum ersten Präsidenten des Kammergerichts auf. Am 17. Juni 1764 erhielt er gegen Abtretung des ersten Präsidiums beim Kammergericht das Geistliche Departement in lutherischen Kirchen- und Schulsachen, die Stifte und Klöster, auch alle die katholische Geistlichkeit angehenden Sachen und das Präsidium des lutherischen Oberkonsistoriums. Unter dem 18. November 1770 erhielt er das Lehns- und Vasallendepartement nebst dem Kuratorium aller königlichen Universitäten. Münchhausen starb am 30. November 1784. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 31, Bl. 31v. 299 Der Schlesier Karl Abraham Freiherr v. Zedlitz und Leipe kam am 4. Januar 1731 auf dem Gutsschloß Schwarzwaldau bei Landeshut zur Welt. Peter Mainka, Karl Abraham von Zedlitz und Leipe (1731–1793). Ein schlesischer Adliger in Diensten Friedrichs II. und Friedrich Wilhelms II. von Preußen, Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 8, Berlin 1995, 38. Zu Beginn des Jahres 1771 wurden Zedlitz die Leitung des Geistlichen Departements in lutherischen Kirchen- und Schulsachen und alle die Stifter und Klöster und auch die katholische Geistlichkeit angehenden Sachen sowie das Präsidium des lutherischen Oberkonsistoriums übertragen. Diese Angaben finden sich in einem von dem Kriegsrat und Geheimen Archivar Johann Daniel Kluge 1791 zusammengetragenen Verzeichnis Geheimer Etats- und Kriegsräte. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 31, Bl. 34r–35r. Zum Leben und Wirken v. Zedlitz’ vgl. im Ganzen Mainka, von Zedlitz und Leipe. 300 Johannes Tradt, Der Religionsprozeß gegen den Zopfschulzen (1791–1799). Ein Beitrag zur protestantischen Lehrpflicht und Lehrzucht in Brandenburg-Preußen gegen Ende des 18. Jahrhunderts, Rechtshistorische Reihe 158, Frankfurt a. M. u. a. 1997, 334. 301 Neugebauer, Absolutistischer Staat, 96. 302 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta betr. die Bestallungen der Geistlichen Räthe des Ober-Consistorii), unpag.

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Baumgarten zu den geistlichen Räten zählten. Als 1762 Baumgarten starb, kam Christian Friedrich Sadewasser an seine Stelle. 1763 starb Köppen, dem Johann Joachim Spalding nachfolgte303. Nach Süßmilchs Tod stieß 1767 Wilhelm Abraham Teller zum Oberkonsistorium304. Nur die schlesischen Konsistorien unterstanden nicht dem Berliner Oberkonsistorium, sondern unmittelbar dem geistlichen Spezialdepartement für lutherische und katholische Angelegenheiten305. Als Friedrich Wilhelm II. den Thron bestieg, setzte sich das Oberkonsistorium aus inzwischen fünf weltlichen und sechs geistlichen Mitgliedern zusammen. Die weltlichen Räte waren Thomas Philipp v. d. Hagen, der zugleich als Präsident fungierte, Carl Franz v. Irwing, Joachim Friedrich v. Lamprecht, Johann Christoph Nagel sowie Friedrich Gedike, und als geistliche Räte wirkten Spalding, Anton Friedrich Büsching, Teller, Johann Esaias Silberschlag, Johann Samuel Diterich und Friedrich Samuel Gottfried Sack. Die Aufteilung in eine weltliche und eine geistliche Bank richtete sich nach dem Beispiel des Reichsfürstenrates in Regensburg. Während der Sitzungen des Oberkonsistoriums, das am Donnerstagvormittag im Kollegienhaus in der Friedrichstadt tagte306, saßen rechts vom Chefpräsidenten – dem Chef des geistlichen Spezialdepartements für lutherische und katholische Angelegenheiten – die geistlichen Räte und links von ihm der Präsident sowie die weltlichen Räte307. Die Begabung einiger Geistlicher Oberkonsistorialräte freilich taugte weniger für die Theologie als für andere Fachgebiete: Silberschlag308 war ein exzellenter 303 Das Amt eines Oberkonsistorialrats brachte keine Reichtümer ein. Unter dem 27. Oktober 1763 wurde bestätigt, daß Spalding, Propst zu Barth in Schwedisch-Pommern, wegen der erhaltenen Bestallung als Oberkonsistorialrat mit einhundert Reichstalern jährlicher Besoldung die verordneten Gebühren entrichtet hatte. AaO (Acta betr. die Bestallungen der Geistlichen Räthe des Ober-Consistorii), unpag. 304 AaO (Acta betr. die Bestallungen der Geistlichen Räthe des Ober-Consistorii), unpag. 305 Tradt, Der Religionsprozeß, 336 und 340. 306 Schmitt, Gedike, 47 Anm. 159. 307 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 21 Anm. 1. 308 Johann Esaias Silberschlag war am 16. November 1716 in Aschersleben geboren worden. Er starb 1791 in Berlin. Nach dem Tod seines Vaters, der als Arzt in Johann Esaias bereits früh naturwissenschaftliche Interessen geweckt hatte, bezog der Sohn die unter der Leitung des gemäßigt pietistischen Abtes Steinmetz stehende Schule des Klosters Berge bei Magdeburg. Die in dieser Schule gepflegte Gesinnung bewirkte, daß Silberschlag von seinem Wunsch, Arzt zu werden, abließ und auf der Hallenser Universität das Studium der Theologie aufnahm. Den Naturwissenschaften blieb er freilich zeitlebens verbunden. 1745 erhielt Silberschlag eine Stelle als Lehrer hauptsächlich naturwissenschaftlicher Fächer in seiner alten Schule. Physisch und geistig ermattet übernahm er 1753 in Wolmirsleben bei Magdeburg ein Landpfarramt. Rasch erwarb er sich Ruhm als Prediger, so daß er 1756 eine Stadtpredigerstelle in Magdeburg erhielt. In den folgenden Jahren – während des Siebenjährigen Krieges – hielt sich dort zeitweise der geflüchtete preußische Hof auf, so daß Silberschlag mit hohen Persönlichkeiten in Kontakt kam. Der Oberhofprediger August Friedrich Wilhelm Sack wohnte in Silberschlags Haus. Nachdem der Oberkonsistorialrat Hecker, der die Berliner Realschule gegründet hatte,

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Amateur im Schiffsbauwesen, Johann Friedrich Zöllner verfaßte nationalökonomisch-naturwissenschaftliche Schriften, Gedike glänzte als Schulmann sowie Philologe, und Büsching309 erwarb sich als Geograph und Statistiker Meriten310. c) Die Bestallungen der geistlichen Räte des Oberkonsistoriums Johann Joachim Spalding war Oberkonsistorialrat und Propst in Berlin. Als Berliner Propst hatte er zugleich das Amt des ersten Pfarrers an der Nicolaiund Marienkirche inne311. Am 12. Dezember 1769 bat Spalding Friedrich II., da seine Kräfte merklich abzunehmen begannen, um eine Befreiung von einem Teil seiner Amtsgeschäfte312. Er wünschte, dem vierten Prediger der Berliner Nicolaikirche, Augustin, die Qualität eines adjungierten Inspektors der Berlinischen Landdiözese beizulegen313. Dann könne er „auf die längere oder kürzere Dauer meines noch übrigen Lebens“ sowohl in den anderen Bereichen gestorben war, wurde Silberschlag 1769 als Oberkonsistorialrat und Direktor der Realschule sowie als Prediger an der Dreifaltigkeitskirche nach Berlin berufen. 1784 zog er sich von der Leitung der Realschule zurück. Bereits zu Beginn seiner Berliner Zeit hatte ihn Friedrich der Große – beeindruckt von dessen naturwissenschaftlichen Tätigkeiten – in das Oberbaudepartement berufen, wo Silberschlag sich mit Maschinenwesen und Wasserbau beschäftigte. Als im Frühjahr 1784 am Niederrhein mehr als hundert Deiche brachen und 14 Städte sowie 84 Dörfer überflutet wurden, leistete Silberschlag unentbehrliche Hilfe. Vertiefenden Studien in der wissenschaftlichen Theologie konnte und wollte er sich in diesen arbeitslastigen Jahren nicht widmen. Paul Tschackert, Art. Silberschlag, Johann Esaias, in: ADB 34 (1892, ND 1971), 314–316. 309 Anton Friedrich Büsching wurde am 27. September 1724 im Schaumburg-Lippeschen Stadthagen geboren. Er starb in Berlin am 28. Mai 1793. Nach dem Studium der Theologie in Halle ging er 1749 als Privaterzieher nach St. Petersburg. Mit seinem Zögling kehrte er schon bald nach Deutschland zurück. Er wurde Professor der Theologie in Göttingen, dann Pfarrer der lutherischen Gemeinde in Petersburg. 1765 wirkte er in Altona, wurde aber bereits 1767 als Oberkonsistorialrat und Direktor des Grauen Klosters nach Berlin berufen. Büsching veröffentlichte weit über hundert Schriften zu kunsthistorischen, theologischen, pädagogischen und zumal geographischen Themen. Seine „Neue Erdbeschreibung“, die 1754 zu erscheinen begann, wirkte richtungsweisend. Julius Löwenberg, Art. Büsching, Anton Friedrich, in: ADB 3 (1876, ND 1967), 644 f. Nach dem Tod seiner ersten Frau verheiratete sich Büsching mit der Tochter des schon 1741 verstorbenen Propstes Johann Gustav Reinbeck. Wilhelm Michel, Art. Büsching, Anton Friedrich, in: NDB 3 (1957), 3 f. 310 Philippson, Geschichte, Bd. 1, 197. 311 Zu Spaldings Biographie vgl. Joseph Schollmeier, Johann Joachim Spalding. Ein Beitrag zur Theologie der Aufklärung, Gütersloh 1967, 13–38. Zu seinem Leben und theologischen Schaffen vgl. Albrecht Beutel, Johann Joachim Spalding. Populartheologie und Kirchenreform im Zeitalter der Aufklärung, in: Walter, Peter/Jung, Martin H. (Hg.), Theologen des 17. und 18. Jahrhunderts. Konfessionelles Zeitalter – Pietismus – Aufklärung, Darmstadt 2003, 226–243 und Ders., Art. Spalding, Johann Joachim, in: RGG4 7 (2004), 1534 f. 312 GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 25, Bl. 2r–3r. 313 Ebd. Er werde sich mit Augustin aus seinen eigenen Einkünften über ein gewisses Entgelt einigen. AaO Bl. 3r.

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seines Amtes „als auch sonst vielleicht, so viel thätiger und nützlicher“314 sein. Unter dem 19. Dezember gewährte der König Spalding dessen Bitte315. Als Spalding nach dem Erlaß des Religionsedikts vom 9. Juli 1788 um seine Entlassung als Propst gebeten hatte, erging unter dem 10. August eine Kabinettsordre Friedrich Wilhelms II. an Woellner wegen Spaldings Emeritierung316. Er, der König, wolle „dem bejahrtem so sehr verdienten“ Propst in dessen Gesuch nicht entgegenstehen. Als Nachfolger war Johann Friedrich Zöllner bestimmt317. Unter dem 6. September 1766 hatte Münchhausen Friedrich dem Großen mitgeteilt, daß der besonders durch seine geographischen Schriften bekannt gewordene Anton Friedrich Büsching bereit sei, die Leitung des Berliner Kombinierten Gymnasiums zu übernehmen, wenn der König ihn beim Berliner Oberkonsistorium als Rat ansetzen würde. Zunächst sollte Büsching keine Besoldung erhalten. Münchhausen lobte den Gelehrten nachdrücklich: Büsching habe durch die Einrichtung der unter seiner Aufsicht bei der Petrikirche im russischen St. Petersburg angelegten großen Schulen derart viele gute Kenntnisse der öffentlichen Erziehungsanstalten gezeigt, daß er zweifellos „mit guten Nutzen“ arbeiten werde318. Am 23. Juli 1767 antwortete Münchhausen dem König, der ihm befohlen hatte, für die Stelle des verstorbenen Oberkonsistorialrats Johann Peter Süßmilch einen „rechtschafnen Mann, der schon einigen Ruf in der Welt habe“, 314 Daß er sich zum Besten seiner Familie noch eine Zeitlang erhalten wolle, dürfe hier, betonte Spalding pflichtgetreu, kein Gewicht haben. Ebd. 315 An das Kurmärkische Oberkonsistorium erging eine Resolution, daß Spalding von den Inspektionsverrichtungen dispensiert werde. AaO Bl. 4r. 316 GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 26, Bl. 43r. 317 Woellner notierte auf dem Blatt, daß das Nötige ausgeführt werden und für Spalding eine Abschrift der Kabinettsordre beigefügt werden solle. Bereits am 14. April 1787 hatte Zöllner in einer von Woellner verfaßten Kabinettsordre die Zusicherung erhalten, daß ihm die erste vakant werdende Propststelle in Berlin „ohnfehlbar“ übertragen werden würde. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde ihm mit derselben Kabinettsordre eine jährliche Zulage von 300 Reichstalern zugebilligt. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 1, Bl. 29r. Diese Gehaltszulage floß aus der Dispositionskasse. In der Ausgabenliste der Dispositionskasse war verzeichnet, daß Zöllner dieses Geld erhalten solle, „bis er Probst wird“. GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 657, Bl. 6 und GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 658, Bl. 9 und GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 659, Bl. 9 und GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 660, Bl. 10. 318 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta betr. die Bestallungen der Geistlichen Räthe des Ober-Consistorii), unpag. Am 30. Mai 1793 zeigte das Oberkonsistorium dem König an, daß Büsching am 28. April verstorben war. Es werde dadurch eigentlich keine Ratsstelle frei, wohl aber eine Besoldung von 300 Reichstalern erledigt, von der – nach Ablauf des der Witwe zukommenden Gnadenquartals – nunmehr der Geheime Oberjustizrat v. Lamprecht 200 Reichstaler und der Oberkonsistorialrat Gedike 100 Reichstaler erhielten. Der König stimmte am 10. Juni 1793 zu. AaO (Acta betr. die Bestallungen der Geistlichen Räthe des Ober-Consistorii), unpag.

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vorzuschlagen319. Diese Eigenschaften fänden sich bei dem Generalsuperintendenten und Helmstedter Professor Wilhelm Abraham Teller. Er werde einstimmig zu den gelehrtesten lebenden lutherischen Theologen gezählt. Überdies zeichne er sich durch einen „gründlichen Vortrag auf der Canzel“ und einen untadelhaften Lebenswandel aus. Ansonsten sei der Archidiakon bei der Berliner Marienkirche Johann Samuel Diterich zwar wegen seiner unzweifelhaften Rechtschaffenheit und seines „erbaulichen Vortrages“ bei der Gemeinde beliebt, auch verdiene er wegen seiner moderaten Denkungsart zur Direktion der geistlichen Geschäfte herangezogen zu werden, unter den Gelehrten freilich habe er sich keinen Ruf erworben. Bereits unter dem 24. Juli wurde Teller dann zum Propst von St. Petri320 und Inspektor in Cölln berufen321. Der Prediger Teller vermochte nur wenige Hörer in der Kirche zu versammeln, da sein sächsischer Dialekt in Berliner Ohren allzu fremd klang322. Am 12. Juli 1768 wandte sich Münchhausen wiederum wegen einer Amtsnachfolge an den König323. Da bei der Besetzung der von dem verstorbenen Oberkonsistorialrat Hecker verwalteten Ämter besonders auf die Realschule und deren Direktion zu achten gewesen war, habe er „keinen tüchtigern Mann dazu zu finden gewußt“ als den Prediger Johann Esaias Silberschlag aus Magdeburg. Durch seine besondere Stärke in mathematischen und mechanischen 319

Zu Wilhelm Abraham Teller aus systematisch-theologischer Perspektive vgl. Nüsseler, Dogmatik. AaO 19–30 findet sich eine biographische Skizze. 320 Die Ruine der Petrikirche wurde 1960 abgetragen. 321 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta betr. die Bestallungen der Geistlichen Räthe des Ober-Consistorii), unpag. Insgesamt gab es in Berlin zwei Propststellen. Die angesehenere Stelle, die Johann Joachim Spalding innehatte, war an St. Nicolai gebunden, die andere, an St. Petri gebundene Stelle befand sich in dem ursprünglich selbständigen und dann mit dem alten Berlin zusammengewachsenen Cölln. Schollmeier, Spalding, 25 Anm. 22. 322 „Selbst seine Lobredner gestanden zu, daß seine Aussprache ziehend, gezerrt, dehnend und etwas unangenehm war; angenehmer wurde sie auch nicht dadurch, daß er Wörter verschluckte und Silben zerstückte. Wer ihn verstehen wollte, der mußte gespannt aufmerken. Das aber zu tun, ist nicht die Art der großen Masse der Kirchenbesucher, und deshalb war die Gemeinde seiner Zuhörer nur klein, aber auserwählt.“ Schwartz, Der erste Kulturkampf, 26. 323 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta betr. die Bestallungen der Geistlichen Räthe des Ober-Consistorii), unpag. Münchhausen rief Silberschlag nach Berlin, obwohl dieser „ein Pietist“ war. Münchhausen glaubte, daß er wegen der „vielen Pietisten“ unter den Predigern im Lande wenigstens einen von dieser Denkungsart im Kollegium behalten müsse, um durch ihn diesen Menschen die Verfügungen in Kirchensachen leichter faßlich und annehmlich zu machen. Zugleich aber wollte er der Heckerschen Realschule in diesem Mann einen Direktor geben, der sie ihrer Stiftung gemäß zu einer wahren Real- oder Kunstschule organisieren sollte. Das berichtete Gotthilf Samuel Steinbart in seiner „Kurze[n] Geschichte der wichtigsten Vorgänge in Kirchensachen“, die er unter dem 24. Dezember 1797 für den König verfaßte. GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 30 A, Bl. 2r–5r, hier 2v.

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Wissenschaften werde er der Schule und dem Publikum „sehr ersprießliche Dienste thun“. Überdies sei er ein guter erbaulicher Prediger324. Am 16. Mai 1770 schlug Münchhausen dem König als Nachfolger des verstorbenen Sadewasser den Prediger an der Marienkirche Diterich vor325. Er habe sich durch seine „Rechtschaffenheit und gute Denkungs Arth“ ein allgemeines Zutrauen bei der ganzen Geistlichkeit erworben. Unter dem 18. Januar 1784 – inzwischen war Zedlitz Chef des Geistlichen Departements geworden – berief der König Friedrich Gedike326 in 324 Hoffmann, Hermes, 68. Auch in Berlin konnte der pietistische Silberschlag viele Hörer um sich scharen. AaO 67. 325 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta betr. die Bestallungen der Geistlichen Räthe des Ober-Consistorii), unpag. Johann Samuel Diterich war am 15. Dezember 1721 als Pfarrerssohn in Berlin geboren worden. Am 14. Januar 1797 starb er. Nach der philologisch bildenden Schulzeit im Grauen Kloster in Berlin studierte er seit 1739 Philosophie und Theologie in Frankfurt an der Oder. Bei Baumgarten in Halle beendete er sein Studium. Nach Jahren als Hauslehrer und Gehilfe seines Vaters wurde er 1751 zweiter Prediger an der Berliner Marienkirche. Diterich war Mitherausgeber der 1765 und 1780 erschienenen „Neue[n] Liedersammlung für den öffentlichen Gottesdienst“ und Beichtvater der verwitweten Königin Elisabeth Christine. Julius August Wagenmann, Art. Diterich, Johann Samuel, in: ADB 5 (1877, ND 1968), 258 f; Schwartz, Der erste Kulturkampf, 29 und Albrecht Beutel, Art. Diterich, Johann Samuel, in: RGG4 2 (1999), 882 f. 326 Friedrich Gedike wurde am 15. Januar 1754 in Boberow bei Lenzen in der Prignitz als Pfarrerssohn geboren. Am 2. Mai 1803 starb er in Berlin. Als sein Vater, von den Nöten des Siebenjährigen Krieges ermattet, Anfang 1761 starb, kam Friedrich – nach kurzfristigem Schulbesuch in Seehausen – 1763 in das von Gotthilf Samuel Steinbart geleitete Züllichauer Waisenhaus. Später bezog er das dortige Paedagogium. Erst jetzt entfalteten sich seine geistigen Fähigkeiten, und bereits nach wenigen Jahren war er den meisten Schulkameraden überlegen. Schon zu Ostern 1771 bezog er als emsiger Student der Theologie und der Alten Sprachen die Universität in Frankfurt an der Oder. Unterstützung erfuhr er durch den Professor Johann Gottlieb Töllner, der 1774 starb und dessen Nachfolger Steinbart wurde, der den jungen Gedike in sein Haus aufnahm. 1775 zog Gedike nach Berlin, nachdem Steinbart ihn Spalding als Erzieher von dessen Söhnen empfohlen hatte. Bereits kurz darauf erhielt er durch Spaldings Vermittlung die Stelle des Subrektors am Friedrichswerderschen Gymnasium. 1777 stieg er zum Prorektor auf, 1779 schließlich wurde er Direktor des Gymnasiums, das zum besten Gymnasium in Berlin wurde. Neben schulreformerischen Erfolgen – er führte etwa für die unteren Klassen vierteljährliche und für die oberen Klassen halbjährliche Zensuren ein – zeichneten ihn auch Übersetzungen aus dem Altgriechischen aus. 1784 wurde Gedike Oberkonsistorialrat. Seit 1787 gehörte er dem Oberschulkollegium an. 1791 wurde er als Stütze des alten Büsching Mitdirektor des Berlinisch-Cöllnischen Gymnasiums (Zum Grauen Kloster). Nach Büschings Tod gab er 1793 zugunsten der Leitung des Grauen Klosters die Direktion des Friedrichswerderschen Gymnasiums auf. Seit 1797 war seine zuvor robuste Gesundheit beeinträchtigt. In der Schulpraxis sowie in zahlreichen schulreformerischen Schriften bemühte er sich um die Verbesserung der öffentlichen Schulen. Heinrich Kaemmel, Art. Gedike, Friedrich, in: ADB 8 (1878, ND 1968), 487–490; Fritz Borinski, Art. Gedike, Friedrich, in: NDB 6 (1964), 125 f und Schmitt, Gedike, 3–87. Die Lehrer am Friedrichswerderschen Gymnasium befanden sich freilich in einem besonders kläglichen Zustand. Geiger, Berlin, 103. Zu Gedike vgl. auch Harald Scholtz, Friedrich Gedike (1754–1803). Ein Wegbereiter der preußischen Reform des Bildungswesens, in: JGMOD 13/14 (1965), 128–181. Zum Friedrichswerderschen Gymnasium vgl. auch August Carl Müller (Hg.),

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das Oberkonsistorium. Er zählte als Schulmann zu den weltlichen Räten des Oberkonsistoriums327. Seit 1779 war Gedike, der zahlreiche gewichtige Lehrbücher verfaßt hatte328, Direktor des Friedrichswerderschen Gymnasiums, dessen Schülerzahlen von 1781 bis 1793 um mehr als 300 Prozent anstiegen329. Der Hofprediger Friedrich Samuel Gottfried Sack wurde am 22. August 1786 von Friedrich Wilhelm II. zum Oberkonsistorialrat ernannt330. Unter dem 14. September 1788 wurde Zöllner in Anbetracht seiner bekannten Kenntnisse und Verdienste als Rat im Oberkonsistorium angesetzt331. Und unter dem 15. März 1792 machte der König bekannt, daß er Silberschlags Stelle im Oberkonsistorium dem Prediger an der Dreifaltigkeitskirche Andreas Jakob Hecker anvertraut hatte332. Anfang 1797 bat v. d. Hagen krankheitshalber um seinen Abschied. Der König gab der Bitte nach und bewilligte ihm am 6. Februar 1797 eine Pension von 1.000 Talern. An demselben Tag erging an Woellner eine entsprechende Kabinettsordre333. Nur für kurze Zeit jedoch konnte v. d. Hagen die Ruhe des neuen Standes genießen, da er bereits am 23. August 1797 starb334. Während v. d. Hagen sowohl dem Oberkonsistorium als auch dem Oberschulkollegium335 Festschrift zu der zweiten Säcularfeier des Friedrichs-Werderschen Gymnasiums zu Berlin veröffentlicht von dem Lehrer-Kollegium des Friedrichs-Werderschen Gymnasiums, Berlin 1881. 327 Gedike trug keine Predigerkleidung. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 21 Anm. 1. 328 Ein Werkverzeichnis Gedikes findet sich bei Schmitt, Gedike, Xff. Vgl. auch Neugebauer, Absolutistischer Staat, 465. 329 AaO 521 Tabelle 25. Während 1781 erst 94 Schüler das Gymnasium besuchten, waren es 1793 insgesamt 310 Schüler. 330 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta betr. die Bestallungen der Geistlichen Räthe des Ober-Consistorii), unpag. Zu Friedrich Samuel Gottfried Sack vgl. Mark Pockrandt, Biblische Aufklärung. Biographie und Theologie der Berliner Hofprediger August Friedrich Wilhelm Sack (1703–1786) und Friedrich Samuel Gottfried Sack (1738–1817), AKG 86, Berlin/New York 2003. 331 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta betr. die Bestallungen der Geistlichen Räthe des Ober-Consistorii), unpag. Zöllner und Gedike waren seit Frankfurter Zeiten befreundet und hatten zeitweilig beide in Steinbarts Haus gewohnt. Schmitt, Gedike, 10 f. 332 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta betr. die Bestallungen der Geistlichen Räthe des Ober-Consistorii), unpag. Später wirkte Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher ein Vierteljahrhundert an der Dreifaltigkeitskirche. 333 Ein Extrakt der Kabinettsordre findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 2 a (Acta betr. die Bestellung des Ober-Konsistorial-Rathes v. Irwing), Bl. 73r. 334 Bereits unter dem Datum des folgenden Tages kümmerte sich Woellner um die ordnungsgemäße Besetzung der durch v. d. Hagens Tod vakant gewordenen Praebende in dem Kapitel zu Brandenburg. Unter dem 1. September 1797 mußte Woellner diese Angelegenheit nochmals dem König vortragen, da das Domkapitel widerrechtlich die Praebende einem anderen als dem nach dem Stiftsturnus vorgesehenen Anwärter geben wollte. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 E, unpag. 335 Zum Oberschulkollegium vgl. Kapitel A.X.6.d.

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präsidiert hatte, sollte wegen zunehmender Amtsgeschäfte das Oberschulkollegium fortan einen eigenen Präsidenten erhalten. Diesen Posten erhielt auf Woellners Antrag Carl Franz v. Irwing, der freilich weiterhin zugleich Oberkonsistorialrat blieb336. Als neuen Präsidenten des Oberkonsistoriums schlug Woellner den Kammergerichtsrat Adolf Friedrich v. Scheve vor, der am 3. März 1797 bestallt wurde. Unter dem 3. März 1797 legte Woellner dem König dann die Bestallungen für den bisherigen Kammergerichtsrat v. Scheve als Präsidenten beim Berliner Oberkonsistorium und für den Oberkonsistorialrat v. Irwing337 als Präsidenten des Oberschulkollegiums vor338. d) Das deutsch-reformierte Kirchendirektorium Am 10. Juli 1713 wurde das deutsch-reformierte Kirchendirektorium als oberste Kirchen- und Schulbehörde für die deutschen Reformierten in den preußischen Provinzen – mit Ausnahme von Kleve, Mark und Ravensberg – eingesetzt. Die Leitung übernahm Marquard Ludwig v. Printzen339. Seit Anfang 1771 präsidierte Wolfgang Ferdinand Freiherr v. Dörnberg dem reformierten Kirchendirektorium340. Als Dörnberg erkrankte, übernahm der Großkanzler Johann Heinrich Casimir v. Carmer die Geschäfte des reformierten Departements341. Im Herbst 336

Diese Bestimmungen finden sich in der Kabinettsordre an Woellner vom 6. Februar 1797. Ein Extrakt der Kabinettsordre findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 2 a (Acta betr. die Bestellung des Ober-Konsistorial-Rathes v. Irwing), Bl. 73r. Als Woellner 1788 Etatsminister geworden war, hatte Carl Franz v. Irwing sogleich am 6. Junius [sic] 1788 geschrieben. Außer dem Glückwunsch, den seine Schuldigkeit ihn abstatten ließ, wollte er noch „meinem Herzen die Genugthuung nicht versagen“, Woellner die „ehrliche“ Versicherung zu geben, daß er „den innigsten und freudigsten Antheil“ an dessen Erhebung nehme. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 26, Bl. 42r. 1786 legte Woellner dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm eine „Characteristic guter Leute“ vor, die hundert Personen umfaßte. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 206 E, Bl. 25r–59r. Dort nannte er auch den weltlichen, 56jährigen Oberkonsistorialrat v. Irwing: Er sei „sehr accurat“ in seinem Dienst und würde den Platz eines Präsidenten besser bekleiden als v. d. Hagen, der „nicht viel taugt“. Woellner faßte zusammen: „Ein edler Mann, der Warheit liebt, und aus wahrem innern Gefühl das Gute thut, weil es gut ist.“ AaO Bl. 53r. 337 Ein Extrakt der Kabinettsordre findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 2 a (Acta betr. die Bestellung des Ober-Konsistorial-Rathes v. Irwing), Bl. 75r–76r [Konzept]. 338 Ein Extrakt der Kabinettsordre findet sich aaO (Acta betr. die Bestellung des Ober-Konsistorial-Rathes v. Irwing), Bl. 74r. 339 Schoen, Kirchenrecht, Bd. 1, 23 f und Neugebauer, Absolutistischer Staat, 82. 340 Unter dem 28. Februar 1771 ernannte ihn der König zum Geheimen Staats- und Justizminister. Diese Angaben finden sich in einem von dem Kriegsrat und Geheimen Archivar Johann Daniel Kluge 1791 zusammengetragenen Verzeichnis Geheimer Etats- und Kriegsräte. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 31, Bl. 37r. 341 1784 beklagte Woellner in seiner für den damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm geschriebenen „Abhandlung von der Bevölckerung der Preuß[ischen] Staaten, vornehmlich der Marck Brandenburg“, daß Carmer und Dörnberg, obwohl sie Ausländer waren, als Mi-

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1793 kündigte Carmer dann freilich aufgrund seines Alters, zunehmender Schwachheit und sonstiger enormer Arbeitsbelastung seinen Dienst für das reformierte Departement auf. Die beiden reformierten Kirchendirektorien – das deutsche und das französische – wandten sich nun drängend an den König, damit er ihnen einen reformierten geistlichen Minister gebe. Woellner schlug dem König – wie bereits sieben Wochen zuvor – am 25. November 1793 für dieses Amt Friedrich Wilhelm v. Thulemeyer vor: Er sei „geschickt, hat Religion und wird sonderlich von der Französischen Colonie sehr geschäzt“342. Weder der Minister Eberhard Friedrich Christoph Ludwig v. d. Reck343 noch Heinrich Julius v. Goldbeck und Reinhart344 konnten das reformierte Departement übernehmen, da beide lutherisch waren und die Reformierten keinem Lutheraner unterstehen wollten. 3. Das Patronatswesen Auf dem Land wählte der Patron den Geistlichen, und in den kleinen Städten wurden die Geistlichen vom Magistrat gewählt345. Zwischen den Pfarrern und den oberen Staats- und Kirchenbehörden standen als vermittelnde Instanz die Inspektoren, die zuvor mehrere Jahre als Feldprediger gedient haben mußten. Mit dieser Bestimmung kollidierte freilich das Patronatsrecht der Städte, das oft gegen die Wünsche des Oberkonsistoriums durchgesetzt werden konnte, indem die Städte ihre mit ihrem Recht zur Besetzung einer Pfarrstelle vernister im Land angestellt worden waren und auf diese Weise Landeskinder eine Zurücksetzung erfahren hätten. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 2, Bl. 4r–80v, hier 40v. 342 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 2, Bl. 13r. 343 Im Dezember 1789 wurde v. Goldbeck das Kriminaldepartement übertragen, und Eberhard Friedrich Christoph Ludwig Freiherrn v. d. Reck wurden anstelle der Kriminalsachen die speziellen Justizangelegenheiten der Provinzen Magdeburg, Halberstadt und Pommern beigelegt. Diese Angaben finden sich in dem von Kluge 1791 zusammengetragenen Verzeichnis Geheimer Etats- und Kriegsräte. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 31, Bl. 39av-40v. 344 Unter dem 11. Dezember 1789 erhielt Heinrich Julius v. Goldbeck auf Goldbeck die Bestallung als Wirklicher Geheimer Etats- und Justizminister. Außerdem übernahm er das Chefpräsidium beim Kammergericht. Diese Angaben finden sich in Kluges Verzeichnis. AaO Bl. 48r–49r. Der 1733 geborene Heinrich Julius v. Goldbeck hatte in Frankfurt an der Oder Rechtswissenschaften studiert und arbeitete seit 1758 beim Kammergericht, an dem er 1782 das Präsidium übernahm. 1774 erhielt er den Titel eines Geheimen Tribunalrats, 1782 wurde er Direktor des Generalpostamts. Als Zedlitz 1789 seine Ministerstelle aufgab, schlug er Goldbeck als Nachfolger vor. Auch als Minister hatte Goldbeck noch das Präsidium des Kammergerichts und die Leitung des Generalpostamts inne. Das 1795 übernommene Amt des Großkanzlers versah er bis 1808. „Der Titel ist indiferent wan nuhr die Sache von Nutzen ist“. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten 1794, Ausstellung des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz 1994, Mainz 1994, 90 f und 104. 345 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 16. Zum Patronatswesen vgl. grundsätzlich Paul Schoen, Das evangelische Kirchenrecht in Preußen, Bd. 2, Berlin 1906–1910 (ND 1967), 1–40.

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bundene Pflicht zur Erhaltung der Kirchengebäude namhaft machten346. Seit 1718 vergaben die Inspektoren die licentia concionandi, welche die Kandidaten der Theologie zum Predigen berechtigte, auch wenn sie noch keine Pfarrstelle innehatten347. Auch Privatpersonen konnten Patrone sein: Wer eine Kirche baute oder hinlänglich dotierte, erlangte dadurch ein Recht zum Patronat348. Dasselbe Recht erhielt, wer eine verfallene oder verarmte Kirche wieder aufbaute oder von neuem dotierte349. Auch durch den Auftrag einer Kirchengesellschaft, die bislang unter keinem besonderen Patron gestanden hatte, konnte jemand ein Recht zum Patronat erhalten350. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten betonte, daß in allen diesen Fällen gleichwohl „das Kirchenpatronat selbst erst durch die Verleihung des Staats erworben“351 werde352. Während die Patrone ursprünglich umfassende Rechte innehatten, war gegen Ende des 18. Jahrhunderts nur noch das mit der Pflicht für den Erhalt des Kirchenguts353 zusammenhängende Präsentationsrecht354 wichtig355. Bei der Einführung des neuen Gesangbuchs unterstützten an vielen Orten Patrone die Prediger, die sich mühten, ihren Gemeinden die neuen Texte nahezubringen. Fand der reformwillige Prediger jedoch keine finanzielle Hilfe, konnte das neue Gesangbuch nicht eingeführt werden356. 4. Die Gesangbuchreform Als den geistlichen Räten alle Aufsicht über die theologischen Schriftsteller und Prediger genommen war, erlaubten sich manche Geistlichen selbst in ihren Predigten und bei Amtsverrichtungen „Leichtsinn und Spöttereyen über alte kirchliche Meinungen und Gebräuche“. Bei vielen „religiösen“ Gemeindegliedern gab dies zu bitterem Unwillen und zu Klagen Anlaß, doch fehlte 346 Balthasar Haußmann, Zwischen Verbauerung und Volksaufklärung. Kurmärkische Landprediger in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Berlin 1999, 136. 347 CCM 1, Abt. II, Nr. 118, 229–236, Verordnung vom 30. September 1718. 348 ALR II 11 § 569. 349 ALR II 11 § 570. 350 ALR II 11 § 572. 351 ALR II 11 § 573. 352 Personen, die zu keiner der vom Staat aufgenommenen oder geduldeten christlichen Religionsparteien gehörten, konnten das Patronatsrecht über eine Kirche nicht ausüben. ALR II 11 § 582. Das Privatpatronat war nicht auf Adlige beschränkt: „Die Ausübung des auf einem Gute haftenden Patronatrechts gebührt demjenigen, welchem das bürgerliche Eigenthum (Dominium civile) des Guts zukommt.“ ALR II 11 § 598. 353 ALR II 11 § 584. 354 ALR II 11 § 587. 355 Haußmann, Verbauerung, 154 und 166. 356 AaO 172 f.

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es ihnen noch an einem „äußern Vereinigungsmittel“357, um gemeinschaftlich ihre Beschwerden geltend zu machen. Dieses Mittel bot dann das 1780 in Berlin erschienene neue verbesserte Gesangbuch, das Johann Samuel Diterich unter Mitwirkung von Wilhelm Abraham Teller und Johann Joachim Spalding erarbeitet hatte358, um das alte lutherische Gesangbuch, das erstmals 1708 von Johann Porst herausgegeben worden war359, abzulösen360. Zedlitz hatte, in der Annahme, daß Friedrich II. dieses neue Werk unterstützen würde, nicht um eine königliche Erlaubnis nachgesucht und befahl dessen Einführung in alle lutherischen Gemeinden361. „Nun gerieth alles, was im Stillen mißvergnügt gewesen war, in Gährung.“362 Es entstanden Clubs in allen Städten, die mit dem Hauptclub zu Berlin, in dem Silberschlag die leitende Figur war363, in Verbindung traten und sich zur364 Erhaltung „des alten Glaubens“365 miteinander verbanden. Der König, an den sich die Gegner des neuen Gesangbuchs zuerst durch einige Abgeordnete wandten, gestattete ihnen sogleich, selbst zu wählen, aus 357 Das berichtete Gotthilf Samuel Steinbart in einer auf den 24. Dezember 1797 datierten „Kurze[n] Geschichte der wichtigsten Vorgänge in Kirchensachen“. GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 30 A, Bl. 2r–5r, hier 3r. 358 Über das Abendmahl etwa hieß es in dem Gesangbuch: Erste Strophe: „Voller Ehrfurcht, Dank und Freuden, komm ich, Herr, auf dein Gebot, zu dem Denkmal deiner Leiden, und gedenk an deinen Tod. Mittler, der du für mich starbst, mir ein ewig Heil erwarbst, dir zur Ehre stets zu leben, sey mein eifrigstes Bestreben.“ Dritte Strophe: „Durch dich ist zu Gottes Gnade freyer Zutritt und die Kraft auf der Tugend selgem Pfade vest einher zu gehn verschafft. Und du rufst aufs neue mir durch dein Nachtmahl, daß ich hier Theil an deinem Segen nehme und mich deiner niemals schäme.“ Vierte Strophe: „Sollt ich, Jesu, denn vergebens diese deine Huld empfahn? nicht zur Beßrung meines Lebens mich zu deinem Tische nahn? Ja, mit neuem Ernst will ich mich für Sünden scheun und dich durch ein dir geheiligt Leben mit vermehrtem Fleiß erheben.“ Gesangbuch zum gottesdienstlichen Gebrauch in den Königlich Preußischen Landen, Berlin 1781 [verlegt bei August Mylius, Buchhändler in der Brüderstraße], Erste Hauptabtheilung, 10. Abendmahl, Nr. 126, 102 f. 359 Johann Porst war ein Schüler Johann Jakob Speners gewesen. Neugebauer, Absolutistischer Staat, 98 f. Zum Gesangbuch vgl. auch Alexander Völker, Art. Gesangbuch. I. Geschichte und gegenwärtiger Bestand, in: RGG4 (2000), 764–769. 360 Das Privilegium für den Buchhändler August Mylius datierte vom 31. Dezember 1779. Gesangbuch zum gottesdienstlichen Gebrauch in den Königlich Preußischen Landen, unpag. [III–IV]. Es ist auf königlichen Spezialbefehl von v. Münchhausen unterschrieben. Zur Gesangbuchreform vgl. auch Schollmeier, Spalding, 32–36. 361 Gegen das Gutachten des Oberkonsistoriums hatte Zedlitz die allgemeine Einführung des neuen Gesangbuchs verfügt. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 48. 362 Das berichtete Steinbart in seiner „Kurze[n] Geschichte“. GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 30 A, Bl. 2r–5r, hier 3r. 363 Der bankerotte Kaufmann S. Lobegott Apitsch war ein besonders engagiertes Mitglied des Clubs. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 49. 364 Das berichtete Steinbart in seiner „Kurze[n] Geschichte“. GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 30 A, Bl. 2r–5r, hier 3r. 365 AaO Bl. 3v.

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welchem Gesangbuch sie singen wollten. Aber nun reichten sie auch bei dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm ihre gesamten Beschwerden weit ausführlicher ein366. Besonders beklagten sie, daß diejenigen Lehren, die sie in ihrer Jugend als göttliche Wahrheiten zeitlebens zu glauben vor dem Altar gelobt hätten und auf die sie ihre Tugenden und ihre Hoffnungen gründeten, nun in denselben Kirchen, in denen sie darauf konfirmiert worden waren, für Unwahrheiten erklärt und verspottet würden. Der Kronprinz versprach, diesen Beschwerden, sobald er zur Regierung gelangt sein würde, abzuhelfen. Im Januar 1781 schließlich beendete Friedrich II. die Auseinandersetzung durch einen königlichen Erlaß. Obwohl das neue Gesangbuch verständlicher und vernünftiger sei als das alte, solle es nicht zwangsweise gebraucht werden367. 5. Die Stellenbesetzungspraxis Die Befugnisse des Konsistoriums bei der Besetzung der Pfarrstellen waren nicht nur durch das Patronatswesen, sondern auch durch die Praxis der Adjunktion geschmälert. Viele Kandidaten des Predigtamtes bemühten sich um eine Adjunktion cum spe succedendi. Und obwohl die Vergabe einer derartigen Adjunktion vom König untersagt war, bekämpfte Woellner dieses Verfahren nicht grundsätzlich. Häufig wurde Predigern, die um eine bessere Pfarrstelle baten, beschieden, daß sie sich nochmals melden sollten, sobald sie eine vakante Pfarrstelle in Erfahrung gebracht hätten368. Diese Bescheide konzipierten zumeist Sack, Teller und Zöllner369. Der Prediger Kristoph Friedrich Troll aus Königshorst wandte sich unter dem 1. September 1788 ausführlich mit der Bitte um eine bessere Versorgungs366

Ebd. Trendelenburg, Friedrich der Große, 28 f. Zum Gesangbuchstreit vgl. insgesamt Mainka, von Zedlitz und Leipe, 173–180. 368 Derartige Bescheide ergingen – abgesehen von den im Folgenden dargestellten Fällen – unter dem 27. November 1788, 8. Januar 1789, 29. Januar 1789, 3. September 1789, 15. Oktober 1789 und 12. November 1789. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 5 [Ministerial-Archiv 36], unpag. Weitere Bescheide gleichen Inhalts ergingen unter dem 8. September 1796, 22. September 1796, 17. November 1796, 1. Dezember 1796 und 15. Dezember 1796. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 5 [Ministerial-Archiv 37], unpag. 369 Unter dem 3. Juli 1788 reichte der Kandidat der Theologie Johann Theodor Grube, der ein achtstrophiges, jeweils vierzeiliges Huldigungsgedicht an den König verfaßt hatte, eine Bittschrift an den König ein. Unter dem 4. September wurde ihm jedoch trotz seiner dichterischen Bemühungen beschieden, daß es ihm freistehe, sich bei etwaigen Vakanzen zu melden. Die vierte Strophe zum Beispiel lautete: „So Gnädigster Monarch erhöre // Den, der der Muse Opfer brachte // Mit Spähungs Geist die Tugendlehre // Und rastlos Relig’on durchdachte“. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 5 [Ministerial-Archiv 36], unpag. 367

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stelle an Woellner370. In einem beiliegenden Text erklärte er, wie er unter anderem durch die lange Krankheit seiner Ehefrau und durch eigene Krankheit in Schulden geraten sei. Unter dem 7. September erging an ihn jedoch ein von Woellner unterschriebenes Dekret, daß er, wenn er in dienstlichen und sich darauf beziehenden privaten Angelegenheiten etwas vorzustellen habe, eine förmliche, an den König gerichtete und beim Oberkonsistorium einzureichende Vorstellung verfassen müsse, weil auf Privatbriefe keine Resolution gegeben werden könne371. Am 3. Oktober 1788 bat der Archidiakon Gräfe aus Gransee um eine bessere Pfarrstelle, die es ihm ermöglichen würde, eine Ausbildung seiner Söhne zu finanzieren, ohne sich in Schulden zu stürzen372. Silberschlag notierte am 9. Oktober auf dem Brief, daß der Bittsteller sich bei einer Vakanz wieder melden solle. An demselben Tag wurde Gräfe in dieser Weise beschieden373. Woellner, der Gräfe aus gemeinsamen Spandauer Schulzeiten kannte, hatte auf dem Dekretsentwurf handschriftlich hinzugefügt, daß auf diesen bei einer guten Stelle, deren Vakanz er aber zeitig genug anzeigen müsse, wegen seiner gründlichen theologischen Kenntnisse besondere Rücksicht genommen werden solle374. Am 16. März 1789 schrieb aus Pritzwalk herzerweichend die siebenjährige Pfarrerstochter Charlotte Friederike Siber. Ihr Vater, dessen Gesundheit geschwächt war, mußte mit den drückendsten Nahrungssorgen kämpfen375. Doch der Brief nützte nichts. Unter dem 26. März erging an den Vater ein von Woellner unterschriebenes Dekret, daß es ihm unbenommen bleibe, sich zu einer besseren Pfarrstelle, wenn eine solche freiwerde, zu melden376. Unter dem 24. September 1789 erging an den Schulrektor Johann Friedrich Sauberzweig in Brandenburg, der am 16. September um eine Anwartschaft auf 370

AaO unpag. AaO unpag. 372 AaO unpag. 373 AaO unpag. 374 AaO unpag. Bereits am 24. Juli 1788 hatte C. L. D. Gräfe gratulierend an Woellner geschrieben, ihn an die gemeinsamen eineinhalb Jahre unter der Aufsicht des Rektors Ziegler erinnert und angesichts der großen Familie um eine bessere Stelle gebeten. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 25, Bl. 78r–79r. 375 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 5 [Ministerial-Archiv 36], unpag. 376 AaO unpag. Unter dem 2. April 1789 erging an einen Prediger zu Güßefeld bei Calbe in der Altmark die von Woellner und v. d. Hagen unterschriebene Resolution, daß er sich bei einer vorkommenden Vakanz wieder melden könne. Am 20. März hatte Sieg um eine anderweitige Versorgung gebeten. Sieben jeweils mit einem Siegel versehene Gutachten zugunsten seiner Person fügte er bei: eines vom Inspektor und sechs von Predigern. Die schon seit Jahren währenden Streitigkeiten mit seiner Gemeinde rührten daher, daß die Güßefeldsche Gemeinde von dem ihr gehörenden gemeinen Holz, an dem der Prediger seinen Anteil ebenso wie einzelne Gemeindeglieder hatte, immer nach Willkür verkaufte, ohne dem Prediger das Geringste zu sagen oder ihn an dem finanziellen Gewinn zu beteiligen. Daher hatte Sieg beim Kirchenpatron prozessiert und gewonnen. AaO unpag. 371

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eine Pfarrstelle gebeten hatte377, ein von Woellner und v. d. Hagen unterschriebenes Dekret, daß keine Anwartschaften auf Pfarrstellen erteilt würden378. Am 25. Oktober 1789 wandte sich aus Driesen in der Neumark der Kandidat Moriz Wilhelm Baumann an den König379. Er war ein Pfarrerssohn, der in Halle Theologie studiert und die Universität bereits vor zehn Jahren verlassen hatte. Seit dieser Zeit sei er teils in seines verstorbenen Vaters Haus, teils in Frankfurt und in Friesen mit dem Unterricht verschiedener Kinder beschäftigt gewesen, und zugleich habe er sich auch soviel als möglich auf das Predigtamt weiter vorzubereiten gesucht. Baumann bat, ihm auf die Predigerstelle zu Podelzig die spes successionis zu erteilen. Am 29. Oktober notierte Zöllner jedoch auf dem Brief, daß keine Anwartschaft auf Pfarrstellen erteilt werden könne; Baumann möge sich aber melden, sobald eine Vakanz entstünde. In diesem Sinne erging an ihn ein von Woellner und v. d. Hagen unterschriebenes, an demselben Tag konzipiertes Dekret380. Auch der Feldprediger Christian Friedrich Petrenz, der am 10. Oktober 1789 um eine konkrete Anwartschaft gebeten hatte381, erhielt ein entsprechendes, am 15. Oktober konzipiertes Dekret382. In bestimmten Fällen konnten Woellner und das Oberkonsistorium sogar derselben Meinung sein. Am 9. Juni 1789 schrieben die Oberkonsistorialräte v. d. Hagen, v. Irwing, v. Lamprecht, Teller, Diterich, Nagel, Gedike, Sack und Zöllner an den König383. Der Generalmajor und Direktor des zweiten Departements des Oberkriegskollegiums Ernst Ludewig v. Pfuel, der Patron der Kirche zu Jahnsfelde war, hatte dem Kandidaten Grell die Vokation erteilt, die jener dann zur landesherrlichen Bestätigung eingereicht hatte. Diese Vokation entsprach aber nicht dem seit Kurfürst Friedrich Wilhelms Zeiten üblichen Vokationsformular. Keineswegs dürften die Symbolischen Bücher verworfen und die Prediger vor ihnen gewarnt werden. Die Oberkonsistorialräte gedachten die Auseinandersetzung, die Pfuel in einer unter dem 2. Juni eingereichten Vorstellung in beleidigenden Ausdrücken geführt hatte, nicht fortzusetzen, da der Verfasser der Vokation nur dem Kollegium Trotz bieten wolle. Woellner notierte auf dem Brief, daß Pfuel der Bericht des Oberkonsistoriums abschriftlich zugesandt werden solle. Das Oberkonsistorium habe „auf allen Seiten Recht“. Daher müsse Pfuel befohlen werden, eine nach dem gewöhnlichen Formular abgefaßte Vokation von Grell einsenden zu lassen oder gewärtig zu sein, daß von diesem Vorfall unverzüglich 377

AaO unpag. AaO unpag. 379 AaO unpag. 380 AaO unpag. 381 AaO unpag. 382 AaO unpag. Teller hatte dies auf dem Brief des Feldpredigers notiert. 383 AaO unpag. 378

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dem König Bericht erstattet werden würde384. Unter dem 14. Juni erging dann eine entsprechende Resolution an Pfuel385, der jedoch stur blieb, so daß v. d. Hagen, v. Lamprecht, Teller und Nagel dem König am 6. Juli melden mußten, daß Pfuel noch immer keine abgeänderte Vokation eingereicht hatte386. Auf Woellners Auftrag wurden die Akten dann dem Kurmärkischen Konsistorium geschickt, das die Sache ruhen lassen sollte, bis sich der neue Kirchenpatron von Jahnsfelde melden werde oder bei allzu langer Verzögerung ex officio etwas verfügt werden müsse387. Pfuel schrieb am 7. Juli an den König388. Es sei „ein von allen echten Protestanten allgemein anerkannter Grundsatz, daß die heilige Schrifft das einzige Buch sei, woraus die Lehre Jesu erkannt werden könne und müsse“. Dagegen würden die Katholiken neben der Bibel noch andere Schriften und päpstliche Aussprüche zu Glaubens- und Lehrvorschriften annehmen und der Bibel zur Seite setzen. Woellner wolle ihn nun zwingen, Grell eine katholische Vokation zu geben, in der nämlich neben der heiligen Schrift noch solche Schriften zu Symbolischen Büchern gezählt werden sollten, welche „die protestantische Kirche“ verworfen habe. Pfuel flehte den König an, „meine und der armen Gemeine ihre Gewissensfreyheit, wider die Religions-Bedrückung des Minister von Wöllner und des Consistorii“ in Schutz zu nehmen. Als „ein alter, an der Grube stehender Mann“ werde er niemals eine katholische Vokation unterschreiben. Es sei „traurig“, daß Woellner in seinen „auf Gewissens- und ReligionsZwang abzielenden Verfügungen immer thut, als könne er nicht dafür“, sondern nur gezwungen sei, den königlichen Willen befolgen zu müssen, und daß er auch ihn, Pfuel, mit der königlichen Ungnade bedroht habe. Er flehte den König an, dem Oberkonsistorium zu befehlen, die abschriftlich beigefügte Vokation anzunehmen. Am 11. Juli erging eine Kabinettsordre an v. Pfuel389. Vermutlich habe der „berüchtichte“ Prediger Johann Heinrich Schulz390, den er, der König, „nächstens fortjagen“ werde, diejenige Vokation aufgesetzt, die Pfuel zugesandt habe. Er wundere sich, wie Pfuel sich unterstehen konnte, die Minister, die nach den königlichen Befehlen handelten, bei ihm „anzuschwärzen“ und „jemanden“, dem er alle lutherischen Konsistorien in Preußen anvertraut habe, des Katholizismus zu beschuldigen. 384

AaO unpag. AaO unpag. 386 AaO unpag. 387 Das hatte Woellner am 29. Juli 1789 auf dem Brief notiert. AaO unpag. 388 AaO unpag. 389 Eine Abschrift dieser Kabinettsordre findet sich aaO unpag. 390 Zu Johann Heinrich Schulz vgl. kurz Kapitel K.V. 385

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Nachdem Ernst Ludewig v. Pfuel am 23. Juli 1789 gestorben war391, stellte der neue Patron Franz Wilhelm v. Pfuel unter dem 25. August eine neue Vokation aus. Am 28. August 1789 schrieben v. d. Hagen, v. Irwing, Teller, Diterich und Zöllner an den König392. Diese neue Vokation widerspreche den Edikten nicht, sondern der Prediger werde darin ausdrücklich angewiesen, „die Lehre Christi rein und unverfälscht nach den Evangelisten und Aposteln“ und allen königlichen Edikten, die sich darauf bezogen, vorzutragen. Unter dem 3. November 1789 erging an den Feldprediger Friedrich Wilhelm August Schmidt am Berliner Invalidenhaus ein am 29. Oktober konzipiertes, von Woellner und v. d. Hagen unterschriebenes Dekret wegen dessen weiterer Beförderung393. Obwohl Schmidt bereits drei Jahre lang als lutherischer Feldprediger beim königlichen Invalidenkorps gewirkt hatte, erhielt er nur die Vertröstung, daß für seine weitere Beförderung gesorgt werden werde, wenngleich seine konkrete Bitte, im Fall der Erledigung der Inspektion zu Treuenbrietzen diese Stelle zu erhalten394, nicht erfüllt werden könne, weil über diese Pfarrstelle der dortige Magistrat das Patronatsrecht habe395. Am 4. Oktober 1789 schrieb aus Rheinsberg der Pastor Johann Gottlieb Ehrlich396. Elf Jahre hatte er als evangelisch-lutherischer Prediger in Rußland in einer Kolonie gelebt und mußte dann aus Armut nach Berlin zurückkehren. Auf die Hilfe von Verwandten konnte er nicht zählen, da sich diese zur jüdischen Religion bekannten. Daher mußte er sein karges Auskommen durch schriftstellerische Tätigkeit bestreiten. Unter dem 15. Oktober erging eine von Woellner unterschriebene königliche Resolution an Ehrlich, daß er als ein zum Christentum Übergetretener nach den Landesgesetzen auf kein geistliches Amt in Preußen Anspruch erheben könne397. Dies hatte Teller auf Ehrlichs Brief notiert398. Ausländischen Bittstellern wurde nicht die Übernahme eines preußischen Pfarramtes gewährt. Unter dem 8. Mai 1794 erging an den Kandidaten der Theologie Johann Andreas Franke aus Zerbst, der am 3. Mai an den König geschrieben hatte, die von Andreas Jakob Hecker konzipierte und von Woellner und v. d. Hagen unterschriebene Resolution, daß seinem Gesuch um eine Ver391

Tradt, Der Religionsprozeß, 31 f. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 5 [Ministerial-Archiv 36], unpag. 393 AaO unpag. 394 Am 17. Oktober 1789 hatte Schmidt im Allgemeinen um eine bessere Pfarrstelle gebeten. Am 25. Oktober hatte er dann konkret um die Übertragung der Prediger- und Inspektorstelle zu Treuenbrietzen bei deren Erledigung nachgesucht. AaO unpag. 395 Das hatte Teller bereits am 29. Oktober 1789 notiert. Tellers Notiz findet sich aaO unpag. 396 AaO unpag. 397 AaO unpag. 398 AaO unpag. 392

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sorgung nicht nachgekommen werden könne, da es eine sehr große Menge an preußischen Kandidaten gebe399. Seit zwei Jahren hatte Franke sein Studium bereits beendet und seitdem nicht die geringste Aussicht zu einer Versorgung in seinem Vaterland gehabt, in dem es nur äußerst wenig lutherische Stellen gab. Er hatte Friedrich Wilhelm II. gerühmt, der es sich zur Pflicht gemacht habe, „die heilige Religion Jesu in ihrer Reinigkeit gegen den, leider! immer stärker werdenden Strom der Heterodoxie kräftiglich zu schützen“400. Ebenso erging unter dem 2. Juli 1795 an den gebürtigen Sachsen, den Pastor Christian Friedrich Herschel, der unter dem 13. Juni den König um die Übertragung einer Stelle gebeten hatte, der von Sack konzipierte abschlägige Bescheid, daß ihm wegen der vielen im Land zu versorgenden Kandidaten und Prediger keine Hoffnung auf Verbesserung gemacht werden könne401. Auch an den ausländischen Kandidaten des Predigtamtes Johann Beniamin Hemleben aus Körchow bei Wittenburg im Mecklenburgischen, der am 24. Oktober 1796 beim König um eine Stelle nachgesucht hatte, erging am 3. November eine von Woellner unterschriebene abschlägige Resolution402. Das Geistliche Departement könne keine Versorgung bieten, da in Preußen eine große Anzahl „geschickter“ Kandidaten vorhanden sei, mit denen die geistlichen Ämter in Preußen besetzt werden müßten403. Die aufgeführten Fälle der Bittsteller zeigen, daß Woellner hier keinen besonderen Einfluß zu nehmen suchte. Die theologische Gesinnung der um eine bessere Pfarrstelle bittenden Prediger spielte keine Rolle.

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GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 5 [Ministerial-Archiv 37], unpag. AaO unpag. 401 AaO unpag. 402 AaO unpag. 403 Am 30. September 1790 hatte aus Hannover der Lehrer bei der Hofschule und Prediger Heinrich Ludewig Fischer an den König geschrieben. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 33r. Die Sorge des Königs „für wahre und gute Volksaufklärung“ ließ Fischer zuversichtlich erwarten, daß der König das Buch, das er ihm schickte, nicht unbeachtet sein lassen werde. Dieses für das Volk gedachte Buch behandelte den Aberglauben, der „die gefährlichste Hindernis ächter Moralität und des menschlichen Glücks“ (ebd.) sei. Abschließend bat Fischer um eine Anstellung als Schullehrer oder Prediger in Preußen. Am 4. November meldete Woellner dem König, daß er Fischers Buch „mit vieler Geduld“ (aaO Bl. 32r) durchgelesen habe. Das Buch enthalte „eine Sammlung aller der hirnlosen und abgeschmackten Märchen die unter dem gemeinen Volcke im Schwange gehen“. Fischer suche diese zu widerlegen, stelle sich dabei aber größtenteils derart ungeschickt an, daß das Buch mehr Schaden als Vorteil stiften werde und manche unter den gemeinen Leuten aus diesem Buch nur noch mehr Aberglauben erlernen würden, als sie zuvor gekannt hätten. Fischers Bitte um eine Anstellung in Preußen empfahl Woellner abschlägig zu bescheiden. Bei der Menge an Landeskindern, die Theologen waren, sei ein Mann „von so wenigem judicio keine sonderliche Acquisition“. Das Weitere dachte Woellner sich pragmatisch: Der kürzeste Weg in dieser Sache dürfte wohl sein, wenn der König Fischer schlichtweg keine Antwort erteilen ließe. 400

X. Der Aufstieg an die Spitze des Geistlichen Departements

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6. Der beginnende Aufstieg a) Nobilitierung und neue Ämter Nach seiner Thronbesteigung war Friedrich Wilhelm mit Nobilitierungen sehr freigebig. Spöttisch nannte man die auf diese Weise Geehrten die „Sechsundachtziger“404. Sechs Wochen nach der Thronbesteigung endlich, am 2. Oktober 1786, wurde Woellner die lang ersehnte Nobilitierung zuteil405. Er erhielt als Wappen in Silber einen aufgerichteten Hund mit Halsband, der einen goldenen Löffel im Maul trug406. Um seine beruflichen Ambitionen stand es nunmehr ob der gesellschaftlichen Erhebung günstig. Das von Woellner in seiner „Abhandlung von der Religion“ persönlich anvisierte Amt an der Spitze des Geistlichen Departements blieb ihm einstweilen freilich verwehrt: Vorerst wurde er zum Geheimen Oberfinanzrat407 und Chef des Baudepartements ernannt, so daß er für die Verwaltung sämtlicher staatlicher Bauten zuständig war408; außerdem hatte er verschiedene Ämter im vierten und fünften Departement des Generaldirektoriums inne409. Am 29. Januar 1787 wurde Woellner beschieden, daß er, soweit es seine anderweitigen Geschäfte erlaubten, bei dem neuen Kollegium, das durch die Vereinigung des bisherigen vierten und fünften Departements des Generaldirektoriums mit der General-Akzise- und Zolladministration etabliert worden 404 Philippson, Geschichte, Bd. 1, 178 und Schwartz, Der erste Kulturkampf, 46 und 356 Anm. 1. 405 In einem eigenhändigen Schreiben hatte der König Woellner am 1. Oktober 1786 die Nobilitierung angekündigt. Der König war „faché“, daß Woellner ihm das Anliegen nicht bereits eher unterbreitet hatte. Dann wäre das Ganze bereits erledigt worden. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 28, Bl. 15r. Prinzipiell war Woellner freilich ein Gegner der Vorrechte des Adels. Vom 30. Juli 1787 datierte ein Publikandum, das für den Verkauf adliger Güter an Bürgerliche künftig nicht mehr die Erlaubnis des Königs selbst, sondern nur noch die Genehmigung des Lehnsdepartements forderte. NCC 8 (1787 und Nachtrag), Nr. 81, 1524 f. 406 Adelslexicon der preußischen Monarchie, hg. von Leopold Freiherrn von Ledebur, Bd. 3, Berlin [o. J.], 135. Abbildungen des Wappens finden sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 28, Bl. 16r und 17r sowie 19r. 407 Vom 26. August 1786 datierte das von Friedrich Wilhelm II. unterschriebene und gesiegelte Patent als Geheimer Oberfinanzrat für den bisherigen Kammerrat Woellner. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 30, Bl. 41r–42r. 408 Die Instruktion für Woellner als Bauintendant über alle Immediat-Bauten datierte vom 30. Oktober 1786. AaO Bl. 6r–14v. Eine gesiegelte Abschrift findet sich aaO Bl. 1r–5v. Das Ober-Hofbauamt besorgte die Bausachen der Königlichen Schlösser und Privathäuser, die in Berlin und Potsdam auf königliche Rechnung gebaut wurden. Handbuch über den königlich preußischen Hof und Staat auf das Jahr 1794, 10. Nach Woellner erhielt Michael Philipp Boumann, der zuvor Oberhofbaurat in Berlin gewesen war, die Intendantur. AaO 11. 409 Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, IV–V (1865, ND 1972), 746–774, hier 759 und Philippson, Geschichte, Bd. 1, 182.

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

war, mitarbeiten dürfe410. Woellners Kenntnisse könnten hier verschiedentlich „wesentlichen Nutzen“411 stiften. Er sollte sich am kommenden Montag, dem 5. Februar, um 9 Uhr auf dem Königlichen Regiehaus einfinden. Chef des neuen umfassenden Kombinierten Departements war Hans Ernst Dietrich v. Werder412. Woellner trat als Geheimer Finanzrat in das Kombinierte Departement ein. In Bauangelegenheiten legte Woellner Wert auf die Ästhetik Berlins. Als der Kammerdiener Dupont um einen Bauplatz im Tiergarten bat, entschied Woellner, daß Duponts Gesuch stattgegeben werden solle, wenn auf der gewünschten Stelle ein Haus „ohne Verunzierung“ des Tiergartens erbaut werden könne413. b) Die Dispositionskasse Die Aufsicht über die Dispositionskasse behielt Woellner bis zum Ende seiner Amtszeit414. In die Dispositionskasse flossen die Überschüsse der jährlichen Staatseinkünfte über die etatmäßigen Ausgaben sowie einige Steuern und Regalien; sie war „nach weiser Oeconomie der Preußischen Regenten bestimmt zur Deckung der Ausfälle und zu andern unvorhergesehenen Ausgaben“415. Unter Friedrich II. konnte kein Minister die Einkünfte dieser Kasse bemessen. Mit der Führung der Dispositionskasse erhielt Woellner eine besondere Gewalt neben und über den Finanzministern. Allein für die üppigen „Winter Lustbarkeiten“ im Karneval des Winters von 1787 auf 1788 beanspruchte der verschwenderische König vierzigtausend Taler Wintergelder416. 410

GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 33, Bl. 3r. Ebd. 412 Philippson, Geschichte, Bd. 1, 245–252. 413 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 14, Bl. 7v [Konzept]. 414 Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, IV–V (1865, ND 1972), 746–774, hier 759 und Philippson, Geschichte, Bd. 1, 191 f. 415 [Teller,] Denkschrift, 12 f. 416 GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 658, Bl. 14. Auch im Jahr zuvor belief sich die Rechnung für die Karnevalsfêten auf eine große Summe von 34.250 Reichstalern, 7 Groschen und 3 Pfennigen. Überdies hatte der König zusätzlich 3.000 Reichstaler aus der Dispositionskasse erhalten. GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 657, Bl. 6. Die Summe von 40.000 Reichstalern wurde auch in den folgenden Jahren gezahlt. GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 659, Bl. 14. Pro Trinitatis 1787 (für den Zeitraum vom 1. Juni 1786 bis Ende Mai 1787) belief sich die Summe aller Einnahmen auf 10.464.348 Reichstaler, 16 Groschen und 6 Pfennige (GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 657, Bl. 1–4) und die Summe aller Ausgaben auf 9.803.140 Reichstaler, 4 Groschen und 3 Pfennige. AaO Bl. 5–17. Die Ausgaben waren in fixierte und extraordinäre Ausgaben unterteilt. Zu den extraordinären Ausgaben zählten zum Beispiel 8.000 Reichstaler zum Pferdeankauf und zur Instandsetzung des Gestüts zu Trakehnen laut Ordre vom 8. Mai 1788. AaO Bl. 10. Bischoffwerder erhielt eine einmalige Zahlung von 6.000 Reichstalern. Ebd. Während ansonsten bei den Ausgaben der Verwendungszweck genannt ist, fehlte hier eine nähere Angabe. An Dörnberg und Woellner gingen laut Kabinettsordre vom 2. April 411

X. Der Aufstieg an die Spitze des Geistlichen Departements

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c) Reformierte Liturgie Am 14. Dezember 1787 verfaßte Woellner für den König eine Kabinettsordre an Dörnberg417. Gern wolle er auf die Bitte Dörnbergs vom 12. Dezember hin

1790 jeweils 500 Reichstaler. AaO Bl. 27. Überdies erhielt Woellner „zu einem gewißen Behuf “ nach einer Kabinettsordre vom 1. Februar 1790 300 Reichstaler. Ebd. Am 25. Juli 1789 bestätigte Woellner durch Unterschrift, daß die Angaben über die Dispositionskasse nach den Belegen richtig waren. AaO Bl. 17. Als Bestand blieben also 661.208 Reichstaler, 12 Groschen und 3 Pfennige. AaO Bl. 18. Pro Trinitatis 1788 belief sich die Summe der Einnahmen auf 8.165.818 Reichstaler, 20 Groschen und 2 Pfennige (GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 658, Bl. 2–8) und die Summe aller Ausgaben auf 7.490.269 Reichstaler und 11 Groschen. AaO Bl. 9–32. Woellner hatte nach einer Kabinettsordre vom 8. Juli 1788 für Bergwerksversuche 1.200 Reichstaler erhalten. AaO Bl. 26. Am 3. Oktober 1790 bestätigte Woellner die sachliche Richtigkeit der Aufstellung. AaO Bl. 32. Als Bestand blieben 675.549 Reichstaler, 9 Groschen und 2 Pfennige. AaO Bl. 33. In der Aufstellung Ende Mai 1789 belief sich die Summe der Einnahmen auf 6.965.354 Reichstaler, 10 Groschen und 5 Pfennige (GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 659, Bl. 2–8) und die Summe der Ausgaben auf 6.543.262 Reichstaler, 18 Groschen und 9 Pfennige. AaO Bl. 9–29. Woellner bestätigte am 18. März 1791 die sachliche Richtigkeit. AaO 29. Als Bestand blieben 422.091 Reichstaler, 15 Groschen und 8 Pfennige. AaO Bl. 30. In der Aufstellung Ende Mai 1790 beliefen sich die Einnahmen auf 5.224.314 Reichstaler, 19 Groschen und 9 Pfennige (GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 660, Bl. 2–8) und die Ausgaben auf 4.784.841 Reichstaler, 12 Groschen und 3 Pfennige. AaO Bl. 9–30. Der König erhielt laut Kabinettsordre vom 9. Juni 1790 28.000 Reichstaler, vom 30. September 1790 2.000 Reichstaler und vom 7. Oktober 1790 3.000 Reichstaler. AaO Bl. 17. Allein für „Champagner Wein“ wurden nach einer Ordre vom 19. Januar 1791 4.431 Reichstaler und 16 Groschen gezahlt. AaO Bl. 21. Woellner erhielt nach einer Kabinettsordre vom 19. Mai 1790 „zu einem gewißen Behuf “ 5.000 Reichstaler (aaO Bl. 25) und nach einer Kabinettsordre vom 30. Mai 1790 ebenfalls „zu einem gewißen Behuf “ 20.000 Reichstaler (ebd.). An Bischoffwerder ergingen durch eine Kabinettsordre vom 13. März 1791 „zu einem ihm allein bekandten Behuf “ 3.000 Reichstaler. Ebd. Als Bestand blieb eine Summe von 439.473 Reichstalern, 7 Groschen und 6 Pfennigen. AaO Bl. 31. In der Aufstellung Ende Mai 1791 beliefen sich die Einnahmen auf 4.862.369 Taler, 7 Groschen und 3 Pfennige (GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 661, Bl. 2–9), die Ausgaben auf 4.750.968 Taler, 8 Groschen und 7 Pfennige. AaO Bl. 11–45. Als Bestand blieb eine Summe von 111.400 Talern, 22 Groschen und 8 Pfennigen. AaO Bl. 46. Laut einer Kabinettsordre vom 23. April 1794 [sic] hatte Woellner „zu einem gewißen Behuf “ 12.000 Taler erhalten. AaO Bl. 38. Ende Mai 1792 belief sich die Summe der Einnahmen auf 5.367.295 Taler, 11 Groschen und 3 Pfennige. GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 662, Bl. 2–8. Die Summe der Ausgaben belief sich auf 5.158.293 Taler, 6 Groschen und 4 Pfennige. AaO Bl. 9–31. Es blieb ein Bestand von 209.002 Talern, 4 Groschen und 11 Pfennigen. AaO Bl. 32. Nach einer Kabinettsordre vom 7. Januar 1792 erhielt Woellner 9.000 Taler. AaO Bl. 24. Ende Mai 1793 belief sich die Summe der Einnahmen auf 4.876.342 Taler, 5 Groschen und 8 Pfennige. GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 662/1, Bl. 2–8. Die Summe der Ausgaben belief sich auf 4.835.605 Taler, 8 Groschen und 2 Pfennige. AaO Bl. 9–34. Als Bestand blieben also 40.736 Taler, 21 Groschen und 6 Pfennige. AaO Bl. 35. Nach einer Kabinettsordre vom 25. Februar 1794 erhielt Woellner 9.000 Taler. AaO Bl. 31. Ende Mai 1795 belief sich die Summe der Einnahmen auf 3.485.344 Taler, 10 Groschen

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

erlauben, für die reformierten Gemeinden „zur Beförderung der christlichen Erbauung bei dem öffentlichen Gottesdienste“418 eine neue, verbesserte Liturgie zu verfassen419. Keineswegs aber sollten nur einige wenige junge Geistliche – die Dörnberg vorzuschlagen gedachte – dieses Werk allein übernehmen, denn er, der König, halte eine Agende für eine außerordentlich wichtige Sache, „zumahl bei jetzigen für die reine christliche Religion so äußerst gefährlichen Zeiten, da man sich vor dem ansteckendem Gift der so genannten Aufklärer nicht genug in Acht nehmen kann“420. Alle reformierten Berliner Prediger sollten daher unter der Leitung des Hofpredigers Ludwig Ramm zusammenarbeiten. Wenn die Arbeit beendet sein werde, müsse das Werk an alle reformierten Konsistorien und Presbyterien zum Gutachten und zur Approbation geschickt werden; zuletzt obliege es Friedrich Wilhelm II., das Werk zu bestätigen. Friedrich Samuel Gottfried Sack, der von dieser Kabinettsordre Kenntnis genommen hatte, fürchtete um seine Stellung beim König, so daß er sich in seiner Eigenschaft als Oberhofprediger am 18. Dezember 1787 an den König wandte. Bereits am Folgetag erreichte ihn eine antwortende Kabinettsordre421: Die an Dörnberg ergangenen Bestimmungen wegen der neuen Liturgie rührten „aus keinem Grunde einer Königl[ichen] Ungnade“422 gegen Sack her. Er solle ganz beruhigt sein „und sich nur stets befleißigen, daß auf seine Orthodoxie ferner Nichts Unrechtes gesagt werden könne“. Bei seinem Unterricht der königlichen Kinder „in der reinen Christl[ichen] Religion“ solle er genau darauf achten, daß sie „nach dem Glaubensbekenntniß der reformirten Kirche, für alle Neuerungen sorgfältig gewarnet und verwahrt, und diesen jungen Gemüthern die biblischen Lehren von dem allein seelig machenden Glauben an das Verdienst des Erlösers recht dauerhaft“423 eingeschärft werden würden. und 9 Pfennige. GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 663, Bl. 1–9. Die Summe der Ausgaben belief sich auf 3.191.897 Taler, 7 Groschen und 5 Pfennige. AaO Bl. 11–32. Als Bestand blieben 293.447 Taler, 3 Groschen und 4 Pfennige. AaO Bl. 33. Ende Mai 1796 belief sich die Summe der Einnahmen auf 5.789.986 Taler, 14 Groschen und 6 Pfennige. GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 664, Bl. 1–8. Die Summe der Ausgaben belief sich auf 5.302.005 Taler, 12 Groschen und 1 Pfennig. AaO Bl. 9–37. Als Bestand blieben 487.981 Taler, 2 Groschen und 5 Pfennige. AaO Bl. 38. 417 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 1, Bl. 33r. 418 Ebd. 419 Es waren bereits konkrete Klagen laut geworden. Am 25. November 1787 hatten sich aus Königsberg der Direktor, der Hofprediger und die Assessoren des deutsch-reformierten Kirchenkollegiums an den König gewandt. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 16 [MinisterialArchiv 139], Bl. 339r–339v [Abschrift]. Der Nachteil, der aus dem Gebrauch einer schwer zu verstehenden und nur gar zu oft falsch verstandenen, in einer veralteten Sprache abgefaßten Liturgie entstehe, sei groß und werde immer sichtbarer. AaO Bl. 339r [Abschrift]. 420 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 1, Bl. 33r. 421 AaO Bl. 34r [Abschrift]. 422 Ebd. 423 Ebd.

X. Der Aufstieg an die Spitze des Geistlichen Departements

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Zu Beginn des neuen Jahres, unter dem 2. Januar 1788, erhielt der Hofprediger Ramm in einem von Dörnberg unterzeichneten Schreiben Friedrich Wilhelms II. den Auftrag, alle reformierten Prediger in Berlin unter seiner Leitung zur Mitarbeit an der neuen Agende anzuhalten, da der König den vom Königsberger Kirchenkollegium am 25. November 1787 veranlaßten Antrag, eine verbesserte Agende für die reformierten Gemeinden in den königlichen Landen zu veranstalten, genehmigt hatte424. Dörnberg erstattete dem König am 16. April 1788 schriftlich Bericht über die Agendenreform und fügte ein Gutachten Ramms bei. Zwei Tage später, am 18. April, verfaßte Woellner im Namen Friedrich Wilhelms II. eine Kabinettsordre an Dörnberg425. Er pflichte Ramm vollkommen bei, daß man sich bei einer Agendenerneuerung „sehr in Acht nehmen müsse, um nicht den Grund Warheiten und den Lehrbegrif der Christlichen Religion selbst zu verändern, und Seelen irre zu führen, daß sie von dem allein seeligmachenden Glauben an Jesum und das durch ihn geschehene Erlösungs-Werck zur Genugthuung und Versöhnung der Menschen abweichen und also verlohren gehen“426. Mit „Betrübnis“ nehme er immer mehr wahr, „daß unter so vielen Geistlichen ein von denen so genannten Aufklärern angegebener Ton herrschet, der dem alten Glaubens Bekentnis der reinen protestantischen Lehre schnurstracks zuwieder läuft, und dem Unglauben Thür und Thor öfnet“427. Er, der König, werde sich „doch am Ende genöthiget sehen diesem um sich greifenden Übel als Landes Herr auf eine oder andere Art Einhalt zu thun“428. Die innere Gewissensfreiheit ließ Woellner unangetastet: „Es kann zwar ein jeder auf seine eigene Gefahr glauben was er will; allein die Lehrer der Christlichen Religion müssen sich genau an den Lehrbegrif ihrer jedesmaligen Kirche halten, oder sie müssen aufhören Lehrer zu sein.“429 Die alte Liturgie der reformierten Konfession solle also – so die Schlußfolgerung – beibehalten werden. Dörnberg, der für die Mit424 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 16 [Ministerial-Archiv 139], Bl. 340r [Konzept]. Diese Agendenreform fand zustimmenden Beifall. Zum Beispiel wandte sich am 18. Februar 1788 der Garnison- und Feldprediger des v. Lichnowskischen Regiments Christian Wilhelm Krause an den König. Nachdem er erfahren hatte, daß der König dem Berliner reformierten Kirchendirektorium aufgetragen habe, eine „neue Liturgie zu verfertigen“, war er sogleich rasch ans Werk gegangen und hatte einen Entwurf erarbeitet, den er dem König „als einem so offenbahren Verehrer der öffentlichen Gottesverehrung“ nun anzeigte. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 9r. 425 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 1, Bl. 35r. Eine auf den 19. April datierte Abschrift dieser Kabinettsordre findet sich aaO Bl. 36r. 426 AaO Bl. 35r. 427 Ebd. Statt „Unglauben“ hatte Woellner zunächst „Deismus und Naturalismus“ geschrieben. Mit den Begriffen „Deismus“ und „Naturalismus“ meinten die Gegner weniger die konkreten theologischen Richtungen, sondern mehr den Unglauben überhaupt. 428 Ebd. 429 Ebd.

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

arbeit drei Prediger vorgeschlagen hatte, wurde aufgetragen, diesen Predigern „strenge anzubefehlen, darinn weiter nichts als einige Ausdrücke der alten damals noch nicht cultivirten deutschen Sprache abzuändern“430. d) Die Ernennung zum Vorsitzenden Rat des Oberschulkollegiums Im Februar 1787 wurde Woellner als Vorsitzender Rat beim Berliner Oberschulkollegium bestallt431. Zedlitz hatte das Schulwesen vom geistlichen Stand trennen wollen und dieses Anliegen mit der Gründung des Oberschulkollegiums zu verwirklichen gesucht432. Dessen Wirkung blieb faktisch auf das lutherische Schulwesen in Preußen beschränkt. Die Schulen der französischen Kolonie, die jüdischen Schulen und die Militärschulen sollten ihm nach § 5 seiner Instruktion nicht unterstehen. Auch das Joachimsthalsche Gymnasium433 und ganz Schlesien – eine Ausnahme bildeten nur die Ritterakademie zu Liegnitz und das Waisenhaus zu Bunzlau, die dem lutherischen Departement unterstanden – waren dem Oberschulkollegium nicht untergeordnet434. Und auch das reformierte Schulwesen wurde dem Oberschulkollegium entzogen, nachdem Dörnberg Widerspruch eingelegt hatte435. Die königliche Instruktion für das Oberschulkollegium datierte vom 22. Februar 1787436. Das neue Kollegium sollte für die Verbesserung der Schulen sorgen. In das Oberschulkollegium wurden neben Zedlitz und Woellner der Kanzler der Hallenser Universität Carl Christoph v. Hoffmann, der Direktor des Joachimsthalschen Gymnasiums Johann Heinrich Ludwig Meierotto437, der 430

Ebd. Vom 22. Februar 1787 datierte die vom König unterschriebene und gesiegelte sowie auch von Zedlitz unterzeichnete Bestallungsurkunde Woellners zum Vorsitzenden Rat beim Berliner Oberschulkollegium. Der König schrieb, daß er sich von der Behörde „die aufgeklärteste und in diesem Fach bewährteste Männer“ als Mitglieder habe vorschlagen lassen. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 33, Bl. 6. 432 Die Gründung des Oberschulkollegiums ist in der älteren und neueren Forschung häufig und ausführlich dargestellt worden. Vgl. Neugebauer, Absolutistischer Staat, 102–120 und die aaO 104 angegebene Literatur. Vgl. auch Mainka, von Zedlitz und Leipe, 516–598. 433 Die Kabinettsordre an Zedlitz datierte vom 27. April 1787. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt I, Nr. 1, Bl. 27r. Das Joachimsthalsche Gymnasium sollte bei seinen alten Privilegien erhalten bleiben. Seit 1649 stand es unter einem eigenen Schuldirektorium. Zum Joachimsthalschen Gymnasium vgl. Erich Wetzel, Festschrift zum dreihundertjährigen Jubiläum des Königl. Joachimsthalschen Gymnasiums am 24. August 1907, Erster Teil: Die Geschichte des Königl. Joachimsthalschen Gymnasiums 1607–1907, Halle 1907. 434 Die Kabinettsordre an Zedlitz vom 26. Juli 1787 findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt I, Nr. 1, Bl. 33r. 435 Am 9. November 1787 schrieb Dörnberg an Zedlitz. Die Unterordnung sei „verfassungswidrig“. AaO Bl. 77r. 436 Das Konzept der Instruktion findet sich aaO Bl. 14r–17v. 437 Johann Heinrich Ludwig Meierotto war 1742 im pommerschen Stargard geboren worden. 1775 hatte er die Leitung des gänzlich heruntergekommenen Joachimsthalschen 431

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lutherische Professor Gotthilf Samuel Steinbart438 und der Direktor des Friedrichswerderschen Gymnasiums Friedrich Gedike berufen. Außerdem nahm Friedrich Wilhelm II. noch den juristischen Oberkonsistorialrat Carl Franz v. Irwing hinzu439. Woellner verstärkte den kirchlichen Einfluß auf das Oberschulkollegium, indem der Präsident des Oberkonsistoriums v. d. Hagen zum weltlichen Präsidenten des Oberschulkollegiums berufen wurde440. Am 4. März 1789 hob eine Kabinettsordre die alte Bestimmung in der Instruktion des Oberschulkollegiums auf, die festgelegt hatte, daß die Beschlüsse nach der Stimmenmehrheit der Räte zu fassen waren und bloß bei einer Stimmengleichheit das Votum des Ministers die Entscheidung fällen sollte441. Nur noch Woellners Meinung allein sollte nun entscheiden. Dem Oberschulkollegium und dem Oberkonsistorium verblieb also lediglich eine beratende Funktion. Überdies wurde Anfang März Steinbart als Oberschulrat entlassen. Am 27. März 1794 ernannte der König den Oberkonsistorialrat Hermann Daniel Hermes, den Geheimen Rat Gottlob Friedrich Hillmer und den Oberkonsistorialrat Andreas Jakob Hecker zu Oberschulräten. In einem von Woellner unterschriebenen königlichen Spezialbefehl wurden sie angewiesen, sich am folgenden Dienstag, dem 1. April, vormittags um 10 Uhr im Oberschulkollegium zu ihrer Introduktion einzufinden442. Das Oberschulkollegium verfügte über keine eigenen Diensträume, sondern versammelte sich in den Räumen des Armendirektoriums im Turm des Deutschen Domes443.

Gymnasiums übernommen, das durch Meierottos pädagogisches Geschick binnen kurzer Zeit zu einer Musteranstalt wurde. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 52. 438 Zu Steinbart, der das Paedagogium in Züllichau leitete, vgl. Albrecht Beutel, Art. Steinbart, Gotthilf Samuel, in: RGG4 7 (2004), 1700 f. 439 Philippson, Geschichte, Bd. 1, 130 f und Schwartz, Der erste Kulturkampf, 48–53 sowie Heinemann, Schule, 156–162. 440 AaO 160. 441 Ein Extrakt der Kabinettsordre vom 4. März 1789 findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt I, Nr. 1, Bl. 109r. 442 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 35r. 443 Neugebauer, Absolutistischer Staat, 105 f. Unter dem 14. März 1797 erging ein von Woellner unterzeichnetes Anschreiben an die Oberhofbauamtsintendantur. In dem neuen Deutschen Dom, in dem das Armendirektorium und das Oberschulkollegium ihre Sitzungen hielten, werde nach Anzeige des Portiers seit einiger Zeit häufiger ein „Knacken“ gehört. Auch seien in den Mauern, besonders in der Registraturstube des Oberschulkollegiums, binnen kurzem große Risse entstanden. Woellner bat um eine Untersuchung des Doms durch Sachverständige. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt I, Nr. 2, Bl. 1r–1v [Konzept]. Michael Philipp Boumann antwortete unter dem 5. April 1797. Er hatte dem Geheimen Oberbaurat David Friedrich Gilly und zwei Oberhofbauräten eine Untersuchung aufgetragen. Die Untersuchung hatte ergeben, daß keine Gefahr bestand. AaO Bl. 2r. 1798 gehörten zum Oberschulkollegium: Woellner als Chef, v. Irwing als Präsident sowie Meierotto, Gotthilf Samuel Steinbart, Gedike, Hillmer, Hermes und Hecker als Oberschulräte. Handbuch über den koniglich [sic] preußischen Hof und Staat für das Jahr 1798, 274.

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Da in der Instruktion für das Oberschulkollegium die Aufsichtsorgane der unteren Instanzen bestätigt worden waren, blieb die Schulaufsicht in den Händen der Landeskonsistorialverwaltung. Freilich beschäftigten sich die Konsistorien mehr mit den Lateinschulen und mit grundsätzlichen Fragen der niederen Schulen als mit den niederen Schulen selbst, die nahezu ganz den entsprechenden Ortsgeistlichen unterstanden444. Erschwerend für Reformbestrebungen waren auch die komplizierten Verwaltungszuständigkeiten. Lutherische, reformierte, französisch-reformierte und römisch-katholische (schlesische) Schulen unterstanden jeweils einem Departement. Daneben wirkten die Provinzialregierungen als Justizverwaltungsbehörden, und außerdem existierten noch die Kriegs- und Domänenkammern, die sich mit schulischen Bauangelegenheiten zu beschäftigen hatten445. Das vom 3. März 1797 datierende Ressortreglement für Neuostpreußen gab das Schulwesen dann in den Zuständigkeitsbereich der Kriegs- und Domänenkammern, denen nun alle geistlichen Angelegenheiten und die Schulsachen übertragen wurden446. Dieses „Reglement wegen Vertheilung der Geschäffte zwischen den Neu-OstPreußischen Landes-Collegiis“447 bestimmte in § 4, daß zum Ressort der Kriegs- und Domänenkammern alle „sowohl catholische[n] und griechische[n]“ als auch protestantischen Kirchen- und Schulangelegenheiten gehörten. § 7 spezifizierte, daß in allen diesen Angelegenheiten also den Kammern allein das Recht gebühre, Anordnungen und Verfügungen zu treffen. Die Regierungen dürften sich nicht einmischen. e) Die Erhebung zum Chef des Geistlichen Departements Noch war der Justizminister Karl Abraham Freiherr v. Zedlitz und Leipe, den Friedrich II. 1771 als damals Vierzigjährigen zum Minister des Geistlichen Departements ernannt hatte448, zuständig für das lutherische Kirchen-, Universitäts- und Schulwesen. 444

Sowohl die ältere als auch die neuere Literatur beschreibt Staat und Schule im 18. Jahrhundert als eng aufeinander bezogen. Ausführliche Literaturhinweise bei Neugebauer, Absolutistischer Staat, 28 Anm. 72. „Es bleibt mithin als Forschungsziel zu bestimmen, wie das Verhältnis von absolutistischem ‚Staat‘ und (insbesondere niederer) Schule sich in der Realität gestaltete, ob und in welchem Maße die Schule im Preußen des Absolutismus ‚staatsunmittelbar‘ gewesen ist.“ AaO 32. Neugebauer konstatiert in seinem Forschungsergebnis eine „überstarke Dominanz der lokalen Herrschaften“. AaO 165. 445 Heinemann, Schule, 169–175. 446 Walther Hubatsch (Hg.), Urkunden und Akten zur Geschichte der preußischen Verwaltung in Südpreußen und Neuostpreußen, 1961, Nr. 185, 331 f. 447 GStA PK, I. HA, Rep. 84, VII, Nr. 523, unpag. 448 Philippson, Geschichte, Bd. 1, 45 f. Zedlitz propagierte im Erziehungssystem eine natürliche Einordnung durch Geburt und Stand. Auch das Allgemeine Landrecht bestätigte die ständische Ungleichheit. Thomas Theisinger, Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen Religionsedikt und im System des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten aus dem Jahre

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Als das Ende Friedrichs II. nahte, hatte Woellner bereits seinen unbedingten Wunsch, Chef des Geistlichen Departements zu werden, durch die rosenkreuzerische Verbindung mit dem Kronprinzen zu verwirklichen gesucht. Am 18. März 1786 hatte er daher an Bischoffwerder, seinen „Hertzens Freund“449, geschrieben. Wenn „O. M.“450 es für eine Fügung Gottes halte, vor dem Antritt seiner Regierung praktischen Unterricht zu erhalten, erkenne auch er, Woellner, ebenfalls „die Hand der Vorsehung“ für ihn selbst darin, daß der Kronprinz „just mich“ erwählt habe, ihm diesen Unterricht zu geben. Der Kronprinz könne dann, erstens, Vertrauen zu ihm fassen und ihn, zweitens, „ganz“ kennenlernen als einen „ehrlichen und vielleicht auch nicht ungeschickten Menschen den er mit Zuverläßigkeit brauchen kann“. Überdies werde er vielleicht, drittens, bewogen, Woellner „die große Angelegenheit der Religion Jesu, in seinen Staaten ganz anzuvertrauen“. Woellner sah sich als künftigen Retter des Landes: „Ach! Hertzens Brüderchen! wie freudig will ich Gott auf meinem Sterbe Bette dancken, wenn ich das unwürdige Instrument in der Hand von O. gewesen bin, millionen Seelen vom Untergange zu retten, und ein ganzes Land wieder zum Glauben an Jesum zurück zu bringen. Zugleich aber bringe ich ja dadurch tausendfachen leiblichen Seegen auf alle Unterthanen, und auf die geheiligte Person des Königs selbst.“451 Er überlasse Bischoffwerder als seinem treuen Freund sein ganzes zeitliches Glück. Seine glückliche Lage im Orden werde ihn zwar gewiß in kurzer Zeit dahin bringen, daß er für seine Person sich selbst genug sein werde und er ohne allen menschlichen Beistand höchst zufrieden leben könne. Wenn er aber dem König und dem Land nützlich werden wolle, fuhr Woellner offensiv fort, müsse er „in profanen Verhältnissen, Schritte vorwärts thun, die vielleicht mancher andere, nur aber Sie gewiß nicht tadeln, weil Sie mein Freund sind und mich lieb haben“452. Woellner beneidete Bischoffwerder, der als Cavalier und Staatsoffizier öffentlich der Freund des Königs sein und ihn täglich sehen und sprechen konnte, ohne daß die Öffentlichkeit daran Anstoß nehmen könne. „Ganz anders moi pauvre Roturier!“453 Er selbst gelte in den Augen des Publikums immer „für eine elende Mouche“, wenn ihn der König in seiner

1794. Eine rechtsgeschichtlich-rechtsdogmatische Untersuchung, Diss. masch., Heidelberg 1975, 31. 1776 wählte die Akademie der Wissenschaften den Schlesier Zedlitz ob seiner Verdienste um den öffentlichen Unterricht zu ihrem Ehrenmitglied. Trendelenburg, Friedrich der Große, 20. 449 GStA PK, BPH, Rep. 48, F II, Nr. 9, Bl. 99ar-99br. 450 Mit „O. M.“ kürzte Woellner den Rosenkreuzernamen des Kronprinzen, „Ormesus Magnus“, ab. 451 AaO Bl. 99ar. „O.“ steht als Abkürzung für „Ormesus“. 452 AaO Bl. 99av. 453 Ebd.

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gegenwärtigen Situation sehe und spreche. Und daß der König ihn oft sehen und sprechen möge, sei sein „hertzlicher Wunsch“. Es sei zwar sonst sein Grundsatz, daß man, wenn man hochstehenden Personen Gefälligkeiten erweise, niemals auf Erkenntlichkeit rechnen dürfe454, Ormesus Magnus jedoch stelle hier gewiß eine Ausnahme dar. Wenn der Kronprinz in den neuen samtenen Büchern455 etwas lese, das ihm gefalle, denke er zugleich „gütig und gnädig“456 an den Verfasser. Außerdem sei er Friedrich Wilhelm im Orden schon „sehr nützlich“ gewesen und könne es auch künftig weit mehr sein. „Verdienet dis alles wohl nicht einige Vergeltung von seiner Seite? – Und was kostet ihm [sic] diese? – Ein paar Federstriche, dadurch er noch wieder den Nutzen für sich hat, daß er auf diese Weise einen treuen Diener erhält, der sein Leben aus Danckbarkeit für ihn aufopfern würde. Wenn ich dis so alles überlege, so dencke ich zugleich dabei: Da ist doch Stoff genug für meinen Freund, den er zu deinem Besten nutzen kann. Da edler Mann! haben Sie alles. Basta!“457 Bereits fünf Tage später, am 23. März, wandte sich Woellner wiederum schriftlich an Bischoffwerder458, nachdem dieser eine Schilderung der Geschichte von Woellners Vorfahren erbeten hatte459. Woellner wollte sie ihm „ganz kurtz“ schreiben „und meinen ganzen Lebens-Plan dazu; denn jeder Mensch macht sich doch gern einen Plan für die Zukunfft, und wenn er auch ofte nicht erfüllet wird“. Seine Familie sei von altem österreichischen Adel, denn einer der alten Kaiser aus dem Hause Habsburg habe zwei Brüder Woellner nobilitiert und den einen zum Oberjägermeister und den anderen zum Oberküchenmeister gemacht460. Als Wappen hätten die Gebrüder deshalb einen springenden Hund mit einem Löffel im Maul erhalten. Diese beiden Brüder bildeten dann zwei Linien, von denen die des Oberjägermeisters in späteren Zeiten evangelisch geworden war, während die Nachkommen des Oberküchenmeisters katholisch geblieben waren. Diese katholische Linie war ausgestorben. Seine Vorfahren stammten also von dem Oberjägermeister ab und hätten in Sachsen noch zur 454

AaO Bl. 99br. Woellners Vorträge für den Kronprinzen wurden in Samt eingebunden. 456 GStA PK, BPH, Rep. 48, F II, Nr. 9, Bl. 99br. 457 Ebd. 458 AaO Bl. 99cr-99dv. Entgegen der Angabe von Lindemann ist dieser Brief im Original erhalten. Quellen zur Geschichte der Dörfer Groß und Klein Behnitz. Archivalische Quellen 1174/76 – 1989, Beiträge zur Geschichte der Dörfer Groß und Klein Behnitz (Havelland) 21, bearbeitet von Stefan Lindemann, Potsdam 2006, 848g. 459 GStA PK, BPH, Rep. 48, F II, Nr. 9, Bl. 99cr. 460 Nachforschungen, die in Wien angestellt worden waren, brachten jedoch kein bestätigendes Ergebnis. Vgl. ein Schreiben aus Wien vom 5. Juli 1786. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 28, Bl. 13r–13v. 455

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Zeit des Dreißigjährigen Krieges angesehene adlige Chargen bekleidet. Der letzte adlige Woellner war Forstmeister im Thüringer Wald, ehrlich aber arm, und ließ daher seinen Sohn, Woellners Großvater, Theologie studieren461. Er müsse „etwas einfältig“462 gewesen sein, denn er habe alle Familiendokumente verbrannt, damit seine Söhne Theologen blieben und sich nicht zum Stolz verleiten lassen sollten, wenn sie ihre Herkunft dokumentieren könnten. Bischoffwerder wisse, betonte Woellner, daß er „vor Begierde brenne“, seine noch übrigen Lebensjahre recht gut anzuwenden463. Gewönne er seinen alten Familienadel wieder, stünde dem König nichts mehr im Wege, ihm einen großen Wirkungskreis anzuweisen. Woellner formulierte seine Pläne ganz konkret: „Indessen wünschte ich doch jezt nicht mehr, mich vor Excellenzen zu bücken, und in Finanz-Sachen zu arbeiten, als nur wenn mir der König etwan besondere Commissiones auftrüge; sondern ich wünschte vielmehr im Geistlichen Fache angestellet zu werden, wo ich die kurtze Zeit meines noch übrigen Lebens vor die Ewigkeit noch beßer arbeiten, und meinen nähern Beruf als Ordens-Bruder zugleich erfüllen könnte: die Religion Jesu wieder empor zu bringen, und die Aufklärer zu dehmüthigen.“464 Auch die Ordensoberen würden es Ormesus Magnus wohl recht hoch anrechnen, wenn er ihren Oberhauptdirektor zum Besten der Religion in seinen Staaten brauchte; „car Vous saves que de tout tems j’ai été l’Enfant gaté de l’Ordre“465. Außerdem wollte Woellner seinen Adel wiedererhalten, weil er sich, je näher ihn Ormesus Magnus durch Staatsbedienungen zum Fuß des Thrones bringe, um so mehr dessen Person nähern dürfe, ohne daß das Publikum etwas dagegen sagen könne, da man ihn sonst immer – Woellner wiederholte den Ausdruck des vorangegangenen Briefes – „für eine elende Mouche“ halten und ihn in der Gesellschaft meiden würde466. Immer wieder suchte sich Woellner beim König zu insinuieren und auch die rosenkreuzerische Verbindung zu nutzen. Am 15. Juli 1787 schrieb er an 461

GStA PK, BPH, Rep. 48, F II, Nr. 9, Bl. 99cr. AaO Bl. 99cv. 463 Woellner sprach von sechs Lebensjahren, die ihm noch bleiben würden. 464 AaO Bl. 99dr. 465 Ebd. 466 Ebd. „Ich wiederhole es Ihnen, liebster Bruder! Meine Seele kennet keinen Stoltz, als nur den edlen Stoltz des Patrioten, einen recht großen Wirkungs-Kreis zu haben, um seinem Könige den er liebt, recht große und viele Dienste zu leisten. Alles hängt bloß von seinem Willen ab. Will Er mich brauchen, so stehe ich ihm mit meinem Leben dafür: es soll ihm niemals gereuen. Will es der König nicht? Nun so ziehe ich mich in mein Schnecken-Häußgen zurück, lebe die paar Jahre stille für mich, und wünsche allen denen die das Glück haben einem so guten Könige zu dienen, meine Thätigkeit, und vor allen Dingen, meine Ehrlichkeit. Iezt habe ich mein Hertz in den Busen meines Freundes ganz ausgeschüttet; machen Sie hievon jeden Gebrauch der Ihnen gut düncket, und nun sage ich: Fiat voluntas Domini!“ AaO Bl. 99dv. 462

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Friedrich Wilhelm II., nachdem er Güter hatte ankaufen wollen, dann aber, da der König nicht geantwortet hatte, von diesem Ansinnen abgewichen war467. Von seinem eigenen Vermögen allein könne er die notwendigen Kosten nicht aufbringen. Er hatte dem ganzen benachbarten Adel zeigen wollen, wie man auf Ritteracker neue Familien von Landeskindern, und nicht von Kolonisten ansiedeln könnte. „Ich bin so ein närrischer Mensch, deßen übertriebener Patriotismus keine Gräntzen kennet“ und der sich daher dem König stets in einem falschen Licht darstelle. Dieser halte ihn nun vermutlich für habgierig. Seine verbleibenden wenigen Lebensjahre wollte er aus Liebe zu Friedrich Wilhelm II. gern noch „recht nützlich“ verbringen, „und Gott seegnet mich dabei augenscheinlich“. Woellner lobte sein eigenes Schaffen: „Im CommerzFache gehet es ganz vortreflich, und bei dem Bau-Wesen mache ich am Ende noch lauter ehrliche Leute.“ Aber es tue ihm „so wehe“, daß er doch noch immer fürchten müsse, daß der König „wenigstens eine Art von Mistrauen in mich setzen und mir diese oder jene versteckte Absichten zutrauen“. Es werde dem Monarchen nach Woellners Tod leid tun, ihn als Ordensbruder in dieser Weise beurteilt zu haben. „Ich kann meinem besten Könige noch nützlich sein, den kleinen Überrest meines Lebens will ich gern dazu aufopfern.“ Die Zeit verrann, so daß Woellner seine Bemühungen intensivierte. Am 12. April 1788 schickte er an Bischoffwerder, seinen „Hertzens Freund“468, das Konzept von einem Bericht an Ormesus Magnus wegen Johann Christoph Valentin v. Triebel oder vielmehr der „armen“ christlichen Religion in den Preußischen Staaten. Es sei „schlechterdings nothwendig“, daß Bischoffwerder und Karl Adolph Graf v. Brühl, der den Ordensnamen Ocarus trug, das violettsamtene Buch, das Woellners „Abhandlung von der Religion“ enthielt469, „pro informatione“ gegeben werde. Woellner bekannte: „hierinn habe ich schon damals alles vorgearbeitet und vorbereitet, im Fall man vor gut finden mögte, mir in dem Kriege gegen die Aufklärer das General-Commando anzuvertrauen.“ Wolle ihm Bischoffwerder nach der bewährten alten Freundschaft behilflich sein, so wäre „die Marche“ folgende: Der König möge den Großkanzler Carmer herüberkommen lassen und ihm sagen, daß Dörnberg, der überhaupt beständig krank war, pensioniert und Zedlitz an dessen Stelle beim Tribunal plaziert werden solle. Auch der verstorbene Münchhausen habe seinerzeit, suchte Woellner die Härte des Vorschlags zu relativieren, vom Geistlichen Departement zum Tribunal übergehen müssen. Carmer wird „mit Freuden hiezu die Hand bieten“. Dörnberg behielte seine ganze Einnahme und ihm, 467

GStA PK, BPH, Rep. 48, F II, Nr. 8, Bd. 1, Bl. 46r. AaO Bl. 48r. Vgl. auch Philippson, Geschichte, Bd. 1, 208 f. 469 Zu der „Abhandlung von der Religion“ vgl. Kapitel A.VI.2. 468

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Woellner, brauchte der König nicht einen Reichstaler mehr zu geben als bislang, weil er alle seine gegenwärtigen Ämter beibehalten könne. Überdies sei beim Geistlichen Departement die Arbeit für den Chef wegen der Vielzahl an Räten nur gering, „und bloß im Anfange würde ich mich etwas zusammen nehmen müssen, um das stabulum augaei auszumisten“. Woellner schloß scheinbar demütig: „Nun alles was Gott, der König, und Sie wollen.“ Woellners Bericht an Friedrich Wilhelm II. wegen Triebel datierte vom 11. April 1788470. Dieser Bericht sei der wichtigste, den er dem König jemals erstattet habe, da er die Religion in Preußen betraf. Bislang sei der König um das zeitliche Wohl der Untertanen bemüht gewesen, und nun werde die ewige Glückseligkeit von Millionen unsterblicher Seelen in den Blick genommen. Der König wolle die „alte reine“ christliche Religion in Preußen erhalten wissen, und der Oberkonsistorialrat Triebel, ein frommer Mann, zeige in der Einlage, wie Zedlitz diesem Ansinnen entgegenarbeite. Die Aufklärer würden durch Zedlitz von neuem Mut erhalten, „und die Sache ist in der That schlimmer als sie jemals war“. Woellner trug keine Bedenken, den Aufsatz beizulegen, der ihm von Bischoffwerder, dem gegenüber der „arme“ Triebel sein ganzes Herz ausgeschüttet hatte, gegeben worden war, und bat Friedrich Wilhelm II., diesen Aufsatz zu lesen. Sodann aber riet er ihm, diese wichtige Sache, die zu den landesherrlichen Regierungsgeschäften gehöre, die aber Zedlitz „leider!“ während der letzten zwanzig Jahre alleine „und Gott weiß es, schlecht genug“ geführt habe, „völlig“ als eine Ordensangelegenheit zu behandeln. Der König möge die Gnade haben, das Buch über die Religion zu kommunizieren, das er Woellner zu Kronprinzenzeiten auszuarbeiten befohlen hatte und das in einem violettsamtenen Band eingebunden war. Nachdem sich die Ordensoberen mit Hilfe dieses Bandes von der ganzen „traurigen“ Lage der christlichen Religion in den Preußischen Staaten in Kenntnis gesetzt hätten, möge Friedrich Wilhelm II.471 einen Abend verwenden, um mit Farferus, also Bischoffwerder, und Ocarus, also dem Grafen v. Brühl, zu beratschlagen, wie diesem großen Übel entgegengesteuert werden könnte. Der König glaube sicherlich, daß eine solche Unterredung nicht ohne Segen sein werde, und der Orden werde es seinem gekrönten Ormesus Magnus gewiß sehr hoch anrechnen, diesen Schritt zum Besten der guten Sache und zur „Beförderung des Glaubens an Jesum“ für viele tausend Menschen getan zu haben. Friedrich Wilhelm II. möge Triebel, wie er es sich selbst wünschte, zu dem schlesischen Präsidenten v. Seidlitz schicken, damit er von der Verfolgung des Zedlitz befreit werde. Abschließend schärfte Woellner dem König nochmals 470 471

GStA PK, BPH, Rep. 48, F II, Nr. 8, Bd. 1, Bl. 50r–50v [Konzept]. AaO Bl. 50r [Konzept].

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ein, gegen die Aufklärer vorgehen zu müssen: Der „Verfolgungs Geist“ der Aufklärer gegen die „ächten Christen“ „gehet sehr weit“472. v. Seidlitz, der in vertrauter Freundschaft zu Hermann Daniel Hermes stand, war Präsident der Breslauer Oberamtsregierung. Im Sommer 1787 entzog Friedrich Wilhelm II. v. Zedlitz zugunsten von v. Seidlitz das große Gebiet Schlesiens473. Und auch Triebel wurde für seine Denunziationen belohnt. Am 5. August 1788 berichtete Woellner dem König, daß Triebel es „um die Sache der Religion recht hertzlich gut“474 meine und dieser in Schlesien im dortigen Schulwesen als Direktor unter dem alten Präsidenten v. Seidlitz ganz vortreffliche Dienste leisten könne. Am folgenden Tag übersandte Woellner dem König die entsprechende Kabinettsordre zur Vollziehung475. Ausdrücklich empfing Triebel Dank für „Euren Eifer und guten Willen zur Beförderung der christlichen Religion in Meinen Staaten“476. Am 3. Juli 1788 – nahezu zwei Jahre nach Friedrich Wilhelms II. Thronbesteigung – erfüllte sich mit der Berufung zum Chef des Geistlichen Departements in lutherischen und katholischen Angelegenheiten dann endlich Woellners berufliche Wunschvorstellung477. Im siebenundfünfzigsten Lebensjahr hatte er vorerst sein Ziel erreicht. Mit Woellners Amtsantritt wurden die Ressorts im Justizministerium neu strukturiert, so daß er eine stärkere Position erhielt, als sie Zedlitz ehedem innegehabt hatte478. Die geistlichen Angelegenheiten gehörten zum Geschäftszweig der Justiz. Zuvor hatte es vier, prinzipiell gleichgestellte Justizminister gegeben, 472

AaO Bl. 50v [Konzept]. Zu der Erhebung von v. Seidlitz, der – offenbar von Hermes beraten – dem König im Frühjahr 1787 einen Entwurf zu einem Reglement für das Breslauer Landschullehrerseminar geschickt hatte, um sich bei Friedrich Wilhelm II. einzuschmeicheln, vgl. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 199 f. 474 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 2r. 475 AaO Bl. 3r. 476 Ebd. 477 Vom 3. Juli 1788 datierte Woellners Ministerpatent. Das von Friedrich Wilhelm II. unterschriebene, gesiegelte Patent findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 30, Bl. 21r–22r. Teller urteilte 1802 in seiner Denkschrift für Woellner nobel: „Was er in dieser Eigenschaft gewirkt hat, ist theils bekannt, theils eignet es sich nicht zu einer Denkschrift dieser Art. Die Academie hat es dabey nicht mit dem Staatsmanne zu thun, sondern mit dem Kenner der Wissenschaften und Schriftsteller, besonders in der Classe, in welcher er ihr Mitglied gewesen ist; und wenn die physische, in der es der Vollendete war, durch NaturKenntnisse, Beobachtungen, Versuche und Erfahrungen auch vorzüglich zur Aufnahme der Landes-Cultur mitwirken soll; so hatte er gewiß es verdient in dieselbe aufgenommen zu werden.“ [Teller,] Denkschrift, 13 f. Freilich irrte Teller in der Datierung: Woellner habe als „Justiz-Minister und Chef des Geistlichen Departements“ 1789 „eine der höchsten Würden im Staat“ erhalten. AaO 13. 478 Jedoch entzog Goldbeck Woellner das 6.000 Reichstaler umfassende Gehalt von Zedlitz. Das betonte Woellner am 8. Oktober 1793 gegenüber dem König. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 2, Bl. 12r. Goldbeck war Woellner also nicht „aufs innigste“ verbunden. Gegen 473

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namentlich Zedlitz selbst sowie Johann Heinrich Casimir v. Carmer, Wolfgang Ferdinand v. Dörnberg und Eberhard Friedrich Christoph Ludwig v. d. Reck479. Woellner, dem die lutherischen Angelegenheiten übertragen wurden, stieß nun zu diesen vier Justizministern hinzu480. Zedlitz wurde mit anderen Aufgaben innerhalb der Justiz abgefunden und bekam den Schwarzen Adlerorden481. Am 8. Juli 1788 wurde Woellner dann in das Oberkonsistorium und in den Staatsrat, der aus den Etatsministern der verschiedenen Departements bestand, eingeführt482. aa) Die Reaktion Johann Salomo Semlers Johann Salomo Semler sprach sich öffentlich für das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 aus. 1788 erschien seine „Vertheidigung des Königl. Edikts vom 9ten Jul. 1788. wider die freimüthigen Betrachtungen eines Ungenannten“483. Und im öffentlichen Kolleg pries Semler das Edikt „als dem Lande vorteilhaft und der Religion zuträglich“484. Am 15. Juli 1788 schrieb Semler gratulierend an Woellner485. Gut vier Monate später, am 2. Dezember, wandte er sich wiederum an den Etatsminister und dankte ihm überschwenglich486. Er habe das Religionsedikt immer als kirchliche Polizeiverordnung verstanden. Die Ungebundenheit mancher Prediger sei der patriotischen Ordnung aller Untertanen sehr nachteilig. Daher habe er sich nicht darum gekümmert, daß selbst in Berlin manche mit seinem BePhilippson, Geschichte, Bd. 2, 51. Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung, 298 und 313–316. 479 Tradt, Der Religionsprozeß, 334 f. 480 Diesen vier Justizministern unterstand nicht Schlesien, das einen eigenen, in Breslau residierenden Justizminister hatte. Theisinger, Die Irrlehrefrage, 6. 481 Zedlitz übernahm von v. d. Reck das spezielle Justizdepartement von Pommern, Magdeburg und Halberstadt, mit Beibehaltung des von ihm bislang schon verwalteten Departements von allen Provinzen jenseits der Weser. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 31, Bl. 34r–35r. Zur Neuverteilung der Amtsgeschäfte innerhalb des Justizdepartements vgl. Mainka, von Zedlitz und Leipe, 611–617. Am 3. Dezember 1789 erhielt Zedlitz die erbetene Demission mit einer ansehnlichen Pension. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 31, Bl. 34r–35r. Gut drei Jahre später, am 19. März 1793, starb er in Kapsdorf bei Schweidnitz. Zu der Entlassung und den letzten Lebensjahren von Zedlitz vgl. Mainka, von Zedlitz und Leipe, 618–633. 482 Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, IV–V (1865, ND 1972), 746–774, hier 763. Am 5. Juli 1788, einem Samstag, hatte sich Hertzberg, dem der König befohlen hatte, Woellner in den Staatsrat einzuführen, an den neuen Etatsminister gewandt. Die Introduktion werde wohl am folgenden Montag um 12 Uhr stattfinden können. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 33, unpag. 483 Johann Salomo Semler, D. Joh. Salom. Semlers Vertheidigung des Königl. Edikts vom 9ten Jul. 1788. wider die freimüthigen Betrachtungen eines Ungenannten, Halle 1788. 484 Das berichtete der Prediger J. W. Blumenthal seinem Freund Woellner am 7. August 1788. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 24, Bl. 42r–43v, hier 43r–43v. 485 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 18, Bl. 3r–4r. 486 AaO Bl. 5r–6v.

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tragen in dieser Sache unzufrieden waren. Ein Gelehrter, betonte Semler, dürfe zu keiner „faction“ gehören487. Semler legte einige Überbleibsel von Luftgold bei, weil er bereits wieder in einem Kolben zu ernten begonnen hatte488. In der Herstellung vom Luftgold erblickte Semler Gottes Wirken: Die Physik und Philosophie wisse in dieser Sache überhaupt nichts: „ich glaube, es ist ein alter Vorsatz, diese ‚geheimen‘ Kenntnisse ganz aus den Augen zu rücken. Alle Spöttermine will ich überwinden, um diese alte Ehre Gottes, wonach er sich auch unter Heiden bekannt machte, wider falsche Christen zu retten, u. wider die falsche Aufklärung; Gott! Immer dar sol deines Namens Ehre, dein Lob in meinem Munde seyn! Unaufhörlich werde ich auch die Segnungen Gottes über den König und über seine Regierung erbitten, um es nicht unwehrt zu seyn.“489 bb) Glückwünsche aus Preußen Anläßlich seiner Erhebung zum Chef des Geistlichen Departements erreichten Woellner aus ganz Preußen Glückwünsche. Dieses Rendezvous mit dem Ruhm sollte freilich letzthin episodisch bleiben. Am 6. Juli 1788 bezeugten der Brandenburger Magistrat490 und am 8. Juli der Bürgermeister und die Räte von Frankfurt an der Oder491 Woellner ihre Ergebenheit. Zwei Breslauer Kommerzienkonferenzräte drückten am 9. Juli ihren Glückwunsch aus492. Am 16. Juli beteuerten die Direktoren, Bürgermeister und Räte Breslaus493, daß sie bereits seit langem Woellners große Qualitäten und Verdienste verehrt hätten. Der Rat der Stadt Magdeburg gratulierte am 11. Juli494. Am 15. Juli versicherten die Regierung und das Konsistorium des Fürstentums Halberstadt Woellner ihres „allervollkomsten Respects“495. Am 25. Juli gratulierten aus Brieg der Präsident und die Räte, die zum Oberschlesischen Oberkonsistorium verordnet waren496. Am 12. Juli meldeten sich die Verordneten der Alt- und Neustädtschen Bürgerschaft der Stadt Brandenburg497. Der Direktor und die Räte, die zur Landesregierung des Fürstentums Meurs ver487 AaO Bl. 6r. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 123 Anm. 1 zitiert diese Passage zuverlässig, freilich in modernisierter Orthographie; versehentlich bietet er jedoch statt „manche“ das weitaus stärkere „viele“. 488 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 18, Bl. 6r. 489 AaO Bl. 6v. 490 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 23, Bl. 1r. 491 AaO Bl. 2r. 492 AaO Bl. 3r. 493 AaO Bl. 11r. 494 AaO Bl. 5r–6r. 495 AaO Bl. 10r. 496 AaO Bl. 19r. 497 AaO Bl. 7r–7v.

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ordnet waren, gratulierten am 24. Juli498. Am 8. August drückte aus Hamm die Königlich Preußische Märkische Kriegs- und Domänenkammer ihren Glückwunsch aus499. Am 8. August 1788 gratulierte aus Geldern das Geldernsche Landesadministrationskollegium500. An seinen Kanzlisten notierte Woellner auf dem Brief nur lakonisch: „Noch Eins.“ Als unter dem 12. August die Königlich Preußische Ostfriesische Kriegs- und Domänenkammer aus Aurich schrieb, bemerkte Woellner wiederum: „Noch Eins“501. Der Kanzlist erwiderte beflissen: „noch 1000! Ewr. Excellenz Befehle machen mich glücklich!“502 Am 14. August gratulierten der Senior und die übrigen Mitglieder des Mindener evangelisch-lutherischen Stadtministeriums503. Auch Lehrer von höheren Schulen brachten ihre Glückwünsche zum Ausdruck: Am 11. Juli meldeten sich die Professoren des Akademischen Gymnasiums in Lingen504, am 15. Juli die Professoren des Königlichen Akademischen Gymnasiums in Stettin505 und am 16. Juli die Lehrer der Königlichen Kadettenanstalt in Stolpe506. Aus Königsberg übersandte unter dem 28. Juli die Königlich Preußische Spezial-Kirchen- und Schulenkommission Glückwünsche507. Auch die Universitäten regten sich. Am 17. Juli gratulierten sehr kurz der Rektor und Direktor sowie die Magister, Doktoren und Professoren der Universität in Frankfurt an der Oder508. Selbstbewußt sprachen am 19. Juli der Kanzler, Prorektor, Direktor und sämtliche Professoren der Königlich Preußischen Friedrichs-Universität in Halle ihre Glückwünsche aus509. Sie erinnerten daran, daß die Hallenser Universität unter dem Schutz der preußischen Könige unter den Universitäten in Deutschland immer einen der ersten Plätze belegt hatte510. Unter Anstrengung aller ihnen von Gott verliehenen Kräfte wollten sie die Universität auch zukünftig als der königlichen Gnade würdig erweisen511 und sich nach besten Kräften bemühen, „durch gewißenhafte Bildung der uns anvertrauten akademischen Jugend, durch gewißenhaften Unterricht in gründlicher Religions-Erkentniß und wahrer und nützlicher Gelehrsamkeit 498

AaO Bl. 18r. AaO Bl. 22r. 500 AaO Bl. 23r. 501 AaO Bl. 25r. 502 Ebd. 503 AaO Bl. 26r–26v. 504 AaO Bl. 4r–4v. 505 AaO Bl. 8r–9r. 506 AaO Bl. 12r–13r. 507 AaO Bl. 21r. 508 AaO Bl. 14r. 509 AaO Bl. 15r–16r. 510 AaO Bl. 15r–15v. 511 AaO Bl. 15v. 499

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

dem Könige und dem Vaterlande brauchbare und glückliche Diener und Bürger zu bilden“512. Am 8. August empfahl sich – nicht explizit gratulierend – die Königsberger Universität513. Als erster unterschrieb als Rektor Immanuel Kant, dann folgten die Professoren, unter denen auch Johann Daniel Metzger war514. Vormals habe die Königsberger Universität – reich an eigenen Gütern und zahlreich mit Lehrern besetzt – weit über ihre jüngeren Schwestern hinausgeragt. Die Milde des neuen Königs habe nun wieder gute Aussichten für die Zukunft eröffnet. Auch Woellner lasse den Wissenschaften „so sichtbarlich“515 Schutz angedeihen. Am 15. November sprachen auf vier großen, engbeschriebenen Seiten die lutherischen Prediger zu Vlotho Dreckmann und Wehrkamp ihren Glückwunsch aus516. Besonders die Prediger hätten in Woellner einen Chef gefunden, dessen das protestantische Kirchenwesen zu diesen Zeiten „so sehr bedurfte“517. Von Woellners Bemühungen um das Kirchenwesen gebe es viele Proben, die bisher „so manchem, bald eine öffentliche, bald eine stille Dankthräne abgelockt“ hätten. Nach dem Lob folgte die materielle Realität: Die Gratulanten, die nur einhundert Reichstaler als Fixum erhielten und das Übrige von den Akzidentien haben sollten, klagten über ihre prekären finanziellen Umstände. Denn Vlotho bestand nur aus 236 Wohnungen, von denen einen ansehnlichen Teil Reformierte und Katholiken besaßen518. Der ältere Prediger hatte, um seinem Sohn ein Theologiestudium in Halle zu ermöglichen, seinen Töchtern jedes Geld entziehen müssen519. Unter den Gratulanten waren auch zwei Männer, die in den kommenden Jahren große Bedeutung in der Kirchenpolitik erlangen sollten520. Am 9. Juli jubelte Hermann Daniel Hermes, daß seine Wünsche für das Land und für seine Zeitgenossen erfüllt seien521: „Danck sey dem guten Könige, der die heilige Sache der Religion treuen Händen anvertraute! Bald wäre alles verwildert!“ Zwei Tage später gratulierte aus Oels der Königliche Hofrat Gottlob Friedrich 512

Ebd. AaO Bl. 24r–24v. 514 AaO Bl. 24v. Metzger hatte bereits am 24. Juli 1788 seine Glückwünsche zu Papier gebracht und Woellner um Protektion gebeten. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 27, Bl. 41r–41v. 515 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 23, Bl. 24r. 516 AaO Bl. 29r–30v. 517 AaO Bl. 29r. 518 Überdies gehörten noch einige Wohnungen jüdischen Besitzern, die in diese Aufstellung nicht einbezogen waren. AaO Bl. 30r. 519 Ebd. 520 Hermann Daniel Hermes und Gottlob Friedrich Hillmer wurden später Mitglieder der Geistlichen Immediat-Examinationskommission. Vgl. Kapitel F.I.1. 521 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 26, Bl. 21r–21v. 513

X. Der Aufstieg an die Spitze des Geistlichen Departements

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Hillmer522. Gedrängt zu diesem Glückwunsch habe ihn „innerer Trieb meines Herzens, das schon längst wahre Verehrung für Ew. Excellenz in sich trug, und inniger FreudenDank gegen die gütige Vorsehung, die unsern Kirchen und Schulen einen Chef gab, der, selbst ein Verehrer Jesu Christi, seine seligste Beschäftigung darin sezn wird, den Schaden am Hause Gottes zu heiln, und das Reich Jesu Christi zu befördern“523. Gott möge Woellner Gesundheit und seinen „besten Seegen“ schenken, damit der neue Minister bis ins hohe Alter „ein gesegnetes Werkzeug“524 in Gottes Hand sein möge. Hillmer beteuerte, daß dies ein Hauptgegenstand seines täglichen Gebets sein werde525. cc) Die Reaktion Gotthilf Samuel Steinbarts Kaum war Woellner Chef des Geistlichen Departements geworden, ersuchte ihn am 7. Juli 1788 der neumärkische Konsistorialrat und außerordentliche Professor der lutherischen Theologie in Frankfurt an der Oder Gotthilf Samuel Steinbart gratulierend um Hilfe526. Da Woellner täglichen Zugang zum König habe und „eines so innigen Zutrauens von Demselben genießt“527, vermöge er „alles, was das gemeine Beste in seinem Departement erheischt, und wozu nur irgends Mittel in den Staatsquellen vorhanden sind, auszuführen“528. Uneingeschränkt lobte Steinbart den Erhobenen: „Aus diesem Gesichtspunkte würde ich daher schon dem Vaterlande und mir zu einem solchen Chef der Kirchenu. Schulsachen aufs stärkste gratuliren, wenn ich auch noch nicht von Ewr Excellenz großen Einsichten, wohlthätigen Gesinnungen und patriotischem Eifer in Beförderung alles gemeinnützigen Guten, in der Nähe überzeugt zu werden Gelegenheit gehabt hätte.“529 Ihm selbst sei das außergewöhnliche Glück zuteil geworden, daß er sich 28 Jahre lang – seit er öffentliche Lehrämter innegehabt hatte – einer fortwährenden Begünstigung seiner drei aufeinander gefolgten Chefs habe erfreuen können. „Wenn ein ofner fromüthiger Character, lebhafter Eifer für das gemeine Beste, und ehrerbietiges, treues u. dankbares Attachement an die Person meiner Vorgesetzten mich in Ewr Excellenz Augen auch Dero Vertrauens empfänglich machen können, so bin ich gesichert, daß ich mich desselben nie verlustig machen werde.“530 Steinbart war daran gelegen, Woellner mit den Angelegenheiten der Züllichauischen 522

GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 17, Bl. 1r–1v. AaO Bl. 1r. 524 AaO Bl. 1v. 525 Ebd. 526 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 1, Bl. 41r–41v. 527 AaO Bl. 41r. 528 Ebd. 529 Ebd. 530 AaO Bl. 41v. 523

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A. Der Werdegang Woellners bis 1788

Schulanstalten vertraut zu machen, und legte ein dreieinhalb engbeschriebene Seiten umfassendes Promemoria „betreffend die besondre Schicksale der Züllichauischen Schulanstalten“531 bei532. In den kommenden Jahren blieb Steinbart nicht unbeachtet. Unter dem 21. April 1789 wurde dem Frankfurter Professor durch ein Reskript verboten, das von ihm angekündigte Kolleg über Tellers „Wörterbuch des Neuen Testaments zur Erklärung der christlichen Lehre“ zu halten; er solle stattdessen über etwas anderes lesen533. Woellner ergänzte eigenhändig, daß er, sollte er diesem Befehl nicht gehorchen, zur Verantwortung gezogen werden würde. In seiner Amtsführung suchte Steinbart die Studenten vom Einfluß des Religionsedikts fernzuhalten, indem er sich die alleinige Ausfertigung der Testimonia für die von der Frankfurter Universität abgehenden Kandidaten anmaßte. Unter dem 8. März 1793 wandte sich daher die Geistliche ImmediatExaminationskommission an den König, nachdem bereits mehrfach Beschwerden eingegangen waren, die sie aber aus Mangel an Beweisen nicht übermittelt hatte534. Nun hielt die Kommission ein Beweisstück vom 11. Mai 1791 in ihren Händen. Durch Steinbarts Verfahren würden die in Frankfurt Studierenden von dem Besuch der Vorlesungen von Nathanael Friedrich From, der das Religionsedikt „vorzüglich ernstlich“ beachtete, abgehalten. Steinbart möge daher befohlen werden, künftig die Testimonia für die von der Frankfurter Universität abgehenden Theologen nach den Voten der übrigen dortigen Professoren und mit den Unterschriften aller Professoren versehen auszufertigen. Doch Steinbart änderte sein Verhalten nicht. Noch ein Jahr später, am 17. Februar 1794, beschwerte sich From, daß Steinbart ihm die auszufertigenden Zeugnisse der Studenten nicht zur Zensur und Unterschrift übersende535. Darauf erging unter dem 4. März ein mahnendes Reskript an Steinbart536. Obwohl der König am 30. März – ohne Angabe von Gründen – gegenüber Woellner betonte, daß Steinbart werde „fort müßen“537, unternahm Woellner einstweilen nichts gegen den Frankfurter Professor. dd) Weite Wirkungsfelder Woellners Woellners verschiedenartige Amtsaufgaben waren weitreichend – im Themenspektrum vielfältig, in der ausgedehnten Verfahrensdauer bisweilen ermüdend. 531

AaO Bl. 42r. AaO Bl. 42r–43v. 533 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 197, Bl. 28r [Konzept]. 534 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 36, Bl. 27r. 535 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 140, Bl. 118r–119r. 536 AaO Bl. 120r [Konzept]. 537 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 84r–85v, hier 85r. 532

X. Der Aufstieg an die Spitze des Geistlichen Departements

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Nicht alle Angelegenheiten, die an ihn herangetragen wurden, gehörten zweifelsfrei zu seinem Ressort. Gelegentlich erreichten ihn Gesuche von bedürftigen Invaliden, die um die Übernahme einer bestimmten Totengräberstelle baten538. Der Invalide Kanonier Wilhelm Henning etwa, dessen gegenwärtige Tätigkeit als Totengräber des dem Artilleriecorps zugehörigen Kirchhofs nicht ausreichte, um seine große Familie zu ernähren, bat am 24. Februar 1790 Woellner, ihm die vakant gewordene Stelle des Totengräbers bei der Werderschen Kirche zu vergeben539. Schmeichlerisch pries er Woellners „allgemein bekannte große Gesinnungen, nach welchen Hochdieselben das Glük der Menschen zu befördern suchen“540, die ihn auf Hilfe hoffen ließen. Woellner aber unterschrieb zustimmend eine Antwortnotiz Zöllners vom 4. März, die Henning an den Berliner Magistrat verwiesen wissen wollte, der über die Vergabe der Totengräberstellen zu verfügen hatte541. Auch die Besetzung des Totengräberpostens bei der Nicolaikirche oblag dem Berliner Magistrat542. Häufig war Woellner mit Stiftsangelegenheiten beschäftigt und hatte dem König über Bittschriften wegen Expektanzen auf Stiftsstellen zu berichten543.

538 Vgl. zum Beispiel drei Fälle in GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 28r–28v und 86r–87r und 79r–79v; 84r–85v. 539 AaO Bl. 2r–2v. 540 AaO Bl. 2v. 541 AaO Bl. 2r. 542 Vgl. den kompliziert gelegenen, sich vom Oktober 1790 bis zum Juni 1791 erstrekkenden Fall um den invaliden Unteroffizier Nicolaus Loschitter. AaO Bl. 5r [Abschrift] – 26r [Konzept]. 543 Vgl. zahlreiche Fälle in GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 E, unpag.

B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten Die vielgestaltige Auseinandersetzung um das Woellnersche Religionsedikt fand wie jedes historische Ereignis vor einem spezifischen Rechtshorizont statt. Zwar trat das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten erst am 1. Juni 1794 in Kraft, die langjährigen Vorarbeiten jedoch begannen bereits im Frühjahr 1780.

I. Zur Entstehung des Allgemeinen Landrechts 1. Die Arbeiten unter Friedrich II. In einer an den Großkanzler Johann Heinrich Casimir v. Carmer gerichteten, ausführlichen Kabinettsordre vom 14. April 1780, „die Verbesserung des JustizWesens betreffend“1, befahl Friedrich II., erstens die Qualität der Justizkollegien durch die ausschließliche Verwendung begabter, pflichttreuer und unparteiischer Männer zu verbessern2, zweitens die Prozeßordnung zu ändern3 und drittens zum einen die Provinzialrechte und die statutarischen Rechte der einzelnen Provinzen zu sammeln und zum andern ein allgemeines Gesetzbuch für die gesamten königlichen Staaten zu verfassen, das von dem in fast allen europäischen Staaten praktizierten Corpus Juris des Kaisers Justinian nur das mit dem Naturgesetz und der zeitgenössischen Verfassung Übereinstimmende beibehalten sollte4. Die Arbeitsreihenfolge war also vorgeschrieben: Erst wenn den Priorität eignenden Provinzialgesetzbüchern Genüge getan sei, sollte das

1 Die Kabinettsordre findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 1, Bl. 22r–28v [Abschrift]. 2 „Denn es ist nicht genug, wenn ein Justiz Bedienter sich vor groben Bestechungen hütet, sondern er muß auch in allen Handlungen seines Amtes ohne die geringste Passion zu Werke gehe [sic], und allen Schein einer Partheylichkeit vermeiden.“ GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 15, Bl. 23v. 3 Die Richter sollten sich schon vor Prozeßbeginn eine fundierte Meinung bilden, damit die Advokaten – die zeitgenössisch allgemein gescholten waren – in ihrem selbstbereichernden Streben eingeschränkt würden. Ebd. 4 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 1, Bl. 27r.

I. Zur Entstehung des Allgemeinen Landrechts

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allgemeine Gesetzbuch als Ergänzung ausgeführt werden5. Besonderen Wert legte Friedrich II. auf die Sprache der Gesetze, die den Menschen, „denen sie doch zu ihrer Richtschnur dienen sollen“6, verständlich sein müsse7. Überdies müßten die verbesserten Gesetze auf den „ganzen Subtilitaeten Kram“8 verzichten – darauf war Carmer während der Gesetzesrevision besonders bedacht. Der König forderte eine methodisch kollegiale Arbeit: Die „Ausführung einer so wichtigen Sache [sei] nicht das Werk eines einzelnen Mannes“9. Daher müsse Carmer die besten Juristen in eine „Gesetz Commission“10 zusammenrufen. Mit dieser Vorschrift verhinderte Friedrich II. eine unkontrollierbare Ausweitung der Macht des Großkanzlers11; gleichwohl sicherte der König Carmer zu, ihn „wider alle Cabalen und Widersetzlichkeiten auf das nachdrücklichste zu schützen“12. Den Titel „Großkanzler“ oder – als Äquiva-

5 Diese Reihenfolge war außergewöhnlich. „Keine der vorangegangenen Kabinettsordren hatte eine Subsidiarität des Allgemeinen Gesetzbuchs gegenüber den Provinzialrechten vorgesehen“. Carola Barzen, Zur Entstehung des Entwurfs zum Allgemeinen Landrecht, in: Gose, Walther/Würtenberger, Thomas (Hg.), Zur Ideen- und Rezeptionsgeschichte des Preußischen Allgemeinen Landrechts. Trierer Symposion zum 250. Geburtstag von Carl Gottlieb Svarez, Stuttgart /Bad Cannstatt 1999, 87–99, hier 89 Anm. 4. Die Bedeutung der Spezialgesetzbücher der Provinzen hinsichtlich der persönlichen Rechte der Geistlichen betonte auch Carmer in einem von Svarez konzipierten Schreiben an Friedrich Wilhelm Pachaly vom 1. April 1782. GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 14, Bl. 11r [Konzept]. Das von 1794 datierende Landrecht wurde später nur titelweise, standweise oder territorial begrenzt zum Prinzipalrecht erhoben. Vgl. Reinhart Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848, Industrielle Welt 7, Stuttgart 1987, 23–51. 6 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 1, Bl. 26v. Daß die Gesetze als Richtschnur betrachtet werden, erstaunt nicht. An ihnen hat sich das Verhalten der Staatseinwohner auszurichten. Dieses Verhältnis von Gesetz und Gesetzessubjekt war für den Juristen Carmer von derartiger Plausibilität, daß er das Verhältnis von Symbolischen Büchern und Gläubigen ebenso verstehen mußte. 7 Überhaupt gelte: „Denn da die Processe allemal zu den Uebeln in der Societaet gerechnet werden müssen, welche das Wohl der Bürger vermindern, so ist dasjenige ohnstreitig das beste Gesetz, welches den Processen selber vorbeugt.“ AaO Bl. 27v–28r. 8 AaO Bl. 28r. 9 Ebd. 10 Ebd. 11 Am Altjahresabend 1746 noch hatte Friedrich II. den Weg der singularischen Beauftragung gewählt. Der damalige Großkanzler Samuel v. Cocceji freilich hatte sich als zügiger und zuverlässiger Arbeiter bewährt. Bereits zweieinhalb Jahre nach der damaligen Kabinettsordre Friedrichs II. konnte er den ersten Teil zum Landrecht veröffentlichen, und 1751 folgte der zweite Teil. AaO Bl. 6r–7v. Zu Cocceji, der am 20. Oktober 1679 in Heidelberg geboren worden war und am 4. Oktober 1755 in Berlin starb, vgl. Ina Ebert, Art. Cocceji, Samuel von, in: HRG2 1 (2006), 859 f. 12 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 1, Bl. 28v. Zwölf Jahre später, am 19. April 1792, sah Carmer sich – wie er, bzw. Svarez, Woellner schrieb – von einer solchen Kabale hintergangen. GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 88, Bl. 13r.

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

lent – „ministre chef de justice“ hatte Carmer13 im Vorjahr, Mitte Dezember 1779, als Nachfolger des Großkanzlers Carl Joseph Maximilian Freiherr v. Fürst und Kupferberg erhalten14. Dieser Titel sollte auf die Beauftragung des Titelträgers mit der Gesetzesrevision hinweisen; eine Vorrangstellung gegenüber den anderen Justizministern zu behaupten, war nur supplementäres Ziel. Das Amt des Großkanzlers verpflichtete Carmer 1788 dann auch zur Unterzeichnung des Religionsedikts vom 9. Juli 178815. Der Weg zu dem Ziel der Provinzialgesetzbücher und des Gesetzbuchs verlief entgegen der Erwartung und der dringlichen Anweisung in der königlichen Kabinettsordre vom 14. April 1780 nicht geradlinig, sondern gestaltete sich vielmehr verschlungen mit mancherlei Abzweigungen und etlichen Sackgassen16. Bereits am 22. Mai 1780, kaum mehr als einen Monat nach Erlaß der Kabinettsordre, plädierte der Kammergerichtsrat Otto Nathanael Baumgarten für eine Umkehrung der Bearbeitungsreihenfolge17, die dann mit des Großkanzlers Hilfe eingehalten wurde: Am 16. September wandte er sich an den König und bat um die Zusammenfassung der Prozeßordnung und des Allgemeinen Gesetzbuchs in einem Buch. Die Prozeßordnung trug bislang den 13 Johann Heinrich Casimir v. Carmer, der am 29. Dezember 1721 in Kreuznach geboren worden war und am 23. Mai 1801 im schlesischen Rützen starb, stammte ursprünglich aus der Kurpfalz, die 1685 an die römisch-katholische Neuburger Linie der Wittelsbacher gefallen war, welche restriktive Maßnahmen gegen die Reformierten initiierten. Zahlreiche reformierte Kurpfälzer der Oberschicht emigrierten wegen dieser Unterdrückung – die ihnen zumal einen Aufstieg in höhere Ämter verwehrte – nach Brandenburg. Auch Carmer gedachte sein Emporkommen nicht durch gesetzlichen Zwang gefährden zu lassen. Thomas Theisinger, Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen Religionsedikt und im System des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten aus dem Jahre 1794. Eine rechtsgeschichtlich-rechtsdogmatische Untersuchung, Diss. masch., Heidelberg 1975, 12. 1749 trat Carmer in den preußischen Staatsdienst ein. Nach dem Siebenjährigen Krieg stieg er 1763 zum Präsidenten der Oberamtsregierung in Breslau auf, 1768 dann wurde er Chefpräsident sämtlicher Regierungen in Schlesien. Am 18. Januar 1788 erhielt er den Schwarzen Adlerorden. Am 12. Oktober 1791 wurde er in den Freiherrenstand erhoben. Ina Ebert, Art. Carmer, Johann Heinrich Casimir von, in: HRG2 1 (2006), 818 f und Erich Döhring, Art. Carmer, Johann Heinrich Casimir v., in: NDB 3 (1957), 150. Am 6. Juli 1798 nahm er die Erhebung in den Grafenstand an, die er in früheren Jahren abgelehnt hatte. Georg Friedrich Felix Eberty, Art. Carmer, Johann Heinrich Casimir, in: ADB 4 (1876, ND 1968), 1–3. Vgl. auch Genealogisches Handbuch des Adels, hg. vom Deutschen Adelsarchiv e.V., Bd. 58, Adelslexikon Bd. 2, Limburg a.d. Lahn 1974, 244 f und Adelslexicon der preußischen Monarchie, hg. von Leopold Freiherrn von Ledebur, Bd. 3, Berlin [o. J.], 136. Vgl. außerdem ein von dem Kriegsrat und Geheimen Archivar Johann Daniel Kluge 1791 zusammengetragenes Verzeichnis Geheimer Etats- und Kriegsräte. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 31, Bl. 33r–33v. 14 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 1, Bl. 7v. 1795 verzichtete Carmer aus gesundheitlichen Gründen auf sein Amt des Großkanzlers. Wenige Jahre später, 1798, legte Carmer auch den Vorsitz in der Gesetzkommission nieder. Ebert, Art. Carmer, 818 f. 15 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 7. 16 Barzen, Zur Entstehung des Entwurfs, 87–99. 17 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 1, Bd. 1, Bl. 17r–23v.

I. Zur Entstehung des Allgemeinen Landrechts

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„Titel des Codicis Fridriciani“18, die nun in Angriff zu nehmende Verbesserung der Gesetze bezog sich auf „den völligen Umfang des Rechts“, von dem die Prozeßordnung nur der erste Teil sein würde. Daher fragte Carmer beim König an, ob er „diese complette Samlung der Gesetze mit dem sonst gewöhnlichen Titel: Corpus Juris Fridricianum benennen zu laßen allergnädigst geruhen möchten“. Friedrich II. antwortete handschriftlich auf dem Briefrand mit der berühmten Notiz: „der Titel ist indiferennt wan nuhr die Sache von Nutzen ist“19. Allein an der Verständlichkeit und Praktikabilität des Gesetzes, an seiner Beförderung der Gerechtigkeit in den Preußischen Staaten, kurz: an seiner Nutzbarkeit war dem König gelegen. Die zeitliche Vorrangstellung des Allgemeinen Gesetzbuches vor den Provinzialgesetzen bedeutete zugleich seine inhaltliche Prädominanz ihnen gegenüber: Ihre Inhalte sollten nunmehr durch das Allgemeine Gesetzbuch, das Näherbestimmungen oder Ergänzungen lediglich durch abweichendes Landesrecht finden sollte, geleitet werden20. Der Großkanzler Carmer wußte die Bestimmung zu kollegialer Arbeit als Beförderung seiner Macht zu nutzen: Er konnte sich seine Mitarbeiter auswählen und schlug dem König am 26. Juli 1780 unter anderen den Oberamtsrat Carl Gottlieb Svarez21 vor. Mit der handschriftlichen Bemerkung „gantz 18

GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 3, Bd. 1, Bl. 39r. Ebd. 20 Peter Krause, Einführung, in: Carl Gottlieb Svarez, Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, Bd. 1 Erster Teil, Erste Abteilung. Edition nach der Ausgabe von 1784 mit Hinweisen auf das ALR, AGB, die eingegangenen Monita und deren Bearbeitung, sowie mit einer Einführung und Anmerkungen von Peter Krause, Carl Gottlieb Svarez, Gesammelte Schriften, hg. von Peter Krause in Verbindung mit der Forschungsstelle Vernunftrecht und Preußische Rechtsreform der Universität Trier, Zweite Abteilung Die Preußische Rechtsreform, I. Das Allgemeine Landrecht: Die Texte. A. Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, Stuttgart / Bad Cannstatt 1996, XV–CI, hier XLIX. Ein Hinweis auf Provinzialgesetze findet sich im ALR zum Beispiel in II 11 § 101 und 409. Für den kirchlichen Bereich konnte das ALR auf Provinzial-Kirchenordnungen und die Verfassungen der Parochialkirchen verweisen. Vgl. ALR II 11 § 565 im Hinblick auf die Pflichten und Aufgaben der „niedern Kirchenbedienten“, also beispielsweise der Küster. Die vorliegende Darstellung bietet Zitate aus dem ALR nach der von Hans Hattenhauer besorgten Edition. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Mit einer Einführung von Hans Hattenhauer, 2., erweiterte Aufl., Neuwied u. a. 1994. In seinem schriftlichen Vortrag über die Revision des vierten Bandes des Gesetzbuchs, der den neunten bis zwanzigsten Titel des zweiten Teils enthielt, bemerkte Carmer mit Blick auf II 11 § 710, daß „wohl niemand über die hier angenommenen subsidiarischen Bestimungen sich mit Grunde beschweren“ könne. GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 88, Bl. 175v. 21 Carl Gottlieb Svarez verfügte auch im preußischen Königshaus über Einfluß: Er unterrichtete den späteren Friedrich Wilhelm III. als Kronprinzen in politischer Moral. Thomas Stamm-Kuhlmann, Friedrich Wilhelm III. (1797–1840), in: Kroll, Frank-Lothar (Hg.), Preußens Herrscher. Von den ersten Hohenzollern bis Wilhelm II., 2. Aufl., München 2001, 19

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

guht“ approbierte der König am 28. Juli den Vorschlag22, nachdem er in einer Kabinettsordre vom 27. Juli über die Personalfrage verfügt hatte, daß sich die von ihm befohlene Gesetzkommission erst dann etablieren sollte, wenn eine von dem Großkanzler Carmer geleitete Arbeitsgruppe einen ersten Gesamtentwurf erarbeitet haben würde; für die zukünftige Gesetzkommission seien zu gegebener Zeit noch zusätzliche Mitglieder zu benennen23. Freilich war es weder Carmer noch Svarez während der ersten beiden Jahre in größerem Maße möglich, sich persönlich bei der Erstellung des Allgemeinen Gesetzbuches zu engagieren, da ihr Haupttagwerk zunächst die Vollendung der Prozeßordnung – im Mai 1781 konnte sie endlich in Kraft gesetzt werden – und die Verbesserung des Gerichtswesens war24. Die Kompetenzen der Gesetzkommission fanden nicht immer Beachtung. Vor der Publikation des Religionsedikts am 9. Juli 1788 wäre es nach dem Patent zur Errichtung der Gesetzkommission deren Aufgabe gewesen, das neue Edikt zu begutachten. Dieses Patent hatte in seinem einleitenden Teil den königlichen Willen festgeschrieben, daß der Gesetzkommission, „wenn sich Zweifel oder Mängel bey den Gesetzen hervorthun, davon Nachricht gegeben; von ihr die Sache mit Rücksicht auf den Sinn und die Absicht der übrigen Gesetze, genau in Erwegung gezogen, und wenn eine würckliche Abänderung oder Zusatz nöthig ist“25, dem König darüber ein gutachtlicher Bericht erstattet werden solle. § 14 legte fest, daß die Gesetzkommission „niemals übergangen; sondern jedesmal zuvor mit ihrem Gutachten darüber vernommen, und keinem Edikt 197–218, hier 203. Neben Carmer und Svarez war Ernst Ferdinand Klein Hauptverfasser des neuen Gesetzbuchs. Klein wurde am 3. September 1744 in Breslau geboren. Am 18. März 1810 starb er in Berlin. 1789 erhielt er die Ehre, Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu sein. Albert Teichmann, Art. Klein, Ernst Ferdinand, in: ADB 16 (1882, ND 1969), 88–90. 1763 nahm Klein in Halle – besonders bei Christian Wolffs Schüler Daniel Nettelbladt – das Studium der Rechte auf. Nach dem Abgang von der Universität wirkte er als Advokat in Breslau, bis ihn Carmer als Assistenzrat nach Berlin berief. Bei den Arbeiten am neuen Gesetzeswerk hat er wohl vor allem das Ehe- und Strafrecht beeinflußt. Seit 1789 gehörte Klein der Berliner Akademie an. 1791 nahm er einen Ruf nach Halle an. Als Universitätsdirektor und ordentlicher Professor an der juristischen Fakultät spielte er bei deren strafrechtlicher Spruchpraxis eine entscheidende Rolle. Seit 1800 lebte Klein wieder in Berlin, wo er ein Mitglied des Obertribunals und der Gesetzkommission war. Klein hat erstmalig ein zweispuriges System von Strafen und sichernden Maßnahmen vertreten. Gerd Kleinheyer, Art. Klein, Ernst Ferdinand, in: NDB 11 (1977), 734 f. Zu Klein vgl. jüngst Klaus Berndl, Ernst Ferdinand Klein (1743–1810). Ein Zeitbild aus der zweiten Hälfte des Achtzehnten Jahrhunderts, Geschichte 47, Münster 2004. 22 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 1, Bd. 1, Bl. 2r. Vgl. eine Abschrift des Textes GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 1, Bl. 30r. 23 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 1, Bd. 1, Bl. 3r–5v. 24 Barzen, Zur Entstehung des Entwurfs, 87–99, hier 90 und GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 15, Bl. 8r. 25 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 1, Bd. 1, Bl. 90r.

I. Zur Entstehung des Allgemeinen Landrechts

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oder Rescript, welches nicht nach vorheriger Einforderung dieses Gutachtens, zu Unserer Allerhöchsten Vollziehung gebracht worden, irgend eine gesetzliche Krafft beigelegt werden“26 solle. Ein solches Gutachten jedoch wurde nicht eingeholt27. Wenngleich es eigentlich Svarez, der aber durch mancherlei andere Gesetzesprojekte aufgehalten war, oblag, die Entwürfe der Kollegen zu bearbeiten, griff Carmer produktiv-engagiert im Sommer 1783 ein und arbeitete einen 67 Paragraphen und einige weitere konzeptartige Überschriften umfassenden Entwurf zum Kirchenrecht aus28. Offenbar war sich der Großkanzler des Zeitversäumnisses auch ohne des Königs Mahnung bewußt. Ebenso wie die spätere Endgestalt der kirchenrechtlichen Ausführungen des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten (ALR) war dieses Konzept etatistisch grundiert. Das Konzept stand unter der Überschrift „Von der KirchenGesellschaft u. ihrer Beziehung auf den Staat“29. Carmer begann in § 1 den Gesetzestext mit einer Finalbestimmung: „Der Zweck der KirchenGesellschaft ist die Erweckung sittlich guter Gesinnungen durch mitgetheilte Kenntniß u. gemeinschaftl[iche] Verehrung der Gottheit.“30 Diese sittlich guten Gesinnungen zielen, wie die §§ 2 und 3 zeigen, die zwischen dem irdischen und dem zukünftigen Leben der Gläubigen unterscheiden, auf das Staatswohl: „Insofern die Kirche das Wohl ihrer Mitglieder in einem künftigen Leben zum Zweck hat, ist sie kein Gegenstand bürgerlicher Gesetze“31. „In Rücksicht auf den Staat aber muß die Kirche ihren Mitgliedern Treue, Gehorsam u. Ehrfurcht für ihre Obrigkeit u. Liebe zu ihren Mitbürgern einzuflößen bemüht seyn“32. Der Staat seinerseits revanchiert sich, indem er eine Schutzfunktion ausübt: „Eine jede KirchenGesellschaft, welche diesem Zweck treu bleibet, kann auf den Schutz des Staats Anspruch machen“33. Am Rand fügte Carmer hinzu, daß jeder „Burger [sic] des Staats“34 Gewissensfreiheit genießen solle. Die Vorgesetzten der Kirchengesellschaften – bei den römischen Katholiken sind das die Bischöfe und bei den Protestanten die Konsistorien – haben das Recht, „unwürdige Mitglieder“35 aus der Kirchengesellschaft auszuschließen. Jedoch auch dieses Recht ist in § 55

26

AaO Bl. 91v. In den Akten der Gesetzkommission ist kein entsprechender Vorgang dokumentiert. GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. IX Akten der Gesetzkommission 1781–1808. 28 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 14, Bl. 12r–17r. 29 AaO Bl. 13r. 30 Ebd. 31 Ebd. (§ 2). 32 Ebd. (§ 3). 33 Ebd. (§ 4). 34 Ebd. 35 AaO Bl. 15v (§ 54). 27

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

eingeschränkt: „Ein bloßer Irrthum des Verstands ist keine Ursach ein Mitglied der KirchenGesellschaft[en] von der Gemeinschaft auszuschließen“36. Staat und Kirchengesellschaften sind untrennbar in der Person ihrer Mitglieder verknüpft, da nur derjenige Mitglied der Kirchengesellschaften sein kann, der auch Mitglied des Staats ist37. Kirchengesetze und staatliche Gesetze stehen in Korrelation: „Bereits eingeführte KirchenGesetze gelten als von dem Staat gebilligte Statuten einer jeder andern ofentlich aufgenomenen Gesellschaft.“38 „Verordnungen von dieser Art, die nicht unmittelbar den Unterricht des Volcks und die Verehrung Gottes betrefen, sind als bloße Policey Gesetze anzusehen.“39 Bis zum Winter 1783 trieben die Juristen die Arbeiten voran, ohne daß die Öffentlichkeit Anteil nehmen konnte. Carmer änderte dieses geheime Verfahren ab. Standen Svarez’ Ausarbeitungen, die er seit Ende 1782 zu den ersten Entwürfen der Einleitung und der ersten Abteilung anfertigte, und die Monita der Gesetzkommission noch unter dem im September 1780 entwickelten Titel „Corpus Juris Fridricianum“, so ist der Entwurf, den Svarez etwa im November 1783 vollendet hat, von Klein mit dem sachgerechten Titel „Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten“ überschrieben worden. Gegenüber der preußischen Königin Elisabeth Christine, mit der Carmer mehrfach in Kontakt stand, formulierte der Großkanzler am 30. März 1785, daß Friedrich II. ihm „aufgetragen“ habe, das zu entwerfende Gesetzbuch der sachverständigen Öffentlichkeit „zur Prüfung vorzulegen“40. Der langjährige Einbezug des Publikums in die Gesetzesrevision diente Carmer und Svarez dann etliche Jahre später, 1792, nach der Suspension des Gesetzbuchs als Argument gegen den wankelmütigen Rückzug des Königs Friedrich Wilhelm II. vom Publikationspatent41. 36

Ebd. (§ 55). „Diejenige, welche nicht Mitglieder des Staats sind, können auch nicht als Mitglieder der KirchenGesellschaft dieses Staats angesehen werden“ (§ 60). AaO Bl. 16r. 38 AaO Bl. 13r (§ 9). 39 AaO Bl. 13r–13v (§ 10). 40 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 3, Bd. 2, Bl. 42r [Konzept]. 41 Um den Entwurf bekanntzumachen, wurde im Frühjahr 1785 der von dem Hofbuchdrucker Georg Jacob Decker besorgte Druck des zweiten Teils des Gesetzbuchs in 104 Exemplaren versandt. In besserer Papierqualität zum Beispiel an Karl Abraham v. Zedlitz und Wolfgang Ferdinand v. Dörnberg, „auf ordinair Schreibpapier“ etwa an Johann Heinrich Wloemer und Moses Mendelssohn. Vgl. die Nachweisliste aaO Bl. 44r. Nicht nur Juristen also sollten das Werden des neuen Gesetzeswerks begleiten. Der Buchdrucker Decker profitierte wirtschaftlich von der Gesetzesrevision, deren Druckfassungen er besorgte. Vgl. zum Beispiel die Rechnung Deckers vom 27. Juni 1785 aaO Bl. 84r. Vgl. für das Allgemeine Landrecht zum Beispiel GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 6, Bl. 34r. Ein gewisser Anteil kam auch dem Geheimen Kommerzienrat Joachim Pauli zu. AaO Bl. 35r. Der Buchhändler Pauli war ein Schützling Woellners. Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, 37

I. Zur Entstehung des Allgemeinen Landrechts

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2. Die Arbeiten unter Friedrich Wilhelm II. Am 17. August 1786 starb Friedrich II. Bereits vier Tage später erging wegen der Gesetzesrevision eine Kabinettsordre des neuen Königs Friedrich Wilhelm II. an Carmer. Da das neue Gesetzbuch einen wesentlichen Einfluß auf die Statuten der Provinzen und auf das Gewohnheitsrecht habe, müßten aus jeder Provinz einige Sachkundige bei der Anfertigung und Beurteilung des Gesetzbuchs zu Rate gezogen werden, damit späteren Erklärungen und Abänderungen möglichst vorgebeugt werde42. Carmer antwortete unverzüglich am 22. August 1786 und versicherte Friedrich Wilhelm II., daß bereits 1784 durch Circularschreiben bekanntgemacht worden sei, in jeder Provinz sachkundige Männer zu ernennen, die die sukzessive ans Licht tretenden Teile des Entwurfs beurteilen sollten; aus der Kur- und Neumark seien ihm die Deputierten bereits namentlich bekannt43. In Kürze werde er, sobald der König nicht mehr allzusehr mit dringlichsten Amtsgeschäften überhäuft sein werde, den Plan seines bisherigen Verfahrens vorlegen und damit zeigen, daß die Feindschaft einer „mächtigen HofCabale“44 gegen ihn gänzlich unberechtigt sei. Friedrich Wilhelm II. bekundete am Folgetag seine Zufriedenheit, erinnerte aber nachdrücklich daran, daß aus sämtlichen Provinzen – und also nicht allein der Kur- und Neumark – Deputierte der Stände berufen werden müßten45. Wie bereits zu Zeiten Friedrichs II. begleiteten auch weiterhin Personen der Öffentlichkeit den Fortgang der Gesetzesrevision. Am 10. Mai 1787 konzipierte Svarez ein von Carmer unterzeichnetes Schreiben an Woellner, das am 14. Mai abgeschickt wurde46. Woellner nehme an der Gesetzesrevision, „wie ich zuverläßig weiß, so warmen und patriotischen Antheil, daß ich mich dadurch verpflichtet finde, Denenselben die bißher ans Licht getretnen vier Theile von dem Entwurf des Allgemeinen Gesetzbuchs hierbey zu übersenden“47. Auch fernerhin möge die Verbesserung der Legislation nicht der „freundschaftlichen Unterstützung“48 Woellners ermangeln. Bd. 2, Leipzig 1882, 59 sowie 157 und Paul Schwartz, Der erste Kulturkampf in Preußen um Kirche und Schule (1788–1798), MGP 58, Berlin 1925, 235 Anm. 1. Vertraglich hatte sich Decker gebunden, die zur Mitteilung an die Kollegien bestimmten Stücke zum halben Verkaufspreis zu überlassen. An diese vertragliche Bindung mußte er am 5. Juli 1785 von Carmer mahnend erinnert werden. GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 3, Bd. 2, Bl. 87r [Konzept]. Decker begleitete die Gesetzesrevision bis zu ihrem Ende. Vgl. zum Beispiel GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 6, Bl. 34r. 42 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 3, Bd. 2, Bl. 183r. 43 AaO Bl. 184r–184v [Konzept] und aaO Bl. 186r [Reinschrift]. 44 AaO Bl. 184v. 45 AaO Bl. 185r. 46 AaO Bl. 275r. 47 Ebd. 48 Ebd.

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

Die Arbeiten am Gesetzbuch schritten voran. Am 30. Dezember 1789 legte Carmer dem König Rechenschaft über die Arbeit des sich zum Ende neigenden Jahres ab und bat ihn, mit dem Abdruck der fertiggestellten Teile des Gesetzbuchs noch im gegenwärtigen Winter beginnen zu dürfen49. Friedrich Wilhelm II. antwortete umgehend am Silvestertag in einer Kabinettsordre, bekundete sein „Vergnügen“50 am Fortgang der Arbeiten zum neuen Gesetzbuch und gab gern die Erlaubnis zum Abdruck. Gut zwei Jahre später war das Allgemeine Gesetzbuch (AGB) fertiggestellt. Gemäß dem Publikationspatent vom 20. März 1791 sollte es im Sommer des darauffolgenden Jahres – am 1. Juni 1792 – in Kraft treten. Mit einem vom 20. Juni 1791 datierenden, von Carmer unterschriebenen Circulare wurde es sämtlichen Regierungen und Oberlandesjustizkollegien zugesandt, so daß sie sich hinreichend mit dem neuen Werk vertraut machen konnten51. Am 17. September bat Adolph Albrecht Heinrich Leopold Freiherr v. Danckelmann, der einige Monate später auf eigene Art in die Geschichte der Gesetzesrevision eingehen sollte, um ein Exemplar des Allgemeinen Gesetzbuchs, das er sich in „schmeichelhaffter Erwartung“ noch nicht angeschafft habe52. Schon am nächsten Tag dankte er für die Zusendung des gewünschten Werks53. Die nach elf Jahren fast ans Ziel gekommene Gesetzesrevision stand unvermutet im Frühjahr 1792 still. Durch eine Kabinettsordre vom 18. April an Carmer wurde das Allgemeine Gesetzbuch suspendiert54. Der König hatte sich von dem Antrag auf Suspension, mit dem Danckelmann am 9. April in einer Immediatvorstellung55 an ihn herangetreten war, überzeugen lassen. Danckelmann, dessen feudale Neigungen sich gegen das Rechtswerk geregt hatten, monierte – diesen eigentlichen Widerspruchsgrund verschweigend –, daß das Gesetzbuch erst im September zur Kenntnisnahme vorgelegen hatte und ein gründliches Studium dieses Rechtstextes mithin nicht möglich gewesen sei. Auch gebe es kein Register, das den Zugang zum Gesetzbuch erleichtere. Zudem erfordere die Fülle der neuen Verordnungen eine entsprechende Unterweisung des Volkes, das erst lernen müsse, wie sein Leben nunmehr 49 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 3, Bd. 3, Bl. 286r. Das Konzept stammte von Svarez’ Hand. 50 AaO Bl. 287r. 51 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 3, Bd. 4, Bl. 103r–103v [Konzept]. 52 AaO Bl. 157r. 53 AaO Bl. 159r. Auch an andere Einzelpersonen, etwa am 1. September 1791 an Bischoffwerder, übersandte Carmer ein Exemplar des Allgemeinen Gesetzbuchs; er setzte ein besonderes Interesse Bischoffwerders „an allem was den Wohlstand des Preußischen Staats betrift“, voraus. AaO Bl. 137r. 54 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 88, Bl. 10r. 55 AaO Bl. 11r–11v [Abschrift].

I. Zur Entstehung des Allgemeinen Landrechts

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rechtmäßig zu führen sei. Sogleich am Folgetag der Kabinettsordre konzipierte Svarez für Carmer einen Gegenbericht56. Erzürnt und befremdet war er: Danckelmann habe ihm nicht „den geringsten Zweifel“57 über diese Angelegenheit eröffnet. Carmer widerlegte jeden der Einwände Danckelmanns. Er, Carmer, stünde beständig mit allen Kollegien in sämtlichen Provinzen in Austausch; die Gerichte hätten sich bereits mit dem Inhalt des Gesetzbuchs, das „eigentlich nur eine Sammlung der bißher üblichen Gesetze, Erklärungen derselben, und Berichtigungen“ der darüber entstandenen Zweifel enthalte58, hinreichend bekanntgemacht und in den Fällen, in denen die alten Gesetze „dunkel“ oder „zweifelhaft“59 seien, ihre Entscheidungsgründe dem neuen Gesetzbuch entnommen. Übrigens habe er für das Gesetzbuch durchaus an ein Register gedacht, das auch schon im Druck sei. Auszüge für das Volk könnten erst gemacht werden, wenn die Provinzialgesetzbücher vom König approbiert worden sein würden60. Alle gegen das Gesetzbuch vorgebrachten Einwände rührten – resümierte Carmer – von „wenigen Leuten“ her, denen daran gelegen sei, ihren eigenen Plan zur Reife zu bringen. Später verstärkte Svarez diesen Vorwurf noch, indem er den neutralen Begriff „Leuten“ durchstrich und am Rand durch die eine außerordentliche politische Brisanz unterstellende Formulierung „mit einer aristocratischen Regierungs-Form schwanger gehend[en] Köpfen“61 ersetzte. Carmer, dessen bereits länger als ein Decennium andauerndes gesetzgeberisches Reformbemühen seiner Arbeitsfrüchte beraubt zu werden drohte, suchte Hilfe, um sein Werk zu sichern. Aufgeregt wandte er sich ebenfalls am 19. April an Woellner62, dessen Religionsedikt er vier Jahre zuvor mitunterzeichnet hatte, und sandte ihm Abschriften der Anzeige Danckelmanns, der königlichen Kabinettsordre und seines eigenen Berichts. Eine derartige Kenntnis der Gesetze, wie sie Danckelmann dem Volk beigebracht wissen wollte, habe das Volk nie gehabt, „kan und wird sie auch, nach der Natur der Sache niemals erlangen“63. Der König habe alle Schritte bei der Entstehung des Gesetzbuchs gekannt und das Publikationspatent, daß er, Carmer, ihm vorgelegt hatte, vollzogen. „Der Ehre der Regierung und der Justiz ist daran gelegen“, daß man nun nicht ohne Grund zurückschrecke und die Staatsverwaltung dem Vorwurf 56

AaO Bl. 12r–12v [Konzept]. AaO Bl. 12r. 58 Ebd. 59 Ebd. 60 Übrigens reichte keine Provinz bis zum 1. Juni 1796 ein Gesetzbuch ein, obwohl im Publikationspatent des ALR festgehalten war, daß die Stände ihre Provinzialgesetzbücher bis zu diesem Termin vorlegen sollten. Theisinger, Die Irrlehrefrage, 85. 61 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 88, Bl. 12r. 62 AaO Bl. 13r [Konzept]. Auch dieses Schreiben hat Svarez konzipiert. 63 Ebd. 57

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

aussetze, wie er der Josephinischen Administration in Österreich „wegen allaugenblicklicher Abänderung und Zurücknehmung ergangner Gesetze und getrofner Veranstaltungen“ von ganz Europa gemacht worden sei. Aus „Pflicht und Patriotismus“ bat er Woellner – sollte ihm die Sache vorgetragen werden –, die von ihm, Carmer, genannten Aspekte zu bedenken und „nicht zu gestatten, daß eine aus bloßen Neben Absicht[en] handelnde Cabale ein Werk umstürtze“, das den Namen des Königs „in den Jahrbüchern der Welt verewigen wird“64. Alles Bemühen Carmers war umsonst, auch eine zweite, von Svarez unter dem 3. Mai 1792 konzipierte Gegenschrift65 nützte nichts: In einer Kabinettsordre vom 5. Mai beschied der König seinem Großkanzler, daß es bei der Suspension des neuen Gesetzbuchs sein Bewenden haben werde66. Umgehend unterzeichnete Carmer an demselben Tag ein von Svarez konzipiertes kurzes, nüchternes Avertissement an das Publikum67. Die ständisch-feudale Reaktion der adligen Grundbesitzer war also ursächlich für die Suspension68. In der sogenannten Schlußrevision fand die Problematik des Religionsedikts keine Beachtung. Aus dem elften Titel des zweiten Teils wurden nur die §§ 338–341; 532–534 und 731 von Svarez besprochen69. Die Überarbeitung des AGB begann. Am 17. November 179370 legte der König schließlich in einer Kabinettsordre fest, daß das geänderte Gesetzbuch „am schicklichsten“ unter dem Titel „Allgemeines Land-Recht für die Königlich-Preußischen Staaten“71 publiziert werden solle. Dieses revidierte Gesetzeswerk galt es nun im Land zu verbreiten. Das Publikationspatent zu der als „Allgemeines Landrecht für die Preussischen Staaten“72 (ALR) titulierten Gesetzessammlung erging am 5. Februar 179473 und trat an die Stelle des am 20. März 1791 ergangenen Publikationspatents zum AGB. Vom 1. Juni 1794 an sollte das Landrecht volle Gesetzeskraft erhalten74. Ökonomisch-pragmatisch sinnvoll und realistisch entschied das von Carmer repräsentierte Justizde-

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Ebd. AaO Bl. 14r [Konzept]. 66 AaO Bl. 15r. 67 AaO Bl. 16r [Konzept]. 68 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 87 f. Hofmann schreibt das Vorurteil fort, daß das neue Rechtswerk auf „die konservativen und religiösen Widerstände“ Woellners und Bischoffwerders gestoßen sei. Hanns Hubert Hofmann, Art. Carmer, Johann Heinrich Casimir, in: BWDG2 1 (1974), 434 f. 69 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 87. 70 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 88, Bl. 45r–46r. 71 AaO Bl. 45v. 72 AaO Bl. 193r. 73 AaO Bl. 193v–197r. 74 AaO Bl. 193r. 65

I. Zur Entstehung des Allgemeinen Landrechts

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partement in Circularreskripten vom 20. Februar75 und 4. März 179476, den Regierungen und Oberlandesjustizkollegien das ALR nicht als vollständiges Werk zu schicken, sondern lediglich den gesonderten Abdruck des Publikationspatents vom 5. Februar 1794 und die Anzeige der Veränderungen gegenüber dem AGB zu versenden. Die Zahl der Exemplare sollte derjenigen der zugesandten Exemplare des AGB entsprechen77. Den Regierungen und Oberlandesjustizkollegien wurde eingeschärft, „Euch nicht nur selbst nach diesem Patent gebührend zu achten, sondern auch deßen weitere Bekanntmachung an sämmtliche Untergerichte Eures Departements Verfaßungsmäßig ungesäumt zu veranstalten“78. Allein mit dieser Unterrichtung konnte die Bekanntmachung des ALR freilich nicht abgeschlossen sein. Der Gesamtanlage des neuen Gesetzeswerks gemäß mußte auch die allgemeine Öffentlichkeit informiert werden. Zu diesem Zweck fügte Carmer dem Circulare vom 20. Februar 1794 ein Avertissement bei, das nach königlichem Befehl in den Zeitungen und Intelligenzblättern der entsprechenden Provinzen zweimal – zunächst sogleich, sodann Anfang Mai – abgedruckt werden sollte79. Das von den einzelnen Kollegien zu unterzeichnende Avertissement teilte dem Publikum die wichtigsten Fakten über das neue Gesetzeswerk mit. Am 1. Juni 1794 werde das unter dem Titel „Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten“ stehende Rechtscorpus gemäß dem Patent vom 5. Februar in den königlichen Landen in Kraft treten. Nachdem das neue Gesetzeswerk nun beendet war, bat Carmer um seine Entlassung. „Menschenwohl und Volks Glückseligkeit“ – das war nach Carmer die „eintzige Absicht“80 des Allgemeinen Gesetzbuchs gewesen81.

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GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 6, Bl. 5r–5v [Konzept]. AaO Bl. 7r [Konzept]. 77 Die entsprechenden Behörden achteten genau auf diese Bestimmung. Am 26. März 1794 bat das Hofgericht in Pommern um die Zusendung von 20 Exemplaren der Anzeige der Veränderungen in lateinischen Buchstaben und von 82 Exemplaren in deutschen Buchstaben. AaO Bl. 29r–29v. Die Regierung zu Minden bat am 28. März 1794 um die Zufertigung eines fehlenden Abdrucks der Anzeige der Veränderungen. AaO Bl. 27r. Am 15. April 1794 erbat die Tecklenburgisch-Lingensche Regierung die Zusendung eines fehlenden Exemplars des Publikationspatents und der Anzeige der Veränderungen in deutschen Buchstaben. AaO Bl. 36r. 78 AaO Bl. 5r. 79 Ebd. 80 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 3, Bd. 3, Bl. 21r [Konzept eines Briefes an den Oberkonsistorialrat Jean-Pierre Erman und den Prediger Pierre Chrétien Frédéric Reclam vom 25. Januar 1788]. 81 Zur Fortwirkung des ALR vgl. Peter Landau, Das Kirchenrecht des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten im 19. Jahrhundert, in: Dölemeyer, Barbara/ Mohnhaupt, Heinz (Hg.), 200 Jahre Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten. Wirkungsgeschichte und internationaler Kontext, Ius commune. Sonderhefte 75, Frankfurt a. M. 1995, 145–185. 76

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

II. Zur Terminologie des Allgemeinen Landrechts 1. „Religionsparteyen“ Um die kirchenrechtlichen Bestimmungen des ALR deutlich wahrzunehmen, bedarf es einer klaren Sicht auf seine Terminologie. Der kirchenrechtliche Titel des insgesamt 19.187 Paragraphen umfassenden ALR ist umfangreich: Er enthält 1.232 Paragraphen82. Von einer „Religionspartey“ – bzw. einer „Partey“ – sprechen neben anderen die §§ 5; 36; 39–42; 272; 293; 303 und 369 f. Dieser Begriff meint „die Gesamtheit der im Staat zum gleichen Glauben sich Bekennenden“83. Im heutigen Verfassungsrecht entspräche diesem Begriff in etwa der Terminus „Religionsgemeinschaft“84. 2. „Religionsgesellschaften“ Von der Religionspartei muß die Religionsgesellschaft begrifflich und inhaltlich unterschieden werden85. II 11 § 10 erläutert unter dem Marginaltitel „Religionsgesellschaften“ deren Wesen: „Wohl aber können mehrere Einwohner des Staats, unter dessen Genehmigung, zu Religionsübungen sich verbinden.“ Zweierlei ist hier zu beachten. Zunächst: Die Bildung einer Religionsgesellschaft unterliegt einem staatlichen Genehmigungsvorbehalt. Dies entspricht ganz der etatistischen Ausrichtung des ALR. Außerdem: Religionsgesellschaften sind – wie ihr Name sagt – Gesellschaften, daher gilt für sie das allgemeine Gesellschaftsrecht des ALR, das in II 6 § 1 definitorisch festlegt: „Unter Gesellschaften überhaupt werden hier Verbindungen mehrerer Mitglieder des Staats zu einem gemeinschaftlichen Endzwecke verstanden.“ Die in II 11 § 10 genannte Praxis von Religionsübungen ist demnach der gemeinschaftliche Endzweck einer Religionsgesellschaft. Da dieser gemeinschaftliche Endzweck dem gesellschaftlichen Nutzen des Staates dient, kann er nur von Mitgliedern des Staates zu erreichen versucht werden. Diese obligatorische Staatszugehörig82 ALR II 11 §§ 1–1232. Nur der Titel „Von den Verbrechen und deren Strafen“ (ALR II 20 §§ 1–1577) und vor allem der Titel „Vom Bürgerstande“ (ALR II 8 §§ 1–2464) sind noch ausführlicher. 83 Paul Schoen, Das evangelische Kirchenrecht in Preußen, Bd. 1, Berlin 1903 (ND Aalen 1967), 157 Anm. 2. 84 Hans-Wolfgang Strätz, Das staatskirchenrechtliche System des preußischen Allgemeinen Landrechts, in: Civitas. Jahrbuch für Sozialwissenschaften 11 (1972), 168. 85 Religionsgesellschaft meint in der heutigen Rechtssprache Religionsgemeinschaft. Diese wiederum ist in ihrer Bedeutung der früheren Bezeichnung Religionspartei vergleichbar. Auch Strätz, Das staatskirchenrechtliche System, 168 betont diese „erhebliche Inhaltsverschiebung“.

II. Zur Terminologie des Allgemeinen Landrechts

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keit hatte Carmer in seinem Entwurf zum Kirchenrecht vom Sommer 1783 explizit genannt. Die Religionsgesellschaft ist nach dem ALR „die Grundform aller kirchlichen Verbindungen“86. Das ALR verweist auf II 6 §§ 11 ff, die das allgemeine Gesellschaftsrecht behandeln. Auch die Religionsgesellschaft ist also von ihrer Rechtsnatur her im Privatrecht anzusiedeln. Ebenso wie die anderen Gesellschaften ist sie nicht rechtsfähig87. Gegenüber diesen Profangesellschaften jedoch besteht eine Benachteiligung, da die Religionsgesellschaften sich „bey dem Staate gebührend melden“88 müssen. Die Profangesellschaften dagegen bedürfen keiner speziellen Genehmigung89. Die Unterscheidung zwischen geduldeten und privilegierten Religionsgesellschaften beruht auf dem Grad ihrer Nützlichkeit für die moralische Erziehung des Staatsbürgers90. 3. „Kirchengesellschaften“ und „geistliche Gesellschaften“ Von dem Kriterium des gemeinschaftlichen Endzwecks ist auch die weitere – nicht konfessionell bestimmte, sondern formale – Ausdifferenzierung der Religionsgesellschaften in „Kirchengesellschaften“ und „geistliche Gesellschaften“ geleitet91. „Kirchengesellschaften“ sind „Religionsgesellschaften, welche sich zur öffentlichen Feyer des Gottesdienstes verbunden haben“92, wohingegen die „geistlichen Gesellschaften“ „[d]iejenigen [Religionsgesellschaften sind], welche zu gewissen andern besondern Religionsübungen vereinigt sind“ (II 11 § 12). Daß hier Stifte und Klöster gemeint sind – und nicht

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Theisinger, Die Irrlehrefrage, 110. ALR II 6 § 13. 88 ALR II 11 § 21: „Jede Kirchengesellschaft, die als solche auf die Rechte einer geduldeten Anspruch machen will, muß sich bey dem Staate gebührend melden, und nachweisen, daß die von ihr gelehrten Meinungen nichts enthalten, was dem Grundsatze des §. 13 zuwider läuft.“ 89 ALR II 6 § 2: „In so fern dieser Zweck mit dem gemeinen Wohl bestehen kann, sind dergleichen Gesellschaften erlaubt.“ 90 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 174 f. Nach ALR II 11 § 41 kann eine Einzelperson problemlos von einer Religionspartei zu einer anderen – bereits bestehenden – Religionspartei übergehen. Das ALR berücksichtigt in II 11 § 171 auch den Übertritt ganzer Gemeinden. AaO 176 f. 91 ALR II 11 § 27 parallelisiert fälschlich Religionsgesellschaften und Kirchengesellschaften. 92 ALR II 11 § 11. Im ersten Entwurf hatte es in II 6 § 1 – wie schon in Carmers Entwurf zum Kirchenrecht von 1783 – noch geheißen: „Der Zweck der Kirchen Gesellschafft ist die Erweckung sittlich guter Gesinnungen durch mitgetheilte Kenntniß und gemeinschafftliche Verehrung der Gottheit.“ GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 15, Bl. 6r. Carmer selbst hatte dann dazu die Marginalie notiert: „Eine jede Kirchen Gesellschafft bestehet aus den zu einem gemeinschafftlichen GottesDienst sich vereinigten Bürgern des Staat [sic]“. AaO Bl. 6r. 87

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

etwa Sekten93 – führt II 11 § 939 aus: „Unter geistlichen Gesellschaften, deren Mitglieder sich mit andern Religionsübungen, als der Seelsorge, hauptsächlich beschäftigen, werden die vom Staate aufgenommenen Stifter, Klöster, und Orden verstanden.“ Aus dieser Definition läßt sich zudem erschließen, daß die gemeindliche Seelsorge, deren Praxis den geistlichen Gesellschaften ohne spezielle Erlaubnis des zuständigen Bischofs der Diözese verwehrt ist94, Hauptbeschäftigung der Kirchengesellschaften sein muß. Die Kirchengesellschaften sind im ALR unterteilt in „[u]nerlaubte Kirchengesellschaften“95, „[o]effentlich aufgenommene“96 und „[g]eduldete“97 Kirchengesellschaften. Diese Unterscheidung ist bedingt durch die in II 11 § 13 festgeschriebene Verpflichtung der Kirchengesellschaften, ihre Mitglieder zu Gesetzesgehorsam, Staatstreue und Bürgermoralität anzuhalten: „Jede Kirchengesellschaft ist verpflichtet, ihren Mitgliedern Ehrfurcht gegen die Gottheit, Gehorsam gegen die Gesetze, Treue gegen den Staat, und sittlich gute Gesinnungen gegen ihre Mitbürger einzuflößen.“ In der distanziert-neutralen Formulierung „Gottheit“ wird die Ehrfurcht gegenüber Gott instrumentalisiert für den Staatszweck98. Die Konkretion von II 11 § 13 verbleibt in einer etatistischen Allgemeinheit, so daß deren materiale Erfüllung ebenso wie für Protestanten und Katholiken auch für Juden, Muslime, christliche Sekten, Deisten und Heiden theoretisch möglich war.

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Hierauf weist auch Strätz, Das staatskirchenrechtliche System, 169 eigens hin. Vgl. ALR II 11 § 942: „Sie [die geistlichen Gesellschaften] sind in ihren geistlichen Beschäftigungen, der Regel nach, der Aufsicht des Bischofs der Diözes unterworfen; und müssen, wenn sie davon befreyt zu seyn behaupten, eine besondre vom Staate genehmigte Exemtion nachweisen.“ Vgl. besonders II 11 § 943: „Sie dürfen den Pfarrern in ihre Amtsverrichtungen keine Eingriffe thun, und sich auch einzelner zur Seelsorge gehörigen Handlungen, ohne besondere Erlaubniß des Bischofs, nicht anmaßen.“ Freilich eignet den geistlichen Gesellschaften eine gewisse Selbständigkeit: II 11 § 944 betont, daß für sie der Pfarrzwang nicht gilt, so daß sie „für sich einen eignen Gottesdienst unterhalten“ können. Einer geistlichen Gesellschaft können sogar – wie II 11 § 945 festhält – Parochialrechte über einen Distrikt verliehen werden; in diesem Fall „muß dieselbe die Verwaltung des Pfarramts einem dazu gehörig qualificirten Subjekte aus ihrem Mittel übertragen“. 95 So der Marginaltitel für ALR II 11 §§ 14–16. 96 So der Marginaltitel für ALR II 11 §§ 17–19. 97 So der Marginaltitel für ALR II 11 §§ 20–26. 98 Im ersten Entwurf hatte der Sechste Titel („Von der Kirchen-Gesellschafft, und den Rechten und Pflichten des Geistlichen Standes“), Erster Abschnitt („Von der Kirchen Gesellschafft überhaupt“), § 6 gelautet: „Jede KirchenGesellschafft ist verpflichtet, ihren Mitgliedern Ehrfurcht gegen die Gesetze, Treue und Gehorsam gegen den Staat, und sittlich gute Gesinnungen gegen ihre Mitbürger einzuflößen.“ GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 15, Bl. 6v. 94

II. Zur Terminologie des Allgemeinen Landrechts

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Der Staat nun ist berechtigt, die Religionsgrundsätze, die im Staat gelehrt werden, zu prüfen und gegebenenfalls – sollten sie dem in II 11 § 13 formulierten „Grundsatz“99 entgegenstehen – deren Ausbreitung zu verbieten100. Es sind allein diese öffentlichen Religionsgrundsätze der Maßstab, der angelegt wird, um zu entscheiden, ob eine Kirchengesellschaft als unerlaubt gilt. Die Privatmeinungen der Mitglieder haben nach II 11 § 16 für die Frage der staatlichen Duldung einer Kirchengesellschaft – und auch einer geistlichen Gesellschaft – keine Bedeutung101. Von dieser Unterscheidung zwischen privater und öffentlicher Religion ist auch das Religionsedikt bestimmt. Die „vom Staate ausdrücklich aufgenommenen Kirchengesellschaften“ haben die Rechtsstellung „privilegirter Corporationen“102, sie sind also, anders als die übergeordnete Form der Religionsparteien, rechtlich als Körperschaft anerkannt103. Ihnen steht das Recht zur öffentlichen Religionsausübung – das exercitium religionis publicum – zu104. Die Gebäude, die von diesen Kirchengesellschaften genutzt werden, um den Gottesdienst zu feiern, und denen, wie ausdrücklich definiert ist, die Bezeichnung „Kirchen“105 vorbehalten wird106,

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So der ALR II 11 § 13 umfassende Marginaltitel. ALR II 11 §§ 14 und 15. 101 ALR II 11 § 16 lautet wörtlich: „Privatmeinungen einzelner Mitglieder machen eine Religionsgesellschaft nicht verwerflich.“ Die Bestimmung gilt also für Religionsgesellschaften überhaupt, nicht nur für Kirchengesellschaften, auch wenn der Paragraph unter dem Marginaltitel der unerlaubten Kirchengesellschaften steht. 102 ALR II 11 § 17. Zu den Korporationen vgl. ALR II 6 §§ 25–202. Ausdrücklich nimmt II 6 § 25 die Bestimmung vom „gemeinschaftlichen Endzwecke“ (II 6 § 1) auf und führt diese noch weiter: „Die Rechte der Corporationen und Gemeinen kommen nur solchen vom Staate genehmigten Gesellschaften zu, die sich zu einem fortdauernden gemeinnützigen Zwecke verbunden haben.“ Die notwendige Dauerhaftigkeit des Endzwecks wird in II 6 § 189 deutlich: „Wenn der im Grundvertrage vorgeschriebene Zweck einer Corporation oder Gemeine nicht ferner erreicht werden kann, oder gänzlich hinwegfällt: so ist der Staat berechtigt, sie aufzuheben.“ Sollte sich der gesellschaftliche Nutzen des Endzwecks nicht nur verflüchtigen, sondern zu einem gesellschaftlichen Schaden verändern, so schreitet der Staat selbstverständlich – wie II 6 § 190 festlegt – auch ein: „Ein Gleiches findet statt, wenn dieser Zweck, wegen veränderter Umstände, dem gemeinen Wohl offenbar schädlich wird.“ 103 ALR II 6 § 81: „Corporationen und Gemeinen stellen in den Geschäften des bürgerlichen Lebens Eine moralische Person vor.“ Mit der moralischen Person ist hier die juristische Person gemeint. 104 Dies läßt sich aus ALR II 11 § 22 erschließen, der für die geduldeten Kirchengesellschaften bestimmt: „Einer geduldeten Kirchengesellschaft ist die freye Ausübung ihres PrivatGottesdienstes verstattet.“ 105 ALR II 11 § 18. 106 Wenn das ALR von „Kirchen“ spricht, sind damit häufig die Kirchengebäude gemeint. Vgl. zum Beispiel II 11 §§ 170; 176; 178; 183–185; 191; 211 f; 307–309; 313 f; 316; 332; 397; 413; 460; 462; 466; 468; 500; 562; 568–571; 588; 592; 595; 607; 608 f; 617; 622; 680; 683; 692; 699; 706; 710; 712; 716; 723–725; 744; 754 f; 762 und 766. Oft ist der Begriff „Kirche“ im ALR jedoch auch im Sinne von „Kirchengesellschaft“ gemeint. Vgl. beispielsweise II 11 100

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

haben wie entsprechende staatliche Gebäude das Privilegium bestimmter Lastenbefreiungen107. Auch sind die Personen, die in den öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften die Feier des Gottesdienstes und den Religionsunterricht verantworten, den übrigen Staatsbeamten rechtlich gleichgestellt108. Die Geistlichen konnten nach den allgemeinen Bestimmungen des ALR über Beamte freilich nur mittelbare Beamte sein109. Das ALR kannte die Geistlichen nicht mehr als eigenen Stand im Staat110. Den Geistlichen eignen bestimmte Sonderrechte111 – privilegierter Gerichtsstand, Steuerprivileg, Befreiung ihrer Söhne vom Militärdienst sowie Einquartierungsfreiheit – nur dann, wenn sie als Pfarrer in einer Gemeinde wirken. Den Ausführungen über die öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften folgen im ALR die Bestimmungen über die geduldeten Kirchengesellschaften, die weit weniger Rechte haben als die öffentlich aufgenommenen. Das exercitium religionis publicum genießen sie nicht, „die freye Ausübung ihres Privat-Gottesdienstes“112, zu der „die Anstellung gottesdienstlicher Zu-

§§ 75; 123; 152; 165; 169; 195–197; 227; 253; 256; 265; 280; 293–297; 300; 320 f; 550; 618; 638; 643; 650; 652–654; 657; 659; 661; 666; 668 und 675. 107 ALR II 11 § 18. Zu den Befreiungen vgl. auch ALR II 11 §§ 166 und 174. Auch den Pfarrgütern eignen gewisse Lastenbefreiungen. Vgl. dazu ALR II 11 §§ 775 f. 108 ALR II 11 § 19. Zu den Privilegien der Staatsbeamten vgl. ALR II 11 § 96: „Die Geistlichen der vom Staate privilegirten Kirchengesellschaften sind, als Beamte des Staats, der Regel nach von den persönlichen Lasten und Pflichten des gemeinen Bürgers frey.“ Vgl. auch ALR II 11 § 97: „Sie genießen einen privilegirten Gerichtsstand.“ 109 ALR II 10 § 68: „Alle Beamte des Staates, welche zum Militairstande nicht gehören, sind unter der allgemeinen Benennung von Civilbedienten begriffen.“ ALR II 10 § 69: „Dergleichen Beamte stehen entweder in unmittelbaren Diensten des Staats, oder gewisser demselben untergeordneter Collegien, Corporationen und Gemeinen.“ Der Geistliche wird von der lokalen Kirchengesellschaft besoldet. Dies ist „einer der Hauptaspekte der Mittelbarkeit; man darf mit Mittelbarkeit keinen Gedanken einer etwa größeren Selbständigkeit verbinden“. Theisinger, Die Irrlehrefrage, 131. Einen erheblichen Teil des Unterhalts der Geistlichen machten übrigens die Stolgebühren aus. ALR II 11 §§ 423–434. 110 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 131. Johann Wilhelm v. Tevenar hatte in seinem Monitum zu Svarez’ erstem Entwurf die Abschaffung der gesetzlichen Anerkennung des geistlichen Standes gefordert. Uneingeschränkt unterstützte ihn Svarez in diesem Ansinnen; ein Geistlicher sei ohnehin nur in Verbindung mit einer Gemeinde zu sehen, und durch diese Gemeinde gehöre er zu den mittelbaren Beamten des Staates. Dem ALR erscheinen Geistliche, die nicht einer Gemeinde zugeordnet sind, als suspekt. ALR II 11 § 545 bestimmt: „Weltgeistliche, die kein bestimmtes geistliches Amt bey einer Gemeine oder Kirche haben, sollen von den Bischöfen nicht ohne erhebliche Ursache bestellt, oder in ihre Diöces aufgenommen werden.“ ALR II 11 § 546 führt weiter aus: „Sie stehen in Ansehung ihrer geistlichen Functionen unter dem Bischofe; und dieser muß dafür sorgen, daß sie weder Unordnung oder Aergerniß anrichten, noch sonst dem Staate zur Last fallen.“ 111 ALR II 11 §§ 96 ff. 112 ALR II 11 § 22.

II. Zur Terminologie des Allgemeinen Landrechts

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sammenkünfte in gewissen dazu bestimmten Gebäuden, und die Ausübung der ihren Religionsgrundsätzen gemäßen Gebräuche, sowohl in diesen Zusammenkünften, als in den Privatwohnungen der Mitglieder“ (II 11 § 23) gehört, ist ihnen freilich erlaubt. Anders als die öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften können sie ihre Gottesdienstgebäude nur mit besonderer staatlicher Genehmigung als Eigentum erwerben113. Auch die Nutzung der Gebäude wird an einer entscheidenden, die Öffentlichkeit tangierenden Stelle eingeschränkt: Glocken dürfen nicht gebraucht werden114. „[Ö]ffentliche Feyerlichkeiten außerhalb den Mauern ihres Versammlungshauses anzustellen“115, ist den geduldeten Kirchengesellschaften ebenfalls untersagt. Bereits die Terminologie verdeutlicht die ungleiche Rechtsstellung von öffentlich aufgenommenen und geduldeten Kirchengesellschaften. Im Blick auf die geduldeten Kirchengesellschaften ist nur von der „Anstellung gottesdienstlicher Zusammenkünfte“116 bzw. der „Feyer ihrer Religionshandlungen“117 die Rede, den öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften dagegen wird die Feier des „Gottesdienstes“118 zugeschrieben. Der Gottesdienst ist hier verstanden als öffentliche kultische Religionsausübung; daher kann bei den geduldeten Kirchengesellschaften nicht vom Gottesdienst gesprochen werden, sondern mit einem einschränkenden Kompositum lediglich von der „Ausübung ihres Privat-Gottesdienstes“119. Im Gegensatz zu den öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften werden bei den geduldeten Kirchengesellschaften die zur Feier des Gottesdienstes bestimmten Gebäude nicht als „Kirchen“120 definiert, sondern es ist die Rede von „gewissen dazu bestimmten Gebäuden“121 oder einem „Versammlungshaus[ ]“122. Die Begriffe „Gottesdienst“ und „Kirche“ also sind im ALR gebraucht für öffentlich aufgenommene Kirchengesellschaften. Auch dann freilich spricht das ALR von „Gottesdienst“, wenn von Kirchengesellschaften im Allgemeinen die Rede ist123. Zwar ist die Rechtsstellung von öffentlich aufgenommenen und geduldeten Kirchengesellschaften deutlich unterschieden, jedoch wird auch bei den gedul-

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ALR II 11 § 24. ALR II 11 § 25. 115 ALR II 11 § 25. 116 ALR II 11 § 23. 117 ALR II 11 § 26. 118 ALR II 11 §§ 18 f. 119 ALR II 11 § 22. 120 ALR II 11 § 18. 121 ALR II 11 § 23. 122 ALR II 11 § 25. 123 Vgl. zum Beispiel ALR II 11 §§ 11; 46; 54. 114

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

deten Kirchengesellschaften, wenngleich mit geringerer Strafe, die Störung des öffentlichen Gottesdienstes geahndet124. Trotz der distinkten und differenzierten Ausführungen über Kirchengesellschaften findet sich im ALR keine konkretere Definition der Kirchengesellschaft als die oben genannte Bestimmung in II 11 § 11. Diese Bestimmung und die weiteren Ausführungen lassen freilich erkennen, daß die Kirchengesellschaft die kirchliche Ortsgemeinde ist125. So legt II 11 § 59 unter dem Marginaltitel „Geistliche Mitglieder“ fest: „Dieienigen, welche bey einer christliche- [sic] Kirchengemeine zum Unterrichte in der Religion, zur Besorgung des Gottesdienstes. [sic] und zur Verwaltung der Sacramente bestellt sind, werden Geistliche genannt.“ Die Kirchengesellschaften sind insoweit selbständig, als sie – auch wenn sie zu derselben Religionspartei gehören – „unter sich in keiner nothwendigen Verbindung“126 stehen. Ein übergemeindlicher, rechtlich normierter Zusammenschluß der jeweiligen Kirchengesellschaften einer Religionspartei existiert im System des ALR also nicht127. Dies verdeutlicht die Abständigkeit des ALR von 124 ALR II 20 § 215 bestimmt: „Wer den öffentlichen Gottesdienst stört, oder die in dessen Feyer begriffene Gemeine, oder deren mit solchen Amtshandlungen beschäftigten Lehrer, mit Worten oder Thätlichkeiten angreift; der soll auf drey bis achtzehn Monath ins Zuchthaus oder auf die Festung gebracht werden.“ ALR II 20 § 216 reduziert die Strafe im Hinblick auf die geduldeten Kirchengesellschaften: „Auch der, welcher sich gegen bloß geduldete Gemeinen eines solchen Unfugs schuldig macht, hat dadurch eine sechswöchentliche bis sechsmonatliche Gefängniß- oder Zuchthausstrafe verwirkt.“ 125 Vgl. auch Strätz, Das staatskirchenrechtliche System, 169–171. 126 ALR II 11 § 36. 127 Strätz, Das staatskirchenrechtliche System, 171 formuliert: „Das ALR kennt […] als ‚Kirchengesellschaften‘ nur einzelne, voneinander unabhängige – man ist versucht zu sagen – ‚Staatsbürgervereinigungen für Religionsübungen‘“. Svarez hat sich häufig zur Frage der Kircheneinheit geäußert. Seiner Revision der Monita zum Entwurf des Sechsten Titels (GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 15, Bl. 121r–146v) schickte er, bevor er die Monita specialia vortrug, einige allgemeine Grundsätze voraus, die für den gesamten Titel von Bedeutung sind. Es gebe keine allgemeine Kirchengesellschaft im Staat, sondern nur einzelne besondere Gesellschaften, „die durch kein äußeres Band unter einander verknüpft sind. Dieser Satz auf welchem Herr v. Tevenar so sehr besteht, hat wohl seine ungezweifelte Richtigkeit die ich hier nicht zu beweisen brauche. Selbst die Unitatem ecclesiae die von den Catholiquen statuirt wird kann man höchstens nur in Ansehung des Lehrbegriffs, od. im theologischen, nicht aber im politischen und rechtlichen Verstande gelten laßen, wenn man nicht die gantze Hierarchie mit allen ihren der Vernunft und dem Wohl des Staats so nachtheiligen Folgen authorisiren will.“ AaO Bl. 121r. Wenn man sich allerdings ebenso viele einzelne Kirchengesellschaften wie Kirchengemeinden denke, gebe es doch eine „Anzahl von Wahrheiten und Sätzen, die alle diese Societaeten mit einander gemein haben“ (ebd.) und die ihr Verhältnis zum Staat und zu anderen Gemeinden – sowohl ihres eigenen als auch eines anderen Religionsbekenntnisses – sowie die äußeren Rechte der Kirchengesellschaften und die inneren Verhältnisse zwischen den verschiedenen Klassen ihrer Mitglieder bestimmten. Diese Bestimmungen rührten teils von den Begriffen und Grundsätzen von Gesellschaften überhaupt, teils von dem Zweck der Kirchengesellschaften und teils von der Unterordnung unter den Staat her.

II. Zur Terminologie des Allgemeinen Landrechts

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der römisch-katholischen hierarchischen Ekklesiologie und deren praktischer Ausgestaltung im kanonischen Recht. Das kanonische Recht ist freilich zu erheblichen Teilen in das ALR aufgenommen worden, da dieses Recht zu den gemeinrechtlichen Rechtsquellen zählte, die in den Preußischen Staaten laut dem Publikationspatent des ALR außer Kraft gesetzt werden sollten. Gerade auch die kirchlichen Organisationsstrukturen erkennt das ALR an; diese kirchlichen Amtsstrukturen, die im lutherischen und reformierten Bereich ohnehin untrennbar mit den staatlichen Strukturen vernetzt sind, unterliegen – auch in der römisch-katholischen Kirche – staatlicher Aufsicht. Nachdem der erste Abschnitt die allgemeinen Bestimmungen über die Kirchengesellschaften und der zweite Abschnitt die Ausführungen über ihre Mitglieder geboten haben, handelt schon der dritte Abschnitt „[v]on den Obern und Vorgesetzten der Kirchengesellschaften“128. Der erste Paragraph des dritten Abschnitts widmet sich der Betonung der staatlichen Aufsichtsrechte, indem die Stellung des Geistlichen Departements unterstrichen wird: „Die dem Staate über die Kirchengesellschaften nach den Gesetzen zukommende Rechte, werden von dem geistlichen Departement insofern verwaltet, als sie nicht dem Oberhaupte des Staats ausdrücklich vorbehalten sind.“129 Auf die innerkirchliche Organisation, nämlich die „geistlichen Obern“130 der jeweiligen Religionspartei, denen die Kirchengesellschaften unterstehen, verweist dann der folgende Paragraph. Jedoch ist auch hier die staatliche Machtposition nicht gemildert: Es geht um die Kirchengesellschaften „einer jeden vom Staate aufgenommenen Religionspartey“131. Übergemeindliche Funktion eignet in der römisch-katholischen Kirche den Bischöfen, in den protestantischen Kirchen den Konsistorien. Der Bi128

So der Titel des dritten Abschnitts. ALR II 11 § 113. Der in ALR II 13 § 1 – der 13. Titel handelt „Von den Rechten und Pflichten des Staats überhaupt“ – eingeführte Begriff des Oberhauptes ist übrigens bemerkenswert: „Alle Rechte und Pflichten des Staats gegen seine Bürger und Schutzverwandten vereinigen sich in dem Oberhaupte desselben.“ Das ALR sprach nicht vom ‚Monarchen‘ oder ‚Souverain‘ oder ‚König‘. „Von göttlichen oder erblichen Rechten des Souveräns ist keine Rede mehr, der ‚König‘ wird verdrängt, die aufgeklärte Staatstheorie verwandelt ihn in einen Funktionsträger, und diese Verwandlung wird juristisch festgeschrieben. Was also wortgeschichtlich unscheinbar war, indizierte begriffsgeschichtlich einen Wandel, der insofern auch Sprachwandel genannt werden mag, als er etwas Neues auszudrücken erlaubte.“ Reinhart Koselleck, Begriffsgeschichten. Studien zur Semantik und Pragmatik der politischen und sozialen Sprache, Frankfurt a. M. 2006, 292. Der Formulierung des „Oberhaupts im Staate“ (ALR II 13 § 2) mißt Koselleck besondere Bedeutung bei: Die Verfasser des ALR sprachen „nicht einmal vom Oberhauptes [sic] des Staates, um die vorgeordnete Stellung des Staates vor seinem Oberhaupt ja nicht zu vertuschen“. AaO 291. Hier geht Koselleck in der Interpretation jedoch zu weit, da in dem oben zitierten II 11 § 113 durchaus vom „Oberhaupte des Staats“ geredet wird. 130 ALR II 11 § 114. 131 ALR II 11 § 114. 129

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

schof ist „der gemeinschaftliche Vorgesetzte aller Kirchengesellschaften des ihm angewiesenen Distrikts“132; diese Unterordnung der Kirchengesellschaften wird vom Staat geschützt133. Dem Staat sind die Bischöfe in hohem Maß verpflichtet: Neue Verordnungen „in Religions- und Kirchenangelegenheiten“134 dürfen sie nur erlassen, wenn der Staat seine Erlaubnis erteilt. Ebenso bedürfen vor der Veröffentlichung und Vollstreckung „[a]lle päpstliche Bullen, Breven und alle Verordnungen auswärtiger Obern der Geistlichkeit“135 der staatlichen Prüfung und Erlaubnis. Diese Bestimmungen zeigen, daß die weitgehende Inkorporation des kanonischen Rechts in das ALR auch durch die taktische Überlegung motiviert war, Auffassungen, die dem Selbstverständnis des Staates zuwiderliefen, keine Geltung mehr einzuräumen136. Für die protestantischen Konsistorien legt das ALR vergleichend fest: „Bey den Protestanten kommen die Rechte und Pflichten des Bischofs in Kirchensachen, der Regel nach, den Consistoriis zu.“137 Die verschiedenen Konsistorien, deren Amtsgeschäfte durch die Konsistorial- und Kirchenordnungen der unterschiedlichen Provinzen und Departements rechtlich geregelt werden138, unterstehen der Oberdirektion des dazu verordneten Departements des Staatsministeriums139, das über sämtliche Veränderungen in kirchlichen Angelegenheiten und über die Einführung neuer Kirchenordnungen zu entscheiden hat140. Die Bischöfe bzw. die protestantischen Konsistorien haben nur Aufsichtsrechte über die Kirchengesellschaften und Geistlichen141. Insofern ist der Bischof „der gemeinschaftliche Vorgesetzte aller Kirchengesellschaften des ihm angewiesenen Distrikts“142. Während Visitationsordnungen zulässig sind, können liturgische und dogmatische Neuerungen nur von den Kirchengesell-

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ALR II 11 § 115. ALR II 11 § 116: „Ohne ausdrückliche Genehmigung des Staats kann keine Kirchengesellschaft von dieser Unterordnung gegen den Bischof der Diözes ausgenommen werden.“ 134 ALR II 11 § 117. 135 ALR II 11 § 118. 136 Vgl. so auch Strätz, Das staatskirchenrechtliche System, 180. Anhand von ALR II 11 § 619 führt Strätz aus, wie eine vom Staat verordnete Bestimmung zu kirchlicher Selbstverwaltungsfreiheit für die römisch-katholische Kirche zugleich einen Verstoß gegen den im kanonischen Recht normierten Selbstverwaltungswillen bedeutete: Wenn ALR II 11 § 619 festlegt, daß die Verwaltung des Kirchenvermögens Aufgabe der Kirchenvorsteher sei, so widerspricht dies der kanonischen Bestimmung, die in dieser Frage jede Beteiligung von Laien ausschloß. AaO 181 f. 137 ALR II 11 § 143. 138 ALR II 11 § 144. 139 ALR II 11 § 145. 140 ALR II 11 § 146. 141 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 143–146. 142 ALR II 11 § 115. Vgl. zur Auslegung von ALR II 11 §§ 120 ff Theisinger, Die Irrlehrefrage, 145 f. 133

III. Staatliches Aufsichtsrecht

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schaften eingeführt werden143. Die Aufsichtsbefugnis der geistlichen Oberen ist in ALR II 11 § 114 ausgedrückt: „Außerdem aber stehen die Kirchengesellschaften einer jeden vom Staate aufgenommenen Religionspartey, unter der Direction ihrer geistlichen Obern.“144 Die Oberen der Geistlichkeit145 sind im Sinne des ALR keine Geistlichen, da sie nicht in einer Kirchengesellschaft angestellt sind146. Dies gilt also nicht nur für die juristischen, sondern auch für die geistlichen Räte der protestantischen Konsistorien. Die geistlichen Oberen stehen daher zwischen den staatlichen Behörden und den Kirchengesellschaften. Sie sind durch besondere Sachkunde – teils theologischer, teils juristischer Natur – ausgezeichnet147.

III. Staatliches Aufsichtsrecht Fundament des staatskirchenrechtlichen Systems des ALR ist der Kollegialismus148. Das staatskirchenrechtliche System des ALR kennt „vom Prinzip her“149 nur das ius maiestatis circa sacra des Staates. Diese staatlichen Aufsichtsrechte sind besonders deutlich in II 11 § 32 festgehalten: „Die Privat- und öffentliche Religionsübung einer jeden Kirchengesellschaft ist der Oberaufsicht des Staats unterworfen.“ Das ius in sacris dagegen steht den Kirchengesellschaften zu, so daß das ALR für die protestantischen und römisch-katholischen Geistlichen bestimmt: „Die besondern Rechte und Pflichten eines katholischen Priesters, in Ansehung seiner geistlichen Amtsverrichtungen, sind durch die Vorschriften des canonischen Rechts; der protestantischen Geistlichen aber,

143 ALR II 11 § 46: „Wegen der äußern Form und Feyer des Gottesdienstes kann jede Kirchengesellschaft dienliche Ordnungen einführen.“ 144 Theisinger führt den Nachweis, daß Klein in allen seinen Entwürfen die Begriffe „Direction“ und „Aufsicht“ synonym gebraucht hat. Theisinger, Die Irrlehrefrage, 146. 145 ALR II 11 § 134: „Alle Obern der Geistlichkeit sind dem Staate zur vorzüglichen Treue und Gehorsam verpflichtet.“ 146 ALR II 11 § 59. Vgl. auch Theisinger, Die Irrlehrefrage, 147. 147 AaO 148. 148 So auch Strätz, Das staatskirchenrechtliche System, 171. Zum allgemeinen Verfassungsverständnis des Landrechts vgl. Horst Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1763–1815, Deutsche Geschichte 7, Berlin 1994 (1989), 288–292. Diese Theorie – von Christoph Matthäus Pfaff begründet – hat Christian Wolff ausdifferenziert. Zum Verhältnis des ALR zu den drei zeitgenössischen Kirchenrechtslehren – dem Episkopal-, Territorial- und Kollegialsystem – vgl. Theisinger, Die Irrlehrefrage, 153 f. Zum deutschen Staatskirchenrecht vgl. Martin Heckel, Zur Entwicklung des deutschen Staatskirchenrechts von der Reformation bis zur Schwelle der Weimarer Verfassung, in: Ders., Gesammelte Schriften. Staat, Kirche, Recht, Geschichte, Bd. 1, hg. von Klaus Schlaich, JusEcc 38, Tübingen 1989, 366–401. 149 Strätz, Das staatskirchenrechtliche System, 172.

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

durch die Consistorial- und Kirchenordnungen bestimmt.“150 Da freilich – wie oben gezeigt – die Konsistorien dem staatlichen Ministerium für geistliche Angelegenheiten unterstehen und keine Kirchenordnungen ohne des Staates Genehmigung erlassen werden dürfen, ist hier keinesfalls eine Unabhängigkeit der Kirchengesellschaften vom Staat gemeint. Gerechtfertigt ist diese staatliche Oberaufsicht – so Svarez – durch die hohe Bedeutung der Kirchengesellschaften für die bürgerliche Gesellschaft. Das staatliche Aufsichtsrecht und das theologische Selbstverwaltungsrecht der Kirchengesellschaften sind also nicht trennscharf zu unterscheiden, sondern bilden ein eng verknüpftes Ganzes; sie sind ausgerichtet auf das preußische staatskirchenrechtliche System, das bestimmt ist von dem obersten Handlungsziel der bürgerlichen Ruhe und Ordnung, die einhergeht mit dem Gemeinwohl und der Sicherheit des Staates. Die Bedeutung dieser Begriffe – Ruhe, Ordnung, Gemeinwohl, Sicherheit – erhellt aus deren Gebrauch im öffentlichen Recht151. Das Polizeirecht, das dem öffentlichen Recht subsumiert ist, spiegelt im ALR klar die politischen Verhältnisse des aufgeklärten Absolutismus wider. Die Mannigfaltigkeit der Religionen und Konfessionen in den Preußischen Staaten erforderte in besonderer Weise die Aufmerksamkeit des Staates, der wegen der beständig drohenden Religionsstreitigkeiten, deren Gefahr sich in der preußischen Geschichte zuhauf verwirklicht hatte, rechtlich das Ideal von Ruhe und Ordnung zu realisieren bestrebt war. Deshalb normiert das ALR in polizeilicher Zielsetzung das interkonfessionelle Verhalten: „Kirchengesellschaften dürfen so wenig, als einzelne Mitglieder derselben, einander verfolgen oder beleidigen.“152 Der nachfolgende Paragraph bietet eine gewisse Konkretion: „Schmähungen und Erbitterung verursachende Beschuldigungen müssen durchaus vermieden werden.“153 Um das gegenseitige Rechtverhalten der Kirchengesellschaften überprüfen zu können, ermächtigt sich der Staat im Sinne seines staatlichen Aufsichtsrechts154, „von demjenigen, was in den Versammlungen der Kirchengesellschaft gelehrt und verhandelt wird, Kenntniß einzuziehen“155. Auch liturgische Neuerungen dürfen nur mit staatlicher Genehmigung eingeführt werden; zwar obliegt es den jeweiligen Kirchengesellschaften, hier „dienliche Ordnungen“156 einzuführen, diese Ordnungen müssen jedoch vom Staat – nach 150

ALR II 11 § 66. Vgl. auch Strätz, Das staatskirchenrechtliche System, 177. 152 ALR II 11 § 37. 153 ALR II 11 § 38. 154 ALR II 11 § 32. 155 ALR II 11 § 33. 156 ALR II 11 § 46. 151

IV. Toleranz

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den in II 11 § 13 dargelegten Kriterien – geprüft werden157 und haben, wenn sie genehmigt worden sind, „mit andern Polizeygesetzen gleiche Kraft und Verbindlichkeit“158. Diese kirchlichen Anordnungen sind also den Polizeigesetzen nicht nur gleichgestellt159, sondern werden als ein Teil dieser verstanden. Auch die liturgischen Ordnungen werden auf diese Weise in den Staatszweck inkorporiert.

IV. Toleranz Verfehlt wäre es, die Differenzierung des ALR zwischen verschiedenen Typen von Kirchengesellschaften, die rechtlich nicht gleichgeordnet sind, als ein Zeichen eingeschränkter Toleranz im System des ALR zu deuten. Nach der zeitgenössischen Rechtsvorstellung ist das Toleranzgebot vielmehr verwirklicht, solange der Staat alle Religionsgesellschaften – also Kirchengesellschaften und geistlichen Gesellschaften – duldet, die für die öffentliche Ruhe und Sicherheit der bürgerlichen Gesellschaft nicht schädlich sind. In der Duldung darf der Staat durchaus auch bevorzugen, denn ein Gleichheitsgrundsatz ist im Toleranzgebot nicht impliziert. Als ausschlaggebendes Kriterium gilt das Staatswohl, die Nutzbarkeit der Religionsgesellschaften für den Staat. Paritätisch hingegen behandelt der preußische Staat seit den Beschlüssen im Westfälischen Frieden die Lutheraner, die Reformierten und die Römisch-Katholischen. Diese drei Konfessionen erfahren im Woellnerschen Religionsedikt und im ALR Gleichbehandlung. Im preußischen staatskirchenrechtlichen System sind also die Prinzipien der Toleranz und der Parität grundlegend, während die anderen Staaten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sich dieser fortschrittlichen Denk- und Handlungsweise nicht rühmen konnten. Bereits im Woellnerschen Religionsedikt war der Toleranzgrundsatz normiert worden. Das System des ALR kennt nicht ein „Staatskirchentum mit drei Staatskirchen“160, sondern ein „‚Staatskirchentum auf freiwilliger, gesellschaftsrechtlicher Basis in Form unabhängiger, lokaler Kirchengesellschaften, die zur Zeit des Inkrafttretens den drei Reichskonfessionen angehörten‘“161. 157 Vgl. ALR II 11 § 47 und auch II 11 § 49. Carmer hatte zu § 27 des Sechsten Titels des ersten Entwurfs zunächst am Rand notiert, daß jede Kirchengemeinde über die Form und Feier des Gottesdienstes „mit Bewilligung des Staats“ dienliche Ordnungen einführen möge, den Verweis auf den Staat dann aber durchgestrichen. GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 15, Bl. 8v. 158 ALR II 11 § 48. 159 Strätz, Das staatskirchenrechtliche System, 179. 160 AaO 181. 161 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 151.

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

Zeitgenössisch waren als öffentliche Kirchengesellschaften nur die drei Hauptkonfessionen aufgenommen. Ausdrücklich gesagt ist dies im Gesetzestext freilich nicht. Jedoch ist eine fehlende Bestimmung über den Akt der öffentlichen Aufnahme als indirekter Hinweis darauf zu werten, daß zunächst keine Aufnahme weiterer Konfessionen geplant war162.

V. Gewissensfreiheit Das ALR sicherte die Glaubens- und Gewissensfreiheit als innere Glaubens- und Gewissensfreiheit. In II 11 § 1 ist diese Freiheit als naturgegeben angesehen: „Die Begriffe der Einwohner des Staats von Gott und göttlichen Dingen, der Glaube, und der innere Gottesdienst, können kein Gegenstand von Zwangsgesetzen seyn.“ II 11 § 2 geht nicht darüber hinaus, wenn es heißt: „Jedem Einwohner im Staate muß eine vollkommene Glaubens- und Gewissensfreyheit gestattet werden.“ II 11 § 3 präzisiert dann die Bestimmungen: „Niemand ist schuldig, über seine Privatmeinungen in Religionssachen Vorschriften vom Staate anzunehmen.“ II 11 § 4 enthält eine Schutzvorschrift gegen jedermann: „Niemand soll wegen seiner Religionsmeinungen beunruhigt, zur Rechenschaft gezogen, verspottet, oder gar verfolgt werden.“ In II 11 § 45 ist diese Schutzvorschrift als Schutzvorschrift gegenüber den Kirchengesellschaften spezialisiert: „Keine Kirchengesellschaft ist befugt, ihren Mitgliedern Glaubensgesetze wider ihre Ueberzeugung aufzudringen.“ Bei der Glaubens- und Gewissensfreiheit gilt die Schutznorm auch im Hinblick auf Ordensgelübde und ähnliche Bindungen163. Auch kirchlicherseits dürfen keine Sanktionen festgelegt werden: „Die geistlichen Obern sind nicht berechtigt, unter dem Vorwande des abgelegten Gelübdes, irgend jemanden einen Gewissenszwang anzulegen; ihm die freye Wahl der Religionspartey, zu welcher er sich halten will, zu verschränken; oder ihn wider seinen Willen im Kloster zurückzuhalten.“164 II 11 § 2 ist also nur eine Schutznorm für die innere Glaubens- und Gewissensfreiheit. Aus dem Recht der Gewissensfreiheit resultiert das Recht zum Übertritt zu einer anderen Religionspartei165. Zu welcher Religionspartei man zunächst 162

AaO 120. ALR I 4 § 9 legt fest: „Gewissensfreyheit kann durch keine Willenserklärung eingeschränkt werden.“ 164 ALR II 11 § 1179. 165 ALR II 11 § 40: „Jedem Bürger des Staats, welchen die Gesetze fähig erkennen, für sich selbst zu urtheilen, soll die Wahl der Religionspartey, zu welcher er sich halten will, frey stehn.“ ALR II 11 § 41 nennt nicht den Empfänger der Übertrittserklärung, während das Religionsedikt in § 3 eine Mitteilung an die Behörde vorgeschrieben hatte. ALR II 11 163

VI. Irrlehre

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gehört, hängt von der Konfessionszugehörigkeit der Eltern ab. Haben die Eltern verschiedene Glaubensbekenntnisse, müssen, bis zur Vollendung des vierzehnten Lebensjahres, die Söhne im Glaubensbekenntnis des Vaters und die Töchter in demjenigen der Mutter unterrichtet werden166.

VI. Irrlehre ALR II 11 § 73 ist Teil des Komplexes, der II 11 §§ 66–92 umfaßt und unter dem Marginaltitel „Rechte und Pflichten in Ansehung des Amts“ steht. Dieser Marginaltitel gehört im elften Titel zum zweiten, „Von den Mitgliedern der Kirchengesellschaften“ handelnden Abschnitt167. Das ALR widmet dem Lebenswandel der Geistlichen mehr Paragraphen als deren Lehre. Grundsätzlich gilt nach II 11 § 67 für die Amtsträger: „Alle Geistliche müssen sich, bey Verlust ihres Amts, eines ehrbaren und dem Volke unanstößigen Lebenswandels vorzüglich befleißigen.“168 § 41: „Der Uebergang von einer Religionspartey zu einer andern geschieht in der Regel durch ausdrückliche Erklärung.“ Dazu erläutert II 11 § 42: „Die Theilnehmung an solchen Religionshandlungen, wodurch eine Partey sich von der andern wesentlich unterscheidet, hat die Kraft einer ausdrücklichen Erklärung, wenn nicht das Gegentheil aus den Umständen deutlich erhellet.“ Mit dieser Einschränkung ist auf II 11 § 39 verwiesen: „Protestantische Kirchengesellschaften des Augsburgschen Glaubensbekenntnisses sollen ihren Mitgliedern wechselseitig die Theilnahme auch an ihren eigenthümlichen Religionshandlungen nicht versagen, wenn dieselben keine Kirchenanstalt ihrer eignen Religionspartey, deren sie sich bedienen können, in der Nähe haben.“ 166 ALR II 2 § 76. Der folgende Paragraph (ALR II 2 § 77) sichert die Bestimmung ab: Keines der Elternteile kann das andere Elternteil zu Abweichungen von diesen gesetzlichen Vorschriften verpflichten. Solange sich jedoch die Eltern über den ihren Kindern zu erteilenden Religionsunterricht einig sind, hat – legt ALR II 2 § 78 fest – kein Dritter ein Recht zu widersprechen. Auch nach dem Tod der Eltern muß der Unterricht in dem entsprechenden Glaubensbekenntnis fortgesetzt werden. ALR II 2 § 80. „Auf eine in der letzten Krankheit erst erfolgte Religionsänderung wird dabey keine Rücksicht genommen.“ ALR II 2 § 81. Hat aber das verstorbene Elternteil das zu seinem Geschlecht gehörige Kind mindestens ein ganzes Jahr lang vor seinem Tod in dem Glaubensbekenntnis des anderen Ehegatten unterrichten lassen, muß dieser Unterricht auch nach seinem Tod fortgesetzt werden. ALR II 2 § 82. 167 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 156 nennt fälschlich den dritten Abschnitt. 168 Insgesamt handelt es sich um den Komplex ALR II 11 §§ 67–72. ALR II 11 § 68 führt II 11 § 67 weiter: „Auch in gleichgültigen Dingen müssen sie alle Gelegenheit zum Anstoße für die Kirchengemeine sorgfältig vermeiden.“ II 11 § 69 reguliert einschränkend das Verhalten gegenüber der Gemeinde: „Aller zudringlichen Einmischungen in Privat- und Familienangelegenheiten müssen sie sich enthalten.“ II 11 § 70 bietet als positive Handlungsanweisung: „Durch vorsichtiges und sanftmüthiges Betragen müssen sie die Liebe und das Vertrauen der Gemeine zu erwerben suchen.“ II 11 § 71 fügt erweiternd hinzu: „Ueberhaupt müssen sie in Lehre und Wandel ihren Zuhörern mit einem guten Beyspiele der Sanftmuth und Verträglichkeit, selbst gegen fremde Religionsverwandte, vorgehn.“ In II 11 § 72 ist außerdem die Familie der Geistlichen angesprochen: „Auch die Personen, welche zu ihrer Familie gehören, müssen sie zu einer ordentlichen, stillen und bescheidenen Ausführung anhalten.“

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

II 11 § 73 nun wendet sich der Lehrfrage zu: „In ihren Amtsvorträgen, und bey dem öffentlichen Unterrichte, müssen sie, zum Anstoße der Gemeine, nichts einmischen, was den Grundbegriffen ihrer Religionspartey widerspricht.“ Freilich erläutert das ALR nicht, was unter der Bestimmung „Grundbegriffe“ zu verstehen ist. Den ursprünglichen Ausdruck „Lehrbegriffe“ veränderte Svarez selbst zu der weiteren Formulierung „Grundbegriffe“169. Dagegen hatte sich freilich bei der Revision des Gesetzestextes Widerspruch erhoben170. Dem Monenten der Glogauer Oberamtsregierung erschien es unabdingbar notwendig, daß ausdrücklich die Symbolischen Bücher genannt würden.

VII. Das Religionsedikt und das Allgemeine Landrecht Die Bestimmungen des ALR sind nicht vom Religionsedikt beeinflußt, das chronologisch betrachtet in der Zeit zwischen dem gedruckten Entwurf (1785) einerseits sowie dem AGB (1791) und dem ALR (1794) andererseits erschienen ist171. Das Religionsedikt findet in den gesamten Monita keine Erwähnung. Nur in einer einzigen Randbemerkung der „Revisio monitorum“ ließ Svarez erkennen, daß das Religionsedikt und die dadurch hervorgerufenen Diskussionen bei der Abfassung des Gesetzestextes keine Rolle spielen sollten. Zu den §§ 59 und 60 des gedruckten Entwurfs hielt er fest, daß gegen diese beiden wichtigen Paragraphen niemand etwas moniert habe als nur die Breslauer und Glogauer Oberamtsregierung, die darauf angetragen hatten, daß hier der Symbolischen Bücher und der Verpflichtung der Geistlichen, jenen gemäß zu lehren, gedacht werden solle172. „Ich würde aber schlechterdings bei der Fassung des Texts stehn bleiben, welche so vorsichtig und sorgfältig gewählt ist, daß keine von den beiden jezt bekanntermaaßen streitigen Partheien, wenn sie sich nicht selbst lächerlich machen wollen, etwas dagegen sagen können. Was die Grundbegriffe der Religions-Parthei betrifft, zu der ein Geistlicher gehört, so ist es eine so natürliche Sache, daß ein Religionslehrer dieser Parthei, denselben nicht widersprechen muß, daß die Heterodoxen diesen Satz nie werden umstoßen können. Dagegen stehn in den Symbolischen Büchern viele Dinge, die offenbar nicht ad Essentialia dieses oder jenes Religionsbegriffs gehören.“173 Und weiter: „In einem Gesetzbuch, welches nicht blos für eine einzige Generation bestimmt ist, muß man, in solchen wichtigen Dingen, bloße 169

Theisinger, Die Irrlehrefrage, 161. Vgl. dazu Kapitel B.VII. 171 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 85. 172 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 80, Beiheft 3, Bl. 895r–895v. 173 AaO Bl. 895v. 170

VII. Das Religionsedikt und das Allgemeine Landrecht

123

Zeitgesetze nicht aufnehmen; und dies sind doch offenbar nur unsere jetzigen symbolischen Bücher.“174 Das Gesetzbuch sollte die gegenwärtigen Querelen überdauern. „So orthodox Herr Silb[erschlag] ist, so sind ihm doch in seinem Catechismus Verstoße [sic] gegen die Symb. Bücher nachgewiesen worden. Die Würde des Gesetzbuchs erlaubt es auch nicht, sich auf die jetzigen Zänkereien über Symbol. Bücher einzulassen.“175 Ebensowenig wie das ALR vom Religionsedikt beeinflußt worden ist, wurde die Anwendbarkeit des Religionsedikts im Hinblick auf die Lehrpflicht und Lehrzucht vom Inkrafttreten des ALR oder gar bereits von der Publikation des AGB tangiert176. Die Unterscheidung zwischen „bloßen Zeitgesetzen“ und allgemeinen Gesetzen hat Svarez auch in seinen Kronprinzenvorträgen getroffen177. Das AGB und das ALR seien als allgemeine Gesetze mit der Bestimmung verfaßt worden, für mehrere Generationen zu gelten. Dagegen seien Zeitgesetze an die jeweiligen historischen Verhältnisse und Zeitläufte gebunden und bewirkten für eine begrenzte Zeitdauer eine größere Freiheitsbeschränkung derer, die dem Gesetz unterworfen sind, als die allgemeinen Gesetze. Das Religionsedikt sei ein solches Zeitgesetz und habe mithin als speziellere Regelung gegenüber dem ALR Anwendungsvorrang. Mit dieser Auffassung stimmte Friedrich Wilhelms II. Verständnis des ALR überein, das er in Fragen der Lehrpflicht der Geistlichen dem Religionsedikt als speziellem Gesetz untergeordnet wissen wollte178. Das Publikationspatent vom 5. Februar 1794 sollte das Religionsedikt also nicht außer Kraft setzen. Vielmehr schärfte Friedrich Wilhelm II. wenig später – am 12. April 1794 – den Konsistorien ein, bei Verstößen gegen das Religionsedikt hart und rasch durchzugreifen179. Auch schon im Blick auf das AGB hatte Friedrich Wilhelm II. nicht beabsichtigt, die Bedeutung und Rechtsgültigkeit des Religionsedikts zu schmälern.

174

AaO Bl. 895v–896r. AaO Bl. 896r. 176 Zu dieser Frage vgl. Johannes Tradt, Der Religionsprozeß gegen den Zopfschulzen (1791–1799). Ein Beitrag zur protestantischen Lehrpflicht und Lehrzucht in BrandenburgPreußen gegen Ende des 18. Jahrhunderts, Rechtshistorische Reihe 158, Frankfurt a. M. u. a. 1997, 251–254 und 289. 177 Zu den Vorträgen für den Kronprinzen, den späteren Friedrich Wilhelm III., vgl. Gerd Kleinheyer, Staat und Bürger im Recht. Die Vorträge des Carl Gottlieb Svarez vor dem preußischen Kronprinzen 1791–1792, Bonner rechtswissenschaftliche Abhandlungen 47, Bonn 1959 und Thomas Karst, Das allgemeine Staatsrecht im Rahmen der Kronprinzenvorträge des Carl Gottlieb Svarez. Unter besonderer Berücksichtigung des Strebens nach Glückseligkeit, Studien zur Rechtswissenschaft 62, Hamburg 2000. 178 Tradt, Der Religionsprozeß, 254. 179 Vgl. zu der Kabinettsordre vom 12. April 1794 Kapitel K.III. 175

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B. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten

Der Jurist Karl Ludwig Amelang, der sich im Prozeß um den Prediger Johann Heinrich Schulz180 als dessen Verteidiger bekannt machte, irrte, wenn er in seiner Verteidigungsschrift vom 23. November 1791 die Ungültigkeit des Religionsedikts für den Zopfschulzen behauptete: Nur das AGB könne auf die Angelegenheit des Zopfschulzen angewandt werden. Mit zwei Hauptargumenten suchte Amelang diese These zu stützen181. Erstens sei zugunsten der Verteidigung § 9 des Publikationspatents vom 20. März 1791 zu sehen, der bestimmte, daß bei Prozessen um Taten, die vor der Publikation des AGB begangen worden waren und damalige, bei den Gerichtshöfen umstrittene Gesetze betrafen, derjenigen Auslegung der Gerichtshöfe, „welche mit den Vorschriften des Gesetzbuchs übereinstimmt, oder denselben am nächsten kommt, der Vorzug gegeben werden“ solle. Zwar gab Amelang zu, daß das Religionsedikt, zu dem es aus Mangel an Prozessen um seine Sache naturgemäß keine umstrittenen Meinungen der Gerichtshöfe gab, von diesem Paragraphen nicht punktgenau getroffen werde. Die heftigen Auseinandersetzungen um das Religionsedikt seien jedoch hinreichender Beweis für dessen öffentlich umstrittene Auslegung. Amelang legte die §§ 7 und 8 des Religionsedikts im Sinne von § 73 des kirchenrechtlichen Teils des AGB aus, sah in diesen beiden Paragraphen also nicht eine Verpflichtung der Geistlichen auf die Bekenntnisse der Gesamtkirche, sondern bezog die Bestimmung dieser beiden Paragraphen auf die Glaubensüberzeugung der Einzelgemeinde, die der Geistliche als allein verbindlich anerkennen solle. Für die Sache des Zopfschulzen spreche zudem – so Amelangs zweites Hauptargument –, daß Verfahren gegen der Irrlehre bezichtigte Prediger als Strafverfahren zu gelten hätten. Deshalb müsse ein Geistlicher ebenso wie ein Straftäter nach dem positiv gewendeten Prinzip des Rückwirkungsverbots behandelt werden. Auch die Kriminal-Deputation des Kammergerichts griff auf dieses Prinzip zurück, als sie am 7. Mai 1792 im Fall Schulz Beschwerde beim Großkanzler einlegte.

180 181

Zu Johann Heinrich Schulz vgl. kurz Kapitel K.V. Tradt, Der Religionsprozeß, 251–254.

C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 Kaum war Woellner am 3. Juli 1788 Chef des Geistlichen Departements geworden, erging unter dem 9. Juli ein Religionsedikt. Etliche Bestimmungen des Religionsedikts hatte Woellner bereits 1785 in seiner für den damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm geschriebenen „Abhandlung von der Religion“ geäußert.

I. Religionsedikte anderer Staaten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation Auch in anderen Staaten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gab es reaktionäre Religionsedikte. In Kursachsen schärfte der orthodoxe Konsistorialpräsident und geistliche Minister Christoph Gottlob v. Burgsdorff mehrfach in Geboten ein, sich genau an den überlieferten Lehrbegriff zu halten1. Ein kursächsischer kurfürstlicher Befehl an die Konsistorien, Universitäten und Superintendenten datierte vom 2. Oktober 17762. „Einige Gelehrte in der evangelischen Kirche“ wollten „mancherley irrige und besonders Socinianische Lehrsätze“ annehmen und sogar durch öffentliche Schriften verbreiten. Im gegebenen Fall solle man Anzeige erstatten. Auffällig ist, daß nur von „einigen“ Gelehrten die Rede ist. Insgesamt scheint im orthodoxen Kursachsen die Irrlehrefrage nur eine bescheidene Rolle gespielt zu haben. Dagegen ist das württembergische Generalreskript vom 12. Februar 1780, das die „Verbotene Ausbreitung pelagianischer, socinianischer und naturalistischer Grundsätze“3 betrifft, ausführlicher. Während im Woellnerschen 1 Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 1, Leipzig 1880, 198. 2 Dieser kursächsische Befehl ist abgedruckt bei Heinrich Philipp Conrad Henke, Beurtheilung aller Schriften welche durch das Königlich Preußische Religionsedikt und durch andre damit zusammenhängende Religionsverfügungen veranlaßt sind (gesonderter Abdruck aus AdB 114/2 und 115/1), Kiel 1793, 10 f Anm. 3 Johann Georg Hartmann, Kirchen-Geseze des Herzogthums Wirtemberg, Bd. 2, Stuttgart 1792, 628–638. Nach Philippson hat Woellner als Muster des Religionsedikts dieses württembergische Generalreskript vorgeschwebt. Freilich sei er „bei weitem“ darüber hinausgegangen. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 211. Auch Wagenmann und Mirbt nehmen an, daß das Generalreskript als Vorlage gedient habe. Julius August Wagenmann/ Carl Mirbt,

126

C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

Religionsedikt der Landesherr nicht in das Seelenheil der Untertanen eingreift, wird es hier an drei Stellen genannt. Anders als das Woellnersche Religionsedikt waren das kursächsische und das württembergische Edikt keine eigentlichen Landesgesetze; sie hatten mehr den „Charakter von amtlichen Rundschreiben“4. Diese beiden Edikte, die von katholischen Landesherren protestantischer Länder verantwortet wurden, fanden kaum Beachtung, da sie in den traditionell orthodox-lutherischen Ländern Kursachsen und Württemberg kein Aufsehen erregen konnten5. In Österreich waren neben den Katholiken nur die Lutheraner, Reformierten und Griechisch-Orthodoxen zugelassen, die jedoch keine aufklärerischen Aufbrüche zu erkennen geben durften. Ein spezielles Religionsedikt existierte zwar nicht, entsprechende Maßnahmen aber wurden ergriffen. Der Abt von Braunau, Franz Stephan Rautenstrauch, sprach sich gegen alle von den Symbolischen Büchern abweichenden Schriften aus6, und eine kaiserliche Verordnung vom Sommer 1785 mahnte die Geistlichen zur Wachsamkeit gegenüber dem Sozinianismus7. Die Aufklärung im Ausland und zumal in Preußen sollte – so das unerreichte Ideal – nicht auf Österreich übergreifen dürfen, so daß auch das neue preußische Gesangbuch, das Johann Samuel Diterich, Wilhelm Abraham Teller und Johann Joachim Spalding 1780 herausgegeben hatten, in Österreich nicht zugelassen war8. Neun Jahre nach dem preußischen Religionsedikt wurde im Kleinterritorium Baden eine Kirchenratsinstruktion erlassen. Diese vom 6. Juli 1797 datierende, unter Carl Friderich Markgraf zu Baden erlassene Instruktion war von dem badischen Staatsrat Johann Nikolaus Brauer verfaßt worden und ist von den Erfahrungen mit dem Woellnerschen Religionsedikt beeinflußt9. Brauer war Art. Wöllner, in: RE3 21 (1908), 428–435, hier 431. Für diese Behauptung bieten die Quellen freilich keinen Anhalt. 4 Thomas Theisinger, Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen Religionsedikt und im System des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten aus dem Jahre 1794. Eine rechtsgeschichtlich-rechtsdogmatische Untersuchung, Diss. masch., Heidelberg 1975, 67. 5 Ebd. 6 Der Kaiser verordnete im Oktober 1781, daß bei dem den Protestanten nunmehr eingeräumten stillen Gottesdienst auch wegen der Einführung der Kirchen- und Lehrbücher acht zu geben sei. Rautenstrauch legte dann der Hofkanzlei ein Verzeichnis zur Einführung geeigneter protestantischer Schriften vor. Gustav Frank, Das Toleranz-Patent Kaiser Joseph II. Urkundliche Geschichte seiner Entstehung und seiner Folgen. Säcular-Festschrift des k. k. evangelischen Oberkirchenrathes A. C. und H. C. in Wien, Wien 1882, 96 f. 7 AaO 109 f. 8 AaO 109. Zu diesem Gesangbuch vgl. Kapitel A.X.4. 9 Die badische Kirchenratsinstruktion ist auszugsweise abgedruckt bei Georg Spohn, Kirchenrecht der Vereinigten evangelisch-protest[antischen] Kirche im Großherzogtum Baden. Durch Mittheilung der jetzt geltenden kirchlichen Gesetze und Verordnungen dargestellt, Karlsruhe 1871, 317–364.

II. Der Text des Religionsedikts

127

bemüht, die Schwierigkeiten des preußischen Edikts zu vermeiden10. Er suchte die „richtige Mittelstufe zwischen altpreußischem Religionsindifferentismo und neupreußischer Religionstoleranz“11.

II. Der Text des Religionsedikts Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 ist von Friedrich Wilhelm II., dem Großkanzler Johann Heinrich Casimir v. Carmer, dem Chef des geistlichen Spezialdepartements für reformierte Angelegenheiten Wolfgang Ferdinand v. Dörnberg und Woellner unterschrieben12. „Wir Friedrich Willhelm [sic] von Gottes Gnaden König von Preußen Marggraf zu Brandenburg ppp Thun kund und fügen hiemit jedermann zu wißen, daß, nachdem Wir lange vor Unsere [sic] Thronbesteigung bereits eingesehen und bemerckt haben, wie nöthig es dereinst sein dürfte, nach dem Exempel Unserer Durchlauchtigsten Vorfahren, besonders aber Unsers in Gott ruhenden Großvaters Majestät darauf bedacht zu sein, daß in den Preußischen Landen die Christliche Religion der Protestantischen Kirche in ihrer alten ursprünglichen Reinigkeit und Aechtheit erhalten, und zum Theil wieder hergestellet werde, auch dem Unglauben eben wie dem Aberglauben sowohl, als der Verfälschung der Grund-Wahrheiten des Glaubens der Christen, und der daraus entstehenden Zügellosigkeit der Sitten, so viel an Uns ist, Einhalt geschehe; mithin zugleich Unsern getreuen Unterthanen ein überzeugender Beweis gegeben werde, weßen sie in Absicht ihrer wichtigsten Angelegenheit, nemlich der völligen Gewißens Freiheit, der ungestöhrten Ruhe und Sicherheit bei ihrer jedesmaligen Confession und dem Glauben ihrer Väter,13 wie auch des Schutzes gegen alle Stöhrer ihres Gottes Dienstes und ihrer Kirchlichen Verfaßungen, zu Uns als ihrem Landes-Herrn sich zu versehen haben; Wir nach bisheriger Besorgung der dringendsten Angelegenheit des Staates und Vollendung verschiedener nöthigen und nützlichen neuen Einrichtungen nunmehro keinen fernern Anstand nehmen, an diese Unsere anderweitige wichtige Regenten Pflicht ernstlich zu dencken, und in gegenwärtigem Edict Unsere unveränderliche Willens Meinung über diesen Gegenstand öffentlich bekannt zu machen.

10

Theisinger, Die Irrlehrefrage, 68–73. Es ist „praktisch keine Kritik“ an der badischen Kirchenratsinstruktion bekannt. AaO 72. 12 Die handschriftliche Ausfertigung mit den Unterschriften von Friedrich Wilhelm II., Woellner, Carmer und Dörnberg findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 32, Bl. 1r– 7v. Die gedruckte Fassung des Religionsedikts, die in der Graphematik, Interpunktion und in einzelnen Fällen in der Wortwahl einige den Sachgehalt nicht verändernde Abweichungen aufweist, findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 1r–4v. Dieses Exemplar ist im Quellenanhang der vorliegenden Arbeit wiedergegeben. 13 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 32, Bl. 1r. 11

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C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

Als §. 1. befehlen, wollen, und verordnen Wir demnach, daß alle Drei Haupt-Confessionen der Christlichen Religion, nemlich die Reformirte, Lutherische und Römisch Catholische in ihrer bisherigen Verfaßung, nach denen von Unsern Gottseeligen Vorfahren vielfältig erlaßenen Edicten und Verordnungen, in Unsern sämtlichen Landen verbleiben, aufrecht erhalten, und geschützet werden sollen. Daneben aber §. 2. soll die den Preußischen Staaten von je her eigenthümlich gewesene Toleranz der übrigen Secten und Religions Partheien, beibehalten, und Niemanden der mindeste Gewißens-Zwang zu keiner Zeit angethan werden, so lange ein jeder ruhig als ein14 guter Bürger des Staates seine Pflichten erfüllet, seine jedesmalige besondere Meinung aber für sich behält, und sich sorgfältig hütet solche nicht auszubreiten oder andere dazu zu überreden, und in ihrem Glauben irre oder wanckend zu machen. Denn da jeder Mensch für seine eigene Seele allein zu sorgen hat, so muß er hierinn ganz frei handeln können, und nach Unserm Dafürhalten hat ein jeder Regent nur dahin zu sehen, das wahre Christenthum das Volck treu und unverfälscht lehren und demselbigen predigen zu laßen, und mithin einem jeden die Gelegenheit zu verschaffen, selbiges zu erlernen und anzunehmen. Ob ein Unterthan nun aber diese gute ihm so reichlich dargebotene Gelegenheit zu seiner Überzeugung nutzen und gebrauchen will, oder nicht?15 muß seinem eigenen Gewißen völlig frei anheim gestellet bleiben. Die in Unsern Staaten bisher öffentlich geduldete Secten sind außer der jüdischen Nation, die Herrenhuter, Mennonisten, und die Böhmische Brüder-Gemeinde, welche unter Landes-Herrlichem Schutz ihre Gottesdienstliche Zusammenkünfte halten, und diese dem Staate unschädliche Freiheit ferner ungestöhrt behalten sollen. In der Folge aber soll Unser GeistlichesDepartement dafür sorgen, daß nicht andere, der Christlichen Religion und dem Staate schädliche Conventicula unter dem Nahmen Gottesdienstliche-Versammlungen gehalten werden, durch welches Mittel allerlei gefährliche16 Menschen und Néologen sich17 Anhänger und Proselyten zu machen im Sinne haben mögten, wodurch aber die Toleranz sehr gemisbraucht werden würde. Wie Wir denn überhaupt §. 3. alles und jedes Proselyten machen bei allen Confessionen ohne Unterschied ernstlich verbieten, und nicht wollen, daß Geistliche oder andere Leute von verschiedenen Religions-Partheien sich damit abgeben sollen, ihre jedesmalige eigenthümliche Lehrsätze und besondere Meinungen in Glaubens Sachen, denen die nicht von ihrem Bekenntnis sind, weder aufzudringen, noch sie auf irgend eine Weise zur Annehmung derselben zu verleiten und zu überreden, und also die Gewißens Freiheit des andern zu beeinträchtigen. Ganz verschieden hievon ist indeßen der Fall wenn jemand aus innerer, eigener, freier Überzeugung für seine Person von einer Confession zur andern übergehen will, als welches einem jeden völlig erlaubt sein, und ihm darinn kein Hindernis in den Weg gelegt werden soll; nur ist ein solcher gehalten dieses nicht heimlich zu thun, sondern 14

AaO Bl. 1v. Der Zusatz „oder nicht?“ ist nachträglich am linken Rand eingefügt worden. AaO Bl. 2r. 16 Ebd. 17 Das Wort ist nachträglich über der Zeile eingefügt worden. AaO Bl. 2v. 15

II. Der Text des Religionsedikts

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zur Vermeidung aller inconvenienzien in bürgerlichen Verhältnißen, seine Religions Veränderung bei der Behörde anzuzeigen. §. 4. Da man auch dieses Proselytenmachen der Römisch Catholischen Geistlichkeit von je her Schuld gegeben hat, und anjezt von neuen18 verlauten will, daß verkleidete Catholische Priester, Mönche, und verkapte Jesuiten in den Protestantischen Ländern heimlich umher schleichen, um die sogenannten Ketzer zu bekehren, Wir aber dergleichen in Unserm Reiche durchaus nicht gestatten wollen, als verbieten Wir alles Ernstes dieses Proselytenmachen nicht nur ganz besonders der Catholischen Geistlichkeit in Unsern gesamten Staaten, sondern befehlen auch Unsern Ober-Consistoriis wie nicht minder Unsern übrigen Dycasteriis, desgleichen allen Unsern getreuen Vasallen und Unterthanen in allen Ständen, genau Achtung zu geben um solche Emissarien zu entdecken, und hievon dem Geistlichen-Departement zur weitern Verfügung Nachricht zu geben. §. 5. So sehr Uns das Proselytenmachen bei allen Confessionen zu wieder ist, indem es allerlei verdriesliche Folgen bei der Volcksmenge haben kann; so angenehm ist es uns dagegen zu sehen, daß die Geistlichkeit sowohl als Personen weltlichen Standes, sie seien Reformirte, Lutherische oder Römisch Catholische Glaubens Genoßen, dennoch bisher verträglich und Brüderlich in Absicht ihrer Religion mit einander gelebt haben; Wir ermahnen sie daher, diese gute harmonie untereinander ferner sorgfältig zu bewahren, und werden niemals entgegen sein wenn die verschiednen Confessionen sich in Absicht ihrer Kirchen und Bethäuser zu Haltung des öffentlichen Gottesdienstes, oder auf 19 andere Weise einander hülfliche Hand bieten, sondern es wird Uns sothane Verträglichkeit vielmehr allezeit zum besondern Wohlgefallen gereichen. §. 6. Wir verordnen zugleich daß bei der Reformirten20 sowohl als Lutherischen Confession21 die alten Kirchen Agenden und Lithurgien ferner beibehalten werden sollen, nur wollen Wir bei beiden Confessionen nachgeben, daß die damals noch nicht ausgebildete deutsche Sprache darinn abgeändert, und mehr nach dem Geschmack der jetzigen Zeiten eingerichtet werde, desgleichen einige alte außer wesentliche Cérémonien22 und Gebräuche abzustellen sind, als welches Unserm Geistlichen-Departement beider Protestantischen Confessionen überlaßen bleibt. Dieses Unser Geistliches-Departement hat aber sorgfältig dahin zu sehen, daß dabei in dem Wesentlichen des alten Lehrbegrifs einer jeden Confession nicht die kleinste23 Abänderung geschehe. Dieser Befehl scheinet Uns um so nöthiger zu sein, weil

18

Ebd. AaO Bl. 3r. 20 Hier stand zunächst fälschlich „Rerformirten“, dann ist der überzählige Buchstabe „r“ durchgestrichen worden. AaO Bl. 3v. 21 Das Substantiv „Confession“ ist nachträglich über der Zeile eingefügt worden. Ebd. 22 Ursprünglich stand „Céréremonien“. Die überzähligen Buchstaben „re“ sind dann durchgestrichen worden. Ebd. 23 Zunächst stand „allerkleinste“. Die Steigerung „aller“ ist dann durchgestrichen worden. Ebd. 19

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C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

§. 7. Wir bereits einige Jahre vor Unserer Thronbesteigung mit Leidwesen bemercket haben, daß manche Geistliche der Protestantischen Kirche sich ganz zügellose Freiheiten in Absicht des Lehrbegrifs ihrer Confession erlauben; verschiedene wesentliche Stücke und Grund-Wahrheiten der Protestantischen Kirche und der Christlichen Religion überhaupt wegleugnen, und in ihrer Lehrart einen Mode-Ton24 annehmen, der dem Geiste des25 wahren Christenthums völlig zuwieder ist, und die Grund-Säulen des Glaubens der Christen am Ende wanckend machen würde26. Man entblödet sich nicht, die elenden längst wiederlegten Irrthümer der Socinianer, Deisten, Naturalisten und anderer Secten mehr wiederum aufzuwärmen, und solche mit vieler Dreistigkeit und Unverschämtheit durch den äußerst gemisbrauchten Nahmen: Aufklärung27 unter das Volck auszubreiten; das Ansehen der Bibel als des geoffenbarten Worts Gottes immer mehr herabzuwürdigen, und diese Göttliche Urkunde der Wohlfart des Menschen Geschlechtes zu verfälschen, zu verdrehen, oder gar wegzuwerfen; Den Glauben an die Geheimniße der geoffenbarten Religion überhaupt und vornehmlich an das Geheimnis des Versönungs Wercks, und der Genugthuung des Welt Erlösers, den Leuten verdächtig oder aber überflüßig mithin sie darinn irre zu machen, und auf diese weise [sic] dem Christenthum auf dem ganzen Erdboden gleichsam Hohn zu bieten. Diesem Unwesen wollen Wir nun in Unsern Landen schlechterdings um so mehr gesteuert wißen, da Wir es für eine der ersten Pflichten eines Christlichen Regenten halten, in seinen Staaten die Christliche Religion deren Vorzug und Vortreflichkeit längst erwiesen, und außer allen Zweifel gesezt ist, bei ihrer ganzen hohen Würde und in ihrer ursprünglichen Reinigkeit so wie sie in der Bibel gelehret wird und nach der Überzeugung einer jeden Confession der Christlichen28 Kirche in ihren29 jedesmaligen Symbolischen Büchern einmal festgesezt ist, gegen alle Verfälschung zu schützen und aufrecht zu erhalten, damit die arme Volcksmenge nicht denen Vorspiegelungen der Mode Lehrer preiß gegeben, denen Millionen Unserer guten Unterthanen, die Ruhe ihres Lebens und ihr30 Trost auf dem Sterbe-Bette nicht geraubet und sie also unglücklich gemacht werden. §. 8. Als Landes-Herr und Gesetz-Geber in Unsern Staaten, befehlen und ordnen Wir also, daß hinführo kein Geistlicher, Prediger, oder Schullehrer31 bei unausbleiblicher Cassation und nach Befinden noch härterer Strafe und Ahndung, sich der in vorigem §. 7. angezeigten oder noch mehrerer Irthümer bei der Führung seines Amtes oder auf andere Weise öffentlich oder heimlich auszubreiten sich [sic] unterfange. Denn so wie Wir zur Wohlfart des Staates und zur Glückseligkeit Unserer Unterthanen, die 24 Ursprünglich stand „Thon“. Der überzählige Buchstabe „h“ ist dann durchgestrichen worden. Ebd. 25 Ebd. 26 Ursprünglich stand „würden“. Der überzählige Buchstabe „n“ ist dann durchgestrichen worden. AaO Bl. 4r. 27 In der Ausfertigung ist dieses Wort durch größere Schrift hervorgehoben. Ebd. 28 Ebd. 29 Ursprünglich stand „ihrem“. Der letzte Haken des Buchstabens „m“ ist dann durchgestrichen worden. AaO Bl. 4v. 30 Das Wort ist nachträglich über der Zeile eingefügt worden. Ebd. 31 Ursprünglich war noch der Zusatz „der protestantischen Religion“ beigefügt, ist dann aber durchgestrichen worden. Ebd.

II. Der Text des Religionsedikts

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Bürgerlichen Gesetze in ihrem ganzen Ansehen aufrecht erhalten müßen, und keinem Richter oder Handhaber dieser Gesetze erlauben können, an dem Innhalt derselben zu klügeln, und selbigen nach seinem Gefallen abzuändern; eben so wenig und noch viel weniger dürfen Wir zugeben, daß ein jeder Geistlicher in Religions Sachen nach seinem Kopf und Gutdüncken handeln, und es ihm frei stehen könne, die Grundwahrheiten des Christenthums das Volck so oder anders zu lehren, sie nach32 bloßem Willkür beizubehalten oder wegzu werfen [sic], die Glaubens Artickel nach Belieben in ihren wahren Lichte vorzutragen, oder aber seine eigene Grillen an ihre Stelle zu setzen. Es muß vielmehr eine allgemeine Richtschnur, Norma, und Regel unwandelbar feste stehen, nach welcher die Volcksmenge in Glaubens-Sachen von ihren Lehrern treu und redlich geführet und unterrichtet werde, und diese ist in Unsern Staaten bisher die Christliche Religion nach denen drei Haupt-Confessionen nemlich der Reformirten, Lutherischen, und Römisch Catholischen Kirche gewesen, bei der sich die Preußische Monarchie so lange immer wohl befunden hat, und welche allgemeine Norma selbst in dieser politischen Rücksicht, durch jene sogenannte Aufklärer nach ihren unzeitigen Einfällen abändern zu laßen, Wir im mindesten nicht gemeinet sind. Ein jeder Lehrer des Christenthums in Unsern Landen der sich zu einer von diesen drei Confessionen bekennet, muß und soll vielmehr dasjenige lehren, was der einmahl bestimmte und festgesezte Lehrbegrif seiner jedesmaligen Religions Parthei mit sich bringet, denn hiezu verbindet ihn33 sein Amt, seine Pflicht, und die Bedingung unter welcher er in seinem jedesmaligen Posten angestellet ist. Lehret er etwas anders, so ist er schon nach bürgerlichen Gesetzen straffällig und kann eigentlich seinen Posten nicht länger behalten. Unser ernster Wille ist daher,34 auf die Vesthaltung dieser unabänderlichen Ordnung gerichtet, ob Wir schon denen Geistlichen in Unsern Landen gleiche GewißensFreiheit mit Unsern übrigen Unterthanen gern zugestehen, und weit entfernet sind ihnen bei ihrer innern Überzeugung den mindesten Zwang anzuthun. Welcher Lehrer der Christlichen Religion also eine andere Überzeugung in Glaubens Sachen hat, als ihm der Lehrbegrif seiner Confession vorschreibt, der kann diese Überzeugung auf seine Gefahr sicher behalten, denn Wir wollen Uns keine Herrschaft über sein Gewißen anmaßen, allein selbst nach seinem Gewißen müßte er aufhören ein Lehrer seiner Kirche zu sein, er müßte ein Amt niederlegen wozu er sich selbst aus obiger Ursache unbrauchbar und untüchtig fühlet. Denn der Lehrbegrif der Kirche muß sich nicht nach der jedesmaligen Uberzeugung [sic] dieses oder jenes Geistlichen richten, sondern umgekehrt, oder es kann von Rechts wegen ein solcher Geistlicher nicht mehr das sein und bleiben wofür er sich ausgiebt. Indeßen wollen Wir aus großer Vorliebe zur GewißensFreiheit überhaupt, anjezt nachgeben, daß selbst diejenigen bereits in öffentlichem Amt stehende Geistlichen von denen es auch bekannt sein möchte, daß sie leider! von denen in §. 7. gemeldeten Irrthümern mehr oder weniger angesteckt sind, in ihrem Amte ruhig gelaßen werden; nur muß die Vorschrift des Lehrbegrifs ihnen bei dem Unterricht ihrer Gemeinden stets heilig und35 unverletzbar bleiben, und wenn sie hierinn Unserm Landesherrlichen Befehl zu wieder handeln und diesen Lehrbegrif ihrer jedesmaligen Confession nicht treu und gründlich, sondern wohl gar das Gegentheil davon vortragen; so soll ein solcher vorsetzlicher Ungehorsam gegen 32

Ebd. Ursprünglich stand „ihm“. Der letzte Haken des Buchstabens „m“ ist dann durchgestrichen worden. AaO Bl. 5r. 34 Ebd. 35 AaO Bl. 5v. 33

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C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

diesen36 Unsern Landesherrlichen Befehl mit ohnfehlbarer Cassation und noch härter bestraft werden. §. 9. Unser geistliches Departement sowohl der reformirten als lutherischen Confession erhält also hiedurch den gemeßensten Befehl, stets ein offenes Auge auf die gesamte37 Geistlichkeit in Unsern Landen zu haben; damit jeder Lehrer in Kirchen und Schulen seine Schuldigkeit thue, und dasjenige was in vorhergehenden §. 8. gesagt worden ist, auf das genaueste beobachte, und müßen bei beiden protestantischen Confessionen die jedesmaligen Ministres und Chefs dieses Departements Uns dafür einstehen und haften, weil Wir es ihnen auf ihr Gewißen binden, und Uns übrigens völlig auf sie verlaßen, daß sie als treue Diener des Staates über der Aufrechthaltung dieses Landesherrlichen Edicts, bei Vermeidung Unserer höchsten Ungnade stets wachen werden. §. 10. Dem vorigem gemäß, befehlen Wir also denen jedesmaligen Chefs der beiden geistlichen Departements so gnädig als ernstlich, ihre vornehmste Sorge dahin gerichtet sein zu laßen, daß die Besetzung der Pfarren sowohl als auch der Lehrstühle der Gottes Gelahrtheit auf Unsern Universitaten [sic]38, nicht minder der Schul-Aemter durch solche Subjecte geschehe, an deren innern Überzeugung von dem was sie öffentlich lehren sollen, man nicht zu zweifeln Ursach habe; alle übrige Aspiranten und Candidaten aber, die sich anderer Grundsätze verdächtig machen, müßen und sollen davon ohne Anstand zurück gewiesen werden, als worinn Wir besagten beiden Ministres stets freie Macht und Gewalt laßen wollen. §. 11. Nachdem aus allen diesem sattsam erhellet, daß es Uns ein großer Ernst ist, die Christliche-Religion in Unsern Staaten aufrecht zu erhalten, und so viel in Unserm Vermögen stehet wahre Gottesfurcht bei dem Volcke zu befördern; so ermahnen Wir alle Unsere getreue Unterthanen sich eines ordentlichen und frommen Wandels zu befleißigen, und werden Wir bei aller Gelegenheit den Mann von Religion und Tugend zu schätzen wißen, weil ein jeder Gewißenloser und böser Mensch niemals ein guter Unterthan, und noch weniger ein treuer Diener des Staates weder im Großen noch im Kleinen sein kann. §. 12. Da die Feyer und Heiligung der Sonn- und Fest-Tage in verschiedenen Edicten Unserer Gottseligen Vorfahren als39 in dem Edict d. d. 17ten December 1689. und in dem Patent d. d. 14ten [sic] Juny 1693. desgleichen in dem Edict d. d. 28ten October 1711. und d. d.

36

Ursprünglich stand „diesem“. Der letzte Haken des Buchstabens „m“ ist dann durchgestrichen worden. AaO Bl. 6r. 37 Ursprünglich stand noch zusätzlich die attributive Näherbestimmung „Protestantische“, die dann durchgestrichen worden ist. Ebd. 38 Ebd. 39 Das Wort ist nachträglich über der Zeile eingefügt worden. AaO Bl. 6v.

II. Der Text des Religionsedikts

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10ten Februar 1715. auch in der Declaration40 dieses Edicts d. d. 18ten [August41] 1718. bereits anbefohlen worden ist; so sollen sothane Edicte im Ganzen betrachtet keinesweges aufgehoben sein, Wir behalten Uns aber vor, durch ein besonderes Policey-Gesetz nach dem Verhältniß der gegenwärtigen Zeiten, das Nähere zu verordnen und festzusetzen. §. 13. Der Geistliche Stand soll von Niemand verachtet und geringe geschätzet oder gar verspottet werden, als welches Wir jederzeit höchst mißfällig vermercken und dem Befinden nach nicht ungeahndet laßen werden, weil dieses nur gar zu ofte einen unvermeidlichen Einfluß auf die Verachtung der Religion selbst hat. Wir werden vielmehr auf das Wohl rechtschaffener Lehrer und Prediger bei aller Gelegenheit besondere Rücksicht nehmen, und um ihnen davon sogleich einen Beweiß zu geben, wollen Wir das von Unserem in Gott ruhenden Groß-Vaters Majestät erlaßene Edict d. d. 14ten October 1737. die Befreiung ihrer Kinder vom Soldaten Stande betreffend, hiemit erneuern und dahin bestimmen, daß alle Prediger Söhne desgleichen die Söhne42 der Schul-Collegen in den Städten wo Cantons sind, wenn sie sich den Wißenschaften, oder auch den bildenden Künsten, desgleichen dem Commercio widmen, darunter begriffen sein sollen, wofern sie hingegen Handwercker oder eine andere Lebens-Art erwählen, oder aber wenn sie als Studirende nichts gelernet haben und nach dem Examine abgewiesen werden, jene Befreiung43 weg44fallen müße, und werden Wir das Nöthige dieserhalb an die Regimenter zu ihrer Nachachtung in den Cantons erlaßen. §. 14. Schließlich befehlen Wir Unsern sämtlichen Dycasteriis desgleichen allen übrigen Obrigkeiten geistlich und weltlichen Standes in Unserm Königreiche und gesammten Staaten, ob diesem Edict mit aller Strenge und Aufmercksamkeit zu halten; Für die übrige Geistlichkeit aber und alle45 Unsere getreue46 Vasallen und Unterthanen verordnen Wir, sich in ihren jedesmaligen Verhältnißen darnach zu achten, und geschiehet dadurch Unser so ernstlicher als gnädiger Wille. Gegeben Potsdam den 9ten Julii 1788. FrdWilhelm Carmer Dörnberg Woellner“47

40

AaO Bl. 6v. Die Nennung des Monats ist in dieser Ausfertigung vergessen worden. AaO Bl. 7r. 42 Die Wendung „desgleichen die Söhne“ ist nachträglich über der Zeile eingefügt worden. Ebd. 43 Ursprünglich war „Befreihung“ geschrieben. Der überzählige Buchstabe „h“ ist dann durchgestrichen worden. Ebd. 44 Ebd. 45 Ursprünglich war „allen“ geschrieben. Der Buchstabe „n“ ist dann durchgestrichen worden. AaO Bl. 7v. 46 Ursprünglich war „getreuen“ geschrieben. Der Buchstabe „n“ ist dann durchgestrichen worden. Ebd. 47 Ebd. 41

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C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

III. Die Bestimmungen des Religionsedikts 1. Der Titel des Religionsedikts Der Titel des Religionsedikts48 – „Die Religionsverfassung in den Preußischen Staaten betreffend“ – deutet in seiner neutralen Allgemeinheit noch nicht auf den Zweck des Erlasses hin: Erst die §§ 7 und 8 handeln von der Lehrfreiheit der protestantischen Geistlichen, die durch strikte Bekenntnisbindung beschränkt werden sollte. Die weiträumige Titelbezeichnung trifft freilich inhaltlich zu, da das Religionsedikt die in Religionssachen grundlegenden Fragen der Toleranz und Gewissensfreiheit beherbergt, die wiederum in engster Nachbarschaft zu der Frage der Bekenntnisbindung stehen. Die zentrale Position der §§ 7 und 8 im Aufbau des Religionsedikts ist ihrer inhaltlichen Mittelpunktstellung analog. Es gehen ihnen sechs Paragraphen voraus und folgen ihnen sechs nach. 48 Als „Religions-Edict“ hat zum Beispiel schon Dörnberg in einem Schreiben vom 17. Oktober 1788 an Carmer das Edikt bezeichnet. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit.1 Heft 33, Bl. 47r. „Religions Edict“ heißt es in einer Amtsnotiz Dörnbergs vom 21. Oktober 1788. AaO Bl. 50r. Auch Carmer sprach in einem Schreiben an Dörnberg vom 20. November 1788 von dem „Religions Edict“. AaO 52r. v. Hohenthal sprach in einem Brief an Woellner vom 21. Juli 1788 vom „Religions Edikt“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 10v. Am 29. Juli 1788 schrieb der Prediger Schweikert an Woellner vom „Religionsedict“. AaO Bl. 12r und 13r. Am 27. September 1788 schrieb der Wittenberger Physikprofessor Titius an Woellner vom „Religions Edict“. AaO Bl. 22r. Am 22. November 1788 schrieb der Herzoglich-Mecklenburgische Konsistorialrat und Professor Müller aus Lützow an Woellner vom „Religions-Edict“. AaO Bl. 33r. Am 28. November 1788 schrieb Masius an Woellner vom „Religionsedickt“. AaO Bl. 35r. Am 17. Dezember 1788 schrieb Carmer an den König vom „Religions Edict“. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 10r. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission sprach am 27. Dezember 1796 vom „ReligionsEdikt“. AaO Bl. 42r. Am 11. November 1789 schrieb Woellner an den König über einen „paragraph des Religions-Edicts“. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 31r. Am 15. August 1789 sprach Carl Friedrich Bahrdt zu Woellner vom „Rel. Edikt“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 21, Bl. 28v. Am 31. März 1791 schrieb Woellner im Namen des Königs von der Absicht des „Religions-Edicts“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 3, Bl. 50r. Am 6. Mai 1791 schrieb Woellner über die Befolgung des „Religions-Edicts“. AaO Bl. 53v. Auf den 9. April 1794 war eine Anweisung der Geistlichen Immediat-Examinationskommission datiert, in der sie von dem „Religions-Edikt d. d. 9. Julii 1788“ sprach. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit.1, Heft 35, Bl. 2r. Später war in dieser Anweisung nur noch die Rede vom „Religions-Edikt“. AaO Bl. 2v. In einem Circulare an die Inspektoren der Kurmark war die Rede von der Befolgung des „Religions-Edicts vom 9. July 1788“. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 84r. Am 8. November 1793 bezog sich die Immediat-Examinationskommission auf eine Kabinettsordre, in der „die Aufrechthaltung des Religions-Edicts“ angemahnt worden war. AaO Bl. 89r [Abschrift]. Am 3. April 1794 schrieb Woellner in einem Bericht an den König von Untersuchungen gegen Übertreter des „Réligions-Edicts“. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 58r. Zu Woellner und seinem Religionsedikt vgl. kurz Uta Wiggermann, Art. Wöllner und das Wöllnersche Religionsedikt, in: RGG4 8 (2005), 1687 f.

III. Die Bestimmungen des Religionsedikts

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2. § 1 des Religionsedikts In § 1 geht es um Bestandsschutz. Das Religionsedikt legt fest, daß für die drei Hauptkonfessionen der status quo im Hinblick auf die Güter, Pfarrstellen und das Recht des öffentlichen oder privaten Gottesdienstes beibehalten werden solle. Mithin wurde auf die unterschiedliche Rechtslage einer jeden Provinz verwiesen: Im Reichsgebiet galt das Instrumentum Pacis Osnabrugense, in den ehemals polnischen Neuerwerbungen war den Katholiken durch den Vertrag mit Polen Besitzstandswahrung zugesichert, und in Ostpreußen galten nur die den Ständen gewährten Rezesse49. Mit § 1 des Religionsedikts wurden auch die Einzelmaßnahmen bestätigt, die sich verschiedentlich auf eine der drei Hauptkonfessionen bezogen hatten: In Berlin etwa war für die Katholiken die Hedwigskirche gebaut worden50. „§ 1 will also nicht abstrakt irgendeine Parität regeln, neueinführen oder zugestehen, sondern nur den bestehenden Zustand in seiner bunten Vielfalt nicht antasten. Eine Rechtsgleichheit der drei Hauptkonfessionen kann nur insofern angenommen werden, als für den Gesamtstaat gesehen, alle drei soviel an Rechten erreicht hatten, wie der Staat nur irgendeiner Konfession überhaupt zugestehen konnte.“51 Für die katholische Kirche war freilich gerade diese Bestandssicherung ein Fortschritt52.

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Theisinger, Die Irrlehrefrage, 13. Friedrich II. hatte den Katholiken durch ein Patent vom 21. November 1746 erlaubt, eine Kirche mit Glocken und allen kirchlichen Kennzeichen zu errichten. Heinrich von Mühler, Geschichte der evangelischen Kirchenverfassung in der Mark Brandenburg, Weimar 1846, 258. Etliche Jahre später erfuhr die Gemeinde der Hedwigskirche weitere Hilfe. Als die Vorsteher der Hedwigskirche beim König eine Vorstellung einreichten, in der sie ihn um die Erbauung eines Hauses zur Verbesserung ihrer Schulanstalten baten, beauftragte der König Woellner, die Umstände zu prüfen. Am 13. Februar 1797 erstattete Woellner dem König kurz Bericht. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 43r. Das gegenwärtige Schulhaus sei tatsächlich für die 174 katholischen Kinder, die größtenteils zum Militärstand gehörten, zu klein. Hinter der Hedwigskirche befinde sich ein ihr zugehöriger Platz, auf dem ein neues Haus erbaut werden könnte. Der katholischen Gemeinde fehle es freilich an finanziellen Mitteln für diesen Bau. Also müsse der König entscheiden. Friedrich Wilhelm II. notierte handschriftlich auf dem Rand des Blattes, daß die Sache von Michael Philipp Boumann approbiert sei. 51 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 13. In den einzelnen Provinzen jedoch waren die drei Hauptkonfessionen in ihrem Verhältnis zueinander rechtlich nicht immer unbedingt gleichgestellt. In der Mark Brandenburg zum Beispiel konnten die Katholiken nicht einfach an einem beliebigen Ort ein Grundstück kaufen, um darauf eine Kirche zu bauen. Die Religionsrechte waren durch die Verfassung der jeweiligen Provinz bedingt. AaO 13 f. 52 Johannes Tradt, Der Religionsprozeß gegen den Zopfschulzen (1791–1799). Ein Beitrag zur protestantischen Lehrpflicht und Lehrzucht in Brandenburg-Preußen gegen Ende des 18. Jahrhunderts, Rechtshistorische Reihe 158, Frankfurt a. M. u. a. 1997, 243. 50

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C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

3. § 2 des Religionsedikts a) Toleranz und Gewissensfreiheit Unter Friedrich dem Großen war eine tolerante Kirchenpolitik geübt worden. Als unter dem 22. Juni 1740 Friedrich II. gefragt wurde, was dem Generalfiskal Uhden wegen der römisch-katholischen Schulen, die für die römisch-katholischen Soldatenkinder angelegt worden waren und Gelegenheit gegeben hatten, aus Protestanten römisch-katholische Proselyten zu machen, zum Bescheid gegeben werden solle, schrieb der große Friedrich in einer Randverfügung: „die Religionen Müsen alle Tolleriret werden und Mus der fiscal nuhr das auge darauf haben das Keine der andern abruch Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Faßon Selich werden“53. Auch das Religionsedikt gewährte weitgehende Toleranz54. Bereits die Einleitung unterstreicht nachdrücklich die Bedeutung der Gewissensfreiheit. Ihr gebührt – es ist sogar die Rede von der „völligen Gewissensfreyheit“ – der Rang der „wichtigsten Angelegenheit“ der Untertanen. Dieser vermeintlich uneingeschränkten Freiheit des Gewissens sind freilich klare Grenzen gesetzt, weil sie bezogen ist auf den königlichen Schutz der Untertanen, bei „ihrer einmal angenommenen Confession und dem Glauben ihrer Väter“ zu bleiben. Das Vorwort und § 7 beschreiben Gewissensfreiheit als den „Schutz der Bevölkerung vor Verunsicherung in Glaubensdingen“55. Die Gewissensfreiheit wird als „vom Staat wahrgenommenes Schutzrecht gegen die Verunsicherung in Glaubensdingen“56 aufgefaßt und als Mehrheitsrecht verstanden. Das Religionsedikt kennt in § 2 auch die Gewissensfreiheit im negativen Sinn: Es sollte niemandem „der mindeste Gewißens-Zwang zu keiner Zeit angethan werden“. Diese Gewissensfreiheit gilt unter dem Vorbehalt der Staatstreue

53

GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 23, Fasz. 2, Bl. 44r. Häufig wird die Toleranzgewährung des Edikts unterschätzt. Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, Deutsche revolutionäre Demokraten 5, Stuttgart 1973, 50 behauptet: „Das Edikt, das eine Rückkehr in die Zeiten finsteren Glaubenseifers befürchten ließ und die religiöse Toleranz zunichte machte, die während der Regierung Friedrichs II. geherrscht hatte, löste unter den Aufklärern ganz Deutschlands Empörung aus.“ Eine vereinzelte, aber zutreffende Stimme dagegen ist Otto Hintze, Die Hohenzollern und ihr Werk. Fünfhundert Jahre vaterländischer Geschichte, Berlin 1915, 411, der das Religionsedikt in bezug auf dessen ersten Teil als „Toleranzedikt“ bezeichnet. Vgl. ferner Hans-Jürgen Becker, Art. Wöllnersches Religionsedikt, in: HDRG 5 (1998), 1516–1519. Auch Christoph Link betont den Toleranzgedanken. Christoph Link, Josephinische Toleranzpatente (1781) und Wöllnersches Religionsedikt (1788), in: Klueting, Harm (Hg.), Irenik und Antikonfessionalismus im 17. und 18. Jahrhundert, Hildesheimer Forschungen 2, Hildesheim u. a. 2003, 295–324. 55 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 17. Vgl. zur Gewissensfreiheit insgesamt aaO 17–21. 56 AaO 18. 54

III. Die Bestimmungen des Religionsedikts

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und ist also nur auf reine Religionsangelegenheiten bezogen57. Auch in diesen Angelegenheiten handelt es sich nur um eine negative Gewissensfreiheit: Man darf in Glaubensfragen seine individuellen Anschauungen haben, jedoch nicht diesen gemäß handeln. Umgekehrt besteht kein Zwang zur Ausübung der Konfessionszugehörigkeit. § 2 I betont – modern gesprochen – den Angebotscharakter der drei Hauptkonfessionen: Man darf nicht seine „besondere Meynung“ verbreiten, weil sonst die Ruhe der anderen Untertanen gestört würde. Jeder müsse für seine eigene Seele sorgen. Das Religionsedikt maßt sich also nicht an, direkt für das Seelenheil der Untertanen zu sorgen. Der Staat selbst bekümmert sich, auch wenn Woellner dem König dies im Frühjahr 1788 suggeriert hatte58, nicht um das Leben nach dem Tod59. 1613 war Johann Sigismund v. Brandenburg zum Calvinismus konvertiert. Auch die nachfolgenden preußischen Landesherren waren reformiert, während die Mehrheit der Untertanen dem Luthertum angehörte. Um die Reformierten in den polemischen Auseinandersetzungen zu schützen, wurden schließlich Kontroverspredigten verboten60. In § 5 des Religionsedikts finden sich sogar Tendenzen zu einer Union: „Wir ermahnen sie [die Konfessionen] daher, diese gute harmonie untereinander ferner sorgfältig zu bewahren, und werden niemals entgegen sein wenn die verschiednen Confessionen sich in Absicht ihrer Kirchen und Bethäuser zu Haltung des öffentlichen Gottesdienstes, oder auf andere Weise einander hülfliche Hand bieten“. Diese weite Formulierung böte auch Platz für Simultanverhältnisse, gegenseitige Amtsvertretung und selbst eine Verwaltungsunion61. Wenn das Woellnersche Religionsedikt festlegte, daß niemandem der mindeste Gewissenszwang auferlegt werden dürfe, war dies in Preußen zwar keine Neuerung, jedoch war der allgemeine Spott über diese angebliche Selbstver57 Ebd. Es geht im Religionsedikt um ein passives Schutzrecht. Günter Birtsch, Religions- und Gewissensfreiheit in Preußen von 1780 bis 1817, in: Zeitschrift für Historische Forschung 11 (1984), 177–204, 192 f. 58 Vgl. Woellners Äußerungen wegen Johann Christoph Valentin v. Triebel Kapitel A.X.6.e. 59 „Der Endpunkt, der den Übergang vom materiell an der Seligkeit orientierten mittelalterlichen Staatsdenken zum neuzeitlichen Staat bezeichnet, dem es auf diesem Gebiet nur noch um die ‚Ruhe‘ geht – wenn er der Ruhe auf dem Sterbebett auch eine sehr weitgehende Bedeutung zumißt – liegt unter den Rechtsdenkern schon bei Grotius“. Theisinger, Die Irrlehrefrage, 19. Seit Samuel v. Pufendorf gilt gemeinhin die Überzeugung, daß die Staaten nicht mehr um der Religion willen errichtet sind. Der Zweck des Staates bestehe in der äußerlichen oder bürgerlichen Glückseligkeit der Untertanen. Klaus Schlaich, Kollegialtheorie. Kirche, Recht und Staat in der Aufklärung, JusEcc 8, München 1969, 76. 60 ALR II 11 §§ 37 und 38 sowie II 20 §§ 227 und 228. 61 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 25. Gegen Philippson, Geschichte, Bd. 1, 216: „Es war darin ein gänzliches Aufgeben des Unionsgedankens, dieses traditionellen Zieles der hohenzoller’schen Regenten enthalten.“

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C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

ständlichkeit nicht berechtigt, da etwa in Habsburg bis 1780 durchaus „Religions-Commissionen“ gewirkt hatten, die inquisitorisch nach ketzerischem Gedankengut auf der Suche waren62. b) Die öffentlich geduldeten Sekten Das Religionsedikt betonte im Hinblick auf die Sekten den status quo63. Die öffentlich geduldeten Sekten hatten das Recht, gottesdienstliche Veranstaltungen abzuhalten. Obwohl das Religionsedikt nur diejenigen Gruppierungen zu den öffentlich geduldeten Sekten zählte, die bereits zuvor als solche gegolten hatten, bedeutete es dennoch insofern eine Neuerung, als die Duldung dieser Sekten nun in einem Landesgesetz ausgesprochen war, denn das Reichsrecht duldete nach Artikel VII § 2 II des Instrumentum Pacis Osnabrugense keine Sekten. Indem das Religionsedikt von den in „Unseren Staaten“ aufgenommenen Sekten sprach, differenzierte es nicht zwischen reichsständischen und nichtreichsständischen Provinzen. Zwar lebte ein großer Teil der Sektenangehörigen in preußischen Provinzen, die nicht zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gehörten – besonders Ost- und Westpreußen –, jedoch fanden sich etliche auch in reichsständischen preußischen Provinzen, wie zum Beispiel in Schlesien64. Das Religionsedikt nannte nicht alle in Preußen angesiedelten Sekten. Außerdem gab es noch Schwenckfeldianer, Arminianer, Sozinianer, Philipponen, Griechisch-Orthodoxe und Gichtelianer65. Diese Sekten sind zwar nicht im Religionsedikt erwähnt, aber von etwaigen Unterdrückungen ist nichts bekannt66. Preußen gewährte diese Toleranz aus machtpolitischem Kalkül. Es galt die alte, auch von Woellner in seinen Kronprinzenvorträgen immer wieder 62

Theisinger, Die Irrlehrefrage, 99–101. AaO 21. 64 Ebd. 65 Unter „Socinianern“ verstand das Religionsedikt Leugner der Trinitätslehre und nicht die Sekte, die auf Fausto Sozzini zurückging. Vielmehr lebten Angehörige dieser hauptsächlich in Polen verbreiteten Sekte durchaus unbehelligt in Schlesien. AaO 38. 66 Am 7. Januar 1796 erging an die Neumärkische Regierung und das Konsistorium ein von Woellner und v. d. Hagen im Namen des Königs unterzeichnetes Schreiben mit dem Auftrag, die Anhänger des Rosenfeld ernstlich zu warnen, daß sie sich zukünftig aller Unruhen enthalten sollten und daß sie, wenn sie eine weitere Untersuchung ihrer fortdauernden Schwärmereien veranlassen sollten, nicht nur zu den Untersuchungskosten, sondern auch, dem Befinden nach, zu anderer Strafe verurteilt werden sollten. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 25a [Ministerial-Archiv 175], Bl. 118r. Johann Paul Philipp Rosenfeld war wegen gehäufter grober Verbrechen und Betrugs zu Festungsarbeit verurteilt worden. Zu den Rosenfeldschen Schwärmereien und Betrügereien vgl. insgesamt aaO (Acta wegen der Rosenfeldschen Schwärmereyen und Betrügereyen), Bl. 1r–183r. 63

III. Die Bestimmungen des Religionsedikts

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betonte Maxime, daß die Stärke eines Staates von der Größe der Bevölkerung abhänge67. c) Juden Zumeist befürworteten die Aufklärer im Allgemeinen die Judenemanzipation, jedoch in der Ausführung ihrer progressiven Ideen waren sie oft verhalten. Friedrich II., dessen Religionstoleranz hier endete, hatte die Aufnahme Moses Mendelssohns in die Berliner Akademie zunächst abgelehnt68. In den romantischen Salons dagegen wurde die Emanzipation tatsächlich gelebt, indem die Adligen, die den am meisten privilegierten Stand bildeten, mit den Juden, die zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt waren, zusammentrafen69. Dorothea Veit, die Tochter Mendelssohns, Henriette Herz sowie Rahel Levin empfingen in ihren Gesellschaften die bedeutenden Gelehrten, Geistlichen, Schriftsteller, Militärangehörigen, Staatsbeamten und Künstler, die in Berlin lebten oder sich in der Hauptstadt als Gäste aufhielten70. Am profiliertesten äußerte sich der Preuße Christian Wilhelm v. Dohm zur Judenemanzipation, dessen Überlegungen freilich weniger in Preußen als vielmehr in Österreich und Frankreich Umsetzung fanden. Seit 1781 ergingen unter dem österreichischen Kaiser Joseph II. etliche Toleranzpatente, die in weiten Teilen den Ausführungen Dohms folgten. Dohms Gedanken wirkten auch in Frankreich stimulierend, wo die Französische Nationalversammlung 1789 deutlich über die Josephinischen Maßnahmen hinausging und die vollständige Emanzipation der Juden beschloß. In Preußen dagegen war die Politik gegenüber den Juden auf die bevorzugte Behandlung privilegierter Hofjuden beschränkt, die für den Staat ökonomisch nützlich waren71. Die Juden werden 67 Vgl. auch Theisinger, Die Irrlehrefrage, 22 f. Zu Woellners Kronprinzenvorträgen vgl. Kapitel A.VI. 68 Horst Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1763–1815, Deutsche Geschichte 7, Berlin 1994 (1989), 374. 69 AaO 467–494. Der Eheschließung von Christen waren freilich in ALR II 1 § 36 bestimmte Grenzen gesetzt: „Ein Christ kann mit solchen Personen keine Heirath schließen, welche nach den Grundsätzen ihrer Religion, sich den christlichen Ehegesetzen zu unterwerfen gehindert werden.“ 70 Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 2, Leipzig 1882, 255. 71 Möller, Fürstenstaat, 312–314. In einem Circulare vom 5. Juni 1792 wurden die solidarische Haftbarkeit für die Abgaben der Juden, nicht jedoch diese Abgaben selbst, aufgehoben. Ein Abdruck des Circulare findet sich in Akten-Stücke die Reform der Jüdischen Kolonieen in den Preußischen Staaten betreffend. Verfaßt, herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von David Friedländer, Berlin 1793, 184–188. Zu den zeitgenössischen Bemühungen um eine Verbesserung der rechtlichen Lage der Juden vgl. Peter Krause, Johann Heinrich Wloemer und das „General-Juden-Reglement für Süd- und Neu-Ostpreußen“, in: Ders. (Hg.), Vernunftrecht und Rechtsreform, Aufklärung 3/2, Hamburg 1988,

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C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

im Religionsedikt als „Nation“ bezeichnet, sie gelten also nur als Ausländer mit einem Fremdenrechtsstatus72. Das Religionsedikt intendierte keine offensive Judenmission. Unter dem 23. Januar 1789 erging an das Kurmärkische Oberkonsistorium ein von Woellner unterschriebenes Reskript, um die Untersuchung gegen den Prediger Christian Ludewig Stein zu Welsickendorff bei Freyenwalde, der die beiden Töchter des Berliner Schutzjuden Aaron Meyer getauft hatte, zu beschleunigen73. Bereits am folgenden Tag antworteten die Oberkonsistorialräte Thomas Philipp v. d. Hagen, Johann Joachim Spalding und Johann Samuel Diterich, daß sie bereits am 23. Dezember 1788 die Akten an das Kammergericht abgegeben und es ersucht hatten, die fiskalische Klage gegen Stein anzuordnen74. Am 2. Juli 1789 schließlich wandte sich der Instruktionssenat des Kammergerichts an den König75 und überreichte dem Edikt vom 11. Januar 1771 gemäß das in den Untersuchungsakten wider den Prediger Stein zu Welsickendorff abgefaßte Erkenntnis76. Stein wurde freigesprochen; die Untersuchungskosten hatten Mariane Meyer und Sara Wulff, geb. Meyer, zu tragen. Aus den Untersuchungsakten war eine verwickelte Geschichte zutage getreten77: Am 28. September 1788 hatte Stein dem Berliner Oberkonsistorium gemeldet, daß er am Vortag zu seinem Filialdorf Wollenberg gerufen worden sei. Dort traf er Sara Wulff, die älteste Tochter des jüdischen Bankiers und Pächters des Alaunbergwerks bei Freyenwalde Meyer, in dem herrschaftlichen Haus an. Sara Wulff verlangte dringend die Taufe und legte Stein ihr schriftliches Glaubensbekenntnis vor, das – nach Steins Aussage – das Wesentliche der christlichen Religion enthielt. Daher taufte er die Jüdin, deren jüngerer 105–117. Zur Emanzipation und Assimilation der Juden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1860. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, 248–255. 72 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 26 f. In seiner 1784 für den damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm geschriebenen „Abhandlung von der Bevölckerung der Preuß[ischen] Staaten, vornehmlich der Marck Brandenburg“ hatte Woellner vorgeschlagen, daß die Juden im Land als Soldaten eingezogen würden. Es sei „Schade daß diese Nation im Staate nicht beßer genutzet wird als leider! geschiehet“. In sämtlichen königlichen Ländern – Westpreußen ausgenommen – seien 1.600 jüdische Familien, die an Judensteuern und anderen Abgaben fünfzigtausend Reichstaler bezahlten. Der Soldatenstand würde die Juden aus der Verachtung reißen, in der sie gegenwärtig lebten, und dasjenige Land würde die Juden „bis zum Enthusiasmus lieb gewinnen“, in dem man sie derart hoch ehrte. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 2, Bl. 4r–80v, hier 79v. 73 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1737–1795 Proselyten), unpag. 74 AaO (1737–1795 Proselyten), unpag. 75 AaO (1737–1795 Proselyten), unpag. Es unterschrieben neben anderen v. Goldbeck, v. Irwing und v. Scheve. 76 AaO (1737–1795 Proselyten), unpag. [Abschrift]. 77 AaO (1737–1795 Proselyten), unpag. Das sind 34 Seiten als Beilage des Briefes.

III. Die Bestimmungen des Religionsedikts

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Schwester Mariane Meyer er bereits am 6. Juli 1788 das Sakrament der Taufe gespendet hatte, nach einer kurzen, aber nachdrücklichen Unterredung. Da Stein dem Oberkonsistorium auf dessen Nachfrage hin versicherte, daß er sich keines widerrechtlichen Verhaltens bewußt sei, ließ das Oberkonsistorium die Sache auf sich beruhen. Am 28. Oktober erklärten Sara Wulff, geb. Meyer, und Mariane Meyer dann, daß sie aus Übereilung konvertiert seien und sie diesen Schritt aufzuheben wünschten. Die „Zurüksetzung“, die im bürgerlichen Leben selbst der „aufgeklärteste und wohlerzogenste“78 Jude gegen einen Christen gewärtigen müsse, sei ihnen derart lästig geworden, daß sie sich durch den Übertritt von diesem Druck freizumachen gesucht hätten. Daraufhin wurde den beiden Proselytinnen durch eine Verfügung des Oberkonsistoriums vom 30. Oktober die Rückkehr zur Synagoge gestattet. Das Geistliche Departement des Staatsrats erhielt indes von diesem Vorfall Nachricht und beschied dem Oberkonsistorium unter dem 5. Dezember, daß dieser Vorgang zu viel ärgerliches Aufsehen erregt habe, als daß er ohne Ahndung verbleiben könne. Stein jedoch rechtfertigte sich, daß ihm keine Verordnung bekannt gewesen sei und das Edikt vom 9. Juli 1788 zu der Zeit, als Mariane Meyer getauft worden war, noch nicht publiziert gewesen war. Im Notfall wurde die Taufe eines Kindes einer christlichen Mutter auch mit Rechtsgewalt durchgesetzt79. Unter dem 11. Mai 1795 wandte sich der Polizeidirektor Johann Philipp Eisenberg an das Geistliche Departement80. Die unverheiratete Charlotte Obermeyer aus der Schönhauser Straße in Berlin war vor mehr als vier Wochen von einem Mädchen entbunden worden. Dessen Vater, so die junge Mutter, sei ein Berliner Schutzjude. Charlotte Obermeyer wollte das Kind nicht taufen lassen, ehe der Kindsvater 90 Reichstaler gezahlt hätte. Das Kind sei aber, betonte Eisenberg, äußerst schwach und könnte ohne Taufe sterben. Unter dem 18. Mai erging dann an das Kurmärkische Oberkonsistorium ein von Woellner unterschriebenes Reskript, daß wegen der Taufe des Kindes – nötigenfalls mit Beihilfe der Polizei – das Nötige verfügt werden solle, da in den Streitigkeiten der Mutter mit dem Kindsvater und in ihren

78

AaO (1737–1795 Proselyten), unpag. Unter dem 9. Oktober 1789 hatte der König eine Kabinettsordre an den Großkanzler Carmer erlassen. Da nach Carmers und des Justizdepartements Bericht vom 25. September in den Landesgesetzen wegen der unehelichen Kinder, die von christlichen Vätern und jüdischen Müttern oder von jüdischen Vätern und christlichen Müttern abstammten, im Hinblick auf die Religion noch nichts festgesetzt sei, entschied der König, daß alle diese Kinder „ohne Ausnahme schlechterdings“ in der christlichen Religion erzogen werden sollten. GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. X, Nr. 141, Bl. 53r. 80 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1737–1795 Proselyten), unpag. 79

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C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

Forderungen an ihn, bei denen ihr das ernstliche Gehör nicht versagt werden werde, kein Grund zu ihrer Weigerung liegen könne81. d) Herrnhuter Die Herrnhuter, die seit 1742 in Preußen geduldet waren82, konnten sich Woellners besonderer Wertschätzung erfreuen: „Wollte Gott! daß alle Aufklärer nur halb so gut als die Herrenhuter wären.“83 Daher unterstützte er am 23. März 178984 gegenüber dem König das Begehren der Herrnhuter, dem Willen Friedrich Wilhelms I. gemäß nicht als Sekte, sondern als „wirckliche Protestanten“85 in den Preußischen Staaten zu gelten. Gut zwei Wochen zuvor, am 7. März 1789, war in Gnadenfrey ein Brief an den König verfaßt worden86. Nahezu taggenau acht Monate nach Erlaß des Religionsedikts suchten die Unterzeichner, „ohnerachtet unsrer im Verhältniß so vieler Millionen Mitunterthanen ganz unbedeutenden Anzahl“87, dem König „den aus dem wärmsten Herzen hervorquillenden Danck, demüthigst zu Füßen zu legen“88. Das Religionsedikt verstanden sie als Ausdruck der königlichen Fürsorge für „das zeitliche und ewige Wohl“89 der Untertanen. Daß die Herrnhuter im Religionsedikt als Sekte klassifiziert wurden, besorgte freilich. Es stehe zu befürchten, daß die königlich anerkannten und zugestandenen geistlichen und bürgerlichen Rechte „hie oder da geschmälert werden könnten“90. Den König nun baten die Herrnhuter, die Konzessionen und landesherrlichen Versicherungen zu bestätigen, in denen Friedrich II. und Friedrich Wilhelm I. die „evangelische Brüder-Kirche für einen Theil der Protestantischen Kirche agnosciret“91 hatten. Die Herrnhuter betonten, daß sich die „evangelische Brüder-Kirche“ „einzig und allein zur Augsburgischen Confession bekennet, und sich blos in manchen Stücken quoad ritus et disciplinam, von andern evangelischen Kirchen unterscheidet“92.

81

AaO (1737–1795 Proselyten), unpag. [Konzept]. Theisinger, Die Irrlehrefrage, 22. 83 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 2, Bl. 7r. 84 Ebd. 85 Ebd. 86 AaO Bl. 8r–9r. 87 AaO Bl. 8r. 88 AaO Bl. 8v. 89 AaO Bl. 8r. 90 AaO Bl. 9r. 91 AaO Bl. 8v. 92 Ebd. 82

III. Die Bestimmungen des Religionsedikts

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e) Mennoniten Seit 1722 lebten in preußischen Landen Mennoniten93. Woellner schätzte die Mennoniten um ihrer Beförderung der ökonomischen Prosperität des Staates willen. Wegen ihres Fleisses und – hier urteilte der agrarwissenschaftliche Kenner gegenüber dem König am 2. Mai 1787 uneingeschränkt positiv – „herrlichen Ackerbau[s]“94 seien sie besonders geeignete Siedler. Daß sie jedoch „den Staat nicht mit vertheidigen wollen, ist eine böse Sache“95. Nur am Staatswohl also war Woellner in der Beurteilung gelegen; zu den religiösen Überzeugungen der Mennoniten äußerte er sich nicht. Am 24. April 1787 hatten sich die Deputierten der West- und Ostpreußischen Mennoniten in einer Bittschrift an den König gewandt96. Zwar hatte Friedrich Wilhelm II. nach seiner Thronbesteigung den Mennoniten die Fortgeltung ihrer Privilegien zugesichert, er wollte jedoch die Klausel eingerückt wissen, daß die Mennoniten keine neuen Grundstücke erwerben dürften. Sollte diese Klausel Geltung haben, wären – empörten sich die Deputierten – viele Mennoniten zukünftig gezwungen, das Land zu verlassen. Nachvollziehen oder gar akzeptieren konnten die Mennoniten diese Verschlechterung ihrer bürgerlichen Verfassung nicht: „Wir erfüllen ja alle Pflichten anderer getreuen Unterthanen“97; und für ihre Befreiung vom Militärdienst zahlten sie jährlich die ansehnliche Summe von 5.000 Reichstalern98. Sie seien eine Gemeinde, „die schon nach ihren Religions-Grundsätzen, dem Staat ruhige und gehorsame Unterthanen erzieht“99. Vom 30. Juli 1789 datierte schließlich ein „Edict, die künftige Einrichtung des Mennonisten-Wesens in sämmtlichen Provinzen excl. Schlesien betreffend“100. Die Mennoniten durften nur in beschränktem Umfang Grundstücke kriegsdienstpflichtiger Familien kaufen. Überdies wurden sie verpflichtet, zukünftig Pfarrabgaben und Stolgebühren an die protestantischen Geistlichen zu zahlen.

93 Theisinger, Die Irrlehrefrage, 22. Zumeist werden die Mennoniten zeitgenössisch „Mennonisten“ genannt. In ihrem Bericht vom 8. Oktober 1794 freilich sprach die Ostpreußische Geistliche Provinzial-Examinationskommission von „Mennoniten“. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 42, Bl. 3r. 94 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 2, Bl. 1r. 95 Ebd. Woellner formulierte zusammenfassend: „Es ist recht sehr Schade, daß die vortreflichen Mennonisten keine Soldaten werden wollen, sonsten müsten sie vor allen Colonisten den Vorzug haben.“ 96 AaO Bl. 3r. 97 Ebd. 98 Diese 5.000 Reichstaler kamen übrigens dem Culmschen Kadettenhaus zugute. Ebd. 99 Ebd. 100 NCC 8 (1789 und Nachtrag), Nr. 46, 2541–2548.

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C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

f) Böhmische Brüder Bereits seit der Mitte des 16. Jahrhunderts lebten Böhmische Brüder in den brandenburgischen Provinzen101. Am 10. April 1789 wurde den Böhmischen Brüdern die Gewissens- und Kultusfreiheit bestätigt102. 4. Feiertage Im Februar 1789 verfaßte Woellner eine Kabinettsordre an sich selbst103. Da die vielen Feiertage besonders dem Nahrungsstand und der unteren Volksklasse nachteilig seien, solle die unter Friedrich II. verordnete Abschaffung etlicher Feiertage in Kraft bleiben. Nur der Himmelfahrtstag war ausgenommen, der „wie ehemals an einem besondern Tage gefeiert werden muß“104. Die selbstreferentielle Begründung lieferte Woellner in einer eigenhändigen Ergänzung der Reinschrift nach: „wegen seiner Wichtigkeit“105. 101

Theisinger, Die Irrlehrefrage, 22. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 367. Am 26. Januar 1789 schrieb der Prediger der Evangelisch-Böhmischen Brüdergemeine in Berlin Christian Gotthelf Ike. Die Gemeinde hatte es als nötig erachtet, das in Barby 1783 in deutscher Sprache herausgekommene Gesangbuch der Evangelischen Brüdergemeine in die böhmische Sprache übersetzen zu lassen und einen Auszug daraus dem Druck zu übergeben. Schon seit beinahe fünf Monaten war die beauftragte Buchdruckerei mit dem Abdruck beschäftigt gewesen, und es waren bereits dreißig Bogen abgedruckt worden, als das Zensuredikt erschien. Da nun nach dem Edikt jede in Berlin herauskommende theologische Schrift beim Oberkonsistorium und bei dessen Präsidenten zur Zensur eingereicht werden sollte, überreichte er das ins Böhmische übersetzte Gesangbuch. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1927, Bl. 18r–18v. Am 29. Januar 1789 notierte v. d. Hagen, daß die Erlaubnis zum Druck des Gesangbuchs zu erteilen sei. AaO Bl. 18r. Da im Oberkonsistorium niemand der böhmischen Sprache mächtig war, hatte unter dem 26. Januar Johann Baptist Ambrosi den Auftrag erhalten, das Buch durchzusehen. AaO Bl. 16r. Am 29. Januar hatte er gemeldet, daß er keine Bedenken gefunden habe. AaO Bl. 17r. 103 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 83r [Konzept]. 104 Ebd. 105 AaO Bl. 86r. Außerdem änderte er das Datum vom 28. Februar auf den 4. März. 1801 erschien in Berlin eine kurze, vierzig Seiten umfassende Schrift von Hermann Daniel Hermes mit dem Titel „Zur Feyer des ersten Himmelfahrtstages im neunzehnten Jahrhundert“. In der imperativischen, von Ausrufungszeichen und Hervorhebungen strotzenden Schrift suchte Hermes die grundlegende Bedeutung der biblisch bezeugten Himmelfahrt für den christlichen Glauben zu zeigen: „In jeder Menschenklasse vermehrt sich täglich die Zahl der Verächter dieses göttlichen Buchs. Mancher Verehrer desselben wird zu Zweifeln, oder wenigstens zur Gleichgültigkeit gegen das Wort des Lebens verführt. Und also wird die Bibel immer weniger gelesen, da doch der Mensch ohne sie – nichts weiß – nichts vermag, und – nach ihrem Inhalt unfehlbar gerichtet werden wird ! Gleichwol kann man ohne die Moral der Bibel nicht fertig werden. Also giebt man vor; daß man dieses ehrwürdige Buch beibehalte. Aber – auch nur die Moral desselben! das Uebrige seines Inhalts übergeht man.“ AaO 10. „Erquickt eure Herzen an dem Ende des Herrn, welches ihr – am Creutz – im leeren Grabe – und in seinem Aufsteigen zur Herrlichkeit seines Vaters – gesehen habt.“ AaO 38. „Vergeßt heut – am Freudentage des Sohnes Gottes – alle eure Leiden!“ AaO 39. 102

IV. Der Erlaß des Religionsedikts

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5. Exemtion vom Militärdienst Seit Friedrich Wilhelm I. die Kantonverfassung eingerichtet hatte, war es immer wieder zu Übergriffen von Regimentschefs gekommen, die das Edikt vom 14. Oktober 1737, das die Eximierung der Söhne der Geistlichen festschrieb, mißachteten106. Unter dem 11. November 1789 bat Woellner den König, ihn gemäß einer von ihm selbst konzipierten Kabinettsordre zu bescheiden107. In dieser auf den 12. November datierten Kabinettsordre108 war § 13 des Religionsedikts in der Weise gedeutet, daß die Predigersöhne wie die Söhne der Schullehrer unter den in § 13 angeführten Bedingungen vom Enrollement befreit sein sollten, falls sie nicht Bauern oder Handwerksburschen würden „und also zur untersten Volcks-Classe gehören“. Die Söhne der Prediger waren also nur dann eximiert, wenn sie sich den Wissenschaften, dem Handel oder der wissenschaftlichen Ökonomie widmeten109. Da die im Religionsedikt wegen dieser Sache angekündigte Kabinettsordre an das Oberkriegskollegium bislang noch nicht ergangen war, legte Woellner dem König auch eine solche, ebenfalls auf den 12. November datierte Ordre „zur gnädigsten Approbation“110 vor. Darin wurde dem Oberkriegskollegium befohlen, die in § 13 des Religionsedikts aufgeführten Bestimmungen den Chefs der Regimenter und Bataillone durch besondere Ordres zur Beachtung in den Kantons bekannt zu machen111.

IV. Der Erlaß des Religionsedikts In hoffnungsvoller Entschlossenheit verfaßte Woellner das Religionsedikt112. Nach der in den §§ 7 bis 9 der Einleitung des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten festgehaltenen Regelung hätte die „Gesetzkommission“ das Edikt vorprüfen müssen. Der König und Woellner jedoch setzten sich 106 Gegen Manfred Heinemann, Schule im Vorfeld der Verwaltung. Die Entwicklung der preußischen Unterrichtsverwaltung von 1771–1800, SWGB 8, Göttingen 1974, 298. 107 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 31r. 108 Ebd. Vgl. auch Karl-Ernst Jeismann, Das preußische Gymnasium in Staat und Gesellschaft, Bd. 1 Die Entstehung des Gymnasiums als Schule des Staates und der Gebildeten 1787–1817, Industrielle Welt 15, 2. Aufl., Stuttgart 1996, 163 f. 109 Anders Heinemann, Schule, 304. 110 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 31r. 111 Ebd. 112 Nach dem Tod Friedrich Wilhelms II. gab Hermes an, am Religionsedikt „nicht den allergeringsten Antheil“ gehabt zu haben. Dies berichtete Hermes in einem am 5. Februar 1798 mit ihm abgehaltenen Verhör, das im Zusammenhang mit der Untersuchung gegen die Gräfin Lichtenau erfolgte. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 3, Bl. 199r–204r, hier 202v–203r.

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C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

über dieses Rechtshemmnis hinweg. Das Edikt sollte vor seiner Publikation nicht geprüft, sondern lediglich von den beiden Ministern des Geistlichen Departements und von dem Großkanzler Carmer contrasigniert werden113. Am 9. Juli 1788 schrieb Carmer114, daß er den Ediktsentwurf „mit aller Aufmerksamkeit“115 gelesen habe. Nach der ihm bekannten königlichen Intention hatte er dabei „nichts wesentliches zu erinnern gefunden“116. Er schlug freilich vor, näher zu bestimmen, wie noch andere tolerierte und nicht tolerierte Sekten zu beurteilen seien. Denn Carmer fürchtete, daß es binnen kurzer Zeit „eine Menge Dissidenten“117 geben würde, die besondere Kirchengemeinden bilden zu dürfen meinten. Woellner notierte undatiert: Die bislang in Preußen „öffentlich geduldeten Secten“118 waren die Juden, die Herrnhuter, die Mennoniten, die Gichtelianer und die Böhmische Brüdergemeine. Diese sollten auch weiterhin unter landesherrlichem Schutz ihre gottesdienstlichen Zusammenkünfte halten dürfen, weil diese Freiheit dem Staat unschädlich war. Zukünftig aber sollte das Geistliche Departement dafür sorgen, daß nicht andere der christlichen Religion und dem Staat schädliche „conventicula“119 unter dem Namen gottesdienstlicher Versammlungen gehalten würden, durch die sich „allerlei gefährl[iche] Menschen u Neologen Anhänger u proselyten zu machen im Sinne haben mögten“120 und die Toleranz „sehr gemisbraucht“121 werden würde. Am 10. Juli 1788 sandte Carmer das von ihm contrasignierte Religionsedikt an Dörnberg weiter. Da Dörnberg zuvor von dem Religionsedikt noch nicht in Kenntnis gesetzt worden war, erklärte der Großkanzler in einem kurzen zweisätzigen Begleitschreiben, daß der König es, „bey der erfolgten Verenderung in dem Lutherischen Geistlichen Departement, nöthig gefunden“122 habe, seine Gesinnungen über die Religionsverfassung in den preußischen Landen durch ein spezielles Edikt bekannt zu machen. Nach königlichem Befehl sei dieses Edikt von den beiden Ministern des Geistlichen Departements und von ihm selbst, Carmer, zu contrasignieren. Der Name Woellners taucht in dem 113 Daß Carmer das Religionsedikt trotz der formaljuristisch inkorrekten Mißachtung der Gesetzkommission unterschrieb, zeigt seine unbedingte Treue gegenüber königlichem Befehl. 114 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 1, Bl. 39r–39v. 115 AaO Bl. 39r. 116 Ebd. Die einschränkende Präzisierung „wesentliches“ hat Carmer nachträglich über der Zeile eingefügt. 117 Ebd. 118 AaO Bl. 40r. 119 Ebd. 120 Ebd. Ursprünglich hatte Woellner „schädl[iche] Menschen“ geschrieben, dies dann aber durch die schärfere Formulierung „gefährl[iche] Menschen“ ersetzt. 121 Ebd. 122 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit.1, Heft 33, Bl. 7r.

IV. Der Erlaß des Religionsedikts

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Schreiben nicht auf, jedoch ist hinreichend deutlich, daß die von Carmer erwähnte Veränderung nur Woellners Erhebung zum Etatsminister meinen kann. Dörnberg contrasignierte das Religionsedikt umgehend und ließ es am nächsten Tag, dem 11. Juli, zurückschicken123. Jedoch leistete er seine Unterschrift nicht mit geistlosem Gehorsam, sondern schrieb – in der Sache – scharf an Carmer: Zwar habe er, Dörnberg, das Edikt „ohne ein weiteres Bedencken“124 contrasigniert, jedoch sei das Prozedere zu beanstanden. Dörnberg forderte von Carmer die Übermittlung der die „überflüßig scheinende Contrasignatur“125 des Edikts vorschreibenden Kabinettsordre und die Zusendung des Konzepts dieses Edikts. In zukünftigen Fällen erwarte er ohnehin „dergleichen Communication“, solange nicht der König selbst die Verfassung des Geistlichen Departements abändern würde126. Carmer und Dörnberg brachten also inhaltlich keine Einwände gegen das Religionsedikt vor. Irgendeine Gestaltungsfunktion konnte von ihnen freilich nicht ausgehen, wie der Verfahrensablauf gezeigt hat. Während das Religionsedikt auf den 9. Juli datiert ist, lieferte der Großkanzler erst am 11. Juli die Unterschriften der Mitunterzeichner. Die Veröffentlichung des Religionsedikts wurde rasch vorangetrieben. Am 19. Juli ließ Friedrich Wilhelm II. die Druckfassung des Religionsedikts an alle Landeskonsistorien und geistlichen Kollegien, an das Reformierte Kirchendirektorium, das Kurmärkische Oberkonsistorium, das Neumärkische Konsistorium und die schlesischen Konsistorien senden. In dem beigefügten Circulare wurde den Konsistorien eingeschärft, nicht nur ihrerseits auf das Edikt „pflichtmäßig zu achten“127, sondern im Besonderen auch der ihnen unterstehenden Geistlichkeit das Edikt bekanntzumachen. Dem königlichen Willen sollte „durchgehends nachgelebet“128 werden. Die allgemeine Öffentlichkeit konnte bereits zehn Tage nach Erlaß des Edikts – am 19. Juli 1788 – in der „Vossischen Zeitung“ den Text lesen129. 123

Vgl. die Aktennotiz auf dem von einem Schreiber zu Papier gebrachten, von Dörnbergs eigener Hand redigierten Brief Dörnbergs an Carmer. Den Brief selbst hatte Dörnberg bereits am 10. Juli verfaßt. AaO Bl. 8r. Ein Konzept des Briefes findet sich aaO Bl. 7r. 124 AaO Bl. 8r. 125 Ebd. 126 Bereits 1784 zeigte Dörnberg starkes Interesse an guter Unterrichtung über die laufenden Rechtsangelegenheiten. Am 31. Mai 1784 dankte er Carmer für die Zusendung eines Exemplars des Entwurfs des Allgemeinen Gesetzbuchs und bat um die Übermittlung auch der zukünftig erscheinenden Teile. Vgl. GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 3, Bd. 1, Bl. 215r. 127 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit.1, Heft 33, Bl. 10r. 128 Ebd. 129 Johann David Erdmann Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, IV–V, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 2 (1865, ND 1972), 746– 774, hier 763. Die Konsistorien erfüllten gewissenhaft den königlichen Befehl, als Multiplika-

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C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

V. Erste Reaktionen auf das Religionsedikt Kaum war das Religionsedikt erlassen worden, schrieb am 13. Juli 1788 der Oberkonsistorialrat Johann Esaias Silberschlag jubilierend an Woellner130. Er habe Gott auf Knien für die Wahl Woellners zum Chef des Geistlichen Departements gedankt. Nun erblicke er „die Erhörung meines Gebeths und heißer Thränen in dem ganz vortreflichen und unverbeßerlichen Edicte“131. Silberschlag rühmte gleichermaßen den König und den Staatsminister: „Geseegnet sey unser allertheurester Monarch und die Stunde da seine Hohe Hand dieses Edict unterschrieben, und geseegnet die Feder die es nach der Willens-Meynung des besten Königes aufgesetzt hat.“132 Uneingeschränkt pries er das Religionsedikt: „Aber was für ein vortrefliches Edict! in dem weder die Gränze der Toleranz und Gewißens Freyheit überschritten, noch etwas vergeßen worden, das zur Erreichung des Endzwecks nothwendig ist. Der Neologe selbst kann sich nicht beklagen, daß ihm zu viel geschehen und ich habe alle Mühe mir gegeben etwas ausfündig zu machen, das noch zur Energie eines so heilsamen Befehls hinzugethan werden könnte und ich habe nichts gefunden. Was für Freude durchs ganze Land wird dieses Edict bey allen redlich gesinneten Lehrern und Gemeinen erwecken! Gelobt sey Gott, der mich vor meinem Ende diese Herstellung der reinen Lehre des göttlichen Wortes erleben laßen.“133 Die zweite Briefhälfte nutzte Silberschlag zur persönlichen Bitte. Da er sich in den vergangenen Jahren im Oberkonsistorium mißliebig betragen hatte – er habe zum Beispiel „das Schicksal des neuen Gesangbuches testantibus actis“134 vorausgesagt –, waren ihm zunehmend Aufgaben entzogen worden. Man hatte ihn schließlich „in voller Session einen Antagonisten“ genannt und ihm fernerhin nichts weiter vorzutragen gegeben, „als wenn die Frage war: ob Jemand seines Bruder Frau oder Frauen Schwester heyrathen dürffe?“135. Nunmehr bar jeden Einflusses auf „das Beste“136 der Religionsverfassung mußte er „mit traurigen Blicken die für Neologen weit aufgethane Pforte zum Einsteigen toren zu wirken. Am 21. August 1788 bat das Konsistorium des Herzogtums Magdeburg – in Gestalt von Präsident, Vizepräsident und Räten – den König, ihm noch weitere 200 Exemplare des neuen Edikts zu schicken, um sie der ihm unterstehenden Geistlichkeit zukommen zu lassen. Die bereits Mitte Juli zugesendeten 350 Exemplare reichten nicht aus. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit.1, Heft 33, Bl. 11r. 130 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 6r–7r. 131 AaO Bl. 6r. 132 Ebd. 133 Ebd. 134 AaO Bl. 6v. 135 Ebd. 136 AaO Bl. 7r.

V. Erste Reaktionen auf das Religionsedikt

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in den Schaafstall Christi, sehen“137. Silberschlag schloß den schmeichelnden Brief mit der Beteuerung, daß er „lebens lang“ Woellners „treuer Verehrer“138 bleiben werde. Am 29. Juli 1788 wandte sich der lutherische Prediger Benjamin Gottfried Schweikert an Woellner139. Er dankte Woellner „mit dem wärmsten Herzen“ für das „herrliche“ Religionsedikt, von dem Woellner „allem Vermuthen nach der edle Urheber“140 sei. Eindringlich beschrieb er seine Reaktion auf das Edikt: „Thränen, Thränen der Freude und des Dankes gegen Gott, er sahe sie fließen, flossen über mein Ansicht [sic] herab, als ich dies höchstvortrefliche Edict“141 las. Nun werde „den so sehr gefährlichen Socinianern und Naturalisten, den fälschlich so genannten Aufklärern der Mund geschlossen, daß sie das göttliche Ansehen der Bibel nicht mehr herabwürdigen, das Geheimniß des Erlösungswerks, und die Genugthuung Christi den Leuten nicht weiter verdächtig, und sie in ihrem Glauben nicht mehr irre machen dürffen“142. Schweikert hoffte zuversichtlich, daß das Religionsedikt auf „viele andere christliche Länder“ einen „glüklichen Einfluß“143 haben werde. Nun würden, „Gott geb’ es!“144, mehrere christliche Fürsten in ihren Ländern ähnliche Edikte ergehen lassen. Woellner habe den „geistlich Dürftigen“ den „sichern Stab“ wiedergegeben, „auf welchen sie sich im Tode noch stützen können“145. Von seinen beiden Söhnen, vierzehn und zwölf Jahre alt, werde nun einer „mit Freuden die Gottesgelahrtheit studiren, welches ich ihm, weil der Socinianismus und Naturalismus so sehr überhandnahm, vor einigen Wochen noch widerrieth“146. Ein eindrückliches Beispiel für die Abhängigkeit mancher Prediger von der königlichen Gesinnung war der Woellner persönlich bekannte, mehr als achtzigjährige Ernst Wentzelmann aus Potsdam, der den Großteil seiner nahezu sechzigjährigen Amtszeit unter Friedrich II. verbracht hatte und dem neuen Etatsminister am 8. September 1788 schrieb147. Nachdem er das Edikt 137

Ebd. Ebd. 139 AaO Bl. 12r–13v. 140 AaO Bl. 12r. 141 AaO Bl. 12r–12v. 142 AaO Bl. 12v. 143 Ebd. 144 Ebd. 145 AaO Bl. 13r. 146 Ebd. 147 AaO Bl. 16r–16v. Wenige Monate nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms II. hatte sich Wentzelmann am 7. Dezember 1786 an den neuen König gewandt und ihn um eine Geldzulage gebeten, deren er um so nötiger bedurfte, als noch zwei unverheiratete Töchter zu versorgen waren. Außerdem hatte der Prediger um die königliche Gnade der Erhebung zum Hofprediger nachgesucht. Wentzelmann, der seit 1732 in königlichen Diensten gestanden und vor Friedrich Wilhelm I. in der Potsdamer Heilig-Geist-Kirche und – wenn der König krank war – im Potsdamer Schloß gepredigt hatte und dem vom König das Versprechen gegeben 138

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C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

gelesen hatte, sei es ihm wie der Königin von Arabien ergangen148: „es übertraf meiner Erwartung, u. fiel mir der so viele Jahre gedruckte schwere Stein, wenn ich offentlich reden sollte, u. Zweiflerr [sic] u. Spötter befürchten muste, vom Herzen, danckte Gott inbrünstig, u. seegnete mit Gebet u. preisen den Frommen König“149. Zwei Tage später, bei seinem nächsten Gottesdienst – der betagte Prediger bestieg noch immer jeden Sonntag die Kanzel150 –, hielt er ein „Feierliches DanckFest“151, das auf die ergriffenen Zuhörer, die teils „Freuden Thränen“152 geweint hätten, nachdrücklich gewirkt habe: „alles gab Beyfall“153. In Minden griff am 18. September 1788 Martin Gottfried Franke, „Worthalter u Representant der Mindischen Bürgerschaft“154, zur Feder155. Von Westfalen überhaupt und „besonders von dieser guten Stadt“156 – also Minden – könne er versichern, daß es eine ansehnliche Menge an Einwohnern gebe, denen „schon Lange geeckelt, für den Schrift u Vernunft wiedrigen Erklärungen und Verstümmelungen der theuren Bibel, deren sich manche Neologen schuldig gemacht haben“157. Den Neologen widmeten sich diese Mindener in besonderer Weise: „wir beten für sie ‚Vater Vergib ihnen den [sic] sie wißen nicht was sie thun‘“. Doch es gebe „Gottlob“ auch noch „Lehrer, die uns den Trost nicht Rauben ‚das Jesus Christ für unsren [sic] Sünde gestorben u Gott u der Sünder Erlöser ist‘“. Diese Lehrer verkündigten „dieses Herliche Evangelium“ nicht nur, sondern „zieren“ es mit ihrem Lebenswandel. Ein „guter Christ“ müsse nach deren Überzeugung „auch ein guter Bürger u Unterthan“158 sein. Ihren Zuhörern predigten sie, daß „aus dem Christenthum alle Lust u Kraft, zu allen wahrhaft Edlen u guten Handlungen herzunehmen“ sei. Derartige Lehrer werde es unter Woellner noch mehrere geben, „u die worden war, für ihn zu sorgen und ihn am Berliner Dom anzustellen, hatte nach Friedrichs II. Krönung jede Hoffnung auf ein berufliches Emporkommen aufgeben müssen. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 6r–6v. Am 9. Juli 1788 hatte Wentzelmann aus Potsdam ein Gratulationsschreiben an Woellner verfaßt. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 30, Bl. 25r–25v. Gott möge Woellner die Kraft geben, die zerfallenen Mauern Zions wieder aufzurichten zu helfen. AaO Bl. 25r. Der „Fromme“ König Friedrich Wilhelm I. hatte ihm bei der Annahme an der Potsdamer Heilig-Geist-Kirche 1732 „Jesum und Seine Glaubens- und Lebens Anweisungen aufs Herz gelegt“, und davon sei er sein Leben lang nicht abgewichen. AaO Bl. 25v. 148 Wentzelmann verwies auf 1 Kön 10,6. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 16r. 149 Ebd. 150 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 6v. 151 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 16r. 152 Ebd. 153 Ebd. 154 AaO Bl. 19r. 155 AaO Bl. 18r–19r. 156 AaO Bl. 18v. 157 Ebd. 158 Ebd. Die Präzisierung „u Unterthan“ hat Franke nachträglich über der Zeile eingefügt.

VI. Reaktionen aus dem Ausland

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werden ihr Amt unter Dero großen Protection, mit ruhe [sic] u guten Gewißen führen können“159. Auch im Blick auf die Liturgie „sind wir durch dieses Herliche Edict gesichert und beruhiget“, denn nun dürften die Gemeinden im Gottesdienst wieder die Lieder und Gebete gebrauchen, die sie „von Jugend auf gewohnt sind“160. Mit einem Bild verdeutlichte Franke das Verhältnis zwischen Kirchgänger und Liedgut. Ein köstlich zubereitetes Mahl werde an der königlichen Tafel zwar allen vornehmen Gästen gut munden und die ihnen notwendigen Kräfte erhalten; für einen einfachere Kost gewohnten Landmann jedoch sei eine solche Speise weder bekömmlich noch hinreichend kräftigend161. Der König habe also zu Recht befohlen, die alte Liturgie wiederherzustellen und zu erhalten; „bey erbauung muß ohne dehm aller zwang weg fallen, weil er hir am allermehrsten gegen die Natur des Menschen ist“162. Da der arme Mann gewöhnlich keine anderen Bücher als eine Bibel und ein Gesangbuch nebst Gebetbuch besitze, „so muß Letzteres so wohl als es ersteres ist, für alle seine Bedürffniße eingerichtet u hinlänglich seyn“163; gerade dies aber leisteten die neuen Gesangbücher nicht.

VI. Reaktionen aus dem Ausland Auch aus nichtpreußischen Landen erreichten Woellner Glückwünsche zum Religionsedikt. Am 21. Juli 1788 pries ihn aus Döbernitz bei Leipzig Peter v. Hohenthal164. Das Religionsedikt gebe zu größter Hoffnung Anlaß. „Nur Schade daß Neologie und Profanitaet, ja ich möchte sagen Naturalismus izt herrschend sind und durch die würklich zu weit gehende Druckfreyheit, täglich neue Nahrung“165 bekämen. Sie wollten „Aufklärung der Menschen, und Befreyung von den moralischen Ketten, die sie tragen“166, bewirken. „Hauptsächlich soll der Aberglaube und der Despotismus untergraben werden. Unter jenen rechnen sie hauptsächlich, die Christliche Religion, an deren Stelle der Deismus nach u. nach eingeführet werden soll, und unter diesen, im Grunde alle Obrigkeit, die ihnen ein Dorn im Auge ist, und welcher sie izt schon, weit mehr geschadet haben und künfftig schaden werden, als man wohl glaubt.“167 159

Ebd. Ebd. 161 AaO Bl. 18v–19r. 162 AaO Bl. 19r. 163 Ebd. 164 AaO Bl. 10r–11v. 165 AaO Bl. 10v. 166 AaO Bl. 11r. 167 Ebd. 160

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C. Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788

Kein stehendes Heer würde die Fürsten schützen, sobald alle Offiziere „aufgeklärt“168 wären. Am 27. September 1788 schrieb aus Wittenberg der Professor der Physik Johann Daniel Titius an Woellner169. Das Religionsedikt habe auch in Sachsen „tiefen Eindruck“170 gemacht und besonders bei dem Oberkonsistorialpräsidenten „ein großes Wohlgefallen erreget“171. Aus Köthen wandte sich am 28. November 1788 Gottfried Lebrecht Masius an Woellner172. Woellner habe in seiner erst wenige Monate währenden Zeit an der Spitze des Geistlichen Departements, „ohngeachtet so großer Entgegenstrebung, dennoch einen großen Ruhm der Gerechtigkeit und Religionsliebe bey den Nationen erhalten“173. „Wer noch Gefühl für das Evangelium in seiner Brust hatte und sich in der Gemeinschafft der Apostel befand, ward durch das Religionsedickt gleichsam wieder aufgelebt. Jünglinge, die mit banger Ahndung in die Zukunfft blickten, und, wollten sie dem Herrn anhangen, große Verfolgungen und Trübsale in diesem Leben, wollten sie aber der Welt anhangen, eine schreckliche Ewigkeit erwarteten, und unschlüssig, was sie thun sollten, ihren Kummer verbargen, sahen sich wie in einem neuen Leben; und Greise, die den Verfall der Religion seit Jahren beklagten, und in dieser Klage zu sterben glaubten, hoben ihr Haupt empor, wünschten Friede und Glück dem Könige, und Gottes Lohn Ewr. Excellenz.“174 Nachdrücklich beklagte Masius den Widerstand, der sich nach dem Erlaß des Religionsedikts erhoben hatte. „Aber kaum hatte die Hoffnung der Kämpfer sich also erquickt, so ward man durch das Geschrey der Aufklärerrotte von neuem erschreckt, als dieses Heer seine Pfeile auf Ew. Excellenz loszudrücken suchte; und ich wünsche mit allen Rechtschafnen und ächten Christen, daß Ew. Excellenz durchbrechen und siegen.“175 168

AaO Bl. 11v. AaO Bl. 22r–23r. 170 AaO Bl. 22r. 171 AaO Bl. 22v. Aus Jena wandte sich am 9. Oktober 1788 Johann Christian Blasche (aaO Bl. 27r–28v), „Professor der Gottesgelahrheit [sic] und WeltWeisheit“ (aaO Bl. 28r), an Woellner. Am 22. November 1788 schrieb an Woellner der Herzoglich-Mecklenburgische Konsistorialrat und Professor Johann Petrus Andreas Müller aus Lützow. AaO Bl. 33r–34r. 172 AaO Bl. 35r–36r. 173 AaO Bl. 35r. 174 AaO Bl. 35r–35v. 175 AaO Bl. 35v. Am 2. Dezember 1788 pries aus Eisenach der Oberkonsistorialrat und Generalsuperintendent Christian Wilhelm Schneider ausführlich den Verfasser des Religionsedikts. AaO Bl. 67r–70v. „Schon längst“ war ihm Woellner „als ein Freund und Bekenner des Evangeliums Jesu Christi“ „höchstverehrungswürdig“ geworden. Diese Verehrung intensivierte sich noch, nachdem Schneider das durch Woellners „hohe Vermittelung entworfene“, „vortrefliche“ (aaO Bl. 67r) Religionsedikt erhalten hatte, „wodurch die göttlichen Lehren der Religion Jesu in ihrem hohen Werthe dargestellt, von ihren Widersachern gerettet, und der, zur Schande unsrer Zeiten, aufs höchste gestiegenen Verdrehung und Verspottung 169

VI. Reaktionen aus dem Ausland

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Diese und andere Glückwunschschreiben zeigen, daß Woellner durchaus einigen Rückhalts im In- und Ausland versichert sein konnte.

derselben von dem verehrungswürdigsten, menschenfreundlichsten Monarchen Schranken gesetzt werden“. AaO Bl. 67r–67v.

D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt Gegen das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 erhoben sich die geistlichen Räte des Berliner Oberkonsistoriums – mit Ausnahme Silberschlags – und leisteten aufrecht Widerstand. Die von den Oberkonsistorialräten geäußerten und von Johann Heinrich Casimir v. Carmer, Wolfgang Ferdinand v. Dörnberg und Woellner diskutierten Bedenken bedürfen einer ausführlichen Darstellung, findet in ihnen doch eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen der theologischen Aufklärung statt. Ihnen eignet ein in dieser Deutlichkeit und unmittelbar kirchenpolitisch bedingten Intensität singuläres Bemühen, rechtverstandene und mißdeutete Aufklärung zu beschreiben.

I. Wilhelm Abraham Tellers Schreiben an Woellner vom 21. Juli 1788 Unabhängig von seinen Amtskollegen wandte sich am 21. Juli 1788 Wilhelm Abraham Teller in einem Einzelschreiben an Woellner1. Teller hatte einen vierwöchigen Erholungsaufenthalt im Bad von Freyenwalde geplant und wollte nun – unmittelbar vor Antritt der Reise – seine „Verlegenheit“2 wegen des Religionsedikts vom 9. Juli anzeigen. Nach den §§ 7 und 8 müsse er sein Amt niederlegen. Er habe bisweilen in Glaubenssachen eine von der „Vorschrift der Kirche“ divergierende Überzeugung gehabt, ohne sich freilich „deswegen unter die rechnen zu dürfen, die von Irrthümern angesteckt sind, oder nach dem 7ten § sich eine zügellose Freyheit in Wegläugnung der Grund-Wahrheiten der protestantischen Kirche erlaubt haben“3. Selbstbewußt verwies Teller auf seine exegetisch-philologischen Forschungen, die ihm den Maßstab für die Unterscheidung zwischen Buchstaben und Geist der Schrift geboten hatten. Alles das, was ihm im lutherischen Lehrbegriff nicht dem Geist der Bibel ent1 Karl Heinrich Sack, Urkundliche Verhandlungen betreffend die Einführung des preußischen Religionsedikts v. J. 1788, in: ZHTh 29 (1859), 3–48, hier 44–47 (Anhang). Dieses Schreiben findet sich nicht in den handschriftlichen Akten. 2 AaO 3–48, hier 44 (Anhang). 3 Ebd.

I. Wilhelm Abraham Tellers Schreiben an Woellner vom 21. Juli 1788

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sprochen zu haben schien, hatte er in seinen Predigten „als außerwesentlich“4 unerwähnt gelassen. Die Unbedenklichkeit seiner Predigten, welche „die ruhigsten und unanstößigsten Vorträge allgemeiner christlicher Wahrheit enthalten, die gerade zu Gott, zum Gutes thun und zum Gutes hoffen führet“5, könne an seinen zum Druck gekommenen Kanzelreden bewiesen werden. Von seinem Wirken als Prediger unterschied er dasjenige als „Theologe“6. Als solcher habe er seine den Symbolischen Büchern entgegenstehenden Überzeugungen „zwar ohne Menschenfurcht, aber doch auch mit aller Bescheidenheit vorgetragen“7. Auch hier verwies Teller zum Beweis wieder auf eigene Schriften: etwa das „Wörterbuch des Neuen Testaments“ und „alle meine übrigen mehr für eigentliche Gelehrte bestimmten Schriften“8. Er sei nicht in der Lage, das Christentum nach den Symbolen „treu und gründlich“9 vorzutragen, da ihn die Treue eines Untertanen gegenüber königlichen Befehlen mit der Treue gegenüber der Wahrheit, wie er sie erkannte, einem beständigen inneren Kampf aussetzen würde und er keine Gründlichkeit walten lassen konnte, wenn er „das Uebergewicht der Gründe“ nicht selbst fühlte10. Er müsse nun also, schlußfolgerte Teller, sein Predigtamt niederlegen. Zu diesem Schritt habe es in der Vergangenheit, in der er von der Obrigkeit stets unbehelligt geblieben war, niemals Anlaß gegeben. Beruflich hatte er eher von Zufällen als von Aussichten gelebt und keine höhere Karriere angestrebt. Vor 21 Jahren dann hatten sich Friedrich II. und der damalige Chef des Geistlichen Departements Ernst Friedemann v. Münchhausen gegen den Widerstand einiger Oberkonsistorialräte nicht gescheut, Teller nach Berlin zu rufen, obwohl er bereits seine von den Symbolischen Büchern abweichenden Meinungen in gedruckten Schriften veröffentlicht hatte. Da der Ruf keine „besondere Verpflichtung auf symbolische Bücher“11 enthielt, folgte Teller dem Angebot und verließ seinen sicheren Wirkort Helmstedt, in dem er gegen alle „Stürme der Polemik von außen wie von innen durch ausdrückliche Ver4

Ebd. AaO 3–48, hier 45 (Anhang). 6 AaO 3–48, hier 44 (Anhang). 7 „Ich bin mir bewußt, daß ich das Alles in dem lutherischen Lehrbegrif, was mir nur der Buchstabe der Schrift, aber nicht der Geist derselben, besonders in den Original-Sprachen zu sein scheint, in Predigten, als außerwesentlich, habe liegen laßen, und daß ich als Theologe stets, solange ich in des Königes Landen bin, meine gegenseitigen Ueberzeugungen, zwar ohne Menschenfurcht, aber doch auch mit aller Bescheidenheit vorgetragen habe“. Ebd. 8 Ebd. „Immer ist es aber freylich gewiß, und allgemein bekannt, daß ich seit dem Anfang meiner wichtigeren Lehr-Aemter in der Kirche und auf der Universität gegen alle von Menschen, die gleich mir, irren konnten, aufgebrachte Lehr-Formen mich laut und ohne Zurückhaltung erklärt habe.“ AaO 45 (Anhang). 9 AaO 3–48, hier 45 (Anhang). 10 Ebd. 11 Ebd. 5

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

sicherungen des unwandelbaren herzoglichen Schutzes gedeckt war“12. In Berlin habe er dann lebhaften Zuspruch bei den Hörern gefunden, da er seine Überzeugungen nie verheimlicht hatte und deswegen um so glaubwürdiger wirkte13. Er habe jeden im Sinne des Apostels Paulus behandelt, „nicht als Herr seines Glaubens, sondern als Rathgeber und Freund, der ihm in der wichtigsten Angelegenheit seine Meinung mittheilt, und Alles seiner eigenen Prüfung überläßt“14. Keineswegs habe er also gegen den Willen der Gemeinde an seinem Amt festgehalten. Hätte seine Gemeinde jemals Klagen gegen seine „Rechtlehrigkeit“15 erhoben, wäre er – gemäß der Auffassung, die er in seiner Schrift „Valentinian der Erste“16 dargelegt hatte – freiwillig von seinem Predigtamt zurückgetreten. Zufrieden und selbstbewußt bilanzierte Teller die vergangenen Jahre, in denen er an jedem Sonntag und Montag auf der Kanzel der Petrikirche gestanden hatte. Er könne es sich „zu einem gewißen Verdienst anrechnen, unter einem so großen gemischten Publikum, als das berlinische ist, Prediger für diejenigen (doch sicher immer die würdigste Claße der Religionsbekenner) zu seyn, die ihrem eignen freyen Nachdenken über Absicht und Inhalt des Evangeliums Christi durch eine Predigt wolten aufgeholfen wißen“17. 12

AaO 3–48, hier 46 (Anhang). AaO 3–48, hier 45 f (Anhang). 14 AaO 3–48, hier 46 (Anhang). 15 Ebd. 16 Wilhelm Abraham Teller, Valentinian der Erste. Oder geheime Unterredungen eines Monarchen mit seinem Thronfolger über die Religionsfreyheit der Unterthanen. Nebst einem Anhang für alle tolerant denkende Lehrer des geistlichen Rechts, Brandenburg 1777 (2., vermehrte Aufl., Berlin 1791). Vgl. dazu Angela Nüsseler, Dogmatik fürs Volk. Wilhelm Abraham Teller als populärer Aufklärungstheologe, München 1999, 209–215. 17 „Aber gewiß bin ich auch nur erst itzt in diesen Fall gekommen. Denn wenn ich bisher das Christenthum, was es mir nach der Schrift ist, gelehrt habe, so habe ich es mit Vorwißen, und, wenn auch nicht mit Billigung, doch mit Nachgebung meiner höchsten und hohen Obrigkeit gethan, wie nicht weniger mit Zufriedenheit meiner Zuhörer – das erste nach den Umständen des vor 21 Jahren an mich hieher ergangenen Berufes. Ich habe ihn weder durch Empfehlungen errungen, noch auf krummen Wegen erschlichen. Ich erhielt ihn so ungesucht, als unerwartet; ich erhielt ihn, nachdem ich schon einen vorhergehenden an des sel. Baumgartens Stelle in Halle mit 800 Pension und dem Charakter eines magdeburgischen Consistorialrathes ausgeschlagen hatte; ich erhielt ihn, nachdem ich meine von den symbolischen Büchern abstimmende Denkungsart in öffentlichen Schriften zu erkennen gegeben hatte, gegen alle von einigen der damaligen Mitglieder des Oberconsistoriums erhobenen Zweifel auf den von des damaligen Chef-Präsidenten Herrn Ministers v. Münchhausen des hochsel. Königs Majestät gethanen Antrag, ohne alle besondere Verpflichtung auf symbolische Bücher. Und so nahm ich ihn an, ob ich gleich in Helmstädt in der angenehmsten Verbindung lebte und gegen alle Stürme der Polemik von außen wie von innen durch ausdrückliche Versicherungen des unwandelbaren herzoglichen Schutzes gedeckt war. So bin ich aber auch von dem größesten Theile meiner Zuhörer nur für das angesehen worden, was ich noch itzt in Ansehung meiner religiösen Denkungsart bin. Wer mich hören wollte, der hörte mich, wußte, 13

I. Wilhelm Abraham Tellers Schreiben an Woellner vom 21. Juli 1788

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Nun aber – wie angekündigt – machte er es sich „zu einer großen heiligen Pflicht, ungesäumt, und noch ehe das Edikt officiel mir insinuirt worden ist“18, Woellner zu bitten, beim König einen Dispens von seiner bisherigen Predigtverpflichtung zu erwirken. Teller war an einer möglichst wenig Aufsehen erregenden Regelung seiner Amtsaufgaben, für deren künftige Gestaltung er drei Einzelvorschläge unterbreitete, gelegen. Zunächst bat er um die Erlaubnis, noch gelegentlich an Sonntagen, „die keinen bestimmten systematischen Vortrag nothwendig machen“19, öffentlich predigen zu dürfen. Außerdem wollte er seine Tätigkeiten als Propst und Inspektor, Rat beim Oberkonsistorium und Armendirektorium, Mitglied der Akademie der Wissenschaften und auch als Zensor beibehalten, da diese Ämter sein Gewissen keinem Zwang unterwürfen. Zu deren Ausübung gehöre teils nur bloße Geschäftstreue und Tätigkeit, wogegen er sich wohl nichts habe zu Schulden kommen lassen, „theils ein äußerliches Handeln nach vorgeschriebenen Gesetzen, die auch nur die äußerlichen Handlungen anderer einschränken, wie bei jeder Unterobrigkeit, nicht aber innere Ueberzeugung, wie sie dem Lehrer der Religion nöthig ist“20. Zuletzt versicherte er Woellner, daß die sonntäglichen Vormittagspredigten und die montäglichen Predigten an der Petrikirche problemlos vom zweiten und dritten Diakon übernommen werden könnten, da von keiner Seite Einwände zu befürchten seien: Mit dem Magistrat als Patron der Pfarrstelle habe er stets einen guten Umgang gepflegt, und seine ihm freundschaftlich verbundenen Amtsbrüder würden gewiß sogar ohne zusätzliche Vergütung, die er ihnen freilich durch eine festzusetzende jährliche Summe nicht vorenthalten wollte, die Kanzelreden übernehmen. Teller schätzte seine Lage durchaus als ernst ein; am Schluß des Schreibens deutete er sogar die Möglichkeit an, seines Amtes als Propst entsetzt zu werden: „Sollten nun aber noch größere Amts-Aufopferungen von mir verlangt wer-

wie er mit mir dran war, konnte um so sicherer auf den Ernst meiner Unterweisungen sich verlaßen, war mit mir zufrieden, wie ich die Menge Beweise davon gehabt habe; und ich selbst behandelte jeden nach dem Sinne des Apostels Paulus, nicht als Herr seines Glaubens, sondern als Rathgeber und Freund, der ihm in der wichtigsten Angelegenheit seine Meinung mittheilt, und Alles seiner eigenen Prüfung überläßt. – Hätte auch meine Gemeine je Klagen gegen meine Rechtlehrigkeit erhoben, so würde ich selbst freiwillig mein Predigt-Amt niedergelegt haben, wie ich dieses Gemeinen-Recht, und die Pflicht des Predigers, wie der Obrigkeit, es anzuerkennen, in meinem Gespräch Valentinian der I., das ich vor einigen Jahren auf hohe Veranlaßung für einen Beherrscher catholischer Staaten geschrieben, unpartheyisch behauptet habe. – So lange also brauchte ich nicht mich untüchtig zum Predigtamte zu halten.“ Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 45 f (Anhang). 18 AaO 3–48, hier 46 (Anhang). 19 Ebd. 20 AaO 3–48, hier 47 (Anhang).

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

den, so werde ich auch dann in Ehrfurcht mich unterwerfen21. Freilich rechnete er mit einer finanziellen Abfindung. Kaum war der Brief abgeschickt, begab sich Teller für einen Monat in das Erholungsbad. Als er am 20. August tatkräftig nach Berlin zurückkehrte, erwartete ihn keine Antwort Woellners22. Daher fuhr er am 21. August bei dem säumigen Etatsminister vor, konnte ihn jedoch nicht sprechen und mußte sich damit begnügen, eine Note zu hinterlassen, in der er ihm seine Rückkehr meldete und um einen baldigen Bescheid bat. Einige Zeit später begegneten sich Woellner und Teller in der Akademie der Wissenschaften bei einer öffentlichen Sitzung. Nach dem Ende der Sitzung sprach Woellner den Oberkonsistorialrat an, entschuldigte sich wegen der unerledigten schriftlichen Antwort und überließ es ihm, dessen Vorschlag wegen der Amtspredigten gemäß zu handeln; „er wolle es bey dem Könige verantworten, und der König werde damit zufrieden seyn“23. Teller bat nochmals – damit er die Angelegenheit ordnungsgemäß mit dem Magistrat regeln könne – um eine schriftliche Erklärung, die Woellner jedoch als unnötig erachtete; auch brauche er dem Magistrat nichts zu sagen; „es würde zu viel Aufsehen machen, und ich möchte es ihm zu gefallen thun und es dabey beruhen laßen“24. Teller versprach dies, falls er eine Erklärung erhielte, daß der König stillschweigend den Dispens erteilt habe. Außerdem erinnerte er Woellner an die ratsame Entschädigung des zweiten und dritten Diakons und ersuchte ihn, den beiden für ihren vermehrten Predigtdienst aus dem Fonds der Akademie eine Pension von 200 Talern zu zahlen. Sowohl die königliche Erklärung als auch die Geldzahlungen versicherte Woellner zu veranlassen25. Woellners verzögerte und defensive Reaktion auf Tellers Schreiben zeigt, daß es nicht zu seinen Zielen gehörte, eine Amtsentsetzung der aufgeklärten akademischen und kirchlichen Elite zu betreiben. Während sehr viele gedruckte Schriften über das Religionsedikt erschienen und sich in der literarischen Öffentlichkeit eine intensive Debatte entspann26, verhielten sich die anderen geistlichen Oberkonsistorialräte einstweilen ruhig. 21

Ebd. Diese Vorgänge teilte Teller später mit. AaO 3–48, hier 47 f (Anhang). Dieses Schreiben werfe, so Sack, „auf den Karakter des Mannes, freilich abgesehen von seiner Theologie, wie mir scheint, ein sehr vortheilhaftes Licht“. AaO 7. 23 AaO 3–48, hier 48 (Anhang). 24 Ebd. 25 Weiteres geht aus dem Text nicht hervor, da das bei Sack wiedergegebene Manuskript an dieser Stelle abbricht. 26 Vgl. zu der öffentlichen Debatte Dirk Kemper (Hg.), Mißbrauchte Aufklärung? Schriften zum preußischen Religionsedikt vom 9. Juli 1788. 118 Schriften auf 202 Mikrofiches. Begleitband, Hildesheim u. a. 1996 und Christina Stange-Fayos, Lumières et obscurantisme en Prusse. Le débat autour des édits de religion et de censure (1788–1797), Bern 2003. 22

II. Friedrich Samuel Gottfried Sacks Promemoria vom 26. August 1788

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Am 26. August 1788 schrieb Wilhelmine Ritz dem König, daß es „nicht viel Neuhes“ zu berichten gebe, außer daß viele Bücher wegen des Religionsedikts herauskämen, in denen sie, soweit sie dies beurteilen könne, „nicht die gesu[n]de värnunft“ finde, „weil man gerade zu alles värdrehhet was in dem Edickt stehhet“27.

II. Friedrich Samuel Gottfried Sacks Promemoria vom 26. August 1788 Ebenso wie Teller forderten auch Friedrich Samuel Gottfried Sack, der als erster Hof- und Domprediger sogar den König zu seinen geneigten Hörern zählen konnte28, besonders die §§ 7 und 8 des Religionsedikts zu einer Stellungnahme heraus. Sechseinhalb Wochen nach Erlaß des Religionsedikts, am 26. August 1788, als das Wetter in Berlin ganz und gar nicht sommerlich war29, sandte er ein ausführliches, klar gegliedertes zehnseitiges Promemoria an seinen Vorgesetzten im reformierten Kirchendirektorium, den Freiherrn Wolfgang Ferdinand v. Dörnberg30. Sack ging in vier Schritten vor. Zunächst zeichnete er ein Bild der gegenwärtigen religiösen Landschaft, danach legte er mit historisch grundierten Argumenten seine Bedenken gegen einige im Religionsedikt anvisierte Maßnahmen dar, sodann unterbreitete er Vorschläge zur Behebung der vorhandenen Schwierigkeiten, und zuletzt bat er angesichts seiner Gewissensnot um eine obrigkeitliche Entscheidung über seine zukünftige Verwendung als Prediger. Seine „unterthänige Vorstellung“31 eröffnete Sack im Ton des dankbaren Untertans: Er lobte die Fürsorge des Königs, der „dem großen, und höchstschädlichen Mißbrauche der bisherigen Denk- und Lehrfreiheit gesteuert, und der Neuerungssucht und Ungebundenheit so mancher Geistlichen, Grenzen gesezt“ habe. Ausführlich beschrieb Sack die religiösen Zustände im Land, die Friedrich Wilhelm II. bei seinem Regierungsantritt vorgefunden hatte. Es sei „leider zu offenbar“, „daß die Art und Weise, wie seit verschiedenen Jahren die wichtigsten und heiligsten Wahrheiten behandelt worden sind, nicht allein die 27

GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 80, unpag. Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 1, Leipzig 1880, 219. 29 Über das schlechte Wetter klagte Wilhelmine Ritz in Briefen vom 15. und vom 19. August 1788 an den König. GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 80, unpag. 30 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 21r–26v [Abschrift]. Mit teilweise veränderter Graphematik und Zeichensetzung ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 9–17 (I.). 31 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 21r. 28

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

Beförderung eines wahren Christenthums gehindert, sondern auch alle Grundsäze der Religion überhaupt für viele unbefestigte Gemüther wankend und ungewiß gemacht habe“32. Wie freilich nach Sacks Auffassung „die wichtigsten und heiligsten Wahrheiten“, „die Beförderung eines wahren Christenthums“ und „alle Grundsäze der Religion überhaupt“ zu definieren sind, bleibt unbestimmt. Schon im nächsten Satz wurde Sacks Redeweise positioneller, wenn er von „dem gemißbrauchten Namen von Aufklärung“ sprach, unter dem sich „Unglaube, Zweifelsucht, und freche Verspottung der Religion und der Bibel“ immer mehr verbreitet hätten: „[S]elbst die niedrigsten Stände haben dieses verderbliche Gifft eingesogen“33. Sack teilte also Woellners im Religionsedikt manifestierte Auffassung, daß der Name der Aufklärung mißbraucht werden könne und auch worden sei. Mit einer dreifachen, nahezu synonymischen Reihung kennzeichnete Sack den gegenwärtigen, unbedingt zu ändernden Umgang mit der biblischen Botschaft. Alle wahren Christen hätten fortwährend gehofft, daß „die Vorsehung […] sich zu rechter Zeit der verleumdeten, verachteten und verhöhnten Lehre des Evangeliums annehmen werde“34. Das hier noch nicht explizit genannte Religionsedikt erscheint also als Werk der Vorsehung. Die biblische Botschaft ist reduziert auf die neutestamentliche Verkündigung, die zudem als Lehre kategorisiert und mithin – wie im Religionsedikt – schematisiert wird. Dieser Lehre eigne der Charakter der Wahrheit, die zugleich als Kriterium und Sache gedacht ist. Mit „allen Freunden der Religion und allen guten Unterthanen“35 stimme er, Sack, mit des Königs Bemühen um die reine christliche Lehre überein36. Ganz auf dem Boden des entstehenden Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten also befand sich Sack. Wahres Christentum und unbedingte Obrigkeitsloyalität seien komplementär. Nach diesem konsensstiftenden Einleitungsteil ging Sack zur Kritik einiger im Religionsedikt geäußerter Maßnahmen des Königs über37. Diese seine „Bedenklichkeiten und Zweifel“38 explizierte Sack im zweiten großen Schritt seines Promemoria. Erst jetzt erwähnte er das Religionsedikt und faßte die zen32

Ebd. Ebd. 34 Ebd. 35 AaO Bl. 21v. Der Begriff ‚Freunde‘ entspricht zeitgenössischer Gepflogenheit. ‚Freunde‘ einer Sache waren diejenigen, denen eben diese Sache besonders zueigen war. Friedrich II. etwa bezeichnet in der Kabinettsordre zur Justizreform vom 14. April 1780 den Advokaten als „Rechtsfreund[ ]“. GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 7, Bd. 1, Bl. 25v. 36 Den König bezeichnete Sack als „Beförderer der Wahrheit und des Christenthums“. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 21r. 37 Einige der Verordnungen des Königs hätten seine „innigste Betrübnis“ erregt. AaO Bl. 21v. 38 Ebd. 33

II. Friedrich Samuel Gottfried Sacks Promemoria vom 26. August 1788

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tralen §§ 7 und 8 zusammen. Die entscheidenden Passagen des Religionsedikts scheinen ihm auswendig präsent gewesen zu sein. Es erstaunt nur, daß Sack die klassische Formel „Richtschnur, Norma und Regel“ (§ 8) nicht exakt zu zitieren wußte, sondern „Vorschrifft und Norm“39 sagte. Die wichtige Wendung „der einmahl bestimmte und festgesezte Lehrbegrif seiner jedesmaligen Religions Parthei“ (§ 8) ist allerdings lexikalisch – mit einer auffälligen Ausnahme – korrekt zitiert. Sack relativierte die vermeintliche Extraordinarität dieser Verordnungen des Religionsedikts historisch. Ähnliche Bestimmungen habe es bereits in der Vergangenheit gegeben, und schon damals hätten sie sich nicht vollkommen durchsetzen können, da, erstens, in den Symbolischen Büchern selbst „alle, blos menschliche Autorität, in Religions- und Glaubenssachen, als unzuverlässig verworffen wird“40. Außerdem, so Sacks zweites Argument, sprächen die absehbaren, dreigestaltigen Konsequenzen einer genauen Befolgung solcher Bestimmungen gegen deren praktische Umsetzung. Eine „ganz genaue Handhabung dieses Gesezzes“ würde jeden „Fortschritt der Erkenntnis in der Religion aufhalten, die Gewissen vieler Menschen bedrücken und der Verkezzerungs-Sucht, nebst allen daraus entstehenden großen Uebeln, Vorschub thun“41. Ausführlich traktierte Sack die Geschichte und nutzbringende Wirkung kirchlicher Toleranzpolitik in Preußen. Er verwies auf Friedrich Wilhelm I., unter dessen Regierung die lutherischen und reformierten Geistlichen sich konfessioneller Polemik zu enthalten angewiesen waren42. Argumentationsstrategisch war Sacks historische Konkretion an Friedrich Wilhelm I. klug und konsensstiftend, da auch das Religionsedikt in vorbehaltlosem Wohlwollen auf den königlichen Großvater verwies, wenngleich inhaltlich im Religionsedikt dieser Ära eine andere Bedeutung beigemessen wurde. Der Verzicht, dogmatische Unterscheidungslehren in den öffentlichen Vorträgen zu traktieren, kam – so Sack in seinem historischen Referat – der „Verträglichkeit“43 unter den beiden protestantischen Konfessionen zugute. „Duldung und brüderliches Zutrauen“ ersetzten frühere Mißhelligkeiten. In dieser Atmosphäre der königlich gewährten und beförderten Toleranz wurde „allen Freunden der Wahrheit und der Religion“ ein großer Nutzen zuteil, als sich etliche gelehrte Theologen um eine Rückkehr zu der „ursprünglichen Einfalt und Lauterkeit“ des 39

AaO Bl. 21r. AaO Bl. 21v. 41 Ebd. 42 AaO Bl. 22r. Sack sprach nunmehr, wo es um die Unterscheidungslehren ging, im Plural von „beiden protestantischen Kirchen“. In dem unmittelbar nachfolgenden Satz redete Sack von den „beiden Confeßionen der protestantischen Kirche“. 43 Ebd. 40

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

Christentums bemühten, indem sie in den kirchlichen Systemen „das allgemein wichtige, von dem minder wichtigen unterschieden“44. Durch den Verzicht auf unnütze45 dogmatische Kontroversen konnten sich „die großen, und beglückenden Wahrheiten der Offenbarung“ „jedem gesunden Verstande, und jedem guten Herzen soviel ungehinderter näheren“46. Dies sei „wahre Aufklärung“47. Sack, der sich bis zu seinem Tod für das Zustandekommen einer innerprotestantischen Union engagierte, mußte diese Entwicklung zu Zeiten Friedrich Wilhelms I. als besonders günstig erscheinen. Auch in der religiösen Unterweisung des Kronprinzen – des späteren Friedrich Wilhelm III., der dann die Kirchenunion herbeiführte – hatte Sack stets den Unionsgedanken betont. Die nutzenstiftende Entwicklung zur Zeit Friedrich Wilhelms I. rief zugleich eine gegenläufige Bewegung hervor, die Sack als mißverstandene Aufklärung beschrieb. Sukzessive breitete sich „ein Geist des Unglaubens, der Zweifelsucht, und der unruhigen Begierde nach Neuerungen immer mehr“48 aus. „Ein jeder noch so unwissende und seichte Kopf, glaubte sich dadurch schon ein Ansehen von aufgeklärter Denkungsart zu geben, wenn er den alten Lehrbegriff verachtete, und sich von sogenannter Orthodoxie soweit als möglich entfernte.“49 Junge Theologen, die sich als berufene Verbesserer der Welt verstanden50, indem sie tradierte dogmatische Topoi bestritten oder gar verhöhnten, verwirrten „die Schwachen“, erachteten sich selbst aber als „erleuchtete Reformatoren“51. Belichtet jedoch war ihr Verhalten keinesfalls: Töricht nahmen sie den Gläubigen die grundlegende Motivation „zur Tugend“ sowie „ihren Trost“, ohne „andere Gründe des Rechtverhaltens und der Beruhigung“52 zu geben. Um diese schädliche Entwicklung zu hemmen, forderte Sack eine fortwährende, solide Bibelauslegung. Es gelte, mit „der Lehre der heiligen Schrifft bekannt gemacht“ zu werden; gerade auch die religiöse Unterweisung der Kinder müsse deutlich verbessert werden. Ganz verkehrt sei es, daß den Kindern „nicht sowol gesagt [werde], was sie zu glauben, als vielmehr, was sie 44

Ebd. Die „theologischen Streitigkeiten“ hätten „sowenig Nutzen gebracht“. Ebd. Die Frage nach der Nutzbarkeit bildete das pragmatische Fundament der theologischen Aufklärungsdiskussion. 46 Ebd. 47 AaO Bl. 22v. Auch in der öffentlichen literarischen Debatte war das „Bedürfnis nach einer selbstreflexiven Aufklärung über Aufklärung […] ungebrochen virulent“. Kemper (Hg.), Mißbrauchte Aufklärung?, 61. 48 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 22r. 49 Ebd. 50 Ebd. 51 AaO Bl. 22v. 52 Ebd. 45

II. Friedrich Samuel Gottfried Sacks Promemoria vom 26. August 1788

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nicht zu glauben hätten“53. Durch den „Nichtgebrauch des Lichtes, so Christus der Welt angezündet hat“, seien „Zweifelsucht“ und „Verfinsterung des Verstandes“54 immens befördert worden. Die Veränderungen der religiösen Landschaft suchte Sack nachvollziehend zu erklären. „Verwirrung“55 habe angesichts der vielfältigen religiösen Phänomene um sich gegriffen. Nicht erstaunlich sei, daß diejenigen, „die eine jede Neuerung in der Religion für gefährlich und sündlich hielten, dieses nicht allein mit Betrübnis bemerkten, sondern in ihrem Eifer auch zuweilen zu weit gingen“56, indem sie „mit jenen stürmischen Zerstörerern [sic] die ruhigen und bedachtsamen Verbeßerer vermengten“57. Auch sei verständlich, daß „allerlei Secten und fanatische Verbindungen entstanden, und daß manche, um sich soviel weiter aus der trostlosen Gegend des Unglaubens zu entfernen, sich mit dem besten Herzen in das weite Gebiet des Aberglaubens verirreten“58. Die Ursachen der mißlichen gegenwärtigen Situation suchte Sack in der Regierungszeit Friedrichs II., wobei er dessen Namen freilich – ebenso wie im Religionsedikt geschehen – nicht nannte. Seit mehr als vierzig Jahren sei „eine grosse Menge atheistischer und naturalistischer Schrifften, aus der Fremde zu uns herüber gekommen, und als wichtige Werke angepriesen und gelesen worden“59. Spott über „Religions-Sachen“ sei „zur Mode“60 geworden. „[N]ichts zu glauben, und sich aus nichts ein Gewissen zu machen, ist als ein Beweis freier Denkungs-Art und freier Lebensart angesehen worden; Witz hat mehr gegolten, als Verstand, und gründliches Studiren, hat auf Schulen und Universitaeten abgenommen“61. Mit dieser allenthalben um sich greifenden mangelnden fachlichen Kompetenz der Geistlichkeit wurde Sack dann regelmäßig bei den Prüfungen der Kandidaten konfrontiert. Neben der ausländischen Literatur erkannte Sack auch im Zeitungswesen eine erhebliche Ursache für den gegenwärtigen Unglauben. „[I]n einer Menge von fliegenden Blättern und kleinen Zeitschrifften, sind die wichtigsten Gegenstände mit dem größesten Leichtsinn behandelt, oder als verächtliche Dinge verspottet worden“62. Da die Kinder, wie Sack bereits zuvor betont 53

Ebd. Ebd. 55 AaO Bl. 23r. 56 AaO Bl. 22v. 57 Ebd. 58 Ebd. 59 AaO Bl. 23r. 60 Ebd. 61 Ebd. 62 „Diese Schrifften haben junge Leute, als Mittel, ihren Verstand und ihren Geschmack auszubilden begierig ergriffen, und darüber die nützlicheren Beschäfftigungen und mühesame Anstrengung, um etwas gründliches zu lernen versäumt.“ Ebd. 54

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

hatte, teilweise keinen gründlichen, zeitgemäßen Unterricht in der Religion genossen hatten, konnte für die Heranwachsenden eine Begegnung mit solchen Schriften um so verheerendere Folgen zeitigen. Das Ursachenbündel für die aktuelle Lage schloß Sack mit der zeitgenössisch stereotypen Beobachtung: „Endlich hat auch die eingerißene Immoralität aller Art dem Unglauben und der Irreligion dankbarlich die Hand geboten.“63 Sack verharrte nicht in der Diagnose des gegenwärtigen Übels, das „als eine langsam entstandene Krankheit auch eine langsame Kur“64 erfordere, sondern ging im dritten Teil zu Therapievorschlägen über. Zunächst forderte er eine Verbesserung des Ausbildungswesens, sodann eine Rückbesinnung auf die preußische Toleranzpolitik. Gleich an erster Stelle wandte er sich den Schulen zu. Wenn Lehrstellen neu besetzt würden, müsse „mehr auf gründliche Kenntnisse, als auf glänzende Vielwisserey“65 geachtet werden. Wenn „dem Muthwillen, in Bestreitung oder Verlachung heiliger Wahrheiten Grenzen gesezt“ würden und „Gottesfurcht und christliche Sitten bey Beförderungen mit in Anschlag“ kämen, sei eine Veränderung in Erziehung und Unterricht der Schüler zu erhoffen. Auch das Niveau der Examina müsse gehoben werden: Die Kandidaten müßten „die Lehrbegriffe der verschiedenen Kirchen, recht verstehen, und in der Bibel, wie es christlichen Lehrern geziemet, recht bewandert“66 sein. Ein „durchaus unanstössiger Wandel, als ein Haupt Erfordernis zur nützlichen Führung ihres Amtes“67 müsse von den Geistlichen gefordert werden. Es sei Sorge zu tragen „für eine gründlichere, und zweckmäßigere katechetische Unterweisung“. Sack verwahrte sich also nicht grundsätzlich gegen eine lehrmäßige Fixierung. Schließlich müsse „auch der öffentliche Gottesdienst, von dem [sic] ihm auch unter uns Protestanten noch anklebenden Mängeln gereiniget, und dann mehr in Ehren gehalten“68 werden. Würden diese Therapiemaßnahmen allesamt durchgeführt, bestünde die Hoffnung, „daß die heilige Sache des wahren Christenthums, die unter allen Drangsalen, welche sie in den Revolutionen menschlicher Dinge zu erdulden hat, feststehet, nach und nach ihr verkanntes Recht wieder erhalten, und über dem [sic] seiner Natur nach unbeständigen Geist des Unglaubens siegen werde“69.

63

Ebd. Ebd. 65 Ebd. 66 Ebd. 67 AaO Bl. 23v. 68 Ebd. 69 Ebd. 64

II. Friedrich Samuel Gottfried Sacks Promemoria vom 26. August 1788

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So sehr Sack eine obrigkeitliche Verordnung gegen Konfessionspolemik als außerordentlich sinnvoll erachtete, so wenig Nutzenstiftendes konnte er in einer von der Obrigkeit anbefohlenen Verpflichtung der Geistlichen auf die Symbolischen Bücher „der Kirchen [sic], zu der sie gehören“70, entdecken. Als ob das Religionsedikt, das er in diesem Satz noch nicht beim Namen nannte, noch keine verbindliche Kraft hätte, formulierte Sack in einem Bedingungssatz: „Solten […] bei der gegenwärtigen Lage des Religions Zustandes, alle Lehrer durch obrigkeitliche Gewalt angehalten werden, sich nach der Bestimmung der simbolischen Bücher, der Kirchen [sic], zu der sie gehören, zu richten, […] so ist zu besorgen, und fast unvermeidlich: daß eine große Heuchelei sich in der Kirche einschleichen, viel Streit und Unruhe entstehen, die Gewalt der Obrigkeit und die Macht der Wahrheit in einen gefahrvollen und ungleichen Kampf gerathen, und Mißtrauen und Argwohn die Unterweisungen der Lehrer so viel fruchtloser machen werde, ohne daß der heilsame Landesväterliche Endzweck erreicht wird.“71 Durch das Religionsedikt – jetzt nannte Sack es ausdrücklich – entstehe für diejenigen „öffentlichen Lehrer“, die nicht allen Lehraussagen der Symbolischen Bücher vorbehaltlos zustimmten, „eine höchst peinliche Verlegenheit, nämlich entweder in steter Furcht, angegeben und gestrafft zu werden, gegen die Befehle ihres Landesherrn zu handeln, oder wenn sie nicht Muth genug haben, Amt und Brod um des Gewissens willen aufzugeben, Heuchler zu seyn, und anderen etwas als seeligmachende Wahrheit zu empfehlen, was sie selbst nicht dafür erkennen“72. Der letzte, vierte Teil des Promemoria ist als persönliches Dokument geschrieben, Sack redete nun in der ersten Person Singular. „Ich bin überzeugt: daß sehr viele meine [sic] Amtsbrüder von beiden Protestantischen Kirchen sich seit der Publikation dieses Edicts, in dieser unglücklichen Lage befinden, und daß darunter viele rechtschaffene Christen und sehr nützliche Lehrer sind.“73 Fundamentaler Prüfstein in dieser Situation, deren Schwierigkeit nach Sacks Überzeugung also eine große Menge reformierter und lutherischer Geistlicher erkannte, war für ihn das Gewissen: Menschen ohne Gewissen seien unbeschwert, sie hingen „den Mantel nach dem Winde, und lügen ohne Scheu eine Ueberzeugung, die sie nicht im Herzen haben, sie sprechen nicht, wie sie denken, sondern wie es ihrem zeitlichen Glücke vortheilhafft ist, und wie man will, daß sie sprechen sollen“74. Diejenigen Menschen hingegen, die „Gott fürchten, müßen einen harten Kampf ausstehen, und wißen nicht, wie sie gehorsam [sic] gegen die Obrigkeit mit dem Gehorsam gegen ihr Gewißen, und 70

Ebd. AaO Bl. 23v–24r. 72 AaO Bl. 24r. 73 Ebd. 74 Ebd. 71

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

das, was sie ihrem Amte schuldig sind, mit der Pflicht, der Sorge für die Ihrigen, vereinigen können und dürfen.“ Auch er selbst, Sack, habe in dieser Weise gekämpft und – um sich „selbst zu beruhigen“75 – den Entschluß gefaßt, in ungeschützter Offenheit, die er dem ihm entgegengebrachten königlichen Vertrauen schuldig zu sein glaubte, seine Anschauung mitzuteilen. Das Wort Gottes, wie es in der Bibel enthalten sei, sei nach seiner „Ueberzeugung, und nach der Lehre der Protestanten“76 „die einzige allgemeine verbindliche Richtschnur des christlichen Glaubens, nach welcher also alle blos menschliche Lehrbücher und Glaubens Bekenntnisse geprüfft werden dürffen, und von gewißenhafften Lehrern auch geprüfft werden müßen“77. Zwar erkenne er „den in den Symbolischen Büchern beider protestantischen Kirchen festgesezten Lehrbegriff in allen wesentlichen Artikeln“ als „übereinstimmend“ mit der Bibel, jedoch war seiner „Einsicht nach in diesen Büchern doch theils manches enthalten, was blos theologische und schwere Untersuchungen betrifft, und also nicht zu dem allgemeinen christlichen Unterricht gehört, der auf der Kanzel, oder in den katechetischen Unterweisungen der Kinder gegeben werden soll, theils befinden sich darin auch solche Vorstellungs Arten, durch welche von den Geheimnissen des Glaubens mehr bestimmt und erklärt ist, als die Bibel davon bestimmt und erklärt hat“78. Sack applizierte diese Überzeugung im Folgenden auf seine eigene Amtsführung, deren Verständnis ihm in allen Amtsjahren dasselbe geblieben war. Er habe „ein christliches Lehramt, nur unter der Bedingung übernehmen können: alles, was Menschen bestimmt und festgesezt haben, nach der alleinigen Vorschrifft des göttlichen Wortes prüfen, und dann das, und nur das, was ich als Wahrheit erkenne, auch lehren zu dürfen“79. Bei seinem Amtsantritt habe er sich in seinem Revers nur verpflichtet, den Symbolischen Büchern gemäß zu lehren, insofern sie nach seiner besten Einsicht mit der Bibel übereinstimmten80. Wie auch Teller verwies Sack auf seinen jahrzehntelangen Predigtdienst, von dem er hoffte, daß er „nicht ohne allen Nutzen geschehen sey“81. Er sei „keiner Irrlehre, oder Kezzerey beschuldiget, oder verdächtig gemacht worden, ich habe die Lehre Christi nach meinem besten Wissen, und nach den Einsichten, 75

Ebd. Ebd. 77 AaO Bl. 24r–24v. 78 AaO Bl. 24v. 79 Ebd. 80 Ebd. Zu dem von Sack 1769 unterschriebenen Revers vgl. Mark Pockrandt, Biblische Aufklärung. Biographie und Theologie der Berliner Hofprediger August Friedrich Wilhelm Sack (1703–1786) und Friedrich Samuel Gottfried Sack (1738–1817), Arbeiten zur Kirchengeschichte 86, Berlin/New York 2003, 114. 81 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 24v. 76

II. Friedrich Samuel Gottfried Sacks Promemoria vom 26. August 1788

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die mir Gott schenkte, mit Vorbeigehung aller theologischen Streitigkeiten und Nebenfragen, und beständig in ihrer Abzweckung auf Beßerung und Trost menschlicher Seelen vorgetragen; aber ich habe nichts von dem, wovon ich selbst keine völlige Ueberzeugung hatte, anderen, als unumstößliche wichtige Wahrheit, oder als nöthig zur Seeligkeit eingeschärfet“82. Auf Polemik habe er gänzlich verzichtet. Nur wenn er die anderen Meinungen „für gefährlich erkannte“83, habe er sich gegen sie ausgesprochen. Auch habe er sich um das Ausbildungswesen bemüht und in seiner Eigenschaft als Oberkonsistorialrat die Kandidaten des Predigtamtes angehalten, „den Lehrbegrif ihrer Kirche recht gründlich zu studiren“, und sie ermahnt, „sich eine solche Einsicht und feste Ueberzeugung zu erwerben, daß sie nicht von einem jeden Winde neuer Lehren, bald hier, bald dahin bewegt würden, übrigens aber nach Vorschrifft des Apostels: alles zu prüfen, und das Gute zu behalten“84, sich verhielten. Gegen diese seine Überzeugung könne er nicht „genau nach der Vorschrifft“85 der Symbolischen Bücher lehren; vor seinem Gewissen und vor Gott wüßte er eine solche Zuwiderhandlung nicht zu verantworten. Sack fürchtete einen folgenschweren amtsrechtlichen Konflikt: „wenn ich aber fortfahre in meinen Unterweisungen ohne Rücksicht auf das, was in den symbolischen Büchern bestimmt und festgesezt ist, nur allein das vorzutragen, was ich in der heiligen Schrifft als Weg zur Seeligkeit klar und deutlich gelehret finde, so muß ich beständig besorgen, daß ich als einer, der den Lehrbegrif seiner Kirche nicht treu und vollständig vorträgt, und als ein ungehorsamer Unterthan angegeben, und zur Rechenschafft gezogen werde“86. Er habe es als seine „Gewißenspflicht“ erachtet, seinem Vorgesetzten Dörnberg seine Bedenken vorzutragen und „unverholen anzuzeigen, daß ob ich gleich manche Neuerungen in der Theologie für solche erkenne, die die Religion, und den christlichen Glauben untergraben, ich doch mit vielen einsichtsvollen und redlichen Lehrern in manchen Stücken, eine Berichtigung und Verbeßerung des Alten, nach den Hülfsmitteln, die uns die Vorsehung dazu in die Hände gegeben hat, dem wahren Christenthum als beförderlich ansehe, und von Herzen wünsche“87. Sack bat schließlich um eine von Dörnberg oder vom König zu fällende Entscheidung über die Frage, ob er, Sack, „bey diesen Grundsäzzen fernerhin als Prediger, und in dem mir anvertrauten höchstwichtigen Geschäffte brauchbar seyn, und in meiner, durch meine Predigten und Schrifften, genugsam

82

Ebd. Ebd. 84 AaO Bl. 25r. 85 Ebd. 86 Ebd. 87 Ebd. 83

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

bekannten Lehrart, in der Religion getrost fortfahren“88 könne und dabei des Schutzes durch den König versichert sei. Das Promemoria Sacks war nicht das Resultat spontaner Impulsivität, sondern „Folge einer langen und reifen Ueberlegung“89. Er glaubte diesen Schritt seinem Gewissen, seinem Amt und seinem König schuldig zu sein90. „Ich kann irren, aber ich habe das Bewußtsein als ein ehrlicher Mann gehandelt zu haben, und für nichts anders gelten zu wollen, als für das, was ich würcklich bin.“91 Sack wehrte jede Rücksicht auf sein „zeitliches Glück“92 ab. Dieser dem eigenen Wohl abgetrotzte Verzicht auf irdische Prosperität und Sicherheit wiegt in seiner Überzeugungskraft um so schwerer, als Sack – ohne daß er dies benennen würde – für eine große Familie Sorge zu tragen hatte: Eine Woche nach Erlaß des Religionsedikts war seine Kinderschar auf nunmehr sieben Sprößlinge angewachsen93.

III. Die Reaktion auf Sacks Promemoria Dörnberg war Sack vollkommen wohlgesonnen. Daher betonte er, als er am 5. September dessen Promemoria an den König sandte, nachdrücklich die Unbedenklichkeit des Hofpredigers94. Sack erfülle alle Anforderungen eines „recht88

AaO Bl. 25r–26r. AaO Bl. 26r. 90 Ebd. 91 „Ich habe es so offt gepredigt: daß ein Christ, da, wo es auf Pflicht und Gewissen ankömmt, alles in der Nachfolge seines Herrn verleugnen müße, daß ich mich in meinem eigenen Herzen nicht beruhigen könnte, wenn ich nun in Rücksicht auf mein zeitliches Glück, furchtsam, oder heuchlerisch schwiege; wo ich doch in Gehorsam gegen Gott zu reden, mich verbunden fühle.“ Ebd. 92 Ebd. 93 Friedrich Ferdinand Adolph kam am 16. Juli 1788 als vorletztes Kind von Johanna Wilhelmine, geb. Spalding, und Friedrich Samuel Gottfried Sack zur Welt. Später wurde dieser Sohn dritter Königlicher Hofprediger in Berlin. In seinem Testament bestimmte der Vater 1811, daß seine sämtlichen bei Gelegenheit des Religionsedikts verhandelten Akten von Friedrich sorgfältig aufzubewahren seien, damit entweder dieser selbst oder dessen letztgeborener Bruder Karl Heinrich „bei reiferen Jahren“ diese Akten herausgäben. 1857, nachdem Friedrich bereits 1842 gestorben war, erfüllte Karl Heinrich den Wunsch des Vaters und edierte die Papiere, die sich „vollständig und sorgfältig asservirt“ in Friedrichs Nachlaß befanden. Diejenigen Aktenstücke, die von Friedrich Wilhelm II. an die Minister ergangen waren, und diejenigen, welche die Verhandlungen unter den Ministern selbst betrafen, seien wahrscheinlich durch Dörnbergs Vermittlung in Friedrich Samuel Gottfried Sacks Besitz gelangt, vermutete 1857 Karl Heinrich Sack. Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 3. 94 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 6r. Eine Abschrift des Schriftstücks von Schreiberhand findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 20r. Mehr als siebzig Jahre später, 1857, berichtete Karl Heinrich Sack, daß Dörnberg – wie er zuverlässig wisse – seinem Vater „sehr gewogen“ war. Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 5. 89

IV. Der beginnende Widerstand aus dem Oberkonsistorium

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schaffenen treuen Patrioten, und wahren christlichen Lehrers“95. Was einen wahren christlichen Lehrer auszeichne, bestimmte Dörnberg auf Sacks Weise: Das Gewissen sei die leitende Handlungsinstanz Sacks96. Dieses Gewissen freilich ist patriotisch temperiert und also dem Staat ungefährlich. Dörnberg wollte die Entscheidung über Sacks Berufsschicksal allein dem König überlassen. Indem er seinen König bat, Sacks Promemoria „Allerhöchsteigener Durchlesung zu würdigen“97, gedachte er klug zu gewährleisten, daß Friedrich Wilhelm II. sich tatsächlich selbst eine Meinung bildete und nicht nur das Urteil anderer nachsprach. Auf diese Weise sollte Woellners Einfluß auf den König geschmälert werden. Daß Dörnberg gegenüber Woellner einen gewissen Unwillen empfand, hatte bereits seine indignierte Reaktion auf die Aufforderung des Großkanzlers Carmer, das Religionsedikt zu unterschreiben, gezeigt. Gleich zu Beginn seines Schreibens an den König hatte Dörnberg sich knapp zur bisherigen Rezeption des Religionsedikts geäußert. Nachdem er die §§ 7 und 8 des Religionsedikts in Sacks Zusammenfassung geboten hatte98, bemerkte er nüchtern: „Diese Vorschrifft beunruhiget einen großen, und vielleicht den größesten Theil deren Predigern beider Confessionen“99. Nicht an einer Maßregelung der beunruhigten Geistlichen war Dörnberg gelegen, sondern am rechten Verständnis des Religionsedikts, das er zwei Monate zuvor ohne inhaltliche Bedenken contrasigniert hatte. Der König notierte, nachdem er Dörnbergs Schreiben gelesen hatte, daß ihm aufgetragen werden solle, zusammen mit Woellner eine Kommission zu bilden, „um den Sack u die übrigen Consistorialräthe zu bescheiden“100.

IV. Der beginnende Widerstand aus dem Oberkonsistorium Inzwischen hatten am 4. September die geistlichen Räte des Oberkonsistoriums Johann Joachim Spalding, Anton Friedrich Büsching, Wilhelm Abraham Teller, Johann Samuel Diterich und Sack den König um die Erlaubnis ersucht, ihre 95

GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 6r. Sack sei ein wahrer christlicher Lehrer, „der sein Gewissen freimüthig vertritt“. Ebd. 97 Ebd. Dörnbergs Argumentation war in ihrer Schlichtheit besonders klug: Es sei das Gebot von Pflicht und Gewissen, das ihn zu dieser Bitte dränge. Gegen die Pflicht als Ausdruck von Untertanentreue und gegen das Gewissen als unvertretbare innere Instanz konnte der König nichts einwenden. 98 Die geringen Abweichungen von Sacks Wortlaut in Graphematik, Interpunktion und Konjunktivgebrauch sowie die Hinzufügung eines Wortes sind ohne Belang. 99 Ebd. 100 AaO Bl. 6v. 96

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

Bedenken – einen Teil des Religionsedikts betreffend – darlegen zu dürfen101. Sie befürchteten „die mannigfaltigsten traurigsten Folgen“102. Friedrich Wilhelm II. reagierte unverzüglich. Bereits am 5. September103 bekundete er den Oberkonsistorialräten sein „Befremden“104 über die mangelnde vorbehaltlose Zustimmung zum Religionsedikt und verlangte „die Besorgniße näher kennen zu lernen“105. Verwundert war er, „daß der sonst so gelehrte Ober-Consistorial-Rath Silberschlag“ die Vorstellung nicht auch unterschrieben habe. Die Bedenken zu erfahren, sei er im übrigen um so neugieriger, als die drei Minister Woellner, Carmer und Dörnberg, die das Religionsedikt contrasigniert hatten, „nichts von dergleichen Besorgnißen geäußert haben“106. Ebenfalls am 5. September riet Woellner dem König, wie weiterhin zu verfahren sei107. Wenn „die Antichristischen Aufklärer mit ihren schönen Sachen werden angezogen kommen“108, möge der König deren Schreiben nebst einer von Woellner verfaßten Kabinettsordre109 dem Großkanzler zusenden. Der König wähle „den kürtzesten Weg“, „diese böse Menschen los zu werden, wenn sie dem obersten Richter im Lande, und dem geistl[ichen] Département zu ihrer Zurechtweisung übergeben werden, alsdenn können sie weder über Machtspruch110 noch Ungerechtigkeit klagen“111. 101 Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 17 (II.). Dieses Schreiben findet sich nicht in den handschriftlichen Akten. Fälschlicherweise heißt es dort, daß das Religionsedikt am 7. Juli 1788 erlassen worden sei. 102 Ebd. 103 AaO 3–48, hier 17 f (III.). Dieses Schreiben findet sich nicht in den handschriftlichen Akten. 104 Ebd. 105 AaO 3–48, hier 18 (III.). 106 Ebd. 107 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 4r. 108 Ebd. 109 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 5r. 110 Als höchstrichterliche Instanz konnte der König ein Urteil selbst sprechen. Großes Aufsehen hatte acht Jahre zuvor Friedrich II. mit seinem königlichen Machtspruch in der MüllerArnold-Affäre erregt, die durch rückständige Pachtzinsen des Wassermüllers Christian Arnold hervorgerufen worden war. Carmer hatte von dieser Streitigkeit gewaltig profitiert: 1779 hatte der König seinen Großkanzler Freiherrn v. Fürst entlassen und an seiner Statt Carmer zum „Chef de justice“ berufen. Johannes Kunisch, Friedrich der Große. Der König und seine Zeit, München 2004, 293–299. Carl Joseph Maximilian Freiherr v. Fürst und Kupferberg war seit dem 14. November 1770 Großkanzler gewesen. Am 11. Dezember 1779 übergab Friedrich II. die Stelle des Großkanzlers dem Etatsminister Carmer, ohne daß v. Fürst außer der mündlichen Eröffnung der königlichen Ungnade einen schriftlichen Abschied erhielt. v. Fürst starb bei einem Spaziergang am 20. März 1790. Diese Angaben finden sich in einem von dem Kriegsrat und Geheimen Archivar Johann Daniel Kluge 1791 zusammengetragenen Verzeichnis Geheimer Etats- und Kriegsräte. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 31, Bl. 30r–31r. 111 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 4r.

IV. Der beginnende Widerstand aus dem Oberkonsistorium

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Woellner war nicht allein von den widerständigen Oberkonsistorialräten, sondern überhaupt von öffentlichem Widerspruch gegen das Religionsedikt verärgert. Er hielt eine bessere Bücherzensur für notwendig, damit zukünftig „alle die elenden Scribenten wieder die Religion im Zaum können gehalten werden“112; dreieinhalb Monate später, am 19. Dezember 1788, wurde dann tatsächlich ein Zensuredikt für Preußen erlassen, das jedoch nicht seinen Vorstellungen entsprach113. In dem beigelegten, für Carmer gedachten Entwurf einer Kabinettsordre gab Woellner die Anweisung, die Vorstellung „einiger Geistlichen Räthe des Ober-Consistorii zu Berlin“114 gegen das Religionsedikt mit den beiden Ministern des Geistlichen Departements durchzugehen und diese Leute „zu rechte zu weisen“. „Zum Fundament dieser Zurechtweisung habt Ihr obiges Edict vor Euch, davon nicht ein Haarbreit abgewichen werden muß.“ Auch in der Kabinettsordre ging Woellner vom konkreten Anlaß zum Grundsätzlichen über. Da in Berlin die „Preß-Freiheit“ in „Preß-Frechheit“ ausarte und die Bücherzensur „völlig eingeschlafen“ sei – und also gegen das Religionsedikt „allerlei aufrührische Scharteken“115 gedruckt würden –, müsse der Großkanzler dem König Vorschläge unterbreiten, wie die Bücherzensur besser eingerichtet werden könne. „Ich will Meinen Unterthanen alle erlaubte Freiheit gern accordiren, aber Ich will auch zugleich Ordnung im Lande haben, welche durch die Zügellosigkeit der jetzigen sogenannten Aufklärer die sich über alles wegsetzen gar sehr gelitten hat.“116 Diese Ordre ist dann tatsächlich später an Carmer ergangen. Noch eine zweite Kabinettsordre bat Woellner zu unterschreiben. Diese Ordre betraf v. d. Hagen und ihn selbst. Indem die fünf Räte bloß „in einem sehr laconischen Billet“117 v. d. Hagen und Woellner gemeldet hatten, daß sie es für nötig befunden hätten, dem König wegen des Religionsedikts Vorstellungen zu machen, ohne zuvor weder den Präsidenten noch Woellner zu Rate zu ziehen, hätten sie die Subordination des Oberkonsistoriums mißachtet. „Hagen ist ein guter Mann und kein Aufklärer, Zedlitz hat ihn aber beständig unter dem Druck, und denen Aufklärern hingegen allen Willen gelaßen“. Er, Woellner, habe an v. d. Hagen „einen guten Gehülfen“, und wenn sie beide den König „zum Soutien“ behielten, „so soll die Attaque schon vorwärts gehen, bis wir den Feind aus allen seinen Rétranchements glücklich vertrieben, und der 112

Ebd. Zu dem Zensuredikt vom 19. Dezember 1788 vgl. Kapitel J.I. 114 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 5r. 115 Ebd. In erster Linie sind hier wohl zwei im August 1788 verfaßte Schriften von Andreas Riem und Pierre Villaume gemeint. Zu Riem vgl. Stange-Fayos, Lumières, 157–162. 236–242. 300–302 und 344–353. Zu Villaume vgl. Kapitel J.III. 116 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 5r. 117 AaO Bl. 4r. 113

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

guten Sache Platz gemacht haben“. Die Kabinettsordre an v. d. Hagen hat der König jedoch wohl nicht vollzogen118. Friedrich Wilhelm II. suchte den widerständigen Regungen aus dem Oberkonsistorium nicht mit einem persönlichen Urteil, sondern mit einer den drei Mitunterzeichnern des Religionsedikts anbefohlenen Meinungsbildung zu begegnen. Am 6. September 1788 erreichte Dörnberg eine von demselben Tag datierende Kabinettsordre, in welcher der König ihn anwies, sich mit Carmer und Woellner zu unterreden. Der Befehl lautete recht vage, „daß ihr […] die Sache näher beleuchtet“119. Ebenso hieß es in einer an demselben Tag ergangenen Kabinettsordre an Carmer, Dörnberg und Woellner, daß sie die Sache „näher beleuchten“120 sollten. Gleich am nächsten Tag, am 7. September, schrieb Dörnberg pflichtgemäß an die Genannten und stellte ihnen die Wahl von Zeit und Ort der aufgetragenen Zusammenkunft anheim. Neben der Kabinettsordre, welche die Hintergründe des königlichen Befehls nicht erläuterte, ließ Dörnberg abschriftlich diejenigen Schriftstücke beilegen, die ihm in dieser Sache bekannt und durch seine Hände gegangen waren, nämlich das vom 26. August datierende Promemoria Sacks und sein eigenes Schreiben an den König vom 5. September121. Dörnberg also ging – im Einklang mit den Anweisungen der Kabinettsordre und den ihm zur Kenntnis gekommenen vorangegangenen Angelegenheiten – davon aus, daß Carmer und Woellner mit der Sachlage nicht vertraut waren, der König also Sacks Promemoria tatsächlich selbständig gelesen hatte. In der Tat war Carmer bislang von den Vorgängen nicht unterrichtet, sondern bestrebt, die ihm unbekannten Bedenken aus dem Oberkonsistorium sogleich zu lesen. Jedoch erreichten ihn die Vorstellungen nicht umgehend, weil sie vermutlich beim Versiegeln der Post beizulegen vergessen worden waren. Daher bat er am 8. September um die schnellstmögliche Nachsendung dieser „unentbehrliche[n] Beylagen“122. Unter dem 10. September erging an Woellner eine Kabinettsordre123, in der Friedrich Wilhelm II. ihn von der Bitte einiger geistlicher Räte des Berliner Oberkonsistoriums benachrichtigte, eine Vorstellung gegen das „Religions 118

In den Akten ist diese Kabinettsordre nicht zu finden. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 19r. Mit teilweise veränderter Graphematik und Zeichensetzung ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 18 (IV.). 120 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 7r. 121 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 18r. 122 AaO Bl. 27r. Die Dringlichkeit der Bitte Carmers wird zudem dadurch augenfällig, daß die attributive Näherbestimmung „unentbehrliche“ nachträglich am Rand eingefügt worden ist. 123 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 17r. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 23 (VIII.). 119

V. Die „Vorstellung“ aus dem Oberkonsistorium vom 10. September 1788

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Edict“ vom 9. Juli bei ihm einreichen zu dürfen. Diese Erlaubnis hatte er erteilt, befahl aber nun Woellner, den Räten mitzuteilen, daß zukünftig ohne sein – Woellners – oder v. d. Hagens vorher eingeholtes „Consentement“124 derartige Eingaben nicht erlaubt seien, „weil es wieder die in die Collegiis so nötige Subordination streitet“. „Ich Ermahne Euch überhaupt, Eure Priester beßer als Euer Vorgänger in Ordnung zu halten, u euch genau nach obigen Edict zu richten, weil Ich alles von Euch fordern muß.“125

V. Die „Vorstellung“ aus dem Oberkonsistorium vom 10. September 1788 Sacks Promemoria vom 26. August 1788, das in seinen persönlichen Ton gleichwohl die Stimmen der anderen das Religionsedikt ablehnenden Oberkonsistorialräte aufgenommen hatte, war das Fanal für den Widerstand aus dem Oberkonsistorium gewesen. Bereits am 10. September wandten sich die Oberkonsistorialräte Spalding, Büsching, Teller, Diterich und Sack mit vereinter kräftiger Stimme in einem Schreiben126, dem sie eine nahezu sechsseitige Anzeige ihrer Besorgnisse beifügten127, an den König. Nur Silberschlag widerstand dem Widerstand. Die fünf Oberkonsistorialräte betonten einleitend, daß ihnen – ebenso wie dem König – daran gelegen sei, die „Aufrechthaltung der christlichen Religion“128 zu befördern. Grundlage dieses Ansinnens waren gleichermaßen ihre persönliche Überzeugung und ihre oberkonsistorialrätliche Amtspflicht. Nicht ohne ausgeprägtes Selbstbewußtsein formulierten sie, daß sie sich mit der Hoffnung schmeichelten, ihre Gewissenhaftigkeit werde dem König nicht mißfallen129. Die fehlende Unterschrift Silberschlags erklärten sie in einem eigenen Schlußabsatz. Sie hätten ihn nicht dazugezogen, „weil seine von der unsrigen gänzlich verschiedene Denkungsart in dieser Sache, uns und dem Publicum zulänglich bekannt ist; wie wir dann auch überdieß, nicht als sämmtliche geistliche Räthe, sondern nur für unsere Personen, und nach unserer einstimmigen Ueberzeugung, es vortragen wollten“130.

124

GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 17r. Ebd. 126 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 29r. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 19–22 (VI.). 127 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 30r–32v. 128 AaO Bl. 29r. 129 Ebd. 130 Ebd. 125

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

Die „Allerunterthänigste Anzeige der Besorgnisse“131 führte die Bedenken auf, die einige im Religionsedikt enthaltene Verordnungen bei den genannten fünf Oberkonsistorialräten hervorgerufen hatten. Hauptsächlich die Bestimmungen des § 8, daß „alle Lehrer hinführo die christliche Lehre so vortragen sollen, wie sie in den Symbolischen Büchern der Kirche, zu der sie gehören, einmal bestimmt und festgesezt ist“132, und daß sie bei Mißachtung dieser Verordnung mit Kassation oder noch härteren Maßnahmen bestraft werden sollten, waren zum Stein des Anstoßes geworden. In neun Punkten führten die Oberkonsistorialräte auf, welche „traurige[n] Folgen“133 dieser Verordnung sie befürchteten. Jeweils in direktem Anschluß an die Schilderung der befürchteten Folgen nahmen sie erläuternd dazu Stellung. Zuvörderst betonten sie – im ersten Punkt – die fundamentale Bedeutung der „evangelischen Freiheit“134. Die Symbolischen Bücher seien „nichts weiter, als Bekenntnisse dieser und jener Menschen, die zu der Zeit, als sie abgelegt wurden, nöthig und nüzlich waren.“135 Die Bekenntnisse unterlagen also nach Auffassung der Oberkonsistorialräte einer zweifachen Relativierung durch die unvertretbare Individualität ihrer Verfasser sowie durch die Gebundenheit an die Zeitläufte. „Wie viel Wahrheit sie also auch enthalten mögen: so können sie doch nie, ohne den GewissensZwang, der zum Wesen der päbstlichen Hierarchie gehört, zu billigen, zur Richtschnur des Glaubens und Lehren [sic] gemacht werden. Die bleibt allein das Wort Gottes, wie es in der Heiligen Schrift enthalten ist.“136 Außerdem sei neben dem Gewissenszwang als zweite Gefahr bei der Festlegung auf die Symbolischen Bücher zu befürchten, daß „gründliches Studieren und treues fortgeseztes Forschen in der Schrift dadurch werde gehindert und aufgehalten werden“137. Die Kandidaten des Predigtamtes nämlich würden sich zukünftig „nur damit beschäftigen, daß sie sich den in den Symbolischen Büchern enthaltenen Lehrbegriff ihrer Kirche bekannt und geläufig machen“138. Die dritte Gefahr liege darin, daß „dadurch wider die Absicht des gerechtesten und gütigsten Königs die GewissensFreiheit vieler redlichen und treuen Religions-Lehrer in den Preußischen Landen eingeschränkt werde, und diese Männer ihr Amt mit beklemmtem Gemüthe, und unter der Furcht, wider die 131

AaO Bl. 30r. Ebd. 133 Ebd. 134 Ebd. 135 Ebd. 136 AaO Bl. 30r–30v. 137 AaO Bl. 30v. 138 „Es könnte ihnen auch aller gewissenhafte Fleiß in Prüfung menschlicher Meinungen, wie dergleichen doch christlichen Lehrern obliegt, nichts helfen, sondern vielmehr zur Bedrükkung ihrer Gewissen nachtheilig werden.“ Ebd. 132

V. Die „Vorstellung“ aus dem Oberkonsistorium vom 10. September 1788

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Landesherrlichen Befehle zu handeln, verwalten werden“139. Die Verkündigung werde nicht mehr von der Treue zur Bibel, sondern von einer peniblen Beachtung der Bekenntnisschriften geleitet sein. „Denn es giebt gewiß nicht wenige, die weit davon entfernt sind, Neuerungen anzufangen, sich aber bisher in ihren Vorträgen lediglich an die Lehre der Schrift gehalten, und dabei mit vielem Segen ihren Gemeinen vorgestanden haben. Diese werden hinführo ihre LehrVorträge mit den Bestimmungen der Symbolischen Bücher ängstlich vergleichen, und je gewissenhafter sie sind, desto mehr wird es sie bekümmern und drükken, wenn sie nicht alles das, oder etwas auf eine andre Art sagen, als es in den Symbolischen Schriften bestimmt und festgesezt ist.“140 Überdies sei nicht nur eine schwere Beeinträchtigung der Gewissensfreiheit der Geistlichen, sondern auch – so der vierte Punkt – der Gemeinden zu erwarten. Wiederum betonten die Räte zu ihrer eigenen Sicherheit, daß diese Entwicklung keineswegs von königlicher Seite intendiert sei141. Viele Gemeinden seien „mit den bisherigen Vorträgen ihrer Lehrer, ohne genaue und ängstliche Rüksicht auf Symbolen zufrieden gewesen“ und hätten „dabei ihre Erbauung gefunden“142. Der zentrale fünfte Punkt, dessen Ausführungen deutlich länger waren als diejenigen zu den anderen Punkten, betonte die Gefahr der Heuchelei. Es sei zu befürchten, daß „eine nicht geringe Anzahl christlicher ReligionsLehrer zu dem abscheulichen Laster der Heuchelei werde verleitet werden“143. In der Erläuterung setzten die Oberkonsistorialräte voraus, daß mit Sicherheit „sehr Viele“ in „manchen LehrPunkten“ eine andere als in den Symbolischen Büchern ihrer Konfession festgesetzte Meinung verträten. Lakonisch heißt es: „Diese können nun nicht durch die Vorschrift des Gesezes auf andre Gedanken gebracht werden.“144 Um ihr Amt behalten zu können, würden sie „wider ihre Überzeugungen, oder ohne eigne Überzeugung lehren, wodurch sie bei sich selbst und bei andern nicht anders als verächtlich werden können, zumal wenn sie sich vorher anders erklärt haben sollten“145. Wenn die Gemeinde wisse, daß Glaube und Lehre ihres Predigers nicht übereinstimmten, seien alle seine „sonstigen christlichen Ermahnungen“ wirkungslos. Überhaupt müßten in den Gemeinden „Zweifel, Mistrauen und Argwohn, ob der Prediger ihnen nach seiner wahren und eigenen Überzeugung, oder blos nach den vorgeschriebenen Gesezen lehre, entstehen“146. 139

Ebd. Ebd. 141 AaO Bl. 30v–31r. 142 AaO Bl. 31r. 143 Ebd. 144 Ebd. 145 Ebd. 146 Ebd. 140

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

Grundsätzlich sahen die Oberkonsistorialräte die Gefahr, daß – so der sechste Punkt – „eine sehr weit gehende und dem wahren Christenthume schädliche Gährung und Erbitterung der Gemüther“147 durch die eingangs genannten Bestimmungen des § 8 des Religionsedikts hervorgerufen würden. Die Oberkonsistorialräte suchten die Berechtigung ihrer Besorgnis mit einem Hinweis auf tradierte Erfahrung zu stützen: Seit jeher hätten „obrigkeitliche Befehle und Gewalt in Religions- und Glaubens-Sachen diese traurige Wirkung gehabt“148. Unaufhaltsam würden die verschiedenen Parteien „immer streitsüchtiger und heftiger gegeneinander“149. Verketzerungen, Schmähungen und Verfolgungen griffen um sich, während die gesetzgebende Macht die auf sie einstürmenden Klagen nicht mehr bewältigen könne. Die Räte verwiesen auf die beträchtliche Anzahl von polemischen Schriften, die bereits kurz nach dem Erlaß des Religionsedikts im Volk verbreitet worden waren. Entgegen der Befürchtung der Räte verhielt sich die gesetzgebende Macht jedoch in der Folge erstaunlich ruhig. Lediglich Heinrich Würtzer wurde am 13. November 1788 inhaftiert150. Der siebte Punkt spitzte einen implizit bereits im vorangegangenen, allgemein gehaltenen Punkt angesprochenen Aspekt zu. Es sei sehr ernstlich zu befürchten, daß „die Einigkeit und Verträglichkeit unter beiden protestantischen Kirchen in den Preußischen Landen dadurch unfehlbar werde gestört werden“151. Federführend dürfte hier Sack gewesen sein, dessen theologisches Hauptanliegen stets die innerprotestantische Union gewesen war. Wieder ist die Argumentation historisch grundiert. Aus der Kirchengeschichte sei hinlänglich bekannt, „daß die traurige Zwietracht, die ehemals auch hier unter der evangelisch-reformirten und evangelisch-lutherischen Kirche geherrscht, und die soviel Unruhe im Staat, und den Regenten, besonders dem großen KurFürsten Friedrich Wilhelm glorwürdigsten Andenkens soviel Sorge gemacht hat, vornämlich darin ihren Grund hatte, daß die Lehrer beider Kirchen mehr nach ihren Symbolischen Büchern, als nach der Heiligen Schrift lehreten“152. Eine neuerliche strikte Bekenntnisverpflichtung würde wiederum ebendiese Zwietracht hervorrufen. Im achten Punkt, der maßgeblich von Teller bestimmt worden sein dürfte, wandten sich die Oberkonsistorialräte positiv der kirchlichen Lehre zu, die sie keineswegs grundsätzlich ablehnten. Sie befürchteten, daß „allen Berichtigungen und Verbesserungen des Kirchlichen LehrBegriffes“ durch das Edikt 147

Ebd. AaO Bl. 31v. 149 Ebd. 150 Vgl. zu Heinrich Würtzer ausführlich Kapitel K.IV. 151 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 31v. 152 Ebd. 148

V. Die „Vorstellung“ aus dem Oberkonsistorium vom 10. September 1788

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„ein starkes Hinderniß in den Weg gelegt wird“153. Die Erläuterung begann thetisch: „Alles menschliche ist unvollkommen“154. Mithin müßten auch die Symbolischen Bücher unvollkommen sein, da sie von „fehlbaren Menschen“ geschrieben worden waren. Wiederum war außerdem die historische Zeitbedingtheit betont: Zwar seien die Symbolischen Bücher durchaus von „treflichen Männer[n]“ verfaßt worden, jedoch habe es damals weit weniger Hilfsmittel „zu einer richtigen Auslegung der Schrift“ als gegenwärtig gegeben. Diese Hilfsmittel, welche „die Vorsehung nach und nach geschenkt hat“, müßten nach Gottes Willen „mit Weisheit und Dankbarkeit“155 gebraucht werden. Die Räte sorgten sich, daß eine obrigkeitliche Verpflichtung der Geistlichen zu strikter Bekenntnisbindung „wider die gnädige Absicht Gottes, der Erkenntniß und Ausbreitung der Wahrheit Eintrag thun, und den Haupt-Grund-Saz der protestantischen Kirche über den Haufen werfen werde, nach welchem sie keinen unfehlbaren menschlichen Richter erkennt, der in Glaubens-Sachen zu entscheiden das Recht hätte“156. Im neunten Punkt sprachen die Oberkonsistorialräte den König an, indem sie dessen Amt und Person bedachten. Es sei zu befürchten, daß, „wenn das Edict genau und treu befolgt wird, wie doch allerdings das Ansehen der Gesezgebenden Macht es erfordert, der Allerhuldreichste Monarch sich zu sehr harten MaaßRegeln, die seinem eignen großmüthigen Herzen wehe thun würden, werde genöthiget sehen“157. Er würde „gute und tüchtige Lehrer“158, die angezeigt werden würden, aus ihrem Amt entlassen oder auf andere Weise strafen und „unglüklich“159 machen müssen. Das Résumé der Oberkonsistorialräte war unmißverständlich: Ihre dargelegten hauptsächlichen Bedenken könnten nur dann aufgehoben werden, wenn der König geruhen würde, „das Edict genauer bestimmen, und darnach eine Erläuterung desselben bekannt machen zu lassen“160.

153

AaO Bl. 32r. Ebd. 155 Ebd. 156 Ebd. 157 Ebd. 158 AaO Bl. 32v. 159 AaO Bl. 32r. 160 AaO Bl. 32v. 154

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

VI. Die Reaktion auf die „Vorstellung“ vom 10. September 1788 Unter dem 10. September 1788 erging an Carmer, dem der König die Vorstellung der fünf Räte übersandte, die am 5. September von Woellner konzipierte Kabinettsordre161. Carmer wurde befohlen, die Vorstellung mit den beiden Ministern des Geistlichen Departements durchzugehen und die Räte zurechtzuweisen. Den widerständigen Oberkonsistorialräten teilte Friedrich Wilhelm II. am 12. September mit162, daß er sowohl ihre Besorgnisse als auch die bereits zuvor geäußerten Bedenken Sacks dem Großkanzler Carmer, Dörnberg und Woellner zugesandt und sie beauftragt habe, „die Sache, ihrer Wichtigkeit gemäß, in reifliche Erwägung zu ziehen, und alles gemeinschaftlich zu prüfen“163. In Kürze könnten die Räte von den drei Genannten eine Antwort erwarten. Die Konferenz zwischen Carmer, Dörnberg und Woellner war für den 16. September festgesetzt164. Dörnberg erschien diese Zusammenkunft von vornherein suspekt und wenig erfolgversprechend. Daher lieferte er bereits am Vortag ein dreispaltiges schriftliches Votum zu dem Promemoria Sacks vom 26. August und zu der Vorstellung der Oberkonsistorialräte vom 10. September ab165. Zwar werde er sich – täuschte er vor – bei der am kommenden Tag anstehenden Unterredung mit Carmer und Woellner gerne belehren lassen166, zu seiner „eigenen Genugthuung, und Beruhigung“ sah er sich freilich genötigt, „in dieser sehr wichtigen Sache“167 schriftlich das Wort zu ergreifen168. Es sei ratsam, entweder – wie die Oberkonsistorialräte vorgeschlagen hatten – eine Erklärung des Edikts zu geben oder „die Imploranten in essentialibus gleichmäßig zu bescheiden, und zu beruhigen“169. Gleichermaßen hellsichtig und hartnäckig also suchte Dörnberg sein gemäßigtes Verständnis des Religionsedikts in dessen Auslegung durchzusetzen und auf diese Weise zugleich die an

161

GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 22, Bl. 1r. Zu dieser Kabinettsordre vgl. Kapitel

D.III. 162 Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 23 f (IX.). Dieses Schreiben findet sich nicht in den handschriftlichen Akten. 163 AaO 3–48, hier 24 (IX.). 164 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 37r. 165 AaO Bl. 33r–34r. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 24 f (X.). 166 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 34r. 167 AaO Bl. 33r. 168 Diese Neigung zu Schriftlichkeit und der damit gegebenen Möglichkeit sorgfältiger Archivierung war kennzeichnend für Dörnberg. 169 AaO Bl. 33v.

VI. Die Reaktion auf die „Vorstellung“ vom 10. September 1788

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ihn und Carmer ergangene restriktive königliche Kabinettsordre pflichtgetreu zu erfüllen. Dörnberg zog von seinen genannten Alternativen die Deklaration vor, da bei einer persönlichen Bescheidung der Oberkonsistorialräte zwar diese selbst Beruhigung fänden, jedoch zukünftig eine große Menge gleichgesinnter Geistlicher ebenfalls ihre Bedenken einreichen würde, um auch ihresteils des königlichen Wohlwollens versichert zu werden. Nach Dörnbergs Schätzung hegten immerhin zwei Drittel der Geistlichen beider protestantischen Konfessionen Bedenken gegen das Religionsedikt. Die Oberkonsistorialräte bildeten also nicht einen kleinen elitären Zirkel gebildeter Aufklärer, sondern ihre Stimme sei durchaus repräsentativ für einen großen Teil der ihnen unterstehenden Geistlichkeit170. Um die Abfassung der Deklaration zu erleichtern, legte Dörnberg einen Aufsatz als Entwurfstext bei171. Den das Gewissen tangierenden Haupteinwand der Oberkonsistorialräte gab Dörnberg korrekt wieder: Sie hätten die Besorgnis geäußert, daß durch das Religionsedikt „die christliche Gewissens- und eine, in den Schranken der Bescheidenheit und Mäßigung bleibende Lehrfreiheit“ entgegen der königlichen Meinung „zu enge eingeschränkt“172 werden würden. Das Religionsedikt sei in dieser Befürchtung jedoch – so Dörnbergs Aufsatz – mißverstanden. Der König wolle „keinesweges ernsthafften, gründlichen, und durch eine treue Amtsführung schon bekannten Lehrern“ lutherischer oder reformierter Konfession mit dem Religionsedikt vorschreiben, ihre Lehrart wider ihre Überzeugung abzuändern173. Die verpflichtende Bekenntnisbindung bedeute keine Herabsetzung der Bibel, sondern sei vielmehr so zu verstehen, daß die Bibel „der erste und entscheidende Grund des christlichen Glaubens“174 sei und zudem – so die Zuspitzung – „bleiben müße“175. Auch würden die Räte zu Unrecht eine Schmälerung der Toleranz unter den Konfessionen befürchten. Nach des Königs Willen solle die christliche Religion vielmehr „geehrt“ werden; „ihre heilige Lehren und Grundsätze [dürften nicht] auf irgend eine Weise, es sey in mündlichen Unterweisungen, oder in Schrifften gemißhandelt, verspottet, oder auf eine beleidigende Weise bestritten werden“176. Diejenigen Lehrer, „die sich dergleichen grobe Verlezzung ihrer Pflicht zu Schulden kommen lassen sollten“, müßten eine harte 170

AaO Bl. 34r. AaO Bl. 35r–36v. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 25 f (XI.). 172 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 35r. 173 Ebd. 174 AaO Bl. 35v. 175 Ebd. 176 Ebd. 171

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

Strafe gewärtigen. Streng verboten sei „alles ungebührliche und zanksüchtige Hadern, und Streiten über Religions-Sachen“177. Dies gelte auch für den öffentlichen Gottesdienst. Den Geistlichen war untersagt, sich auf der Kanzel gegenseitig „an[zu]schwärzen“ und „theologische Streitigkeiten vor das Volk [zu] bringen“178. Die grundlegende Obliegenheit eines Predigers sei es, „seine Zuhörer zu erbauen, und das Wort Gottes nach seiner besten Einsicht rein und lauter vorzutragen, wie er es einst vor Gott und schon hier vor seinem Gewissen und seinen Vorgesezten zu verantworten gedenkt“179. Am folgenden Tag, dem 16. September, fand dann planungsgemäß die Konferenz zwischen Carmer, Dörnberg und Woellner statt180. Zunächst wurde die Kabinettsordre verlesen, anschließend trug Dörnberg sein schriftliches Votum vor. Jedoch stimmten Carmer und Woellner seinem Entwurfstext für eine Deklaration nicht zu. Vielmehr wurde beschlossen, von den Räten „eine nähere Erklärung zu erfordern […], auf welche Art nach ihrer Meynung eine Declaration des Edicts“ zu verfassen sei, „ohne daß dadurch den verschiedene [sic] Religions-Systemen in ihrem Glaubens Bekenntniße zu nahe getreten und fernere Verwirrungen in der Kirche und dem Staat veranlaßt würden“181. Diese Resolution an die Oberkonsistorialräte Spalding, Büsching, Teller, Diterich und Sack unterzeichneten Carmer und der in der Konferenz unterlegene Dörnberg an demselben Tag182. Der König sei „von allem Gewißenszwang entfernt“183. Dies habe er stets und außerdem besonders im Religionsedikt hinreichend deutlich zu erkennen gegeben. Es sei unbegreiflich, wie die Oberkonsistorialräte auf den Gedanken hätten kommen können, daß dieses Edikt auf eine Einschränkung der Gewissensfreiheit abziele184. In ihrer Stellungnahme selbst hätten sie doch „ausdrücklich anerkannt, daß der seit mehrern Jahren eingerißene Unfug, die heiligste Religions Wahrheiten zu verspotten, 177 Eine „nützliche Preßfreiheit“ wolle er, der König, nicht einschränken. Ebd. Jedoch sei „zur Verhütung einer einreissenden Frechheit in Beurtheilung von Personen und Sachen“ bei der Zensur darauf zu achten, „daß überall ein ernsthaffter und bescheidener Ton, beibehalten werde, und keiner dem [sic] andern schmähe, verkezzere, verunglimpfe, oder um seiner Meinungen Willen verspotte, und verhöhne“. AaO Bl. 36r. 178 Ebd. 179 Ebd. „Alle Neuerungssüchtige aber, und die, Verwirrung und Aergernis, es sey durch ihre Lehre, oder durch ihren Wandel anrichten“, würden der Kassation oder einer härteren Strafe anheimfallen. AaO Bl. 36r–36v. 180 AaO Bl. 37r–37v. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 26 f (XII.). 181 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 37v. 182 AaO Bl. 38r–39v. Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 27–29 (XIII.) gibt auch Woellner als Unterzeichner an. 183 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 38r. 184 Ebd.

VI. Die Reaktion auf die „Vorstellung“ vom 10. September 1788

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nicht länger geduldet werden können [sic], ohne das Volck irre zu machen und die wohlthätige Religion Jesu zu untergraben“185. Die Hauptverantwortung für die gegenwärtige religiöse Situation wurde den Oberkonsistorialräten selbst angelastet: „Niemalen würde dies Uebel so weit um sich gegriffen haben, wenn das OberConsistorium als verordnete Wächter der Religions und Kirchlichen Angelegenheiten in dem Staat seine Pflicht gethan, und den aus Muthwillen oder Stoltz sich aufwerfenden Reformatoren, oder vielmehr Zerstörern des Christenthums und Predigern der irreligion mit dem erforderlichen Ernst Einhalt zu thun beflißen gewesen wäre.“186 Die Vorgesetzten in kirchlichen Angelegenheiten befänden sich in einem „fortwährenden Schlummer“187, täglich vermehre sich das Übel und habe inzwischen dazu geführt, „daß fast ein jeder Prediger sich sein eignes Lehrgebäude zu formiren und das Volck nach seinen Träumereyen zu den gröbsten Irrthümern zu verführen und die Religion des Staats nieder zu reißen, sich berechtigt zu seyn glaube“188. Den König habe die väterliche Fürsorge für seine Untertanen gezwungen, „diesem abscheulichen Unheil vorzubeugen“189. Die naheliegende Maßnahme zur Vermeidung weiterer Spaltungen in der Kirche bestand in der Verpflichtung der „Volkslehrer einer jeden Religions Parthey auf die Symbola der Kirche“190. Diese Bekenntnisbindung sei um so unspektakulärer, als die Geistlichen bei ihrem Amtsantritt diese Symbole freiwillig und öffentlich bekannt hatten. Die königliche Absicht sei mit den §§ 7 und 8 des Religionsedikts, die keineswegs – so der fälschliche Vorwurf – eine Vorrangstellung der Symbolischen Bücher vor der Bibel behaupteten, genau getroffen. Der Wortlaut des Edikts sei hier hinreichend deutlich. Der fundamentale Charakter der Bibel sei in jeder Religionspartei bewahrt. Jede Religionspartei gründe ihre verschiedenen Meinungen auf die Schrift. In aller – nicht vom König beschränkter, sondern gerade von ihm gewährleisteter – Freiheit könne jeder Christ in den Preußischen Staaten entscheiden, welcher Religionspartei, die nun freilich ihre spezifische Identität aus bestimmten Auslegungen erhielt, er beitreten wolle. Aus dieser Freiheit dürfe aber nicht gefolgert werden, daß deswegen „auch ein jeder Prediger sich ein eigenes und von den bisher im Staat aufgenommenen Glaubens-Bekenntnißen abweichendes Religions System zu formiren und öffentlich zu predigen berechtigt sey“191. Vielmehr galt: „Als Lehrer einer bestimmten Kirchen Gesellschaft muß er sich 185

Ebd. AaO Bl. 38r–38v. 187 AaO Bl. 38v. 188 Ebd. 189 Ebd. 190 Ebd. 191 AaO Bl. 39r. 186

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

nach den von derselben angenommenen Grundsätzen achten und kan, ohne gegen die übernommenen Pflichten zu handeln, davon nicht abgehen.“192 Das Problem der Gewissensskrupel wurde minimiert: „Findet aber ein Prediger in seinem Gewißen Anstand den vorhin angenommenen Grundsätzen treu zu bleiben, und solche zu lehren, so ist er schuldig, diesen seinen Gewißens Skrupel der Behörde anzuzeigen, und allenfalls das Amt eines Volkslehrers bey einer Kirche, zu welcher er nicht mehr gehöret, niederzulegen. Sind aber seine Zweifel nicht von der Erheblichkeit, daß er deswegen sein zeitliches Wohl aufzuopfern nötig findet, so ist nicht abzusehen, warum er, seinen übernommenen Pflichten ein Genüge zu leisten, Anstand nehmen solte.“193 Carmer marginalisierte aus seiner rechtsgelehrten Perspektive die Frage der Heuchelei. „Dadurch, daß ein Prediger, unerachtet der bey ihm entstandnen Zweifel über die Richtigkeit einiger Lehrsätze seiner Kirche gleichwohl sein öffentliches LehrAmt nach den einmal übernommenen Pflichten fortsezt, kan derselbe eben so wenig für einen Heuchler gehalten werden, als ein Richter, welcher nach den Gesetzen urtheilt, ohnerachtet er beßere Einsichten von dem, was Recht und billig ist, zu haben glaubt.“194 Das Ende der Resolution war unmißverständlich: Es sei kein Grund vorhanden, der den König bewegen könne, von dem Inhalt des Edikts abzuweichen. Jedoch werde den Oberkonsistorialräten eine fortgesetzte Meinungsäußerung nicht verweigert. Wenn sie überzeugt wären, daß es eine nähere Deklaration geben könne, „ohne den verschiedenen Religions Systemen, in wesentlichen Stücken ihres Glaubens Bekenntnißes, zu nahe zu treten“195 und ohne Anlaß „zu neuen Verwirrungen“196 zu geben, sollten sie einen Bericht und geeignete Vorschläge an die Kommission schicken.

VII. Die „Vorstellung“ aus dem Oberkonsistorium vom 1. Oktober 1788 Die Oberkonsistorialräte Spalding, Büsching, Teller, Diterich und Sack reagierten zwei Wochen später. Am 1. Oktober 1788 legten sie ein ausführliches Schreiben vor, in dem sie zu der Antwort der Kommission Stellung nahmen und die ihnen eröffnete Möglichkeit, Vorschläge zu einer Deklaration197 zu 192

Ebd. Ebd. 194 AaO Bl. 39r–39v. 195 AaO Bl. 39v. 196 Ebd. 197 AaO Bl. 42r–44v. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 29–33 (XIV.). 193

VII. Die „Vorstellung“ aus dem Oberkonsistorium vom 1. Oktober 1788

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unterbreiten, nutzten, „um den zu besorgenden schädlichen Misverstand oder Misbrauch abzuwenden“198. Taktisch klug sprachen die Räte von einer Fehldeutung und von einem falschen Gebrauch des Religionsedikts und suggerierten somit, daß die eigentliche Intention des Edikts nicht zu beanstanden sei. Den ersten Teil, die Rechtfertigung der in der ersten Vorstellung vorgelegten Bedenken, hat sehr wahrscheinlich wiederum Sack verfaßt199. Die Vorschläge des zweiten Teils dagegen stammen aus Spaldings Feder200. Bevor sich die Räte freilich den inhaltlichen Bedenken zuwandten, war ihnen zunächst daran gelegen, das Oberkonsistorium entschieden gegen den von der Kommission geäußerten polemischen Vorwurf der Unachtsamkeit zu verteidigen. Das Bild der Resolution aufnehmend formulierten sie nachdrücklich: „Wir sind es uns bewußt, daß wir bey der immer weiter sich verbreitenden Irreligion nicht geschlummert, so weit es in unsern Kräften gestanden, und die Grenzen unsers Amts es verstattet haben.“201 Und das Bild fortführend – sie hätten in „aller Wachsamkeit“ gehandelt – bestritten sie die Behauptung, „daß fast ein jeder Prediger berechtigt zu seyn geglaubt hat, sich ein eigenes Lehrgebäude zu formiren, um das Volk nach seinen Träumereyen so gar zu den gröbsten Irrthümern zu verführen“202. Die Räte negierten keineswegs, daß es solche – wie es die Resolution fast wörtlich formuliert hatte – „Reformatoren des Christenthums, die mehr Zerstöhrer desselben und Prediger der Irreligion gewesen“203 seien, gegeben habe. Nur seien sie nicht unter den Geistlichen, sondern unter Personen des weltlichen Standes zu finden gewesen und mithin nicht der Aufsicht des Oberkonsistoriums unterworfen. Die dem Oberkonsistorium unterstehenden Prediger jedoch, deren Großteil von der Kommission der Irreligion beschuldigt worden war, seien bis auf einige Einzelfälle nicht aktenkundig geworden. Zudem kritisierten die Räte die nachlässig-pauschale Vorgehensweise der Kommission, die – anders als das Schreiben des Königs vom 12. September hatte hoffen lassen – in der Antwort auf die erste Vorstellung nicht jedem Punkt einzeln gefolgt war. Von ihren in der ersten Vorstellung geäußerten Bedenken nahmen sie keinen Abstand. In dem Edikt vom 9. Juli würden sie zwar die „preiswürdige“204 königliche Absicht, die christliche Religion aufrechtzuerhalten, durchaus nicht 198

GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 42r. Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 6 f. 200 Auch der König hörte gelegentlich Spaldings Predigten. Sophie Marie Gräfin von Voss, Neunundsechszig Jahre am Preußischen Hofe, 4. Aufl., Leipzig 1876, 120. 201 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 42r. 202 Ebd. 203 Ebd. 204 AaO Bl. 42v. 199

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

verkennen. Es überwogen freilich die gleichermaßen auf die Gegenwart und Zukunft bezogenen Bedenken: „Nur ist und bleibt es für uns eine große Besorgniß schädlicher Folgen, daß diese Aufrechthaltung derselben auf das Festhalten an den symbolischen Lehren“ der in Preußen „authorisirten und doch in ihrem öffentlichen Bekenntniß, so sehr verschiedenen Religionspartheyen, gebaut wird“205. Die Argumentation der Oberkonsistorialräte war logisch stringent: Nach der im Religionsedikt erhobenen Forderung würde nur eine einzige Religionspartei „eine wirkliche christliche Religion haben können, wenn das Stehen und Fallen dieser an den ganzen Inhalt der Symbolen irgend einer Kirche gebunden seyn sollte“206. Es müsse jedoch trennscharf zwischen Irreligion einerseits und Bedenken oder Zweifeln bei einzelnen Kirchenlehren andererseits unterschieden werden. Die Oberkonsistorialräte wollten sich also keineswegs als außerhalb ihrer Kirchen stehend verstanden wissen207. Die Antwort der Kommission hatte die Hauptbedenken der Räte, die sich auf die Gewissensfreiheit und die Geltung der Bibel bezogen, nicht zerstreuen können. Zwar hegten sie keinerlei Zweifel an des Königs Gesinnung, „den Gewissen der Unterthanen keinen Zwang in der Religion anzulegen“208. Sie waren jedoch besorgt, daß diese Absicht nicht verwirklicht werden könne, wenn nicht auch den christlichen Gemeindegliedern, die mit den bloß auf die Bibel gegründeten Unterweisungen ihrer Prediger zufrieden waren, ihre Freiheit gelassen werde und wenn die Prediger, die doch auch königliche Untertanen und mithin keinem Gewissenszwang unterworfen seien, „an menschliche Lehrvorschriften und das aufs strengste, unter Bedrohung nicht nur der Dimission, sondern der Cassation, und noch härterer Strafe, gebunden seyn sollen“209. Die Geltung der Bibel sei im Religionsedikt in einer historisch bislang unbekannten Weise geschmälert. Im Laufe der Kirchengeschichte hätten selbst die Orthodoxen in der Auseinandersetzung mit der römisch-katholischen Kirche die Symbolischen Bücher der Bibel nicht an die Seite gestellt, sondern nur als eine der Schrift untergeordnete Richtschnur verstanden wissen wollen. Überdies schienen den Oberkonsistorialräten die Symbolischen Bücher im Religionsedikt sogar der Bibel vorgezogen zu werden, da es heiße: „wie sie in 205

AaO Bl. 42v–43r. AaO Bl. 43r. 207 „Irreligion ist also offenbar etwas ganz anderes, als Bedenklichkeiten und Zweifel bey einzelnen Kirchenlehren; und die Vermengung beyder veranlaßt daher sehr leicht und bequem natürlich entweder auf einer Seite einen totalen indifferentistischen Unglauben, oder auf der andern eine unchristliche Verdammungssucht gegen andersdenkende, auch sonst noch so gewissenhafte Gemüther.“ Ebd. 208 Ebd. 209 Ebd. 206

VII. Die „Vorstellung“ aus dem Oberkonsistorium vom 1. Oktober 1788

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der Bibel gelehrt und in den symbolischen Büchern einmal festgesetzt ist. Dies festsetzen, denken wir, erhebt diese zu Oberrichtern des Glaubens“210. Das sei in den Brandenburgischen Landen, in denen die königlichen Vokationsformulare Predigern „vorschreiben, das Wort Gottes zu lehren, wie es in den symbolischen Büchern wiederhohlt ist“211, eine bislang „ganz ungewöhnliche Sprache“212. Befremdet waren die Räte nicht nur von einigen Bestimmungen des Religionsedikts, sondern auch von dem Vergleich, den die Kommission unter Carmers Ägide zwischen Predigern und Richtern gezogen hatte. Im Vergleich zu einem Richter, der nach „einmal feststehenden Landesgesetzen spricht, wo er auch nicht von der Richtigkeit derselben überzeugt ist“213, könne ein Lehrer der Religion gerade nicht gegen seine Überzeugung nach bloß menschlichen Theorien lehren214. Im letzten Drittel des Schreibens formulierte Spalding schließlich die „eigentlichen Vorschläge zur Hebung aller Misverständnisse und Hinwegräumung alles Anstoßes“215. Diese vier Vorschläge zur Erläuterung würden, „wenn das Edict zum Besten der protestantischen Confessionen erklärt werden könnte“, zum einen der Verbreitung „wirklich gefährlicher Irrthümer“ wehren und zum andern, „den eigenthümlichen Grundsätzen des Protestantismus gemäß, diese theuer erworbene Gewissens- und Untersuchungs-Freyheit unbeeinträchtiget lassen“216. Erstens: Niemand dürfte „die ersten Wahrheiten aller Religion“217 mutwillig angreifen. Denn nur auf diese Weise, keineswegs aber durch die Verschiedenheit symbolischer und „also blos menschlicher Meinungen, Erklärungen und 210

Ebd. AaO Bl. 43v. 212 Ebd. 213 Ebd. 214 „Die Religion hat es mit Gesinnungen zu thun, welche auch der Prediger haben muß, wenn er Andre treu und gründlich darin unterrichten und dazu anweisen, die Absichten des Höchsten, der sie erfordert, erfüllen, und Nutzen schaffen soll. Menschliche Gesetze dagegen bestimmen nur die äußerlichen Handlungen; und der Richter, wenn er auch aufs strengste darnach urtheilt, darf um deswillen in seiner eignen Denk- und Sinnesart nicht das Mindeste verändern; er kann diese ganz frey beybehalten, und doch der Absicht des Gesetzgebers völlige Genüge thun.“ Ebd. 215 Ebd. 216 Ebd. In seiner Lebensbeschreibung führte Spalding die beiden Ziele der Erläuterungen und Vorschriften in umgekehrter Reihenfolge auf: An zweiter Stelle erst nannte er das „Abwehren anstößiger freydenkerischer Neuerungen unter den Predigern“. Die erste Stelle nahm die „Sicherstellung der protestantischen Lehrfreyheit“ ein. Johann Joachim Spalding, Johann Joachim Spalding’s Lebensbeschreibung von ihm selbst aufgesetzt, in: Kleinere Schriften 2: Briefe an Gleim. Lebensbeschreibung, hg. von Albrecht Beutel und Tobias Jersak, SpKA 6–2, Tübingen 2002, 107–240. 184. 217 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 44r. 211

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

Streitfragen“, werde die Moralität geschwächt, die Sittenlosigkeit begünstigt und der Ordnung, Ruhe und Sicherheit der menschlichen Gesellschaft geschadet. Außerdem: Die Prediger dürften in ihren Vorträgen keine symbolische Kirchenlehre „zum unnützen Anstoß“ der Gemeindeglieder bestreiten. Weiterhin: Auch müßte „jede andere blos declamatorische, leichtsinnige oder gar spöttische“ Beurteilung der Kirchenlehren verboten sein, weil dies keine „ruhige und bescheidene Untersuchung“ sei, durch die „allein Wahrheit ans Licht gebracht und gemeinnützlich werden“218 könne. Zuletzt: Den Predigern müßte aufgetragen werden, „nach ihrer gewissenhafftesten Erforschung die eigenen deutlichen, unter den christlichen Gemeinen nicht streitigen und oft wiederhohlten Anweisungen Jesu zur Gottseligkeit wie zum Trost, mit Aufrichtigkeit ihres Herzens und zum Widerspruch gegen ihre eigene innere Ueberzeugung und Gesinnung vorzutragen“219. Würde das Religionsedikt nach diesen vier Punkten erläutert werden, nähme „kein wahrhaft christlichgesinntes Gemüth daran Anstoß und Aergernis“220. Durch die Unterscheidung „der zur Religion wesentlich gehörigen Lehren von minder wichtigen und streitigen Vorstellungsarten“221 sei – zeige die Erfahrung – „bey etwas nachdenkenden und ernsthaften Gemüthern schon sehr viel gewonnen, der sonst weit gewöhnlichere Spottgeist des Unglaubens um ein großes vermindert und dagegen ungleich mehr heilsame Ehrerbietung gegen das Christenthum unter Zuhörern und Gemeinen ausgebreitet worden“222. Dieser Nutzen solle durch eine von den genannten Einschränkungen begrenzte Lehrfreiheit befördert werden, denn allein auf diese Art könne „der Zweck des Predigtamtes zur wirklichen geistlichen Glückseligkeit der Menschen erreicht werden.“223

VIII. Die Reaktion auf die „Vorstellung“ vom 1. Oktober 1788 Es war Carmer – und nicht Woellner –, der als erster reagierte. Der Großkanzler Carmer, der maßgeblich an der Resolution vom 16. September be218

Ebd. Ebd. 220 Ebd. 221 AaO Bl. 44r–44v. 222 AaO Bl. 44v. 223 Ebd. Zu Spaldings Predigtverständnis vgl. auch Albrecht Beutel, „Gebessert und zum Himmel tüchtig gemacht“. Die Theologie der Predigt nach Johann Joachim Spalding, in: Ders., Reflektierte Religion. Beiträge zur Geschichte des Protestantismus, Tübingen 2007, 210–236. 219

VIII. Die Reaktion auf die „Vorstellung“ vom 1. Oktober 1788

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teiligt gewesen war, verfaßte ein zweiseitiges Votum224, dem Woellner noch an demselben Tag, am 19. Oktober 1788, „in allen Stücken“225 beipflichtete. Der Großkanzler sah die Kompetenzen der Oberkonsistorialräte weit überschritten und gab deutliche Anweisungen: Den Räten solle zur Resolution gegeben werden, daß man von ihnen nicht einen Vorschlag zur Abänderung des Edikts, sondern lediglich eine Eingabe erwartet habe, inwiefern ihrer Auffassung nach das Edikt, „ohne den Glaubensbekentnißen der verschiedenen protestantischen Kirchen zu nahe zu treten, anders, als in der ersten Resolution bereits geschehen ist, declariret werden könne“226. Die Urteilskraft des Juristen Carmer in systematisch-theologischen Angelegenheiten war schwach, ein Differenzierungsvermögen in diesen Belangen kaum ausgeprägt. Die im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation aufgenommenen christlichen Religionsverwandten stimmten – so der Großkanzler –, „was die Person und Verdienste Christi betrift, im wesentlichen mit einander227 überein“228. Wer ein derartiges Glaubensbekenntnis ablehnen wolle, könne für „keinen wahren229 Christen, noch weniger aber für einen zu billigenden Volckslehrer in hiesigen Landen angesehen werden“230. Es sei demnach nötig, daß das Volk nach solchen „Grundlehren des Christenthums nach den verschiedenen Systemen und deren231 Symbolen deutlich unterrichtet, und nach näherer Anweisung“ der Bibel „darinn bestätiget werde“232. Prediger, die diesen Verordnungen widerstrebten, könnten also ohne Verletzung der Reichsgesetze als Volkslehrer nicht geduldet werden. Die Konsistorien müßten sich daher der Ausbreitung aller233 „naturalistischen, deistischen, Socinianischen“ und anderer dergleichen „von der christlichen Kirche allgemein verworfenen Lehren mit Ernst wiedersetzen“ und keinen Prediger, der sich dergleichen „Irthümer verdächtig macht“, „als Volckslehrer dulden“234. Alle dogmatischen Streitigkeiten, die nicht wesentliche Grundsätze des Christentums beträfen, müßten – besonders zwischen den Augsburgischen Konfessionsverwandten – verhindert werden, um vielmehr das Volk „durch 224 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 45r–46r. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 33 f (XV.). Die bei Sack in der Quellenwiedergabe zu findende Datierung auf den 19. Oktober ist sehr wahrscheinlich, fehlt aber im Original. 225 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 49r. 226 AaO Bl. 45r. 227 Hier hatte Carmer zunächst noch das Adverb „vollkommen“ stehen. Ebd. 228 Ebd. 229 Das Adjektiv „wahren“ hat Carmer nachträglich über der Zeile eingefügt. 230 Ebd. 231 Zunächst hatte Carmer hier noch „festgesetzten“ stehen. Ebd. 232 Ebd. 233 Die adjektivische Näherbestimmung „aller“ hat Carmer durchgestrichen. AaO Bl. 45v. 234 Ebd.

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

die christliche Sittenlehre235, als gute Menschen und gute Bürger des Staats“236 zu bilden. Wiewohl Woellner Carmers Votum uneingeschränkt zustimmte237, schlug er vor, in der Resolution für die Oberkonsistorialräte noch drei Erwägungen hinzuzusetzen. Zunächst: Ein Tadel an den Ausdrücken des Edikts, wie sie ihn an dem Ausdruck „festsetzen“ des § 7 geübt hatten, stehe ihnen nicht zu. Woellner zitierte die entsprechende Passage aus § 7 und paraphrasierte – zwar gekürzt, doch durchaus zutreffend – die dagegen geäußerten Bedenken der Oberkonsistorialräte. Indigniert, weil er sich persönlich angegriffen sah238, wies er diese Bedenken zurück; nicht argumentativ, sondern thetisch, die Gelehrsamkeit der Räte grundsätzlich anlangend verfuhr Woellner: „Man müsse sich billig wundern wie Leute die eine gesunde Hermeneutic besitzen wollten, dergleichen falsche Auslegungen machen könnten, wenn es nicht ganz vorsetzlich geschähe239. Es sei grotesk, daß sie den Verfasser des Edikts die Landessprache lehren wollten, obwohl sie selbst nicht erkannten, daß ohne „vorsetzliche Wort Klauberei hier das Wort: festsetzen, und wiederholen, völlig einerlei Sinn und Bedeutung hätte“240. Außerdem zeige die Weitschweifigkeit, Dunkelheit und Unbestimmtheit der vier von den Oberkonsistorialräten vorgeschlagenen Punkte, „daß sie mit der Sprache nicht heraus wollten“241. Sie müßten deutlich darlegen, „was sie in den symbolischen Büchern für unrecht, falsch, und der christl. Religion nachtheilig und schädlich hielten, und dieses bei der von des Königs Majestät verordneten Commission zur nähern Prüfung geziemend einreichen“242. Dörnberg konnte diesem Konzept einer Resolution nicht zustimmen. Am 21. Oktober bat er die beiden anderen Kommissionsmitglieder, sein bereits zu den Akten gegebenes Votum vom 15. September nochmals durchzulesen und die dort aufgeführten Erwägungen zu bedenken243. Sollten Carmer und Woellner von der wiederholten Lektüre keinen neuen Impuls empfangen, 235 Die hier ursprünglich folgenden Worte „zu seinem zeitlichen und ewigen Wohl“ hat Carmer später durchgestrichen. Ebd. 236 Ebd. 237 AaO Bl. 49r–49v [Konzept]. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 34 f (XVI.). 238 Vgl. auch das Schreiben Woellners an Carmer vom 9. November 1788. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 51r. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 35 f (XVIII.). 239 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 49r. 240 Ebd. 241 AaO Bl. 49v. 242 Ebd. 243 AaO Bl. 50r. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 35 (XVII.).

IX. Silberschlags Stellungnahme zu den „Vorstellungen“ aus dem Oberkonsistorium

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schien es Dörnberg „am gerathesten, die Sache gänzlich fallen zu laßen“ und den Räten gar keine Resolution zuzustellen. Die königliche Absicht werde durchaus erreicht, wenn Woellner und er, Dörnberg, als Chefs des lutherischen Oberkonsistoriums und des reformierten Kirchendirektoriums auf die Befolgung des Edikts achteten. Zudem werde dann ein „weiteres Aufsehen“244 vermieden.

IX. Silberschlags Stellungnahme zu den „Vorstellungen“ aus dem Oberkonsistorium Inzwischen waren sechs Wochen seit der ersten Vorstellung der fünf geistlichen Räte des Berliner Oberkonsistoriums vergangen. Nun, am 24. Oktober 1788, ergriff Johann Esaias Silberschlag an Woellner schreibend das Wort245. Es sei ihm erst am Vortag die zweite Vorstellung seiner Kollegen vom 1. Oktober in die Hände gelangt. Wenn auch seine Anmerkungen „vielleicht viel zu spät kommen dürften“246, fordere ihn doch sein Gewissen, das er hier mit der Pflicht in eins setzte247, auf, „zu den wunderbaren Sentimens, die in der Schrift geäusert [sic] worden nicht still zu schweigen“248. „Ich habe kaum meinen Augen trauen können, daß meine sonst werthesten Collegen so denken könnten, als ihre Schrifft mir zu lesen gab.“249 In unbefangener Verkehrung der Aufklärungsmetaphorik beteuerte er seine Überzeugung, daß Woellners „erleuchtete Einsichten und Standhaftigkeit diese trüben und ungesunden Nebel bald niederscheinen werden“250. Silberschlags Votum war gegenüber seinen Kollegen durchweg von Polemik, gegenüber dem König und Woellner von beflissener Freundlichkeit geprägt251. 244

GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 50r. Bereits am 6. Oktober 1788 hatte Silberschlag aus Stendal an Woellner geschrieben. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 25r–26r. „Der Wiederstand den das Edict vom 9 ten Jul. findet, war zwar vorher zu sehen: es ist aber doch zu bedauren, daß die gute Sache, die den Inhalt deßelben ausmacht, und darin so richtig und bündig vorgetragen ist, so viel Wiederspruch findet.“ AaO Bl. 25r–25v. Der Trost, den Woellner „aus den Worten unsers Heilandes: Wer mich bekennet p“ schöpfe, sei zwar „so groß und vollständig, daß es weiter keines andern bedarf “, zudem habe Woellner „Gott und die ganz [sic] göttliche Wahrheit des Evangelii“ auf seiner Seite; trotzdem aber war Silberschlag um Woellners Gesundheit besorgt: Woellner möge bei allen Auftritten, welche die Beförderung der guten Sache verlange und die „bißweilen auch wol kränkend seyn können, das kalte Bluth“ behalten. AaO Bl. 25v. 246 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 61r. 247 In seinem Bericht sprach Silberschlag von der „Pflicht“, die ihn zur Wortmeldung dränge. AaO Bl. 62r. 248 AaO Bl. 61r. 249 Ebd. 250 Ebd. 251 AaO Bl. 62r–65v. Dieses Votum Silberschlags befand sich nicht in Karl Heinrich Sacks 245

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

Die erste Eingabe der Oberkonsistorialräte vom 10. September und das darauf folgende Reskript vom 16. September waren Silberschlag bekannt. Dieses Reskript habe die erste Eingabe „so gründlich und deutlich abgefertiget“, daß ihn die Klage der Räte, die Eingabe sei nicht Punkt für Punkt durchgegangen worden, sehr verwunderte. Schmeichelnd fragte er: „Sollen etwa S. Majestät eine theologische Disputation schreiben, wenn Sie Ihren Räthen antworten wollen?“252 Schritt für Schritt replizierte Silberschlag auf die zweite Eingabe der Oberkonsistorialräte vom 1. Oktober. Um ihre Behauptung zu widerlegen, daß keineswegs fast ein jeder Prediger sich ein eigenes Lehrgebäude zu bauen berechtigt fühle, verwies er auf die Buchhandlungen, die „erfüllet und ausgestopft“253 seien von derartigen höchst divergierenden Systemen. Der von seinen Amtskollegen ausgegrenzte Rat frohlockte: „Man könnte die üblen Reformatoren in keine größere Verlegenheit versetzen, als wenn man ihnen aufgäbe: Ihr Religions Bekäntniß abzulegen, aber vorher erst auszumachen was unter ihnen gelten solle.“254 Gegen die Behauptung der Oberkonsistorialräte, daß es solche „Reformatoren und Prediger der Irreligion“255 nur im weltlichen Stand gegeben habe, führte Silberschlag drei Beispiele von Theologen an. Zunächst nannte er den Hallenser Professor Carl Friedrich Bahrdt256, dann den Gielsdorfer Prediger Johann Heinrich Schulz257, und zuletzt erwähnte er lakonisch, daß der „Autor des Worterbuchs“258 – also Teller, einer der Oberkonsistorialräte selbst! – in Berlin lebe. Die Klage der Räte, daß die Prediger an menschliche Vorschriften gebunden würden, wehrte Silberschlag bereits im Grundsatz ab. Wenn die Räte zugäben, daß die Lehren der Bibel in den Symbolischen Büchern wiederholt würden, könnten die Symbolischen Bücher schlichtweg keine menschlichen Vorschriften sein. Wären sie es, so wären es auch die Lehren der heiligen Schrift. „Wer hier keinen Widerspruch erblickt, sieht nichts.“259 Sodann ging Silberschlag auf die vier Vorschläge der Oberkonsistorialräte ein. Zunächst müsse, forderte er im Blick auf den ersten Vorschlag, bestimmt Akten. Er wußte jedoch „aus guter Quelle“ von dessen Existenz. Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 8. 252 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 62r. 253 Ebd. 254 Ebd. 255 AaO Bl. 62v. 256 Vgl. ausführlich zu Carl Friedrich Bahrdt Kapitel J.II. 257 Vgl. kurz zu Johann Heinrich Schulz Kapitel K.V. 258 Ein „etc. etc.“ zeigte an, daß Silberschlag seine Liste um etliche Namen meinte verlängern zu können. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 63r. 259 AaO Bl. 63v.

X. Die Resolution für die widerständigen Oberkonsistorialräte

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werden, „was das für Wahrheiten sind, welche die ersten aller Religionen genannt zu werden verdienen“260. „Bey dieser Cautel kann ein jeder hinschreiben und ausstreichen was ihm beliebt.“261 Dieser Vorschlag würde den Zweck des Edikts „gänzlich vernichten“. Wiederum griff Silberschlag das Verständnis der Symbolischen Bücher als menschliche Meinungen an: „Nach diesem Vorgeben müßten die Lehrsätze der protestantischen Kirchen, wenn sie in der Bibel stehen göttlich, wenn sie in die symb. Bücher übergetragen worden unterwegens menschl. Meynungen geworden seyn. Kein Ovid würde diese Metamorphose gewaget haben.“262 Zum zweiten Vorschlag: Die Kirchenlehrer müßten die Lehren der Symbolischen Bücher „nicht nur nicht bestreiten, sondern bekennen“. Die grundlegende Absicht des Edikts werde damit völlig mißachtet. „Welche List! welche Ränke!“263 Zum dritten Vorschlag: Nicht durch eine ruhige und bescheidene Untersuchung werde Wahrheit ans Licht gebracht, sondern die „Uebereinstimmung der Lehre mit dem Worte Gottes und ein gründlicher und deutlicher Lehrvortrag“264 gewährleisteten dies. Zum vierten Vorschlag: Fälschlich werde vorausgesetzt, daß die „gewißenhafte265 Erforschung der Lehrer untrüglich sey, wozu es bey manchen an Willen und bey vielen sehr an Geschicklichkeit fehlen dürfte“266. Silberschlag resümierte, daß das Religionsedikt durch die Vorschläge der Oberkonsistorialräte wieder aufgehoben werden solle. „Welches Gott in Gnaden verhüten wolle.“267

X. Die Resolution für die widerständigen Oberkonsistorialräte Obwohl Dörnberg am 21. Oktober 1788 Carmers Konzept einer Resolution für die widerständigen Oberkonsistorialräte grundsätzlich abgelehnt hatte, konnte der Großkanzler den Entwurf überarbeiten, da nur die Stimmenmehrheit der Kommission entscheidend war und Woellner dem Konzept beigepflichtet hatte. Am 8. November sandte Carmer den beiden anderen Kommissionsmitgliedern das neue Konzept einer Resolution und erbat deren Unterschrift268. Zwar un260

AaO Bl. 65r. Ebd. 262 Ebd. 263 Ebd. 264 AaO Bl. 65v. 265 Silberschlag übernahm nicht den Superlativ. 266 Ebd. 267 Ebd. 268 AaO Bl. 51r. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 35 (XVIII.). 261

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

terzeichnete Woellner das Schriftstück umgehend am folgenden Tag, vermißte jedoch in der Resolution den Abschnitt seines Votums, in dem er den Tadel der Oberkonsistorialräte an der Landessprache des Verfassers mißbilligt hatte. Woellner verharrte in der bereits drei Wochen zuvor gezeigten brüskierten Haltung: „Da mich dieser Tadel persönlich269 trift, so behalte ich mir vor deren Hochweisen Herren dafür in einem besondern Rescript auf die Finger zu geben.“270 Dörnberg blieb eine Antwort schuldig. Erst nahezu zwei Wochen später, am 20. November, meldete er sich271, nachdem ihn Carmer an demselben Tag schriftlich zu einer Stellungnahme gedrängt hatte272. Seine außerordentlich geschwächte Gesundheit, nachhaltig beeinträchtigt durch ein anhaltendes Nervenfieber, machten ihm – führte Dörnberg präzise aus – „alle Anstrengung in Geschäfften theils ohnmöglich, allemahl aber gefährlich“273. Die vorgeschlagene Resolution konnte er seiner „Ueberzeugung“ und seinem „Gewissen gemäs“ nicht unterschreiben, da die Oberkonsistorialräte nach seiner Überzeugung keinen Verweis verdienten. Daß er sich dem königlichen Befehl durchaus unterworfen habe, beweise hinreichend seine Contrasignatur unter das Religionsedikt; außerdem zeigten die Akten seine Bemühungen, wie das Religionsedikt „ohne Wiederruf, zur allgemeinen Beruhigung, würksam werden mögte“274. Seine Auffassung hatte Dörnberg in der Zwischenzeit nicht geändert, so daß er nur knapp und in dieser Kürze jede weitere Diskussion ablehnend formulierte: „Meine Einsicht, und Verstands Kräffte reichen nicht weiter“275. Ganz anders als Woellner traute er sich keineswegs zu, diese „selbst in dem Ausland berühmte[n] Theologen, in ihrem Fache, zurechtweisen zu wollen“276. Carmer und Woellner ließen sich von Dörnberg nicht beirren, sondern unterzeichneten am 24. November 1788 eine ausführliche, elf Spalten umfassende Resolution an die Oberkonsistorialräte Spalding, Büsching, Teller, Diterich und Sack277. 269

Mit dieser Äußerung ist eindeutig gezeigt, daß Woellner selbst das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 verfaßt hat. 270 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 51r. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 35 f (XVIII.). 271 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 53r–53v. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 36 f (XXI.). 272 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 52r. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 36 (XX.). 273 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 53r. 274 Ebd. 275 Ebd. 276 Ebd. 277 AaO Bl. 54r–59r. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 38–43 (XXIV.). Entgegen dem Original gab Sack an, daß auch Dörnberg die Resolution unterzeichnet habe. Eine Abschrift der Resolution,

X. Die Resolution für die widerständigen Oberkonsistorialräte

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Noch hatte der Großkanzler die Hoffnung nicht aufgegeben, eine Unterschrift aller drei Unterzeichner des Religionsedikts erwirken zu können. Zwei Tage später, am 26. November, drängte er Dörnberg zu einer unverzüglichen Entscheidung278. Da es in allen Kollegien üblich sei, daß die von der Mehrheit beschlossenen Ausführungen auch von den Dissentierenden unterschrieben würden, könne Dörnberg die Resolution unterzeichnen, „ohne dadurch im Mindesten gegen Ihre Ueberzeugung zu handeln“279. Überdies habe Dörnberg ja bereits sein Votum vom 15. September schriftlich zu den Akten gegeben. Dringend riet Carmer dem Minister, seinen Namenszug unter die Resolution zu setzen: Er fürchte und könne „das fast mit Gewißheit voraussehen, daß eine fernere Verweigerung dieser Unterschrift von Sr. Königl. Majestät ungnädig aufgenommen werden, und Ew. Excellenz Unannehmlichkeiten zuziehen dürfte“280. Schließlich unterschrieb Dörnberg die Resolution am 27. November „in derselbigen Ueberlegung“, in der er sich der Contrasignatur des Religionsedikts „nicht [habe] entziehen können“281. Ausdrücklich verlangte er vom Großkanzler, daß auch sein am 20. November abgegebenes Votum zu den Akten genommen werde. Die sorgfältige Archivierung der Schriftstücke, die es auch Nachgeborenen ermöglichen würde, sich über die Vorgänge zu unterrichten, schien Dörnberg eine sowohl zeitgenössische als auch posthume Rechtfertigung seines Handelns zu sichern282. Einen Tag später dann, am 28. November, wurde den Oberkonsistorialräten die Resolution zugeschickt. Sie war ganz aus Carmers juristischer Perspektive geschrieben. Zwar habe der König durch die Resolution vom 16. September 1788 die Räte zu Vorschlägen für eine Erläuterung des Edikts ermuntert, jedoch erachtete er die vier von ihnen Anfang Oktober benannten Punkte als ganz unbrauchbar: Sie seien „so beschaffen, daß sie eben der eigemächtigen [sic] Willkühr bey dem öffentlichen Lehrvortrage, welche nach dem Sinn des Edikts, so weit sie gemeinschädlich ist, eingeschränkt werden soll“283, zu weiten Raum gewährten. Eine Verbesserung der gegenwärtigen religiösen Zudie ebenfalls Dörnberg als Mitunterzeichner aufführt, findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 19r–22r. 278 Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 37 f (XXII.). Dieses Schreiben findet sich nicht in den handschriftlichen Akten. 279 Ebd. 280 AaO 3–48, hier 38 (XXII.). 281 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 60r. Mit geringfügigen Abweichungen ist der Text abgedruckt bei Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 38 (XXIII.). Das bei Sack verzeichnete „Citissime“ steht nicht im Original. 282 Karl Heinrich Sack vermutete 1859, daß die Aktenstücke, die vom König an die Minister ergingen, und diejenigen, welche die Verhandlungen unter den Ministern betrafen, wahrscheinlich von Dörnberg in die Hände seines Vaters gelangt waren. AaO 3–48, hier 5. 283 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 54r.

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

stände sei keineswegs zu erreichen, wenn „die von dem Glaubens Bekenntniß ihrer Kirche abweichenden Prediger wesentliche Grundsätze dieses Glaubens Bekenntnißes, an welchen sie etwa zweifeln, mit Stillschweigen zu übergehen angewiesen würden“284. Für den Juristen Carmer war die Bestimmung dieser Grundlehren entscheidend. Dies könne unmöglich der Privatmeinung eines jeden Geistlichen überlassen werden, zumal die Erfahrung hinlänglich zeige, wie wenig diejenigen Theologen, die sich einmal Abweichungen von dem ursprünglichen Lehrbegriff ihrer Kirche erlaubt hatten, untereinander in ihren Auffassungen übereinstimmten285. Aus Staatssicht erschienen solche Individuen als suspekt, da sie nicht mehr korporativ faßbar waren. Es sei daher „unumgänglich notwendig“286, daß die vorhandenen verschiedenen Religionsparteien auch bestimmte Symbole haben müßten, „nach welchen, in dem öffentlichen Volks Unterrichte, die Aussprüche der heiligen Schrift erkärt [sic] und angewendet werden“287. Wenn der Staat darauf bestand, daß jeder öffentliche Lehrer sich in seinem Lehrvortrag nach den Symbolen der Kirche, zu der er sich einmal bekannt hatte, richten solle, übe er nur die ihm über alle im Land öffentlich aufgenommenen Gesellschaften zustehende Oberaufsicht aus288. Der Staat müsse darauf sehen, daß sich die öffentlich aufgenommenen Gesellschaften – und insbesondere deren Vorsteher und Beamte – dem vom Staat genehmigten „GrundVortrage“289 entsprechend verhielten. Durch die Verschiedenheit der Meinungen im öffentlichen Unterricht müßten „die aergsten Trennungen entstehn, die Gemüther des Volks irre gemacht, allgemeiner Zweifel und Ungewißheit über das, was Religions Wahrheit sey, oder nicht, unter denselben verbreitet, dadurch aber die schädlichsten Folgen für die Moralitaet hervorgebracht werden“290. Dadurch werde die Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung gefährdet, an der Carmer alles gelegen war. Es gebe allerdings strittige Meinungen, die „wesentliche Grundsätze der protestantischen Religion nicht betreffen“291, aber dennoch wegen der zanksüchtigen Veranlagung mancher Theologen „Unruhen und Zwistigkeiten“292 284

AaO Bl. 54v. AaO Bl. 54v–55r. 286 AaO Bl. 55r. 287 Ebd. 288 Ebd. 289 Daher obliege es ihm auch, darauf zu achten, daß die Lehrer der Religionsgesellschaften „bey der Ausübung ihres öffentlichen GottesDienstes, von den Symbolen, durch welche sie sich als eine solche Gesellschaft auszeichnet, nicht eigenmächtig abweichen“. AaO Bl. 55v. 290 AaO Bl. 56r–56v. 291 AaO Bl. 56v. 292 Ebd. 285

X. Die Resolution für die widerständigen Oberkonsistorialräte

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gestiftet hätten. Diese müßten mit Stillschweigen übergangen werden, überhaupt aber dem Volk nicht „bloße trockne Dogmatik, sondern vornehmlich wahres praktisches Christenthum gepredigt, und dadurch daßelbe zu guten Menschen und guten Bürgern des Staats gebildet werden“293. Nur dann also dürften oder müßten sogar bestimmte Meinungen unerwähnt bleiben, wenn sie als außerwesentlich definiert waren. Zuletzt wandte sich Carmer den beiden auf die Geltung der Bibel und die Gewissensfreiheit bezogenen Hauptbedenken der Oberkonsistorialräte zu, die gänzlich unbegründet seien294. Die Symbolischen Bücher würden in dem Edikt an keiner Stelle der heiligen Schrift „gleich gesezt“295. Die Räte lieferten nur eine „erzwungene Auslegung“ in ihrer Deutung der Stelle aus § 7. Es müsse „jedem unbefangenen Leser sogleich in die Augen fallen“296, daß diese Stelle in ihrem Kontext nur das sage, was – wie die Oberkonsistorialräte übrigens selbst bemerkt hätten – in den Vokationsformularen bereits enthalten sei. Die Auslegung der Räte könnte nur dann zutreffen, „wenn in den symbolischen Büchern etwas als GrundWahrheit der Christlichen Religion behauptet wäre, wovon das Gegentheil durch vollkommen [sic], klare und deutliche Aussprüche der Schrift zu erweisen stünde“297. Lediglich „willkührliche und eigenmächtige Abweichungen einzelner Lehrer“ von den Symbolischen Büchern „im Volks Unterricht“298 seien verboten. Keinem Prediger oder auch einem anderen „Mitgliede der protestantischen Kirche“ sei „redliches und bescheidenes Forschen in der Schrift“299 untersagt, so daß also die Räte zu Unrecht eine Beeinträchtigung der Lehrfreiheit befürchteten. Die Gewissensfreiheit sah Carmer von dem Religionsedikt nicht eingeschränkt, da der Prediger als Referent fungieren könne. Der „gantze Geist des Gesetzes schließt alle Besorgniß aus, daß irgend einem protestantischen Gottesgelehrten, abweichende wenn auch irrige Meynungen zum Vorwurf oder Verbrechen gemacht werden würden, sobald er nur in seinem Amte, als Volcks Lehrer einer Protestantischen Religions-Gesellschaft, in allen dem, was der öffentlich angenommene Lehrbegrif seiner Kirche zu den GrundWahrheiten ihrer Confeßion gerechnet wißen will, demselben treu bleibt“300. Ob ein pro293

AaO Bl. 56v–57r. „Höchst ungegründet ist übrigens der Vorwurf, als ob das Edikt irgend etwas enthielte, was dem wahren Geiste des Protestantismus entgegen wäre.“ AaO Bl. 57r. 295 Ebd. 296 Ebd. 297 AaO Bl. 57v. 298 AaO Bl. 58r. 299 Ebd. 300 Ebd. 294

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D. Der Widerstand aus dem Oberkonsistorium gegen das Religionsedikt

testantischer Prediger sein Amt niederlegen müsse, wenn er „unglücklich“301 genug sein sollte, an solchen Lehrsätzen Zweifel zu hegen, müsse „zwar freylich zunächst seinem eignen Gewißen anheimgestellt bleiben; ob gleich an und für sich nicht abzusehen ist, warum nicht auch ein solcher Lehrer diese Sätze seiner Gemeine als ein getreuer Referent sollte vortragen können“302. Für die praktische Aufsichtspflicht verwies Carmer auf die Konsistorien, die vom König rechtlich zur Oberaufsicht über die protestantischen Kirchen303 verpflichtet waren. Die Konsistorien müßten „sich der Ausbreitung naturalistischer, deistischer, socinianischer und andrer dergleichen von der Protestantischen Kirche allgemein verworfnen Irrthümer allerdings mit Ernst wiedersetzen, und keinen Prediger, welcher sich solcher Irrthümer zum Anstoß und Aergerniß der Gemeine schuldig macht, fernerhin als Volkslehrer dulden“304. Wenn die Oberkonsistorialräte sich nach dieser Anweisung richteten und „eine gute Ordnung in den verschiedenen Kirchen Systemen einzuführen und zu behaupten sich pflichtmäßig angelegen seyn laßen“, könnten sie – schloß Carmer konsenssuchend – „der Königlichen Gnade und kräftigen Schutzes gegen alle und jede Beeinträchtigungen ihrer Glaubens- und Gewißens-Freyheit sich zuverläßig versichert halten“305.

XI. Der „Schluß der ganzen Sache“ Als erster erhielt Spalding die Resolution. Am 28. November 1788 notierte er auf dem hinzugefügten Circulare306, daß das Schriftstück vor einigen Stunden an ihn abgegeben worden sei – „und das wird ohne Zweifel der Schluß der ganzen Sache seyn sollen. Die Qualität eines Referenten, in welcher der unsymbolische Geistliche symbolische Kirchensatzungen lehren soll, ist vor anderem merkwürdig.“307 Nach 16 Uhr an demselben Tag erhielt Büsching den Bescheid und das Circulare und schickte beides um 17 Uhr an Diterich weiter: „Wir haben gethan, was wir für räthlich und pflichtmäßig hielten, nun können und müssen wir schweigen308. Am nächsten Tag, dem 29. November, leitete Diterich das Schriftstück Teller zu: „Da es mir jetzt an Zeit fehlt, diesen Be301

Ebd. AaO Bl. 58v. 303 Auch in der Quelle ist hier übrigens von den protestantischen Kirchen im Plural die Rede. 304 AaO Bl. 59r. 305 Ebd. 306 Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 43 (XXV.). Dieses Circulare findet sich nicht in den handschriftlichen Akten. 307 Ebd. 308 Ebd. 302

XI. Der „Schluß der ganzen Sache“

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scheid mit Bedacht zu lesen: so will ich ihn nicht bei mir aufhalten, mir aber auch denselben gefällig wieder ausbitten.“309 Auch Teller notierte, daß er sich die Resolution nochmals ausbitte310. Sack vermerkte am 30. November nur knapp: „legi.“311 Die von den Oberkonsistorialräten erstrebte anspruchsvolle Diskussion scheiterte an der mangelnden theologischen Kompetenz der obrigkeitlichen Gesprächspartner. Der Dialog war eine Anstrengung, deren erprobte Nutzlosigkeit wenig dazu ermutigte, sie zukünftig auf sich zu nehmen.

309

Ebd. Wilhelm Abraham Teller verfaßte noch gedruckte „Wohlgemeinte Erinnerungen an ausgemachte aber doch leicht zu vergessende Wahrheiten auf Veranlassung des Königl. Edicts die Religionsverfassung in den Preußischen Staaten betreffend bey Gelegenheit einer Introductionspredigt“. Sie erschienen 1788 in Berlin. Vgl. dazu Nüsseler, Dogmatik, 205–209. 311 Sack, Urkundliche Verhandlungen, 3–48, hier 43 (XXV.). 310

E. Erste Maßnahmen Das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 konnte der Aufklärung in der Kirchenund Schulwirklichkeit nicht ohne weitere Maßnahmen wehren. Daher plante Woellner die Einführung eines neuen Katechismus zur Durchsetzung des Religionsedikts. Und für die Examensprüfungen verfaßte Hermann Daniel Hermes ein „Schema Examinis Candidatorum“.

I. Der neue Katechismus 1. Die Entstehung Im Preußen des späten 18. Jahrhunderts waren im Unterricht der Religion verschiedene Katechismen üblich. Zwar sollten im lutherischen Unterricht Luthers Kleiner Katechismus und im reformierten Unterricht ausschließlich der Heidelberger Katechismus Verwendung finden, jedoch die kirchliche und schulische Wirklichkeit ging mit diesen Befehlen nicht immer konform1. 1 Wolfgang Neugebauer, Absolutistischer Staat und Schulwirklichkeit in BrandenburgPreußen. Mit einer Einführung von Otto Büsch, VHK 62, Berlin / New York 1985, 104. Am 9. August 1788 (GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 14r–15v) trug Rudolph Friedrich Schultze, zweiter Prediger an der Magdeburger Petrikirche, Woellner „einige fromme Wünsche“ an. AaO Bl. 14r. „Da die nie genug zu rühmende Absicht des vorgedachten Allergnädigsten Edikts ist, daß die sämtlichen Lehrer des Landes unsers Königs die Wahrheiten unserer Bekentnißbücher schriftmäßig nach denselben lehren sollen: so wäre zu wünschen, daß sie auch alle nach solchen Büchern, worin die reinen Bibelwahrheiten, nach Masgabe der symbolischen Büchern zu finden sind, die Jugend unterrichten möchten.“ AaO Bl. 14v. Für die Jugend sei es bislang besonders schädlich gewesen, daß die Lehrer vornehmlich solche Bücher für den Unterricht gewählt hätten, in denen „Socius [sic] Lehren begünstiget“ gewesen wären. Ebd. „Es wäre daher nicht nur mein Wunsch, sondern auch Wunsch einer großen Anzahl solcher Lehrer, und ächter Christen, denen die reine Lehre Jesu theuer geblieben ist, daß alte und junge Zuhörer möchten wieder auf Luthers Catechismus zurückgeführet werden, damit sie erfahren, was Luther und die übrigen Reformatoren geglaubt und gelehret haben, und wir nach unsern Symbolischen Büchern und nach der Bibel glauben sollen.“ AaO Bl. 14v–15r. Zwar seien in Preußen den Predigern und Schullehrern zum Unterricht der Jugend schon längst der Kleine Katechismus Luthers und die „Die christliche Lehre im Zusammenhang“ anbefohlen, jedoch sei es wünschenswert, daß durch ein erneuertes Edikt verordnet werden würde, diese beiden Bücher „in allen deutschen Schulen wieder einzuführen“. AaO Bl. 15r.

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Im Religionsunterricht der Schulen gebrauchten die Lehrer als Hilfsbüchlein meistens Johann Samuel Diterichs „Unterweisung zur Glückseligkeit nach der Lehre Jesu“2. Das Buch bestand aus einer Einleitung, einem Hauptteil, der „Die christliche Lehre selbst“ behandelte, und einem Schlußteil, der „Die Zuverläßigkeit der christlichen Lehre“ vor Augen führte. Den Sätzen der „Unterweisung“ waren sehr häufig Bibelzitate nachgestellt. Die Einleitung3 handelte von dem Verlangen des Menschen, für immer glückselig zu sein, und von der dazu erforderlichen Erkenntnis. Die Lehre Jesu leite auf sicherem Weg dorthin. Der Hauptteil führte aus, daß die christliche Lehre den Menschen – erstens – zeige, daß sie für immer glücklich werden könnten, und – zweitens – sage, was sie tun müßten, um für immer glücklich zu werden. Erstens: Gott allein könne und wolle die Menschen für immer glücklich machen. Gott habe sich den Menschen zuvörderst durch seine Werke in der Natur offenbart. Außerdem habe er sich durch Personen offenbart, die er gesandt habe, um den Menschen die Erkenntnisse mitzuteilen, die er den gesandten Personen von sich selbst und seinem Willen gegeben habe. Unter diesen sei die vorzüglichste Person Jesus Christus. Gott ziele bei den Menschen ebensosehr auf ihre Heiligung wie auf ihre Glückseligkeit, denn wer glückselig sein wolle, müsse auch geheiligt sein4. „Wohl uns alsdann, wenn wir hier gute Menschen geworden, und als solche unser Leben auf Erden geendigt haben! Dann sind wir sicher, nicht in den elenden Zustand zu kommen, der auf die Bösen in jener Welt wartet; deren Aufenthalt dann in der Hölle, an dem Ort der Einschränkung und Quaal seyn wird; und die da, nach dem Maaß ihrer Schuld, die verdienten Strafen ihrer Sünden leiden; die dabey von den peinlichen Vorwürfen ihres Gewissens, daß sie selbst an ihrem Elend schuld sind; – von den vergeblichen Wünschen, ihrer Bestrafung zu entgehen; und von den unordentlichen Begierden, welche sie in jene Welt mitgenommen, und da doch nicht befriedigen können, eben so sehr werden gefoltert werden, als von dem äußern Elend, welches sie dann fühlen müssen.“5 Zweitens: Um für immer glücklich zu werden, müßten die Menschen gut gesinnt werden und leben. Dazu gehöre Liebe zu Gott, zu sich selbst und zu den Mitmenschen.

2 [Johann Samuel Diterich,] Unterweisung zur Glückseligkeit nach der Lehre Jesu, neue vermehrte Aufl., Berlin 1782. Die „Unterweisung“ bot den Lesern durch das durchgehende Stilmittel der Rede in der ersten Person Plural eine hohe Identifikationsmöglichkeit. Die erste Auflage war 1772 erschienen. 3 AaO 1 f. 4 AaO 30, Satz 66. 5 AaO 57, Satz 113.

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E. Erste Maßnahmen

Woellner nun plante dieses Buch zu ersetzen. Der glückende Zufall der Geschichte wollte es, daß vor vielen Jahren Diterich selbst, als junger Prediger, für seine Konfirmanden ein orthodoxes Schriftlein hatte drucken lassen. Weder war es im Buchhandel erschienen noch hatte er seinen Namen darauf setzen lassen. Es schien vergessen. Doch nun brauchte Woellner lediglich das gegenwärtig gebrauchte Buch Diterichs gegen das alte Stück desselben Verfassers zu vertauschen6. Von der theologischen Fakultät zu Halle sowie von der theologischen Fakultät zu Königsberg forderte Woellner durch ein Reskript vom 11. April 1789 ein Gutachten über die Orthodoxie des Buches7. Da nach königlichem Befehl ein allgemeines Lehrbuch der christlichen Glaubenslehre der lutherischen Konfession in sämtlichen Preußischen Staaten allgemein eingeführt werden sollte, erhielten die beiden Fakultäten je sechs Exemplare der „Ersten Gründe der Christlichen Lehre“8 mit dem Befehl, das Buch unter ihre Mitglieder zu verteilen, um seinen Inhalt genau zu prüfen und dann gemeinsam zu entscheiden, ob die „Ersten Gründe“ nichts gegen die Orthodoxie der lutherischen Kirche enthielten und also zum Unterricht der Jugend bestimmt werden könnten. Ebenfalls am 11. April notierte Woellner auf einem Zettelchen, daß das nach Halle und Königsberg gehende Reskript in Form eines höflichen Anschreibens von Seiten des Geistlichen Departements auch an die theologische Fakultät zu Wittenberg unter Beigabe von sechs Exemplaren der „Ersten Gründe“ zu schicken sei9. Der allgemeine Ruf der Wittenberger Fakultät „in gründlicher Beurtheilung der Lutherischen Orthodoxie, und das feste Vertrauen auf Meiner hochgeehrten Herren freundschaftliche Gesinnungen“, daß sie zu dieser allgemeinen nützlichen Einrichtung das Ihre beitragen würden, hatten Woellner zu diesem Hilfegesuch veranlaßt. Nachdem die Wittenberger ein Gutachten abgegeben hatten, in dem sie das Buch für gut, wenngleich an manchen Stellen – etwa bei der Abendmahlslehre – noch nicht für hinreichend

6 Als „Streben nach Vermittlung“ kann dieses Vorhaben kaum bezeichnet werden. Gegen Peter Krause, Mit Kants schädlichen Schriften muß es auch nicht länger fortgehen. Trägt die Ära Woellner ihren Namen zu Recht?, in: Wolff, Jörg (Hg.), Stillstand, Erneuerung und Kontinuität. Einsprüche zur Preußenforschung, Rechtshistorische Reihe 234, Frankfurt a. M. u. a. 2001, 87–140, hier 100. 7 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 1r [Konzept]. Die Ausfertigung findet sich aaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 2r. 8 [Johann Samuel Diterich,] Die Ersten Gründe der Christlichen Lehre [1789]. Wenig später erschien [Johann Samuel Diterich,] Die Ersten Gründe der Christlichen Lehre, Berlin 1790. 9 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), unpag.

I. Der neue Katechismus

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rechtgläubig befunden hatten10, gab Woellner am 16. Mai die Anweisung, daß zügig im Namen des Geistlichen Departements ein Danksagungsschreiben expediert werden solle11. Die Hallenser Fakultät bestätigte zwar die Orthodoxie der „Ersten Gründe“, lehnte sie aber wegen ihrer schwierigen Sprache, ihrer häufig unrichtigen Darstellung und ihrer Zurücksetzung der Moral zugunsten der Dogmatik ab12. Woellner ließ sich von dem Gutachten nicht beirren, sondern erwartete Ende 1789 Diterichs Zustimmung für den Coup. Diterich jedoch wollte sich keineswegs zu seinem früheren Werk bekennen. Er erklärte Woellner, daß die „Ersten Gründe“ seinen verbesserten Einsichten nicht mehr entsprächen und auch nie zu einem allgemeinen Lehrbuch bestimmt gewesen seien. Im Sinne des Wittenberger Gutachtens wurde das Buch dann dennoch gegen Diterichs Willen oberflächlich überarbeitet und ohne Namensangabe gedruckt. Anfang 1790 schließlich erschienen „Die Ersten Gründe der Christlichen Lehre. Auf Befehl und mit allergnädigstem Königlich Preußischen Privilegio; Berlin, im Verlage der Königlichen Realschulbuchhandlung 1790“. Insgesamt enthielt das Büchlein 440 Fragen und Antworten13. Am 19. Januar 1790 erging an Woellner eine wohl von ihm selbst konzipierte Kabinettsordre14. Der König habe die von Woellner eingesandten Anfangsgründe erhalten und befehle nun, dieses Buch zum Unterricht der Jugend der lutherischen Konfession in Preußen unverzüglich einführen zu lassen. Alle Prediger und Schullehrer der lutherischen Kirchen müßten streng angewiesen werden, allein dieses Buch beim Unterricht der Kinder im Christentum zu gebrauchen, denn für jede Konfession der protestantischen Kirche solle nur ein einziges allgemeines Lehrbuch verwendet werden. Daher habe der König auch an das reformierte Geistliche Departement den Befehl erteilt, ein einheitliches Buch für alle reformierten Gemeinden zu bestimmen. Woellner ließ sich in der Kabinettsordre an die sowohl mündlich als auch schriftlich erteilten Befehle des Königs erinnern, daß die Prediger „die Grundsätze ihrer Kirche“ beim Unterricht nicht nach ihrer Willkür abändern, sondern sie genau befolgen müßten, „denn sie sind Diener der Religion und nicht Herren und Meister derselben“. 10 Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 1, Leipzig 1880, 237 f und Paul Schwartz, Der erste Kulturkampf in Preußen um Kirche und Schule (1788–1798), MGP 58, Berlin 1925, 164 f. 11 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 4r. Bereits an demselben Tag erging dann das kurze Schreiben. AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 5r [Konzept]. 12 Philippson, Geschichte, Bd. 1, 237 f und Schwartz, Der erste Kulturkampf, 164 f. 13 AaO 153–157. 14 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 6r.

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E. Erste Maßnahmen

Ein Gewissenszwang bestehe nicht: „Niemand soll lehren was er will, sondern das was vorgeschrieben ist, obgleich ein jeder auf seine eigene Gefahr glauben kann was er will.“ Diejenigen Prediger und Schullehrer, die sich dieser Ordnung nicht fügten, müßten als ungehorsame Untertanen ihres Amtes entsetzt werden. Friedrich Wilhelm II. befahl Woellner, sich „keine unzeitige Nachsicht“ zu Schulden kommen zu lassen. Woellner holte kein Gutachten des Oberkonsistoriums ein, sondern setzte unter dem 27. Januar 1790 alle Landeskonsistorien und geistlichen Dikasterien inklusive Schlesien durch ein Circulare von dem Büchlein in Kenntnis15. Der König wolle dieses Lehrbuch einführen lassen, damit im Gefolge des Religionsedikts vom 9. Juli 1788 jeder Prediger und Schullehrer eine „Richtschnur“ und einen „sichern Leitfaden“ habe, die in der Bibel enthaltenen christlichen Lehren nach dem Glaubensbekenntnis der lutherischen Kirche „rein und lauter“16 vorzutragen und hauptsächlich die Jugend bei der Vorbereitung zum Abendmahl darin fest zu gründen, damit sie „um so weniger durch die jezt so sehr überhand nehmenden so genannten Aufklärer irre geführet werde“17. Daher sollten die Konsistorien von den Inspektoren und Schulaufsehern unverzüglich eine ungefähre Bestimmung der Anzahl der benötigten Exemplare der Anfangsgründe einfordern und an das Geistliche Departement einsenden. Durch die Inspektoren und Vorsteher der Schulen sollten die Konsistorien die größtmögliche Wachsamkeit walten lassen, damit kein Prediger oder Schullehrer – bei Strafe der Kassation – im Religionsunterricht der Kinder ein anderes Buch oder eigene Aufsätze gebrauche18. 2. Die Reaktion aus dem Oberkonsistorium Wieder war es, wie bereits im Herbst 1788, das Oberkonsistorium – zu dem inzwischen auch Johann Friedrich Zöllner und Friedrich Gedike zählten –, das 15

Woellners Konzept findet sich aaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 7r–7v. Das kleinere Abweichungen enthaltende Circulare von Schreiberhand findet sich aaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 8r–8v. 16 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 7r und aaO Bl. 8r. 17 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 7r. Mit geringfügiger Abweichung aaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 8r. 18 In den Anfangsgründen waren, um dem Gedächtnis der Kinder und Jugendlichen zu Hilfe zu kommen, nur diejenigen Antworten, die auswendiggelernt werden sollten, mit grober Schrift oder sog. Schwabacher Schrift gedruckt. Für das Verschicken der in der Berliner Realschule gedruckten Anfangsgründe war, wie der König v. Werder in einer Kabinettsordre unter dem 1. Februar 1790 mitteilte, ein Zeitraum von einem Jahr berechnet. AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 10r [Abschrift].

I. Der neue Katechismus

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sich widerständig zeigte. Unter dem 11. Februar 1790 brachte Zöllner seine Bedenken zu Papier19. Die Gewissenspflicht, die jedem Oberkonsistorialrat obliege und zu der ihn seine Bestallung anweise, werde im vorliegenden Fall noch dadurch verstärkt, daß die königliche Absicht, die der Kabinettsordre vom 19. Januar zugrunde lag, „die innigste Verehrung und die aufrichtigste Dankbarkeit“ verdiene. Und gerade deshalb müsse gehörigen Orts dargelegt werden, daß diese Absicht durch die Einführung des vorgeschriebenen Buchs keineswegs erreicht, sondern vielmehr „unausbleiblich vereitelt“ werde. Entstünde dermaleinst der Schaden, der mit großer Gewißheit vorauszusehen sei, würde das Oberkonsistorium sich weder vor Gott und der Welt noch vor dem Thron selbst mit dem Umstand entschuldigen können, daß es nicht nach seiner Meinung gefragt worden sei. Denn der König könne unmöglich selbst alle Angelegenheiten untersuchen, die er den Landeskollegien anvertraut hatte. Erstens: Es sei überhaupt sehr ungünstig, ein einziges Buch zum Leitfaden des Religionsunterrichts für das ganze Land vorzuschreiben, da die Voraussetzungen der Jugend zu unterschiedlich seien. Auf dem Land kenne die Jugend kaum die Büchersprache, so daß darauf sowohl in der Sache als auch im Ausdruck Rücksicht genommen werden müsse. Besonders bei der Wahl der Beweise und bei dem Vortrag der Pflichten müsse man sich die Vorstellungen und die Verhältnisse des Landmanns vergegenwärtigen. Zöllner propagierte das neologische Modell der Akkommodation: Der Prediger habe dem Beispiel Jesu zu folgen, der mit seinen Zuhörern auf dem Feld anders als mit den Schriftgelehrten und Pharisäern redete. Überdies sei es angesichts der notorischen Armut des gemeinen Mannes problematisch, daß die kleinen Kinder ein Buch bezahlen sollten, in dem nur ein Viertel oder Fünftel für sie selbst bestimmt war und das sie, da die Bücher in Schülerhänden rasch zerschlissen, unter Umständen zwei- oder dreimal kaufen müßten. Zweitens: Mit diesem Buch würde der Zweck, „eine gewiße Gleichförmigkeit in der religiösen Denkungsart hervor zu bringen“, niemals erreicht werden. Sollten die Kinder die vorgeschriebenen Antworten bloß auswendig lernen, ohne sie zu verstehen, könnte dies schlechterdings zu nichts weiter nützen, als daß sie die Antworten aufsagen könnten, sooft ihnen die ebenfalls vorgeschriebene Frage vorgelegt würde. Aber „Trost, Hofnung, Ermunterung und Stärkung zum Guten“ könnten die Kinder nicht daraus schöpfen. Drittens: Ein allgemein einzuführendes Lehrbuch müßte in jeder Hinsicht dermaßen vollkommen sein, wie es menschlicher Fleiß und menschliche Einsicht nur irgend leisten könnten. Seine gewaltsame Einführung würde zwar auch dem noch immer großen Teil des Publikums eine Art von Zwang, selbst 19 Silberschlags Votum datierte vom 18. Februar 1790. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 27, unpag. [Abschrift].

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E. Erste Maßnahmen

von Gewissenszwang, zu sein scheinen. Aber die Vollkommenheit des Buches würde den Zwang beträchtlich mildern. Und noch mehr fiele der Anlaß zu Beschwerden weg, wenn ein solches Buch schon eine gewisse Autorität hätte, weil entweder die Verfasser – denn kaum würde es ein einzelner auf sich nehmen können, eine derart große Aufgabe zu lösen – das Zutrauen des Publikums genössen oder bereits ein allgemeiner Gebrauch des Buchs gezeigt hätte, daß es allgemeinen Beifall fände. Man könne daher davon ausgehen, daß bei den Untertanen reformierter Konfession der neu einzuführende Katechismus ohne besondere Schwierigkeiten Eingang finden werde, weil bei den Reformierten nun, dem Verlauten nach, tatsächlich ein Katechismus bestätigt war, der bereits in vielen Schulen und von vielen Predigern gebraucht wurde. Da hingegen bei den Lutheranern das vorgeschriebene Buch von einem dem Publikum unbekannten Verfasser herrührte und sonst noch nicht in allgemeinem Gebrauch gewesen war, stehe zu erwarten, daß viele Gemeindeglieder, die es selbst nicht prüfen könnten, die geheime Sorge hegen würden, es werde ihnen hier ein neues Symbolisches Buch aufgezwungen, das sie vielleicht in ihren Glaubensmeinungen irreführen werde. Ein nicht geringer Schade sei überdies, daß durch diesen Katechismus die Annäherung der beiden protestantischen Kirchen, die von Friedrich Wilhelm I. sehr befördert worden war, neuerlich gehemmt werde. Viertens: Die Einführung dieses Buchs unter Androhung der Strafe der Kassation sei eine neue Quelle unabsehbaren Schadens, denn ein derart strenger Befehl könne in der Öffentlichkeit nur den Verdacht erregen, daß mehrere oder alle Geistlichen in Preußen sich gegen dieses Buch erklärt hätten. Und dies würde zu Mißtrauen entweder gegen das Buch oder gegen die Prediger führen. „Und wo in Zukunft ein Prediger sein sonstiges Lehrbuch fahren läßt, und das vorgeschriebene annimmt, das wird seine Gemeine, wenigstens ein Theil derselben, laut sagen, oder auch heimlich denken: ‚auch dieser lehrt nun, um seines Brodes willen, etwas, das er im Herzen nicht glaubt.‘ Und keine Versicherung des Predigers, daß er vollkommen einstimmig mit dem vorgeschriebenen Lehrbuche denke, wird dagegen etwas fruchten, weil man sagen wird: ‚er müße so sprechen, um nicht caßirt zu werden.‘“ Der gesamte Predigerstand müsse dadurch in der allgemeinen Achtung sinken, zumal es nicht an Spöttern mangeln werde, die diese Meinung zu verbreiten suchen würden. Abschließend wandte sich Zöllner der den Predigern angedrohten Kassation zu. Das einzige rechtliche Argument, mit dem ein Prediger, der sich weigerte, nach diesem Buch seine Katechumenen zu unterrichten, seines Amts für verlustig erklärt werden könnte, würde im übrigen nur dies sein können, daß er die ihm bei der Übertragung des Amtes gemachte Bedingung, den Lehrbegriff der lutherischen Kirchen vorzutragen, nicht erfülle.

I. Der neue Katechismus

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Im vorliegenden Fall könne daraus aber kein Rechtsgrund genommen werden. Wenn auch das vorliegende Buch dem Inhalt der Symbolischen Bücher angemessen wäre, sei ja hier nicht eigentlich die Rede vom Lehrbegriff, den der Prediger überhaupt vortragen solle, sondern von dem, was er die Jugend zu lehren habe. Die Symbolischen Bücher waren niemals bestimmt, eine unabänderliche Lehrnorm zu werden, und am allerwenigsten konnte durch sie für die Bedürfnisse aller folgenden Zeiten gesorgt werden. Hinzu kämen noch die auffallenden Mängel des Buches. Es enthalte nicht nur eine Menge an Unrichtigkeiten, die keinem Menschen – ohne den größten Gewissenszwang – aufgezwungen werden könnten, sondern auch solche Lehrsätze, die in den Symbolischen Büchern entweder gar nicht oder ganz anders bestimmt würden20. In dem Buch würden zudem viele Lehren fehlen, die „schlechterdings“ in den Unterricht der Katechumenen gehörten21. Zöllners Schreiben zirkulierte, und am 12. Februar stimmte Johann Samuel Diterich zu. Auch Johann Joachim Spalding meinte, daß dieser Katechismus „dem wahren Zweck eines heilsamen Anfangsunterrichts in der Religion so gar nicht angemeßen“ sei. Anton Friedrich Büsching hielt es sogar für äußerst notwendig, „sich dem schädlichen Despotismus in Religions- und KirchenSachen zu wiedersetzen, der aus dem beiliegenden Befehl hervorgehet“. Auch Wilhelm Abraham Teller stimmte in der Hauptsache zu. Friedrich Samuel Gottfried Sack hatte noch keine Gelegenheit gefunden, den Katechismus näher zu prüfen, da ihm erst am Vortag bekannt geworden war, daß er in der Realschulbuchhandlung verkauft werde. Doch auch wenn er das Buch gelesen hätte, enthielte er sich einer Beurteilung, weil die Vorschrift nur die Lehrer der lutherischen Konfession betreffe. Eine gemeinsame Vorstellung der Oberkonsistorialräte freilich beim Geistlichen Departement sei in einer so wichtigen Sache angemessen. Im übrigen erachtete er es als notwendig und gut, daß den Predigern und Schullehrern für den Religionsunterricht der Jugend ein allgemeines Lehrbuch in die Hände gegeben und nicht jedem eine 20 Zöllners Beilage A umfaßte viereinhalb Seiten. Neben anderen wurden die Fragen 129, 130 und 189 des Buches traktiert. Zu Frage 129 hieß es: Die Stelle Röm 5,12 sage kein Wort davon, daß die Menschen durch den Sündenfall ihre Natur verderbt und diese verderbte Natur auf ihre Nachkommen fortgepflanzt hätten. Zu Frage 130 hieß es: Offb 2,5 handele offenbar nicht vom Sündenfall der ersten Menschen. Zu Frage 189 hieß es: Weder die Symbolischen Bücher der lutherischen Kirche noch das Neue Testament lehrten, was hier ohne allen Beweis gesagt wurde, daß nämlich Jesus Christus durch seine Hingabe in den Tod das Gesetz Gottes, an der Menschen Statt, erfüllt habe. 21 Zöllners Beilage B umfaßte zwei Seiten. Die Lehre von der Vorsehung Gottes sei zu dürftig abgehandelt. Außerdem erläutere das Buch nicht die rechten Gesinnungen beim Genuß des Abendmahls. Und die wichtige Lehre vom Gebet werde sehr knapp erwähnt. Die Lehre von den Pflichten bestehe bloß aus einem Verzeichnis der wichtigsten Tugenden und einzelner Obliegenheiten, das keine Ideen an die Hand gebe, durch die „das Herz erwärmt und Entschloßenheit zur Gottseligkeit im äußern Verhalten“ hervorgebracht werden könne.

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E. Erste Maßnahmen

freie Wahl gelassen werde. Je mehr sich ein solches Lehrbuch von einem theologischen Kompendium unterscheide, desto brauchbarer werde es sein. Friedrich Gedike äußerte sich am 12. Februar: Wenn unter allen Umständen ein allgemeines Lehrbuch eingeführt werden sollte, dann wäre der Kleine Katechismus Luthers am zweckmäßigsten, wiewohl er gern zugebe, daß dieser alte Katechismus für die gegenwärtigen Zeiten nicht mehr recht passend sei. Gedike selbst schlug Diterichs „Anweisung zur Glückseligkeit nach der Lehre Jesu“ vor, zumal dieses Buch bereits gegenwärtig – ohne vorausgegangenen Befehl – wegen seiner Vortrefflichkeit gewissermaßen ein allgemeines Lehrbuch neben dem Lutherischen Katechismus geworden und zum Teil auch von reformierten Geistlichen mit großem Nutzen gebraucht worden sei22. Johann Esaias Silberschlag stimmte Zöllner nicht zu, sondern verfaßte am 18. Februar eine lange 22seitige Verteidigung23. Zöllner habe entgegen seiner Ankündigung keine angeblichen Irrtümer und Widersprüche in dem neuen Katechismus gegen die Bekenntnisbücher, gegen die Schrift und gegen die Grundsätze der gesunden Vernunft aufgeführt. Der nützliche neue Katechismus sei „gefährlich, tödlich gefährlich der in eine vielköpfige Hyder verwandelten bisherigen Religionszerrüttung, die in der Lutherischen Kirche der preußischen Staaten hervor gekrochen ist, die Lästerungen über Lästerungen gegen das preiswürdige Religions-Edict und über der Wahrheit treu gebliebenen Lehrer sowol in öffentlichen Journalen, als besondern Läster-Schriften ausgezischet hat“24. Ihr Aufbegehren brachten Carl Franz v. Irwing, Joachim Friedrich v. Lamprecht, Teller, Diterich, Johann Christoph Nagel, Gedike, Sack und Zöllner am 23. Februar 1790 schriftlich vor den König25. Zwar hatten sie an demselben Tag die Inspektoren dem Reskript vom 27. Januar 1790 gemäß unterwiesen, aber nach der Pflicht, die sie nicht allein dem König, sondern auch ihrem Gewissen schuldig seien, müßten sie dem Geistlichen Departement in ihren in genauer Abschrift beigelegten Voten die Gründe vorlegen, die sie meinen ließen, daß es überwiegenden Schwierigkeiten unterworfen sei, ein einziges Lehrbuch für die Jugend einzuführen. Und sollte trotzdem nur ein einziges Lehrbuch eingeführt werden, dann wären zumindest die Anfangsgründe keineswegs zweckmäßig für den Unterricht der Jugend eingerichtet. Die Einführung stehe der Ausbreitung 22 Die nichtgeistlichen Räte äußerten sich nicht inhaltlich. Johann Christoph Nagel und Joachim Friedrich v. Lamprecht stimmten Zöllners Ausführungen am 13. Februar zu, v. Irwing schloß sich am folgenden Tag an. AaO unpag. [Abschrift]. 23 AaO unpag. [Abschrift]. 24 AaO unpag. [Abschrift]. Zu Frage 130 erläuterte Silberschlag, daß Offb 2,5 durchaus nicht vom Sündenfall der ersten Menschen handeln sollte. Und in bezug auf Frage 189 verwies er auf Gal 3,4 und Röm 5,19. 25 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 18r–18v.

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„des wahren biblischen Christenthums“ und dem „kirchlichen System“26 in den Gemeinden lutherischer Konfession entgegen. Die Räte fügten auch Silberschlags der Mehrheit der Stimmen entgegenlaufendes Votum bei27, waren aber überzeugt, daß der König in dieser dem Vaterland so wichtigen Sache einen Entschluß fassen werde, welcher der „Welt und Nachwelt“28 heilsam sein möge. Woellner jedoch bekümmerte sich nicht um die Einwände der Oberkonsistorialräte, sondern konzipierte ein Reskript an v. d. Hagen, das unter dem 9. März erging29. Der König wolle ein einziges Lehrbuch einführen, nachdem verschiedene lutherische Prediger eigenmächtig von den Grundwahrheiten und den von altersher festgesetzten Lehrsätzen ihrer Religionspartei abgewichen waren, indem sie die Lehrsätze teils „verzerret und verdrehet“30, teils aber ganz „weggeworfen“ und ihre eigenen Meinungen an deren Stelle gesetzt hätten, wodurch sie „die Gemüther verwirret“31 und bei ihren Gemeinden „lauter Unordnungen“32 verursacht hätten33. 3. Der weitere Widerstand a) Die Reaktion aus Halberstadt Gegenwind kam auf. Nie zuvor hatten sich in Preußen untergeordnete Behörden in einer solchen Weise gegen einen Minister erhoben34. Aus Halberstadt wehte Woellner eine starke Böe entgegen. Am 2. März 1790 schrieb der Domdechant Stolberg aus Halberstadt, nachdem er gehört hatte, daß das 26 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 18r. 27 Silberschlags Votum datierte vom 18. Februar 1790. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 27, unpag. [Abschrift]. 28 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 18v. 29 Woellners Konzept findet sich aaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 21r–21v. Der Text von Schreiberhand findet sich aaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 19r–20r. 30 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 21r und aaO Bl. 19r. 31 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 21r. Mit geringfügiger graphematischer Abweichung aaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 19r. 32 Ebd. 33 Am 12. März 1790 notierte Woellner auf diesem Konzept von Schreiberhand, daß eine Abschrift zur Einsicht für den König angefertigt werden und eine weitere Abschrift zu seinen Manualakten gehen solle. AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 20r. 34 Philippson, Geschichte, Bd. 1, 239.

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E. Erste Maßnahmen

Halberstädter Konsistorium dem ersten Inspektor, dem Konsistorialrat und Oberdomprediger Johann Werner Streithorst, aufgetragen hatte, allen Predigern und Schullehrern der Domkapitularischen Diözese bekanntzumachen, daß sie die „Ersten Gründe“ überall einführen und die Zahl der benötigten Exemplare anzeigen sollten35. Da in der königlichen Konzession vom 31. Juli 1776 dem Halberstädter Stift die Aufsicht über dessen Prediger und Schullehrer und die Direktion der Schulanstalten allein ohne Konkurrenz des Konsistoriums übertragen worden war und auch die Vorschriften zum Lehren und Unterrichten nicht zu den im Reskript vom 5. Dezember 1776 vorbehaltenen Polizeisachen gehörten, sei durch die jetzige Verfügung des Konsistoriums den „Gerechtsamen“ offenbar zu nahe getreten36. Das Stift hatte vermöge der Konzession von 1776 den Unterricht sowohl in den Patronatsschulen als auch im Seminar zu verbessern gesucht und 1787 dazu einen Plan ausarbeiten lassen, in dem für den Religionsunterricht das Buch des Konsistorialrats Friedrich Conrad Lange „Biblische Grundsätze von der menschlichen Glückseligkeit für Jedermann“ zugrunde lag37, das dann mit großem Kostenaufwand angeschafft worden war. Nach diesem Plan waren die Patronatsprediger und Schullehrer instruiert worden, so daß sie nun also die „Ersten Gründe“ entbehren könnten. Weil bei einer derart raschen Auswechslung des Lehrbuchs im übrigen nur „Unruhen und Irrungen“ sowohl der Lehrer und Lernenden als auch der Gemeinden zu befürchten seien, baten sie, dem Halberstädter Konsistorium zu befehlen, ihren Oberinspektor „mit dergleichen Zumuthungen zu verschonen“38. Unter dem 1. April 1790 erging ein königliches Reskript an das Domkapitel zu Halberstadt39, daß die Resolution an das Domkapitel zunächst ausgesetzt werden solle. Der König erwarte einen Bericht über den bisherigen Umgang mit der Konzession. Am 27. April erstatteten der Präsident, der Direktor und 35 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 22r–22v. Am 7. Juli 1788 hatte Stolberg sowohl sich selbst als auch das Halberstädter Domkapitel und Stift Woellners Wohlgefallen anempfohlen. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 29, Bl. 60r. 36 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 22r. 37 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 22r–22v. Fälschlich gab Stolberg als Titel „Biblische Grundsätze zur Glückseligkeit für Jedermann“ an. Friedrich Conrad Lange, Biblische Grundsätze von der menschlichen Glückseligkeit für Jedermann, Hamburg/Kiel 1780. Die zweite Auflage erschien 1787. 38 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 22v. 39 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 25r. Das Reskript hatte Scholz nach dem Vortrag im Staatsrat konzipiert. AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 24r.

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die Räte des Konsistoriums des Fürstentums Halberstadt Bericht40. Durch die Konzession sei nicht das Recht des Konsistoriums aufgehoben worden, landesherrliche Verordnungen bekanntzumachen, die von allen Predigern und Schullehrern befolgt werden sollten41. Diese Nachricht war ganz nach Woellners Sinn und Geschmack. Unter dem 11. Mai erging dann ein von Woellner und v. Irwing unterschriebenes Reskript an das Halberstädter Domkapitel42. In der Konzession seien dem Domkapitel nur die Direktion und die private Aufsicht über die Domschulen und alle ihrer Jurisdiktion unterworfenen Patronate und Landschulen, ohne Konkurrenz eines Landeskollegiums, sowie das Recht verliehen worden, nach dem Ausscheiden ihrer Patronatsprediger, Schullehrer und Kirchenbedienten andere Subjekte zu berufen und anzusetzen. Aber dem Landesherrn allein stehe die Oberaufsicht über das gesamte Schulwesen zu, weil ihm die Fürsorge für die Erhaltung der „Reinigkeit der Glaubenslehren“43 obliege. Die Landstände des Fürstentums Halberstadt verstärkten den Gegenwind zu einem Sturm der Entrüstung und wandten sich am 13. März 1790 an den König44, nachdem sie erfahren hatten, daß dem Halberstädter Konsistorium aufgetragen worden war, allen Predigern und Schullehrern den Gebrauch des neuen Buchs aufzugeben45. Da im Westfälischen Frieden festgelegt worden war, daß die Stände und Untertanen des Halberstädter Fürstentums zu allen Zeiten bei der Religionsausübung nach der Confessio Augustana belassen werden sollten und da dies auch in dem Rezeß von 1650 § 1 ausdrücklich bestätigt worden war – mithin ohne Zuziehung der Stände ein neues Lehrbuch nicht eingeführt werden könne und die Stände das Lehrbuch, ohne es zuvor geprüft zu haben, nicht annehmen könnten –, müßten sie sich gegen das neue Buch erklären46.

40 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 37r–39v. 41 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 38r–38v. 42 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 41r–41v. v. Irwing hatte dies auf dem Brief des Konsistoriums konzipiert. AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 37r. 43 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 41r. 44 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 26r–28r. 45 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 26r. 46 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 26v.

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E. Erste Maßnahmen

Es sei ihnen hinterbracht worden, daß das neue Lehrbuch einen zweckmäßigen Religionsunterricht unmöglich mache und alle Regeln einer guten Methode mißachtet würden. Die Antworten würden weit mehr sagen, als die Fragen wissen wollten47. Die Bibel werde schlecht erklärt, aus biblischen Ausdrücken und Redensarten sollten besondere Lehrsätze gemacht werden, die Beweisstellen häufig aus dem Zusammenhang gerissen sein und im Zusammenhang nicht dasjenige beweisen, was sie eigentlich beweisen sollten. Es sollten sich in dem Lehrbuch Widersprüche gegen die Confessio Augustana und „statt Biblischer Religion, scholastische Theologie befinden“48. Die Lehre von Gottes Vorsehung, die unentbehrlich sein müsse, sollte fehlen und die Moral nur kurz abgefertigt werden49. Hauptsachen, zum Beispiel die Selbstbeherrschung, die Mäßigkeit, Keuschheit, Genügsamkeit, Zufriedenheit, Selbsterhaltung, Berufstreue sollten übergangen sein50. Die Stände baten daher das Geistliche Departement, mit der Einführung des neuen Lehrbuchs abzuwarten und ihnen das Buch erst zu übermitteln, um ihnen Gelegenheit zu geben, Einwände vorzubringen51. Die Räte erinnerten an das Verfahren bei der Einführung des neuen Gesetzbuchs, bei dem nicht allein die Stände aller Provinzen, sondern sogar alle Bürger des preußischen Staats aufgefordert worden waren, ihre Meinung kundzutun52. Unter dem 1. April erging eine von Woellner unterschriebene scharfe Resolution an die Halberstädter Landstände53. Die eigentliche Absicht des Königs bei der Einführung des neuen Lehrbuchs sei die Erhaltung „der reinen Lehre Jesu“ nach der Confessio Augustana. Die Prüfung des Lehrbuchs obliege daher sachverständigen rechtschaffenen Theologen und nicht den Landständen, die auch bald, wenn sie sich die Mühe nähmen, das von ihnen noch nicht gelesene, „so sehr verlästerte“ Buch selbst zu lesen, feststellen würden, daß sie dazu nicht berechtigt seien.

47

AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 26v–27r. 48 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 27r. 49 Ebd. 50 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 27r–27v. 51 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 27v. 52 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 28r. Zur Entstehung des neuen Gesetzbuchs vgl. Kapitel B.I. 53 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 30r. Die Resolution hatte Scholz konzipiert. AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 29r–29v.

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Diese Resolution erschien Woellner dann aber doch zu scharf, so daß er die Ausfertigung durchstrich54 und unter dem 14. April eine neue Resolution an die Halberstädter Landstände konzipierte55. Er, der König, verkenne keineswegs die gute Absicht, welche die Landstände bei ihrer Vorstellung gehabt hätten. Sie befänden sich aber in einem großen Irrtum, in den sie „vermuthlich durch Insinuationen übelgesinneter Leute“ und vornehmlich wohl einiger dortiger „neumodischen Geistlichen“ geraten seien, denn das Lehrbuch enthalte nichts, das gegen die Confessio Augustana gerichtet sei. Das Gegenteil sei der Fall. Gerade deshalb habe der König dem lutherischen und dem reformierten Departement befohlen, für jede Konfession ein Lehrbuch allgemein einzuführen, in dem neben der Bibel56 bei den Reformierten der Heidelberger Katechismus und bei den Lutheranern Luthers Kleiner Katechismus zugrunde gelegt sei. Hiermit sollten „die alten und reinen Grundsätze der protestantischen christlichen Religion beider Confessionen“, welche die Vorfahren mit ihrem Blut verteidigt hätten, fernerhin aufrechterhalten und gegen „die jetzigen so häufig eingerissenen Neuerungen und Irrlehren“ der Sozinianer, Naturalisten und Deisten sichergestellt werden. Daß es dem König „ein wahrer Ernst“57 sei, die Untertanen bei dem Glauben ihrer Väter zu schützen, hätten die Landstände bereits aus dem Religionsedikt vom 9. Juli 1788 erkennen können58. Dann hätten sie mühelos von selbst urteilen können, daß alles, was sie gegen das von ihnen nicht gelesene Lehrbuch angeführt hatten, „lauter unverschämte Lügen und Unwarheiten“59 seien, die sie sich von jenen „neumodischen so genannten Aufklärern“ hätten anheften lassen, denen alles, was die Confessio Augustana aufrechterhalten sollte – und also sowohl das Religionsedikt als auch das sich darauf beziehende Lehrbuch –, „ein Dorn im Auge ist“60. Inzwischen sei das besagte Lehrbuch freilich – nicht wegen eines der Orthodoxie der lutherischen Kirche widerstreitenden Inhalts, sondern weil es „etwas zu weitläufig“ und für das Gedächtnis der Kinder zu beschwerlich sei – durch ein anderes ausgetauscht worden. Das nun gewählte Lehrbuch sei dasjenige, 54 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 31r. 55 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 32r–32v. 56 Die Bemerkung „nebst der Bibel“ hat Woellner nachträglich am Rand eingefügt. 57 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 32r. 58 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 32r–32v. 59 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 32v. 60 Ebd.

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E. Erste Maßnahmen

das bereits vor 27 Jahren vom Oberkonsistorium approbiert und von Friedrich dem Großen privilegiert worden war. Es handelte sich um „Die christliche Lehre im Zusammenhang nach der Ordnung des Heils und der Seligkeit zum Gebrauch der Land-Schulen in den Königl. Preußischen Provintzien“ von Johann Julius Hecker61. Mithin sei es allgemein bekannt und schon längst in den meisten Provinzen Preußens eingeführt. Dagegen fänden also keine weiteren Einwände mehr statt. b) Die weitere Reaktion aus dem Oberkonsistorium Nicht nur in Halberstadt, sondern auch in Berlin regte sich großer Unmut wegen des Reskripts vom 9. März 1790. Die Oberkonsistorialräte v. Irwing, v. Lamprecht, Spalding, Büsching, Teller, Silberschlag, Diterich, Nagel, Gedike, Sack und Zöllner waren empört, daß die von ihnen angeführten Argumente gegen das neue Lehrbuch nicht in Erwägung gezogen worden waren62. Daher baten sie den König unter dem 22. April nochmals um die Beachtung ihrer am 23. Februar angestellten Überlegungen. Überdies fügten sie als Argument gegen die Notwendigkeit eines allgemeinen Lehrbuchs an, daß beim Oberkonsistorium weder von Gemeinden noch von Inspektoren Beschwerden über unzweckmäßige Lehrbücher eingegangen seien. Die Räte baten nochmals, den Umstand zu prüfen, ob die Gemeinden bei der Einführung eines neuen Lehrbuchs nicht über neue Ausgaben, die – wenn auch gegenwärtig einige Exemplare kostenlos ausgeteilt würden – bei einer großen Familie für den armen Landmann von Bedeutung sein könnten, Klage führen würden und ob manche, die mit dem von ihrem Prediger gebrauchten Lehrbuch „zufrieden und beruhiget“ gewesen wären, nun vielleicht gar zu zweifeln begönnen, ob sie und ihre Kinder auch nicht „irrig“63 unterrichtet worden wären. Sollte es dennoch bei der Einführung eines neuen Lehrbuchs bleiben, müßten sie bitten, daß es wenigstens zuvor dem Oberkonsistorium zur Prüfung

61 Mindestens fünf Auflagen erschienen davon 1764 in Berlin. Genau einen Monat nach dem Erlaß des Religionsedikts, am 9. August 1788, hatte der zweite Prediger an der Magdeburger Petrikirche Rudolph Friedrich Schultze Woellner vorgeschlagen, diesen ohnehin stark verbreiteten Katechismus allgemein verbindlich zu machen. Vgl. Kapitel E.I.1. [Johann Julius Hecker,] Die Christliche Lehre im Zusammenhang. Auf Allerhöchsten Befehl für die Bedürfnisse der jetzigen Zeit umgearbeitet und zu einem allgemeinen Lehrbuch in den niedern Schulen der Preußischen Lande eingerichtet, Berlin 1792. 62 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 35r–35v. 63 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 35r.

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übermittelt würde64. Ausdrücklich verwiesen sie auf ihre Bestallung als Oberkonsistorialräte, die sie zu dieser Bitte nötige. Von jeher sei das Oberkonsistorium „bey einer so wichtigen Sache“ nicht übergangen worden, wie zum Beispiel das in dem Reskript genannte, dreißig Jahre zuvor vom Oberkonsistorium genehmigte Lehrbuch zeige, von dem jedoch die Akten des Oberkonsistoriums keinen Aufschluß gäben. Auch als in der Vergangenheit ein neues Gesangbuch eingeführt worden war, hatte das Oberkonsistorium Anteil daran genommen. Zuletzt argumentierten die Räte, daß ein von ihnen geprüftes Buch vielleicht dessen Akzeptanz bei den Predigern und den Gemeinden erhöhen werde65. Woellner war über die Oberkonsistorialräte tief verärgert, da sie seiner Wahrnehmung nach keineswegs auf die in dem Reskript vom 9. März genannten Gründe eingegangen waren. Unter dem 27. Juni 1790 erging deshalb ein von Woellner konzipiertes Reskript an v. d. Hagen66, der den Briefschreibern die Nichtigkeit ihrer eigenen Argumente aufzeigen sollte. Erstens: Die angeblich beim Oberkonsistorium nicht eingelaufenen Beschwerden67 über willkürliche, unzweckmäßige Lehrbücher seien noch kein Beweis von der tatsächlichen Inexistenz solcher Bücher. Zweitens: Die etwaig entstehenden äußerst68 geringen Kosten bei der Anschaffung des neuen Lehrbuchs, das dringend nötig sei, seien kaum der Rede wert im Vergleich zu den Kosten, die dem armen Mann vor wenigen Jahren durch den Kauf des verhältnismäßig sehr entbehrlichen neuen Gesangbuchs verursacht worden waren, zu dem die gegenwärtig protestierenden Räte doch derart „willfährig“69 gewesen seien70. Drittens: Die Räte sollten selbst entscheiden, ob der in der Vorstellung angeführte Zweifel des gemeinen Mannes, daß er und seine Kinder durch das neue Lehrbuch irrig in der Religion unterrichtet worden wären, aufkommen könne, wenn ihm dieses neue Lehrbuch „die alten Glaubens-Warheiten“ vortrage, die er in seiner Jugend selbst „erlernet“ und von seinem Vater und Großvater schon gehört habe, oder ob sich dieser Zweifel nicht vielmehr regen müsse und sich vielleicht bei Tausenden bereits rege, wenn „bei der jetzigen

64 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 35r–35v. 65 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 35v. 66 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 36r–36v. 67 Die verdächtigende Spezifizierung „angeblich bei dem Ober-Consistorio“ hat Woellner nachträglich am Rand nachgetragen. 68 Die Steigerung „äußerst“ hat Woellner nachträglich am Rand eingefügt. 69 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 36r. 70 Zum neuen Gesangbuch vgl. Kapitel A.X.4.

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E. Erste Maßnahmen

beliebten Aufklärungs-Mode“71 der eine Prediger dasjenige leugne, was der andere bejahe. Woellner wollte jede weitere Auseinandersetzung unterbinden. Daher sollte v. d. Hagen den Räten schlichtweg sagen, daß es bei dem königlichen Befehl, ein allgemeines Lehrbuch einzuführen – dem die Reformierten als treue Untertanen bereits nachgekommen waren –, sein unabänderliches Bewenden habe72. Als allgemeines Lehrbuch habe der König das in § 20 des Generallandschulreglements vom 12. August 1763 ausdrücklich benannte Buch „Die christliche Lehre im Zusammenhang“ ausersehen73. Der Bitte der Räte, ihnen das Lehrbuch zur Prüfung vorzulegen, wolle er insofern nachgeben, als sie im Blick auf die Form des Vortrags, auf die Anführung einiger zweckmäßigerer Beweisstellen und Ähnliches „schickliche“ Abänderungen machen, aber sich schlechterdings nicht unterstehen sollten, an den „Grund-Artikeln“ der christlichen Glaubenslehre der lutherischen Kirche nach der Confessio Augustana und den Symbolischen Büchern das Mindeste abzuändern oder wesentliche Punkte davon auszulassen. Zum Ende der Ferien sollten sie diese Arbeit einreichen, damit das Lehrbuch dann in den Druck gehen könnte. Die Räte jedoch ließen sich Zeit. Nach anderthalb Monaten erst, am 11. August, beteuerten Spalding, Büsching, Silberschlag, Diterich, Sack und Zöllner in einem Brief an den König74, daß niemand von ihnen willens sei, „an den Grundartikeln der christlichen Glaubens Lehre das mindeste abzuändern, oder gar wesentliche Punkte davon auszustreichen“75. Sorgfältig hatten sie das Buch geprüft und waren einstimmig zu der Überzeugung gekommen, daß dessen ganze Form umgearbeitet werden müsse, wenn sie den „richtigen Ideen von Entwickelung der Begriffe in den jugendlichen Seelen“ und „den Bedürfnißen unsers Zeitalters“ sowie auch „unserer jetzigen Art sich auszudrücken“76 angemessen sein solle. Da eine solche Umarbeitung

71 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 36r. 72 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 36v. 73 Dieses Buch war von Friedrich II. freilich nicht allgemein eingeführt, sondern nur neben vielen anderen genehmigt worden. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 241. Krause datiert das Generallandschulreglement fälschlich auf das Jahr 1767. Außerdem beachtet er nicht die Umgestaltung des Büchleins. Krause, Mit Kants schädlichen Schriften, 111 Anm. 96. 74 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 42r–43r. 75 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 42r. 76 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 42v.

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aber nicht übereilt werden könne, baten sie, nicht an den bis zum Ausgang der Ferien bestimmten Termin gebunden zu sein77. Woellner gewährte ihnen tatsächlich in einem Reskript vom 19. August den erbetenen Zeitaufschub78. Nachdem drei Monate vergangen waren, erkundigte sich der König bei ihm mündlich nach dem Fortschritt bei der Abfassung des allgemeinen Lehrbuchs. Als Woellner keinen Erfolg vermelden konnte, trug ihm Friedrich Wilhelm II. auf, den geistlichen Räten als spätesten Abgabetermin das Jahresende zu nennen. Unter dem 12. November erging dann ein von Woellner unterschriebenes Reskript an v. d. Hagen79. Spalding, Büsching, Teller, Diterich und Zöllner berichteten am 27. November, daß sie das Manuskript bis zum Jahresende einzureichen hoffen konnten80. Wenn ihnen der König aber zu erkennen gebe, daß sie das Buch ganz nach der Art von aus Fragen und Antworten bestehenden Lehrbüchern abfassen sollten, würden sie mehr Zeit benötigen, weil dann alle ihre bislang angestellten Überlegungen und Arbeiten vergeblich wären. Sie erinnerten den König daran, daß sie bei der Übernahme des Auftrags vorausgesetzt hatten, es werde den geistlichen Räten des Oberkonsistoriums vom König „Gewißenhaftigkeit und Einsicht genug“81 zugetraut werden, um bei der Ausarbeitung das zu wählen, „was zur Beförderung einer wahren und heilsamen christlichen Erkenntniß“82 am dienlichsten wäre. Sie waren überzeugt, daß sie mit ihren Einwänden gegen die Einkleidung des Lehrbuchs in ein Schema von Frage und Antwort bei Friedrich Wilhelm II. Gehör fänden. Erstens: Die Form der Lehrbücher in Frage und Antwort diene zu nichts anderem, als daß die Kinder die Fragen mitsamt den Antworten auswendiglernten und nachher nichts wissen und nichts antworten könnten, sobald ihnen nicht gerade diese Fragen vorgelegt würden. Dadurch werde 77 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 42r. 78 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 44r. Der König vertraue darauf, daß sie sich ihrem Versprechen gemäß ihres Auftrags entledigen würden. Auf dem Brief der Räte hatte Woellner lakonisch notiert: „Sie könnten sich Zeit nehmen, sollten es aber ihrem Versprechen gemäs nur gut machen.“ AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 42r. 79 Woellners Konzept findet sich aaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 45r. Das Reskript von Schreiberhand mit kleinen Abweichungen findet sich aaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 46r. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 168 f gibt als Datum fälschlich den 11. November an. 80 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 47r–49v. 81 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 47v. 82 Ebd.

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„die Religion durchaus zu einem geistlosen Gedächtnißwerke herabgewürdigt, welches weder Beruhigung und Trost, noch Antrieb zum Guten gewährt“83. Zweitens: Wenn man, um diese Sorge zu zerstreuen, annähme, daß der Lehrer die Antworten der Kinder durch anderweitige Fragen zergliedern und sie dergestalt den Kindern verständlich machen sollte, setzte man damit zugleich bei dem Lehrer Lust und Geschicklichkeit voraus, zweckmäßige Fragen zu entwickeln. Ein derart begabter Lehrer würde aber nicht der vorgeschriebenen Fragen bedürfen. Und derjenige, dem beides fehle, würde die vorgeschriebenen Fragen als einen willkommenen Behelf für seine Trägheit und Ungeschicklichkeit ansehen, die Kinder mit dem bloßen Auswendiglernen „martern“ und ihnen „die Religion durchaus verhaßt machen“84. Dagegen würde selbst der ungeschickte und träge Schullehrer, wenn ihm keine Fragen vorgeschrieben seien, genötigt, sich durch fortdauernde Mühe85 allmählich einige Geschicklichkeit zu erwerben und wenigstens die Anweisung und Hilfe des Predigers zu suchen86. Drittens: Ein Buch in Frage und Antwort erwecke immer die Meinung, daß es nur für das kindliche Alter bestimmt sei. Die Erwachsenen nähmen es nicht mehr zur Hand und kümmerten sich nicht mehr um seinen Inhalt, um so weniger, je mehr man es „bloß in ihr Gedächtniß, und nicht in ihren Verstand und in ihr Herz zu bringen“87 gewußt hätte. Aus diesen Gründen sei die Form des Katechismus in Frage und Antwort längst schon von allen, denen der Unterricht der Jugend „wahrhaftig am Herzen lag“ und die „dem, was die Natur der Sache und die Erfahrung an die Hand giebt, nachgedacht haben“88, als höchst zweckwidrig erkannt worden. Viertens: Die Fragen, die fast immer die Hälfte des ganzen Raums einnähmen, würden das Unterrichtsbuch unnötig verteuern89. Eine Form des Katechismus in kurzen Sätzen, ohne Frage und Antwort, sei im übrigen keine Neuerung. Und selbst wenn es noch kein Beispiel davon gäbe, würden die Räte gegen Pflicht und Gewissen zu handeln glauben, wenn sie in einer so entscheidenden Sache wie dem Religionsunterricht der Jugend von den Resultaten wichtiger pädagogischer Untersuchungen und Beobachtungen, die in neueren Zeiten angestellt worden waren, keinen Gebrauch machen wollten. Dem 83 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 48r. 84 Ebd. 85 Ebd. 86 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 48v. 87 Ebd. 88 Ebd. 89 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 49r.

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Kollegen Silberschlag hatten sie ihre Vorstellung nicht zur Unterschrift übermittelt, weil er sich bereits bei ihrer ersten mündlichen Beratschlagung gegen ihre einstimmige Meinung erklärt hatte90. Daß sich die Räte nun sogar gegen die im Verlauf der Kirchengeschichte bewährte Katechismusform von Frage und Antwort aussprachen, rührte von ihrer prinzipiellen Oppositionshaltung gegen Woellner her. Keineswegs wollten sie sich beugen. Unter dem 5. Dezember 1790 erging an v. d. Hagen ein von Woellner unterschriebenes deutliches Reskript91. Er sollte den Oberkonsistorialräten, deren neuerliche Einwände gegen das neue allgemeine Lehrbuch abschriftlich beigelegt waren, mitteilen, daß es bei dem an ihn ergangenen Reskript vom 12. November sein unabänderliches Bewenden habe. Der neue Katechismus solle in keiner anderen als in der bisher üblichen Form von Frage und Antwort abgefaßt werden. Die gegen diese Methode von den Räten angeführten Gründe seien ganz unerheblich, vornehmlich derjenige, daß die Religion dadurch zu einem geistlosen Gedächtniswerk herabgewürdigt werde. Und wenn die geistlichen Räte behaupteten, daß diese alte gewohnte Form keineswegs verbindlich sei, irrten sie gewaltig, denn der König habe diese Form ausdrücklich befohlen. Der im vorangegangenen Reskript festgesetzte Termin zur Ablieferung des Manuskripts wurde noch auf vier Wochen verlängert. Woellner schloß drohend: Alle ferneren Unannehmlichkeiten könnten für die geistlichen Räte „sehr ernsthafte“ Folgen haben. Da diese Oberkonsistorialräte jedoch kein Ergebnis ablieferten, beauftragte Friedrich Wilhelm II. schließlich Hermes, Theodor Carl Georg Woltersdorff und Silberschlag mit der Bearbeitung der „Christliche[n] Lehre im Zusammenhang“92. Inzwischen war Silberschlag am 22. November 1791 gestorben. Um Hermes und Woltersdorff bei der Anfertigung des neuen Katechismus eine Hilfe zu geben, nahm der König Johann Baptist Ambrosi in Anspruch, der als Inspektor der böhmisch-lutherischen Gemeinden in Berlin und Rixdorf sowie als Prediger an St. Gertraudt auf dem Spittelmarkt wirkte93. Am 19. Januar 1792 antwortete Ambrosi dem Monarchen und erklärte sich zu der ihm unter dem 11. Januar94 aufgetragenen Zusammenarbeit mit Hermes und Woltersdorff be90 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 49v. 91 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 50r. 92 Philippson, Geschichte, Bd. 1, 242. 93 Johann Baptist Ambrosi war 1741 im ungarischen Selnitz zur Welt gekommen. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 33. 94 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 52r. Unter dem 11. Januar

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reit, auch wenn er wegen überhäufter Amtsgeschäfte seine Gesundheit opfern müßte95. Es werde zukünftig nur darauf ankommen, ob seine geringen Einsichten von dem, was im Christentum das Wesentliche sei, mit der Erkenntnis von Hermes und Woltersdorff in eine „ungezwungene Uebereinstimmung“ gebracht werden könnten. Übrigens werde er es nie „an einem billigen und mit dem Gewissen vereinbaren Nachgeben“ fehlen lassen. Da Hermes jedoch kein neues, fremdes Mitglied in der Kommission dulden wollte, teilte er Woellner am 17. Januar mit, daß der neue Katechismus bereits fertiggestellt und nur die Abschrift noch nicht vollendet sei96. Zwei Tage später, am 19. Januar, meldeten Hermes und Woltersdorff auch dem König97, daß die Arbeit an dem Lehrbuch – ganz in Übereinstimmung mit den Ansichten des verstorbenen Kollegen Silberschlag – ihr Ende gefunden habe98. Sie fragten nun, ob sie Ambrosi noch hinzuziehen sollten, und brachten zugleich ein gewichtiges Gegenargument: Die Beendigung dieser wichtigen Sache würde aufs Neue verzögert werden, wenn sie eine völlig abgeschlossene Arbeit noch mit einem Dritten durchgehen sollten99. Das umgestaltete Buch von Johann Julius Hecker trug nun den Titel „Die Christliche Lehre im Zusammenhang. Auf Allerhöchsten Befehl für die Bedürfnisse der jetzigen Zeit umgearbeitet und zu einem allgemeinen Lehrbuch in den niedern Schulen der Preußischen Lande eingerichtet“100. Bereits an demselben Tag erging dann ein von Woellner unterschriebenes Reskript an Ambrosi, in dem die Beauftragung als Gehilfe zurückgezogen wurde101. Zur Unterstützung bei anderen Kommissionsgeschäften könne er aber wieder eingeladen werden. Geradezu erleichtert antwortete Ambrosi am 26. Januar 1792102: Er vertraue darauf, bekannte er freimütig, daß es ihm nun freistehe, jeden Auftrag abzulehnen, wenn ihm dazu die Kraft und die Einsicht fehlten. 1792 setzte Woellner mit einem Spezialbefehl auch die Immediat-Examinationskommission durch eine Abschrift davon in Kenntnis. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 28, Bl. 4r. 95 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 56r. 96 Dies notierte Hillmer auf dem Reskript vom 11. Januar 1792. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 28, Bl. 4r. Zwei Tage später wurde diese Erklärung schriftlich wiederholt. Dies notierte Hillmer ebenfalls auf dem Reskript vom 11. Januar 1792. Ebd. 97 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 53r–54r. 98 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 53r–53v. 99 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 54r. 100 [Hecker,] Die Christliche Lehre. 101 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 55r. Auch Hermes und Woltersdorff wurden entsprechend beschieden. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 28, Bl. 53r. 102 AaO Bl. 5r.

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4. Die Schwierigkeiten bei der Einführung Einige Monate vergingen, bis dieser zum allgemeinen Gebrauch für die niederen Schulen der lutherischen Konfession bestimmte Katechismus „Die Christliche Lehre im Zusammenhang“ im Verlag der Realschulbuchhandlung erschien. Unter dem 12. Juli 1792 erging dann ein von v. d. Hagen und v. Irwing unterschriebenes Reskript an die Inspektoren der Kurmark103. Das Buch sollte nun durchgängig eingeführt und von Michaelis 1792 an oder mit Beginn der nächsten Winterschule dem Unterricht der christlichen Lehre zugrunde gelegt werden. Unter dem 7. November 1793 überreichte der Prediger Johann Friedrich Fritze aus Kolkwitz bei Cottbus dem König eifrig die ihm aufgetragene Übersetzung des allgemeinen Lehrbuchs in die wendische Sprache104. Am 13. Dezember 1793 bezeugte die Geistliche Immediat-Examinationskommission dem König die Unbedenklichkeit der Übersetzung105. Die Sache schritt jedoch nicht voran. Bald zwei Jahre später, unter dem 30. März 1794, meldete die Immediat-Examinationskommission, daß der allgemeine Landeskatechismus von vielen Predigern in den Schulen noch nicht eingeführt worden sei106. Unter dem 3. April wurde daher den lutherischen Konsistorien in einem Circulare befohlen, von den ihnen unterstehenden Inspektoren eine Liste derjenigen Diözesen, in denen der neue Katechismus noch nicht in Gebrauch stand, einschicken zu lassen und diese Liste, die auch die Gründe für das bisherige Versäumnis enthalten sollte, spätestens bis Johannis 103

AaO Bl. 65r. AaO Bl. 74r [Abschrift]. Zum Wendischen in der Schulwirklichkeit vgl. Neugebauer, Absolutistischer Staat, 295 f. 105 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 28, Bl. 76r [Konzept]. 1794 unterstützte Woellner den wendischen Prediger Fritze, der – so Woellner gegenüber dem König – „als ein Muster eines orthodoxen Predigers“ (GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 2, Bl. 47r) bekannt war, bei dem Vorhaben, die Bibel ins Wendische zu übersetzen, da die wenigsten Wenden das Deutsche lesen konnten. Mit einigen hundert Talern trug das Geistliche Departement zur Bestreitung der Druckkosten bei. Da sich die Kosten jedoch später auf eine weit größere Summe beliefen und zudem bei dem Transport der schließlich gedruckten Bibeln eine große Menge der Exemplare durch fortwährende nasse Witterung unbrauchbar wurde, war Fritze binnen drei Jahren finanziell völlig ruiniert und flehte am 3. August 1797 den König um tausend Reichstaler an, damit er seine Schulden bezahlen könne. AaO Bl. 48r–49r. Woellner ersuchte Friedrich Wilhelm II. am 3. September, dieser Bitte nachzukommen: Fritze sei „übrigens ein frommer und vortreflicher Mann und bloß durch seinen Patriotismus und durch die liebe Bibel [genauerhin hatte Fritze das Alte Testament übersetzt, wie dieser selbst dem König schrieb; aaO Bl. 48r] in dis Unglück gerathen“. AaO Bl. 47r. Der König notierte eigenhändig auf Woellners Schreiben: „hätte schon lange geschehn können“. Ebd. 106 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 28, Bl. 80r [Konzept]. Am 2. April 1794 wurde in der Konferenz der Immediat-Examinationskommission beschlossen, daß diese an demselben Tag übergebene Vorstellung der Kommission mit einer Resolution versehen werden solle. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 59r–61r, hier 60r–60v. 104

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beim Geistlichen Departement einzureichen107. Außerdem sollten die Konsistorien – ein Anliegen von § 12 des Religionsedikts aufnehmend – in ihren Sprengeln streng auf eine bessere Heiligung der Sonn- und Feiertage achten108. Alsbald liefen in Berlin die Antworten aus den Konsistorien ein. Am 2. Mai meldete aus Königsberg das Ostpreußische Konsistorium dem König, daß der Landeskatechismus in deutscher Sprache bereits abgedruckt, aber noch nicht eingeführt worden sei, weil das Buch auch zugleich in das Polnische und Litauische übersetzt werden müsse, damit im ganzen Land nur dieser Katechismus gebraucht werde109. Am 26. Juli berichtete das Magdeburgische Konsistorium dem König110, daß die Anschaffung des neuen Katechismus dort, wo die Einwohner wohlhabend waren, fast nirgendwo Schwierigkeiten bereitet habe111. Manche waren 107 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 28, Bl. 82r [Abschrift]. An demselben Tag erging an die Immediat-Examinationskommission ein von Woellner unterschriebener königlicher Spezialbefehl. Ihr wurde das Circulare an alle lutherischen Konsistorien inklusive Schlesien abschriftlich bekanntgemacht. AaO Bl. 81r. Pflichtgemäß wiesen v. d. Hagen und v. Irwing unter dem 1. Mai 1794 die Inspektoren der Kurmark an, unverzüglich von jedem Prediger ihrer Inspektion zu erfragen, ob in den Katechisationen und Schulen von dessen Parochie der neue Katechismus bereits eingeführt sei und gebraucht werde. Wenn der Katechismus noch nicht eingeführt war, sollte der jeweilige Prediger dies kurz begründen. Die Inspektoren sollten für eine zügige Abgabe dieser Berichte der Prediger sorgen und sie innerhalb von sechs Wochen beim Oberkonsistorium einreichen. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 30, Bl. 44r. Unter dem 4. Juni 1795 erging, nachdem aus allen Inspektionen die Berichte wegen der Einführung des neuen Katechismus eingetroffen waren, ein Circulare an die Inspektoren der Kurmark. Die Inspektoren sollten dafür Sorge tragen, daß sowohl sie selbst als auch die Prediger ihrer Inspektion jede Gelegenheit nutzten, „um diejenigen Gemeinen, welche aus irrigen Begriffen, der Einführung dieses Buchs sich bisher widersetzt haben, durch liebreiche und zweckmäßige Vorstellungen von ihrem Irrthum zurückzubringen, auch keine Mühe zu scheuen, um den Schullehrern die nöthige Anleitung zu wahrhaft nutzbaren und Unserer Allerhöchsten Intention entsprechenden Gebrauch dieses Buchs bey ihrem Unterricht zu geben“. NCC 9 (1795), Nr. 25, 2519 f. 108 Unter dem 1. Mai 1794 wurden die Inspektoren entsprechend im Namen des Königs von v. d. Hagen und v. Irwing beschieden. Sie sollten die Berichte der Prediger binnen sechs Wochen beim Kurmärkischen Oberkonsistorium einreichen. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 28, Bl. 83r. 109 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 29, Bl. 7r. Das Mitglied der Ostpreußischen Geistlichen Provinzial-Examinationskommission Wald war auch um die polnischen und litauischen Belange bemüht. Am 6. April 1797 schrieb Wald als Einzelperson an Woellner. Hennig und er hatten nun die Visitation der polnischen und litauischen Seminare begonnen. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 23, Bl. 31r. 110 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 29, Bl. 10r–11r. 111 AaO Bl. 10r. Unter dem 6. Mai 1794 meldete die Magdeburger Geistliche ProvinzialExaminationskommission in ihrem halbjährlichen Generalbericht, daß das vorgeschriebene Lehrbuch in den Volksschulen sowie in den niederen Klassen der gelehrten Schulen zugrunde gelegt und auf diese Weise „einigermassen“ der Besorgnis vorgebaut werde, daß den Kindern „manche wichtige Wahrheit der Religion“ verschwiegen würde und manche Lehren nicht nach der Bibel vorgetragen würden. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 38, Bl. 19r.

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freilich mißmutig, daß sie innerhalb von dreißig Jahren nun schon den dritten Katechismus kennenlernten112. Die meisten Prediger hielten im übrigen weitere und nachdrücklichere Mittel zur Einführung für schädlich, weil gerade durch solche Maßnahmen dessen Verbreitung nur erschwert werden würde113. Am 7. August antwortete das Halberstädtische Konsistorium, das auf das Reskript vom 3. April hin sofort von allen Inspektoren Bericht gefordert hatte114. In insgesamt acht Inspektionen wurden die Kinder nach dem neuen Katechismus unterrichtet. In der Inspektion Schlanstedt war er in allen Ortschaften eingeführt worden, nur die Einwohner von Dingelstedt hatten sich ihm verweigert, weil sie den bislang gebrauchten Michaelischen Katechismus für besser hielten und weil sie ihren Kindern leichter beim Auswendiglernen helfen könnten, wenn der alte allgemein vertraute Katechismus beibehalten würde. Das neue Buch sei zu schwierig, weil die Beweisstellen aus der Bibel erst nachgeschlagen werden müßten115. Wegen der unter den dortigen Eltern größtenteils herrschenden Armut wurde der neue Katechismus in der Inspektion Aschersleben sowie in der Inspektion Derenburg nur zum Teil gebraucht116. In einer Gemeinde der Inspektion Derenburg war der alte Schullehrer unfähig, Religionsunterricht zu erteilen, und beschränkte sich nur auf das Buchstabieren und Lesen, so daß allein der Prediger die religiöse Unterweisung besorgen mußte. Da er nun in dem Vortrag der Glaubenswahrheiten, welche die Kinder teilweise auswendiglernten, schon zu weit vorgerückt war, um unterbrochen werden zu können, hatte er das neue Buch nicht eingeführt117. In der Inspektion Dedeleben war der neue Katechismus nicht überall Taggenau ein Jahr später berichtete die Kommission, daß sich einige Eltern laut gegen die Einführung des neuen Lehrbuchs in den unteren und mittleren Klassen der gelehrten Schulen gewehrt und versichert hätten, daß sie ihre Söhne nicht mehr den theologischen Stunden beiwohnen, sondern sie privat in der Religion unterrichten lassen würden. AaO Bl. 41r. Über den Diakon Genthe zu Löbejün, der schon einmal seines Verstandes beraubt gewesen sei und später von Zeit zu Zeit wieder einige Anfälle dieser Art gehabt haben sollte, war der Kommission zu Ohren gekommen, daß er sich der Einführung des Lehrbuchs in seiner Gemeinde widersetzt und sogar in seinen Predigten dagegen gesprochen habe. AaO Bl. 41v–42r. 112 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 29, Bl. 10v. Die Magdeburger Provinzial-Examinationskommission meldete in ihrem halbjährlichen Generalbericht vom 20. Oktober 1796, daß in den niederen Schulen kein Lehrer von dem Lehrbuch abweiche. Freilich seien nur die wenigsten Lehrer hinreichend begabt, um den Kindern dessen Inhalt nahezubringen. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 38, Bl. 92r–97r, hier 94r. 113 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 29, Bl. 10v. Pflichtgemäß legte das Konsistorium eine genaue Liste mit den Orten bei, in denen der neue Katechismus noch nicht vollständig im Gebrauch war. AaO Bl. 12r–13r. 114 AaO Bl. 15r–15v. Es legte ein Verzeichnis aller Ortschaften des Fürstentums Halberstadt und der Grafschaft Hohnstein bei, in dem es genau angab, an welchen Orten der allgemeine Landeskatechismus eingeführt war. AaO Bl. 16r–25r. 115 AaO Bl. 18v–19r. 116 AaO Bl. 19v–20r. 117 Ebd.

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angeschafft worden, freilich ohne daß der dortige Prediger einen hinlänglichen Grund angeben konnte118. In der Inspektion Weserlingen war er wegen der Armut der Einwohner nicht überall eingeführt worden119. Ebenso hatte in der Inspektion Klettenberg die Armut der Einwohner dessen allgemeine Einführung verhindert; außerdem hatten dort einige Prediger den Wechsel verzögert, weil sie gehofft hatten, daß dem Lehrbuch noch ein Spruchbuch beigefügt werden werde120. In der großen Inspektion Lohra hatte der neue Katechismus ebenfalls wegen der Armut der Einwohner nicht überall Verbreitung gefunden121. Nachdem Woellner den Bericht des Halberstädter Konsistoriums gelesen hatte, plante er keine zwangsweise Einführung, sondern befahl der ImmediatExaminationskommission, daß sie der Provinzialkommission in Halberstadt auftragen solle, mit den Inspektoren und Predigern derjenigen Orte, in denen nicht die Armut der Grund für die Mißachtung des neuen Katechismus war, in freundschaftliche Korrespondenz zu treten und sie zu ermahnen, bloß durch „liebreiche“ Vorstellungen und durch gründliche Erklärung der Absicht des landesherrlichen Befehls die Einwände ihrer Gemeinden zu entkräften. Wenigstens an manchen Orten, hoffte Woellner, werde dies nicht fruchtlos bleiben. Am 20. Dezember 1794 schrieb die Immediat-Examinationskommission dann pflichtgemäß an die Geistliche Provinzialkommission zu Halberstadt122. Unter dem 16. Juni 1794 meldete Teller, daß der Landeskatechismus in seiner Inspektion – entsprechend der ersten Verordnung – nur in den niederen Schulen eingeführt worden sei. Und er werde auch von den Landpredigern im Gegensatz zu den Stadtpredigern beim Unterricht der Katechumenen gebraucht123. 118

AaO Bl. 20v–21r. AaO Bl. 21v–22r. 120 AaO Bl. 22v–23r. 121 AaO Bl. 23v–25r. Die Provinzial-Examinationskommission zu Halberstadt hatte in ihrem halbjährlichen Generalbericht vom 9. Mai 1794 behauptet, daß das neue Lehrbuch „Die christliche Lehre im Zusammenhange“ an allen Orten gebraucht werde. Nur in ein paar Dörfern sperrten sich die Untertanen sehr dagegen und wollten den alten, von Johann Christian Michaelis erläuterten Katechismus Luthers (Johann Christian Michaelis, Erläuterter Catechismus in welchem […] die fünf Hauptstücke Lutheri in Frage und Antwort gefasset […] und zum durchgängigen Gebrauch in dem Fürstenthum Halberstadt und den dazu gehörigen Graf- und Herrschaften dem Druck übergeben worden, 12. Aufl., Halberstadt o. J.) beibehalten. Sie meinten, ihren Glauben durch einen neuen Katechismus zu verlieren. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 37, Bl. 5r–6v, hier 5r. 122 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 29, Bl. 27r [Konzept]. 123 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 30, Bl. 6r. AaO Bl. 4r–5v. Jakob Elias Troschel unterrichtete seine Katechumenen seit 1771 nach Anleitung eines von ihm selbst verfaßten und im Verlag der Realschule verlegten Büchleins „Entwurf zum Unterricht in der christlichen Religion für meine Katechumenen“, von dem 1781 die verbesserte dritte Auflage erschienen war. Der Landeskatechismus sei nach seinem Titel für die niederen Schulen be119

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In Minden-Ravensberg, berichteten unter dem 18. Juli die Minden-Ravensbergische Regierung und das Konsistorium, wurde der Katechismus seit Ostern 1794 in allen Schulen der dortigen Provinzen als Lehrbuch verwendet124. Von einigen Gemeinden war zwar bei ihnen dagegen Einspruch eingelegt worden, sie hatten aber mit Verweis auf den königlichen Befehl alle Remonstrationen abgewiesen. Unter dem 22. August 1794 überreichte die Westpreußische Regierung aus Marienwerder dem König die Liste der Prediger ihres Konsistorialbezirks, die den vorgeschriebenen Katechismus beim Unterricht der Katechumenen und in den ihnen untergebenen Schulen noch nicht eingeführt hatten125. Bei den in Westpreußen, wenn auch nur in geringer Anzahl, gelegenen polnischen Gemeinden stand er bislang nicht in Gebrauch, da es noch keine gedruckte polnische Fassung gab. Aber auch die Einführung dieses Katechismus in deutscher Sprache, besonders in den Landschulen, war mit Schwierigkeiten verbunden, weil er verschiedene Antworten enthielt, welche die meisten Landschullehrer nicht geschickt zergliedern konnten, und überdies viele Beweisgründe dem Alten Testament entnommen worden waren, das die Landleute in Westpreußen nicht besaßen. Außerdem lernten auch im benachbarten Ostpreußen die Kinder noch nicht nach dem neuen Buch126. Ein Prediger der Marienwerderschen Inspektion verschmähte den neuen Katechismus, da er wenig Nutzen stiften und eher überhäufen als erleuchten würde, wenn die Kinder, wie es bei ihm üblich war, nur sechzehn bis achtzehn Wochen zur Schule gingen127. Der an der Marienkirche tätige Prediger George Grübnau aus der Elbingschen Inspektion verzichtete auf das neue Buch, weil

stimmt, über die Troschel keine Aufsicht habe. Johann Ernst Lüdeke hatte immer den Kleinen Katechismus Luthers als ein Symbolisches Buch „unsrer Kirche“ zugrunde gelegt und damit den Auszug der „Unterweisung zur Glückseligkeit nach der Lehre Jesu“ von Johann Samuel Diterich verbunden. Seit achtzehn Jahren sei derjenige Teil seiner Gemeinde, der ihm die Kinder zum Unterricht in der Religion anvertraut hatte, mit diesem Verfahren vollkommen zufrieden. AaO Bl. 5r. Johann Baptist Ambrosi hatte den neuen Katechismus noch nicht anschaffen lassen, weil er ihn im Ganzen für weder schriftgemäßer noch zum Unterricht der Jugend nützlicher als den von ihm bislang gebrauchten hielt, der unter dem Namen „Die kurzgefaßten Anfangsgründe der christlichen Lehre“ allgemein bekannt sei. 124 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 29, Bl. 8r–8v. Nur in der Stadt Herford war der Katechismus noch nicht eingeführt, da die Expedition des von der Minden-Ravensbergischen Regierung und dem Konsistorium erlassenen allgemeinen Circulare an den Magistrat zu Herford von der Kanzlei übersehen worden war. Dies werde nun nachgeholt. AaO Bl. 8v. 125 AaO Bl. 1r–1v. Die Westpreußische Regierung antwortete verspätet, weil die Inspektoren, die um diese Zeit größtenteils mit Visitationsreisen beschäftigt waren, die zur Liste gehörigen Materialien nicht eher geliefert hatten. 126 Ebd. 127 AaO Bl. 2r.

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er 1791 ein eigenes Lehrbuch auf Kosten des Verlegers herausgegeben hatte, von dem noch 150 Exemplare vorhanden waren128. Unter dem 22. Juni 1794 berichtete aus Stendal Johann Christian Jani dem König, daß alle Prediger dieser Inspektion den verordneten Landeskatechismus gebrauchten129. Einen Tag später meldete Zöllner, daß von den Predigern der Berliner Stadtinspektion in den Schulen, die ihrer besonderen Aufsicht unterstanden, das neue Buch eingeführt worden war130. Die Katechumenen freilich wurden von keinem einzigen Prediger dieser Inspektion, abgesehen von Woltersdorff und dem Prediger Johann Christian Koch an der Georgenkirche, nach dem Landeskatechismus unterwiesen. Einige Prediger erachteten das Buch, das nach seinem Titel und seiner Vorrede bloß für die niederen Schulen abgefaßt war, für ihre Katechumenen nicht als zweckmäßig. Von den Predigern der Münchebergschen Inspektion unterrichteten von neun Geistlichen nur zwei nach dem neuen Buch131. Ein Prediger hatte zwei Dutzend Exemplare von Berlin kommen lassen und größtenteils kostenlos unter den Schulkindern verteilt, weil die Eltern nicht zu bewegen waren, ein neues Lehrbuch anzuschaffen, wenn noch ein altes Exemplar in der Familie brauchbar war132. Ein anderer Prediger hatte es nicht einführen können, weil seine Landleute ihre Bücher von den Buchbindern auf den Märkten kauften. Und da diese noch einen Vorrat von den alten Editionen der „Christliche[n] Lehre“ gehabt hatten, hatten sie erst die alte Ausgabe abzusetzen gesucht, indem sie auch denen, die eine neue forderten und den Unterschied nicht beurteilen konnten, eine alte gaben. Im übrigen seien in einer Familie, die noch ein brauchbares Exemplar der alten Edition besaß, alle Aufforderungen vergeblich, sich ein Exemplar der neuen Ausgabe zu kaufen133. Am 2. Juli 1794 schrieb Riemschneider aus Wriezen an den König134. Zwar sei in der Wriezenschen Inspektion der neue Landeskatechismus sowohl den Predigern und Schulhaltern als auch allen Gemeinden auf das nachdrücklichste empfohlen und besonders auch den Dorfschulzen135 und Gerichtsmän128

AaO Bl. 1r–1v. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 30, Bl. 82r. Die Erklärungen der Prediger finden sich aaO Bl. 83r und 84r–84v. 130 AaO Bl. 111r. 131 Die Erklärungen der Prediger finden sich aaO Bl. 77r–78v. 132 AaO Bl. 78v. 133 AaO Bl. 78r. 134 AaO Bl. 249r–250v. 135 Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten definierte: „Der Schulze oder Dorfrichter ist der Vorsteher der Gemeine.“ ALR II 7 § 46. Die Gutsherrschaft ernannte dazu ein geeignetes Mitglied aus der Gemeinde. ALR II 7 § 47. Der Schulze oder Dorfrichter mußte der Gemeinde die landesherrlichen und obrigkeitlichen Verfügungen bekanntmachen und für deren Befolgung sorgen. ALR II 7 § 53. 129

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nern136 aufgetragen worden, auf dessen allgemeine Einführung zu achten, aber dennoch habe man bislang nur wenig ausrichten können. Die Anhänglichkeit an das Alte und Gewohnte sei beim Landmann und bei der niedrigeren Klasse der Bürger derartig groß, daß jede Neuerung großen Widerspruch hervorrufe. Und die Gemeinden seiner Inspektion waren bereits seit langem an den Kleinen Katechismus Luthers gewöhnt137. Außerdem mangelte es den Gemeindegliedern an Geld, um ein neues Buch anzuschaffen. Ein „nicht unwichtiger“ Grund für die langsame Einführung des neuen Katechismus war der Schaden, den die Buchbinder durch diese Veränderung erlitten. Sie hatten teils gebundene, teils ungebundene Vorräte der bislang gebrauchten Bücher gelagert, bezogen damit die Märkte und suchten sie den Landleuten in die Hände zu bringen138. Aus Zettemin wandte sich am 3. Juli 1794 Daniel Joachim Köppen an Hillmer139. Schon vor vielen Jahren hatte er in seiner Gemeinde allmählich einen kleinen Apparat von Schulbüchern aufgestellt, da die besonderen lokalen Gegebenheiten auch besondere Maßnahmen erforderten. Zwar wurden Sommerschulen abgehalten, aber selten waren die Schüler älter als zehn Jahre, weil die Bauern und Tagelöhner ihre Kinder wegen des umfassenden Hofdienstes zum Arbeiten heranzögen. Sogar etwa elfjährige Mädchen würden zu Pferde Mist aufs Feld fahren140. Während der kurzen Tage der wenigen Wintermonate sollten nun in den Schulen141 diese Kinder in allen notwendigen Dingen unterrichtet werden142. Da in der dortigen Gegend als Muttersprache Plattdeutsch gesprochen wurde, war es überdies äußerst schwierig, im Hochdeutschen deutliche Begriffe, noch dazu von geistlichen Sachen, zu erwecken. Diese hinderlichen Umstände hatten Köppen gelehrt, daß die Gegenstände des Lernens, um sie verständlich zu machen, möglichst abgekürzt werden müßten 136 „Dem Schulzen müssen von der Gerichtsobrigkeit wenigstens zwey Schöppen oder Gerichtsmänner beygeordnet, und diese sowohl, als jener, dem Staate, der Herrschaft, so wie der Gemeine, zur getreuen Besorgung ihrer Amtsangelegenheiten, in Gegenwart der letztern eidlich verpflichtet werden.“ ALR II 7 § 73. 137 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 30, Bl. 249r. 138 AaO Bl. 249v. 139 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 28, Bl. 84r–84v und 86r–86v. 140 Der Winter war die hauptsächliche Jahreszeit des Schulbesuchs, konnten doch in diesen Monaten die Kinder im bäuerlichen Haushalt am ehesten entbehrt werden. Waren die Eltern Garnweber, benötigten sie die Kinder jedoch oft zum Spulen. Im Sommer leisteten die Kinder Feld- und Gartenarbeit. Auch beim Holzholen wurden sie gebraucht. Teilweise gingen Kinder nur bis in das zehnte oder elfte Lebensjahr in die Schule. Auch in den Städten waren die Kinder in den agrarischen Prozeß eingebunden, so daß die Schule im Sommer schlecht besucht war. Neugebauer, Absolutistischer Staat, 471–482. Für Mädchen war die Schulsituation auf dem Land und in den Städten unterschiedlich. AaO 619. 141 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 28, Bl. 84r. 142 AaO Bl. 84v.

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und daß die Kinder vom ersten Lesenlernen an mit der hochdeutschen Mundart bekanntgemacht und die dazu erforderlichen Bücher, wenn es nötig sei, kostenlos gegeben werden müßten. Daher hatte Köppen Schulbücher verfertigt und auf eigene „nicht geringe“143 Kosten drucken und einbinden lassen. Die dortige Gutsherrschaft hatte sein Engagement sehr gebilligt und ihn anfänglich kräftig unterstützt, um die Bücher gleichzeitig in allen Schulen zu verteilen. Seit vielen Jahren war dies die herrschende Praxis. Diese Bücher waren ein ABC-Blatt, ein Buchstabierbüchlein von eineinhalb Bogen, ein Lehrbuch von etwa elf Bogen und „Hauptsätze des christl. Glaubens und Lebens“ von sieben Oktavblättern, auf denen 24 Sätze mit dazu notierten ausgewählten biblischen Sprüchen standen, die teilweise noch vollständig abgedruckt waren. In Verbindung mit dem Kleinen Katechismus Luthers dienten diese „Hauptsätze“ als Grundlage beim Unterricht in der christlichen Religion. Selbstbewußt bemerkte Köppen, daß diese Einrichtung „nicht ohne Nutzen“ sei144. Noch im vergangenen Jahr, 1793, hatte er die Bücher mit erheblichem Kostenaufwand von neuem drucken und in großer Anzahl einbinden lassen, so daß er gut bevorratet war145. Nachdem nun die königliche Verordnung zur Einführung eines allgemeinen Landeskatechismus ergangen war, hatte Köppen unter dem 3. Juni 1793 dem Stettiner Konsistorium die lokale Situation ausführlich geschildert. Den Bescheid des Konsistoriums146, das sich nicht ermächtigt fand, einen Dispens zu erteilen, es jedoch Köppen selbst überließ, die von ihm angeführten Gründe beim Geistlichen Ministerium vorzulegen, fügte er abschriftlich bei147. Köppen bat Hillmer nun, beim Oberschulkollegium zu bewirken, daß diese Schulbücher nicht abgeschafft werden müßten, sondern daß „für diesen in einem ganz fremden Lande so abgelegenen Winkel“148 einige Ausnahmen gemacht würden. Nachdrücklich beteuerte Köppen, daß er keine persönlichen Motive verfolge. Sein „gemachter wirklich beträchtlicher Aufwand“ bereite ihm auch nicht „den grösten Kummer“. Nach welchem Lehrbuch er unterrichte, sei ihm im Prinzip gleichgültig, und der neue Katechismus, der mit seiner „ehrlichsten“ Überzeugung von den „christlichen Wahrheiten“ gut „harmoniret“, sei ihm „vorzüglich lieb“. Aber für die Kinder in seiner Gegend müsse dieser Katechismus als zu ausführlich und zu „reichhaltig“ gelten, wenn die Kinder denn im Gedächtnis nicht „bloß Töne“, sondern auch „deutliche Gedanken und Begriffe“ haben sollten. „In der hiesigen Lage – ob auch anderswo? will 143

Ebd. Ebd. 145 AaO Bl. 84v und 86r. 146 AaO Bl. 85r. 147 Ebd. 148 AaO Bl. 86r. 144

I. Der neue Katechismus

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ich nicht fragen – wird unter zehn Kindern kaum durchgehends nur Eins diesen Catechismus, aus obigen Ursachen, nur ganz und regelmässig auswendig lernen.“149 Am Schluß beschwor Köppen die vom gemeinsamen Feindbild getragene Nähe. Hillmer kenne „den jetzigen Geist des sichtbar immer mehr und mehr Gott und Christum hassenden Zeitalters“150 besser als er selbst. Würde Köppens Wirken „urplötzlich“ unterbrochen werden, würden die „Feinde des Glaubens“ das dadurch bei vielen entstehende „Misvergnügen“ gewiß nutzen, um „das Gute“151 noch mehr zu hindern. Köppen fand Verständnis bei der Immediat-Examinationskommission, die ihn unter dem 15. August 1794 von der Einführung des neuen Katechismus dispensierte152. 149

Ebd. AaO Bl. 86v. 151 Ebd. 152 AaO Bl. 87r [Konzept]. Hillmer und Woellner kannten Köppen bereits seit mehr als zwei Jahren. Die damaligen Verhandlungen hatten freilich ein unangenehmes Ende gefunden. Am 21. April 1792 hatte Hillmer an Woellner geschrieben. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 17, Bl. 20r–20v. Als Nachfolger des Generalsuperintendenten in Stettin schlug Hillmer den Pastor Köppen vor. AaO Bl. 20r. Die Erwartung „aller wahren Freunde des Evangelii“ sei darauf gerichtet, daß für diese Stelle „ein ächter Bekenner der Wahrheit“ gewählt würde. AaO Bl. 20v. Am 24. April trug Hillmer dann Köppen das Amt des Superintendenten zu Stettin an. Erst am 3. Mai erreichte dieser Brief Köppen, der am folgenden Tag selbstbewußt antwortete, daß er im Vertrauen auf Gott die Stelle übernehmen wolle. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 21, Bl. 2r–3v. Freilich bat er um die möblierte Wohnung eines verstorbenen Amtsbruders, und außerdem schienen ihm die Einkünfte von tausend Reichstalern problematisch. „Ungerne“, Hillmer möge es glauben, „ungerne berührte ich sowohl in Berlin als hier diesen Punkt des Einkommens; denn meinen Schatz – Dank sey der Gnade Jesu! erblicke und suche ich nicht hier in dieser Welt, sondern in der Ewigkeit. Aber doch sind wir vorjetzt noch in dieser Welt; ein gewisser Anstand in einem gewissen Posten muß beobachtet werden; wie sich die Zeiten gegen 30 Jahr zurück verändert haben, und noch immer verändern, und welch ein Unterschied sey zwischen einer ländlichen und einer von allen Seiten kostbarern städtischen Wirthschaft, das ist bekannt. Und besser hielte ich’s, davon lieber vorher ehrlich reden, als hintennach Schleichwege zum Gewinn suchen.“ AaO Bl. 2v–3r. Er bat Hillmer, ihn bei Woellner zu empfehlen, da er bei diesem Posten dessen Protektion dringend bedürfe. AaO Bl. 3r–3v. Hillmers Antwort entsprach keineswegs Köppens Erwartungen, so daß Köppen am 22. Mai wieder zur Feder griff. AaO Bl. 5r–5v und 8r–8v. Um den Wegen Gottes nicht schlechterdings auszuweichen, habe er seine Erklärung vom 4. Mai „aufs äusserste mässig“ eingerichtet. Er hatte die Furcht verschwiegen, unter den gehäuften Arbeiten alsbald an Gemüt oder Leib zu leiden. Seinen beiden Vorgängern war dies so ergangen, obwohl sie jünger als er selbst gewesen waren. AaO Bl. 5r. Nun hatte Hillmer am 15. Mai geantwortet, daß es allein bei den tausend Reichstalern verbleiben müsse. Auch eine Wohnung müßte er von diesem Gehalt finanzieren. Sie müßte „wohl kleinlich genug“ ausfallen. Und schwerlich habe Hillmer ihn „im Ernst“ dadurch trösten wollen, daß er ohne Kinder sei. „Eine ordentliche Wohnung ist das halbe Glück des Lebens!“ Köppen war zutiefst verwundert, daß ein blühender Staat wie Preußen einem Mann, den er mit einem bestimmten Posten bekleiden wollte, solche „Kleinigkeiten“ nicht gewähre. AaO Bl. 8r. Daher lehnte er die Stelle des Superintendenten ab. AaO Bl. 8v. Da sein Reisen und Schreiben nun vergeblich gewesen waren, zweifelte er nicht, daß Woellner „es selbst, wie sonst Jedermann, für billig finden“ werde, ihm die Reisekosten zu erstatten. 150

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E. Erste Maßnahmen

Am 18. Juli 1794 meldete aus Köslin das Pommersche Konsistorium dem König, daß nach Aussage der Inspektoren in verschiedenen Gemeinden der neue Katechismus eingeführt worden sei153. Jedoch in den kommenden Monaten zeigte sich in Pommern hartnäckiger Widerstand, so daß am 6. März 1795 aus Köslin das Pommersche Konsistorium an den König schrieb154. Verschiedene Prediger hätten schon angezeigt, daß sie in ihren Gemeinden, die darauf bestünden, den Kleinen Katechismus Luthers beizubehalten, nichts ausrichten könnten155. Einige Gemeindeglieder hatten angeführt, daß sie zu unvermögend seien, ihren Kindern eine Bibel zum Nachschlagen der Bibelverse anzuschaffen, die in dem neuen Katechismus nicht, wie in dem bisherigen, wörtlich abgedruckt waren156. Das Pommersche Konsistorium hatte nun kein „Zwangs Mittel“157, den gemeinen Mann auf dem Land zur Befolgung des königlichen Willens zu nötigen, und hielt es auch nicht für ratsam, die gemeinen Leute, die sich nach ihrem Temperament für gewöhnlich jedem Zwang widersetzten, durch Zwangsmittel anzuhalten. Auch Woellner und die Geistliche Immediat-Examinationskommission wollten keine Zwangsmittel angewendet wissen. Unter dem 22. April 1795 wurde dem Konsistorium zu Köslin zur Resolution erteilt, daß es die Pröpste und Prediger anweisen müsse, künftig keine Mühe zu scheuen, um die „widersezlichen“ Gemeindeglieder „auf eine gute Art“ von ihren „irrigen Begriffen“ hinsichtlich des neuen Lehrbuchs zu überzeugen und zu dessen Annahme zu bewegen. Es sei keineswegs der königliche Wille, daß in dieser Sache gewaltsame Zwangsmittel gebraucht würden158. Insgesamt blieb der Plan, in allen preußischen Ländern einen einheitlichen Katechismus einzuführen, also fern vom Gelingen. Gegen die jeweiligen lokalen Gegebenheiten konnten häufig auch obrigkeitliche Verordnungen nichts ausrichten. Im übrigen sprach Woellner selbst sich mehrfach für ein gemäßigtes Vorgehen bei der Einführung des neuen Katechismus aus159. In Ostfriesland freilich verlief die Einführung der „Christliche[n] Lehre“ reibungslos. Am 24. April 1794 berichtete die Ostfriesländische Geistliche ProZwar hatte er im Quartier zu Berlin nichts bezahlt, „aber was da zu bezahlen war, war auch das wenigste“. AaO Bl. 8v. 153 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 29, Bl. 9r–9v. 154 AaO Bl. 46r–46v und 50r. 155 AaO Bl. 46r. 156 AaO Bl. 49r–49v. 157 AaO Bl. 49v. 158 AaO Bl. 51r [Konzept]. 159 Man kann also nicht sagen, daß „die rationalistische Opposition“ fortgefahren habe, „die Einführung des neuen Katechismus in den meisten Provinzen zu sabotieren“. Gegen Klaus Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus in Deutschland. Der Ausgangspunkt: Die Herausforderung durch die Französische Revolution. 1770–1806, Frankfurt a. M. u. a. 1973, 421.

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vinzial-Examinationskommission in ihrem halbjährlichen Generalbericht160, daß in den Landschulen und in den niederen Schulen der Städte der neue Katechismus pflichtgemäß eingeführt worden sei161. Und in ihrem halbjährlichen Generalbericht vom 7. April 1796 gab sie an, daß sich nur eine einzige Landgemeinde gegen das neue Buch gesträubt habe162. 5. Reformierter Katechismus Bereitete die Einführung eines allgemeinen Lehrbuchs für den lutherischen Religionsunterricht letzthin unüberwindliche Schwierigkeiten, so gestaltete sich dies Vorhaben bei den Reformierten um so leichter. Unter dem 19. Januar 1790 erging an den Chef des geistlichen Spezialdepartements für reformierte Angelegenheiten Wolfgang Ferdinand v. Dörnberg eine Kabinettsordre163. „Um denen sogenanten Aufklärern auch unter den reformirten Predigern und Schullehrern das Handwerk völlig zu legen“164, habe der König beschlossen, ein einziges allgemeines Lehrbuch zum Unterricht in der Religion für die Jugend der reformierten Konfession in Preußen einführen zu lassen. Dörnberg solle entweder unter den schon vorhandenen Lehrbüchern eines auswählen oder ein solches Kompendium sofort anfertigen lassen und dem König zur Autorisation zuschicken. Dann solle jeder Prediger und Schullehrer in allen reformierten Gemeinden angehalten werden, von dieser allgemeinen Vorschrift bei Strafe der Kassation nicht abzuweichen. Bereits am 29. Januar meldeten Dörnberg, Heinrich Karl Jakob Lipten, Sack, Johann Heinrich Ludwig Meierotto165 und Christian E. Ludwig Friedel dem König schriftlich, daß ihnen die Kabinettsordre vom 19. Januar einen neuen Beweis von der königlichen Fürsorge gegeben habe, daß „das reine biblische Christenthum, welches zur wahren Gottseeligkeit führt, und die erste Stütze

160 Zu den halbjährlichen Generalberichten der Provinzial-Examinationskommissionen vgl. Kapitel H.VI. 161 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 41, Bl. 4r–5r, hier 4v. 162 AaO Bl. 14r. 163 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Lehrbuch 1790–1797), unpag. [Abschrift]. 164 AaO (Lehrbuch 1790–1797), unpag. [Abschrift]. 165 1786 legte Woellner dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm eine „Characteristic guter Leute“ vor, die hundert Personen umfaßte. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 206 E, Bl. 25r–59r. Lobend erwähnte Woellner dort auch den 38jährigen Direktor des Joachimsthalschen Gymnasiums Meierotto: Er sei von ausgebreiteter Gelehrsamkeit und „ein wahrer Tresor“, dessen Wert von manchen Menschen nicht erkannt werde. Meierotto, „ein großer Verehrer der Religion Jesu“, wolle von der Aufklärung des Friedrich Gedike und Johann Erich Biester bei der Jugend nichts wissen. AaO Bl. 53v.

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E. Erste Maßnahmen

des Staats ist, erhalten und verbreitet werden möge“166. Schon immer hätten sie die Überzeugung gepflegt, daß bei allen dasselbe Lehrbuch gebraucht werden müsse. Diesem Grundsatz gemäß sei in allen reformierten Gemeinden Preußens der Heidelberger Katechismus im Religionsunterricht der Kinder zugrunde gelegt worden. Das reformierte Kirchendirektorium hatte niemals die Einführung eines anderen Lehrbuchs gestattet, obgleich verschiedentlich insbesondere für die Landgemeinden und kleineren Schulen ein kürzeres Kompendium gewünscht worden war. Dörnberg führte das Schmeichelhafte der Kabinettsordre freilich nicht an die Grenze zur Anbiederung, sondern unterbreitete einen pragmatischen Vorschlag: Da einerseits die Anfertigung und Einführung eines neuen und besseren Katechismus vielen Schwierigkeiten unterworfen sei, andererseits auch die Übereinstimmung der preußischen reformierten Kirche mit anderen reformierten Kirchen außerhalb Preußens dadurch verringert oder gar aufgehoben werden würde – wie denn besonders die westfälischen Kirchen teils mit Jülich und Berg in Synodalverfassung stünden, teils mit den holländischen Kirchen Verbindung hielten –, da ferner den größtenteils armen Gemeinden große Kosten verursacht werden dürften, stellten die Briefschreiber anheim, ob nicht bloß die älteren landesherrlichen Verordnungen, daß sich die reformierten Prediger und Schullehrer bei ihren katechetischen Unterweisungen des Heidelberger Katechismus bedienen sollten, zu erneuern und einzuschärfen seien. Daneben wäre ein bündiger Auszug der Katechismuslehren für die Anfänger und niederen Schulen von großem Nutzen. Solche Auszüge seien im übrigen bereits angefertigt worden: Der Hofprediger und Oberkonsistorialrat Daniel Heinrich Hering zu Breslau hatte schon mehrere Jahre zuvor einen knappen Religionsunterricht für Anfänger in der christlichen Lehre herausgegeben167. Auch der Hofprediger Pauli zu Halle hatte einige Zeit zuvor eine derartige kürzere Unterweisung in der christlichen Lehre drucken lassen, die zur Erklärung des Heidelberger Katechismus gebraucht werden könne. Herings Buch sei zwar dem Titel nach für Kinder beider evangelischen Konfessionen gedacht, und deswegen war die Einteilung der Gebote nach der lutherischen Kirchenordnung beigefügt. Freilich sei dieses Buch dem Werk Paulis vorzuziehen. Bei einer neuen Auflage könnten der Titel verändert und die doppelte Einteilung der Gebote gestrichen werden. Bereits am nächsten Tag, am 30. Januar erging an Dörnberg eine Kabinettsordre168. Es sei ihm, dem König, „sehr lieb“, daß Dörnberg und das reformierte 166 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Lehrbuch 1790–1797), unpag. 167 Herings Büchlein vermied weitgehend die schwierigen und strittigen Dogmen. 168 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 26, unpag. [Abschrift]. Eine weitere Abschrift findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 16, Bl. 355r [Abschrift].

I. Der neue Katechismus

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Kirchendirektorium selbst die Notwendigkeit einsähen, nicht jeden Prediger „nach seinen Einfällen“ die christliche Religion lehren lassen zu können. Friedrich Wilhelm II. stimmte „vollkommen“ dem Vorschlag zu, daß der Heidelberger Katechismus wie bislang die Grundlage des Unterrichts in der reformierten Konfession bleiben solle. Von den ihm übersandten Kompendien solle das Heringsche Buch allenthalben unverzüglich eingeführt werden. Sogleich unterrichtete Dörnberg unter dem 5. Februar alle reformierten Prediger durch die Inspektoren von dem königlichen Befehl169: „Wir haben zur Verhütung eigenmächtiger und schädlicher Neuerungen nöthig gefunden, vermittelst Cabinetsordre vom 30sten Januar auf das ernstlichste zu befehlen; daß die alten landesherrlichen Verordnungen, vermöge welcher in allen reformirten Gemeinen und Schulen in Unsern Landen der Heidelbergische Catechismus bey der Unterweisung der Jugend in der christlichen Religion zum Grunde gelegt werden muß, erneuert und eingeschärft werden sollen.“170 Außerdem war es der königliche Wille, daß das Büchlein „Kurzer Unterricht in der christlichen Lehre“ von Hering „als ein Leitfaden zur Unterweisung in den kleinen Schulen und für die Anfänger allgemein eingeführt, außer diesen beiden Büchern aber kein anderes Compendium gebraucht werden solle“. Allein nach diesen Schriften solle die Jugend „in dem reinen biblischen Christenthum unterrichtet, und zur wahren Gottseligkeit angeführt und erzogen“171 werden. Die Inspektoren waren verpflichtet, diejenigen Prediger und Schullehrer zu melden, die sich nicht nach diesen katechetischen Unterweisungen richteten, „damit sie nach Beschaffenheit der Umstände zur Ordnung und zum Gehorsam angehalten, die Widerspenstigen und Gewissenlosen aber ihres Amts entsetzt werden“172. Am 27. März meldete Dörnberg dem Monarchen, daß die neue Auflage von Herings Büchlein fertiggestellt sei, und bat ihn um einige hundert Taler, um das Buch den Armen geben zu können173. Nun fühlte sich Woellner gedrängt und berichtete dem König drei Tage später, daß auch er selbst „mit Gottes Hülfe“174 seinen Auftrag wie Dörnberg erfüllen werde, „ob ich gleich Wiederspruch, Er aber keinen gefunden“ habe. „Ein sicherer Beweiß daß bei den Reformirten noch mehr reine Lehre, Ordnung, und Kirchen-Zucht ist, als bei meinen Lutheranern wo Zedlitz in 20 Jahren alles hat verwildern und so viel Unkraut wo nicht selbst gesäet, doch wenigstens aufwachsen lassen.“175 Woellner schloß 169

GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 98r. Ebd. 171 Ebd. 172 Ebd. 173 AaO Bl. 97r. 174 AaO Bl. 96r. 175 Ebd. 170

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E. Erste Maßnahmen

sich dem Wunsch Dörnbergs nach einigen hundert Talern sogleich an und versprach, sollte der König tausend Reichstaler schenken, diese „brüderlich“176 zu teilen. Friedrich Wilhelm II. stimmte „gantz gern“177 zu; es sei ihm im übrigen „lieb das bei meinen glaubens brüder noch so viel Ortodoxi“178 sei. 6. Der strukturell begrenzte Wirkungskreis Ein erheblicher Teil des Unterrichtswesens entzog sich jeder Kontrolle179. Weit verbreitet war im 18. Jahrhundert die schulische Erziehung durch Hauslehrer. Diese Hauslehrer unterstanden keiner obrigkeitlichen Aufsicht. Die Privaterziehung war im Alten Preußen anerkannt. Auch das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten verblieb in diesem Rahmen: „Jeder Einwohner, welcher den nöthigen Unterricht für seine Kinder in seinem Hause nicht besorgen kann, oder will, ist schuldig, dieselben nach zurückgelegtem Fünften Jahre zur Schule zu schicken.“180 Dies schloß für Eltern auch niederen Standes die Möglichkeit ein, ihre Kinder in den für erforderlich gehaltenen Kenntnissen selbst zu unterrichten181. Meistens wirkten Theologen als Hauslehrer, in Ostpreußen und Westpreußen waren freilich bisweilen auch Juristen in diesen Stellen zu finden. Die Westpreußische Provinzial-Examinationskommission beklagte, daß bei diesen jungen Rechtsgelehrten weder der Umfang noch die „Lauterkeit“ ihrer Religionskenntnisse von den Predigern oder Inspektoren erprobt werden könnten. Es könne, „zumal bei der jetzigen sittlichen und religiösen Verwilderung vieler jungen Leute“182, auf diesem Wege viel Unheil angerichtet werden. In Ostpreußen gaben mehrere Inspektoren an, daß in ihren Diözesen Studenten der Jurisprudenz als Hauslehrer unterrichteten, die naturgemäß keine zum Unterricht hinlängliche Kenntnis von der Religion haben konnten183. 176

Ebd. Ebd. So sein eigenhändiger Kommentar auf Woellners Bericht. 178 Ebd. 179 Auf die Winkelschulen hatte der Staat keinen Zugriff. Zu den zahlreichen Winkelschulen vgl. Neugebauer, Absolutistischer Staat, 588 und 600 f. Zu den bereits im 16. Jahrhundert erlassenen Verboten gegen Winkelschulen vgl. aaO 583. 1794 verbot dann auch das Allgemeine Landrecht die Winkelschulen. Vgl. ALR II 12 § 6: „Auf dem Lande, und in kleinern Städten, wo öffentliche Schulanstalten sind, sollen keine Neben- oder sogenannte Winkelschulen ohne besondere Erlaubniß geduldet werden.“ 180 ALR II 12 § 43. 181 Neugebauer, Absolutistischer Staat, 612. 182 Das berichtete die Westpreußische Geistliche Provinzial-Examinationskommission unter dem 26. November 1794. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 45, Bl. 14r–16r, hier 14v. 183 Das berichtete die Ostpreußische Geistliche Provinzial-Examinationskommission in ihrem halbjährlichen Generalbericht vom 29. April 1797. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 42, Bl. 62r–69v, hier 68v. 177

II. Das „Schema Examinis Candidatorum“

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II. Das „Schema Examinis Candidatorum“ 1. Die Entstehung und Einführung Hermann Daniel Hermes überzeugte den König, daß der Kampf gegen die Neologie sich auch auf die zukünftigen Geistlichen erstrecken müsse. Daher schlug er vor, ein „Schema Examinis Candidatorum“ anzufertigen, mit dem man die Kandidaten auf ihre Orthodoxie prüfen könnte184. In Breslau machte sich Hermes alsbald ans Werk, das dann ohne Angabe von Druckort und Jahreszahl erschien185. Hermes und Hillmer nutzten auch bei dem „Schema“ den großen Einfluß der Somnambule186 auf den König und berichteten ihm, daß die Somnambule Hermes für seine die Prüfung der Kandidaten des Predigtamtes betreffende Ausarbeitung gelobt habe, obwohl sie ihr zuvor nichts über das „Schema“ berichtet hätten187. Das „Schema“ war – insbesondere in der Sündenlehre und in der Lehre von der Bekehrung – geprägt von der Glaubensrichtung des Hallischen Pietismus. Es handelte von Christi Person und Werk, von der Sünde und von der Anwendung dessen, was Gott durch den Erlöser geleistet hat – in Buße, Glauben an Christus und Heiligung. Es fehlten die Lehrstücke von der Schrift, der Rechtfertigung durch den Glauben, der Kirche und den Sakramenten. Unter dem 9. Dezember 1790 erhielten alle lutherischen Konsistorien durch ein Circulare dieses „Schema“188. Nachdem in § 10 des Religionsedikts ausdrücklich verordnet worden war, daß die Besetzung der Pfarrstellen durch Subjekte geschehen solle, die keine „jezt im Schwange gehende Irthümer in den Grund-Warheiten“189 der christlichen Religion angenommen, sondern „die reine Lehre von Jesu nach der Bibel, und nach dem Inhalt der symbolischen Bücher und der Confession der protestantischen Kirche gründlich erlernet“190 184 Bereits seit 15 Jahren hatte Hermes als Assessor des Stadtkonsistoriums Erfahrungen bei Examina gesammelt. Georg Hoffmann, Hermann Daniel Hermes, der Günstling Wöllners. (1731–1807). Ein Lebensbild, Breslau 1914, 55 f und Philippson, Geschichte, Bd. 1, 322. 185 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 15, Bl. 1r–5v. Ein gedrucktes Exemplar des „Schema Examinis Candidatorum“ findet sich auch GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 63r–68v. 186 Zur Somnambule vgl. Kapitel F.I.1. 187 Vgl. einen Bericht vom 23. Februar 1798 von v. d. Reck, Lützow, Kircheisen, Pitschel und Beyme. GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 91, Bl. 9r–36v, hier 17v–18r. 188 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 10r–10v [Konzept]. Die Ausfertigung an das Kurmärkische Oberkonsistorium findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 61r–61v. 189 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 10r [Konzept]. 190 Ebd.

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E. Erste Maßnahmen

hätten, müsse bei allen neu angehenden Predigern hauptsächlich untersucht werden, ob sie in der „Dogmatic“ der christlichen Religion „fest gegründet“ seien191. Der Präsident des Konsistoriums sollte jedem Prüfer daher ein Exemplar des dem Circulare beigelegten „Schema“ mit dem ausdrücklichen Befehl übergeben, sich beim öffentlichen Examen nach dessen Inhalt zu richten und keine anderen als die darin befindlichen Sätze zu berühren, die übrigen theologischen Wissenschaften aber, in denen die Kandidaten geprüft zu werden pflegten, bloß in dem vorangehenden Tentamen vorzunehmen192. Wenn der Kandidat in dem nach diesem „Schema“ durchgeführten Examen bestanden hätte und zum Predigtamt zugelassen würde, sollte der älteste Examinator ihn in Gegenwart der versammelten Mitglieder des Konsistoriums fragen, ob er bei seiner Amtsausübung die christliche Religion auch tatsächlich in der Weise zu lehren verspreche, wie er sie in der Prüfung vorgetragen habe. Die zustimmende Beantwortung der Frage sollte der Kandidat zuletzt durch einen Handschlag besiegeln193. Am 11. Januar 1791, einem Dienstag, meldete Heinrich Karl Jakob Lipten bei v. d. Hagen, daß das Reskript vom Zirkulieren noch nicht zurückgekehrt sei. Nun stand aber schon donnerstags ein Examen an, so daß Lipten fragte, ob er, ohne die Rückkehr des Circulare abzuwarten, den drei Predigern der Petrikirche, die an der Prüfung beteiligt waren, Exemplare des „Schema“ mit der Nachricht übersenden solle, daß dieses Schriftstück als Norm der Examina vorgeschrieben sei194. Sofort an demselben Tag notierte v. d. Hagen, der keinen Aufschub dulden wollte, auf dem Zettel, daß das Reskript nunmehr hoffentlich wieder eingetroffen sei. Teller habe übrigens dabei bemerkt, daß er den beiden anderen Predigern an der Petrikirche Jakob Elias Troschel und Johann Ernst Lüdeke Exemplare von dem „Schema“ zugestellt habe. Es werde also am Donnerstag danach geprüft werden können195. 191

GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 61r. AaO Bl. 61r–61v. 193 Im Zeitraum vom 30. Dezember 1790 bis zum 8. Januar 1791 unterschrieben Zöllner, Diterich, Büsching, Spalding – der das Ganze am Silvestertag erhielt –, Teller – der auch zwei Exemplare für Troschel und Lüdeke an sich nahm –, Sack, Gedike, Silberschlag, v. Lamprecht, Nagel und v. Irwing, daß sie das Reskript gesehen und ein Exemplar des „Schema“ an sich genommen hätten. AaO Bl. 61v. Das „Schema Examinis Candidatorum“ konnte freilich wegen der konfessionellen Gegebenheiten nicht überall greifen. Am 17. Januar reagierte die Landesregierung des Fürstentums Meurs auf das Circulare vom 9. Dezember: Im Fürstentum Meurs waren nur ein einziger lutherischer Prediger in Krefeld und ein Kandidat des Predigtamtes in Meurs vorhanden. Wenn es lutherische Kandidaten aus dieser Provinz gab, wurden sie von den benachbarten Klevischen Inspektionen geprüft. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. 194 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 62r. 195 Ebd. 192

II. Das „Schema Examinis Candidatorum“

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Teller freilich sah sich außerstande, weiterhin Prüfungen abzuhalten, und hatte daher bereits unter dem 10. Januar 1791 den König gebeten, bei denjenigen Sessionen des Oberkonsistoriums, in denen Examina abgehalten würden, fehlen zu dürfen196. Diese Bitte hatte er Woellner bereits am Vormittag in einem Privatschreiben unterbreitet. Ihn als ältesten geistlichen Rat treffe die Reihe des Examinierens ohnehin fast niemals, und der ihm nachfolgende Rat Silberschlag werde die Verpflichtung der Kandidaten gern übernehmen. Am 12. Januar jedoch wurde Teller beschieden, daß sein Gesuch abgelehnt sei197. Schon bald zeigte das Circulare vom 9. Dezember 1790 erste Folgen. Am 19. Januar 1791 schrieb das Breslauer Oberkonsistorium und fragte, ob die Prüfer auch auf den Grund des „Schema“ gehen sollten, um zu vermeiden, daß beim Examen nur auswendiggelernte Fragen vorgetragen würden198. Dies war durchaus im Sinne Woellners, der in einem Reskript vom 10. Februar 1791 relativierend betonte, daß das „Schema Examinis“ „nur ein Leitfaden“ für die Themen sei, die bei den Examina zur Sprache kommen sollten199. 2. Die Bataille mit dem Oberkonsistorium a) Die Kollektiveingabe Wie bereits nach dem Erlaß des Religionsedikts und bei der Einführung des neuen Katechismus regte sich alsbald auch das Oberkonsistorium. Den Widerstand ihrer persönlichen Überzeugung gegen Verordnungen, die ihr widerstritten, setzten die geistlichen Oberkonsistorialräte fort. Spalding, Büsching, Teller, Diterich und Zöllner verfaßten eine dreieinhalbseitige Kollektiveingabe an den König, in der sie ein grundstürzendes Urteil über das „Schema“ fällten, durch das ein „manichfaltiger Schade“ gestiftet werden müsse200. 196 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1], unpag. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 192 gibt als Datum fälschlich den 8. Januar an. 197 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1], unpag. 198 Es unterschrieb neben anderen Hermann Daniel Hermes. AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. 199 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. 200 Diese Kollektiveingabe datierte – ohne Tagesangabe – vom Februar 1791. AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. Hoffmann, Hermes, 57 datiert die Eingabe auf den 7. Februar 1791. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 192 f datiert das Schreiben auf den 2. Februar 1791. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 15, Bl. 13r–13v [Abschrift] datierte auch auf den 2. Februar 1791. Inzwischen waren unter dem 6. Januar 1791 die „Besorgniße u Bedenklichkeiten bei dem vermittelst höchsten Rescripts vom 9ten Dezember pr. vorgeschriebenen Schema examinis Candidatorum“ erschienen. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1808, Bl. 5r–8r. In diesem von Schreiberhand zu Papier gebrachten Exemplar hat Teller noch handschriftliche Korrekturen

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E. Erste Maßnahmen

Zunächst waren die Räte indigniert, weil man sie der ihnen sowohl in der Instruktion des Oberkonsistoriums als auch in ihren Bestallungen anvertrauten Aufgabe beraubt hatte, in Prüfungsangelegenheiten die königlichen Absichten auszuführen und darüber zu beratschlagen. Es sei „äußerst niederschlagend“, daß ihr Kollegium in dieser Angelegenheit übergangen worden war. Und es wäre noch weit kränkender, wenn in der Öffentlichkeit die Meinung entstünde, daß das „Schema“ von ihnen herrührte oder zumindest von ihnen im Nachhinein gebilligt worden wäre. Zwar hatte sich Woellner bereits in der Sitzung des Oberkonsistoriums am 13. Januar 1791 über den Gebrauch, der von dem „Schema“ beim Examen gemacht werden solle, in einer Weise erklärt, daß ein Teil der Bedenken, die das Reskript vom 9. Dezember 1790 erregt hatte, hinwegfalle. Allein teils könne diese mündliche Erklärung, die das Reskript „auf gewiße Weise“ aufhebe, ihr Kollegium nicht beruhigen, teils werde dadurch der Schaden nicht verhindert, der in den Provinzen durch ein Examen nach diesem „Schema“ gestiftet werde. Daher baten die Räte den König, sich die Vorschläge des Oberkonsistoriums über die zweckmäßige Einrichtung der Examina vorlegen zu lassen. Als Beilage fügten sie Ausführungen von Spalding an, die dieser am 12. Januar 1791 für seine Kollegen niedergeschrieben hatte201: Da das Reskript vom 9. Dezember 1790 nebst dem den Konsistorien zugefertigten „Schema Examinis“ eigentlich zunächst nur die Examinatoren betreffe, zu denen er selbst nicht gehörte, weil er wegen seines Alters und seiner schwachen Gesundheit von den Sessionen des Kollegiums dispensiert war, hätte er gegen diese Vorschrift keine Beschwerde zu führen. Aber aus einem allgemeineren Grund und als Rat des Oberkonsistoriums halte er es für seine Pflicht, „zum Nutzen und zur Ehre unserer Kirchen“ die Einführung des „Schema“ zu verhindern zu helfen. Erstens: In dieser ganzen Sache war das Oberkonsistorium gänzlich übergangen und zurückgesetzt worden, obwohl es ein königliches Oberkollegium war, dessen ureigenste Aufgabe darin bestand und dessen Gliedern es durch ihre Bestallung zur besonderen Amts- und Gewissenspflicht gemacht war, für das Beste des Religions- und Kirchenwesens in Preußen zu sorgen. Und weiter: Die in dem „Schema“ angegebene Art, die Kenntnisse der Kandidaten – auch nur in den dort verzeichneten Lehrpunkten selbst – zu erforschen, sei keineswegs zweckdienlich, weil auch der Unwissendste mühelos die eingetragen. Eine Reinschrift findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 15, Bl. 7r–12r. Das „Schema“ lasse teils einen der wichtigsten Artikel ganz aus, teils enthalte es willkürliche und falsche Zusätze eines Privatschriftstellers: Es fehlte der locus de iustificatione (aaO Bl. 9r– 9v), und weder in der Bibel noch in den Symbolischen Büchern finde sich, daß der Teufel beim Fall der ersten Menschen triumphiert hätte (aaO Bl. 10r). 201 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag.

II. Das „Schema Examinis Candidatorum“

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richtigen Antworten geben könnte, da er bereits zuvor wissen würde, welche Fragen ihm gestellt werden würden. Denn es sei nicht zu verhindern, daß er Exemplare oder Abschriften des „Schema“ in die Hände bekommen könnte. Er müßte sich also zur Vorbereitung auf die Prüfung nur die Antworten des „Schema“, die überdies, nebst den Beweisen, schon großenteils in dem Gedruckten selbst beigefügt waren, aufschreiben oder sich von anderen aufschreiben lassen und dann auswendiglernen. Auf diese Weise hätte also, urteilte Spalding ironisch, der Verfasser des „Schema“ „den Unfleiß und die Unwißenheit“ der Examinanden nicht besser begünstigen und nicht kräftiger unterstützen können. Zuletzt: Ein Prediger, der nützlich sein solle und wolle, müsse weit über die Themen des „Schema“ hinausgehende Kenntnisse haben. Wenn der angehende Geistliche „kein ernstliches Studium auf die Vertheidigung der Wahrheit der Religion überhaupt und der christlichen insonderheit gegen Ungläubige und Verächter; auf eine gründliche Auslegungsart der heiligen Schrift zur Hebung der darin vorkommenden scheinbaren Anstößigkeiten; auf eine richtige Unterscheidung der Religion selbst von der wißenschaftlichen schulgerechten Theologie und Terminologie; auf die der vernünftigen menschlichen Natur gemäße Anwendung der Religionslehren zu ihrem wahren, wesentlichen Zweck, dem gottgefälligen Sinn und Verhalten; auf die Zerstörung abergläubiger, für Gottseligkeit und Moralität so verderblicher, Vorurtheile, als der gefährlichsten Ketzereyen, u.d.g.m. gewendet hat“, sei er – wenn er auch alle Formeln des „Schema“ auswendig hersagen könne – dennoch für das Predigtamt untauglich. Er werde bald genug nicht nur sich selbst, sondern zugleich auch die Religion, die er lehren solle, „bey Denkenden in Nichtachtung bringen und bey Leichtsinnigen zum Gespötte machen“. „Und das wolle“, hoffte Spalding, „Gott verhüten!“ Spalding wollte nicht auf den besonderen Inhalt des „Schema“ eingehen und erläutern, welche Aussagen darin sogar unsymbolisch seien und also ganz willkürlich aufgebürdet würden, welche unrichtig erklärten Schriftstellen als Beweise gebraucht würden und wie keinerlei Ordnung trotz allen vorgetäuschten Scheins von tabellarischer Genauigkeit darin herrsche. Aus seinen geäußerten Einwänden gehe wohl bereits hinreichend hervor, daß von dem Verfasser des „Schema“ „aus Unkunde oder andern Ursachen“ der königlichen Absicht, rechtschaffene Prediger zu befördern, entgegengehandelt werde und auch der preußischen Kirchenverfassung vor der übrigen unparteiischen Welt eine wenig Ehre bringende Gestalt gegeben worden sei202. 202 Zwar lehnte Spalding das „Schema“ ab, jedoch an einer Reform der Predigerausbildung war ihm durchaus gelegen: „Aeußerst angelegentlich und wünschenswürdig sind allerdings Veranstaltungen zur Bildung und möglichst sichern Auswahl solcher Prediger, die das gründlich wißen und redlich brauchen, was zu ihrem großen Geschäfte wirklich nützt, die, durch deutlich verstandene, lebendig empfundene, und so ins Hertz dringende göttliche Wahrheit, aus ihren

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E. Erste Maßnahmen

Woellner war zutiefst erzürnt über das Aufbegehren der Räte und wandte sich am 15. Februar 1791 schriftlich an den König203. Das beigelegte Reskript an den Präsidenten v. d. Hagen war zur Antwort an die geistlichen Konsistorialräte auf ihre bisherigen „Insolenzen“ gedacht. „Es ist von äußerster Nothwendigkeit daß diese verstockte Menschen als Verächter der reinen Lehre Jesu, endlich einmahl Ernst sehen, weil sie mir jeden Schritt sauer machen und ich sonsten gar nicht mit ihnen fertig werde.“ Woellner ahnte bereits, daß die Räte in dieser Bataille204 ihn selbst, Woellner, verklagen würden. In diesem Fall bat er den König „Fußfällig“, ihm die Klage weiterzuleiten und ihn die darauf folgende Kabinettsordre entwerfen zu lassen. Wenn die Räte dann erkennen würden, „daß es nicht bloß mein Betrieb“, sondern des Königs ernster Wille sei, würden sie sich schon fügen „und zu Creutze kriechen, und die gute Sache gewinnet Platz“. Auch das Reskript an v. d. Hagen war auf den 15. Februar 1791 datiert205. In der Anlage erhielt v. d. Hagen die Vorstellung der geistlichen Räte. Nachträglich diffamierte Woellner nochmals deren früheren Widerstand. v. d. Hagen werde sich erinnern, welche „nichts bedeutende[n]“206 Einwürfe eben diese Räte gegen das „so nothwendige und heilsame Religions-Edict“207 und auch gegen die Einführung des allgemeinen Lehrbuchs der christlichen Religion für die Jugend vorgebracht hatten. Von der gleichen Art seien die nun vorgelegten Einwände gegen das „Schema“. Da es ihnen nunmehr zur Gewohnheit geworden zu sein scheine, „jeder guten Sache zu wiedersprechen“, die der König „zur Abstellung der bisher eingeschlichenen Misbräuche, und überhand genommenen Irthümer und zur Aufrechthaltung der reinen protestantischen Religion nach den Symbolen der lutherischen Kirche“208 Zuhörern Christen im Geist und im Leben zu machen suchen. Die Ueberzeugung von dieser Verbindlichkeit, das Bewußtseyn einer stets hienach eingerichteten Lehrart, und das daraus gefaßte Vertrauen zu Gott, auf diesem Wege, unter seinem Beystande nicht ohne Frucht gearbeitet zu haben; das allein kann den Lehrer des Christenthums, während seiner Amtsführung, und auch noch am Ende derselben und seines Lebens, beruhigen. Dazu wünschte ich nun unsere Prediger vorbereitet, und so mit ihnen unsere Gemeinen versorgt zu sehen; und Gott segne eine jede dazu wahrhaft dienliche Verfügung!“ AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. 203 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 3, Bl. 43r. 204 Woellner legte seinem Aktenstapel einen mit Rotstift geschriebenen Zettel voran: „Bataille mit dem Consistorio. 1791“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 15, unpag. 205 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 3, Bl. 44r–44v. In diesem Exemplar von Schreiberhand hatte Woellner noch eigenhändig redigiert. Woellners Konzept findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. 206 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 3, Bl. 44r. 207 Ebd. 208 Ebd. Ursprünglich stand „nach den Symbolen der reformirten und lutherischen Kirche“. Woellner hatte dann den Hinweis auf die reformierte Kirche durchgestrichen.

II. Das „Schema Examinis Candidatorum“

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einführen wolle, sei es notwendig, ihnen „diese üble Gewohnheit nachdrücklich abzugewöhnen“209. Woellner wollte den Oberkonsistorialräten die hierarchischen Verhältnisse einschärfen. Daher sollte v. d. Hagen den Räten, die unterschrieben hatten, zu verstehen geben, daß der Monarch „schlechterdings Folgsamkeit und Gehorsam“210 gegenüber den königlichen Befehlen erwarte. Da die bisherige königliche „Nachsicht und Gelindigkeit“ nicht vermocht hatte, die Räte „in ihren Schrancken zu halten“211, sondern sie sich Befugnisse anmaßten212, die ihnen nicht zustanden, weil der König die Führung des Oberkonsistoriums nicht ihnen213, sondern dem Minister des Geistlichen Departements allein anvertraut habe – „von dem Wir alles fordern, und der Uns allein für alles résponsable sein muß“214 –, würden sie215 es sich selbst zuzuschreiben haben, wenn der König bei fortdauernder „Wiederspenstigkeit“216 gegen seine Verordnungen schließlich „auf die Reformation dieses halsstarrigen Collegii“217 Bedacht nehmen und218 auf die Remotion219 der unterschrieben habenden Räte antragen und andere, die ihre Pflichten besser kennen würden, an ihrer Stelle vorschlagen müßte220. Am 18. Februar schrieb Woellner das Konzept mit geringfügigen Veränderungen noch einmal – mit dem doppelt unterstrichenen Vermerk „Cito!“ – ab221. b) Die „Vorstellung“ an den König vom 26. Februar 1791 und Woellners harsche Reaktion Zu Recht hatte Woellner freilich vermutet, daß sich Spalding, Büsching, Teller, Diterich und Zöllner keineswegs beruhigen würden. Tatsächlich wandten sie 209

Ebd. Ebd. 211 Ebd. 212 Ursprünglich war nicht die dritte Person Plural „sie“ das Subjekt, sondern „ihr geistlicher Stoltz“. Ebd. 213 Ursprünglich stand noch der Zusatz, daß die Führung alsdenn, wie die bisherigen Vorgänge zeigten, „kläglich genug“ ausfallen würde. Ebd. 214 Ebd. 215 Ursprünglich stand noch der Zusatz „bei ihrer eingebildeten Weißheit“. Ebd. 216 Ursprünglich war neben „Wiederspenstigkeit“ auch noch „Hartnäckigkeit“ genannt. Ebd. 217 AaO Bl. 44r–44v. 218 Ursprünglich stand noch der Zusatz: „weil an ungehorsamen Unterthanen nichts gelegen ist“. AaO Bl. 44v. Das hatte Woellner dann durchgestrichen. 219 Ursprünglich stand „Cassation“. Ebd. 220 Ebd. 221 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. Eine Abschrift des Reskripts findet sich aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 6v [Abschrift]. 210

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E. Erste Maßnahmen

sich am 26. Februar 1791 in einer „Vorstellung“ an den König222 und bezogen sich auf das Reskript vom 18. Februar223. Die Oberkonsistorialräte waren selbstbewußt. Ob sie Männer seien, die „aus halsstarriger Widersezlichkeit jeder guten Sache und Einrichtung nur zu widersprechen suchten“224 oder ob nicht vielmehr „die Pflicht der redlichsten Sorge zur Verhütung nachtheiliger Erfolge für die Religion und Kirche“225 in den Preußischen Staaten sie zu den bisherigen Schriften veranlaßt und genötigt habe, „darüber berufen wir uns sehr getrost“226 auf mehrerlei: Zuerst auf „das beruhigende Zeugniß unsers bessern Gewissens vor Gott“227 und außerdem auf „das augenscheinliche Gewicht“228 ihrer jeweils – und auch jüngst bei Gelegenheit des „Schema Examinis Candidatorum“ – dargelegten Gründe. Zugleich beriefen sie sich auf das Urteil des Publikums, das sie kannte, „und selbst auf das Urtheil der Nachkommenschaft, die uns, wäre es auch nur eben aus den Verhandlungen, von welchen hier die Rede ist, kennen lernen wird“229. Der vom König dem Chef des Geistlichen Departements aufgetragenen alleinigen Führung der geistlichen Sachen werde nichts benommen, wenn von den Räten eines Kollegiums, das zur Erfüllung dieser 222 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. Eine Abschrift mit einigen unerheblichen Abweichungen in der Graphematik findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 72r–73r [Abschrift]. Eine weitere Abschrift findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 15, Bl. 15r–16r. 223 Am 24. Februar war dieses Reskript publiziert und ihnen angekündigt worden, daß beim König, wenn sie in derselben Weise ihr Verhalten fortsetzen würden, auf ihre „Remotion“ angetragen werden müsse. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 72r [Abschrift]. 224 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 72r [Abschrift]. 225 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 72r [Abschrift]. 226 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 72r [Abschrift]. 227 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 72r [Abschrift]. 228 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 72r [Abschrift]. 229 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 72r–72v [Abschrift].

II. Das „Schema Examinis Candidatorum“

241

Aufgaben errichtet worden war, Vorstellungen eingereicht würden230. Diese Vorstellungen seien nie auf eine „ungeziemende“ Weise, sondern „mit der ehrerbietigsten Bescheidenheit, nur aber mit nicht verhehlter, uns einleuchtender Wahrheit“231 gemacht worden und hätten „nicht anmaßliche Entscheidungen, sondern Anzeigen und Gründe“232 ihrer Bedenken sowie Bitten um Erwägung und Abstellung solcher Bedenken enthalten. Sie – die Oberkonsistorialräte – hätten die „gerechte“233 Wirkung davon erfahren, als der neue Katechismus eingeführt werden sollte. Um so weniger würden überhaupt Vorstellungen von dieser Art, in denen man sich um eine Abwendung dessen bemühe, was „zum Schaden des wirklichen Christenthums“234 und also zur Verhinderung der königlichen Absicht gereichen könnte, als das Werk einer „halsstarrigen Widersezlichkeit“235 angesehen und als strafwürdige Verbrechen behandelt werden können236. Woellner sah sich zu einer harschen Zurechtweisung veranlaßt, um nicht beim König in Mißkredit zu geraten. Bereits unter dem 3. März verfaßte er eine Resolution237, in der er betonte, daß Spalding, Büsching, Teller, Diterich und Zöllner „allerdings die Männer sind, die bisher aus halßstarriger Wieder-

230 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 72v [Abschrift]. 231 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 72v [Abschrift]. 232 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 72v [Abschrift]. 233 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 72v [Abschrift]. 234 Ebd. 235 Ebd. 236 AaO Bl. 73r [Abschrift]. Vom 3. März 1791 datierte ein von Woellner unterschriebenes Reskript an den Oberkonsistorialpräsidenten v. d. Hagen. AaO Bl. 70r. Im Anschluß an das an v. d. Hagen unter dem 18. Februar ergangene Reskript erhielt er in den abschriftlichen Beilagen die Vorstellung der geistlichen Oberkonsistorialräte vom 26. Februar (aaO Bl. 72r–73r [Abschrift]) und die daraufhin am 3. März an sie ergangene Resolution. AaO Bl. 71r–71v [Abschrift]. 237 Das von Woellners Hand stammende Konzept findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. Eine geringfügige graphematische Abweichungen enthaltende Abschrift dieses Reskripts findet sich aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 7r–7v [Abschrift]. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 71r–71v [Abschrift]. Eine weitere Abschrift findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 15, Bl. 17r–17v.

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E. Erste Maßnahmen

setzlichkeit jeder guten Sache wiedersprochen haben“238, welche zur Beseitigung der seit mehr als zwanzig Jahren „eingerissenen Irthümer in Absicht verschiedener GrundArticul der christl[ichen] Glaubenslehre der evangelisch lutherischen Kirche“239, die das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 näher bestimme, und zur Wiederherstellung „des alten reinen und unverfälschten Lehrbegrifs eben dieser Kirche“240 hatte eingeführt werden sollen. Da sie es sich – nach ihrem fortdauernden Widerspruch zu urteilen – „zum Gesetz“ gemacht hätten, diesen „alten reinen und unverfälschten Lehrbegrif völlig zu verdrängen“, und da der Schaden unabsehbar groß sei, wenn die Volksmenge davon abgehalten und den Millionen Untertanen „neue Religions-Sätze“ beigebracht werden sollten, hätten sie es „sich selbst zu zuschreiben“, wenn die gesetzgebende Macht im Land „zur Erhaltung der guten Ordnung und der Ruhe im Staate“241 solche Mittel gegen sie anwenden müßte, die ihnen „nicht angenehm, aber desto wircksamer“242 sein würden. Den Räten wurde beschieden, daß „das Publicum sie allerdings kenne, und der größte noch unverdorbene Theil deßelben in und außerhalb Landes über ihren neumodischen [sic] Dogmatic schon längstens sehr unzufrieden“243 gewesen sei. Im übrigen errege es „Bewunderung“244, die Nachgiebigkeit gegen den ungegründeten Tadel der vorgeschlagenen Lehrbücher für die Jugend in ihrer Vorstellung dergestalt mißdeutet zu sehen, um so mehr, da

238 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 71r [Abschrift]. 239 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 71r [Abschrift]. 240 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 71r [Abschrift]. 241 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 71r [Abschrift]. 242 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 71r [Abschrift]. 243 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 71r [Abschrift]. 244 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 71v [Abschrift]. „Bewunderung“ bedeutet hier „verwunderung“. Jacob Grimm/Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch 1, Leipzig 1854 (ND München 1984), 1789.

II. Das „Schema Examinis Candidatorum“

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ihr „Versprechen“245, ein besseres Lehrbuch zu liefern, bis dato unerfüllt geblieben sei246. Aus dem Reskript an v. d. Hagen vom 18. Februar 1791 erhelle deutlich genug, daß das „Schema Examinis Candidatorum“ ohne Widerrede gebraucht werden müsse. Jeder geistliche Oberkonsistorialrat und jeder andere Examinator, der nicht nach diesem „Schema“ examinieren wolle, werde „ganz ohnfehlbar ab officio removiret“247 werden. c) Die Zuspitzung des Konflikts Nachdem sie diese Resolution erhalten hatten, gingen Spalding, Büsching, Teller, Diterich und Zöllner bis zum Äußersten. Das bereits seit dem Erlaß des Religionsedikts miserable Verhältnis zu Woellner war nun vollends zerrüttet. Am 17. März 1791 wandten sich die Oberkonsistorialräte in einer Immediateingabe an den König und baten um eine rechtliche Untersuchung der ihnen von Woellner gemachten harten Beschuldigung248. Diese Immediatvorstellung, die den Charakter einer Anklage trug, hatte Spalding verfaßt. Woellner habe „fast in allen“ seinen die geistlichen Räte des Oberkonsistoriums betreffenden Hofreskripten „eine solche wegwerfende Behandlung und Sprache“249 gegen die Räte gebraucht, die unter seinen Vorgängern – zumal Ernst Friedemann v. Münchhausen – ganz unerhört gewesen wäre. „Am allerkränkendsten“250 sei dies in den letzten beiden Reskripten geschehen, die das „Schema Examinis Candidatorum“ betrafen. Nicht so sehr an der Beibehaltung ihrer Amtsposten war den Räten gelegen, sondern an der „Rettung unsers so sehr gekränkten und

245 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 71v [Abschrift]. 246 Diesen Absatz hat Woellner im Konzept erst nachträglich am Rand eingefügt. 247 Ebd. 248 Die aus Spaldings Feder stammende Fassung findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. Eine Abschrift findet sich aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 1r–2v [Abschrift]. Eine weitere Abschrift findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 15, Bl. 18r–19r. 249 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 1r. 250 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und mit der Schreibweise „allerkränckendsten“ aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 1r.

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E. Erste Maßnahmen

herabgewürdigten moralischen Charakters“251. Die Räte wußten um ihren Wert: „Wir haben einen gewißen Nahmen in der Welt, den wir nicht so unverdient verloren geben können; und das ist der gute Nahme gewißenhafter und rechtschaffener Männer.“252 Und daher baten sie den König, durch den gesamten Staatsrat oder durch das Justizdepartement genau untersuchen und rechtlich entscheiden zu lassen, ob sie sich mit ihrem bisherigen Verhalten als halsstarrige Widerspenstige gegen jede gute Sache erwiesen und damit die Androhung der Remotion verschuldet hätten. Friedrich Wilhelm II. wandte sich zunächst an Woellner selbst und forderte von ihm in einer Kabinettsordre vom 27. März Rapport253. Daß der König nicht sogleich gegenüber den Oberkonsistorialräten für ihn eintrat, mußte Woellner unangenehm überraschen. Er griff sehr bald – nicht sofort – zur Feder und verfaßte am 28. März den verlangten Bericht, der zu einer ausführlichen Verteidigungsschrift geriet254. Zunächst verwies Woellner auf das „heilsame“ Religionsedikt vom 9. Juli 1788. Nach dessen Erscheinen sei „unter den redlichen Verehrern Jesu ein allgemeiner Jubel“255 ausgebrochen, mancher habe eine stille Freudenträne zu Gott hinauf geweint256. Viele Prediger und auch Silberschlag hatten Gott dafür von der Kanzel herab vor der ganzen Gemeinde gedankt. Das Religionsedikt sei also wohl offenbar, schlußfolgerte Woellner, eine gute Sache. „Hätte nun nicht jedermann glauben sollen, daß die übrigen Geistlichen Ober-Consistorial-Räthe dem rühmlichen 251 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und mit der Schreibweise „gekränckten“ und „Charackters“ aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 1v. 252 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und mit der Schreibweise „Wir“ aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 2r. 253 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 11r. Eine Abschrift findet sich aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 3r [Abschrift]. 254 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 3v–6r [Abschrift]. Ein Exemplar von Schreiberhand mit handschriftlichen Einschüben Woellners findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 15, Bl. 22r–29r. 255 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 3v. 256 Zu den positiven Reaktionen auf das Religionsedikt vgl. Kapitel C.V. und C.VI.

II. Das „Schema Examinis Candidatorum“

245

Beispiel ihres Collegen und anderer redlichen Lehrer folgen und Gott auch dahin öffentlich dancken würden, daß den Irrlehrern und falschen Aufklärern durch jenes vortrefliche Edict nunmehro Einhalt geschahe, nicht mehr das Volck zu verwirren? Weit gefehlt!“257 Sie reichten vielmehr eine weitläufige Vorstellung bei der vom König für die Anfertigung des Edikts angesetzten Kommission ein. Nachdem ihnen diese Einwürfe „gründlich wiederlegt“258 worden waren, übergaben sie eine zweite Vorstellung. Die geistlichen Oberkonsistorialräte bezeugten also eine offenbare Widersetzlichkeit gegen das Religionsedikt als eine gute Sache259. Nachdrücklich betonte Woellner, daß er selbst stets nach dem Willen des Königs gehandelt habe. Neben dem in § 9 des Religionsedikts gegebenen Befehl habe der König ihm in der Vergangenheit teils mündlich, teils schriftlich die strengsten Ordres gegeben, sich an allen Einwürfen und Gegenvorstellungen, welche die Befolgung des Religionsedikts und dessen beabsichtigten „Endzweck“, „das Volck von den neuen Irrlehren der Aufklärer zurück zu halten“, vereiteln könnten, nicht zu stören, „sondern meinen Weg gerade fortzugehen“260. Selbst wenn er also auch nicht aus eigener ehrlicher Überzeugung die Ausführung des vom König vorgezeichneten Plans hätte betreiben wollen, unterläge er doch den Befehlen seines Herrn261. Nach dieser seiner Pflicht hatte er dem König vorgetragen, ein allgemeines Lehrbuch der christlichen Religion für die Jugend im Lande einzuführen. Nachdem der König dann von Woellner und Dörnberg Vorschläge gefordert hatte, war das reformierte Konsistorium sogleich zur Erfüllung der Aufgabe bereit gewesen262.

257 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und mit dem Wörtchen „dafür“ statt „dahin“ aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 3v. 258 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 3v. 259 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 4r. 260 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und mit einer Zusammenschreibung aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 4r. 261 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 4v. 262 Ebd.

246

E. Erste Maßnahmen

Aber „welch ein Geschrei“263 habe sich von Seiten des lutherischen Oberkonsistoriums erhoben. Besonders gegen das von Woellner vorgeschlagene Buch hatten sich die Räte gewehrt, obgleich es einer von ihnen selbst geschrieben hatte. Und auch das in dem von Friedrich II. vollzogenen Landschulreglement benannte Lehrbuch, das Woellner schließlich allgemein eingeführt wissen wollte, weil es schon seit dreißig Jahren im Gebrauch gewesen war und mit einigen Hunderttausend Exemplaren im Land Verbreitung gefunden hatte264, wurde von den Räten verworfen und getadelt. Woellner zog die Zwischenbilanz: „Dis ganze Betragen kann ich doch wohl auch nimmermehr anders als Wiedersetzlichkeit nennen, oder es hat dis Wort gar keine Bedeutung in der Welt.“265 Endlich, nach „vielem Hin und Herschreiben“266, erboten sich die geistlichen Räte, selbst ein solches Lehrbuch zu schreiben. Nun hatten sie das Manuskript eingereicht, über das Woellner dem König binnen Kurzem berichten wollte. Wie „hertzlich sauer mir also auch dieser Schritt in Erfüllung meiner Pflicht“267 gemacht worden sei, könne der König mühelos erkennen. Schließlich widmete sich Woellner dem letzten Punkt der Anklage: dem „Schema Examinis Candidatorum“. Er zitierte aus § 10 des Religionsedikts268, um zu zeigen, daß dort den Chefs der beiden Departements und keineswegs den geistlichen Räten befohlen werde, dafür Sorge zu tragen, daß nur solche Kandidaten zum Predigtamt zugelassen würden, die dem Inhalt des Edikts gemäß lehrten. Die einzige Gelegenheit zu dieser Überprüfung sei für den Chef das öffentliche Examen auf dem Konsistorium. „Und wie unzulänglich ist doch diese

263 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 4v. 264 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), unpag. 265 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), unpag. Im Konzept hatte Woellner zunächst „Wiederspenstigkeit“ geschrieben. 266 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), unpag. 267 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und mit der Schreibweise „herzlich“ statt „hertzlich“ aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), unpag. 268 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), unpag.

II. Das „Schema Examinis Candidatorum“

247

auch bei dem zweckmäßigsten Examine!“269 Daher müßten dem Kandidaten Fragen vorgelegt werden, aus denen sich einigermaßen beurteilen lasse, ob er „die vornehmsten Grundwarheiten“ der christlichen Religion „zum mindesten mit dem Kopfe gefaßt habe“270. Woellner kannte die Prüfungsverhältnisse, weil er in seinen bisherigen drei Dienstjahren als Minister fast ausnahmslos allen Examina beigewohnt hatte. „Aber, Gott weiß, wie wenig sie alle dem Endzweck des Religions-Edicts entsprachen.“271 Schließlich habe er von einem „gründlichen und rechtschafenen“272 Theologen das „Schema“ entwerfen lassen, von dem er dem König eine Übersetzung überreicht hatte. Woellner wollte die Prüfungen keineswegs auf das „Schema“ beschränkt wissen. Mit dem „Schema“ sollten den Examinatoren nur die „Grundlinien“273 vorgezeichnet sein, nach denen sie die öffentlichen Examina anstellen sollten und bei denen ihrer „Geschicklichkeit“ Raum genug zu einer gründlichen Prüfung des Kandidaten verbleibe, ohne das „Schema“ „von Wort zu Wort pedantisch durchzufragen“274. Jedoch wurde Woellner von den geistlichen Räten – „wie gewöhnlich“ – auch wegen des „Schema“ getadelt. Schließlich „gänzlich ermüdet“ von den unaufhörlichen Widersprüchen der ihm untergeordneten Räte des Oberkonsistoriums, die er nun schon drei Jahre lang erduldet hatte, entschloß er sich, „mehrern Ernst“ zu brauchen und den Räten in zwei Reskripten zu drohen, daß er sich, wenn sie in ihrer halsstarrigen Widersetzlichkeit fortführen, gezwungen sähe, beim König auf ihre Remotion anzutragen275. Als halsstarrig habe er die Widersetzlichkeit bezeichnet, weil sie nun bereits seit drei Jahren andauere276. 269 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), unpag. 270 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und mit der Schreibweise „Grundwahrheiten“ und „Kopf “ aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), unpag. 271 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), unpag. 272 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und mit der Schreibweise „rechtschaffenen“ aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), unpag. 273 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept]. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 5r sprach von „Grund Banen“. 274 Ebd. 275 Ebd. 276 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 5r–5v.

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E. Erste Maßnahmen

Viermal hatten die geistlichen Räte in ihrer Anklage wiederholt, daß Woellner sie einer halsstarrigen Widersetzlichkeit gegen jede gute Sache beschuldigt und dadurch ihren moralischen Charakter sehr gekränkt und herabgewürdigt habe. Das letztere, so Woellner, könnte nur dann wahr sein, wenn er das erste im Allgemeinen, so wie es hier aus dem Kontext gerissen sei, behauptet hätte. Aber dies sei ihm „nie in den Sinn gekommen“277. Nicht er selbst habe die geistlichen Räte beleidigt, sondern vielmehr hätten ihn die Räte beleidigt278. Daher sei es absurd, ihn als angeklagten Verbrecher vor den Staatsrat oder das Justizdepartement zu zitieren279. „Ich soll mich als Departemens-Chef mit meinen untergeordneten Räthen vor dem [sic] Staatsrath stellen, um einen Ausdruck in meinen Rescripten zu verantworten, den sie mit Vorsatz misdeuten?“280 Wie würde, fragte Woellner rhetorisch, der König wohl einen Corpsoffizier behandeln, der sich gegenüber seinem Regimentschef in dieser Weise aufführte. Woellner, der eine gerichtliche Auseinandersetzung mit den Räten fürchtete, bat Friedrich Wilhelm II. scheinbar bescheiden, die Sache „nicht so hoch aufzunehmen“, als sie ihrer Natur nach und angesichts des Verhältnisses, in dem er mit seinen Anklägern stehe, eigentlich genommen werden müßte. Es werde ihm genug sein, wenn die Räte Besserung versprächen. „Denn ich liebe sie alle wie meine guten Freunde, denen ich stets mit Höflichkeit und Freundlichkeit zuvorkomme“281, aber in Dienstgeschäften müsse er seine vom König erhaltene Instruktion streng befolgen, damit des Königs „weiser Plan im Ganzen erreicht und ausgeführet“282 werde283. 277 Diese zwei Sätze hatte Woellner nachträglich am Rand eingefügt. AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 5v. 278 Ebd. 279 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 6r. 280 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und mit der Schreibweise „Departements“ aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 6r. 281 Ebd. 282 AaO (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. [Konzept] und mit der Schreibweise „ausgeführt“ aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 6r. 283 Seine beiden Reskripte vom 18. Februar 1791 (aaO [Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend], Bl. 6v [Abschrift]) und vom 3. März 1791 (aaO [Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend], Bl. 7r–7v [Abschrift]) legte er abschriftlich bei.

II. Das „Schema Examinis Candidatorum“

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In dieser langen Verteidigungsschrift hatte Woellner dem König verschwiegen, daß er von einigen der angeblich nichtigen Einwände der Oberkonsistorialräte bewogen worden war, eine Neuauflage des „Schema“ drucken zu lassen. Bereits unter dem 27. März war ein von Woellner unterschriebenes Reskript an das Kurmärkische Oberkonsistorium ergangen284. Da bei dem ersten Abdruck des „Schema Examinis Candidatorum“, das den Oberkonsistorialräten unter dem Datum des 9. Dezember 1790 zugestellt worden war, erhebliche Druckfehler unterlaufen seien, sei das „Schema“ von neuem, und zwar in einem „bequemern“ Format gedruckt worden285. Wenn Woellner betonte, daß die vorjährige Verfügung unverändert in Geltung bleibe, gab er zwar das Scheitern des ersten „Schema“ nicht zu, jedoch die verminderte Bedeutung des neuen „Schema“ wurde deutlich. Da inzwischen mit der Vorschrift nur beabsichtigt sei, den Examinatoren „einen Fingerzeig“ zu geben und „die Grundlinien“ vorzuzeichnen, nach denen die Prüfung der Kandidaten bei dem öffentlichen Examen in den königlichen Konsistorien gleichförmig geschehen solle, würde, wenn es dagegen darauf ankäme, dieses „Schema“ „wörtlich von Anfang bis zu Ende durchzufragen“, dies nur auf der einen Seite eine „sehr armseelige Geschicklichkeit“ des Examinators verraten und auf der anderen Seite auch „den Stupidesten und nur mit einem guten Gedächtniß versehenen“ Kandidaten jederzeit durch das Examen helfen. Jeder Examinator habe, betonte Woellner in aller Freimütigkeit, die „völlige Freiheit“, „seinen Idéen-Gang und die Einrichtung seiner Fragen“ zu ordnen, wie er wolle. Zugleich sei es der königliche Wille, „daß die übrige theologische Wißenschaften“, in denen ein Kandidat geprüft zu werden pflegte, von dem Examinator in dem vorangehenden Tentamen vorgenommen werden sollten286. d) Die zweite Auflage des „Schema“ Tatsächlich hatte die erste Auflage des „Schema“ zahlreiche Druckfehler und überdies im Lateinischen etliche grobe Sprachfehler enthalten, die dann in der

284 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 74r. Unter dem 27. März 1791 erging dieses Circulare auch an sämtliche lutherischen Konsistorien inklusive Schlesien. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 13r. Woellners Konzept des Circulare findet sich aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 12r. 285 Die Oberkonsistorialräte erhielten von dem neuen Abdruck dreißig Exemplare, die sie an die Examinatoren verteilen sollten. 286 Das Reskript zirkulierte auf v. d. Hagens Anweisung Mitte April beim Kollegium, und Zöllner, Büsching, Spalding, Teller, Diterich, Gedike, v. Irwing, v. Lamprecht und Nagel setzten ihr „vidi“ darunter. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 74r.

250

E. Erste Maßnahmen

zweiten Auflage getilgt waren287. Die zweite Auflage wurde außerdem genutzt, um einige Abänderungen und Zusätze einzufügen288. Dies alles hatte Woellner dem König nun also trefflich verschwiegen. Am 31. März 1791289 übersandte er ihm auf dessen Befehl den Entwurf einer auf denselben Tag datierten Kabinettsordre an die aufbegehrenden geistlichen Oberkonsistorialräte290. Er habe, erklärte Woellner Friedrich Wilhelm II., die Kabinettsordre „äußerst sanft und gelinde“291 abgefaßt. Der Nachdruck dürfte vielleicht noch verstärkt werden, wenn der König selbst die Gnade hätte, „so hinter her noch Höchsteigenhändig ein paar Worte zu schreiben“, daß die Räte nicht nochmals vorstellig werden sollten. „Der liebe Gott wird ja immer weiter helfen. Es ist aber so traurig, wenn man allenthalben so viel Wiederstand findet.“292 Diesen Vorschlag Woellners griff Friedrich Wilhelm II. jedoch nicht auf, denn die Kabinettsordre war bereits überaus scharf formuliert. Die Räte müßten besser als der König selbst wissen, daß gegenwärtig ein „zerrütteter Zustand“ unter den Geistlichen herrsche, „da der Eine dis, der Andere das, und der Dritte wieder etwas anders das Volck lehret, wenn es auf die Grund-Warheiten der christl[ichen] Religion ankommt“. Wenn die Millionen Untertanen vornehmlich aus der untersten Volksklasse nicht mehr wüßten, „was sie eigentlich glauben, und welchem Prediger sie folgen sollen“, müßten daraus „am Ende fürchterliche Zerrüttungen und Unruhen im Staate entstehen, denen nicht anders vorgebeuget werden kann, als daß die bisherige Einförmigkeit der Lehr-Sätze nach der Confession einer jeden Kirche strenge beibehalten, und durchaus nicht nach dem Willkühr eines jeden einzelnen Volcks-Lehrers abgeändert werde“. Dies sei die Absicht des Religionsedikts gewesen. Wenn Woellner den geistlichen Räten im Namen des Königs Befehle gebe, müßten sie diesen Befehlen gehorchen, „denn Ihr seid dem Ministre 287 Eine große Anzahl dieser Fehler hat 1793 ein anonymer Rezensent – es war Heinrich Philipp Conrad Henke (vgl. Friedrich Nicolais Angaben in NadB 56/1, 32)– zusammengestellt. AdB 115/1, 134–149. Philippson sprach im Blick auf das „Schema“ vernichtend „von den für einen Tertianer unverzeihlichen Sprachfehlern, von welchen sein lateinischer Text wimmelte“. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 323. Inhaltlich betonte der Rezensent der AdB zum Beispiel, daß der einzige Unterschied zwischen der menschlichen Natur Christi und der unsrigen nicht die sanctitas perfectissima sei, sondern nach orthodoxer Lehre ihre anhypostasia und ihre Aufnahme in die göttliche Natur, aus der dann die sanctitas perfectissima folge. 288 Ein kleinformatigeres Exemplar des Drucks findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 8r–14v. 289 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 37r. 290 Ebd. Woellners eigenhändiges Konzept der Kabinettsordre findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 3, Bl. 50r. Eine Abschrift findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 8r. 291 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 37r. 292 Ebd.

II. Das „Schema Examinis Candidatorum“

251

subordiniret, keinesweges aber ihm an die Seite gesezt“293. In ihrer beim Monarchen eingereichten Anklage gegen Woellner hätten sie diesen gröblich beleidigt. Noch belasse es der König bei einem bloßen Verweis, weil Woellner die ihm ansonsten gebührende Satisfaktion nicht verlange. Aber der König rate ihnen, „Euch nie wieder so weit zu vergessen“, sondern künftig besser ihre Pflicht zu erfüllen, weil er sonst andere Maßnahmen ergreifen müsse, um seinen „wohl überlegten Plan davon Ich niemals und in keinem Betracht abgehen werde“, durchzusetzen. „Ich bin jezt noch Euer gnädiger König!“294 In der leibhaftigen Begegnung mit den Oberkonsistorialräten triumphierte Woellner. Am 9. April 1791, einem Samstag, schrieb er: „Die ConsistorialRäthe sind ganz stille. Am vorigen Donnerstag auf dem Consistorio hatte aber keiner das Hertz mich gerade anzusehen, und ich hingegen war ganz freundlich gegen sie. Dis hat sie so confuse gemacht, daß sie gesagt: sie wüsten gar nicht aus mir klug zu werden. Der Person Freund, und der Sache Feind, ist mein Symbolum, und Gott wird schon weiter helfen“, und der König helfe ihm ja auch295. Die zurückliegende Bataille hatte gezeigt, daß das Oberkonsistorium auch zukünftig neue Maßnahmen nicht unwidersprochen hinnehmen würde. 3. Die Examina publica im Oberkonsistorium Das „Schema“ wurde nicht allerorts gebraucht. Am 8. November 1793 wandte sich die in der Zwischenzeit eingesetzte Geistliche Immediat-Examinationskommission wegen der Examina publica in den Oberkonsistorialsessionen an den König296. Da Friedrich Wilhelm II. in der Kabinettsordre vom 17. Mai 1791 der Immediat-Examinationskommission befohlen hatte, gewissenhaft auf „die Aufrechthaltung des ReligionsEdicts“297 und demzufolge auch in den 293

Ebd. Ebd. 295 Das berichtete Woellner in einem Brief an den König, dem er für die Bewilligung eines bevorstehenden Urlaubs dankte. AaO Bl. 38r. Auch diesen Urlaub plante Woellner wieder seinem landwirtschaftlichen Engagement zu widmen, so daß er das Vegetationssalz, mit dem er im gegenwärtigen Sommer auf dem ihm vom König geschenkten „Garten-Fleck[en]“ verschiedene Proben unter seinen Augen machen lassen wollte, bereits vorausgeschickt hatte. Über die außenpolitischen Vorgänge klagte Woellner: „Aber es ist doch so traurig, daß unser lieber, lieber König sich schon wiederum neuen Unruhen und Gefahren aussetzen muß. Es geschiehet indessen nichts ohne den Willen Gottes, der immer gütig ist, und gütig bleibt, und unser Gebeth nicht unerhört lassen wird.“ Zur Außenpolitik Friedrich Wilhelms II. vgl. Kapitel A.IX.2. 296 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 89r–89v [Abschrift]. 297 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. 294

252

E. Erste Maßnahmen

öffentlichen Prüfungen der Ordinandi auf „die Vorschriftmässige Behandlung der theologischen Wahrheiten“298 zu achten und allen Konsistorien in einem Schema examinum die zu wählenden Materien und deren pflichtmäßige Behandlungsart vorlegen zu lassen, hätte sie – die Immediat-Examinationskommission – bislang „mit dem größten Kummer“299 wahrnehmen müssen, daß diese königliche Anordnung im Berliner Oberkonsistorium ganz unbeachtet bleibe und lediglich solche Materien zur Sprache kämen, die bloß „verschiedene, oft äusserst unbedeutende Meinungen neuerer Exegeten“ und „einzelne, eigentliche oder uneigentliche Ausdrüke, und andre unbeträchtliche, gar nichts entscheidende Fragen betreffen, und die nur allzuoft grade dahin abzielen, offenbare dicta probantia und sedes doctrina, qua tales, zu entkräften“300. Da dies nun der erklärten königlichen Absicht und den königlichen Befehlen „grade entgegen steht“, würden sie – die Mitglieder der Immediat-Examinationskommission – „wider Pflicht und Gewissen“301 handeln, wenn sie nicht „aufs dringendste“ um die Abstellung dieser „Unordnung“302 bitten wollten. Diese Bitte sei um so wichtiger, als bei solchen „Zwekwidrigen“303 Examina mancher sonst „geschikte“304 Kandidat „irre gemacht“ werde und der „minder geschikte“, wenn er nur „nach dem jetzt herrschenden Ton“ antworten könne, „durchschlüpft“305. Die Examinationskommission bat daher um nochmalige und mit der Schreibweise „Religions-Edicts“ GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 89r [Abschrift]. 298 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und mit der Schreibweise „vorschriftsmäßige“ GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 89r [Abschrift]. 299 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 89r [Abschrift]. 300 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und mit unerheblichen Abweichungen in Zeichensetzung und Graphematik sowie mit einigen Abkürzungen GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 89r [Abschrift]. 301 Ebd. 302 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 89r [Abschrift]. 303 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 89v [Abschrift]. 304 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 89v [Abschrift]. 305 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 89v [Abschrift].

II. Das „Schema Examinis Candidatorum“

253

Befehle an das Berliner Oberkonsistorium und besonders an die beiden für gewöhnlich examinierenden Diakone an der Petrikirche, die Examina vorschriftsmäßig einzurichten306. Unter dem 14. November 1793 erging dann ein von Woellner unterschriebenes Reskript an das Kurmärkische Oberkonsistorium307, dem abschriftlich die Anzeige der Immediat-Examinationskommission vom 8. November beigelegt war308. Da nun auch selbst der Chef des Geistlichen Departements bemerkt habe, daß häufig – besonders von den beiden Diakonen – bei den öffentlichen Examina „sehr unzweckmäßige“309 Fragen gestellt würden, verordnete der König, daß sich die Examinatoren des Kurmärkischen Oberkonsistoriums zukünftig solcher Fragen schlechterdings enthalten und sich an die in dem „Schema Examinis Candidatorum“ aufgeführten Materien halten sollten310.

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Ebd. AaO Bl. 88r. Das Konzept dieses Reskripts findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Acta das Schema nach welchem die zum PredigtAmt bestimmten Candidaten examiniret werden sollen betr.), unpag. Unter dem Datum desselben Tages erging an die Immediat-Examinationskommission ein von Woellner unterschriebener Spezialbefehl, mit dem ihr abschriftlich das Reskript an das Oberkonsistorium bekanntgemacht wurde. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 36, Bl. 12r. Eine Abschrift des Reskripts an das Oberkonsistorium findet sich aaO Bl. 13r. 308 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 89r–89v [Abschrift]. 309 AaO Bl. 88r. 310 Das Reskript zirkulierte dann beim Konsistorium. Das vermerkte v. d. Hagen am 28. November 1793 auf dem Blatt. Den beiden Diakonen sei dieses Reskript zur Beachtung abschriftlich zu geben. v. Irwing, Nagel und Gedike unterschrieben an demselben Tag, Teller, Sack, Woltersdorff, Hecker und Zöllner unterschrieben ohne Datumsangabe. Ebd. 307

F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission Um den aufklärerischen Neuerungen im Kirchen-, Schul- und Universitätswesen zu wehren, setzte Friedrich Wilhelm II. eine Geistliche Immediat-Examinationskommission ein. Mit deren wortführendem Mitglied Hermann Daniel Hermes geriet Woellner nach wenigen Jahren in ein konkurrierendes Mißverhältnis.

I. Die Einsetzung der Geistlichen Immediat-Examinationskommission 1. Die zukünftigen Mitglieder Als sich Friedrich Wilhelm II. im August und September 1790 mit Hans Rudolf v. Bischoffwerder in Breslau aufhielt, machten ihn Hermann Daniel Hermes1 1 Hermann Daniel Hermes erblickte am 24. September 1731 als zweitgeborener Sohn des Pfarrers Georg Vivienz Hermes und dessen Ehefrau Maria Lukretia, geb. Becker, in Petznick beim pommerschen Dölitz das Licht der Welt. Sein zweitjüngerer Bruder Johann Timotheus, 1738 geboren und 1821 gestorben, war der späterhin bekannte Romanschriftsteller, der durch „Sophiens Reise von Memel nach Sachsen“ großen Ruhm erlangte. Georg Hoffmann, Hermann Daniel Hermes, der Günstling Wöllners. (1731–1807). Ein Lebensbild, Breslau 1914, 6. Zu Ostern 1750 bezog Hermes die Universität Halle; auch der junge Woellner studierte seit diesem Jahr an der Saale. Vgl. Kapitel A.I. Nachdem Hermes das damals im Theologiestudium übliche Biennium abgeschlossen hatte, kehrte er 1752 nach Hause zurück und erhielt sofort eine Berufung an die von Johann Julius Hecker in der Berliner Friedrichstadt gegründete Realschule. Seit 1756 wirkte Hermes als Pastor in Dierberg in der Grafschaft Ruppin. Hoffmann, Hermes, 11. Bereits 1760 zog er als Archidiakon nach Zossen, wo er, erinnerte er sich in seiner Lebensbeschreibung klagend, neun Dörfer zu versorgen hatte. AaO 12. 1766 dann wurde Hermes zum zweiten Professor und Inspektor an das Breslauer Magdalenäum berufen, das in demselben Jahr in ein Realgymnasium – übrigens das erste in Schlesien – verwandelt worden war. AaO 13. In den Schulprogrammen des Magdalenäums wirkte Hermes auch schriftstellerisch. Ganz anders als im Religionsedikt, das Friedrich den Großen kein einziges Mal erwähnte, war der große König in den Programmen von Hermes als „Kenner der Gelehrsamkeit“ gepriesen. AaO 15–17. Anfang 1771 galt es, die erste Pfarrstelle an der dritten Haupt- und Stadtpfarrkirche zu St. Bernhardin, die zudem mit dem Titel eines Propstes Zum Heiligen Geiste verbunden war, neu zu besetzen. Der Minister für Schlesien, Graf Hoym, war Hermes wohlgesonnen und empfahl ihn nachdrücklich für den Posten – und die Stellung am Magdalenäum sollte er überdies beibehalten. Am 1. Februar 1771 wurde Hermes tatsächlich

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und Heinrich Siegmund Oswald2, die dem König von Woellner und Bischoffwerder vorgestellt worden waren, mit einer Somnambule bekannt3. Ein Arzt hatte in Breslau begonnen, mit einem kranken Mädchen namens Mattaei magnetische Versuche anzustellen, die jedoch erfolglos verliefen. Daher nahm sie ein Leutnant4 v. Zayzeck vom Regiment Fürst v. Hohenlohe zu sich, und nun wurde bekannt, daß die Mattaei über die bekannten Kräfte einer Somnambule verfügte und also, sobald sie in Schlaf gebracht war, Kuren verordnen und Dinge mitteilen konnte, von denen sie weder vorher noch nachher in wachendem Zustand Kenntnis hatte5. Ihre Kurverordnungen waren angeblich zweckmäßig, um ihre eigene Gesundheit und die Gesundheit von Oswald6 und dessen Kindern wiederherzustellen. Als v. Zayzeck 1790 ins Feld zog, übergab er die Somnambule Oswald, der die magnetischen Versuche mit ihr fortsetzte7. Zu zum Pastor an St. Bernhardin gewählt. AaO 19. Durch das neue Amt trat Hermes auch als dritter geistlicher Assessor in das Stadtkonsistorium ein, zu dessen Aufgaben unter anderem die Prüfung der Breslauer Kandidaten zählte. AaO 20. Gemäß dem üblichen Aufstieg von einer Pfarrstelle der drei Hauptkirchen zur anderen erhielt Hermes im Herbst 1775 das Pastorat der zweiten Haupt- und Pfarrkirche von St. Maria Magdalena. AaO 23 und Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 1, Leipzig 1880, 321. Anfang 1779 predigte Hermes anläßlich der königlichen Jubelfeier: „Schlesiens Bekenntnis am Geburtstage des Königs, 24.1.1779“ und nahm auffällig ausführlich schon den Kronprinzen ins Visier. Hoffmann, Hermes, 26 f. 2 Heinrich Siegmund Oswald (diese Schreibweise gab Oswald in einem Verhör vom 3. Februar 1798 an, das im Zusammenhang mit der Untersuchung gegen die Gräfin Lichtenau geführt wurde; GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 3, Bl. 162r–179v, hier 162r) kam am 30. Juni 1751 als Sohn des Gutsbesitzers Johann Heinrich Oswald in Schmiedeberg im Riesengebirge zur Welt. 1775 trat er in den Kaufmannsstand ein und erwarb als Inhaber eines Handelsgeschäftes einigen Wohlstand. Am 18. November 1782 heiratete er Luise Johanna Helena Hermes, die das einzige Kind von Hermes war. Das sagte Oswald in dem Verhör vom 3. Februar 1798 aus. Ebd. Einige Zeit später ging er bankrott. Hoffmann, Hermes, 31. 3 Paul Schwartz, Der erste Kulturkampf in Preußen um Kirche und Schule (1788–1798), MGP 58, Berlin 1925, 179–188. 4 Vgl. einen Bericht vom 23. Februar 1798 von v. d. Reck, Lützow, Friedrich Leopold v. Kircheisen, Ritschel und Beyme. GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 91, Bl. 9r–36v, hier 16r. 5 Dies berichtete Oswald in dem Verhör vom 3. Februar 1798. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 3, Bl. 162r–179v, hier 163r–163v und 166v–168r. Die Somnambule war ein ausgesetztes verkrüppeltes Mädchen, das bis zu seinem zwölften Lebensjahr von einer Kaufmannsfrau in Breslau erzogen worden war. Zu der Somnambule vgl. auch Paul Schwartz, Der Geisterspuk um Friedrich Wilhelm II., in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 47, Heft 2 (1930), 45–60, hier 48–57. 6 Dies berichtete Oswald in dem Verhör vom 3. Februar 1798. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 3, Bl. 162r–179v, hier 163r–163v. 7 Dies berichtete Hermes in einem am 3. Februar 1798 mit ihm abgehaltenen Verhör, das im Zusammenhang mit der Untersuchung gegen die Gräfin Lichtenau erfolgte. AaO Bl. 179v–187r, hier 180r. Das Mädchen wurde durch die Versuche eher kränker, und da auch der Arzt sagte, daß ihm bloß an den Versuchen gelegen sei, wenn auch das Mädchen darüber zugrunde ginge, wurde der Leutnant v. Zayzeck vom Hohenloheschen Regiment, der den Magnetismus kennengelernt hatte, bewogen, sich des Mädchens anzunehmen. Nach etwa drei Monaten fiel es unter den Versuchen in Schlaf und fing an zu reden. v. Zayzeck erschrak

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dieser Zeit erhielt Hermes Besuch von dem Generalleutnant Hans Moritz Graf v. Brühl, der mit Oswald über den Magnetismus gesprochen hatte. Bald darauf wurde Hermes durch den Grafen Carl George Heinrich v. Hoym ein Befehl des Königs überbracht, daß er mit Oswald und der Somnambule nach Zimpel kommen solle, um dort in Gegenwart des Königs magnetische Versuche vorzuführen. Diese Versuche fanden am 10. August in Anwesenheit von Hermes, Oswald, dem König, dem Grafen Hoym, dem Generalleutnant v. Brühl sowie dem Generalleutnant v. Bischoffwerder statt8. Mit Hilfe der Somnambule, in deren Abhängigkeit sich der skrupulöse König begab, eroberten Hermes, Gottlob Friedrich Hillmer9 und Oswald massive Macht über Friedrich Wilhelm II. Die Mattaei wurde benutzt, um das Selbstdarüber und wollte fortgehen, wurde aber durch den Zuruf des Mädchens, daß es sich nun selbst kurieren könne, zurückgerufen. Nun verordnete es sich selbst Arzneimittel, durch deren Gebrauch es völlig wiederhergestellt wurde. Dies berichtete Hillmer in einem am 6. Februar 1798 mit ihm abgehaltenen Verhör, das im Zusammenhang mit der Untersuchung gegen die Gräfin Lichtenau erfolgte. AaO Bl. 224r–232r, hier 224v–225r. Die Somnambule und v. Zayzeck hatten Hillmer dies erzählt. Die Sache wurde bekannt, und Oswald ließ sich von seinen Freunden überreden, sich von ihr heilen zu lassen. Der Versuch gelang. Als die Armee 1790 ins Feld zog, überließ v. Zayzeck die Somnambule Oswald. AaO Bl. 225r–225v. 8 Dies berichtete Hermes in dem Verhör vom 3. Februar 1798. AaO Bl. 179v–187r, hier 180r–181r. Tatsächlich fand der Versuch nachmittags am Donnerstag, dem 26. August 1790 statt. Prinz Eugen v. Württemberg war nicht anwesend. Das Protokoll findet sich aaO Bl. 210r–214r. 9 Als der König in Breslau weilte, wurde Hillmer von Hermes oder vom Prinzen v. Württemberg eingeladen, mit dem Prinzen zu diesen Versuchen nach Breslau zu reisen. Dies berichtete Hillmer in dem Verhör vom 6. Februar 1798. AaO Bl. 224r–232r, hier 225v–226r. Gottlob Friedrich Hillmer, den Woellner „Liebster Freund!“ (dies notierte Woellner auf einem Brief Johann Heinrich Tieftrunks vom 25. November 1792; GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 35, Bl. 61v) nannte, war am 21. Februar 1756 in Oswalds Geburtsstadt Schmiedeberg geboren worden. Wahrscheinlich lernte er Oswald bereits in Schmiedeberg kennen. Erzogen wurde Hillmer in Niesky. Er hat es bis zum Kandidaten der Jurisprudenz gebracht. Hillmer gab an, in Frankfurt an der Oder studiert zu haben. Apodiktisch behauptet dies Hoffmann, Hermes, 46. Mehrere Jahre verbrachte Hillmer als Mentor junger Adeliger in Genf, Lausanne und Paris. Am 16. Juli 1783 erhielt er die Stelle als dritter Professor und Inspektor am Breslauer Magdalenäum und an der dortigen Mädchenschule. Ebd. In dieser Zeit begann er an einer sprachwissenschaftlichen Publikation zu arbeiten. Diese nicht ungelehrten „Bemerkungen und Vorschläge zur Berichtigung der Deutschen Sprache und des Deutschen Styls“ erschienen dann schließlich 1793. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 227 Anm. 2. Engen Umgang pflegte Hillmer mit der Familie seines Landsmanns Oswald, der ihn dann auch mit Hermes und dessen Familie vertraut machte. Als Hermes 1790 seine „Lieder mit Melodien“ publizierte, fanden sich darin auch fünf Dichtungsbeiträge von Hillmer. Spätestens seit 1785 trug Hillmer den Titel eines Hofrats. Im Patenregister von 1785 ist Hillmer nicht nur als Professor, sondern auch als Hofrat verzeichnet. Ende 1785 nahm Hillmer Urlaub und begab sich ins geliebte Paris. Von dort aus teilte er am 21. März 1786 mit, daß er nicht zum Osterexamen in Breslau werde sein können und um seine Entlassung bitte. Hoffmann, Hermes, 48. Jedoch einen Monat später, am 23. April, war er wieder in Breslau vorstellig und fragte nach der Fortzahlung seines Gehalts, die ihm zwei Tage später bewilligt wurde. Dann fuhr Hillmer nach Berlin. AaO 49.

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bewußtsein des Monarchen vermeintlich zu stärken: „Zage nicht Monarch, das Deine Sünden größer wären, denn daß sie Dir könten vergeben werden; Nein! Deine Schulden sind getilget; hör Er spricht: Du bist sein Auserwehlter! Du bist Mensch! Du bist Monarch! Deine Seele ist schwach und strauchelnd! Ach, auch alle Deine Schwachheiten sollen Dir vergeben werden!“10 Auch ihren eigenen Profit sicherten sich Hermes und Oswald durch die Somnambule, die für den „Frommen Greiß“ Hermes bat: „Siehe Er leidet und er darbet um wohl zu thun – um Dürftigen wohl zu thun!“11 Sie setzte sich ebenfalls für Oswald ein, der das wenige dürftige Einkommen, das er mit seiner Hände Arbeit mühsam erwerbe, trotz einer zahlreichen Familie liebevoll mit der Somnambule teile12. Die Somnambule fuhr mit Ermahnungen zu vermehrter Christentumsübung fort, wobei sie zum allgemeinen Erstaunen den Plan des Königs erwähnte, das „wahre Xstenthum“ wieder einzuführen13. Dann rief sie aus: „Siehe wie hat Dich Jesus so lieb! Er ruft Dir! Ach Gehe! Eyle ihm entgegen!“14 Am 10. September wurde ein zweiter Versuch in Gegenwart derselben Personen sowie des Grafen Heinrich Christian Curt v. Haugwitz und Hillmers, der mit Hermes das Protokoll führte, angestellt. Dabei wiederholte die Somnambule ihre Ermahnungen noch dringlicher15. Friedrich Wilhelm II. war von der Veranstaltung tief bewegt, ließ am 21. September Oswald zu sich rufen und befahl, daß am 22. September um sieben Uhr abends der Versuch im Haus von Hermes wiederholt werden solle16. Der König erschien in Zivilkleidung. Er ging mit Hermes in ein Nebenzimmer und 10

GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 3, Bl. 210v. AaO Bl. 212r. In dem Verhör vom 3. Februar 1798 berichtete Hermes, daß er als Protokollführer gezögert habe, den von der Somnambule für ihn selbst geäußerten Wunsch niederzuschreiben, jedoch der König habe ihn dazu genötigt. AaO Bl. 179v–187r, hier 181r–181v. 12 AaO Bl. 212v. 13 Dies berichtete Hermes in dem Verhör vom 3. Februar 1798. AaO Bl. 179v–187r, hier 181r–181v. 14 AaO Bl. 212v. 15 Diese beiden Protokolle besaß Hermes noch 1798. Dies berichtete er in dem Verhör vom 3. Februar 1798. AaO Bl. 179v–187r, hier 182r. Das Protokoll des Versuchs in Zimpel vom 10. September 1790 findet sich aaO Bl. 215r–221r. Es war von Oswald unterschrieben. „O siehe! Auch Feinde schweben um Dich – die Dir diesen Trost rauben wollen!“ AaO Bl. 218r. „Siehe! Brühl! – siehe, Bischofswerder! diese gläubige Seelen hat der Ewige Dir zu Führern bestimmt! Diese sollen Deine noch schwachen [sic] Seele im Glauben fortleiten, Schon würden Frevler sich ihr genähert haben, aber vor ihnen beben sie zurük! Schon würden sie suchen den Glauben Deiner Seele zu rauben! Ach, Monarch! vor dem Thron des Ewigen, sagt mein Geist ewige Wahrheit: Diese wenigen Unterthanen die heut hier um Dich sind – o diese sind Dir treu! viele andere mit ihnen, aber sie sind entfernt von Dir! Aber diese wenige Unterthanen, die hier diesen Augenblik um Dich versammelt sind, sie lieben Dich! Monarch, o liebe sie auch! Ja! sie lieben Dich – und ihre Seelen sind ganz für Dich gestimmt, und ihre Seufzer brachten meinen Geist vor den Thron Jehovas!“ AaO Bl. 218v. 16 Dies berichtete Hermes in dem Verhör vom 3. Februar 1798. AaO Bl. 179v–187r, hier 182r–182v. 11

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befahl ihm, Vorschläge zu unterbreiten, wie das Predigtwesen im Land genauso eingerichtet werden könnte wie in Breslau. Hermes antwortete schlicht, daß die Predigten mit der Bibel belegt werden müßten. Der König stimmte ihm vollkommen zu und erwiderte auf Hermes’ Einwurf, wer dies denn ausführen solle: „dafür werde ich schon sorgen“17. Dann kehrte er mit Hermes in das Zimmer zurück, in dem die anderen Gäste versammelt waren. Die Ermahnungen der magnetisierten Somnambule waren in dieser dritten Session noch stärker als zuvor, überdies forderte sie Tinte, Feder und Papier, schrieb etwas auf und überreichte es dem König18. Bis zum Dezember magnetisierte Oswald die Somnambule – meistens ohne Zeugen – weiterhin und schickte Friedrich Wilhelm II. in Fragmenten die Protokolle der Sitzungen19. Der König wollte Oswald auch zukünftig um sich wissen und bot ihm daher unter dem 30. November 1790 eine Stelle als Bibliothekar der drei königlichen Bibliotheken in Potsdam an20. Oswald könnte dort, seinem Wunsch gemäß, in einer „angenehmen einsamkeit“ leben, und seine Geschäfte würden ihn nicht in seinem „hohen berufe“21 stören22. Der Umworbene entschied sich schließlich für die lukrative Übersiedlung nach Potsdam23. Ende Januar 17 Dies berichtete Hermes in dem Verhör vom 3. Februar 1798. AaO Bl. 179v–187r, hier 182v–183r. 18 Hermes behauptete später, den Inhalt dieses Zettels nicht zu kennen. Dies berichtete er in dem Verhör vom 3. Februar 1798. AaO Bl. 179v–187r, hier 183r. 19 Dies berichtete Hermes in dem Verhör vom 3. Februar 1798. AaO Bl. 179v–187r, hier 183r–183v. In demselben Verhör behauptete Hermes, von den Äußerungen der Somnambule immer noch „die vollkommenste Ueberzeugung“ zu haben. AaO Bl. 179v–187r, hier 183v. In einem eigenhändigen, vom 5. Februar datierenden Nachtrag zu dieser mit ihm angestellten Verhandlung betonte Hermes, daß es auch anderwärts Beispiele von Magnetismus gäbe. AaO Bl. 205r–208v. 20 AaO Bl. 237r–238v. 21 AaO Bl. 237v. 22 AaO Bl. 237v–238r. Friedrich Wilhelm II. war permanenten religiösen Anfechtungen ausgesetzt. Beim Durchlesen eines Schreibens der Somnambule, das Oswald ihm kurz zuvor geschickt hatte, habe er eine derart große Freude und Dankbarkeit empfunden, die er kaum beschreiben könne: „nur fürchte ich stets durch meiner sündigen Natur, Gott in seinem Gnaden gange gegen mir, im wege zu komen, vieleicht gibt der geist der guten somnanbule [sic] im clairvoianten zustande noch manchen rathe zu meiner Beßerung ich hofe das keiner von diesen, mir weltlich zu hart vorkomen würde, das ich ihm nicht mit gäntzlicher ergebung folgte“. AaO Bl. 238v. 23 Dort hatte ihm der König eine Wohnung bei Sanssouci, ein jährliches Gehalt von 1.200 Reichstalern nebst stets freien Fahrtkosten nach Berlin sowie freien Aufenthalt im Winter in Berlin bestimmt. Das berichtete Oswald am 5. Februar 1798. AaO Bl. 235r–236v, hier 235r. Im Zusammenhang des Prozesses gegen die Gräfin Lichtenau hieß es später, daß Oswald als Lecteur, also als königlicher Vorleser, nach Potsdam berufen wurde und neben der freien Wohnung bei Sanssouci in der Folge 3.000 Taler Gehalt erhielt. Vgl. einen Bericht vom 23. Februar 1798 von v. d. Reck, Lützow, Kircheisen, Ritschel und Beyme. GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 91, Bl. 9r–36v, hier 17v. Hoffmann, Hermes, 52 spricht von einem Jahresgehalt von tausend Talern. Der König ernannte Oswald bald auch zum Geheimen Rat.

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1791 reiste er nach Breslau, um seinen Umzug nach Berlin vorzubereiten. Als er an Konvulsionen litt, diagnostizierte die Somnambule eine Vergiftung, die sie erfolgreich behandelte, so daß er Ende März endlich nach Potsdam aufbrechen konnte24. Die ungeplanten Breslauer Wochen verbrachten Oswald und die Somnambule mit magnetischen Versuchen25. Die von ihm selbst ohne Zeugen aufgesetzten Protokolle der Sitzungen mit der magnetisierten Somnambule ließ er dem König zukommen. Im zweiten Protokoll vom 24. März notierte Oswald die von Hermes gesteuerte Voraussage der Somnambule, daß der König alles ausführen werde, was Hermes vorschlagen werde. Gott habe dem Herzen des Königs bereits Kraft gegeben, den Oberkonsistorialräten ihre Pflicht vorzuhalten. Massiv benutzte Hermes also die Somnambule, um seine eigenen Ziele beim König, der ihrer Rede vollkommen vertraute, durchzusetzen. Das dritte Protokoll vom 29. März enthielt dann die Aufforderung der Somnambule an Oswald, auch Hillmer bald nach Berlin folgen zu lassen26. Nun hatten sich Hermes, Hillmer und Oswald erfolgreich in die Nähe des Monarchen manövriert27. Als gelernter Kaufmann konnte Oswald später freilich kein ordentliches Mitglied der Geistlichen Immediat-Examinationskommission werden. Dennoch wurde er zu den ersten Besprechungen hinzugezogen. Dann aber ging Oswald im Frühsommer 1792, als die Somnambule dem König riet, wieder mit seiner Ehefrau zu leben, der Gunst Friedrich Wilhelms II. verlustig28. Zwar durfte er sein Gehalt sowie seinen Titel behalten und blieb

24 Dies berichtete Oswald in dem Verhör vom 3. Februar 1798. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 3, Bl. 162r–179v, hier 171r–171v. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 197 Anm. 3 und aaO 197. 25 In dem Verhör vom 3. Februar 1798 sagte Oswald aus, daß er am 1. Februar 1791 nach Potsdam abgereist sei und die Somnambule seit 1790 nicht mehr magnetisiert habe. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 3, Bl. 162r–179v, hier 162r und 168r und 171r. Als Oswald in dem Verhör die Magnetisierungsprotokolle vom 14., 24. und 29. März 1791 vorgelegt wurden, gab er freilich zu, daß sie von seiner eigenen Hand stammten. Er habe sich in seiner früheren Aussage „geirret“. Er sei nach seiner Ankunft in Potsdam nur zwei Monate dortgeblieben, dann sei er zurückgereist, um eine Kur von der Somnambule vollenden zu lassen. Aus dieser Zeit würden diese drei Protokolle stammen, „welches mir wieder entfallen war“. AaO Bl. 162r–179v, hier 170v–171r. 26 Dies berichtete Oswald in dem Verhör vom 3. Februar 1798. AaO Bl. 162r–179v, hier 174r. 27 Am 19. März 1791 freute sich der König schließlich auf Oswalds baldige Ankunft. AaO Bl. 239r–239v. 28 Schwartz, Der Geisterspuk, 45–60, hier 57. Oswald hatte aber weiterhin Kontakt zum König. Am 10. Juli 1792 dankte Friedrich Wilhelm II. für einen Brief und wünschte, Oswald „gesund und froh“ wiederzusehen. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 3, Bl. 242r. Vom 19. März 1795 datierte ein kurzer, von Schreiberhand verfaßter, aber mit eigenhändiger Unterschrift versehener Brief des Königs an Oswald. AaO Bl. 243r.

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bis zum Tod Friedrich Wilhelms II. in Potsdam, jedoch als Vorleser diente er nicht mehr29. Die Macht von Hermes konnte nicht vergrößert werden, ohne daß die Bedeutung von Woellner eine empfindliche Beeinträchtigung erfuhr. Am 10. April 1791 brach Woellner nach Groß Rietz auf, um sich seinen dortigen Angelegenheiten zu widmen und zugleich die ermüdenden Berliner Amtsgeschäfte hinter sich zu lassen. „Nous avons eu une belle pluie qui n’a pas cessé toute la nuit et aujourdhui il fait beau temps. Voilà ce qu’il me faut pour être content et heureux ici.“30 Am Sonntagabend, dem 17. April, kehrte er nach Berlin zurück. Unter dem 14. Mai 1791 erging schließlich eine Kabinettsordre an Woellner31. Da der König es als notwendig erachtete, das Berliner Oberkonsistorium „zu desto beßerer Befolgung des Religions-Edicts“ vom 9. Juli 1788 sowie im Blick auf die Examina der Kandidaten und auf die Ausarbeitung verschiedener neuer Konsistorial- und Schulreglements mit drei neuen Räten zu vermehren, war seine Wahl auf den Oberkonsistorialrat Hermes zu Breslau, den Hofrat Hillmer und den Prediger Theodor Carl Georg Woltersdorff gefallen, für die Woellner nun die Patente expedieren lassen sollte. Von den gewöhnlichen Sessionen waren die neuen Räte freilich dispensiert; nur bei den Examina 29 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 212–214. Am 27. Februar 1794 wandte sich Oswald schriftlich an den König, um seinen frommen Lebenswandel zu bekräftigen und die dem König von fremder Seite angetragene Kritik zu entkräften. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 29r–30r. Der zweieinhalbseitige Brief bestand zu erheblichen Teilen aus Verweisen auf Bibelstellen, deren Aussage Oswald sich persönlich anverwandelte. „Wir müßen uns […] auch die Hitze nicht befremden laßen, die uns begegnet, denn der Mund der ewigen Wahrheit spricht Joh.18.19: Wäret ihr von der Welt, so hätte sie das ihre lieb; da ihr aber nicht von der Welt seyd, sondern ich habe euch erwählet von der Welt, darum haßet euch die Welt – und haben sie mich gehaßt- [sic] gelästert und verfolgt, so werden sie es Euch auch thun.“ AaO Bl. 29v. Zwar beruhige ihn sein Gottvertrauen, jedoch „schmerzt es mich oft bis ins Innere, daß Ew. Majestaet ohndem unter so schweren Prüfungen und Glaubens Kämpfen seufzendes Herz, auch durch dergleichen Versuche, beunruhigt, und Ihnen die süßen Augenblicke des erkämpften Friedens der Seele, mißgönnt und beraubet werden; Aber das Zeugniß und der alles entscheidende Ausspruch des Geistes Gottes in Ew. Majestaet eignem Herzen, sichert mich von der Fortdauer Dero Königl. Huld und Gnade“. AaO Bl. 29v–30r. Bald nach seinem Schwiegervater Hermes erhielt auch Oswald 1798 seinen Abschied. Er privatisierte zunächst in Hirschberg, zog dann 1799 nach Breslau, wo er in stiller Zurückgezogenheit lebte und 1832 seine Goldene Hochzeit feiern konnte. Insgesamt verfaßte er noch siebzehn zumeist religiös-erbauliche Schriften. Am 7. September 1834 starb er als 83jähriger Greis. Hoffmann, Hermes, 129. 30 Dies schrieb Woellner am 13. April 1791 an seine Ehefrau. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 12, Bl. 87r. 31 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 1r–1v. Fälschlich gibt Möller an, daß die Immediat-Examinationskommission 1788 von Woellner eingesetzt worden sei. Horst Möller, Aufklärung in Preußen. Der Verleger, Publizist und Geschichtsschreiber Friedrich Nicolai, EHKB 15, Berlin 1974, 533.

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sollten sie anwesend sein32. Außerdem sollte von nun an bei allen Konsistorien in Preußen noch zusätzlich eine aus drei geistlichen Räten gebildete besondere Kommission eingesetzt werden, die in Berlin aus Silberschlag33, Hermes und Woltersdorff bestehen sollte. Diese Kommissionen sollten jeden um eine Pfarrstelle oder ein Schulamt nachsuchenden Kandidaten – bevor er zu dem bisherigen gewöhnlichen Tentamen und Examen admittiert werden würde – über sein Glaubensbekenntnis prüfen und feststellen, ob er nicht von den „schädlichen Irthümern der jetzigen Néologen und sogenannten Aufklärern angesteckt“ sei. Dann müßten sie ihm darüber ein schriftliches Zeugnis ausstellen, ohne das er nicht weiter examiniert und zu einem Predigt- oder Schulamt zugelassen werden könnte. Die Oberkonsistorialräte Silberschlag, Hermes und Woltersdorff sollten Woellner bei jedem Provinzialkonsistorium drei „orthodoxe“ Männer vorschlagen, die ein derartiges Tentamen durchführen könnten34. Diese Männer bräuchten nicht Mitglieder eines Konsistoriums zu sein, sondern es könne dazu jeder Prediger – auch ein Dorfgeistlicher – genommen werden. Diese Bestimmung war notwendig, da in den Provinzialkonsistorien der großen Städte neologisch gesinnte Geistliche vermutet werden konnten. Zuletzt wandte sich die Kabinettsordre den Feldpredigern zu. Alle Feldprediger sollten zukünftig teils in Berlin, teils bei den Provinzialkonsistorien tentiert sowie examiniert und vom Feldpropst bloß ordiniert werden.

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Am 9. Mai 1791 hatten sich aus Sanssouci Hermes und Hillmer an Woellner gewandt (der Brief trägt Hillmers Handschrift; GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 3, Bl. 57r–58r; Hermes und Hillmer wohnten in dem zum Schloßbezirk gehörigen Haus Neue Kammern; Schwartz, Der erste Kulturkampf, 202 Anm. 1) und ihm mit präsumtiver Genehmigung von Woltersdorff ihre Bemerkungen (GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 3, Bl. 59r–60r) zu einem Promemoria von Woellner überreicht, das ihnen der König zugeschickt hatte. AaO Bl. 57r. Sie fanden alles in einer Weise formuliert, daß sowohl alles Aufsehen vermieden sei als auch der Weg offenbleibe, bei hinlänglicher Unterstützung „den Zwek unsrer wohlgemeinten Vorschläge zum Besten des Reichs Christi, zu erreichen“. Ebd. Sie baten freilich um ihres eigenen Vorteils willen darum, daß bei etwaigen Vakanzen im Oberkonsistorium oder Oberschulkollegium durch Woellners Fürsorge ihre äußeren Umstände etwas verbessert würden. AaO Bl. 57v. Da der in § 4 dargelegte Prüfungsauftrag, dessen Wichtigkeit „offenbar“ (aaO Bl. 59r) sei, für Silberschlag, Hermes und Woltersdorff eine große Vermehrung ihrer Arbeit bedeuten würde und auch die anderen Arbeiten, die in den folgenden Paragraphen angeführt wurden, sehr zeitraubend seien, sollten freilich die drei genannten Räte sowie auch Hillmer von den gewöhnlichen Sessionen des Konsistoriums und von dessen laufenden Geschäften gänzlich dispensiert werden. Ebd. 33 Johann Esaias Silberschlag hatte die Eingaben gegen das Religionsedikt und gegen den neuen Katechismus nicht unterzeichnet. Vgl. Kapitel D.IX. und E.I.2. Später gab Hermes in dem Verhör vom 5. Februar 1798, das im Zusammenhang mit der Untersuchung gegen die Gräfin Lichtenau erfolgte, an, daß die Gründung der Examinationskommission von Silberschlag vorgeschlagen worden sei. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 3, Bl. 199r–204r, hier 203r. 34 Zur Einsetzung der Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen vgl. Kapitel H.I.

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

Drei Tage nach dem Erlaß der Kabinettsordre wurden die Bestallungen von Hermes, Hillmer und Woltersdorff ausgefertigt35. Am 19. Mai 1791, einem Donnerstag, fand die Einführung der drei neuen Räte in das Oberkonsistorium statt. Und schon breitete sich Unruhe aus. Sogleich schrieb noch an demselben Tag Johann Friedrich Zöllner an den König36. Bei der Einführung der drei neuen Mitglieder hatte Woellner dem Oberkonsistorialrat Hermes einen Sitzplatz über Zöllner angewiesen, weil die Mitglieder des Kollegiums nach dem Alter ihrer Bestallungen rangierten und die Bestallung von Hermes ein Jahr älter als diejenige Zöllners sei. Zöllner hielt es für seine Pflicht, seinen Platz sogleich zu räumen, weil ihm die Session des Kollegiums nicht der geeignete Ort zu sein schien, an dem er um nähere Erläuterung hätte bitten können. Nun aber bat Zöllner um der Würde des Oberkonsistoriums willen um eine Klärung. Hermes, der zuvor Rat des Breslauer Oberkonsistoriums gewesen war, sei nämlich erst durch seine jüngst vollzogene Bestallung zu einem Berliner Oberkonsistorialrat geworden. Und das Breslauer Oberkonsistorium könne nicht als ein dem Berliner Oberkonsistorium gleichwertiges Kollegium angesehen werden. Am 30. Mai 1791 schließlich wurde im Staatsrat zu Zöllners Gunsten über dessen Beschwerde entschieden37. Die Mißstimmigkeit zwischen den alten und

35 Diese Bestallungen datierten vom 17. Mai 1791. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 4r–5r. Es handelte sich nicht um eine von Woellner „mit seinen Freunden“ besetzte Kommission. Gegen Hanns Hubert Hofmann, Art. Woellner, Johann Christoph, in: BWDG2 3 (1975), 3229–3231, hier 3230. Woellner hatte keine „Gehilfen“ für ein „Glaubenstribunal“ gesucht. Gegen Aktenstücke zur Geschichte der preußischen Censur- und Preß-Verhältnisse unter dem Minister Wöllner, Erste Abtheilung 1788–1793, mitgeteilt von Friedrich Kapp, in: Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels 4 (1879), 138–214, hier 139. 36 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 7r–7v. 37 GStA PK, I. HA, Rep. 21, Nr. 127, Nr. 105, unpag. Umgehend erging an demselben Tag ein Reskript an Zöllner. Er stehe im Rang höher als Hermes, da das ältere Datum der Bestallung von Hermes als Breslauer Oberkonsistorialrat nur auf das Kurmärkische Konsistorium und andere Provinzialkonsistorien bezogen werden könne. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 8r [Konzept]. Dem Oberkonsistorium wurden nun mit der neuen Besetzung auch neue Aufgaben übertragen. Vom 31. Mai 1791 datierte ein von Woellner unterschriebenes Circulare an das Kurmärkische Oberkonsistorium, dem die Kabinettsordre vom 14. Mai 1791 zur Beachtung vorgelegt wurde. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 83r. In dieser Kabinettsordre hatte der König festgelegt, daß zukünftig alle angehenden Feldprediger nicht mehr, wie bislang, von dem jeweiligen Feldpropst, sondern bei den Landeskonsistorien examiniert und dann von dem Feldpropst, dem die Examinationsgebühren, als ein Teil seines Salairs, nach wie vor verbleiben müßten, ordiniert werden sollten.

I. Die Einsetzung der Geistlichen Immediat-Examinationskommission

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neuen Räten des Oberkonsistoriums fand in den kommenden Jahren weiten Fortgang. Obgleich die drei neuen Räte nun also bestallt und eingeführt waren, siedelten Hermes und Hillmer nicht unverzüglich nach Berlin über. Am 4. Juni 1791 schrieb Hillmer aus Oels an Woellner und suchte sich zu insinuieren38: Woellner nehme es gewiß „Liebevoll“ auf, wenn er in diesen Zeilen mit dem Ausdruck des schuldigen Respekts „den Ton der Herzlichkeit und innigen Liebe“ verbinde. Längst schon habe sein Herz Woellner verehrt, als er ihn, zwar nicht wie nun als seinen „theuren lieben Chef “, aber doch in anderer Verbindung als einen seiner Vorgesetzten kannte. „Verehrt hab ich Sie schon da, und geliebt; aber inniger, Liebevoller“ sei seine Liebe zu ihm kürzlich bei ihrer näheren Bekanntschaft geworden, als er bei mehreren Unterredungen „Thränen Ihrem Aug entfließen“ gesehen hatte. Diese Tränen hätten sein Herz im Innersten gerührt und seien gewiß von Engeln gesammelt worden, „weil es Thränen der Liebe zu Jesu, und Thränen der Sehnsucht waren, daß doch Sein Reich kommen möge“39. Er sehe Woellner nicht bloß als seinen Vorgesetzten, sondern zugleich als seinen Vater an. Daher versprach er nicht nur den notwendigen Gehorsam des Subalternen, sondern auch „den Gehorsam, das Zutrauen eines treuen Kindes zu seinem Vater“40. Und dann folgte abrupt pragmatischer Realitätssinn: „Werden wir, Hermes u. ich es wol wagen dürfen, um einige Verlängerung unsers Urlaubs zu bitten?“41 Allen Fleißes ungeachtet werde er schwerlich in der ihnen vorgegebenen Frist seine Angelegenheiten regeln können, zumal sich seine schwerkrank gewesene Frau in einer Kur befinde, die sie nicht eher als in sechs Wochen werde beenden können. Im August 1791 zogen Hermann Daniel Hermes und Gottlob Friedrich Hillmer dann schließlich von Breslau nach Berlin um, wo sie nie getrennte Häuser bewohnten42. 38

GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 17, Bl. 2r–3v. AaO Bl. 2r. 40 Hillmers Schmeicheleien setzten sich fort: „Mein herzliches Gebet zu unserm Ewig Anbetungswürdigen Herrn und Heiland folgt Ew. Excellenz bei jedem Tritt u. Schritt.“ Und weiter: „Er will, Er wird es erhören; Gesegnet werden Sie seyn schon hier auf Erden, und vollkommner einst am Thron. Bleiben Sie, gnädiger Chef! bleiben Sie uns, die wir Ihnen als treue folgsame Arbeiter untergegeben sind, Vater und Freund! Bleiben Sie es meinem mit mir so innig verbundnen und von Gott begnadigten Oswald!“ AaO Bl. 2v. „Unser aller Gebet flammt vereint für Sie zum Thron des Ewigen!“ AaO Bl. 2v–3r. Woellner sei der erste Arbeiter im Weinberg des Herrn. AaO Bl. 3r. 41 Ebd. 42 Zunächst lebten sie in der Verlorenen Straße – heute ist das die Grenadierstraße –, dann in der Lindenstraße im Dakischen Haus. Die Adressen sind notiert GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 34r. Vgl. auch Schwartz, Der erste Kulturkampf, 205. Der Umzug nach Berlin sollte ihr Schade nicht sein: Nach einer Kabinettsordre vom 8. Juni 1791 erhielten Hermes und Hillmer aus der Dispositionskasse wegen des Transports 39

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

Woellner, der sich für einige Zeit in Groß Rietz aufhielt, behagten die Entwicklungen nicht. Am 17. August schrieb er an seine Ehefrau: „Oui, ma bonne Amelie! sans Vous, le monde me seroit un desert, y compris même ce bel endroit qui a du reste tant de charmes pour moi; mais j’espère que nous y passerons encore bien de momens agréables ensemble et en bonne santé.“43 Am 26. August kehrte Woellner abends nach Berlin zurück44. 2. Die „Instruction für die Königliche Examinations-Commission in Geistlichen Sachen“ Vom 31. August 1791 datierte die „Instruction für die Königliche Examinations-Commission in Geistlichen Sachen“45. Anders als in der Kabinettsordre vom 14. Mai waren als Mitglieder nicht nur die drei geistlichen Oberkonsistorialräte Silberschlag, Hermes und Woltersdorff, sondern auch noch der Geheime Rat Hillmer genannt. Erst von diesem Zeitpunkt an kann von der Gründung der Geistlichen Examinationskommission gesprochen werden. Der erste Teil der Instruktion enthielt allgemeine Anweisungen für die Räte, im

ihrer Habe nach Berlin jeweils eine Gratifikation von 600 Talern. GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 661, Bl. 40. 43 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 12, Bl. 90r. 44 Das kündigte Woellner in einem Brief an seine Ehefrau vom 22. August 1791 an. AaO Bl. 93r. 45 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 1, Bl. 2r–5v [Abschrift]. Hillmer notierte eigenhändig, daß diese Abschrift vollkommen und wörtlich mit dem Original übereinstimme. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 18, Bl. 5v. Jedoch finden sich einige irrelevante graphematische Abweichungen sowie Differenzen in der Zeichensetzung. Diese Ausfertigung findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 13r–16v. Das von Woellner verfaßte Konzept der Instruktion findet sich aaO (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 9r–12r. Die Zentralität der Geistlichen Immediat-Examinationskommission war keineswegs originell. 1781 hatte Woellner in einem für den damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm verfaßten „Memoire über das Forst Wesen und die Holtz Wirthschafft in der Marck Brandenburg“ einen Plan zur Anstellung guter Forstbedienter entwickelt. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 1, Bl. 3r–30v, hier 22v–23v (§ 23). Woellner schlug die Bildung einer zentralen Examinationskommission von forstkundigen Personen vor, bei der alle Forstbedienten – vom Oberforstmeister an bis zum Unterförster – genau geprüft werden müßten, ob sie in ihrem Fach über die nötigen Kenntnisse verfügten. Wer das Examen gut bestünde, erhielte darüber ein Attest. Den anderen jedoch würde ein Forstbuch mitgegeben, mit dessen Hilfe sie sich das erforderliche Fachwissen aneignen sollten. Nach zwei Jahren müßten sie wiederum vor der Kommission antreten, und wenn sie weiterhin solche „Ignoranten“ geblieben wären wie zuvor, würden sie „ohne Barmherzigkeit“ (aaO Bl. 23r) kassiert werden. Einen der Senilität geschuldeten Sonderfall freilich machte Woellner geltend: „Ganz alte schwache Leute“ müßten der natürlichen Billigkeit halber von dieser Regelung ausgenommen sein; ihnen solle lieber ein Adjunkt zur Seite gesetzt werden. Ebd.

I. Die Einsetzung der Geistlichen Immediat-Examinationskommission

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zweiten Teil folgten besondere Anweisungen für die einzelnen Mitglieder der Kommission. Zehn Paragraphen umfaßte der erste Teil: Da das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 die „basis“ der Hauptbeschäftigungen der Räte sein müsse, hätten sie, schärfte § 1 ein, das Edikt in seinem ganzen Umfang „genau zu behertzigen“ und darauf zu achten, daß es nach allen seinen Punkten, welche die „Aufrechthaltung der Orthodoxie und reinen christlichen Lehre“ betrafen, erfüllt werde. § 2 enthielt den Auftrag, zu diesem Zweck eine Instruktion für alle Konsistorien in den Preußischen Staaten zu entwerfen, damit das Religionsedikt zukünftig nicht mehr wie bislang „entweder nur nachläßig beobachtet, oder gar zurückgelegt“46 werde47. Eine solche Instruktion sollte Woellner, schrieb § 3 vor,48 zur Prüfung und Approbation vorgelegt und von ihm durch ein Reskript an die Konsistorien gesendet werden49. § 4 betonte, daß eine der Hauptbeschäftigungen dieser Kommission darin bestehen müsse, „nach und nach“50, teils selbst, teils durch die unteren Kommissionen in den Provinzen, eine möglichst zuverlässige Kenntnis von allen „guten und schlechten“ Predigern und Schullehrern im ganzen Land zu erlangen zu suchen. Die Kommission sollte daher, sobald sie durch die gegenwärtige Instruktion in Aktivität gesetzt worden sein werde, eine doppelte Liste zu einer doppelten Absicht anfertigen. In der ersten Liste, aus der dann diejenigen Subjekte erwählt werden sollten, mit denen wichtigere Lehrstellen in Kirchen und Schulen zukünftig zu besetzen sein würden, sollten alle guten Prediger und Schullehrer nach „ihrer Rechtschaffenheit, Geschicklichkeit, Verdiensten und vornehmlich nach ihrer Orthodoxie und Anhänglichkeit an der alten reinen Christlichen-Glaubens-Lehre“ aufgeführt werden. Auf die zweite Liste sollten besonders „alle Néologen und die ganze Rotte der sogenannten Aufklärer“ unter den Predigern und Schullehrern sowie alle diejenigen kommen, deren Lebenswandel anrüchig sei; auf die ersteren müsse man ein wachsames Auge haben, damit sie „ihre néologische Irthümer“ nicht weiter ausbreiteten, die letzteren aber müsse man bei nicht erfolgter Besserung dem weltlichen Arm zur wohlverdienten Strafe und Kassation übergeben. Da die Sittenverderbnis unter den Geistlichen gegenwärtig „leider!“ schon sehr groß sei, werde die Kommission hier das meiste zu tun finden und müsse also doppelten Fleiß anwenden, um Zucht und Ordnung wiederherzustellen51. 46

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 1, Bl. 2r [Abschrift]. Ebd. 48 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 13r. 49 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 1, Bl. 2v [Abschrift]. 50 Ebd. 51 Diesen letzten Satz hatte Woellner zur Verstärkung nachträglich in sein Konzept eingefügt. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des 47

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

§ 5 enthielt eine organisatorische Regelung: Weil die vier Mitglieder der Kommission, um dem Inhalt von § 4 zu genügen52, eine weitläufige Korrespondenz in allen Gegenden der Preußischen Staaten führen müßten, sollten sie alle Porto- und Franco-Gelder gewissenhaft aufzeichnen und dieses Verzeichnis alle sechs Monate bei Woellner einreichen, der Sorge tragen werde, daß sie diese Auslagen aus der Generalpostkasse wieder zurückerhielten53. In § 6 befahl der König den Oberkonsistorialräten Silberschlag, Hermes und Woltersdorff nochmals nachdrücklich, das in der Kabinettsordre vom 14. Mai anbefohlene vorläufige Examen der Kandidaten nach Pflicht und Gewissen sorgfältig durchzuführen, um Kirchen und Schulen „mit redlichen Bekennern Jesu“54 zu versehen und „die Néologen und sogenannten Aufklärer“ von den Kanzeln und Schulstuben fernzuhalten55. Obgleich die Mitglieder der Kommission von den gewöhnlichen Sessionen im Konsistorium dispensiert waren, sollten dennoch, verlangte § 7, bei den öffentlichen Examina wenigstens zwei Mitglieder anwesend sein, um durch ihre Gegenwart dem öffentlichen Examen mehr Gewicht zu verleihen56. § 8 schärfte ein, daß alles, was in § 6 von den Kandidaten gesagt worden sei, auch von den Feldpredigern gelte, wenn sie bei ihrer weiteren Beförderung zum Kolloquium auf dem Konsistorium erscheinen müßten, sowie von denjenigen Kandidaten, die als Feldprediger bei den Regimentern angestellt würden. Die den für tüchtig befundenen Kandidaten oder Feldpredigern gegebenen Testimonia, die nach einem gedruckten Schema zu erteilen seien, sollten, verlangte § 9, bei den Akten der Konsistorien aufbewahrt werden. Ebenso sollten die Examinatoren über jede nicht bestandene Prüfung ein Protokoll aufnehmen und zu den Akten geben. § 10 forderte ein moderates Prüfungsverfahren. Damit nicht Ursache zu Klagen gegeben und zugleich aller Schein der Härte vermieden würde, müßten die Examinatoren mit den Kandidaten, die entweder zu unwissend oder aber der Neologie ergeben wären, Geduld haben, ihnen nach jedesmaliger „mehr oder minderer“ Erfordernis der Umstände Termine setzen, zu denen sie zum zweiten57 oder sogar zum dritten oder vierten Mal wieder erscheinen sollten, Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 9v und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 1, Bl. 2v [Abschrift]. 52 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 13v. 53 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 1, Bl. 3r [Abschrift]. 54 Ebd. 55 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 14r und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 1, Bl. 3r [Abschrift]. 56 AaO Bl. 3v [Abschrift]. 57 Ebd.

I. Die Einsetzung der Geistlichen Immediat-Examinationskommission

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und ihnen auch mit „Väterlicher Güte“58 Anweisung zu einer zweckmäßigen59 Zubereitung auf ein künftiges Lehramt geben, um ihnen auf diese Art so viel als möglich „nützlich“ zu werden. Die Instruktion verfolgte also nicht als Ziel, den neologisch gesinnten Kandidaten den Zugang zum Pfarramt zu verwehren, sondern sie wollte dafür sorgen, daß im öffentlichen Vortrag keine Neologie gepredigt würde. Im zweiten Hauptteil waren dann die besonderen Anweisungen für die einzelnen Mitglieder der Kommission aufgeführt. Dem Oberkonsistorialrat Silberschlag wurden, da er als ein ordentliches Mitglied des Oberkonsistoriums und Kurmärkischen Konsistoriums, Direktor der Realschule und Pastor an der Dreifaltigkeitskirche seiner vielen Amtsverrichtungen wegen wohl nicht mit noch weiteren Arbeiten belastet werden könne, keine besonderen neuen Geschäfte aufgetragen. Hermes sollte zukünftig an allen neuen Büchern und Reglements mitarbeiten, zu denen er – nach vorangegangener Rücksprache mit den übrigen Gliedern der Kommission – von Woellner60 jedesmal besonders autorisiert werden werde61. Für den Fall, daß er Kirchen- und Schulvisitationen in den Provinzen übernehmen müßte, würde er vom Geistlichen Departement noch eine besondere Instruktion erhalten. Der Geheime Rat Hillmer erhielt den Auftrag, Hermes bei der Ausarbeitung der zukünftigen Schriften und Reglements zu helfen. Ebenso wie Hermes werde er mit besonderen Aufträgen in die Provinzen geschickt werden. Außerdem sollte er das Amt eines Zensors aller Moralischen, Zeit- und Gelegenheits-Schriften übernehmen und unter Hinzuziehung eines oder mehrerer seiner Kollegen alle theologischen Bücher zensieren, die in Berlin gedruckt werden sollten, wobei er nach Maßgabe des kürzlich erschienenen Zensuredikts, das ihm zur Norm und Regel dienen solle62, verfahren müsse. Der König werde deswegen eine besondere63 Kabinettsordre an den Großkanzler Carmer ergehen lassen, damit er durch ein förmliches Reskript aus dem Staatsrat als öffentlicher Zensor der obigen Schriften bestätigt werde64. 58

AaO Bl. 4r [Abschrift]. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 14v. 60 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 1, Bl. 4r [Abschrift]. 61 AaO Bl. 4v [Abschrift]. 62 Daß das Zensuredikt „zur Norm und Regel“ diene, hat Woellner nachträglich in sein Konzept eingefügt. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 11v. 63 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 1, Bl. 4v [Abschrift]. 64 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 15v und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 1, Bl. 5r [Abschrift]. 59

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

Bei den öffentlichen Examina auf dem Oberkonsistorium sollte Hillmer, sooft ihn die Reihe treffe, anwesend sein, obgleich er ebensowenig wie die übrigen weltlichen Oberkonsistorialräte selbst examinieren dürfe. Der Oberkonsistorialrat Woltersdorff sollte wegen seiner zahlreichen Gemeinde65 bloß die allgemeinen Arbeiten und Pflichten der Kommission übernehmen. Abschließend schärfte Friedrich Wilhelm II. allen Mitgliedern dieser Kommission ein, die ihnen aus der Instruktion erwachsenen Pflichten als „rechtschaffene, fromme, und gewißenhafte Männer“66 stets fleißig zu erfüllen, damit unter Gottes Segensbeistand den „Irrlehrern“67 und „Verführern“68 Einhalt geboten und das Volk nicht mehr, wie es bislang vielfältig geschehen sei, „von der reinen alten wahren Religion Jesu abgeführet“69 werde. 3. Die Instruktion für die lutherischen Konsistorien zur Aufrechterhaltung des Religionsedikts Nun wurde die Instruktion verteilt, und die Arbeit nahm ihren Lauf. Unter dem 2. September 1791 teilte Silberschlag Hillmer mit, daß der König demnächst die in § 2 geforderte Instruktion für alle lutherischen Konsistorien erwarte. Woellner hatte vorgeschlagen, daß Hillmer diese Instruktion schleunigst entwerfen solle70. Bereits am 5. September 1791 lag sie dann zur Genehmigung vor. An demselben Tag verfaßte Hillmer einen von ihm selbst, Silberschlag, Hermes und Woltersdorff unterschriebenen Brief an Woellner und legte den Entwurf für die Instruktion bei71. Hermes und Hillmer hatten die Instruktion weit ausführlicher geplant, jedoch in der Konferenz hatte Silberschlag berichtet, daß Woellner sie so kurz wie möglich abgefaßt wissen wollte. Nachdem der König und Woellner noch einige Änderungen vorgenommen hatten, wurde am 10. November die endgültige Fassung angenommen und unter dem 15. November erlassen. Unter dem 9. Dezember 1791 erging dann an alle Landes65 Die Begründung „wegen seiner zahlreichen Gemeinde“ hat Woellner nachträglich in sein Konzept eingefügt. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen OberConsistorio betr.), Bl. 12r. 66 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 1, Bl. 5r [Abschrift]. 67 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 16r und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 1, Bl. 5v [Abschrift]. 68 Ebd. 69 Ebd. 70 AaO Bl. 1r. 71 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 23r–23v.

I. Die Einsetzung der Geistlichen Immediat-Examinationskommission

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konsistorien ein Reskript, mit dem sie von dieser Instruktion in Kenntnis gesetzt wurden72. Die Konsistorien sollten von dem Eingang des Reskripts Meldung machen. Bereits am 15. Dezember bestätigte das Kurmärkische Oberkonsistorium den Eingang des Reskripts sowie der Instruktion und legte ein Exemplar des an die Inspektoren erlassenen Circulare bei73. Das ebenfalls vom 15. Dezember datierende Circulare74 machte die vom König unter dem 15. November erlassene besondere Instruktion „zur Aufrechthaltung und genauern Befolgung des Religions-Edicts vom 9. July 1788“75 bekannt. Die Vorschriften waren in vier Punkte unterteilt. Erstens: Die Inspektoren wurden „alles Ernstes“ angewiesen, auf die ihrer Aufsicht anvertrauten Prediger und Schullehrer – sowohl was ihre Amtsführung als auch ihren übrigen Lebenswandel und „die Beschaffenheit ihrer Sitten“ betraf – „die strengste Aufmerksamkeit und Sorgfalt unermüdet anzuwenden, um vornemlich alles aufkeimende Uebel einer etwanigen Sittenlosigkeit bey diesem oder jenem, sogleich in der Geburt zu ersticken, und alles öffentliche Aergerniß zu verhüten“76. Wenn das schlechte Betragen eines Predigers, Küsters oder Schullehrers dem Oberkonsistorium auf eine andere Art als durch eine unverzügliche Anzeige durch die Inspektoren bekannt würde und den Inspektoren bewiesen werden könnte, daß sie von dem mängelhaften Lebens- und Amtswandel bereits gewußt und eine Anzeige unterlassen hätten, sollten die Inspektoren „mit ganz unausbleiblicher Cassation“77 bestraft werden. Außerdem: Damit die Inspektoren die Prediger und Schullehrer ihres Sprengels genau kennenzulernen und zu beurteilen imstande78 wären und das Oberkonsistorium zu derselben Kenntnis gelangen könnte, war dem Oberkonsistorium befohlen worden, streng auf die schon „von Altersher“79 gebräuchlichen Visitationen zu achten. Die Prediger sollten zukünftig Visitationspredigten über einen jeweils vom Geistlichen Departement vorgegebenen Bibelvers schreiben. 72 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 48r. 73 Der Brief erreichte Woellner jedoch erst Anfang Januar 1792. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 56r–56v. 74 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 84r–84v. Weitere gedruckte Exemplare finden sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1845, Bl. 49r–49v und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 131r–131v. 75 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 84r. 76 Ebd. 77 Ebd. 78 Ebd. 79 AaO Bl. 84v.

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

Schließlich wurden die Inspektoren auf die 1750 in der Instruktion des Oberkonsistoriums erlassenen Verordnungen verwiesen, daß jeder von der Universität kommende Kandidat sich sogleich beim Konsistorium zur Lizenzprüfung melden müsse und daß kein Prediger – bei fünf Reichstalern Strafe – einen Kandidaten predigen lassen dürfe, wenn er nicht die erhaltene Lizenz vorgezeigt hatte80. Am 19. Dezember 1791 meldete das Oberschlesische Oberkonsistorium aus Brieg pflichtschuldig, daß das unter dem 9. Dezember aus dem Geistlichen Departement erlassene Reskript sowie die vom König vollzogene Instruktion eingegangen seien81. Woellner erhielt das Schreiben am 24. Dezember und notierte, daß die Rückmeldungen aus den Landeskonsistorien gesammelt werden sollten, da er sie nochmals sehen wolle82. Nun ging in rascher Folge Post aus den Provinzen ein83. 80

Ebd. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 52r. 82 Ebd. 83 Am 20. Dezember 1791 schrieben das Konsistorium des Fürstentums Halberstadt (Woellner erhielt den Brief am 26. Dezember; aaO [Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend], Bl. 53r) und, besonders eifrig, das Breslauer Oberkonsistorium. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 62r–63r. Am folgenden Tag antworteten das Minden-Ravensbergische Konsistorium (aaO [Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend], Bl. 55r) und aus Köslin das Pommersche Konsistorium. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 61r–61v. Das Pommersche und Camminsche Konsistorium aus Stettin meldete sich unter dem 22. Dezember. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 54r–54v. Am 23. Dezember schrieb die Kleve-Märkische Landesregierung. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 65r. Am 17. Januar 1792 schrieb sie nochmals. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 69r–69v und 73r. Wegen der von den übrigen Provinzen sehr unterschiedenen kirchlichen Verfassung der Protestanten in der dortigen Gegend könnten nicht alle Punkte aus der königlichen Instruktion umgesetzt werden. Einige wenige Stellen ausgenommen, die von Patronen vergeben wurden, hing die Besetzung der Pfarrämter von der freien Wahl der Gemeinde ab, und selbst die Inspektoren seien nicht auf Dauer ernannt, sondern wurden alle drei Jahre auf den Synodalkonventen von ihren Amtsbrüdern gewählt oder gegebenenfalls in ihrem Amt bestätigt. Außerdem gab es kein Landeskonsistorium, bei dem geistliche Räte angesetzt wären, sondern das Regierungskollegium erledigte alles, was in den anderen Provinzen zu den Geschäften der Landeskonsistorien gehörte. Am 28. Dezember 1791 antworteten das Glogauer Oberkonsistorium (aaO [Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend], Bl. 64r) und das Ostfriesische Konsistorium auf das Reskript vom 9. Dezember. AaO 81

I. Die Einsetzung der Geistlichen Immediat-Examinationskommission

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Schließlich waren alle Konsistorialberichte über den Empfang der neuen königlichen Instruktion eingegangen, nur das Ostpreußische Konsistorium hatte sich noch nicht gemeldet. Daher erging unter dem 28. März 1792 an das Ostpreußische Etatsministerium, welches das Konsistorium des versäumten Berichts erinnern sollte, ein von Woellner unterschriebenes mahnendes Reskript84. Der König wolle hoffen, daß das Ministerium die Instruktion sogleich dem dortigen Konsistorium übermittelt habe. Woellner hatte keine Verfügungen auf einzelne Anfragen der Konsistorien wegen der Instruktion vom 15. November 1791 ergehen lassen wollen, bis alle Berichte eingegangen wären. Am 8. August 1792 wurde ihm berichtet, daß der Bericht des Ostpreußischen Konsistoriums ungeachtet des Excitatoriums vom 28. März 1792 nicht eingetroffen war85. Woellner notierte enerviert: „Expediatur Cito! ein derbes abermaliges Excitatorium.“ Unter dem 29. August ergingen dann Reskripte an das Ostpreußische Etatsministerium sowie an das Ostpreußische Konsistorium86. Es sei „sehr befremdlich“, hieß es im Schreiben an das Ministerium, daß auf das Reskript vom 28. März weder vom Ministerium noch vom Konsistorium eine Antwort gegeben worden war. Und das Konsistorium solle umgehend melden, warum es nicht den Eingang der Instruktion angezeigt hatte. Nun beeilte sich das Ostpreußische Etatsministerium. Bereits unter dem 2. September 1792 überreichte es den Bericht des Ostpreußischen Konsistoriums87. Nachdem das Reskript vom 9. Dezember 1791 eingegangen war, hätte es dem Konsistorium die Instruktion sogleich abschriftlich mitgeteilt, und unter dem 11. Februar 1792 hatte das Konsistorium dann einen Bericht erstattet88. Dieser Bericht war in der Kanzlei des Ministeriums jedoch versehentlich unter (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 66r–66v. Das Konsistorium des Herzogtums Magdeburg reagierte am 5. Januar 1792. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 68r. Am 17. Januar 1792 fragte die westpreußische Regierung aus Marienwerder, wie sie es mit der Prüfungskommission halten solle, da nur zwei geistliche Räte im Kollegium saßen. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 67r. 84 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 79r. 85 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 96r. 86 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 97r–97v [Konzept]. 87 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 98r. 88 Der Bericht vom 11. Februar 1792 findet sich aaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 99r–99v.

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andere Papiere geraten, so daß er nicht an den König abgeschickt worden war. Am 12. September 1792 meldete das Ostpreußische Konsistorium dann den Eingang der Instruktion89. Inzwischen hatte v. d. Hagen am 12. März 1792 ein Promemoria verfaßt90. Dadurch sollte es dem Oberkonsistorium ermöglicht werden, den tüchtigen Zivil- und Feldpredigern gute Pfarrstellen zu geben und die Kandidaten vorschriftsmäßig mit Pfarrstellen der dritten Klasse zu versorgen91. Unter dem 15. März erging dann an alle Landeskonsistorien ein Circulare92. Nach § 10 der Instruktion vom 15. November 1791 war es der königliche Wille, daß – nachdem alle Landpfarrstellen in drei Klassen eingeteilt worden sein würden – angehende Kandidaten, die nicht bereits acht Jahre lang in königlichen Anstalten gedient hatten, anfänglich nur auf eine Pfarrstelle der dritten Klasse und dann erst auf einträglichere Pfarrstellen befördert werden sollten. Daher sollten sich von nun an alle Pfarradjunktionen nur auf die Lebenszeit des Emeritus erstrecken und für den Adjunkten mit keiner spes succedendi begleitet sein, um zu verhindern, daß sich zukünftig nach der bisherigen Gewohnheit besonders die Kandidaten in gute Predigerstellen einschlichen. Jedoch die theoretischen Planungen waren den realen Verhältnissen weit voraus, denn die Einteilung der Pfarrstellen in drei Klassen bereitete Schwierig89 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 101r–101v. Es habe, erklärte das Konsistorium, den Eingang der Instruktion nicht zuvor gemeldet, weil nach dem Reskript vom 9. Dezember 1791 diese Aufgabe nicht dem Konsistorium, sondern dem Etatsministerium zukam. 90 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 107r–107v und 109r–109v. 91 Die Adjunkten lebten teils unter harten Bedingungen. Als Beispiel war abschriftlich der Vergleich beigefügt, der 1791 zwischen dem Prediger Dracke zu Hackenberg und dem Kandidaten Cammerer wegen der Adjunktion geschlossen worden war: Der Adjunkt war verpflichtet, die älteste Tochter zu heiraten, und erhielt jährlich nur zwanzig Reichstaler sowie freien Aufenthalt. Nach dem Tod des Predigers würde die Witwe das ganze Gnadenjahr bekommen, nach dessen Ende der Adjunkt die Witwe nebst vier Kindern bei sich behalten und ihnen freien Aufenthalt geben müßte. Wäre der älteste Sohn, ein Kandidat der Theologie, noch nicht versorgt, müßte der Adjunkt ihm freie Station und jährlich zehn Reichstaler Taschengeld geben. Die sich gegenwärtig auf fünfhundert Reichstaler belaufenden Schulden des Emeritus würde der Adjunkt aus der Pfarrstelle bezahlen müssen. Doch versprach der Emeritus, daß er von nun an 70 Reichstaler jährlich abbezahlen wolle. Den Großteil des Mobiliars würde nach dem Tod des Predigers seiner Witwe zufallen. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 108r [Abschrift]. 92 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 51r. Unter dem 15. März 1792 erging auch ein entsprechender, von Woellner unterschriebener, königlicher Befehl an das Kurmärkische Oberkonsistorium. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1812, Bl. 3r. Unter dem 26. April 1792 wurde dies von v. d. Hagen und v. Irwing den Inspektoren der Kurmark bekanntgemacht. AaO Bl. 5r–5v und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1790, Bl. 84r–84v.

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keiten. Anfragen aus Magdeburg, aus der Neumark und aus Marienwerder wurden mit dem verzögernden Hinweis beantwortet, daß zu gegebener Zeit ein Bescheid ergehen werde93. Aus Kleve berichtete am 19. Juni 1792 die Kleve-Märkische Regierung, daß die Verfügung, nach der sich alle Pfarradjunktionen ohne Unterschied nur auf die Lebenszeit des Emeritus erstrecken sollten, in den beiden dortigen Provinzen nicht anwendbar sein werde, da in ihnen – zwei reformierte Predigerstellen in der Grafschaft Mark und im Herzogtum Kleve ausgenommen – alle protestantischen Gemeinden beider Konfessionen das Recht hatten, ihre Prediger selbst zu wählen94. Hier zeigt sich einmal mehr, wie stark die jeweiligen lokalen Gegebenheiten die kirchliche Wirklichkeit bestimmten. 4. Das Tentamen pro licentia concionandi In der an alle Konsistorien erlassenen Instruktion vom 15. November 1791 war die Anordnung einer besonderen Examinationskommission der Kandidaten, die um die licentia concionandi nachsuchten, bekanntgemacht worden. Unter dem 13. März 1792 erging wegen der Art und Weise, in der die Lizenz erteilt werden sollte, ein Reskript des Geistlichen Departements an das Kurmärkische Oberkonsistorium95. Die Tentamina pro licentia concionandi sollten zukünftig 93 Nachdem am 19. April 1792 das Magdeburgische Konsistorium um die Mitteilung der Klassifikation gebeten hatte, die bei den Pfarrstellen des Herzogtums gemacht worden war (GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 82r), notierte Sack am 3. Mai, daß dem Konsistorium, sobald die Klassifikation gemacht und die Sache reguliert worden sein werde, die zu beobachtende Ordnung bekanntgemacht werden werde. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 83r [Konzept]. Am 20. April baten auch die Neumärkische Regierung und das Konsistorium um eine Mitteilung der Klassifikation der neumärkischen Pfarrstellen. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 84r. Jedoch war auch diese Klassifikation der Predigerstellen noch nicht, notierte Zöllner am 10. Mai, völlig reguliert. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 83r [Konzept]. Auch die Westpreußische Regierung schrieb am 11. Mai aus Marienwerder an den König und bat um die Mitteilung der Klassifikation. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 90r. Am 7. Juni notierte Hecker, daß die Regierung zu gegebener Zeit Nachricht erhalten werde. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 91r [Konzept]. 94 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 95r. 95 Das von Schreiberhand verfaßte und mit Woellners Autograph versehene Exemplar findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1789, Bl. 220r–220v. Die Druckfassung findet sich aaO Bl. 222r–222v und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 87r–87v. Die Unterschiede

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nach einem neuen Verfahren erfolgen96. Alle kurmärkischen Kandidaten sollten sich zuerst bei der Examinationskommission melden, die dann nach ihrer darüber erhaltenen Instruktion verfahren und dem für „tüchtig“97 befundenen Kandidaten ein Attest geben müßte, mit dem er sich an das Kurmärkische Oberkonsistorium zu wenden habe, das – wie bislang – die Lizenz erteile98. Ausdrücklich wurde eingeschärft, daß das Kurmärkische Oberkonsistorium die Lizenz nicht selbständig, sondern nur aufgrund dieses Attests erteilen dürfe99. Die auswärtigen Kandidaten in der Provinz konnten sich durch die Kreisinspektoren examinieren lassen100. Die Kreisinspektoren müßten mit der Examinationskommission Verbindung aufnehmen, um die Texte für die Prüfungspredigten der Kandidaten zu erhalten. Nachdem die Predigt abgelegt worden wäre, müßten die Kreisinspektoren diese Predigt nebst den Examinationsprotokollen und ihrem Gutachten dann an die Examinationskommission einsenden. Gleichsam en passant wurde der Examinationskommission ein neuer Status beigelegt: Die Examinationskommission, die, da sie „immediate angestellt ist“, nicht unter dem Oberkonsistorium, sondern nur unter dem Geistlichen Departement stehe, werde in dieser Sache unter demselben Datum instruiert101. der gedruckten und handschriftlichen Fassung beschränken sich nur auf die Graphematik und Zeichensetzung. Eine Abschrift findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 32r–32v. 96 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1789, Bl. 220r und 222r. 97 Ebd. 98 Das Formular der Lizenz umfaßte eine starke halbe Druckseite. AaO Bl. 217r. Das Testimonium wurde erteilt, wenn der Student wie gewöhnlich geprüft worden war und sich nichts gezeigt hatte, dessentwegen ihm die Erlaubnis versagt werden könnte. Der Student wurde zugleich angewiesen, sich bei dem Inspektor, zu dessen Diözese sein Aufenthaltsort gehörte, zu melden. Wenn er die Inspektion ändern sollte, müßte er sich mit dem Zeugnis seines bisherigen Inspektors bei dem neuen Inspektor melden. Der Examinandus hatte elf Fragen kurz zu beantworten. AaO Bl. 218r–219r. Ein gedrucktes Exemplar findet sich auch in GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 5, Bl. 13r–14r. Die erste Frage betraf den Namen des Prüflings (GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1789, Bl. 218r), die zweite den Geburtsort, die dritte das Alter und die vierte die Namen, die Lebensdaten und den Aufenthaltsort der Eltern. Bei der Beantwortung der fünften Frage sollte der Prüfling angeben, auf welchen Schulen er studiert hatte und bis in welche Klassen er gekommen war. Ebd. Die sechste Frage lautete stichwortartig: „Auf welcher Universität, und wie lange? was vor Collegia er gehöret, und bey wem?“ AaO Bl. 218v. Die siebte Frage wollte klären, wo und wie er die Zeit nach dem Studium verbracht hatte. Bei der achten Frage sollte der Prüfling aufzeigen, welche Zeugnisse er erlangt hatte. Die neunte Frage bezog sich auf den zukünftigen Aufenthaltsort. Ebd. Bei der Beantwortung der zehnten Frage sollte der Prüfling angeben, ob er sich der öffentlichen Schularbeit widmen wolle. AaO Bl. 219r. Die elfte Frage klärte, ob und für wen er bislang gepredigt habe. Ebd. 99 AaO Bl. 220r und 222r. 100 AaO Bl. 222v. 101 AaO Bl. 220v. Der von Woellner unterschriebene königliche Spezialbefehl an die Immediat-Examinationskommission vom 13. März 1792 findet sich GStA PK, I. HA, Rep.

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Erst seit dem März 1792 also gab es genaugenommen eine Geistliche ImmediatExaminationskommission102. 5. Andreas Jakob Hecker als Nachfolger Silberschlags Am 22. November 1791 hatte der Tod eine Lücke in die Immediat-Examinationskommission gerissen. Silberschlag war gestorben103. Mit dessen vakanter Stelle in der Kommission wurde, beschied am 25. April 1792 Woellner den Oberkonsistorialräten Hermes und Woltersdorff im Namen des Königs, Andreas Jakob Hecker betraut104. Die Gruppe mußte sich nun neu ordnen. Am 27. April setzten Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker ein „Actum“ auf, in dem sie die Absprachen darlegten, die sie untereinander getroffen hatten105. Zunächst hatten sich die vier Räte grundsätzlich über die Tentamina verständigt, die von zweierlei Art waren: einige bloß pro licentia concionandi et Candidatura, andere pro ordinatione. Bei ersteren müsse mehr auf die „Vorbereitungs-Kenntnisse“ gesehen werden, also zum Beispiel auf die lateinischen, griechischen und hebräischen Sprachkenntnisse106. Die Kandidaten müßten geprüft werden, ob sie mit Hilfe eines Lexikons „den eigentlichen Sinn“107 einer Schriftstelle herausfinden könnten. Auch in der Bibel müsse sich der Kandidat auskennen. Bei dem Tentamen pro ordinatione dagegen müsse mehr „auf das, was zur eigentlichen AmtsFührung gehört“, gesehen werden, zum Beispiel „wahres dogmatisch- und asertisch-Predigen, Catechisation, cura animarum specialior, Casuistik und Zuziehung der Gemeine durch möglichst individuelle Bearbeitung der Catechumenen“. Indem die Tentamina mehrfach wiederholt werden konnten, sollten die Kandidaten mehrere Chancen erhalten108. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 31r. Anbei erhielt sie eine Abschrift, in welcher der Gang der Tentamina festgelegt war. AaO Bl. 32r–32v. 102 Um Namensverwirrungen zu vermeiden, wird in der vorliegenden Darstellung freilich auch schon für die vorangehende Zeit diese Bezeichnung verwendet. 103 Woellner hielt sich in Rietz auf, als er von Silberschlags Tod erfuhr. Als Woellner am 25. November 1791 an seine Ehefrau schrieb, zeigte er kein explizites Bedauern. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 12, Bl. 96r. 104 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 16r. An demselben Tag wurden auch das Kurmärkische Oberkonsistorium sowie Hecker selbst entsprechend beschieden. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1], unpag. [Konzept]. Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker bekräftigten auf dem Blatt dieses Reskripts am 30. April durch ihre Unterschrift nach der Versicherung „legit“ die Neuerung. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 16r. 105 AaO Bl. 17r–18r. 106 AaO Bl. 17r. 107 Ebd. 108 Ebd.

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Außerdem hatten Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker die Verteilung der Examensinhalte verabredet109. Alle Predigten und schriftlichen Aufsätze nahm Hecker an sich, um sie zu dem ihm anvertrauten Archiv zu legen110. Bei den Prüfungen wurde Hecker das Examen philologicum aufgetragen. Woltersdorff übernahm die Prüfung und nähere Anweisung der Kandidaten im Blick auf das Katechisieren, die Zensur der Predigten und die Hauptfragen der Pastoraltheologie. Hermes sollte hauptsächlich auf das „Dogmatische und wahre Moralische“111 sehen. Hillmer war die Korrespondenz übertragen worden, so daß die Inspektoren ihre Briefe an ihn adressieren sollten. Auch die Berichte an das Geistliche Departement sollte Hillmer besorgen112.

II. Die Feldprediger 1. Die Stellung der Feldprediger Der 7. April 1692 ist der Geburtstag des preußischen Militärkirchenwesens. Unter diesem Datum wurde als oberste militärkirchliche Behörde das Kriegskonsistorium eingesetzt113. Das Militärkonsistorialreglement vom 29. April 1711114 sowie eine Instruktion für den Feldpropst vom 6. Januar 1717 regelten zunächst vorläufig die Aufgaben und Organisationsstruktur dieses Konsistoriums. Das „Renovirte Militair-Consistorial-Reglement und Kirchen-Ordnung des Feld-Ministerii“ vom 15. Juli 1750115 brachte dann eine ausführliche Regelung. Das Kriegskonsistorium, das im Wesentlichen aus dem Feldpropst und höheren Militärpersonen bestand, entschied über die Einsetzung der Feldprediger und war, bis es 1798 dem neu errichteten Militär-Justiz-Departement untergeordnet wurde, in Disziplinarfällen gegen Feldprediger die letzte Instanz116. Der Feldpropst ordinierte die Feldprediger und sorgte für deren spätere 109

AaO Bl. 17v. Ebd. 111 Ebd. 112 Ebd. 113 CCM 3, 1, Nr. 96, 273–275. Die Militärkirche bildete einen „völlig selbständigen kirchlichen Organismus“ neben der lutherischen, deutsch-reformierten und französischreformierten Kirche. Paul Schoen, Das evangelische Kirchenrecht in Preußen, Bd. 1, Berlin 1903 (ND 1967), 25. Vgl. auch Hartmut Rudolph, Das evangelische Militärkirchenwesen in Preußen. Die Entwicklung seiner Verfassung und Organisation vom Absolutismus bis zum Vorabend des I. Weltkrieges. Mit einem dokumentarischen Anhang, Studien zur Theologie und Geistesgeschichte des Neunzehnten Jahrhunderts 8, Göttingen 1973, 20. 114 CCM 3, 1, Nr. 96, 265–272. 115 Eine Wiedergabe des Reglements findet sich im dokumentarischen Anhang bei Rudolph, Das evangelische Militärkirchenwesen, 275–287. 116 AaO 20 f. In den Konduitenlisten der Militärprediger ging es nicht um deren Recht110

II. Die Feldprediger

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Versorgung mit einer Zivilpfarrstelle. 1779 trat Johann Gottfried Kletschke das Amt des Feldpropstes an. Als die Geistliche Examinationskommission ins Leben trat, suchte sie die Macht des ihr suspekt erscheinenden Kletschke, den der frühere Chef des Geistlichen Departements Karl Abraham Freiherr v. Zedlitz sehr geschätzt hatte, einzuschränken117. Bislang waren die zum Feldprediger bestimmten Kandidaten immer vom Feldpropst geprüft und ordiniert worden. Die hier getroffene Auswahl war insofern entscheidend, als die Feldprediger, wenn sie aus der Armee schieden, vornehmlich mit Inspektoraten, deren Besetzung ein ius summi episcopi war, versorgt wurden. Als die Kabinettsordre vom 14. Mai 1791118 dem Feldpropst die Prüfung der zum Feldpredigeramt bestimmten Kandidaten entzog, war Kletschke indigniert. Er überging die Anordnung und prüfte wie zuvor. Am 1. Juni 1792 meldete das Oberkriegskollegium, daß es dem königlichen Befehl gemäß ein Circulare an alle Generalinspektoren und Gouvernements erlassen hatte119. In dem Circulare war vorgeschrieben, daß die angehenden gläubigkeit. Sie sollten sich durch Fleiß auszeichnen und beliebte Prediger sein. Vgl. die Konduitenlisten von 1797. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 1, Bd. 36, Bl. 22r–23v. 117 Einige Jahre zuvor freilich hatte Woellner in einer von ihm konzipierten Kabinettsordre an Kletschke vom 2. März 1787 dessen Ansinnen unterstützt, ein Erbauungsbuch für die Soldaten zu schreiben. Außer einigen Feldpredigern sollte der Feldpropst zudem „auch noch den geschickten Prediger Zöllner“ zu Rate ziehen. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 1, Bl. 27r. Am 5. Juli 1788 hatte Kletschke sogleich anläßlich von Woellners Erhebung zum Etatsminister geschrieben und um dessen Protektion gebeten. Er versprach eine gewissenhafte Erfüllung seiner Amtspflichten, die sorgfältige Prüfung der zu Feldpredigern bestimmten Subjekte und stete Wachsamkeit über deren Amtsführung. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 26, Bl. 51r. 118 Vgl. Kapitel F.I.1. 119 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.1] (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 92r. Am 4. Mai 1792 hatte das Oberkriegskollegium dem Geistlichen Departement berichtet, daß ihm die Instruktion vom 15. November 1791 noch nicht kommuniziert worden sei und es daher an den Feldpropst Kletschke noch keine Verfügung hatte erlassen können, bei den Examina derjenigen Kandidaten, die Feldpredigerstellen erhalten sollten, den in dieser Instruktion enthaltenen Vorschriften nachzukommen. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 86r. Ende April hatte Woellner Zöllner mündlich mit der Konzeption eines Reskripts an das Oberkriegskollegium beauftragt. AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 80r. Am 10. Mai 1792 hatte Zöllner dann notiert, daß aus der Instruktion vom 15. November 1791 ein Auszug von den die Feldprediger betreffenden Passagen anzufertigen und daß dieser Auszug dem König mit der Bitte vorzulegen sei, dem Oberkriegskollegium zu befehlen, den Feldpropst zur Befolgung dieser Verordnung anzuweisen. Unter dem 14. Mai hatte Woellner diese Bitte an den Monarchen gerichtet (aaO [Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend], Bl. 88r), der unter dem 17. Mai den gewünschten Befehl erteilt hatte. AaO (Verstümmelte

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Feld- und Garnisonprediger nicht von den Provinzialkonsistorien, sondern wie zuvor vom Feldpropst examiniert und lediglich in Berlin von einer besonderen Kommission in Absicht ihres Glaubensbekenntnisses geprüft werden sollten120. Wenn also die Chefs und Kommandeure einen Kandidaten zu einer Feld- oder Garnisonpredigerstelle vozieren würden, müßten sie dies wie früher dem Feldpropst melden und den Kandidaten anweisen, sich beim Feldpropst einzufinden, der ihn dann der Berliner Kommission wegen der Prüfung im Blick auf das Glaubensbekenntnis präsentieren würde. Schließlich gerieten auch die Feldprediger, die bislang noch immer eine Sonderstellung eingenommen hatten, unter den Einfluß der Immediat-Examinationskommission121. Unter dem 27. Februar 1794 erging ein von Woellner unterschriebener königlicher Spezialbefehl an diese Kommission122. Von nun an würden nicht nur Feldprediger, sondern auch andere „verdiente“ Männer zu Inspektoraten befördert werden123. Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 87r. 120 AaO (Verstümmelte Acta betreffend die Instruction für sämmtliche Landesconsistoria zu Befolgung des Religionsedikts. Examina betreffend), Bl. 93r [Abschrift] und 94r [Abschrift]. 121 Bereits Anfang Januar 1792 hatte sich Woellner zur Beförderung von Feldpredigern geäußert. Am 11. Januar engagierte er sich für den Feldprediger Schliepstein, dessen Verhältnis zum General wegen seiner Heirat erheblich getrübt war. Ansonsten aber sei Schliepstein „ein sehr guter Mann“. Woellner nun gedachte, ihm die Stelle des Inspektors Karl Friedrich Richter zu Stolzenberg bei Danzig zu erteilen. Jedoch hatte Schliepstein nach dem Prinzip der Ancienneté noch einige ältere Kollegen vor sich. Daher bat Woellner den König, eine von ihm – Woellner – verfaßte Kabinettsordre zu akkordieren, damit er die Stelle an Schliepstein „ex authoritate regia“ vergeben und man ihm nicht „wiederum ein neues Verbrechen aufbürden“ könne. Woellner war daran gelegen, gegenüber dem König nachdrücklich seine korrekte Amtsführung zu betonen: Alle seine Vorgänger hätten sich sehr selten nach der Ancienneté gerichtet, und Zedlitz habe „immer die jungen Aufklärer den ältern Orthodoxen“ vorgezogen. In der Kabinettsordre verband Woellner das Konkrete mit dem Grundsätzlichen. Nicht allein sollte Schliepstein nach Stolzenberg versetzt werden, sondern überhaupt sei es der königliche Wille, daß die Feldprediger nur dann nach der Ancienneté befördert würden, „wenn Ihr nach Eurem Gewissen überzeugt seid, daß derjenige welcher nach seinen DienstJahren befördert werden muß, kein Aufklärer ist, in welchem Fall sonsten Ihr ihm dreiste vorbeigehen, und einen jüngern guten Mann vorziehen könnet“. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 2, Bl. 11r. 122 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 21, Bl. 46r–46v. 123 Übrigens hatte sich bereits am 30. Januar 1789 v. Irwing kritisch über die Art der Vergabe von Zivilpredigerstellen an Feldprediger geäußert. Im Militär-Konsistorial-Reglement war im vorletzten Paragraphen verordnet, daß ein Feldprediger, wenn er eine andere Pfarrstelle erhielt, weder eine Probe- oder Gastpredigt halten noch ein Kolloquium oder Examen absolvieren müsse, weil ohnehin nur „tüchtige Subjecte“ in das Amt eines Feldpredigers kämen. Irwing jedoch hielt eine Kenntnis des Oberkonsistoriums und der übrigen Provinzialkonsistorien von den Fähigkeiten ihrer Inspektoren und Prediger für notwendig, da ein Feldprediger sich während seiner Amtsjahre „negligirt“ haben könne. Mithin schlug er eine Änderung des genannten Reglements vor: Die Feldprediger sollten sich, bevor ihnen die Vokation zu einer weiteren Beförderung – sie erhielten stets die besten Stellen – erteilt werde, einem öffent-

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Aber auch die Feldprediger sollten nicht umstandslos mit einträglichen Zivilpredigerstellen rechnen können. Unter dem 11. April 1794 erhielten alle evangelisch-lutherischen Konsistorien inklusive Schlesien ein von Woellner konzipiertes124 Circulare125. Fortan sollte kein Feldprediger, der ein Zivilpfarramt erhielt, von den Konsistorien zum Kolloquium angenommen und in sein neues Amt eingeführt werden, bevor er ein Testimonium seiner Orthodoxie von der zu dem jeweiligen Kollegium gehörigen Kommission oder von der Berliner Geistlichen Immediat-Examinationskommission vorweisen konnte126. Auch die bei den Militäranstalten als Lehrer angestellten älteren Kandidaten der Theologie nahm Woellner in den Blick. Unter dem 22. August 1794 erging ihretwegen an das Oberkriegskollegium ein von Woellner unterschriebener Erlaß, daß sie auf Pfarrstellen befördert werden sollten127. Die Chefs der entsprechenden Anstalten sollten den Kandidaten erklären, daß sie sich, sofern sie bei dem Examen pro Ministerio nicht nach dem Sinn des Religionsedikts für „völlig orthodox“ befunden würden, auf eine Versorgung nicht die mindeste Hoffnung machen dürften, da der König die unter den Theologen „so sehr eingerissene Neologie schlechterdings abgestellet“ wissen wolle. Selbst bizarr-skurille Szenen führte Woellner auf den Zeitgeist zurück. Am 4. April 1795 erstattete er dem König Bericht über den Feldprediger Ludewig Schüler vom Rüchelschen Regiment, der beim König einen Bericht eingereicht hatte128. Nach einem Gespräch mit Schüler, der einen „abendtheuerlichen Plan lichen Kolloquium in den Provinzialkonsistorien der Provinz, in die sie befördert würden, unterziehen. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 82r–82v. 124 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2], unpag. [Konzept]. 125 AaO unpag. [Konzept]. An demselben Tag wurde der Geistlichen Immediat-Examinationskommission dieses Circulare abschriftlich bekanntgemacht. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 15, Bl. 1r. 126 Am 2. April 1794 war in der Konferenz der Immediat-Examinationskommission beschlossen worden, daß sich alle Feldprediger, die bislang nur beim Konsistorium zum Kolloquium vorgeladen worden waren, künftig zuvor noch bei der Examinationskommission zur „Untersuchung ihrer Orthodoxie“ einfinden sollten. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 59r–61r, hier 59v. 127 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 15, Bl. 4r [Abschrift]. Das von Woellner verfaßte, geringe Abweichungen enthaltende Konzept findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 88, Bl. 15r. Unter demselben Datum erhielt die Immediat-Examinationskommission eine Abschrift des Reskripts an das Oberkriegskollegium. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 15, Bl. 3r. Woellners in der Anordnung etwas variierendes Konzept des Erlasses an das Oberkriegskollegium findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 88, Bl. 15r. 128 Am 3. April 1795 hatte sich Ludewig Schüler in einem siebenseitigen Brief an den König gewandt. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 2, Bl. 18r–21r. Der Brief findet sich in doppelter handschriftlicher Ausfertigung von Schüler in den Akten. Offenbar hat er ein Exemplar für den König und ein weiteres für Woellner geschrieben. AaO Bl. 22r–27r. Die Anrede lautete nur „Sire!“. Rußlands Absichten zielten darauf, seine uralten asiatischen Besitzungen zu verlassen und seine Eroberungen nach Norden, Süden und Westen auszudehnen und sich schließlich Polens und des ottomanischen Reiches zu bemächtigen. Es komme nun

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zur Pacification von Europa und zur Vergrößerung“129 der Preußischen Staaten vertrat, hatte Woellner den Eindruck eines gänzlich verworrenen Menschen gewonnen. Obwohl Woellner ihn als „schwachköpfigen Mann“ bezeichnete, hatte er ihm lediglich seine „Torheit“ vorgehalten und ihn ermahnt, seine Zeit zukünftig besser zu nutzen und „sich lieber um seine Amts-Pflichten und die treue Erfüllung derselben zu bekümmern“130. Woellner resümierte polemisch: „Dis sind schon die traurigen Folgen der neumodischen Erziehung, da jungen Leuten bereits in den Jahren der Kindheit der Kopf dergestalt verschoben wird, daß sie für ihr ganzes Leben hindurch verdorben, und unnütze Mittglieder [sic] des Staates sind und bleiben.“131 Frustriert – im wahren Wortsinn – war Woellner inzwischen. Sein Amtsengagement der vergangenen Jahre schien vergeblich: „Und wenn ich dawieder eifere, so schreiet man, und feindet mich an. Gott mag es sich erbarmen!“132 Fünf Wochen später, am 13. Mai, informierte Woellner den König von Schülers weiterem Schicksal. General v. Rüchel hatte Woellner gebeten, Schüler eine Pfarrstelle oder eine Pension zu geben, da er ihn beim Regiment nicht mehr brauchen könne. Woellner jedoch hatte sich geweigert, einen „zu Zeiten tollen Menschen“133 in einer Gemeinde als Seelsorger zu bestallen; und Mittel für eine Pension habe er nicht134. Wenig später war Schüler dann wegen „seiner Gemüthskrankheit“135 aus dem Amt geschieden. Die Bemühungen der Immediat-Examinationskommission, sich einer besseren Aufsicht über die Feldprediger zu bemächtigen, gingen weiter. Am 22. April 1795 konzipierte Hillmer ein Reskript an das Oberkriegskollegium136. Das Oberkriegskollegium sollte durch den Feldpropst Kletschke allen Feldpredigern mitteilen, daß sie nur dann mit einer Beförderung rechnen könnten, wenn sie „mit Fleiß und Treue“ das Studium der heiligen Schrift betrieben und sich „wahre gründliche Erkenntniß der biblischen Glaubens- und Lebensauf einen schnellen Waffenstillstand und endlich auf eine dauerhafte Allianz mit Frankreich, Schweden und Dänemark alles an. 129 AaO Bl. 33r. So formulierte es Woellner am 13. Mai 1795 gegenüber dem König. 130 AaO Bl. 17r. 131 Ebd. 132 Ebd. 133 AaO Bl. 33r. 134 Das Bittschreiben Schülers an den König vom 29. April 1795 (aaO Bl. 34r–35v) änderte Woellners Auffassung nicht. 135 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 5 [Ministerial-Archiv 37], unpag. 136 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Feldprediger-CandidatenPrüfung. 1795), unpag. Unter dem 27. April 1795 meldete das Oberkriegskollegium dem Departement der geistlichen Angelegenheiten, daß es an den Feldpropst Kletschke das Nötige erlassen habe. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 15, Bl. 22r. Das Oberkriegspräsidium bestand aus dem Präsidium und acht Departements. Vgl. Handbuch über den königlich preußischen Hof und Staat auf das Jahr 1795, 36–39.

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Lehren“ erworben hätten sowie „allen Neologischen Meinungen und Auslegungen“ entsagen würden. Als Woellner der Nachlässigkeit gewahr wurde, daß Studenten oder Kandidaten, die noch nicht die licentia concionandi hatten, von Geistlichen den Auftrag zum Predigen erhielten, wandte er sich auch an die Feldprediger. Er beauftragte am 15. Juli 1795 das Oberkriegskollegium, den Feld- und Garnisonpredigern zu befehlen, keinem Studenten oder Kandidaten eine Predigt aufzutragen, bevor er die licentia concionandi erhalten und nachgewiesen hätte137. Unter dem 24. Juli meldete das Oberkriegskollegium pflichtgetreu, daß es Woellners Schreiben an das Kriegskonsistorium weitergeleitet habe138. Bereits einen Tag später berichtete das Kriegskonsistorium, daß es den Feldpropst Kletschke angewiesen habe, den Feld- und Garnisonpredigern diesen Befehl zu erteilen139. 2. Die Tentamina der angehenden Feldprediger Die Erfahrungen bei den Tentamina der angehenden Feldprediger waren ernüchternd. Die Fähigkeiten im Griechischen und besonders im Hebräischen ließen oft zu wünschen übrig, an hinreichender Kenntnis der Bibel mangelte es häufig massiv, und in der Dogmatik konnten sich die Kandidaten oft kaum äußern. Dennoch war es fast unmöglich, die Prüfung nicht zu bestehen. Am 9. Juni 1792 prüfte Andreas Jakob Hecker den zum Feldprediger bestimmten Kandidaten Zacharias Heinrich Wilhelm Frosch140, der schon zuvor einen kurzen Aufsatz hatte verfassen müssen141. Hecker befand, daß an Froschs 137 Das Konzept stammte aus Hillmers Feder. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [MinisterialArchiv 26.2] (Feldprediger-Candidaten-Prüfung. 1795), unpag. Bereits in der Sitzung der Immediat-Examinationskommission vom 7. Mai 1794 war angekündigt worden, daß Woellner beim König dahin antragen werde, daß durch eine Kabinettsordre an das Oberkriegskollegium dieser „Unfug“ des vorzeitigen Predigens verboten würde. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 75r–76v, hier 76r. 138 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 36, Bl. 122r. 139 AaO Bl. 123r. 140 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 17, Bl. 5r. 141 Der Aufsatz findet sich aaO Bl. 6r–7v und 9r. Der Pfarrerssohn Zacharias Heinrich Wilhelm Frosch war am 10. November 1765 geboren worden. Zu Michaelis 1784 bezog er die Universität Halle, wo er Johann August Nösselts Vorlesungen über Hermeneutik, Dogmatik und Moral hörte. In der Kirchengeschichte und neutestamentlichen Exegese hatte er Georg Christian Knapp zum Lehrer. August Hermann Niemeyer unterrichtete ihn in der „praktischen Dogmatik“ und Homiletik. Für die Logik und Metaphysik war Johann August Eberhard zuständig. Nach drei Jahren, zu Michaelis 1787, verließ er die Universität und wurde zu Beginn des kommenden Jahres Hauslehrer. Zum Ende des Jahres 1789 ging er zu seinem gegenwärtigen Prinzipal, dem General Georg Ludwig v. Dalwig nach Ratibor in Oberschlesien, der ihm die Feldpredigerstelle bei seinem Regiment versprochen hatte. Nach dem Lebenslauf folgten als zweiter Teil des Aufsatzes Froschs Glaubensüberzeugungen. Die

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„Orthodoxie“142 nichts zu beanstanden sei. Im übrigen habe er freilich nur sehr mittelmäßige Kenntnisse. Hermes gab zu Protokoll, daß Frosch sich sogleich das Lateinische und Hebräische verbeten habe143. Den griechischen Text jedoch konnte er besser lesen und übersetzen als viele andere. Bei der Beantwortung der Frage über die Person Christi zeigte er sich „als ein sehr schwacher Kopf, oder, als ein Mensch der gar nicht an das Denken gewöhnt ist“. Wenn Hermes aber weiterhalf, kam Frosch gut voran. Und er war nicht bloß von seinen geringen Kenntnissen, sondern auch von den mit ihm verhandelten „Wahrheiten“ „sehr gerührt“. Er werde sein Amt gewiß besser führen als mancher, der mehr gelernt habe. Johann Friederich August Richardt konnte am 20. Juni 1792 von Hecker sogar in lateinischer Sprache geprüft werden144. Samuel Wilhelm Dreher verfügte zwar nur über geringe Sprachkenntnisse – er hatte sich die nähere Prüfung in den Sprachen ausdrücklich verbeten –, konnte aber, wie Hecker im Actum vom 1. Oktober 1792 angab, „einige Hauptwahrheiten der Lehre J[esu] C[hristi]“ der Bibel gemäß erklären145. Am 11. Dezember 1792 durchlief der Prorektor Gottfried Bischoff, den Hecker schon seit mehreren Jahren als einen Mann von exemplarischen Wandel kannte, ohne Probleme die Prüfung146. In einzelnen Fällen litten die alten unter den modernen Sprachen. Am 20. Dezember 1792 berichtete Hecker von der Prüfung des Kandidaten Christian Kühne, daß er von ihm „viel gutes“ erhoffe, obwohl er über der französischen, englischen und italienischen Sprache das Hebräische sehr vergessen habe147. Versöhnungslehre stand im Mittelpunkt: Das „vornehmste und wichtigste Werk“, das Jesus Christus auf Erden zustandegebracht habe, sei die „Erlösung“, nach der er „uns Menschen von unsern Sünden und den damit verbundenen Strafen errettet und befreiet hat“. Die heilige Schrift lehre, daß Jesus Christus sich selbst erniedrigt habe. In Röm 3,24–26 rede Paulus von der Rechtfertigung. 142 AaO Bl. 5r. 143 Ebd. 144 AaO Bl. 11r. 145 AaO Bl. 19r–19v. 146 AaO Bl. 25r. Am 4. Dezember 1792 prüfte Hermes den Kandidaten Johann Leberecht Hildesheim, der auf alle Fragen eine zufriedenstellende Antwort gegeben hatte. AaO Bl. 31r. Hecker hatte wegen Unpäßlichkeit nicht tentieren können. Am 28. April 1793 wurde Friedrich Wilhelm Theodor Hering geprüft. Im Gegensatz zum Lateinischen und Hebräischen war das Griechische ziemlich gut. In der Dogmatik vertrat er keine neuen Meinungen. AaO Bl. 82r–82v. Johann Friedrich Vahrenkampf unterzog sich am 24. Mai 1793 dem Tentamen. Hecker befand dessen theologische Kenntnisse für mittelmäßig, dessen Gesinnungen jedoch hatten Heckers „ganzen Beifall“. AaO Bl. 95r–95v. 147 AaO Bl. 51r–51v. Einen ähnlichen Eindruck hinterließ Immanuel Gottlieb Wilhelm Mund, der – laut Protokoll vom 30. Dezember 1792 – über das Französische, Englische und Italienische zwar das Hebräische vernachlässigt hatte, jedoch den griechischen Text ohne Mühe erklären und sich im Lateinischen notdürftig ausdrücken konnte. Er schien in der Theologie die „Neuerungen“ der Zeit zu „verabscheuen“ und hatte die Fragen über die Erbsünde,

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Anfang 1793 sollten auch die Provinzialkommissionen in die Prüfungen der zu Feldpredigern bestimmten Kandidaten einbezogen werden. Am 7. Januar 1793 schrieb der Feldpropst Kletschke an die Immediat-Examinationskommission, weil er nun zur Armee aufbrechen mußte148. Kletschke schlug vor, falls während seiner Abwesenheit Prüfungen und Ordinationen der zu Feldpredigerstellen in Schlesien, Pommern und Ostpreußen bestimmten Kandidaten anfallen sollten, die Kandidaten in denjenigen Provinzen, in denen sie angestellt werden würden, prüfen und von einem in einer näheren Garnison befindlichen Feldprediger ordinieren zu lassen, weil der Hauptzweck einer Reise nach Berlin – nämlich daß Kletschke die Kandidaten persönlich kennenlernte – entfallen müsse. Die Immediat-Examinationskommission möge daher veranlassen, daß die Kandidaten, nachdem Kletschke sie präsentiert hätte, zur Ersparung der Kosten von den in den erwähnten Provinzen angeordneten Geistlichen Examinationskommissionen geprüft werden könnten. Im Januar 1793 antwortete die Immediat-Examinationskommission149. Da sich durch eine kurzfristige Abwesenheit Woellners die förmliche Einrichtung der Provinzial-Examinationskommissionen verschoben hatte und diese Kommissionen erst nach Woellners Rückkehr in Tätigkeit gesetzt werden könnten, werde die Immediat-Examinationskommission wegen der interimistischen Besorgung der Tentamina und der Zeugnisse der zu Feldpredigern bestimmten Kandidaten die Konsistorien der Provinzen bemühen. Kletschke sollte daher die jeweils zu ordinierenden Kandidaten in dieser Weise instruieren und sie zum Tentamen an das Konsistorium ihrer Provinz verweisen. Nachdem die Provinzialkommissionen dann vollständig eingerichtet worden waren, fragten unter dem 22. Februar 1793 Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker, ob sie diese Kommissionen nach der Instruktion der ImmediatExaminationskommission zu diesen Prüfungen anweisen sollten150. Unter dem 26. Februar antwortete Woellner in einem Reskript, daß die Immediat-Examinationskommission während der Abwesenheit Kletschkes aus Potsdam den Provinzialkommissionen die Prüfung der Feldprediger auftragen solle151. Wenn es in besonderen Fällen wegen der politischen Zeitläufte eilte, handelte die Geistliche Immediat-Examinationskommission rasch. Unter dem 1. Juli 1793 präsentierte Kletschke, der sich gerade im Feldlager vor Mainz befand, den zum Feldprediger bei den leichten Truppen am Rhein bestimmten Kan-

die gänzliche Untüchtigkeit des Menschen sowie die Notwendigkeit der Erlösung Christi zur Zufriedenheit beantwortet. AaO Bl. 58r. 148 AaO Bl. 64r. 149 AaO Bl. 65r [Konzept]. 150 AaO Bl. 73r–73v [Konzept]. 151 AaO Bl. 74r.

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didaten Georg Valentin Wilberg152. Er bat, Wilberg baldmöglichst zu prüfen, da dessen Anstellung überaus dringend sei. Am 13. Juli überbrachte Wilberg dieses Schreiben. Da er bereits ein Jahr zuvor von der Immediat-Examinationskommission examiniert und mit einem guten Zeugnis versehen worden war, schlug Hermes an demselben Tag vor, ihn ohne anderweitiges Examen sogleich zu entlassen153. Woltersdorff und Hecker stimmten zu154. Auch bei Johann Samuel Fürchtegott Hartwich drängte die Zeit. Am 2. April 1794 schrieb der Inspektor Schulze aus Spandau an die Immediat-Examinationskommission155. Prinz Heinrich hatte Hartwich die Feldpredigerstelle beim Prinz Heinrichschen Regiment konferiert. Der Kommandeur des Regiments hatte darauf gedrungen, daß sich Hartwich schnellstmöglich einstellen möge, da das Regiment bereits seit Mitte November keinen Feldprediger sein Eigen hatte nennen können und sich wegen der Betreuung seiner zahlreichen Kranken mit anderen Feldpredigern hatte behelfen müssen. Nun sollte das Regiment aufbrechen und bedurfte eines eigenen Feldpredigers. Weil Hartwichs Tentamen noch ganz frisch war, bat Schulze, ihn von dem nochmaligen Tentamen zu dispensieren. Unter dem 4. April 1794 überreichte die Immediat-Examinationskommission dem Inspektor Schulze in Spandau das Testimonium für Hartwich156. Schulze sollte aber noch, bevor er ihm das Zeugnis aushändigen würde, ein schriftliches Glaubensbekenntnis sowie einen schriftlichen Lebenslauf in lateinischer Sprache einfordern. Unter dem 15. April 1794 meldete Schulze, daß Hartwich am 12. April die beiden Schriftstücke eingereicht hatte und er ihm dann das Testimonium der Immediat-Examinationskommission gegeben hatte, damit er es an den Feldpropst weiterleite157. Bereits am 14. April war Hartwich zur Armee gegangen158. 152

AaO Bl. 96r. AaO Bl. 97r. 154 Ebd. Am 12. Juli 1793 wurde Johann Georg Wilhelm Prahmer geprüft. Er zeigte, wie Hecker befand, vorzügliche Sprachkenntnisse sowie auch „richtige und schriftmäßige Sachkenntnisse“. AaO Bl. 95r–95v. 155 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 18, Bl. 7r–7v. 156 AaO Bl. 10r [Konzept]. 157 AaO Bl. 14r. 158 Am 2. Juni 1797 wurde der erst 1768 geborene und für eine Feldpredigerstelle in Oberschlesien bestimmte Kandidat Johann August Worbs von Hermes geprüft. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 20, Bl. 1r–1v. Da der Kandidat bereits in der folgenden Woche abreisen mußte und die anderen Mitglieder der Immediat-Examinationskommission, da sie wegen der nahen Festarbeiten mit Aufgaben ausgelastet waren, Hermes die nähere Prüfung von Worb, den sie noch von der im vergangenen Monat mit ihm abgehaltenen Prüfung pro licentia concionandi kannten, überlassen hatten, hatte sich Hermes mit Worbs sehr ausführlich über den am Sonntag Trinitatis zu erklärenden Text Joh 3,1–15 unterredet. Er hatte ihn nicht nur über die „Hauptwahrheiten der Heilsordnung“ genau geprüft, sondern auch alle Mühe angewendet, um Worbs diese Wahrheiten im Herzen derart nahezulegen, daß sie ihm bei einem so frühen und unerwarteten Ruf zum Predigtamt – besonders bei einer Soldaten153

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Ihrer Instruktion gemäß gewährte die Immediat-Examinationskommission durchaus Ausnahmen159. Am 20. Juli 1793 erlaubte sie dem Generalsuperintendenten Johann Christian Jani in Stendal160, die Prüfung des zum Feldgemeinde und in einer Stadt, in der eigentlich keine lutherischen Gottesdienste gehalten wurden – zur „Hauptmaterie“ (aaO Bl. 1r) seiner Kanzelvorträge würden. Seine Kenntnisse seien zwar nur mittelmäßig, jedoch sei er „nicht für die Neuerungen in der Religionstheorie eingenommen“. Er werde, auch noch „unausgebildet“, gewiß viele der gegenwärtigen Feldprediger übertreffen. Wenigstens habe er die Mahnungen von Hermes „mit vieler Rührung“ aufgenommen. AaO Bl. 1v. 159 Am 1. März 1797 erschien Rudolph Richard zur Prüfung bei Hermes, der ihn insbesondere über die Kindergeschichte Jesu prüfte. Seine Sprachkenntnisse seien besser als bei manchen anderen. Zwei Tage später notierte Hecker, daß Richard durch ein Mißverständnis den Termin versäumt hatte, den er für seine eigene Prüfung von Richard angesetzt hatte. Er trete daher der Meinung von Hermes bei, wenn Woltersdorff keine weiteren Bedenken finde. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 19, Bl. 125r–125v. Woltersdorff bemerkte, daß Richard im Griechischen gut sei und sich im Hebräischen helfen könne. AaO Bl. 125v. 160 Am 20. Januar 1795 versicherte Johann Christian Jani aus Stendal dem König, daß der königlichen Verordnung gemäß jedem dort zu ordinierenden Kandidaten der vorgeschriebene Revers vorgelegt werde, um ihn „wohlbedächtlich“ zu unterschreiben. Bei vier Kandidaten, die zuletzt ordiniert worden waren, war man in dieser Weise verfahren. Da Jani geglaubt hatte, diese unterschriebenen Reverse nur halbjährlich übersenden zu müssen, dann aber erfahren hatte, daß er sie jeweils sogleich übersenden müsse, schickte er nun die vier Reverse. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 94r. Im Sommer 1790 hatte Silberschlag den unbekannten ostfriesischen Pfarrer Jani aus Funnix für das Amt des Generalsuperintendenten in der Altmark und der Prignitz vorgeschlagen. Am 22. Juli hatte Woellner dem König geschrieben und mitgeteilt, daß der Generalsuperintendent von der Altmark und Prignitz – der Halbbruder des Oberkonsistorialrats Silberschlag – gestorben sei. Woellner wünschte „so sehr diesen wichtigen Posten, wiederum mit einem geschickten und orthodoxen Mann zu besetzen“. Daher hatte er Silberschlag gebeten, für seinen verstorbenen Bruder einen Nachfolger zu nennen, „den er genau kenne und für den er einstehen müste“. Silberschlag hatte Jani empfohlen. Weil Woellner allen übrigen Empfehlungen ausweichen wollte, bat er den König, eine von ihm konzipierte Kabinettsordre erteilen zu lassen. In dieser Ordre hatte Woellner dem König in den Mund gelegt, daß „Ich sicher bin, daß selbiger kein so genannter Aufklärer ist“. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 244 C, Bl. 17r. Friedrich Wilhelm II. erließ die Kabinettsordre unter dem 25. Juli 1790. Am letzten Januartag 1791 dankte Jani, der sich selbst einen „Mangel hervorglänzender Talente“ attestierte, dem König erstaunt für die Erhebung. Jani versprach, nach besten Kräften das königliche Vertrauen zu erfüllen zu suchen und von „der im Worte Gottes gegründeten reinen Lehre der Protestantisch Lutherischen Kirche“ nicht abzuweichen. AaO Bl. 18r–19r, hier 18v. Mit dem verstorbenen Halbbruder des Oberkonsistorialrats Silberschlag war Woellner zufrieden gewesen. Am 21. Juli 1788 hatte der Generalsuperintendent der Altmark und Prignitz Georg Christoph Silberschlag an Woellner geschrieben und das Religionsedikt gelobt. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 29, Bl. 50r–50v. Vgl. auch Philippson, Geschichte, Bd. 1, 342 und Schwartz, Der erste Kulturkampf, 325 Anm. 1, die jedoch diese Quelle nicht eingesehen haben. Unter dem 3. Juli 1793 war der Pastor Hindenburg bei der Marienkirche in Stendal durch ein Reskript auf Janis Wunsch der Geistlichen Provinzial-Examinationskommission als zusätzliche Hilfe zugeordnet worden. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 6, Bl. 4r. Am 11. Juli dankte Hindenburg dem König für die Ernennung. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-

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prediger bestimmten Kandidaten Karl Sigismund Kober zu übernehmen und die Akten dieser Prüfung dann an die Kommission einzusenden161. Am 15. August 1793 berichtete Jani der Immediat-Examinationskommission von der Prüfung Kobers162. Kober hatte seinen Lebenslauf 163, sein Glaubensbekenntnis164 und eine Predigt über 2 Kor 5,19165 schriftlich aufsetzen müssen. Da die dortige Provinzialkommission erst am vorangegangenen Abend ihre Instruktion erhalten hatte und auf eine Prüfung noch nicht vorbereitet war, hatte Jani am 15. August alleine die mündliche Prüfung mit Kober abgehalten, deren Gegenstände aus Kobers Glaubensbekenntnis genommen wurden. Er unterredete sich mit ihm über „den richtigen Begrif der Inspiration“166. Dann sprachen sie über die oboedientia activa und passiva Christi „als den verdienstlichen Grund unserer Begnadigung und Seligkeit“167. Zuletzt handelten sie von der Lehre vom natürlichen Verderben168. Im Ganzen sei der Kandidat mit guten Fähigkeiten begabt169. Nur habe ihm seine Lage als Hofmeister eines Hauses, in dem viele Zerstreuungen gelockt hatten, nicht erlaubt, sich dem eigenen Studieren in einer Weise zu widmen, die wünschenswert gewesen wäre. Am 21. August 1793 konzipierte Hillmer das Testimonium170. Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Konzept]. Am 8. August folgte Hindenburgs Dank an die Examinationskommission. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 6, Bl. 10r. Jedoch die Einrichtung der Provinzialkommission in Stendal bereitete Schwierigkeiten. In der Konferenz der Immediat-Examinationskommission vom 9. April 1794 wurde beschlossen, daß nach der erfolgreichen Einrichtung der Provinzialkommissionen in allen königlichen Ländern nun auch die noch fehlende Kommission zu Stendal eingerichtet werden solle. Die anderen Kommissionen hatten ihren Sitz in Königsberg, Marienwerder, Stettin, Küstrin, Magdeburg, Halberstadt, Minden, Frömern, Soest, Wesel und Aurich. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 65r–66r, hier 66r. Zu den Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen vgl. Kapitel H. 161 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 17, Bl. 108r [Konzept]. Kober, der in Stendal als Hauslehrer wirkte, hatte diese Regelung erbeten, um die Kosten der Reise und des Aufenthalts zu sparen. Er hatte sich nach Berlin begeben und dort in Erfahrung gebracht, daß zwar die ihm angetragene Feldpredigerstelle besetzt werden, jedoch dazu ein neuer Etat bestimmt werden müsse, den das Oberkriegskollegium nicht ohne die Einwilligung des Königs festsetzen dürfe. Das verzögerte die Angelegenheit nun um mehrere Wochen, und diese ganze Zeit über in Berlin zu bleiben, um sich dann der Immediat-Examinationskommission zur Prüfung zu stellen, war für Kober zu kostspielig. AaO Bl. 106r–107r. 162 AaO Bl. 114r–114v. 163 Der Lebenslauf findet sich aaO Bl. 116r–116v und 123r–123v. 164 Die lateinisch abgefaßte „Confessio fidei meae“ findet sich aaO Bl. 115r–115v und 124r–124v. 165 Die Predigt findet sich aaO Bl. 117r–122v. 166 AaO Bl. 114r. 167 Ebd. 168 Ebd. 169 AaO Bl. 114v. 170 AaO Bl. 125r. Am 22. November 1793 prüfte Hecker den Kandidaten Johann Gottfried Geissler pro Ministerio. Hecker prüfte über Tit 2,11–14, Röm 2,6–9, 2 Kor 5,21 und Gal

II. Die Feldprediger

287

Die Immediat-Examinationskommission suchte sich bei den Prüfungen zu versichern, daß die Kandidaten nicht der Neologie anhingen. Am 9. Januar 1794 unterzog sich Friedrich Heinrich Ferdinand Agricola bei Hecker dem Tentamen, in dem er über Mk 9,22 befragt wurde171. Zwar äußerte Agricola manches, das nicht mit den Aussprüchen der Bibel übereinstimmte, er war aber „von Herzen bereit“, es zurückzunehmen, als er eines Besseren belehrt wurde. Woltersdorff hielt fest, daß man ihn ermahnen müsse, sich „vor Neologie zu hüten“. „Sonst scheint sein Gemüth nicht böse, zu sein.“172 Den Kandidaten Daniel Gottlieb Pfützenreuter prüfte Hermes am 10. Juni 1795 über die Lehre vom freien Willen, soweit sie die Lehre von der Bekehrung betreffe173. Er scheine der „neologie“ entsagt zu haben. Am 26. Juni 1795 erschienen die Kandidaten Johann Christophorus Meyer und August Christian Wilhelm Grunow, um von Hecker geprüft zu werden174. Hecker sprach mit ihnen – größtenteils in lateinischer Sprache – über „mehrere Grund-Wahrheiten der christlichen Religion“ und über die Treue, die ein evangelischer Prediger nach der Vorschrift des Paulus in 1 Kor 4,2 bei seiner Amtsführung zu beweisen habe. Gegen ihrer beider „Orthodoxie“ konnte Hecker nichts einwenden. Meyer sei, befand Woltersdorff, sowohl in der Theologie als auch in den Sprachen „gut fundirt und wenn er, wie ich hoffe, aus Uberzeugung [sic]

6,6–8 und stellte gute Kenntnisse fest. Das Hebräische hatte sich Geissler, hielt Woltersdorff fest, verbeten. AaO Bl. 128r. 171 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 18, Bl. 1r. 172 Ebd. Agricolas Glaubensbekenntnis hatte gelautet: „Credo in Deum, ens perfectissimum, creatorem, gubernatorem et conservatorem totius universi, qui omnia fata nostra regit et ad bonum finem dirigit. Credo in Jesum Christum, unigenitum Dei filium, humili natum statu; nullis molestiis et cruciatibus devictum, quin nobis ipsa morte salutem aeternam pararet; a nobis venerandum, quomodo Paulus in Epist: ad Hebraeos, Cap. I, v. 1–6. et in Epist. ad Philipp. Cap. II, v. 6–11. latius eum describit. Credo etiam in Spiritum Sanctum, nos vocantem, illuminantem, regenerantem atque in gratia conservantem; sicque nos mediis gratiae pie utentes, ad beatitudinem aeternam ducentem[.] Haec fides Christianorum ex Scriptura Sacra, diuinitus tradita, hauritur.“ AaO Bl. 2r. Am 1. Mai 1794 erschien Johann Gustav Anastasius Uhden, um sich von Hecker prüfen zu lassen. Es galt, 2 Tim 3,14–17 zu übersetzen und auszulegen. Uhden äußerte „keine schriftwidrigen Meinungen“. Heftige Kopfschmerzen plagten Hecker, so daß er die Prüfung bald abbrach und es seinen Kollegen überließ, sich eine genauere Kenntnis von diesem Kandidaten zu verschaffen. Hermes examinierte Uhden über die Gnadenordnung. Der Kandidat kannte sich vorzüglich gut in der Bibel aus und hatte sich auch in den Sprachen geübt. AaO Bl. 19r–19v. Am 15. Mai 1795 wurde der Kandidat Karl Friedrich Janisch pro Ministerio geprüft. Hecker befragte ihn über die Lehre von der stellvertretenden Genugtuung Christi. Janisch äußerte sich, bemerkte Hecker, „richtig und schriftmäßig“. Überdies zeichneten ihn ganz außergewöhnlich gute Sprachkenntnisse aus. AaO Bl. 44r–44v. 173 AaO Bl. 27r. 174 AaO Bl. 54r.

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

spricht, kein Neologe“175. Am 27. Juni 1795 erhielten die beiden von Hermes das Testimonium176. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission urteilte weniger streng als der Feldpropst selbst. Am 31. Juli 1795 erschien Ernst Conrad Schlies zur Prüfung177. Kletschke hatte ihm aufgegeben, eine leserlich geschriebene Predigt über den Predigttext des nächstfolgenden Sonntags an die ImmediatExaminationskommission zu schicken178. Bei der mündlichen Prüfung hatte Hecker ihn sowohl in den Sprachen als auch in der Theologie „sehr versaeumet“179 gefunden. Mit der Bibel war er ganz unbekannt. Hecker hätte Bedenken, ihm das Testimonium zu erteilen, wenn er nicht hoffte, daß Schlies die Versicherungen, das Versäumte mit dem größten Eifer nachzuholen, realisieren würde. Überdies hatte der aus Schlesien angereiste Schlies einen Weg von 84 Meilen und insgesamt Kosten von 300 Reichstalern auf sich genommen. Hecker zweifelte jedoch, daß ihn der Feldpropst annehmen werde, da er weder im Lateinischen noch im Griechischen oder Hebräischen Kenntnisse gezeigt hatte und „seine Begriffe ueberhaupt so unbestimmt und unvollständig“ waren, daß man nicht wissen könne, was er lehren werde180. Woltersdorff meinte, daß Schlies zwar in allem sehr zurück sei, jedoch nicht unfähig, etwas zu lernen. Ihm gefiel dessen „Aufrichtigkeit“181, mit der Schlies alles so sagte, wie es ihm „ums Hertze“ war. Hecker aber sollte mit seiner Einschätzung Recht behalten. Hillmer notierte später, daß Kletschke Schlies abgewiesen hatte182. 175

Ebd. AaO Bl. 55r. Der Kandidat Joachim Christian Gass zeigte am 24. Juli 1795 in mehreren „Hauptlehren des Christenthums“ „gute und richtige“ Kenntnisse. Im Hebräischen hatte er nichts geleistet, versprach jedoch, das Versäumte nachzuholen; in der griechischen Sprache waren die Kenntnisse ausreichend. „Vorzüglich aber hat mir seine Gesinnung gefallen, und ich habe in Ansehung Seiner die angenehme Hoffnung, daß er ein geseegnetes Werkzeug in der Hand des Herrn zum Heyl der ihm anvertrauten Seelen werden werde.“ Woltersdorff bemerkte, daß Gass „in der Lehre orthodox“ sei, sich jedoch besser in der Bibel auskennen solle. AaO Bl. 70r. 177 AaO Bl. 78r–78v. 178 AaO Bl. 68r. 179 AaO Bl. 78r. 180 Ebd. 181 AaO Bl. 78v. 182 Ebd. Am 29. April 1796 fand Hermes bei Johann Friedericus Sommerburg gute Sprachkenntnisse. Eine nähere Anweisung vom Glauben an Jesus Christus nahm er „mit wahrer Rührung des Herzens“ an und versprach, nach dieser Anweisung zu lehren. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 19, Bl. 36r–36v. Am 2. Mai 1796 rief Hermes erfreut über den Kandidaten Johann Gottfried Bobertag aus: „Ein vorzüglich geschickter Mensch!“ Er sei in der „Hauptlehre ganz falsch unterwiesen“ worden, aber Hermes meinte, ihn nun von der „Wahrheit“ überzeugt zu haben. Dies habe Bobertag unzweideutig gesagt. Er hatte sich dann verpflichtet, seiner neuen Überzeugung zu folgen. Woltersdorff hatte Bobertag über Christologie examiniert und ihn, formulierte er vorsichtig, „wenn er so glaubt wie er sagt, orthodox gefunden“. AaO Bl. 40r. 176

II. Die Feldprediger

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Bei der mündlichen Prüfung von Johann Wilhelm Schmieding am 4. August 1795 wählte Hecker als Gegenstand die Lehre von den „Gnaden-Wohlthaten“ des Heiligen Geistes183. Schmiedings Antworten waren, befand Hecker, größtenteils „richtig und Schriftmäßig“, obgleich er mit der Bibel nicht ausreichend bekannt war. Im Lateinischen und Hebräischen war er „sehr versaeumet“. Woltersdorff konkretisierte eindeutig, daß der Kandidat im Hebräischen gar nichts geleistet habe184. Am 22. September 1795 urteilte Woltersdorff, daß die Predigt185 des Kandidaten Friedrich Wilhelm Ulrich zwar nicht orthodox gewesen sei, aber dies sei mehr aus Unbedachtsamkeit denn aus bösem Vorsatz geschehen186. Die Sprachkenntnisse waren mittelmäßig, im Katechisieren jedoch zeigte sich der Kandidat sehr gut. Hecker bemerkte am 23. September, daß Ulrich im Lateinischen und Griechischen eine größere Fertigkeit habe als die meisten anderen

Georg Christophorus Wilhelm Seiler wurde von Hecker am 6. Juni 1796 examiniert. Hekker wählte als Gegenstand der Prüfung „einige Grund-Wahrheiten“ der christlichen Religion mit Bezug auf das „Religions-Edict“. Seiler wußte diese Grundwahrheiten anzugeben und übersetzte deren biblische Beweisstellen recht gut. Überhaupt zeigte er eine bessere Kenntnis der Bibel als die meisten anderen Kandidaten. An demselben Tag, nachmittags von vier bis sechs Uhr, hatte Hermes den Kandidaten über die Lehre vom Eid und andere bei der Führung eines Feldpredigeramts besonders nötige „Wahrheiten“ geprüft. AaO Bl. 51r. Am 21. Oktober 1796 erschien August Heinrich Bretschneider bei Hecker. Nach Apg 20,28 wählte Hecker zum Gegenstand der Prüfung die Materie von der Wichtigkeit des Predigtamtes und fand nichts, was Bretschneider „der Heterodoxie verdächtig“ machen konnte. Woltersdorff bemerkte, daß er sich in der Lehre von der Versöhnung sehr gut gezeigt habe, daß ihm aber das Hebräische ganz fremd war. Am darauffolgenden Tag stellte Hermes ihm die Frage, ob eine Bekehrung auf dem Totenbett möglich und wie sie zu bewirken sei. Dabei habe Bretschneider sehr gute Bibelkenntnisse gezeigt. AaO Bl. 70r. Karl Samuel Theodor Lehmann stellte sich bei Hermes am 7. November 1796 zur Prüfung ein. AaO Bl. 83r. Es zeigte sich, daß er ehemals in den Sprachen „ziemlich kundig“ gewesen war. Hinsichtlich der dogmatischen Kenntnisse urteilte Hermes, „er sey bey der Wahrheit geblieben“. Am darauffolgenden Tag stellte Hecker fest, daß Lehmann eine recht gute Bibelkenntnis habe. AaO Bl. 84r. Fünf Tage später erschien Johann Jakob Hahne bei Hermes zum Examen. Hermes prüfte ihn über den Gang der Vorstellungen, die man gegen „Freygeister und Religionsspötter“ brauchen könne. Seine dogmatischen Kenntnisse seien gut, auch sei er in den Sprachen etwas besser als viele andere. Nur das Hebräische habe er vernachlässigt. Hecker unterredete sich mit ihm am 16. November insbesondere über die Lehre von der Gottheit Christi. AaO Bl. 102r. 183 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 18, Bl. 94r. 184 Ebd. 185 AaO Bl. 109r–116v. Als Predigttext diente Mk 16,14–20. In der Predigt wollte Ulrich zeigen, wie tröstlich es für die Christen sei, daß sie Christus in seinem Zustand nach dem Tod ähnlich werden sollten. Ulrich zeigte dies in zwei Teilen. Erstens explizierte er, daß, so wie Christus gen Himmel aufgefahren sei, auch die Gläubigen „eine ewige Fortdauer“ zu erwarten hätten, und zweitens, daß, so wie Christus zur rechten Hand Gottes sitze, auch die Gläubigen aus einer unvollkommenen Welt in eine bessere übergehen würden. 186 AaO Bl. 107r.

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

Kandidaten187. Auch Hermes hatte am 23. September bei der Prüfung Ulrichs über das Ebenbild Gottes, das natürliche Verderben und die Bekehrung einen guten Eindruck vom Kandidaten erhalten188. Am 22. Oktober 1795 nahm Hermes mit Andreas Carius die Lehre von der Gnadenordnung durch189. Der Wissensstand war gering. Hecker befürchtete am 23. Oktober, daß Carius – wie sein Vorgänger – beim Examen von Kletschke durchfallen werde190. Woltersdorff bemerkte, daß die Kenntnisse von Carius zwar sehr unvollkommen seien und auch das Hebräische gänzlich fehle, jedoch in der Lehre sei er „nicht neumodisch“191. In einem einzigen Fall verweigerte die Geistliche Immediat-Examinationskommission einem Prüfling das Testimonium. Am 26. März 1797 wurde Gotthilf Heinrich Schoenberg von Hecker geprüft192, der mit ihm über „die Person und das Werk Jesu“ sprach und „ueberaus seichte theologische Kenntnisse“ sowie eine völlige Unkenntnis der Bibel feststellte. „Er scheint ueberhaupt ein unwissender Mensch zu seyn.“193 Das Lateinische verbat Schoenberg sich ganz. Er wagte auch nicht, seinen Lebenslauf und sein Glaubensbekenntnis in lateinischer Sprache aufzusetzen, obwohl Hecker ihm erlaubt hatte, die Texte in seinem Logis schreiben zu dürfen, und ihm 24 Stunden für die Bearbeitung gewährt hatte. Weil Hecker wegen anderer Amtsarbeiten nur eine kurze Prüfung abhalten konnte, wollte er sich dem Urteil seiner Kollegen anschließen. Am 27. März bemerkte Hermes, daß er keine einzige zusammenhängende Unterredung über irgendeine Materie mit Schoenberg habe führen können. „So ganz unwißend habe ich wenig gefunden.“194 Er hatte weder Sprach- noch Bibelkenntnisse195. Dem Kandidaten solle mitgeteilt werden, daß ihm am Nachmittag des folgenden Tages – denn an jenem Tag kam die Immediat-Examinationskommission zusammen196 – das 187

Ebd. Ebd. 189 AaO Bl. 124r–124v. 190 AaO Bl. 124v. 191 Ebd. Christian Gotthilff Schulze glänzte am 13. April 1796 bei Hermes durch sehr gute Sprachkenntnisse und – soweit er die Bibel kannte – „richtige Religionsbegriffe“. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 19, Bl. 15r. 192 AaO Bl. 137r–137v. 193 AaO Bl. 137r. 194 Ebd. 195 Ebd. 196 Schoenberg hatte in der Prüfung bei Hermes gesagt, daß Jesus die Pflichten gelehrt habe, deren Befolgung dem Menschen würdig sei. Auf die Aufforderung jedoch, diese Pflichten zu nennen, wußte er nichts zu sagen. Und als Hermes ihm durch die Anführung bekannter Bibelstellen, zum Beispiel Joh 3,14 ff, helfen wollte, waren ihm diese Stelle und auch alle übrigen, etwa Mk 16,15 f, ganz fremd. Hermes fragte weiter, ob Jesus sonst nichts als nur Pflichten gelehrt habe. Schoenberg wußte darauf gar nichts anzuführen und wollte schließlich mit der Stelle Hebr 11,6, deren Anfangsworte er kannte und die er für eine Rede Christi 188

II. Die Feldprediger

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Übrige in sein Logis „Zum fliegenden Roß“ zugeschickt werden werde197. Auch Woltersdorff konnte am 28. März nur Unwissenheit konstatieren198. An demselben Tag schließlich beschied die Kommission Kletschke, daß sie Schoenberg, den sie „in aller Betrachtung unwissend und unfähig“ gefunden habe, das Zeugnis versagen müsse199. Bis in die letzten Monate ihrer Existenz achtete die Kommission auf die Orthodoxie der Prüflinge200. Am 23. Juni 1797 sprach Hecker mit dem Kandidaten August Heinrich Lütger über die Lehre von der Rechtfertigung und Heiligung und ließ ihn die wichtigsten Beweisstellen dieser Lehre übersetzen201. Mit dem Griechischen konnte Hecker zufrieden sein. Lütgers Bibelkenntnis freilich war nicht besser als die der meisten anderen Kandidaten. Die mündliche Prüfung verlief in lateinischer Sprache, in der sich Lütger ziemlich fehlerfrei auszudrücken wußte. Jedoch das Hebräische war ihm, notierte Woltersdorff, fremd202. Hermes befand, daß der Kandidat in der Bibelkenntnis „sehr zurük“ und „überhaupt schwach“ sei; doch habe er ihn in dem Gespräch über Joh 3,1–14 „in thesi richtig und von den Neuerungen unangestekt“ gefunden203. hielt, antworten. Er wußte nichts vom Fall der Menschen, nichts von der Sintflut, nichts vom Untergang der Ägypter im Roten Meer. Auf die Frage nach der Gnadenordnung konnte er überhaupt nichts antworten. Alles, was er nach und nach hervorbrachte, war die apodiktische Aussage, daß der Mensch sich bessern müsse. Jedoch wie dies geschehen solle, konnte er nicht sagen. AaO Bl. 146r. 197 AaO Bl. 137v. 198 Ebd. 199 AaO Bl. 153r [Konzept]. Dieses Konzept hatte Hillmer verfaßt. Unter dem 29. März 1797 wurde dies auch dem König angezeigt. AaO Bl. 154r [Konzept]. 200 Am 17. Juni 1797 wurde Carolus Heinrich Krause von Hermes geprüft. Hermes sprach mit ihm besonders über die Lehre vom Eid. Er sei in dogmatischen Fragen nicht unwissend, aber mit der Bibel sei er nicht hinlänglich bekannt. Im Lateinischen und Griechischen hatte er bestanden, im Hebräischen jedoch hatten sich große Wissenslücken aufgetan. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 20, Bl. 7r. 201 AaO Bl. 11r. 202 Ebd. 203 Am 18. August 1797 prüfte Hermes den Kandidaten Carl Friedrich Koehler. AaO Bl. 19r. In der Unterredung über die Erbsünde zeigte er zwar nur mittelmäßige Sprachkenntnisse, aber mit den „Heilswahrheiten“ und mit der Bibel war er um so besser bekannt. Woltersdorff stimmte zu, obwohl ihm die Predigt „nicht sonderlich behaget“. Am 28. August 1797 wurde der bisherige Subrektor Friedrich Christian Rudolph Hartog von Hermes über die Trinitätslehre, die Lehre vom menschlichen Verderben und die Lehre von der Gnadenordnung geprüft. AaO Bl. 22r. Hartogs Sprach- und Bibelkenntnisse waren mittelmäßig, und Hermes resümierte: „Aber, da seine Gesinnung gut zu seyn scheint, er auch keine Irthümer wißentlich behauptet, und die ihm vorgelegte Wahrheit nicht ohne Rührung aufnimt, auch (wie es scheint) redlich verspricht die Bibel zu seinem Hauptstudio zu machen: so habe ich Hoffnung von ihm“. Woltersdorff lobte, daß die Predigt ordentlich disponiert sei. Im Griechischen war er gut, im Hebräischen jedoch schlecht. AaO Bl. 22v. Am 20. Dezember 1797 unterredete sich Hecker mit dem Kandidaten Christian Matthias Conrad Rücker über die Erfordernisse eines christlichen Religionslehrers und über einige Hauptlehren des Christentums. AaO Bl. 43r–43v. Rücker zeigte derart gute Kenntnisse, daß Hecker ihm

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

III. Woellners zunehmende Entmachtung Im Frühjahr 1794 forderte der König genaueren Aufschluß über das Religionswesen und verlangte am 17. März von Hermes einen Bericht über den bisherigen Gang der Geschäfte der Geistlichen Immediat-Examinationskommission bei der Besetzung der Predigerstellen und über den gegenwärtigen Zustand des Universitäts-, Schul- und Kirchenwesens. Hermann Daniel Hermes antwortete umgehend am nächsten Tag204 und dankte dem König überschwenglich für den Auftrag, der von einer derartig großen königlichen Gnade zeuge, „daß ich nicht Worte finden kann, meine Dankbegierde für ein so unverdientes Allergnädigstes Zutrauen gehörig zu zeigen“205. Je weniger Erfolg er hatte, um so schmeichlerischer gerierte sich Hermes. Den dreieinhalbseitigen, von ihm selbst, Hillmer und Woltersdorff unterzeichneten Bericht206 legte er „in die treuen Hände eines Monarchen, der nächst dem Herrn der Kirche, die Hofnung seiner Knechte ist“207. Verhalten zogen die drei in vier Punkten Bilanz: Zwar hatten sie schon vor etlicher Zeit eine Liste „geschikter und frommer Candidaten und Prediger, so weit wir solche bisher kennen lernen konnten“208, erstellt und besonders für vakante Inspektorposten und andere wichtige Stellen solche Prediger „dringend empfohlen“, jedoch wurden alle diese Stellen bislang ausschließlich an Feldprediger vergeben, so daß sich „das Unwesen der Neologie“ immer weiter ausgebreitet habe und nun „beinahe ganz überhand nimmt“209. Auch die Ausbildung der Studenten der Theologie sowie das Journal- und Buchwesen entsprachen keineswegs den Vorstellungen der Geistlichen Examinationskommission: Zwar waren, führte sie im zweiten Punkt aus, die Professoren angewiesen, „nach einem bestimmten, und noch zu den besten itzt existirenden Lehrbüchern gehörigem Compendio“210 zu unterrichten, sie fuhren jedoch unbekümmert fort, „die Hauptlehren der Christlichen Religion entweder obenhin, oder nach dem izt herrschenden Ton, mit unverantwortlicher Verdrehung der heiligen „mit Vergnügen“ seine Stimme gab. Woltersdorff notierte, daß Rückers Predigt textgemäß und erbaulich sei. Im Griechischen und Hebräischen sei er recht gut, und „seine Gesinnung macht Hoffnung“. AaO Bl. 43r. Am 21. Juli prüfte ihn Hermes über Lk 15. AaO Bl. 43r–43v. Rücker habe sehr richtige Begriffe von der Begnadigung als dem einzigen Weg zur Heiligung. 204 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 31r. Auch Hecker unterschrieb Hermes’ Brief, der im übrigen seinen ersten Vornamen „Herrman“ buchstabierte. 205 Ebd. 206 AaO Bl. 32r–33v. 207 AaO Bl. 31r. 208 AaO Bl. 32r. 209 Ebd. Vielsagend setzten sie hinzu: „Wir dürften uns wol nicht unterstehen, Ew. Majestät mit einer detaillirten Ausführung dieser Anzeige zu behelligen.“ 210 Ebd.

III. Woellners zunehmende Entmachtung

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Schrift vorzutragen“211. Resigniert stellten Hermes, Hillmer und Woltersdorff fest: „Daher auch die Zügellosigkeit und Irreligiosität der Studirenden immer weiter geht.“212 Hinzu komme, daß die „Frechheit“ der Verfasser der Journale – namentlich der „Allgemeine[n] Deutsche[n] Bibliothek“, der „Jenaische[n] Allgemeine[n] Litteraturzeitung“ und der „Gothaische[n] Gelehrte[n] Zeitung“ – „alle Gräntzen überschreitet“213. Selbst die Zensurgesetze hielten die Buchhändler nicht davon ab, Schriften zu verbreiten, „wie sie kaum jemals in dem unglüklichen Frankreich zur Vorbereitung des itzigen Unwesens ins Publicum gebracht wurden“214. Im dritten Punkt wandte sich die Kommission dem Schulwesen zu: Die preußischen Schulen befänden sich noch immer in demselben „Verfall“, aus dem der König sie „durch Ansetzung der Examinations Commission zu wahren Pflanzstätten für geschikte und Gottesfürchtige Unterthanen erheben“215 wollte. Anders gestaltete sich die Situation in den Landschulen, da für diese Schulen ein allgemeines Lehrbuch angefertigt worden war. Wenn jedoch die jeweiligen Inspektoren und Prediger das Buch nicht zu gebrauchen gewillt waren, wurde es nicht eingeführt. Auch die Bilanz im vierten Punkt des Berichts war ernüchternd: „Eben so traurig ist der Zustand des Kirchenwesens. Die Predigten sehr vieler, in großem Ansehen stehender Hauptprediger, Inspectoren, und andrer Kirchenlehrer, sind, nach wie vor, wahre Verdrehungen der heiligen Schrift.“216 Es werde von den „wichtigsten Lehren der wahren Bekehrung und Heiligung“ „fast gänzlich“217 geschwiegen. Hermes, Hillmer und Woltersdorff resümierten: „Auf diese Art können keine wahren Unterthanen des Königs aller Könige, mithin auch nicht der Monarchen, die Er auf ihre Thronen setzte, gebildet werden.“218 Nur ein rechtgläubiger Christ konnte nach Meinung der Kommission also ein guter Staatsbürger sein. Am 19. März 1794 verfaßte auch Woellner, der gegenüber Friedrich Wilhelm II. zunehmend in Bedrängnis geriet, einen Bericht an den Monarchen219. 211

AaO Bl. 32v. Ebd. 213 Ebd. 214 Ebd. Die Maßnahmen zum Schutz der christlichen Religion gingen nach Meinung der Geistlichen Immediat-Examinationskommission auf den König zurück: „Treuen Unterthanen thut es wehe zu sehen, wie die Preißwürdigste Intention Ew. Majestät so frech verspottet wird.“ Ebd. 215 Ebd. 216 AaO Bl. 33r. 217 Ebd. 218 AaO Bl. 33r–33v. 219 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 53r. 212

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

Da der kurze Aufenthalt des Königs in Berlin es nicht erlaubt hatte, um eine Audienz zu bitten, trug Woellner ihm schriftlich vor, was er wenige Zeit zuvor bereits mündlich angezeigt hatte, daß nämlich Hermes und Hillmer nach Magdeburg, Halle und Halberstadt gehen sollten, um wegen des dortigen „Religions-Unterrichts“ in den Gymnasien und Schulen und besonders auf dem Hallenser Paedagogium, in dem sich Niemeyer trotz aller bisherigen Ermahnungen und Verbote noch „allerlei Anomalien“ erlauben sollte, die nötigen „Récherches“220 vorzunehmen221. Es gebe „noch allenthalben gar zu vieles aufzuräumen“, bevor „die gute Sache“ nach der landesväterlichen Intention „völlig im Schwange kommen kann“222. Woellner distanzierte sich freilich ausdrücklich von Hermes: „Indessen bin ich doch immer mehr dafür, lieber langsam und sicher zu gehen, und mit Gelindigkeit zu verfahren, als nach dem Urtheil des cholérischen Hermes mit dem Schwerdte drein zu schlagen, weil aller Ungestühm und Härte nur Bitterkeit und innere Gährungen verursachen, die am Ende in öffentliche Unruhen ausbrechen würden. Gott kann doch nicht mehr von Uns fordern als wir nach unsern Kräften und nach den jedesmaligen Umständen thun können. Das Übrige ist seine Sache, und es gehöret zu seinen verborgenen Rathschlüssen über die sündige Welt, daß Jesus der Erlöser, so allgemein in unsern Tagen, verkannt und verworfen wird. Die armen betrogenen Menschen!“223 Deutlich maßvoller als Hermes also wollte Woellner in den Religionsangelegenheiten vorgehen. Zugleich mußte Woellner erkennen, wie sich der Einfluß von Hermes auf den Monarchen stetig vergrößerte. Nachdem der König bei Woellners Untergebenen im Baudepartement224 „nachlaßigkeit und träge faulheit“225 festgestellt hatte, schrieb er im März

220

Ebd. Zur Visitationsreise von Hermes und Hillmer vgl. Kapitel F.VII. 222 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 53r. 223 Ebd. Hermes agierte in der Kirchenpolitik wesentlich schärfer als Woellner. In einem mit ihm am 5. Februar 1798 abgehaltenen Verhör, das im Zusammenhang mit der Untersuchung gegen die Gräfin Lichtenau erfolgte, wurde Hermes später gefragt, ob Woellner mit seinem Plan im Blick auf die Umformung des Religionswesens nicht einverstanden gewesen sei. Hermes antwortete, daß er dem König ganz offenherzig gesagt habe, daß, ebenso wie eine Armee ohne ein einziges überall durchgreifendes Dienstreglement nicht bestehen könne, auch der Staat von keiner Dauer sein könne, wenn nicht „gleichförmige Religions und GlaubensVorschriften“ zum Unterricht eingeführt würden. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 3, Bl. 199r–204r, hier 201v–202r. In einem am 6. Februar 1798 mit ihm abgehaltenen Verhör, das im Zusammenhang mit der Untersuchung gegen die Gräfin Lichtenau erfolgte, sagte auch Hillmer aus: Es sei „gewiß“, daß Hermes von allen seinen Vorschlägen nur sehr wenig habe durchsetzen können. AaO Bl. 224r–232r, hier 228r–229r. 224 Zu Woellners Tätigkeit im Baudepartement vgl. Kapitel A.X.6.a. 225 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 3, Bl. 98r. 221

III. Woellners zunehmende Entmachtung

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1794 an den Staatsminister226. Über Woellners „eifer zu beförderung der guten sache beim Geistlichen Departement“227 habe er Ursache, „zufrieden“ zu sein. Er wünschte, daß Woellner durch keine anderen Geschäfte gehindert würde, „sich so gantz der sache Gottes widmen zu können“ und diese für das eigene und vieler anderer Menschen „Seelen heil“ wichtige Aufgabe mit allen Kräften zu erfüllen228. Daher entzog er Woellner zugunsten von Michael Philipp Boumann den Posten im Baudepartement229. Der „gute“ Hermes sei angekommen und werde seine Ausarbeitungen über die Verbesserung der Land- und Stadtschulen sowie der Universitäten Woellner selbst vortragen230. Der König war versichert, daß Woellner „mit allen kräften und vertrauen auf Gott“231 dabei zu Werke gehen werde. Sobald die Immediat-Examinationskommission im Frühjahr 1794 die zunehmenden Dissonanzen zwischen dem Chef des Geistlichen Departements und dem Monarchen wahrgenommen hatte, versuchte sie, ihren Machtbereich auszudehnen. Am 24. März schrieben Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Andreas Jakob Hecker ohne Wissen Woellners an Friedrich Wilhelm II. und legten ein Promemoria bei232. In dem Promemoria baten sie, daß erstens der Chef des Geistlichen Departements jeden Monat mit der Immediat-Examinationskommission eine Konferenz halten solle, daß zweitens bei der Besetzung 226 AaO Bl. 98r–99v. Dieses Schreiben ist undatiert. Es liegt in den Akten zwischen einem Konzept Woellners vom 21. Januar 1794 und der Kabinettsordre vom 26. März 1794. 227 AaO Bl. 98r–98v. 228 Woellner sagte in der Konferenz der Immediat-Examinationskommission vom 26. März 1794 pflichtschuldig, daß er, da ihn der König von der Intendantur des Hofbauamts dispensiert hatte, den dazu gewidmeten Tag künftig für Konsistorialkonferenzen nutzen könnte. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 55r–57r, hier 56r. Am 30. März bekundete Friedrich Wilhelm II. seine Zufriedenheit über das Konferenzprotokoll, aus dem er ersehe, daß „die sachen jetzt gantz nach meinem willen gehn“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 84r. Vom 10. Mai 1794 schließlich datierte der vom König unterschriebene und mit einem Siegel versehene Bescheid, daß Woellner die Oberhofbauamtsintendantur entzogen wurde. Der König bezeugte nur knapp seine „Zufriedenheit“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 33, unpag. 229 Am 20. März 1794 teilte der König Wilhelmine Ritz mit, daß Boumann den Posten von ihm erhalten habe. „Wölner konte ihm nicht lenger vorstehn“. Er habe nicht gegen die Ehrlichkeit gefehlt, aber „er wahr der sache nicht gewachsen, und versäumte darüber seine weit wichtigere bestimmung; worüber ihm tüchtig meine meinung geschrieben habe“. GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Fasz. 6, Bl. 59r–60r, hier 59v. Bereits kurz zuvor hatte Friedrich Wilhelm II. an Wilhelmine über Woellner geschrieben. Die Berichte der Immediat-Examinationskommission – „nehmlich Herms, Woltersdorf und Hilmer“ – seien „so abscheulich das ich so gleich enderung trefen mus“. Woellner „hat mich belogen ich habe ihm so oft den winter gefragt und er sagte es ging alles gut – er ist klein mütig furchtsam, und eitel“. Er werde ihm daher das Baudepartement entziehen, damit er um so mehr dem Geistlichen Departement vorstehe. AaO Bl. 61r–62r, hier 61r. 230 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 3, Bl. 98v. 231 AaO Bl. 99v. 232 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 35r–35v.

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

der Pfarrstellen auf den Vorschlag der Immediat-Examinationskommission achtgegeben werde, daß drittens alle Lehrer in den Gymnasien, Schulen und Universitäten nichts lehrten, das der königlichen Anordnung widerspreche, daß viertens – dies war eine deutliche Kritik an Woellner – der Chef hinsichtlich „renitenter Prediger“ die „gehörige[n]“233 Strafen anwenden solle, daß fünftens – auch dieser Punkt war gegen Woellner gerichtet – der Chef auf die Erfüllung der Befehle des Königs achten solle, daß sechstens Hermes, Hillmer und Hecker zu Mitgliedern des Oberschulkollegiums ernannt würden – Woltersdorff sei wegen allzu vieler Amtsgeschäfte nicht dazu in der Lage – und daß siebtens der Chef alljährlich im Einvernehmen mit der Immediat-Examinationskommission einen Bericht über den Zustand des Religionswesens an den König verfassen solle. Sie schlossen: „Sie hoffen hiedurch das unwesen [sic] zu stillen.“234 Hermes hatte mit dem intriganten Treiben vorerst sein Ziel erreicht. Woellner widersetzte sich nicht, gab nach und entwarf nach dem Muster dieses Promemoria eine an sich selbst gerichtete Kabinettsordre. Diese Kabinettsordre datierte vom 26. März 1794235. Woellner solle, erstens, in jedem Monat mit der Examinationskommission eine Konferenz abhalten, in der bei wichtigen Überlegungen – jedoch unter Vorbehalt des Votum decisivum des Chefs – die Stimmenmehrheit gelten solle. Zweitens müsse bei der Besetzung der Inspektorate und anderer Predigerstellen auf die von der Examinationskommission eingereichten und auch zukünftig einzureichenden Listen qualifizierter Geistlicher Rücksicht genommen werden. Drittens: Von jedem, der von nun an als Lehrer und Professor in Schulen, Gymnasien und Universitäten angestellt werde – in welchem Fach der Wissenschaften auch immer –, solle vor seinem Eintritt ins Amt die schriftliche und mündliche Versicherung gegeben und bei der Examinationskommission niedergelegt werden, daß er weder innerhalb noch außerhalb des Unterrichts, weder direkt noch indirekt, etwas gegen die christliche Religion, gegen die heilige Schrift und gegen die landesherrlichen Verordnungen im Religionswesen vorbringen werde. Viertens: Woellner müsse als Chef des Geistlichen Departements wegen „renitenter“236 Prediger, Schullehrer und Professoren die ihm durch die Gesetze zukommenden und schon „mit Nutzen“ gebrauchten Admonitions- und Strafmittel anwenden. Fünftens: Ferner müsse Woellner auf die pünktliche Erfüllung aller bereits vorhandenen Verfügungen und besonders der vom König vollzogenen Instruktionen für die Examinationskommission vom 31. August 1791 und für 233

AaO Bl. 36r. AaO Bl. 36v. 235 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 3, Bl. 100r–100v. 236 AaO Bl. 100r. 234

III. Woellners zunehmende Entmachtung

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alle Konsistorien vom 10. November 1791 „mit Nachdruck und unermüdeten Eiffer“237 achten. Sechstens238: Hermes, Hillmer und Hecker sollten als Mitglieder beim Oberschulkollegium eingestellt werden, weil auf diese Weise mancherlei Kollisionen und Verzögerungen in ihren Amtsgeschäften behoben werden könnten. Nunmehr war das Oberschulkollegium also der Geistlichen Immediat-Examinationskommission ausgeliefert. Siebtens: Der König verlangte von Woellner, zusammen mit der Immediatkommission, alljährlich einen kurzen Bericht vom Zustand des Religions-, Schul- und auch – dies war für die Immediatkommission ein neues Terrain – des Universitätswesens, in dem die erbrachten Verbesserungen und die wichtigsten Ereignisse geschildert werden sollten239. Woellner hatte keinen unbeschränkten Zugang zu Friedrich Wilhelm II. Am 8. Mai 1794 schrieb er ihm von der in Berlin kursierenden Kunde, daß der König bald nach Polen gehen werde, ohne in Berlin Station zu machen. „Ach! ich würde gern zu Fuße nach Potsdam kommen, wenn ich nur die Erlaubniß erhielte, meinen ewig geliebtesten König noch 5. Minuten zu sehen.“240 Am 14. Mai verließ der König dann tatsächlich Berlin und reiste zu seinem in Schlesien lagernden Heer, um es nach Polen zu begleiten241. Das seit dem Frühjahr 1794 getrübte Verhältnis zwischen Woellner und dem Monarchen klärte sich auch in den folgenden Jahren nicht auf. Am 3. Juni 1795 klagte Woellner gegenüber Johann Friedrich Ritz, daß der König ihm bereits 237

Ebd. AaO Bl. 100v. 239 Besondere Erfolge konnte die Kommission in den folgenden Jahren nicht vorweisen. Entsprechend verhalten und allgemein fielen die Berichte aus. Am 14. Januar 1796 erstattete Woellner dem König schriftlich Rapport, nachdem er bereits am 28. Dezember 1795 Friedrich Wilhelm II. den Bericht der Berliner Immediat-Examinationskommission über die Arbeiten im vergangenen Jahr überreicht hatte. Dabei hatte er zugleich gemeldet, daß die eingerichteten Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen von großem Nutzen für die Beförderung „der guten Sache“ seien. In fast jedem der zwölf Konsistorien in den Provinzen saß mindestens ein Konsistorialrat, der zugleich ein Mitglied der jeweiligen Provinzial-Examinationskommission war. Nur in den Konsistorien zu Küstrin, Minden, Königsberg und Thorn war die Lage anders, so daß Woellner in einer Kabinettsordre vier Männer vorschlug. Diese unten auf dem Bogen des Berichts stehende Kabinettsordre ist verschollen, da das untere Drittel des Blattes abgetrennt ist. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 92r. Am 27. Dezember 1796 erstatteten Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker Bericht. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 41r–42v. „Wir dürfen es dem Herrn der Kirche gläubig zutrauen: daß auch in diesem Jahre unsre jedesmalige Zusammenkunft nicht ganz fruchtlos, und unser sehnlicher Wunsch, zur Verherrlichung Seines Allerheiligsten Namens und zum Wiederaufbau Seines so sehr verwüsteten Tempels etwas beizutragen, nicht ungesegnet geblieben ist.“ AaO Bl. 41r. 240 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 74r. 241 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 265 und aaO Anm. 1. Zur Außenpolitik Friedrich Wilhelms II. vgl. Kapitel A.IX.2. 238

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

seit einem Jahr ungnädig sei242. Und am 29. April 1797 schrieb er an Ritz, daß die königliche Ungnade nunmehr seit drei Jahren andauere243.

IV. Die „Umständliche Anweisung für die Evangelisch-Lutherischen Prediger“ Im Frühjahr 1794 befahl der von Hermes beeinflußte König Woellner, bei dem „immer noch fortdaurenden Unwesen der Neologen und Verächter Jesu und seiner Lehre ganz ungesäumt kräftigere HülfsMittel anzuwenden“, als es bislang geschehen sei, „um dieser Gottlosigkeit zu steuern“244. Im April 1794 überschritt die Geistliche Immediat-Examinationskommission dann die ihr ursprünglich zugedachten Kompetenzen. Sie war nur zur Prüfung der Kandidaten und zur Überwachung der Geistlichen eingesetzt worden, nicht aber zu einer gesetzgeberischen Tätigkeit. Dennoch verfaßte sie unter dem 9. April 1794 eine „Umständliche Anweisung für die EvangelischLutherischen Prediger in Königl. Preussischen Landen zur gewissenhaften und zweckmässigen Führung ihres Amts“245. Der König las die „Anweisung“ erst unter dem 26. April246. 242

GStA PK, BPH, Rep. 192, Nl Ritz, Abt. A, Nr. 2275, Bl. 10r–11r, hier 10r. AaO Bl. 30r. Zu den letzten Jahren Woellners vgl. Kapitel L. 244 Dies berichtete das Protokoll der Konferenz der Geistlichen Immediat-Examinationskommission vom 26. März 1794. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 55r. 245 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 35, Bl. 1r. Eine gedruckte Fassung findet sich auch GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 16, Bl. 15r–20v. Die von Schreiberhand stammende und von Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker eigenhändig unterschriebene Vorlage des Drucks findet sich aaO Bl. 1r–13v. In der Konferenz der Geistlichen Immediat-Examinationskommission vom 9. April 1794 hatte die Kommission Woellner die bereits in der vorangegangenen Sitzung approbierte „Umständliche Anweisung“ übergeben. Die Schrift sollte dann unverzüglich zum Druck befördert werden. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 65r–66r, hier 66r. Gedruckt wurde die „Anweisung“ bei dem Berliner Königlichen Geheimen Oberhofbuchdrucker Georg Decker, der 1788 mit seinem Vater Georg Jacob Decker auch den Druck des Religionsedikts besorgt und die ganze in das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten mündende Gesetzesrevision begleitet hatte. Als Verfasser nannte sich die „Königliche geistliche Immediat-Examinations-Commißion“. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 35, Bl. 6v. Darunter waren die Namen von Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker gedruckt. 246 Am 26. April 1794 erstattete Woellner dem König schriftlich Bericht (GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 70r) und übersandte ihm das Konferenzprotokoll der Geistlichen Immediat-Examinationskommission vom 24. April. AaO Bl. 71r–72r. Der König könne aus dem Protokoll erkennen, „daß wir Schritt vor Schritt vorwärts gehen, um nun die Aufklärer mehr in die Enge zu treiben, und der guten Sache mehr Raum zu verschaffen, wozu Uns Gott seinen Seegen verleihen wolle, damit Wir nicht umsonst arbeiten mögen“. Das gedruckte Exemplar der „Umständliche[n] Anweisung“ werde „gewis“ des Königs „gnädigen Beifall“ finden. AaO Bl. 70r. 243

IV. Die „Umständliche Anweisung für die Evangelisch-Lutherischen Prediger“

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Diese lange „Anweisung“ umfaßte insgesamt sechzehn Paragraphen. Einleitend betonte die Kommission, daß Friedrich Wilhelm II. zwar in dem Religionsedikt vom 9. Juli 1788 bereits hinlänglich seinen Willen zu erkennen gegeben habe, „daß dem bisherigen Unwesen der Neologie in Kirchen und Schulen nicht länger nachgesehen werden soll“247. Da aber die Erfahrung lehre, daß viele – besonders jüngere – Prediger „mit der wahren, ächt evangelischen Amtsführung wenig oder gar nicht bekannt sind“, habe es der König für nötig befunden, alle Prediger der „Evangelisch-Lutherischen Kirche“ in Preußen durch eine besondere Instruktion zur pflichtmäßigen Führung ihres Amtes anweisen zu lassen, damit sich niemand mit „Unwissenheit“248 entschuldigen könne. In § 1 wurde jedem Prediger „vor dem Allwissenden Gott zu bedenken gegeben: ob er es dereinst vor dem Richterstuhl Christi verantworten könne, wenn er im öffentlichen und besondern Vortrag der Religion, wie es zeither bey vielen der herrschende Ton gewesen, die heilige Schrift entweder ganz zurücksetzt, oder wenn er sie ja anführt, bey Erklärung derselben, und Beziehung auf dieselbe“ bestimmte „irrige und schädliche Grundsätze annimmt“249. Daher rühre, war in § 2 betont, „die unbeschreibliche Unwissenheit“ vieler Gemeinden in „den wesentlichen Grundwahrheiten des Christenthums“250 sowie „die Geringschätzung des Göttlichen Worts und der Sakramente“ und

247

GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 35, Bl. 2r. Ebd. 249 Ebd. Erstens sei der Grundsatz irrig, daß „überhaupt eigentlich nur die moralischen Vorschriften“ (ebd.), die in der Bibel enthalten seien, auf der Kanzel gebraucht werden könnten und alles übrige als „Nebensachen“ betrachtet werden müsse. Zweitens sei es irrig, daß das Alte Testament nur für die Juden bestimmt sei und daß es zumeist nur „Levitische, durch Christum abgeschaffte, Verfügungen“ enthalte. Drittens sei es irrig, daß die Stellen des Neuen Testaments, in denen das Leiden Christi anders als bloß von der moralischen Seite vorgestellt sei, nebst den daraus folgenden Lehrsätzen nur auf jene Levitischen Vorschriften bezogen seien und folglich nur für die damals zum Christentum übertretenden Juden geschrieben und für die „Christliche Kirche“ selbst „ohne Nutzen“ seien. Viertens sei es irrig, daß die meisten „ascetischen“ Stellen des Neuen Testaments und besonders die bildlichen Vorstellungen bloß in der damals gewöhnlichen „Orientalischen Bildersprache“ vorgetragen seien und also auf „allgemeine Principien der philosophischen Moral“ reduziert werden müßten. Fünftens sei es irrig, daß wegen mancher Einwände, die gegen die Kanonizität einiger biblischer Bücher oder Abschnitte und einzelner Stellen vorgebracht würden, der Gebrauch solcher Bücher im „Religionsvortrag“ sorgfältig zu vermeiden sei. Solange alle diese irrigen Grundsätze angenommen würden, müsse auch notwendig das „Unwesen“ (ebd.) bleiben, das in § 7 des Religionsedikts gerügt worden war. Und der Prediger „fällt natürlich in den kalten, kraftlosen Modeton“ (aaO Bl. 2v), der in § 7 des Religionsedikts als dem „Geiste des wahren Christenthums“ zuwiderlaufend erklärt worden war. 250 Ebd. 248

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

„die zügellose Irreligiosität, die sich in Verachtung des Eides, gänzlicher Verwilderung und Gottlosigkeit nur allzuhäufig zeigt“251. In § 4 erhielten alle Prediger die Anweisung, in ihren öffentlichen Vorträgen und bei ihren übrigen Amtshandlungen „mit unverbrüchlicher Treue“252 darauf zu sehen, daß die „Grundlehren der Christlichen Religion“ den Zuhörern „auf ächtbiblische Art“ vorgetragen und „mit der gewissenhaftesten Treue an ihre Herzen gelegt werden“253. Diese Grundlehren wurden spezifiziert als Lehren von der „heiligen Dreyeinigkeit Gottes“254, von dem „ersten seligen Zustande“255 und „nachmaligen Fall des Menschen“256, von dem daraus erfolgten „gänzlichen Verderben und der Untüchtigkeit der menschlichen Natur zum Guten“257, von der „Versöhnung“258 und „Genugthuung Jesu Christi“259 und von der „nur durch den lebendigen Glauben an Ihn möglichen Begnadigung der sündigen Menschen, ohne welche keine wahre Heiligung statt finden kann“260. Den öffentlichen Gottesdienst261 betreffend gab § 5 vier Anweisungen. Erstens müsse jeder Prediger danach trachten, seine Gemeinde bei allen gottesdienstlichen Handlungen zur „feyerlichen Stille und Andacht“262 zu gewöhnen. Häufig kamen die Zuhörer nur in äußerst geringer Anzahl, weil sie in vielen „Kirchen“263 nichts erwarten konnten als entweder „einen kalten, kraftlosen 251 Ebd. Unter dem 15. Dezember 1795 hatte auch die Provinzial-Examinationskommission aus Marienwerder in ihrem halbjährlichen Generalbericht den Umgang mit dem Eid beklagt. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 45, Bl. 23r–24v. Fast täglich würden viele Staatsämter verteilt, und von den Personen, denen man sie anvertraute, würde zum Unterpfand der Treue und Redlichkeit ein christlicher Eidesschwur gefordert. Rhetorisch fragte die Kommission, ob es nicht notwendig sei, sich zuvor davon zu überzeugen, daß ein solcher Amtsträger diesen Eid auch leisten könne und also kein Spötter und Verächter des Christentums sei. Erst unter dem 4. Februar 1796 konzipierte Hillmer die Antwort. AaO Bl. 31r–31v [Konzept]. Die Immediat-Examinationskommission hatte die Erwiderung bis Anfang Februar verschoben, weil sie gemeinsam mit Woellner über die auch von ihr selbst bereits mehrfach beklagte überhandnehmende Entheiligung des Eides hatte beratschlagen wollen. Dies war nun in der Konferenz vom Vortag unter Woellners Vorsitz geschehen. Die Immediat-Examinationskommission behielt sich die nähere Mitteilung der Resultate vor und begnügte sich einstweilen mit einer Beifallsbezeugung an die Kommission zu Marienwerder. 252 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 35, Bl. 2v. 253 Ebd. 254 Ebd. 255 Ebd. 256 Ebd. 257 Ebd. 258 Ebd. 259 Ebd. 260 Die Kommission wollte die Grundlehren nicht auf die genannten Lehren beschränkt wissen und setzte deshalb ein „u. s. w.“ dahinter. Ebd. 261 Die zum öffentlichen Gottesdienst gehörigen Pflichten wurden in den §§ 5 bis 8 erläutert. 262 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 35, Bl. 2v. 263 Ebd. Hier ist der Kirchenbegriff im Sinne des Kirchengebäudes gebraucht.

IV. Die „Umständliche Anweisung für die Evangelisch-Lutherischen Prediger“

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Vortrag solcher moralischen Lehren“, die ihnen schon durch die Landesverfassung und durch die Gesetze bekannt waren, oder „in die Naturlehre einschlagende Dinge, zu deren unzweckmäßiger Betrachtung die Bibel gemißbraucht wird; und bey welcher keine ächte Anweisung und Ermahnung zur wahren Gottseligkeit möglich ist“264. Zweitens wurde die bisherige Gewohnheit „mancher“ Prediger getadelt, die nur einige wenige „und zwar nicht immer aus völlig lautern Absichten gewählte Lieder“265 für den gottesdienstlichen Gebrauch auswählten. Sie sollten sorgfältig darauf achten, daß die Lieder „langsam und andächtig“ gesungen würden, damit „der Zweck des Gesangs, Erweckung und Beförderung der wahren Andacht und gemeinschaftliche Lobpreisung Gottes“266 mehr als bislang an vielen Orten erreicht werde. Drittens: „Höchst unschicklich“ sei „das flüchtige, Andachtlose Ablesen der öffentlichen Gebete“, da der Prediger im Namen der ganzen Gemeinde bete. Tue er dies nicht mit der „geziemenden Andacht und Ehrerbietung, so beschämt ihn in der That mancher Einfältige unter seinen Zuhörern, der sein Herz wahrhaftig zu Gott erhebt“267. Und er „stört und ärgert“ manchen anderen, der dies in der Stille seines Hauses besser tun könnte und tun würde als bei einer „so profanirten Handlung, die eher Gotteslästerung als Gottesdienst“ sei268. Besonders wurden die Prediger verpflichtet, sich in ihren eigenen Gebeten vor der Gemeinde nicht „der Entheiligung des Namens Gottes schuldig zu machen“269. Dies geschehe „im Grunde“ immer, wenn sich der Prediger „aus Gewöhnung an den herrschenden Modeton, vielleicht gar aus Feindschaft gegen die Lehre von der Person Jesu, von seiner Versöhnung, und von dem wahren Glauben an Ihn, mit Verachtung und Verläugnung“270 der in § 4 der „Anweisung“ als wesentlich empfohlenen Grundwahrheiten und in seinem Gebet „mit einer frostigen Anrede an den Allvater, wie sie immer ein Heide thun könnte, begnügt“271.

264

Ebd. AaO Bl. 3r. 266 Ebd. 267 Ebd. 268 Dasselbe gelte vom Ablesen der biblischen Texte, da, wenn dieses auf die rechte Art geschehe, „manche Schriftwahrheit den Zuhörern deutlicher und durch ihren Nachdruck wichtiger wird“ und im Gegenteil ein „gedankenloses, leichtsinniges Herlesen derselben den ganzen Zweck der Handlung vereitelt“. Ebd. 269 Ebd. 270 Ebd. 271 Ebd. 265

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

Viertens: In der Predigt selbst müßten statt der „kalten, philosophisch-moralischen Anweisungen, und zweckwidrigen physisch-theologisch seyn sollenden Betrachtungen, eine oder mehrere in Verbindung stehende Christliche Grundwahrheiten“ – dem jeweiligen Predigttext folgend – aus der Bibel bewiesen und „mit herzlichen Ermahnungen den Zuhörern zur ächten Anwendung und Benutzung empfohlen werden“272. Es sei, folgte § 6, „eine unverantwortliche Anmassung“273, wenn manche Prediger sich bei der Verwaltung der Sakramente und besonders bei der Taufhandlung eigenmächtige Abänderungen dessen, was ihnen vorgeschrieben war, und sogar der eigenen Worte Jesu erlaubten. Ausdrücklich vermerkte die Immediat-Examinationskommission, daß hier nicht der sogenannte Exorzismus gemeint sei, da dieser zum einen bereits an den meisten Orten völlig abgeschafft sei und da zum andern bei denjenigen Eltern, die dessen Gebrauch noch verlangen würden, „die liebreiche Gegenvorstellung eines rechtschaffnen Predigers leicht Eingang finden wird“274. Die „öffentliche Catechisation der Kinder“275 und, wo es üblich war, auch der „erwachsenern Jugend“, sei – betonte § 7 – „ein so wichtiger Theil des öffentlichen Gottesdienstes“, daß der Landesherr deren Vernachlässigung und „zweckwidrige“ Behandlung „unmöglich“ länger dulden könne. Dieser Unterricht verliere viel von seinem „Nutzen“, wenn man Luthers Kleinen Katechismus – „als für unsre Zeiten unschicklich“ – zurücklege und wenn in den Gemeinden nach verschiedenen Lehrbüchern katechisiert werde. Das Übel werde verschlimmert, wenn die Prediger dabei der Gemeinde ihre verschiedenen „neologischen Meynungen“ aufdrängten. Am „allerstrafbarsten“ sei das Vorgehen mancher Prediger, die nur Gegenstände der Natur, der Landwirtschaft oder der häuslichen Tugend zum Inhalt ihrer Katechisation machten. Diese Prediger würden nicht selten den Kindern selbst, die sie unterrichten sollten, „lächerlich“276 werden. Der König befahl, künftig in den öffentlichen Katechisationen jedesmal zunächst Luthers Kleinen Katechismus stückweise aufzusagen und zu wiederholen277. Sodann sollte das neue278 allgemeine Lehrbuch „Die Christliche Lehre im Zusammenhang“ der weiteren Katechisation zugrunde gelegt und 272

Ebd. AaO Bl. 3v. 274 Ebd. 275 Ebd. Im Original ist diese Wendung durch Großdruck hervorgehoben. 276 Ansonsten aber werde vom König „allen und jeden Predigern“ befohlen, sich bei keiner ihrer Amtshandlungen irgendeine „willkührliche und eigenmächtige“ Abänderung in den hergebrachten, entweder durch ausdrückliche Verordnungen oder „tacite von der Behörde gebilligten ritibus ecclesiasticis“ zu Schulden kommen zu lassen. Ebd. 277 Ebd. 278 Ebd. 273

IV. Die „Umständliche Anweisung für die Evangelisch-Lutherischen Prediger“

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durch „Erklärung, Zergliederung, Aufschlagen und Hersagen der biblischen Sprüche“279 mit der Jugend durchgenommen werden280. § 9 nannte die besonderen Amtspflichten der Prediger, die neben den zum öffentlichen Gottesdienst gehörenden Aufgaben bestanden, zum Beispiel Krankenbesuche, Verwaltung der Sakramente in den Privathäusern, Haustrauungen und die „cura[m] animarum specialior[em]“281. Wem es „mit der Sache Gottes nicht ganz Ernst ist“282, der gerate leicht in Versuchung, diese Pflichten, weil sie nicht öffentlich und nicht im Kirchengebäude ausgeübt wurden, als minder wichtig zu betrachten283. Alle Prediger wurden daher angewiesen, „mit zarter Gewissenhaftigkeit“ ihre Pflichten zu erfüllen und dafür zu sorgen, daß kein Gemeindeglied, das „nähern Unterricht, Zurechtweisung bey dem irrenden Gewissen, ernstliche vom Bösen zurückrufende Ermahnung, liebreiche Aufforderung, Trost in Seelenkummer, Erinnerung an seinen ehmaligen [sic] seligen Zustand und neue Aufweckung bedarf “284, vernachlässigt werde285. § 10 wandte sich der Gemeindekenntnis der Geistlichen zu. Der Prediger müsse die Gesinnungen und die Lebensumstände seiner Zuhörer möglichst gut kennenlernen. Wenn die Gemeinde sehe, daß ihr Prediger einen „frommen verständigen und ernsthaften Mann“ nicht verachte, sondern öfter und länger mit ihm spreche, würden sie es auch schätzen lernen, wenn ihr „Seelsorger“286 sich mit ihnen oder ihren Kindern beschäftigte. Alle Ermahnungen, 279

AaO Bl. 4r. Bei allen „Casualreden“ (ebd.) wie den Leichenpredigten und „Parentationen“ sowie bei Traureden, Taufreden und besonders bei der Konfirmation der Kinder dürfe der Prediger, wurde in § 8 erläutert, nie „den hohen Zweck“ seines Amtes vergessen. Er müsse bei den Leichenreden „mit Verabscheuung aller niedrigen Schmeicheley“ stets daran denken, daß diese Reden nicht für die Verstorbenen, sondern für die Lebenden und besonders für die hinterbliebenen Verwandten gehalten würden, die dadurch „zur Danksagung gegen Gott für die dem Verstorbenen erwiesenen Wohlthaten, zur Erinnerung an die Nichtigkeit des Lebens und aller Dinge der Zeit, und zur ernsten Zubereitung zum Tode aufgefordert werden sollen“. 281 Ebd. 282 Ebd. 283 Diese Pflichten würden dem Prediger wegen des nicht an bestimmte Zeiten gebundenen Zeitaufwands oft lästig, zumal wenn er neben den Stunden, die er auf den öffentlichen Gottesdienst verwandte, seinem Amt keine weitere Zeit schuldig zu sein glaube, sondern seinen Vergnügungen nachgehe und in „vereitelnden Gesellschaften oder im Spiel den Tag zu vertreiben sucht“. Ebd. 284 Ebd. 285 Auch das geeignete Mittel dazu nannte die Instruktion: „Eigne Uebung der Gottseligkeit, in welcher der Prediger das Christenthum sich für seine eigne Person über alles zur Hauptsache macht, herzliches Gebet, und das mehrmals empfohlne Bibelstudium“ würden ihn in dieser Sache besser unterweisen, als es alle detaillierten Vorschriften tun könnten. Ebd. Besonders gehöre es zur Amtstreue des Predigers, die Beichtrede in einer Weise einzurichten, daß er sich vor Gott und seinem Gewissen bewußt sei, alles getan zu haben, „was zur wahren Zubereitung seiner Zuhörer auf ihr heiliges Werk nöthig war“. AaO Bl. 4v. 286 Ebd. 280

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

Zurechtweisungen und Belehrungen müßten freilich – besonders auf der Kanzel – ohne „das Personelle, Beleidigende und Bittre“ geschehen287. Einen entscheidenden Anteil an der religiösen Erziehung der Kinder maß die Instruktion den Eltern bei: Der Prediger müsse den Eltern oft „liebreich“ darlegen, wie viel „Freude“ sie sich an ihren Kindern bereiten könnten, wenn sie sie „in der Furcht des Herrn“ erzögen, sie „zum willigen Gehorsam“288 anhielten und den Schulunterricht durch mehrmalige Wiederholung der monatlich aufgegebenen Lieder, Psalmen und Sprüche unterstützten289. § 12 nahm die Konfirmationen in den Blick, bei denen der Prediger dann erfolgreich wirken würde, wenn er in dieser Handlung die Gemeinde, ohne sie durch „unnöthige Weitläuftigkeit“290 zu ermüden, „durch die in seinem eigenen Herzen wirkende Kraft der Wahrheit erbaut und zu neuem Ernst im Christenthum erweckt hat“291. § 13 behauptete, daß ein „treuer“292 Prediger den Besuch des Unterrichts der Schullehrer gerne wiederholen und die Kinder in allen ihren Lektionen vom Buchstabenlernen an prüfen werde. Er müsse sich die Namen der Kinder merken, die seit seinem letzten Besuch gestraft worden seien. Auch müsse er oft selbst in der Schule die Kinder katechisieren, damit der Schullehrer sogleich „viva voce“293 an das Katechisieren gewöhnt werde294. 287 „Das Gewissen des Zuhörers muß die Applikation selbst machen; und dieses nimmt bloß die vorgetragne Wahrheit; das Personelle, Lokale und Zufällige dieser oder jener That liegt außer seiner Sphäre, wirkt also nur Erbitterung; zumal, wenn es durch schiefe, oft sehr dürftige Anspielungen unter den Werth des Canzelvortrags hinabsinkt. Der Zuhörer muß stets merken, daß es dem Prediger wehe thut, wenn Gott durch Versündigungen beleidiget wird; wenn die Seele, die Christus erlöset hat, vergißt, daß sie so theuer erkauft ist; wenn zuerst Weltwesen und sodann nach und nach Lasterhaftigkeit die Wirkung des Geistes Gottes hindert; wenn der Gebrauch des Gebets und des göttlichen Worts zurückgesetzt, und durch den Umgang mit denen, die Gott nicht fürchten, verächtlich gemacht wird.“ Ebd. 288 Ebd. 289 Ein Umstand, der oft „zu vielem Unheil“ Anlaß gegeben habe und immer noch gebe, sei die Koedukation von Mädchen und Knaben. Ein „treuer“ Prediger werde, wenn es ihm nur einigermaßen möglich sei, anstelle von zwei Wochentagen gerne vier ansetzen, um getrennt zweimal die Knaben und zweimal die Mädchen zu unterrichten. Dies erwarte man besonders von den Predigern in den Städten. AaO Bl. 5r. 290 AaO Bl. 5v–6r. 291 AaO Bl. 6r. 292 Ebd. 293 Ebd. 294 Der Prediger sollte auch für die Fortbildung der Schullehrer seiner Gemeinde sorgen, indem er in seinem Haus teils ihre Auffassungen von den in § 4 „empfohlnen und übrigen Grundwahrheiten nebst den biblischen Beweisen“ abfragen und berichtigen, teils ihnen zeigen sollte, wie sie die Katechisation der Kinder verbessern könnten. Ebenso müsse ein Prediger die biblischen Erzählungen, „so weit sie eigentlich dogmatische oder moralische Wahrheiten anschaulich darstellen“, mit ihnen durchgehen und sie daran gewöhnen, daß sie „das Dogmatische oder Praktische aus den Factis aufsuchen, und also solche Geschichte nach ihrem eigentlichen Zweck den Kindern nutzbar machen lernen“. Auch für den Lebenswandel

IV. Die „Umständliche Anweisung für die Evangelisch-Lutherischen Prediger“

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Alles, was auch der beste Lehrer in seiner Gemeinde aufbauen würde, risse sein Lebenswandel wieder nieder, wenn er sich – betonte § 14 – nicht ganz nach dem Sinn der Bibel bemühte, „ein Vorbild seiner Heerde zu werden“295. Minimallösungen galten nicht: Wer nur darauf sehe, daß er von seinem Inspektor nicht als „ein ganz unwürdiger [sic]“ genannt werde, der werde „hiermit aufs feierlichste an die Rechenschaft erinnert, welche er einst vor dem Richterstuhl Christi wird ablegen müssen“296. Ein Prediger, dem die Erfüllung seiner Amtspflichten in ihrem ganzen Umfang am Herzen liege, werde zu „zerstreuenden Gesellschaften“, zu Kartenspielen und anderen Spielen nicht nur keine Zeit übrig haben, sondern er werde „dergleichen eitle Beschäftigungen als für sich selbst, für sein Amt, und für seine Gemeine höchstschädlich, aufs Gewissenhafteste meiden“297. § 15 schärfte den Predigern ihre Pflicht ein, den sich in ihrer Gemeinde aufhaltenden Kandidaten – wie überhaupt jedem Gemeindeglied – „durch unbemerkte Beobachtung ihres Lebenswandels, durch Rath, Belehrung und Anweisung zur ächten Vorbereitung für ihr künftiges Amt nützlich zu werden“298. Der abschließende § 16 widmete sich der Aufrechterhaltung der Organisationsstruktur: Der Prediger müsse alle ihm vom Kreisinspektor geschickten höheren Verfügungen „gehörig“ annehmen. Am Ende der „Anweisung“ wurden die Inspektoren ebenso wie die Konsistorien „aufs schärfste“ angewiesen, mit „unermüdeter Wachsamkeit“299 darauf zu achten, daß alle Prediger diese landesväterlichen Anweisungen „als unverbrüchliche Gesetze“ für ihre Amts- und Lebensführung in der Art und Weise befolgten, wie sie es „vor dem Herrn der Kirche, der die ihnen anvertrauten Seelen theuer erkauft hat, vor ihrem Könige, ihren Obern und ihren Gemeinen verantworten können, um als wahre Knechte Jesu Christi und treue Haushalter der Geheimnisse Gottes erfunden zu werden“300.

der Schullehrer wurden die Prediger in die Pflicht genommen. Sollte sich ein Schullehrer, wie es „leider nicht selten“ geschehe, in Gesellschaften einlassen, in denen er „zu der schädlichen Schwätzsucht, zum Trunk oder Spiel verführt wird“, müsse der Prediger ihm solches erst „liebreich“, dann aber immer ernstlicher vorhalten und schließlich dieses Betragen dem Kreisinspektor anzeigen. Ebd. 295 Ebd. 296 Ebd. 297 Ebd. 298 Die Immediat-Examinationskommission suchte die Geistlichen mit einer Aussicht auf Beförderung zu motivieren. Je mehr ein Prediger auch in der geringsten Dorfpfarrstelle bei der Erfüllung dieser und aller ihm in der „Anweisung“ von neuem befohlenen Pflichten „Treue und Sorgfalt“ beweisen werde, desto mehr werde „mit Königlicher Huld“ auf ihn gesehen und er zur weiteren Beförderung mit Wohlgefallen vermerkt werden. AaO Bl. 6v. 299 Ebd. 300 Ebd.

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

Die Geistliche Immediat-Examinationskommission hatte mit dieser „Anweisung“ versucht, „eine orthodoxe Gleichförmigkeit, wenn nicht mit dem Herzen, so doch mit dem Munde“301 bei der lutherischen Geistlichkeit zu etablieren. Diese „Anweisung“ galt es nun einzuführen. Am 20. April 1794 konzipierte Woellner ein Circulare an alle lutherischen Konsistorien inklusive Schlesien302, denen befohlen wurde, die ihnen jeweils zugesandten Exemplare durch die Inspektoren an sämtliche Prediger des Sprengels austeilen zu lassen und die Inspektoren streng zu ermahnen, sowohl bei den gewöhnlichen Kirchenvisitationen als auch bei anderen geeigneten Gelegenheiten genau darauf zu achten, daß sich die ihnen unterstehenden Prediger in allen Stücken dieser „Anweisung“ „gehörig conformiren“303. Unter dem Datum desselben Tages fertigte Woellner dem Kurmärkischen Oberkonsistorium mit einem Reskript des Königs tausend Exemplare der „Umständliche[n] Anweisung“ zu304, damit sie von den Inspektoren an die Prediger verteilt werden würden305. Pflicht301 Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 2, Leipzig 1882, 74. 302 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 35, Bl. 7r. 303 Ebd. Die Konsistorien suchten ihre Pflicht zu erfüllen. Am 6. Mai 1794 wandten sich der Präsident, der Direktor und die Räte des Glogauer Oberkonsistoriums an den König. AaO Bl. 9r–9v. Sie zeigten an, daß sie noch 66 Exemplare der „Anweisung“ benötigten. Man hatte nur 150 Exemplare berechnet, obwohl schon allein das Oberkonsistorium elf Mitglieder umfaßte und für die Geistlichkeit 204 Exemplare notwendig waren. Da versehentlich nur 149 Exemplare geschickt worden waren, ergab sich eine fehlende Anzahl von 66 Exemplaren. Gedike notierte nur kurz, daß die verlangten Exemplare geschickt werden sollten. Woellner unterschrieb diese Anweisung. AaO Bl. 9r. Vom 17. Mai datierte das entsprechende Reskript an das Glogauische Oberkonsistorium von Schreiberhandschrift, das von Woellner und v. d. Hagen unterschrieben war. AaO Bl. 10r. Am 13. Mai 1794 schrieben der Präsident, der Vizepräsident und die Räte des Konsistoriums des Herzogtums Magdeburg an den König. AaO Bl. 13r. Dem Reskript vom 20. April zufolge hatten sie von der „Anweisung“ 400 Exemplare erhalten sollen. Jedoch waren nur 300 Stück in ihre Hände gelangt. Da für ihre Provinz insgesamt 600 Exemplare erforderlich waren, erbaten sie die Zusendung von weiteren 300 Exemplaren. Ausdrücklich baten sie, die 300 Stück „ex officio“ übersenden zu lassen, da sie schon eine größere Summe Geldes für Portokosten hatten vorlegen müssen. Gedike notierte am 19. Juni auf dem Schreiben, daß die verlangten 300 Exemplare „ex officio“ zu übersenden seien. Auch das Finanzielle bedachte er: Das Konsistorium solle sich von der Post das vorgestreckte Porto wiedererstatten lassen. Woellner bestätigte durch seine Unterschrift Gedikes Anweisung. Von demselben Tag datierte ein von Schreiberhand aufgesetztes Konzept eines Reskripts an das Magdeburger Konsistorium. v. d. Hagen unterschrieb am 24. Juni, und auch Woellner unterzeichnete es. 304 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 16, Bl. 25r [Abschrift]. 305 In der Konferenz der Geistlichen Immediat-Examinationskommission vom 24. April 1794 wurde beschlossen, daß von der Kommission eine hinlängliche Anzahl gedruckter Exemplare der „Umständliche[n] Anweisung“ auch an die Examinationskommissionen in den Provinzen verschickt werden solle. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 71r–72r, hier 71r. Das Konferenzprotokoll hatten Woellner, Hermes, Hillmer und Hecker unterschrieben. AaO 72r. Woltersdorff hatte wegen „wichtiger Amtsgeschäfte“ an der Sitzung nicht teilgenommen. AaO 71r. Unter dem 2. Mai erhielten die Provinzialkommissionen dann

IV. Die „Umständliche Anweisung für die Evangelisch-Lutherischen Prediger“

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gemäß wurden dann die kurmärkischen Inspektoren unter dem 5. Mai vom Oberkonsistorium angewiesen, sowohl bei den gewöhnlichen Kirchenvisitationen als auch bei anderen geeigneten Gelegenheiten „genau darauf Acht zu haben“, daß die unter ihnen stehenden Prediger sich dieser „Anweisung“ fügten306. Das Berliner Oberkonsistorium fand jedoch auch bei der „Umständliche[n] Anweisung“ Anlaß zu Widerspruch307. Am 8. Mai wandten sich der Präsident und die theologischen sowie juristischen Räte an den König308, nachdem sie das Circulare vom 20. April am 3. Mai erhalten hatten309. Es unterschrieben v. d. Hagen, Carl Franz v. Irwing, Joachim Friedrich v. Lamprecht, Teller, Johann Christoph Nagel, Gedike, Sack und Zöllner310. Zunächst versicherten sie, daß sie ihre Pflicht erfüllt und die tausend Exemplare der „Anweisung“ an die Inspektoren der Kurmark verschickt hätten311. Sie hatten aber wahrgenommen, daß die Geistliche Immediat-Examinationskommission312, welche die „Umständliche Anweisung“ in ihrem eigenen Namen abgefaßt hatte, am Ende der „Anweisung“ „sich anzumaßen scheint“313, den Konsistorien „befehlsweise aufs schärfste Anweisungen zu geben“. Das Oberkonsistorium stehe jedoch in keiner Weise unter den Befehlen der Examinationskommission, sondern allein unter den Befehlen des Geistlichen Departements314. Daher baten die Räte den König ohne jede Scheu, die Immediatkommission für die Zukunft darüber „zu Rechte zu weisen“315. Woellner notierte, daß die verlangte Zurechtweisung bereits erfolgt und die anstößige Stelle bloß durch ein Versehen bei der Korrektur stehengeblieben sei316. Später fügte er noch in seine Bemerkung ein, daß die angebliche Anmaßung von der

jeweils ein Exemplar der „Umständliche[n] Anweisung“. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 16, Bl. 30r–30v. 306 AaO Bl. 21r. Die von Schreiberhand stammende Vorlage des Drucks findet sich aaO Bl. 25v [Abschrift]. 307 Dagegen gab die Ostfriesische Provinzial-Examinationskommission in ihrem halbjährlichen Generalbericht vom 9. Oktober 1795 an, daß die den Predigern und Schullehrern gegebene „Anweisung“ allerorts befolgt werde. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 41, Bl. 12r–12v. 308 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 35, Bl. 11r–11v. 309 AaO Bl. 11r. 310 AaO Bl. 11v. 311 AaO Bl. 11r. 312 Ebd. 313 AaO Bl. 11v. 314 Ebd. 315 Ebd. 316 AaO Bl. 11r.

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

Immediatkommission nie beabsichtigt worden sei317. Damit war die Kommission entschuldigt.

V. Der Streit um die beiden Diakone an der Petrikirche Am 10. April 1794 erstattete Woellner dem König Bericht318 und übermittelte ihm das dritte Konferenzprotokoll der Geistlichen Immediat-Examinationskommission319. Der wichtigste Punkt im Protokoll betraf die geplante Veränderung bei der Ordination der Kandidaten, die nach dem Bericht der Examinationskommission von dem Propst Teller bislang „auf eine sehr unzweckmässige Weise“320 vorgenommen worden sei. Nur Hecker hatte gegen die Veränderung gestimmt, mußte sich aber der Stimmenmehrheit beugen. Woellner hatte unter dem 11. April eine an sich selbst gerichtete Kabinettsordre konzipiert321, die dann unter dem 12. April an ihn erlassen wurde322. Er sollte unverzüglich mehrere Verfügungen treffen. Erstens: Zukünftig sollte anstelle von Teller ein Mitglied der Examinationskommission in der Petrikirche – unter dem Beistand der beiden dortigen Diakone – die Ordination vornehmen. Und zweitens: Die bisherige Privatbeichte der Ordinandi sollte zwar auch in Zukunft Aufgabe der Diakone sein, sie müßten aber streng ermahnt 317 Das entsprechende Reskript an das Kurmärkische Oberkonsistorium datierte vom 18. Mai 1794. AaO Bl. 12r [Konzept]. 318 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 64r. 319 In der Konferenz der Geistlichen Immediat-Examinationskommission vom 9. April 1794 hatte Hermes ein Promemoria der Kommission vorgelesen, in dem aus „triftigen“ Gründen eine Änderung der Ordinationsgepflogenheiten an der Petrikirche geplant war. Diese Änderung umfaßte sechs Punkte. Erstens: Anstelle des Oberkonsistorialrats Teller sollte ein Mitglied der Examinationskommission die Ordination unter dem Beistand der beiden Diakone vollziehen. Zweitens: Die bisherige Privatbeichte der Ordinandi sollte zwar auch künftig Aufgabe der Diakone bleiben, die Diakone sollten aber streng ermahnt werden, im Beichtstuhl gegenüber den neu zu ordinierenden Predigern nichts wider „die Lehre Jesu“ vorzubringen. Drittens: Die beiden Diakone sollten künftig bei dem Examen in pleno auf dem Oberkonsistorium nicht mehr anwesend sein. Ihre Emolumente freilich sollten sie behalten. Viertens: Folglich müsse auch das bislang übliche Tentamen in der Sakristei der Petrikirche entfallen. Das Tentamen müsse der Examinationskommission übertragen werden. Fünftens: Diese Neuerungen sollten bis zu einer anderweitigen Veränderung befolgt werden. Sechstens: Künftig sollte das gewöhnliche testimonium ordinationis nicht mehr von Teller, der aber seine Emolumente behalten sollte, sondern von der Examinationskommission unter dem Kommissionssiegel erteilt werden. Woellner wollte dem König über diese Planungen berichten und um eine Kabinettsordre bitten. AaO Bl. 65r–66r, hier 65r–65v. 320 AaO Bl. 64r. 321 Ebd. 322 Dies zeigt die Datierung der Abschrift der Kabinettsordre, die Woellner an das Kurmärkische Oberkonsistorium schicken ließ. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 92r [Abschrift].

V. Der Streit um die beiden Diakone an der Petrikirche

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werden, im Beichtstuhl nichts wider „die Lehren Jesu“323, wie es bislang geschehen sei, vorzubringen324. Teller wurde diese Kabinettsordre vom 12. April zur Nachricht und Beachtung unter dem 1. Mai bekanntgemacht325. Nachdem die beiden Diakone an der Petrikirche Otto Siegmund Reinbeck und Jakob Elias Troschel in der ihnen unter dem 1. Mai zugefertigten Kabinettsordre den Satz gefunden hatten, daß sie streng ermahnt werden sollten, im Beichtstuhl nichts wider die Lehre Jesu, „wie bisher geschehen“, vorzubringen, schrieben sie am 14. Mai erbost an den König326. Seit vierzig beziehungsweise dreißig Jahren standen sie im Predigtamt und hatten seit fünfzig und vierzig Jahren „die Lehre Jesu aus der einzigen wahren Quelle, den Schriften der Evangelisten und Apostel, vermittelst einer richtigen Sprachkenntniß und Hermeneutik unausgesezt studirt, wir kennen sie exegetisch, systematisch und praktisch“. Sie hätten immer, also auch in den Vorbereitungs- und Ermahnungsreden an die zu ordinierenden Kandidaten, „das jedesmal Nöthige und Schickliche aus derselben mit Gewißenhaftigkeit und Ernst im Geiste des Christenthums“ vorgetragen, wie sie es vor Gott – „dem einzigen Herrn über unsern Verstand und unser Gewißen“ – verantworten konnten. Da nun der anfänglich genannte Vorwurf, laut ausdrücklichem Inhalt der Kabinettsordre, auf einer Anzeige der Immediat-Examinationskommission beruhte, diese jedoch die Ermahnungsreden an die Kandidaten nie selbst gehört hatte und sie also nur aus Erzählungen von Menschen, die entweder selbst noch nicht verstanden hätten, was die Lehre Jesu sei, oder die heuchlerisch die Reden mißdeuteten, vernommen haben konnte, baten Reinbeck und Troschel den König, der Kommission die Angabe der angeblich der Lehre Jesu widersprechenden Sätze zu befehlen. Dann könnten sie sich schriftlich gegen einen „so beleidigenden“ Vorwurf der Examinationskommission vor dem Geistlichen Departement und dem Oberkonsistorium rechtfertigen. Etliche Wochen später, unter dem 25. Juni, befahl Woellner der ImmediatExaminationskommission, über die Beschwerden der Bittschrift näheren Bericht zu erstatten327. Einen weiteren Monat später, am 24. Juli, antworteten

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Ebd. Bevor die Prediger nach der Ordination das Abendmahl empfingen, wurde ihnen von einem der beiden Diakone eine Vorbereitungs- oder Beichtandacht gehalten. Johann David Erdmann Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, IV–V, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 2 (1865, ND 1972), 746–774, hier 771. 325 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 93r [Konzept]. 326 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Verfügung wie es hinfüro mit Ordination der Candidaten gehalten werden solle), unpag. 327 AaO (Acta wegen der Verfügung wie es hinfüro mit Ordination der Candidaten gehalten werden solle), unpag. [Konzept]. 324

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

Hermes, Woltersdorff und Hecker328. Sie glaubten, Friedrich Wilhelm II. habe in dem Reskript vom 1. Mai und in dem Religionsedikt vom 9. Juli 1788 auf die „Abstellung der bisher eingerißenen und fast allgemein gewordenen neologie gesehen“, ohne sich auf spezielle Fälle zu beziehen. Ihre Vermutung sei um so begründeter, da sich in dem die Praxis der Ordination betreffenden Protokoll der Examinationskommission vom 9. April die Worte „wie bisher geschehen“ nicht befanden329. Unter dem 11. August 1794 wurde Reinbeck und Troschel „zu ihrer Beruhigung“ der Bericht der Examinationskommission abschriftlich zugefertigt330. Dieser Bericht beruhigte sie jedoch keineswegs. Vielmehr veröffentlichten sie eine „Abgenöthigte Ehrenrettung der die Kandidaten des Predigtamtes mitordinirenden Prediger der Petrikirche in Berlin Otto Sigismund Reinbeck und Jakob Elias Troschel“, die auch über die Grenzen Preußens hinaus Verbreitung fand und innerhalb einer Woche in einer zweiten Auflage erschien331.

VI. Der Revers beim Examen pro ordinatione Angesichts ihrer erfolglosen Arbeit suchte die Geistliche Immediat-Examinationskommission nach neuen Maßnahmen. Unter dem 2. Mai 1794 wurde den Provinzial-Examinationskommissionen von der Immediat-Examinationskommission bekanntgemacht, daß nach königlicher Verordnung von nun an jeder Kandidat bei seiner Prüfung pro ordinatione einen bestimmten Revers, praevia stipulatione, unterzeichnen solle332. 328 AaO (Acta wegen der Verfügung wie es hinfüro mit Ordination der Candidaten gehalten werden solle), unpag. 329 Das Protokoll der Konferenz der Immediat-Examinationskommission vom 9. April 1794 findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 65r–66r. 330 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Verfügung wie es hinfüro mit Ordination der Candidaten gehalten werden solle), unpag. [Konzept]. 331 Unter dem 1. Oktober 1794 wurde Reinbeck und Troschel befohlen anzugeben, bei wem sie ihre sogenannte abgenötigte Ehrenrettung hatten drucken lassen. AaO (Acta wegen der Verfügung wie es hinfüro mit Ordination der Candidaten gehalten werden solle), unpag. [Konzept]. Bereits am 11. Oktober antworteten die beiden, daß ihre „Abgenöthigte Ehrenrettung“ bei dem Fürstlich-Anhaltschen Hof- und Regierungsbuchdrucker Heinrich Heybruch gedruckt worden war, weil dieser das preisgünstigste Angebot unterbreitet hatte. AaO (Acta wegen der Verfügung wie es hinfüro mit Ordination der Candidaten gehalten werden solle), unpag. Sie hätten das Buch ansonsten auch bedenkenlos in Preußen drucken lassen können, da es nichts gegen den Staat, die guten Sitten und die Religion enthalte, die es vielmehr nach der Bibel und der Confessio Augustana vortrage. 332 Das aus Hillmers Feder stammende Konzept für die Examinationskommission zu Königsberg findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 16, Bl. 30r–30v. Am 2. April 1794 hatte Hillmer in der Konferenz der Immediat-Examinationskommission einen Revers verlesen, den jeder pro Ministerio examinierte Kandidat unterschreiben sollte. Nachdem Woellner den

VI. Der Revers beim Examen pro ordinatione

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Nach der erfolgreichen Prüfung pro Ministerio solle ihm der Revers langsam und deutlich vorgelesen und ihm auch selbst zum nochmaligen Durchlesen gegeben werden333. Danach müsse ihn die Kommission fragen, ob er den „redlichen Vorsatz“ habe, den Revers in seiner Amtsführung „mit aller Treue“334 zu erfüllen. Wenn er dies bejahte, sollte er das Versprechen durch einen Handschlag mit den Mitgliedern der Kommission besiegeln. Dann müßte der Revers von ihm selbst ausgefüllt und unterschrieben werden335. Revers genehmigt hatte, wurde dessen Druck beschlossen. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 59r–61r, hier 60v. Das Konferenzprotokoll hatten Woellner, Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker unterschrieben. 333 Die doppelte Vergewisserung, daß der Kandidat den Revers nochmals selbst durchlesen solle, hatte Hillmer nachträglich eingefügt. 334 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 16, Bl. 30r. Auch dieser verschärfende Zusatz war erst später von Hillmer hinzugesetzt worden. 335 „Ich [ ] verspreche und gelobe vor Gott dem Allgegenwärtigen: daß ich die zur Befolgung in meinem Predigeramte mir vorgelegten Punkte als heilige Pflichten auf mein Gewissen nehmen, und mit unverbrüchlicher Treue zu üben, mich stets befleißigen will. Nämlich: 1. Das wahre Christenthum, d. h. die ächte Gottseligkeit in dem durch den Glauben an Jesum Christum erlangten Gnadenstande, mir für meine eigne Person über Alles zur Hauptsache zu machen; 2. Gewissenhaft vor Gott, und als ein Vorbild der mir anvertrauten Gemeine zu wandeln, und mir nichts zu erlauben, wodurch ich bey irgend einem Christen Anstoß und Aergerniß geben könnte; 3. Die mir vorzüglich empfohlnen Lehren der heiligen Schrift, wie sie in der Augsburgischen Confession als ein ächtes Bekenntniß des Glaubens der Evangelisch-Lutherischen Kirche dargelegt sind, meiner Gemeine weder zu verschweigen, noch zu entkräften, noch bloß historisch, als willkührlich angenommene Sätze, sondern nach meiner Pflicht, als wahre, wesentliche Grundlehren des Christenthums, und als den Hauptinhalt der heiligen Schrift, treu und unverfälscht vorzutragen. 4. In allen Theilen meiner Amtsführung, als: Administration der Sacramente, Besuch der Kranken und Sterbenden, Unterricht und Einsegnung der Kinder, Trauungen, Privatadmonitionen u. s. w. mich genau nach den Vorschriften der mir gegebnen Instruktion d. d. Berlin d. 9ten April 1794. zu richten; auch besonders mir keine eigenmächtigen Abänderungen, von welcher Art sie seyn mögen, bey irgend einer meiner Amtshandlungen, wie z. B. bey Administration des Abendmahls und der Taufe, zu erlauben. 5. Durch fleißiges Lesen der heiligen Schrift meine eigne Erkenntniß immer fester zu gründen, ohne mich durch mehr oder weniger verführende Schriften der neuern Zeit irre führen zu lassen. 6. Ueberhaupt aber mich durch Gebet und Wachsamkeit gegen alles, was dem Sinn Christi zuwider ist, sorgfältig zu bewahren, und überall zu bedenken, daß ich berufen bin, an Christi Statt zu bitten: daß sich die Menschen mit Gott wollen versöhnen lassen. Zu mehrerer Versicherung, daß dieses mein redlicher Vorsatz ist, von welchem ich mich unter dem Gnadenbeystande Gottes, durch keine Nebenabsichten von irgend einer Art, abbringen lassen will, habe ich meine Hand hierauf an Eides Statt gegeben, und meinen Namen unterzeichnet.“ Gedruckte Exemplare finden sich aaO Bl. 29r–29v und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 44, Bl. 39r–39v. Das von Hillmers Hand stammende Konzept findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 16, Bl. 28r–28v.

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

Jedoch auch der Revers erfüllte nicht die von der Immediat-Examinationskommission in ihn gesetzten Hoffnungen. Unter dem 6. Juni 1795 wandte sich aus Ostpreußen Wald ernüchtert an diese Kommission336. Das Studium der Symbolischen Bücher werde derart vernachlässigt, daß beim letzten Examen sogar zwei Ordinandi angetreten waren, welche die Confessio Augustana noch niemals gelesen hatten. Da nun in dem Predigerrevers der Ordinandus versprechen sollte, seiner Gemeinde die Lehren der heiligen Schrift, wie sie in der Confessio Augustana dargelegt seien, unverfälscht vorzutragen, entstand die Frage, ob jemand, der kein einziges Mal die Confessio Augustana gelesen und sich also mit ihrem wesentlichen Inhalt nicht vertrautgemacht hatte, das Zeugnis der Kommission erhalten könne. Da Wald anderer Meinung als seine Kollegen war, hatte er diese Frage „an unsre gemeinschaftlichen erleuchteten und frommen Obern“ gelangen lassen. Hillmer vermied eine direkte Konfrontation mit dessen Kollegen, wählte den unauffälligen Weg und beschloß am 23. Juli, daß die Immediat-Examinationskommission die Sache mit Wald, der angekündigt hatte, nach Berlin zu kommen, mündlich besprechen solle337.

VII. Die Visitationsreise von Hermes und Hillmer 1. Der Arbeitsauftrag Um sich einen persönlichen Eindruck vom Zustand des Religionswesens zu verschaffen, plante die Geistliche Immediat-Examinationskommission eine Visitationsreise. Unter dem 1. Mai 1794 erging an Hermes und Hillmer ein von Woellner konzipiertes Commissoriale zur Visitation der theologischen Fakultät der Universität Halle sowie aller Schulen und Gymnasien im Magdeburgischen und Halberstädtischen. Sie erhielten den Auftrag, die theologische Fakultät „scharf ins Auge zu fassen“ 338 und auch das Paedagogium und das Waisenhaus hauptsächlich im Blick auf den Religionsunterricht zu visitieren. Die von Hillmer selbst konzipierte Instruktion datierte vom 30. April 1794339: Die Kommissarien sollten sich im Mai nach Potsdam, Brandenburg, Magdeburg, Halberstadt und Halle begeben, wo sie alle sogenannten lateinischen Schulen – sowohl diejenigen Schulen, die unter den Magisträten standen, als auch die Ritterakademie in Brandenburg, die Dom- und Klosterschulen in 336

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 12, Bl. 4r. AaO Bl. 6r–6v [Konzept]. Zu den von der Ostpreußischen Geistlichen Provinzial-Examinationskommission durchgeführten Prüfungen vgl. Kapitel H.VI.1. 338 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 88, Bl. 1r [Konzept]. Ein Konzept von Schreiberhand findet sich aaO Bl. 2r–2v. 339 AaO Bl. 3r–3v. 337

VII. Die Visitationsreise von Hermes und Hillmer

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Halberstadt und Magdeburg, die Anstalt zu Kloster Berge und das Paedagogium sowie das Waisenhaus zu Halle – visitieren sollten. Den Religionsunterricht sollten sie in allen Klassen überprüfen, den Unterricht in den Alten Sprachen wenigstens in jeder ersten Klasse genau visitieren340. Der theologischen Fakultät in Halle sollten sie nach einem beigelegten Formular341 den königlichen Willen im Blick auf die theologischen Vorlesungen bekanntmachen. Da bislang in den „zum Vortrag des Christlichen Lehrbegrifs bestimmten Vorlesungen“ teils subtil vom Religionsedikt abgewichen, teils aber auch die seit dreißig Jahren „Mode gewordene Neologie“ im höchsten Grade ausgebreitet worden war, sollten diese Neuerungen gänzlich abgeschafft und von nun an „eine wahre, genau bestimmte, aus der heil. Schrift geschöpfte und erwiesene Dogmatik“ gelehrt werden. Der König verlange, daß „der bisher gewöhnliche bloß historische Vortrag der Dogmen“ nebst den Untersuchungen über deren Entstehung, nähere Bestimmung oder Abänderung von nun an aus den dogmatischen Kollegs fortbleiben und in die Vorlesungen über die Kirchengeschichte verlegt werden solle. Doch müsse auch in diesen Vorlesungen alles, wodurch die in der Confessio Augustana enthaltenen „Biblischen wahrheiten“ den Studenten „verdächtig gemacht“ werden342 könnten, mit aller Sorgfalt vermieden werden343. Die Studenten müßten dazu angeleitet werden, bei ihren Predigten auf „wahre Erbauung“344 zu achten. „Diese wahre Erbauung ist nicht bloß345 das Bürgerlich praktische, welches viele bisher zum Hauptzwek des Predigens haben machen wollen. Sie ist die Beförderung des Lebendigen in der Erkenntniß Jesu Christi, gegen welche Paulus alles für Schaden achtet; die sanfte und ernste Überredung, den Ruf zur Reue über die Sünde, und zum unablässigen Verlangen nach der Gewißheit der Vergebung der Sünden, (die allein durch den Opfertod Jesu bewirkt und ertheilt wird) ohne Aufschub und von ganzem Herzen anzunehmen; und in dem Stande der Kindschaft Gottes und Vereinigung mit Jesu des immerwährenden Triebes des heil. Geistes theilhaftig zu 340 In der Sitzung der Immediat-Examinationskommission vom 7. Mai 1794 wurde beschlossen, daß es bei dieser „nützlichen“ Reise gut sein dürfte, den Wirkungskreis von Hermes und Hillmer weiter auszudehnen und folgende Reiseroute zu nehmen: Potsdam, Brandenburg, Ziesar, Burg und Magdeburg. Von dort aus über Calbe und Aschersleben nach Halle und von dort über Könnern und Rothenburg nach Halberstadt. Wenn die Geschäfte an allen diesen Orten beendet sein würden, würde die Rückreise durch die Altmark, nämlich von Halberstadt aus über Aschersleben nach Stendal und von dort über Tangermünde, Rathenow, Nauen und Spandau zu nehmen sein. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 75r–76v, hier 76r. 341 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 88, Bl. 4r–8v. Das Konzept stammte aus Hillmers Feder. 342 AaO Bl. 4r. 343 AaO Bl. 4v. 344 AaO Bl. 8r. 345 Das mäßigende „bloß“ hatte Woellner später am Rand eingefügt. Ebd.

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werden, und sich auf diese Art nach dem Sinn des himml. Vaters zu bilden, und Ihm nachzuahmen, soviel in dieser unsrer Niedrigkeit möglich ist. Eph. 5,1.“346 2. Der Krawall in Halle a) Der Tumult der Studenten Am 12. Mai 1794 bestiegen Hermes und Hillmer die vierspännige Extrapost. Länger als vier Wochen führten sie in Potsdam, Brandenburg, Genthin, Burg, Magdeburg, Calbe an der Saale, Halle, Könnern, Alsleben, Aschersleben, Halberstadt, Wolmirstedt, Stendal, Tangermünde, Rathenow, Nauen sowie Spandau Visitationen durch und kehrten am Nachmittag des 13. Juni nach Berlin zurück347. Höhepunkt der Reise war der Hallenser Aufenthalt. Zu Himmelfahrt, am 29. Mai um sieben Uhr348 abends, erreichten sie die Saalestadt349 und stiegen im „Goldenen Löwen“ ab350. Manche Äußerungen einzelner Studenten ließen bereits vermuten, daß es an Beleidigungen nicht fehlen würde, jedoch schenkten Hermes und Hillmer weder diesen Bemerkungen noch den Nachrichten, daß schon seit vierzehn Tagen Pläne zu diversen Kränkungen der Kommissarien geschmiedet worden seien, Beachtung351. Schon eine Stunde nach der Ankunft versammelten sich dann viele Studenten vor dem gegenüber dem Gasthof gelegenen Haus von Johann August Nösselt in der Galgstraße; nach kurzer Zeit begannen sie zu pfeifen, zu schreien und zu toben und die Kommissarien zu beschimpfen352. Mehrere Studenten riefen: „Weg mit der alten Lehre; Vernunft und Menschentugend wollen wir; diese Menschen wollen uns zwingen, wieder an Christum zu glauben.“353 Nach einem förmlichen Pereatrufen schien es um zehn Uhr endlich wieder ruhig zu werden. Allein der Unfug begann um elf Uhr von neuem ebenso heftig und wäre noch weiter eskaliert, wenn nicht der Prorektor August Hermann Niemeyer hinzugekommen wäre und die Tumultuanten bewogen hätte

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Ebd. Zu diesen Schulvisitationen vgl. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 315–330. 348 Das berichteten Hermes und Hillmer dem König unter dem 31. Mai 1794 aus Könnern. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 82, Bl. 180r–182v, hier 180r. 349 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 322 f. 350 Das berichteten Hermes und Hillmer dem König unter dem 31. Mai 1794 aus Könnern. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 82, Bl. 180r–182v, hier 180r. 351 Das berichteten Hermes und Hillmer dem König unter dem 31. Mai 1794 aus Könnern. Ebd. 352 Ebd. 353 Diese Äußerungen hatten sie teils selbst deutlich gehört, teils waren sie von anderen in ihrem Haus sich aufhaltenden Personen gehört worden. 347

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auseinanderzugehen354. Weil Hermes und Hillmer diesen ersten Tumult bloß als Beleidigung ihrer Person – und nicht ihrer Ämter – ansahen, nahmen sie am folgenden Vormittag furchtlos die ihnen anbefohlenen Geschäfte in Angriff und visitierten das lutherische Stadtgymnasium355. Der Prorektor und mehrere Professoren entschuldigten sich später wegen des Tumults mit der rechtfertigenden Erklärung, daß die Akademie nicht mehr wie in früheren Zeiten, zumal in Abwesenheit des Regiments, über hinlängliche Mittel verfüge, um die Studenten in Ordnung zu halten. Hermes und Hillmer könnten aber versichert sein, derartigen Beleidigungen nicht ein weiteres Mal ausgesetzt zu werden. Jedoch versammelten sich abends auf der Straße wiederum einige Studenten, zu denen, nachdem der Prorektor den „Goldenen Löwen“ verlassen hatte, eine noch größere Menge an Studenten hinzukam, die teilweise direkt unter den Fenstern von Nösselt Stellung bezogen. Sie wiederholten das Lärmen, Pfeifen, Schimpfen und Lästern vom Vortag, beleidigten Hermes und Hillmer mit unflätigen Schimpfnamen und verhöhnten deren Stellung als Oberkonsistorialräte. Dann warfen die Demonstranten, während sie Studentenlieder gröhlten, eine halbe Stunde lang Mauersteine und Dachziegelstücke von einer Handlänge und -breite in das Zimmer der beiden Kommissarien, so daß die Stube später mit Glas und Steinen besät war356. Nachdem endlich um Mitternacht die Häscher gekommen waren und einige der Tumultuanten ergriffen hatten, zerstreuten sich die übrigen Unruhestifter augenblicklich. Da Hermes und Hillmer wegen der lauten Benennung ihres Amtscharakters die ganze Sache nun nicht mehr als bloß persönliche Beleidigung betrachten konnten und da sie überzeugt waren, daß sie bei weiteren Angriffen der Studenten keinen Schutz erwarten konnten, hielten sie es „nach reifer Ueberlegung“ für ihre Pflicht, gleich nach Anbruch des folgenden Tages ihre Reise fortzusetzen, um nicht durch einen längeren Aufenthalt das Ansehen einer vom König bevollmächtigten Kommission und die Würde der Landeskollegien noch stärker zu „compromittiren“357. Hermes und Hillmer hofften, als sie Friedrich Wilhelm II. am 31. Mai in einem in Könnern verfaßten Brief ausführlich von dem Tumult berichteten, auf eine nachträgliche königliche Genehmigung ihrer frühen Abreise aus 354 Niemeyer hatte die Studenten ermahnt, daß das Gesetz schlichtweg „Ruhe und Ordnung“ gebiete. Das berichtete Niemeyer in seiner auf den 31. Mai 1794 datierten „Anzeige des Prorectors an das Concilium generale“. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 83r–84v [Abschrift], hier 84r. Eine weitere Abschrift findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 82, Bl. 188r–189v. 355 AaO Bl. 180v. 356 AaO Bl. 181r. 357 AaO Bl. 181v.

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Halle358. Mehr als jemals zuvor hätten sie durch diesen Vorfall den „traurigen“ Zustand der Fakultät wahrgenommen359. Bevor Hermes und Hillmer aus Halle abgereist waren, hatten sie Niemeyer ein Billet hinterlassen, in dem sie die Gründe ihrer verfrühten Weiterfahrt dargelegt hatten. Auf dem Weg nach Könnern war ihnen dann ein Antwortschreiben zugestellt worden, in dem Niemeyer seinen und aller Professoren „Schmerz und Unwillen“360 über die vielfachen Beleidigungen bezeugte und den größten Ernst in der Untersuchung der Schuldigen zusagte. Mündlich hatte Hermes in Halle seine Frustration über mangelnde Unterstützung geäußert: „‚Man hält uns für mächtig […] und doch haben wir noch nicht einen neologischen Dorfprediger absetzen können. So arbeitet uns alles entgegen.‘“361 b) Woellners Reaktion auf die Abreise von Hermes und Hillmer Woellner, der dem König am 3. Juni schriftlich Bericht erstattete, billigte die Abreise von Hermes und Hillmer keineswegs362 und sprach sie nicht von einer Mitverantwortung frei: Wenn die beiden ihr Logis nicht in einem öffentlichen Gasthof, sondern im Waisenhaus oder Paedagogium, wo sie eigentlich ihre Aufgabe zu erledigen hatten, genommen hätten, wäre ihnen dieser „Affront“ nicht begegnet, denn gemäß ihrem Auftrag sollten sie sich bloß um die Professoren der theologischen Fakultät sowie um die Schulvisitation kümmern. Durch ihre überstürzte Abreise hätten Hermes und Hillmer „die Sache vollends verdorben“, weil nun nicht ihre Person, sondern der königliche Auftrag beleidigt sei. Woellner hoffte, daß es ihm unter Umständen gelingen werde, die „eigentlichen Anstifter“363 in Berlin zu entdecken, denn nach einem Privatschreiben von Niemeyer, das Woellner beifügte364, sollten diese Unruhen durch Briefe aus Berlin vorbereitet worden sein. Diese Vermutung erschien Woellner um so glaubwürdiger, als Hermes sich „leider! durch seinen aufgeblasenen Stoltz und durch sein Poltern auf der Canzel“365 alle Menschen in Berlin zu Feinden gemacht hätte. Alle Ermahnungen hätten weiter nichts vermocht, als daß Hermes ihn am Ende, weil er bei Woellner mit dem Ansinnen, 358

AaO Bl. 180r–182v, hier 182r. Ebd. 360 AaO Bl. 180r–182v, hier 182v. 361 August Hermann Niemeyer, Leben Charakter und Verdienste Johann August Nösselts. Nebst einer Sammlung einiger zum Theil ungedruckten Aufsätze Briefe und Fragmente, Erste Abtheilung. Biographie und Charakteristik, Halle / Berlin 1809, 61. 362 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 79r. 363 Ebd. 364 AaO Bl. 80r–81r. 365 AaO Bl. 79r. 359

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Nicolais „Allgemeine deutsche Bibliothek“ zu vernichten, kein Gehör finden konnte366, beim König verleumdet habe367. Die „gute Sache“ habe dadurch „unendlich verlohren“, denn „ungeschickte Werckzeuge in der Ausführung, verderben auch den besten Plan, zumahl wenn sie nicht folgen sondern Alles beßer wissen wollen“368. Der Brief von August Hermann Niemeyer an Woellner, den Woellner beifügte, datierte vom 31. Mai369. Niemeyer hoffte, daß der Vorfall in Halle seinem bislang völlig ruhig geführten Prorektorat kein unangenehmes Ende bereiten werde. Die Fakultät sei „äußerst niedergeschlagen über diesen groben Exceß“370. An demselben Tag wandten sich auch der Prorektor, der Direktor und die Professoren der Hallenser Universität an den König und suchten den Vorfall zu erklären371. In Halle hatte sich das Gerücht verbreitet, daß Hermes und Hillmer ihre Privatmeinungen über religiöse Gegenstände den anderen Lehrern als Gesetze vorgeschrieben, alle Bücher, durch die ihre Meinung widerlegt würde, verboten und ein Inquisitionsgericht aufgebaut hätten. Da man nun glaubte, es solle „die Wahrheit der Rechthaberei weniger nicht genugsam unterrichteter Theologen aufgeopfert werden“372, wurde die in Halle studierende Jugend durch „einen unrecht angebrachten Eifer für die Wahrheit“373 verleitet, die Fenster in dem Posthof, in dem sich Hermes und Hillmer aufhielten, einzuwerfen und die beiden mit lautem Geschrei zu beschimpfen374. Wegen des schlechten Zustands der Hallenser Stadtwache hatte die Universität den Tumult weder stillen noch gar ganz verhüten können375. Der larmoyante Bericht von Hermes und Hillmer vom 31. Mai 1794 erregte Woellners tiefen Unwillen, so daß den beiden unter dem 11. Juni 1794 beschieden wurde, daß sie sich wohl Hilfe zur Sicherheit hätten verschaffen können, um ihr Geschäft fortzusetzen376. 366

Schwartz, Der erste Kulturkampf, 267 Anm. 1. Zur „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“ vgl. Kapitel J.V. 368 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 79r. 369 AaO Bl. 80r–81r. 370 AaO Bl. 80v. 371 AaO Bl. 82r–82v. Eine Abschrift findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 82, Bl. 187r–187v. 372 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 82r. 373 Ebd. 374 Ebd. Das Einwerfen der Fenster als solches war kein beispielloser Exzeß, sondern gehörte zu den damaligen studentischen Gepflogenheiten als „etwas durchaus Übliches“. Friedrich Schulze/Paul Ssymank, Das deutsche Studententum von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart 1931, 4., völlig neu bearbeitete Aufl., München 1932, Studentenhistorische Bibliothek 4 (ND 1991), 202. 375 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 82v. 376 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 82, Bl. 185r [Konzept]. Das Konzept von Scholz findet sich aaO Bl. 184r. 367

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Am 21. Juni reagierten Hermes und Hillmer gegenüber Woellner rechtfertigend auf dieses Reskript377. Selbst wenn sie von Niemeyer ein Zimmer im Waisenhaus verlangt und erhalten hätten, wäre das Übel nicht behoben, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach nur verschlimmert worden. Denn Niemeyer hatte selbst erklärt, daß die Universität nicht mehr, wie zuvor, über hinreichende Mittel verfügte, um Ordnung unter den Studenten herzustellen378. Außerdem hätten sich im Waisenhaus noch mehr Gelegenheiten zu Kränkungen geboten als in einem Wirtshaus, in dem auch Fremde wohnten und das nahe der königlichen, mit einer Schildwache versehenen Post lag379. Woellner gab Hermes und Hillmer keine weitere Antwort, sondern notierte nur: „ad Acta“380. Unter dem 16. Juni 1794 erging an die theologische Fakultät zu Halle ein von Woellner konzipiertes Reskript381. Da die Kommissarien gehindert worden waren, der theologischen Fakultät die Instruktion vom 30. April persönlich bekanntzumachen, erhielten die Hallenser Professoren nun nachträglich diese Instruktion. Woellner mahnte sie drohend, sich danach zu richten, um die „unangenehmsten“ Folgen zu verhindern. Nachdem Johann Ludewig Schulze, Nösselt, Georg Christian Knapp und Niemeyer die Instruktion gelesen hatten, antworteten sie am 11. Juli gleichermaßen empört wie ausführlich382. Eingedenk der großen Pflicht, die sie Gott, dem König und ihrem eigenen Gewissen schuldig seien, bekannten sie, daß ihnen bei der Verwaltung des theologischen Lehramts „die Ehre und Vertheidigung der Religion Jesu“, die Erhaltung des guten Rufs der Universität und die genaueste Erfüllung ihrer akademischen Amtspflichten immer heilig gewesen seien. Die Vorschrift, nach der sie ihre exegetischen, dogmatischen und homiletischen Vorlesungen künftig einzurichten angewiesen wurden, schien ihnen auf den Vorwurf gegründet zu sein, „als wären wir an allen den unrichtigen Lehrvorstellungen, die sich jetzt so vielfach hervorthun, und an der Unehrerbietigkeit, womit leider viele jetzt die heil. Schrift behandeln, desgleichen an dem sehr einreissenden Modeton in Predigten, allein oder größtentheils, Schuld“383. Dem Geist des Protestantismus freilich laufe eine Einschränkung der Denk- und Lehrfreiheit zuwider384. Woellner reagierte seinerseits ob dieses selbstbewußten Aufbegehrens empört und konzipierte ein scharfes Reskript, das unter dem 22. August an die theo377

AaO Bl. 192r–193v. AaO Bl. 192v. 379 AaO Bl. 193r. 380 AaO Bl. 192r. 381 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 88, Bl. 9r [Konzept]. 382 AaO Bl. 11r–14v. 383 AaO Bl. 11r. 384 AaO Bl. 13r. 378

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logische Fakultät erging385, die unter ausdrücklicher Androhung königlicher Ungnade die Anweisung erhielt, die Instruktion zu befolgen386. Überdies sollten sich die Mitglieder der Fakultät unverzüglich einzeln kategorisch erklären, ob sie diesem Befehl in seinem ganzen Umfang gehorchen wollten. Schulze, Nösselt, Knapp und Niemeyer jedoch hüllten sich fast zwei Monate in Schweigen, so daß Hillmer schließlich am 16. Oktober ein Reskript entwarf, in dem die höchste Befremdung darüber zum Ausdruck gebracht wurde, daß diese Erklärung noch nicht eingegangen war387. Zwar konnten sich der Dekan Knapp sowie Nösselt, Schulze und Niemeyer nun einer Antwort nicht mehr entziehen, sie antworteten aber nicht als Einzelpersonen, sondern gemeinsam am 25. Oktober388. Keineswegs wollten sie sich, betonten die vier Professoren, durch eine unumschränkte Lehrfreiheit von ihrer Pflicht entbinden, den Charakter evangelischer Lehrer zu behaupten und sich als gehorsame Untertanen dem vom König im Religionsedikt intendierten Willen zu fügen. Sie hielten die Bibel für die Richtschnur ihres christlichen Glaubens und Lehrens, obgleich sie den Sinn der Bibel nach ihrer besten Erkenntnis und unabhängig von menschlichen Vorschriften erklären müßten389. Selbstbewußt bezogen die Hallenser Position gegen die Immediat-Examinationskommission, die bislang als Kläger gegen die Fakultät agiert habe und daher nicht zugleich Richter in der Sache der Fakultät sein könne. Wie wenig sie sich zum Richteramt eigne, zeige sich bereits dadurch, daß sie – entgegen dem königlichen Gesetz – über die unter dem 11. Juli eingereichte Vorstellung abfällig urteile und sie eine Erdreistung nenne, obwohl in ALR II 20 § 156 bestimmt war, daß es jedem freistehe, „seine 385

AaO Bl. 15r [Konzept]. Das Exemplar von Schreiberhand findet sich aaO Bl. 16r. Ein ausführliches Gutachten der Immediat-Examinationskommission war beigelegt. AaO Bl. 17r–26r [Abschrift]. Es sei „notorisch“, daß die theologische Fakultät zu Halle „auf dem von Semlern betretenen Wege“, auf dem nicht nur einzelne biblische Stellen und Bücher im Blick auf ihre kanonische Richtigkeit zweifelhaft geworden seien, sondern das ganze Alte Testament zurückgesetzt und seine Beziehung auf das Neue Testament entweder aufgehoben oder verdunkelt werden solle, nicht nur bislang fortgegangen, sondern auch noch zu weiteren Verwirrungen Anlaß gegeben habe. Ebenso „notorisch“ sei die bisher „ganz unerhörte“ exegetische Behandlung auch sogar solcher biblischer Stellen, welche die eigentliche Beweiskraft für dogmatische „Hauptwahrheiten“ enthielten. AaO Bl. 17r [Abschrift]. Die Examinationskommission müsse bekennen, daß sie fast jeden Kandidaten wegen der „eingesogenen falschen Exegetischen und Dogmatischen Principien“, gänzlicher Unbekanntschaft mit der Bibel, Unfähigkeit, einen biblischen Text im Kanzelvortrag zur Belehrung und Erbauung der Zuhörer anzuwenden, und fehlender theologischer Denkungsart abweisen müßte, wenn sie nicht bei vielen die in den Trivialschulen ehemals erworbenen Kenntnisse wieder aufwecken könnte. AaO Bl. 17r–17v [Abschrift]. 387 Jedes Mitglied der Fakultät sollte eine besondere Erklärung einschicken. AaO Bl. 27r [Konzept]. 388 AaO Bl. 28r–29r. 389 AaO Bl. 28r. 386

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Zweifel, Einwendungen, und Bedenklichkeiten gegen Gesetze und andre Anordnungen im Staate, so wie überhaupt seine Bemerkungen und Vorschläge über Mängel und Verbesserungen, sowohl dem Oberhaupte des Staats, als den Vorgesetzten der Departements anzuzeigen“. Da die Immediat-Examinationskommission immer fortfahre, dem König die Lehrer der Hallenser theologischen Fakultät als Theologen zu schildern, welche die christliche Religion „untergraben“ und sogar gefährliche Grundsätze hegen würden, die zuletzt auf den Umsturz aller guten Ordnung im Staat und auf eine der Französischen Revolution ähnliche Revolution hinführten, seien sie in dieser für sie „so kränkenden Lage“ nicht imstande, die von ihnen geforderte kategorische Erklärung zu geben390. Vielmehr baten Knapp, Nösselt, Schulze und Niemeyer selbstsicher um eine unparteiische Untersuchung der Sache und überließen es dem König, ob sich das Oberkonsistorium oder einige auswärtige theologische Fakultäten am besten zur Untersuchung der Sache eignen würden391. In Ermangelung probater Mittel konzipierte Hillmer unter dem 5. November ein beschwichtigendes Reskript392. Die theologische Fakultät suche eine „an sich gänzlich klare Sache“ durch unnötige Einwendungen zu verweitläufigen, denn es sei weder von Klägern noch von Richtern die Rede, und es existiere kein Grund, die von ihr verlangte Untersuchung durchzuführen. Überdies sei ihr die Instruktion nicht von der Immediat-Examinationskommission, sondern vom Geistlichen Departement zugefertigt worden. Die Fakultät solle nun die geforderte Erklärung einreichen. Die Hallenser Professoren wandten sich schließlich an den Staatsrat. Am 22. Januar 1795 antwortete der Staatsrat beschwichtigend, daß die Fakultät für sich eine eigene Instruktion entwerfen und zur Bestätigung einreichen könne. Die Fakultät gab sich mit dieser Antwort zufrieden und bekundete kein Interesse an dem Entwurf einer eigenen Instruktion393. 3. Das Kloster Berge Der Visitation von Hermes und Hillmer im Kloster Berge394 folgte noch ein Nachspiel. Denn die beiden hatten einen verheerenden Eindruck vom Wirken und privaten Gebaren des 65jährigen Abtes Friedrich Gabriel Resewitz gewon390

AaO Bl. 28v. AaO Bl. 29r. 392 AaO Bl. 31r [Konzept]. 393 Wilhelm Schrader, Geschichte der Friedrichs-Universität zu Halle, Erster Teil, Berlin 1894, 524 f. 394 Zum Kloster Berge vgl. Wolfgang Neugebauer, Absolutistischer Staat und Schulwirklichkeit in Brandenburg-Preußen. Mit einer Einführung von Otto Büsch, VHK 62, Berlin / New York 1985, 378. 391

VII. Die Visitationsreise von Hermes und Hillmer

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nen, der seit zwanzig Jahren dieses Amt verwaltete395. Bei den Schülern des Paedagogiums konstatierten Hermes und Hillmer eine besondere Unkenntnis der Bibel und der christlichen Wahrheiten. Nur einige der Allerjüngsten wußten recht gute Antworten zu geben; dieses Wissen hätten sie jedoch aus den Trivialschulen mitgebracht396. Am 11. Oktober 1794 erstattete Woellner dem König summarischen Bericht397. Die „wichtige“ Schulanstalt zu Kloster Berge, die sich ansonsten „in einem so blühenden Zustande“ befinde, sei nach dem Bericht der Kommissarien Hermes und Hillmer „so tief herabgesuncken“, daß er nachdrücklich um die Anweisung bat, die ökonomische Verwaltung des Klosters, die nur von dem Abt Resewitz – einem „notorischen Néologen“398 – abhänge, „genau und strenge“ untersuchen zu lassen. Zu diesem Zweck hatte Woellner bereits eine an sich selbst gerichtete Kabinettsordre konzipiert. In dieser auf den 12. Oktober 1794 datierten Kabinettsordre wurde ihm befohlen, unverzüglich durch eine spezielle Kommission die ganze Beschaffenheit des Klosters Berge und insbesondere das Betragen des Abtes Resewitz genau und streng untersuchen zu lassen399. Dies sei notwendig, da der Bericht von Hermes und Hillmer „so äußerst unvortheilhaft nicht bloß in Absicht der Religion sondern auch des ganzen gegenwärtigen Zustandes von Kloster Berge“ ausgefallen sei. Der König wolle den Grund von dem „Verfall“400 dieser ehemals so berühmten Schulanstalt erfahren. 395 Karl Abraham Freiherr v. Zedlitz hatte 1774 Friedrich II. den Prediger Resewitz in Kopenhagen für das Amt des Abtes vom Kloster Berge vorgeschlagen. Bereits 1788 erwartete Resewitz Ungemach, als Unregelmäßigkeiten bei den das recht große Klostervermögen betreffenden Rechnungen festgestellt wurden. Jedoch seine Stelle durfte er beibehalten, er mußte dem Kloster nur eine Entschädigungssumme von 500 Talern zahlen. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 327 f. Resewitz verfügte über Einnahmen von 2.000 Talern, lebte in einer komfortablen Dienstwohnung und brauchte für Licht, Feuerung, Wäscherei, Barbier, Perückenmacher und ärztliche Dienste nichts zu zahlen, da die Anstalt alle Kosten übernahm. Er konnte über eine Equipage mit Kutscher, Vorreiter und Bedienten verfügen. Ebenbürtigen Umgang mit Standesgenossen mied er, vielmehr betrachtete er sie als ihm Untergebene. „Den Ton in seinem Hause gab die Frau Äbtin an, der man unerträgliche Hoffart nachsagte.“ AaO 320. 396 AaO 321. 397 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 87r. 398 Ebd. 1775 hatte Zedlitz den durch reformpädagogische Schriften bekannten Resewitz als Nachfolger des Abtes Johann Friedrich Hähn bestimmt. Karl-Ernst Jeismann, Das preußische Gymnasium in Staat und Gesellschaft, Bd. 1 Die Entstehung des Gymnasiums als Schule des Staates und der Gebildeten 1787–1817, Industrielle Welt 15, 2. Aufl., Stuttgart 1996, 63 und 78. Friedrich der Große hatte höchstselbst die Absetzung Hähns gegen den erklärten Willen der Oberkonsistorialräte und des Ministers Ernst Friedemann v. Münchhausen vollziehen lassen. v. Münchhausen wurde sogar wegen seines milden Vorgehens mit der Entlassung bestraft. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 45. 399 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 87r. 400 Ebd.

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F. Die Geistliche Immediat-Examinationskommission

1796 schließlich verlor Resewitz die Direktion des Paedagogiums zu Kloster Berge bei Magdeburg. Ihm blieben freilich die Abtswürde sowie ein jährliches Einkommen von mehr als 2.000 Talern401. Ansonsten zeigte die Visitation kaum Wirkungen. „Es ist also deutlich zu erkennen, daß die Immediat-Examinationskommission in der Schulwirklichkeit machtlos blieb; diese Aussage gilt für die brandenburgische Zentralprovinz Preußens und erst recht in den von der Hauptstadt entfernteren Provinzen“402.

401 Philippson, Geschichte, Bd. 2, 90 f und Schwartz, Der erste Kulturkampf, 328 f. Am 27. Dezember 1796 berichteten Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker dem König, daß die bereits 1795 beschlossene Reform des „wichtigen“ Kloster-Bergischen Instituts nunmehr weitgehend durchgesetzt war. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 42r. 402 Neugebauer, Absolutistischer Staat, 200. Vgl. auch aaO 197–199. Für die Neumark vgl. Paul Schwartz, Die neumärkischen Schulen am Ausgang des 18. und am Anfang des 19. Jahrhunderts, Schriften des Vereins für Geschichte der Neumark 17, Landsberg a.W. 1905, 82–84. Im Netzedistrikt war das Religionsedikt bereits 1788, im südlichen Posen erst 1793 in Kraft getreten. Arthur Rhode, Geschichte der evangelischen Kirche im Posener Lande, Marburger Ostforschungen 4, Würzburg 1956, 132.

G. Das Universitätswesen Woellner nahm nicht nur die Geistlichen, sondern auch die Studenten und Professoren der Theologie in den Blick. Denn wenn der Kampf gegen die Aufklärung Erfolg haben sollte, mußte auch die Ausbildung der jungen Theologen beobachtet werden.

I. Der Revers Sowohl die Geistlichen als auch die Universitätsprofessoren sollten einen Revers unterschreiben und sich zum Religionsedikt vom 9. Juli 1788 bekennen. Unter dem 2. Mai 1794 erging ein Circulare an die Universitäten Halle an der Saale, Königsberg, Frankfurt an der Oder und Duisburg1. Damit der „zunehmenden Neologie so viel möglich auf alle Weise gesteuret“ werde, wollte der König, daß künftig allen neu angehenden Lehrern der Theologie der beigelegte gedruckte Revers2 durch den jeweiligen Rektor in zweifacher Ausführung zur Unterschrift vorgelegt werden solle3. In dem Revers versprach der Universitätslehrer, daß er es „als heilige und unnachläßliche Pflicht auf mein Gewissen nehme: zu jeder Zeit alles sorgfältig zu vermeiden, wodurch ich die Jugend in der Verachtung der Christlichen Religion, der heiligen Schrift, und des öffentlichen Gottesdienstes bestärken, geschweige sie dazu verleiten könnte; sondern vielmehr nach meinen Kräften alles beyzutragen, daß Liebe zur Religion, Befolgung ihrer Vorschriften, und ächte Gottseligkeit unter der Jugend je mehr und mehr herrschend werde. Ich 1 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 2, Bl. 1r [Konzept]. In der Konferenz der Geistlichen Immediat-Examinationskommission vom 24. April 1794 war ein von der Kommission entworfener „gründlicher“ Revers verlesen worden, den jeder Lehrer an den Schulen und Universitäten beim Antritt seines öffentlichen Lehramts an Eides Statt unterschreiben und mit dem er versprechen sollte, daß er auf keine Weise gegen „die reine christliche Religion“ handeln und oder diese Religion „zum Aegernisse [sic] junger Gemüther bey denselben verkleinern wolle“. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 71r–72r, hier 71v. Das Konferenzprotokoll hatten Woellner, Hermes, Hillmer und Hecker unterschrieben. AaO 72r. Theodor Carl Georg Woltersdorff hatte wegen „wichtiger Amtsgeschäfte“ an der Sitzung nicht teilgenommen. AaO 71r. 2 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 2, Bl. 2r–2v. 3 Ein Exemplar sollte bei den Akten der theologischen Fakultät aufbewahrt und das andere an das Oberschulkollegium geschickt werden.

324

G. Das Universitätswesen

verspreche daher ins besondere: daß ich weder in noch ausser meinen Unterrichtsstunden, weder schriftlich noch mündlich, weder directe noch indirecte etwas gegen die heilige Schrift, gegen die Christliche Religion, und gegen die Landesherrlichen Anordnungen und Verfügungen im Religions- und Kirchenwesen vorbringen, vielmehr mich nach den Vorschriften des Religions-Edicts d. d. 9. Julii 1788. in allen Stücken genau richten will.“ Dieses Versprechen bekräftigte er dann durch einen Handschlag.

II. Die Universitäten Mit Ausnahme der Hallenser Universität waren die Universitäten in keinem guten Zustand. Sowohl in materieller als auch in wissenschaftlicher Hinsicht hafteten ihnen viele Mängel an, denn Friedrich der Große hatte sich um das Unterrichtswesen, um Universitäten und Schulen, kaum gekümmert4. Der preußische Staat umfaßte insgesamt vier Landesuniversitäten: Königsberg5, Duisburg6, Frankfurt an der Oder7 und Halle an der Saale8. Nachdem die Für-

4 Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 1, Leipzig 1880, 133. 5 Die 1541 gestiftete Königsberger Albertus-Universität war 1544 eröffnet worden. Ihr herausragendster Vertreter war im 18. Jahrhundert in der Philosophischen Fakultät Immanuel Kant. 1944 wurde die Albertina geschlossen. Zwischen ihr und der 1967 gegründeten sowjetrussischen Universität Kaliningrad besteht keine direkte Kontinuität. Hermann Dembowski, Art. Königsberg, Universität, in: TRE 19 (1990), 305–311; Thomas Kaufmann, Art. Königsberg, Universität, in: RGG4 4 (2001), 1584–1586 und Friedrich Richter, 450 Jahre Albertus-Universität zu Königsberg/Pr. 1544 – 1944 – 1994. Berichte und Dokumentationen zu ihrer jüngsten Geschichte. Die 400-Jahrfeier vom Juli 1944. Die wirtschaftlichen Staatswissenschaften, Stuttgart 1994, 174. Gründungsrektor war Philipp Melanchthons Schwiegersohn Georg Sabinus. Heinz Scheible, Georg Sabinus (1508–1560). Ein Poet als Gründungsrektor, in: Rauschning, Dietrich/v. Nerée, Donata (Hg.), Die Albertus-Universität zu Königsberg und ihre Professoren. Aus Anlaß der Gründung der Albertus-Universität vor 450 Jahren, JAUK 29 (1994), Berlin 1995, 17–31. 6 Die 1655 gegründete, zunächst blühende Universität Duisburg wurde seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend unbedeutender und schloß 1818 ihre Pforten. Die heutige Gerhard-Mercator Universität-Gesamthochschule ist eine Neugründung aus dem Jahre 1972. Peter Mennenöh, Art. Duisburg, Universität, in: RGG4 2 (1999), 1013 und Joachim Mehlhausen, Art. Duisburg, Universität, in: TRE 9 (1982), 215–218. 7 Im April 1506 war als letzte vorreformatorische Universität die Viadrina zu Frankfurt an der Oder eröffnet worden. Im 18. Jahrhundert wurde sie in ihrer Bedeutung in Preußen nur von der Universität zu Halle übertroffen. Nachdem die Viadrina 1811 nach Breslau verlegt worden war, wurde sie 1991 in Frankfurt an der Oder als Europa-Universität wiedergegründet. Ulrich Knefelkamp, Art. Frankfurt an der Oder, Universität, in: RGG4 3 (2000), 217 f und Gerd Heinrich, Art. Frankfurt an der Oder, Universität, in: TRE 11 (1983), 335–342. 8 Als die Hallenser Universität 1694 offiziell eröffnet wurde, waren bereits mehrere Jahre an Aufbauarbeit verstrichen. Während des 18. Jahrhunderts avancierte sie zur meistbesuchten

II. Die Universitäten

325

stentümer Ansbach und Bayreuth 1791 an Preußen gefallen waren, kam noch die Universität Erlangen hinzu9. Seit der Gründung des Oberschulkollegiums befanden sich die Universitäten unter dessen Oberaufsicht. Die Universitäten von Frankfurt und Halle standen unter unmittelbarer Oberaufsicht, die Universität von Duisburg stand durch die Klevische Regierung nur unter mittelbarer Oberaufsicht, ebenso wie die Universität von Königsberg durch das Ostpreußische Staatsministerium. Über die Erlanger Fakultät hatte das Fränkische Landesministerium das Oberkuratorium inne, bis diese Fakultät seit 1795 unter der gemeinsamen Aufsicht des Landesministers Karl August Freiherr v. Hardenberg10 und Woellners stand11. Als oberster Behörde unterstanden die theologischen Fakultäten in Frankfurt, Königsberg, Halle und Erlangen dem Geistlichen Departement. Nur die reformierte Fakultät in Duisburg war dem reformierten Kirchendirektorium untergeordnet12. 1788 wurde in Preußen das Abitur eingeführt. Freilich konnten die jungen Männer auch ohne ein Reifezeugnis die Universitäten besuchen. Nur die Vergabe von Stipendien war an das Abitur gebunden13.

Universität Preußens. Udo Sträter, Art. Halle, Universität, in: RGG4 3 (2000), 1391–1393 und Ernst Kähler, Art. Halle, Universität, in: TRE 14 (1985), 388–392. 9 Bereits seit Ostern 1792 durften preußische Studenten die Erlanger Universität besuchen. Die bedeutendsten Lehrer der Theologischen Fakultät in Erlangen waren die Aufklärer Christoph Friedrich Ammon und Georg Friedrich Seiler. 1794 verließ Ammon freilich Preußen und nahm einen Ruf nach Göttingen an; erst 1804 kehrte er nach Erlangen zurück. Paul Schwartz, Der erste Kulturkampf in Preußen um Kirche und Schule (1788–1798), MGP 58, Berlin 1925, 332–334 und Hanns Christof Brennecke, Art. Erlangen, Universität, in: RGG4 2 (1999), 1418–1420. Über die Zeit der preußischen Herrschaft vgl. Alfred Wendehorst, Geschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 1743–1993, München 1993, 55–66. 10 Zum Landesministerium der Fürstentümer Ansbach und Bayreuth vgl. Handbuch über den königlich preussischen Hof und Staat für das Jahr 1796, 313 und Handbuch über den königlich preussischen Hof und Staat für das Jahr 1797, 342. Zu Karl August v. Hardenberg vgl. Peter Gerrit Thielen, Karl August von Hardenberg 1750–1822. Eine Biographie, Köln / Berlin 1967. 11 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 331 Anm. 1 und Manfred Heinemann, Schule im Vorfeld der Verwaltung. Die Entwicklung der preußischen Unterrichtsverwaltung von 1771–1800, SWGB 8, Göttingen 1974, 353 f. 12 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 440. 13 NCC 8 (1789), Nr. 2, Reskript vom 8. Januar 1789 und Edikt vom 23. Dezember 1788, 2375–2392. Wolfgang Neugebauer betont, daß dem Abitur in der zeitgenössischen Schulwirklichkeit keine zu große Bedeutung beigemessen werden dürfe. Wolfgang Neugebauer, Absolutistischer Staat und Schulwirklichkeit in Brandenburg-Preußen. Mit einer Einführung von Otto Büsch, VHK 62, Berlin/New York 1985, 188.

326

G. Das Universitätswesen

1. Die Universität zu Königsberg Die Entscheidung, in Königsberg zu studieren, wurde durch die zahlreichen Stipendien und Freitische begünstigt. Insgesamt zeichneten sich die Studenten in Königsberg durch mehr Fleiß und besseres Betragen aus als die Studenten der anderen Universitäten, da die beengte finanzielle Situation besondere Eskapaden nicht beförderte. Zu Beginn jedes Semesters mußten die Studenten beim Senat vorstellig werden, um sich über die Organisation ihres Studienhalbjahres beraten zu lassen14. Mit der Königsberger Universität führte die Geistliche Immediat-Examinationskommission wegen Immanuel Kant eine Auseinandersetzung15. 2. Die Universität zu Duisburg In Duisburg hatte die Immediat-Examinationskommission keine Arbeit zu gewärtigen16. Duisburg war die kleinste Universität in Preußen, und auch die Aufklärung hatte sich hier nicht verbreiten können17. 3. Die Universität zu Frankfurt an der Oder Auch an der Frankfurter Universität entfaltete die Immediat-Examinationskommission keine besondere Wirksamkeit18. Nur zwei nennenswerte Konflikte entstanden. Der erste Konflikt begann, als Johann Justin Henkel aus Lichtenberg bei Frankfurt 1793 eine Dissertation vorlegte19. Der Titel enthielt bereits die These, die Henkel in seinem Buch bejahte: „dissertatio theologica qva inspirationem evangeliorvm actorvmqve apostolorvm sine vllo re ligionis christianae damno negari posse dispvtatvr“. Nachdem die Im14

Schwartz, Der erste Kulturkampf, 347. Zur Ausstattung der Königsberger Universität, die Friedrich Wilhelm II. sogleich nach seiner Thronbesteigung mit einer jährlichen Vermehrung ihrer Einkünfte um 2.000 Taler bedachte, vgl. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 135 f und 140 f. Bereits unter dem 27. September 1786 war an Karl Abraham v. Zedlitz durch eine Kabinettsordre der Befehl ergangen, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Königsberger Universität in einen besseren Stand gesetzt werden könnte. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 265, Bl. 3r. 15 Vgl. Kapitel J.VI. 16 In den Akten finden sich keine Kabalen mit Woellner oder der Immediat-Examinationskommission. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 285, Bl. 3r–241r. 17 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 339–341. 18 Zur kargen Ausstattung der Frankfurter Universität vgl. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 134 f und 140. 19 Die Dissertation erschien in gedruckter Fassung. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 7r–22r.

II. Die Universitäten

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mediat-Examinationskommission den König am 15. November 1793 auf das Büchlein aufmerksam gemacht hatte20, war sowohl von der Frankfurter Universität als auch von dem Professor Johann Philipp Friedrich Dettmers21, unter dessen Vorsitz die Dissertation gehalten worden war, in Reskripten vom 26. November 179322 eine Erklärung gefordert worden23. Unter dem 19. Dezember 1793 antwortete Dettmers apologetisch24. Henkel habe sich als Schüler und Student durch seinen guten moralischen Charakter und durch seinen Fleiß stets die Achtung der Lehrer erworben25. Mit seiner Dissertation habe Henkel beweisen wollen, daß die Geschichte der Evangelien historisch derartig gewiß sei, daß die Deisten selbst die Inspiration in rebus gestis, welche die Apostel selbst mit angesehen hätten oder von denen sie durch glaubwürdige Zeugen unterrichtet worden seien, leugnen und dennoch dem Christentum durch solches Leugnen keinen Schaden zufügen könnten, weil es auf eben diese festen historischen Gründe gestützt sei26. 20 AaO Bl. 5r [Konzept]. Die Ausführung findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 140, Bl. 87r–87v. v. Irwing konzipierte auf dieser Anzeige handschriftlich das Reskript an Dettmers. AaO Bl. 87r. 21 Der reformierte Dettmers war 1751 geboren worden. Von 1777 bis 1809 wirkte er als Rektor der Frankfurter Friedrichschule. 1793 wurde er außerordentlicher Professor und wirkte in den Gebieten der Kirchengeschichte und des Neuen Testaments. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 344 Anm. 2. 22 Die verweisenden Reskripte finden sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 140, Bl. 88r–88v [Konzept]. Ausfertigungen ohne Unterschrift Woellners finden sich aaO Bl. 89r und 91r. Jedoch konzipierte v. Irwing auf den Ausfertigungen, daß zuerst an die Frankfurter Universität und an Dettmers Reskripte mit der Aufforderung ergehen sollten, sich darüber zu verantworten, wie sie diese Disputation hätten halten lassen können. Die Konzepte dieser Reskripte vom 10. Dezember 1793 finden sich aaO Bl. 90r und 92r. 23 Am 26. Dezember 1793 betonte Woellner aus einem anderen Anlaß gegenüber dem König, daß er „hauptsächlich auf die Universitaeten sehr aufmercksam“ sei. Noch vor kurzem habe er einen Frankfurter Professor wegen einer gedruckten Disputation, die ihm „wenigstens leichtsinnig zu sein schien, zur Verantwortung gezogen“. In demselben selbstrechtfertigenden Duktus schloß Woellner das Schreiben: Der König habe „vollkommen recht, daß man zu jetzigen Zeiten nicht wachsam genug sein kann, um alles aufkeimende Böse, welches solche schlechte Menschen mündlich und schriftlich gegen die Religion und gute Ordnung in einem Staate zu verbreiten suchen, gleich in der Geburth zu ersticken, und ich lasse mir auch hierinn nach meinem Gewissen nichts zu Schulden kommen; sondern bin gleich unermüdet hinter alles her, was nur irgend zu meiner Kentniß gelanget“. Diese Beteuerung Woellners gewinnt durch ihren Nachdruck nicht an Glaubwürdigkeit, sondern verdeutlicht vielmehr, wie sehr er gezwungen war, seine Position fortwährend zu stabilisieren. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 2, Bl. 14r. 24 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 140, Bl. 99r–99v und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 24r–25v [Abschrift]. 25 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 140, Bl. 99r und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 24r [Abschrift]. 26 AaO Bl. 25r [Abschrift]. Unter dem 7. Januar 1794 ließ Woellner mit einem königlichen Spezialbefehl eine Abschrift davon an die Immediat-Examinationskommission schicken. AaO Bl. 23r.

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G. Das Universitätswesen

Zu Beginn des neuen Jahres, am 16. Januar 1794, rechtfertigte sich als Zensor der Schrift der Dekan Christian Friedrich Elsner, der keinen Verstoß gegen § 2 des Zensuredikts vom 19. Dezember 1788 erkennen konnte27, da Henkel sich nur gegen die im Protestantismus schon immer umstrittene Inspirationslehre gewendet habe28. Die Immediat-Examinationskommission gab sich mit diesen Erklärungen zufrieden, weil sie wohl, da Dettmers und Elsner nicht Lutheraner waren, sondern dem reformierten Bekenntnis angehörten, einen Zusammenstoß mit dem genau auf seine Rechte achtenden reformierten Kirchendirektorium fürchtete, dem seit wenigen Wochen Friedrich Wilhelm v. Thulemeyer vorstand29. Ein zweiter Konflikt mit der Frankfurter Fakultät entstand, als im Sommerhalbjahr 1794 der Professor Philipp Ludwig Muzel ein Kolleg über Kants neues Buch „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ ankündigte30. Unter dem 8. März 1794 hatte die Frankfurter Universität ihren Lektionskatalog eingeschickt31, und unter dem 18. März erging an die Fakultät ein von Woellner und Friedrich Gedike unterschriebenes Reskript, daß an dem Kollegplan nichts auszusetzen sei und er also gedruckt werden könne32. Nachdem die Universität dann unter dem 22. April zwölf Exemplare des gedruckten Lektionskatalogs überreicht hatte33, wurde ihr unter dem 29. April in einem Reskript beschieden, daß die Immediat-Examinationskommission – da im gegenwärtigen Semester keine lutherische Dogmatik über das vorgeschriebene Kompendium des Morus gelesen werde – für das kommende Winterhalbjahr wieder ein dogmatisches Kolleg erwarte34. Wenige Tage später freilich erging unter dem 2. Mai ein von Woellner unterschriebenes Reskript an Muzel, dem aufgetragen wurde, über Kants Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft „schlechterdings nicht zu lesen“35, sondern ein „nützlicheres“ Collegium vorzuschlagen.

27 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 140, Bl. 102r–103r und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 27r–28r [Abschrift]. Diese Abschrift erhielt die Immediat-Examinationskommission mit einem königlichen Spezialbefehl unter dem 28. Januar 1794. AaO Bl. 26r. 28 AaO Bl. 27v. 29 Am 8. Oktober und nochmals am 25. November 1793 hatte Woellner dem König als Wolfgang Ferdinand v. Dörnbergs Nachfolger Friedrich Wilhelm v. Thulemeyer vorgeschlagen. Vgl. Kapitel A.X.2.d. 30 Der Lektionskatalog für das Sommerhalbjahr 1794 findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 197, Bl. 103r–110r. 31 AaO Bl. 102r. 32 AaO Bl. 111r [Konzept]. 33 AaO Bl. 112r. 34 AaO Bl. 117r [Konzept]. Dieses Reskript hatte Gedike konzipiert. AaO Bl. 112r. 35 AaO Bl. 118r [Konzept].

II. Die Universitäten

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Muzel aber ersann einen schlauen Plan zu seiner Rechtfertigung und schrieb am 12. Mai 1794 an den König36. Das Kolleg habe er sich in doppelter Hinsicht zu lesen vorgenommen. Zum einen wollte er zeigen, wie man „mit Prüfung und Nutzen“ Bücher lesen müsse, und zum andern wollte er über einige dem ganzen Werk zugrundeliegende, „hie und da“ auch ausdrücklich geäußerte Ideen, die der geoffenbarten Religion schädlich werden könnten, die Gedanken seiner Zuhörer berichtigen. In seinen Vorlesungen, versicherte Muzel, suche er stets Christentum und natürliche Religion voneinander zu unterscheiden. Er hatte mit seiner Erklärung Erfolg, so daß unter dem 25. Juni 1794 ein Reskript an ihn erging, daß seine Erklärung „mehr als hinreichend“ sei, um die Lesung zu gestatten37. Der König sähe es sogar „sehr gerne“, wenn Muzel das Kolleg im nächsten Winterhalbjahr wieder läse und damit nach eigenem Befinden fortführe. Im nächsten Winterhalbjahr trug Muzel dasselbe Kolleg dann tatsächlich noch einmal vor38. 4. Die Universität zu Halle an der Saale a) Der Kanzler Carl Christoph v. Hoffmann Die bedeutendste preußische Universität befand sich in Halle an der Saale. Der dortigen theologischen Fakultät gehörten der Senior Johann August Nösselt, August Hermann Niemeyer, Johann Ludewig Schulze39 und Georg Christian Knapp an40. Am 6. September 1786 wurde Carl Christoph v. Hoffmann als Geheimer Rat und Kanzler bei der Universität Halle bestallt41. v. Hoffmann, ein „Sechsundachtziger“, lebte einen entschiedenen Adelsdünkel42. Den bürgerlichen Studenten verbot er, Epauletten zu tragen, während den adligen Kommilitonen das Tragen dieses Schmuckes erlaubt war. Die Bürgerlichen reagierten aufsässig: 36

AaO Bl. 119r–120r. AaO Bl. 121r [Konzept]. Das hatte Woellner auf Muzels Brief konzipiert. AaO Bl. 119r [Konzept]. 38 Der gesamte Lektionskatalog für das Winterhalbjahr 1794 findet sich aaO Bl. 113r–136v. 39 Am 26. Juli 1788 hatte Johann Ludewig Schulze aus Halle ein Gratulationsschreiben an Woellner zu dessen Erhebung zum Etatsminister verfaßt. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 29, Bl. 43r–43v. Er habe die „gegründeteste“ Hoffnung und habe aus dem „preiswürdigsten“ Edikt bereits ersehen, daß „die Religion, und ihre verehrungswerthen, aber von vielen bisher so dreist verspotteten, Lehren“ unter Woellners Vorsitz im Geistlichen Departement Schutz finden würden. AaO Bl. 43v. 40 Zur guten Ausstattung der Hallenser Universität vgl. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 136–140. 41 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 52, Bl. 5r–6v [Konzept]. 42 Hoffmann war ebenso wie Woellner ein sogenannter Sechsundachtziger. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 51. Zu den sogenannten Sechsundachtzigern vgl. Kapitel A.X.6.a. 37

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G. Das Universitätswesen

Sie umhüllten ihre Epauletten mit Flor, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen, daß der Kanzler wohl den Verstand verloren habe43. In einem undatierten Schreiben44 berichtete Hoffmann Woellner von den neuesten Unannehmlichkeiten. Zwischen Hoffmann und seinem Kollegen Georg Forster herrschten unüberwindbare Differenzen: Forster hatte in seinem Kolleg nicht nur das Verbot des Tragens der Uniformen und Epauletten mißbilligt, sondern auch der Jugend einen Wink geben wollen, daß die Beleidigung Hoffmanns noch größer gewesen wäre, wenn man die Bäume in dessen Garten ruiniert hätte45. Außerdem hatte Forster Hoffmann bei Woellner durch eine „infame Lüge“46 „zu verschwärtzen“47 gesucht, indem er behauptet hatte, daß Hoffmann über Woellners Erhebung zum Minister höchst unzufrieden gewesen sei48. Hoffmann freilich betonte, daß er mit Forster seit fast vier Monaten überhaupt nicht gesprochen habe und ihm im übrigen nichts Böses, sondern vielmehr Gutes getan habe. Resigniert resümierte er: „welche schwache Seelen findet man je länger man lebt“49. Erst in der letzten Hälfte der letzten Seite seines Schreibens kam Hoffmann, durchaus nicht überschwenglich, auf das „Religions Edict“ zu sprechen, mit dem er „sehr zufrieden“ sei50. Toleranz und Freiheit im Denken würden nicht eingeschränkt, und Woellner wisse, daß sie sich schon etliche Jahre zuvor über das heterodoxe Predigen unterredet und eine „Barriere“ gewünscht hätten, denn: „Alles weg nehmen und nichts wieder geben das ist trostlos machen.“51 Am Anfang hätten die aufklärerischen Neuerungen in Halle Eindruck gemacht, aber „selbst Semler“ habe dann geäußert: „das ist Recht, daß

43 Dies berichtete der Prediger Blumenthal seinem Freund Woellner am 7. August 1788. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 24, Bl. 42r–43v, hier 42v–43r. Vgl. auch Schwartz, Der erste Kulturkampf, 356 f Anm. 1. 44 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 19, Bl. 4r–5v. Das Schreiben liegt in den Akten hinter einem Brief v. Hoffmanns an Woellner vom 26. Juli 1788. 45 AaO Bl. 4v–5r. 46 AaO Bl. 5r. 47 Ebd. 48 Bereits am 12. Juli 1788 hatte sich Forster in einem Glückwunschschreiben an Woellner auf Kosten anderer darzustellen versucht: „Die vielen Zudringlichkeiten zahlloser Gratulanten, welche Ew. Excell. jetzt behelligen, befehlen mir kurz zu seyn und laßen mir nur den einen Wunsch übrig, daß Ew. Excell. Zeit übrig haben mögen, die ehrfurchtsvollen aufrichtigen Gesinnungen eines rechtschaffenen und nicht ganz unbrauchbaren Mannes, unter dem Gedränge feiler und eigennütziger Schmeichler zu unterscheiden“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 25, Bl. 47r–47v, hier 47v. 49 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 19, Bl. 5r. 50 AaO Bl. 5v. 51 Ebd.

II. Die Universitäten

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die religion Grentzen bekomt“52 und nicht jeder etwas fortnehmen oder hinzusetzen könne. Am 5. August 1788 dankte Hoffmann von Durkan aus Woellner für das an Forster erlassene Reskript53, das Forster hoffentlich wenigstens eine Zeit lang etwas einschränken werde, denn im Grunde habe er einen „furchtsamen Carackter“54. „Trotzig und verzagt“55 sei er. Drei Wochen später, am 26. August, schrieb Hoffmann wiederum an Woellner56, den er als „Freund“57 bezeichnete. Er war erleichtert. Von einem freundschaftlichen Brief des Staatsministers war er überzeugt worden, daß dessen berufliche Erhebung nichts an der seit Jahren bestehenden Freundschaft geändert hatte. Woellner hatte Hoffmann berichtet, daß von Hallensern in Briefen nach Berlin behauptet worden war, er hätte Woellners Erhebung zum Minister übel aufgenommen58. Hoffmann beschwor Woellner, ihm auch zukünftig von derartigen Verleumdungen zu berichten59. Doch auch weiterhin mußte Hoffmann in Halle fortwährend Auseinandersetzungen gewärtigen. Gegen Ende des Jahres60 bat er um seine Entlassung, nachdem die Kollisionen mit den Universitätslehrern, die das Amt des Kanzlers und die Einrichtung des Oberschulkollegiums als bevormundend verstanden61, für ihn unerträglich geworden waren. Am 31. Dezember 1790 wurde ihm schließlich auf sein wiederholtes Gesuch wegen, wie es hieß, seiner gesundheitlichen Umstände die Demission erteilt62. b) Ein angebliches Mordkomplott gegen Woellner Im Sommer 1792 schmiedeten Hallenser Theologiestudenten angeblich ein Mordkomplott gegen Woellner. Zumindest schrieb am 3. Juli 1792 aufgeregt der Student der Theologie Johann Ludewig Koch an den Staatsminister63. Koch 52

Ebd. AaO Bl. 6r–7r. 54 AaO Bl. 6r. 55 Ebd. 56 AaO Bl. 10r–11v. 57 AaO Bl. 10r. 58 Ebd. 59 AaO Bl. 10v. 60 Unter dem 17. Dezember 1790 schrieb v. Hoffmann Woellner, daß er an demselben Tag den König um die Demission gebeten hatte. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 52, Bl. 12r–23r. 61 Unter dem 28. November 1787 zum Beispiel hatte sich die Universität zu Halle wegen der Anstellung des Kanzlers v. Hoffmann und der Einrichtung des Oberschulkollegiums beim König beschwert. Ebd. 62 Die entsprechende Kabinettsordre an Woellner vom 31. Dezember 1790 findet sich aaO Bl. 73r. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 356 f gibt fälschlich den 21. Dezember an. 63 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 20, Bl. 1r–2v. 53

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G. Das Universitätswesen

war am vorangegangenen Abend spazierengegangen und kam, während er über die Folgen der „jetzigen sogenannten Aufklärung“ nachdachte, vom Weg ab. Als er sich immer weiter im Gebüsch verlor, hörte er plötzlich laute Stimmen. Er verbarg sich hinter einem Busch und sah etwa sechzehn bis zwanzig Gestalten, die er im fahlen Mondschein als Studenten identifizierte. Einer dieser Studenten sagte, daß deren Projekt „sich immer mehr in die Länge zieht, so lange Wöllner noch lebt“64. Durch ein Geräusch wurde Koch dann entdeckt, konnte aber glaubhaft machen, daß er interessiert sei, an den verborgenen Plänen der anderen mitzuarbeiten, so daß sie ihn für ihre nächste Versammlung einluden. Woellner war von Kochs Brief jedoch unbeeindruckt und antwortete nicht. Am 24. Juli 1792 griff Koch daher wiederum beflissen zur Feder65. Als er am 12. Juli um zehn Uhr abends zu der Verabredung gegangen war, hatte man ihn beschuldigt, in der Zwischenzeit an Woellner geschrieben zu haben. Dicht an seinem Kopf schoß dann eine auf ihn abgefeuerte Pistolenkugel vorbei, so daß er sich, um zu überleben, zum Schein auf den Boden warf und tot stellte66. Koch hatte inzwischen erfahren, daß der Orden der Zweiundzwanziger, deren Oberhaupt Carl Friedrich Bahrdt gewesen war67, sich nun in einer neuen Gestalt, unter dem Namen der „aufklärenden Union“ zeige. Dem Orden sollten viele und auch sehr hochgestellte Personen angehören, die nach und nach eine neue Staatsverfassung, eine Art von „Dämokratie“, einführen wollten68. Auch diesen Brief würdigte Woellner keiner Antwort69.

III. Die Einführung eines neuen Lehrbuchs der lutherischen Dogmatik 1. Der Auftrag an Nösselt zur Abfassung eines Lehrbuchs Woellner beschloß, daß nicht nur auf die bereits im Amt stehenden Geistlichen zu achten sei, sondern auch die Studenten der Theologie von neologischen Einflüssen ferngehalten werden müßten. Daher erging unter dem 27. März 1791 an die Professoren der Hallenser theologischen Fakultät ein von Woellner 64

AaO Bl. 1v. AaO Bl. 3r–4v. 66 AaO Bl. 3v. 67 Zu Carl Friedrich Bahrdt vgl. Kapitel J.II. 68 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 20, Bl. 4r. 69 Woellner bat den Hallenser Professor Johann Christian Woltaer, wegen des Komplotts Nachforschungen anzustellen. Woltaer freilich konnte über einen geplanten Anschlag nichts in Erfahrung bringen. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 242 f. 65

III. Die Einführung eines neuen Lehrbuchs der lutherischen Dogmatik

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konzipiertes Reskript70: Auf königlichen Befehl sollte für alle preußischen Universitäten ein neues „Lesebuch über die Dogmatic“ der lutherischen Kirche verfaßt werden, in dem „alle die Sätze der Neologen vermieden, und die alte Orthodoxie der Glaubens-Lehren der lutherischen Confession strenge beobachtet“ werden müßten. Der theologischen Fakultät werde dieses wichtige Geschäft in dem Vertrauen gegeben, daß sie sich ihm, schmeichelte Woellner, mit ihrer „bekannten Gelehrsamkeit“ widmen werde. Das in lateinischer Sprache abzufassende Manuskript sollte möglichst noch in demselben Sommer dem Geistlichen Departement zugestellt werden, damit bereits von Michaelis an auf allen Universitäten darüber gelesen werden könnte. Unverzüglich jedoch erbat die Fakultät, bestehend aus August Hermann Niemeyer, Johann August Nösselt71, Johann Ludewig Schulze und Georg Christian Knapp, unter dem 16. April 1791 eine Verlängerung der Frist, da ein Lehrbuch dieser Art mit größter Sorgfalt ausgearbeitet werden müsse und „eine reife und langsame Überlegung“ erfordere72. Woellner zeigte sich einsichtig, und die Fakultät betraute, nachdem in einem Reskript vom 3. Mai 1791 das Weihnachtsfest als Abgabetermin festgelegt worden war73, den Senior Nösselt mit dieser Aufgabe. Nösselt mühte sich redlich, war aber mit seinen Ausarbeitungen stets unzufrieden und brachte nichts Beständiges zu Papier; auch seine durch andere Dienstpflichten eingeschränkte Zeit und die Gesundheitsumstände verhinderten ein rasches Fortschreiten. Am Jahresende schließlich konnte er Woellner kein Manuskript, sondern nur die Bitte um eine Verlängerung der Frist bis Johannis 1792 senden74, die v. d. Hagen und Woellner dann genehmigten75. Doch auch diese Frist überschritt Nösselt, so daß unter dem 17. Juli 1792 eine Erinnerung an die theologische Fakultät zu Halle erging76.

70

Das noch einmal von Woellner verbesserte Exemplar von Schreiberhand findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 1, Bl. 164r–164v [Konzept]. Woellners unwesentlich variierendes Konzept findet sich aaO Bl. 163r [Konzept]. 71 Nösselt schrieb sich hier selbst ohne Umlaut. 72 AaO Bl. 166r–166v. 73 AaO Bl. 167r [Konzept]. 74 Am 30. Dezember 1791 schrieb Nösselt an Woellner. AaO Bl. 168r–168v. 75 Das Reskript von Schreiberhand datierte vom 10. Januar 1792. AaO Bl. 169r. v. d. Hagen hatte es konzipiert. AaO Bl. 168r. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 244 datiert es fälschlich auf den 21. März 1792, während Schwartz, Der erste Kulturkampf, 363 f das korrekte Datum angibt. 76 Das Kompendium solle, hieß es wiederholend, von Michaelis an auf den Universitäten den dogmatischen Vorlesungen zugrunde gelegt werden können. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 1, Bl. 171r. Diese von Gedike konzipierte Erinnerung hatten er selbst und Woellner unterschrieben. AaO Bl. 170r.

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2. Das Verbot von Niemeyers „Populäre[r] und praktische[r] Theologie“ Inzwischen war am 14. Mai 1791 die Geistliche Immediat-Examinationskommission ins Leben gerufen worden, und Nösselt hatte die Querelen zwischen der neuen Kommission sowie Woellner einerseits und August Hermann Niemeyer andererseits miterlebt. Am 20. Juli 1792 schrieb die Immediat-Examinationskommission an Woellner und bat, Niemeyer den Gebrauch des von ihm verfaßten Lehrbuchs „Populäre und praktische Theologie“ zu verbieten, da diese Schrift als Lehrbuch für akademische Vorlesungen geschrieben und nicht für den Privatgebrauch bestimmt war77. Die Kommission fügte eine Liste von Monita bei, die den Mangel an orthodoxen Grundlehren anklagten78. In der Lehre von der heiligen Schrift etwa werde nichts von deren göttlicher Inspiration erweislich gemacht79, und in der Lehre von Christus werde behauptet, daß die Erlösung durch Christus nur „eine bloße Verminderung der Hindernisse des Guten“80 sei. Niemeyer verwerfe außerdem die Lehre von der stellvertretenden Versöhnung. Woellner war von der Kritik überzeugt und verlangte eine Erklärung Niemeyers81. Er dürfe über sein neues Buch kein Kolleg lesen, zumal ihm am besten bekannt sei, daß von der Hallenser Fakultät gegenwärtig ein Lehrbuch der Dogmatik ausgearbeitet werde, über das allein gelesen werden solle. Unter dem 24. Juli erging dann ein entsprechendes Reskript an Niemeyer82. 3. Nösselts Bitte um Dispens von der Aufgabe Sobald Nösselt von dieser Maßregelung Niemeyers erfahren hatte, gedachte er sich seines Auftrages für ein allgemeines Lehrbuch zu entledigen, da er sich keinem geistigen Diktat unterwerfen wollte. Unter dem 10. August 1792 überreichte er seiner Fakultät eine Bitte um Dispensation, welche die Fakultät weiterleiten sollte83. Als äußerer Anlaß diente ihm die Mahnung, die er drei Wochen zuvor wegen der Einhaltung der Bearbeitungsfrist erhalten hatte84. Schon die vornehmlich mit seinem öffentlichen Beruf verbundenen vielfältigen Beschäftigungen und Zerstreuungen, die notwendige Erledigung 77

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 27, Bl. 53r. AaO Bl. 54r–56v. 79 AaO Bl. 54r. 80 AaO Bl. 55v. 81 Dies notierte Woellner auf dem Schreiben der Immediat-Examinationskommission. AaO Bl. 53r. 82 AaO Bl. 57r [Konzept]. 83 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 1, Bl. 189r–190v. Adressiert war das Schreiben an den König. 84 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 366. 78

III. Die Einführung eines neuen Lehrbuchs der lutherischen Dogmatik

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der ihm obliegenden Vorlesungen, die er täglich drei- bisweilen viermal habe halten müssen, seine schwächliche Gesundheit und die Beschwerden des herannahenden Alters hätten ihm nur sehr selten „diejenige Heiterkeit des Geistes und die nöthige Anstrengung verstattet“85, die eine derartige Arbeit erfordere. Jedoch noch weit größere Hindernisse, insgesamt drei, lagen in der Natur der Arbeit selbst86. Erstens: Ein Lesebuch, das für alle königlichen Universitäten gelten solle, bedürfe eines weit größeren Aufwands an vorläufigen Untersuchungen als eine Privatschrift, die bloß zum Unterricht des gemeinen Mannes oder der Kinder bestimmt war und in der man sich nur auf „das Gemeinnützige und Unentbehrliche“ einzuschränken brauchte, weil weder der große Umfang noch „die Bestimmtheit und Genauigkeit“ gefordert würden, die in einem Buch zum Unterricht der Gelehrteren ganz unentbehrlich seien. Außerdem: Sollte das Buch sogar Theologen und Lehrern auf den Universitäten zum Leitfaden dienen, die selbst denken und untersuchen müßten, müsse es – wenn Gewissensfreiheit aufrechterhalten, keine Unredlichkeit veranlaßt werden und ihre eigene Überzeugung nicht in Bedrängnis geraten sollten – in einer Weise abgefaßt sein, daß sie ihm mit Überzeugung folgen oder zumindest darüber lehren könnten, ohne wider ihr Gewissen oder mit einer Gleichgültigkeit zu sprechen, die der Religion und dem Christentum selbst nur großen Schaden zufüge. Und schließlich, hier erkannte Nösselt das dritte Hindernis, sei auf die Bedürfnisse der Gegenwart einzugehen, in der bereits außerordentlich viele Fragen untersucht worden seien – und auch zukünftig immer stärker untersucht werden müßten –, an welche die Vorfahren nicht gedacht hatten und bei denen die Gegner der Religion und des Christentums jede Blöße87 ausnutzen würden88: Daher könne man niemals zu große Vorsicht walten lassen, um alle derartigen Blößen zu vermeiden; man dürfe nichts Unhaltbares einmischen und müsse Einwürfen sogleich durch Bestimmungen vorbauen. Überdies müsse man mit dem breiten Umfang der mannigfaltigen Vorstellungen über das Christentum sowie mit gegründeten und ungegründeten Einwänden gegen angebliche Lehren des Christentums bekannt sein. Jeder Satz, jede Bestimmung, jedes Wort müsse sorgfältig überlegt werden. Wieviel „Zeit, ruhige, stille, unbefangene Ueberlegung, Bedachtsamkeit“ und dergleichen mehr dazu erfordert würden, lasse sich schlechterdings niemandem einleuchtend machen als nur demjenigen, der jemals selbst einen derartigen Versuch unternommen hatte. 85

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 1, Bl. 189r. AaO Bl. 189v. 87 Ebd. 88 AaO Bl. 190r. 86

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Je mehr sich Nösselt bei der ihm auferlegten Arbeit bemüht hatte, desto mehr Schwierigkeiten waren ihm begegnet, so daß er sich genötigt gesehen hatte, das bereits Ausgearbeitete von neuem durchzusehen, größtenteils zu vernichten und endlich den Vorsatz zu fassen, zunächst alles einzeln zu untersuchen und erst in einem zweiten Schritt zu erwägen, in welche Ordnung es gebracht werden könnte. Diese anspruchsvolle denkerische Aufgabe hatte es ihm freilich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt unmöglich gemacht, mehr als ein paar Bögen mit geordneten Ausführungen zu füllen. Schließlich nannte Nösselt den wahren Grund und Anlaß seines Schreibens. Er bat, ihn von dieser ganzen Arbeit schlichtweg freizusprechen. Denn nachdem ihm die Klage in die Hände geraten war, mit der sich die Immediat-Examinationskommission wegen Niemeyers Buch an den König gewandt hatte89, war ihm deutlich geworden, daß „meine historischen Kenntnisse und Begriffe, die ich von dem, was wircklich Evangelisch-Luthersche Lehre ist, habe, in mehrern Stücken sehr von den Begriffen“90 der Kommission verschieden seien. Indem sich die Kommission nicht begnügt hatte, unter der Übereinstimmung mit der lutherischen Kirche die Übereinstimmung mit deren Symbolischen Büchern und den Grundlehren zu verstehen, sondern auch Lehren – oder vielmehr Vorstellungen davon – gelehrt wissen wollte, die niemals durch eine öffentliche Vorschrift in dieser Kirche bestimmt gewesen waren, widersprach sie der zum Proprium der lutherischen Kirche gehörenden Diversität in bestimmten theologischen Auffassungen. Da nun die Revision von Nösselts Buch vermutlich dieser Kommission oder ähnlich Denkenden übergeben werden würde, sah Nösselt voraus, daß seine geleisteten Anstrengungen vergeblich werden würden oder die Sache durch Einwände und Gegeneinwände immer mehr ins Weite gezogen werden würde. Abschließend betonte Nösselt, daß es ihm nicht an gutem Willen, sondern unter den genannten Umständen „gäntzlich“91 an Vermögen zu einem derartigen Buch fehle. Bereits am 11. August 1792 sandte die Fakultät – der Dekan Knapp sowie Schulze und Niemeyer – dieses Schreiben, wie von Nösselt gewünscht, an Woellner92. Einen etwaigen eigenen Arbeitsauftrag wehrte die Fakultät sogleich ab, indem sie auf ihre überhäuften Dienstgeschäfte verwies93.

89

Ebd. AaO Bl. 190v. 91 Ebd. 92 AaO Bl. 191r–191v. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 368. 93 Denn außer den akademischen Arbeiten, mit denen sie täglich mehrere Stunden beschäftigt waren, hatten sie die Direktion über die weitläufigen Anstalten des Waisenhauses und des Paedagogiums zu führen. Und bei dem gegenwärtigen Dekan kam noch die Führung des Prorektorats hinzu. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 1, Bl. 191v. 90

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4. Niemeyers Verteidigung seines Buches Inzwischen verfaßte Niemeyer eine dreißigeinhalb Seiten lange Erklärung94, die er unter dem 25. August 1792 bei der Geistlichen Immediat-Examinationskommission einreichte95. Er habe nicht beabsichtigt, ein Kompendium der Dogmatik zu schreiben96, sondern das Buch solle vielmehr „eine Betrachtung der Religionslehren aus dem Gesichtspunkt der Moral“97 enthalten. Mit seiner Erklärung98 versuchte er zu zeigen, daß die Immediat-Examinationskommission den eigentlichen Zweck seines Buches nicht erkannt hätte. Während in einer Darstellung des Lehrbegriffs der lutherischen Kirche die allgemeinen Unterscheidungslehren der christlichen Religion und auch die verschiedenen Vorstellungsarten dieser Lehren genau dargelegt werden müßten, komme es in einer populären und praktischen Theologie nur auf dasjenige an, „was allgemein verständlich und allgemein nützlich ist“99. „Durch diese Absonderung der gelehrten Theologie von der Populären, glaube ich nichts gethan zu haben, als was von jeher der Wunsch aller einsichtsvollen Theologen“100 gewesen sei. Namentlich Melanchthon, der Hauptverfasser der Symbolischen Bücher, habe oft auf diesen Unterschied verwiesen101. Die Immediat-Examinationskommission jedoch erstattete Woellner unter dem 21. September einen kurzen, vernichtenden Bericht über Niemeyer102. Niemeyer sei weit davon entfernt, die „Irrlehren“ seines Lehrbuchs und das „Religions-Ediktswidrige“ zurückzunehmen, sondern erkläre sich vielmehr „für die auffallendste Neologie“. Es würde Woellner ermüden, den Beweis dieses Urteils in einer ausführlichen Beleuchtung der Niemeyerschen Apologie durchzulesen. Die Immediat-Examinationskommission sah nun „die unbeschreibliche Verführung“ voraus, die nicht nur Niemeyer, sondern auch andere „neologische Lehrer“ auf Universitäten mit verstärktem Mut fortsetzen würden, wenn der Gebrauch dieses Buchs gestattet würde103. Da Woellner die Kommissionsräte aufgefordert hatte, anstelle des von der theologischen Fakultät in Halle verweigerten neuen Lehrbuchs der Dogmatik ein anderes zweckmäßiges Buch vorzuschlagen, verwiesen sie auf das „Doctrinae christianae Compendium“ von Georg Friedrich Seiler, weil dieses Buch 94

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 27, Bl. 60r–75r. AaO Bl. 58r–59r. 96 AaO Bl. 58r. 97 AaO Bl. 58v. 98 AaO Bl. 60r–75r. 99 AaO Bl. 60r. 100 AaO Bl. 60v. 101 AaO Bl. 60v–61v. 102 AaO Bl. 76r–76v. 103 AaO Bl. 76r. 95

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in bündiger Kürze nicht nur die wahren Lehrsätze der heiligen Schrift deutlich, vollständig und mit den passenden Schriftbeweisen belege und zusammenfasse, sondern auch die Geschichte der Dogmen „in echt lateinischer Schreibart“ liefere104. Woellner jedoch, der von der Immediat-Examinationskommission nicht bevormundet sein wollte, forderte von ihr eine ausführliche Darstellung der Gründe, deretwegen sich Niemeyer in seiner Erklärung als Neologe gezeigt habe. Am 20. Oktober antwortete die Kommission105, hoffte freilich, mit Niemeyer nicht in eine Kontroverse verwickelt zu werden, da bei der Menge der „Neologischen Schriftsteller“ und der „Willkührlichkeit ihres Verfahrens“ dergleichen Kontroversen von keinem Nutzen wären106. Woellner ließ sich von den Räten überzeugen und teilte ihnen unter dem 4. Dezember in einem Spezialbefehl mit, daß Niemeyer unter demselben Datum107 der Gebrauch seines Lehrbuchs in seinen Vorlesungen untersagt worden war108. 5. Die Einführung der „Epitome theologiae christianae“ von Morus Die theologische Fakultät in Halle erhielt auf ihren wegen des neuen Lehrbuchs erstatteten Bericht vom 11. August 1792 erst unter dem 11. Dezember ein scharfes Reskript109. Die Schwierigkeiten und Bedenken, die sich nach ihrem Bericht vorfänden, hätten ihnen als „Sachverständige[n] Männer[n]“110 gleich anfänglich einleuchten müssen. Dann hätten sie den Auftrag sofort ablehnen sollen. Es könne den Hallensern nicht unbekannt sein, daß dem König höchstselbst an der Einführung eines gleichförmigen dogmatischen Unterrichts auf den Universitäten gelegen sei, und Woellner und v. d. Hagen gaben daher drohend zu bedenken, welche Folgen ihr Benehmen nach sich ziehen dürfte, wenn der König von dem Erfolg der Sache Bericht verlangen sollte111. „Wir hoffen indessen anjezt noch, daß Ihr Euch dergleichen Zögerungen in Ausführung 104

AaO Bl. 76v. AaO Bl. 77r–77v. 106 AaO Bl. 77r. Die Anmerkungen finden sich aaO Bl. 78r–89r. 107 Das Reskript an Niemeyer findet sich aaO Bl. 90r [Konzept]. Das Verbot datierte also nicht vom 20. Juli 1792. Gegen Georg Hoffmann, Hermann Daniel Hermes, der Günstling Wöllners. (1731–1807). Ein Lebensbild, Breslau 1914, 96. 108 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 3r. 109 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 1, Bl. 193r–194r [Konzept von Schreiberhand mit Verbesserungen Woellners]. Das erste, etwas andere Konzept hatte v. d. Hagen verfaßt. AaO Bl. 192r–192v: Würde die Fakultät sich dergleichen Verzögerungen ferner zu Schulden kommen lassen, würde man dies dem König melden müssen. 110 AaO Bl. 193r. 111 AaO Bl. 193v. 105

III. Die Einführung eines neuen Lehrbuchs der lutherischen Dogmatik

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Unserer Befehle nie wieder zu Schulden kommen lassen werdet, widrigenfalls Wir Uns genöthiget sehen würden andere Maasregeln zu nehmen die Euch denn freilich nicht angenehm sein dürften.“112 Da nun an die Erstellung eines neuen Lehrbuchs nicht mehr zu denken war, wollte Woellner auf Bewährtes zurückgreifen und befahl daher der Geistlichen Immediat-Examinationskommission, die dogmatischen Lehrbücher, über die auf der Universität Wittenberg gelesen wurde, gemeinschaftlich zu prüfen und eines davon zum ausschließlichen Gebrauch für die dogmatischen Vorlesungen auf den Universitäten vorzuschlagen. Am 1. Dezember 1792 antwortete die Kommission113. In Wittenberg wurden die 1791 dort erschienenen „Theoremata religionis christianae“ von Michael Weber sowie die „Epitome theologiae christianae“ von Samuel Friedrich Nathanael Morus gebraucht114. Beide seien aber „nicht ganz in dem Geist und Sinn geschrieben“, der in dem von ihr vorgeschlagenen Seilerschen Lehrbuch herrschte und der für den akademischen Religionsunterricht der gegenwärtigen Zeiten äußerst notwendig sei115. Das Buch von Morus habe den Vorzug der Ausführlichkeit, während Webers Werk „allzu kurz und allgemein abgefaßt ist und dem Neologischgesinnten Lehrer allzu viel Freiheit läßt seine Irrlehren überall einzuschieben“116. Die ganze Angelegenheit schloß schließlich mit einem Kompromiß. Unter dem 11. Dezember erging ein von Woellner und v. d. Hagen unterschriebener Spezialbefehl an alle Universitäten, daß von Ostern 1793 an beim dogmatischen Unterricht die 1789 erschienene „Epitome theologiae christianae“ von Morus zugrunde gelegt werden solle117. Dieses Buch zeichnete sich in Woellners

112

Ebd. AaO Bl. 196r–196v. 114 Samuel Friedrich Nathanael Morus, Epitome theologiae christianae. Futuris doctoribus religionis scripsit, Leipzig 1789. Fälschlich gab die Immediat-Examinationskommission als Titel „Epitome religionis christianae“ an. 115 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 1, Bl. 196r. 116 AaO Bl. 196v. 117 AaO Bl. 198r [Konzept]. Die Ausfertigung an die Universität zu Duisburg findet sich aaO Bl. 199r und die Ausfertigung an die Universität zu Frankfurt an der Oder aaO Bl. 200r. Bei der Frankfurter Universität hatte Woellner noch ergänzt, daß es sich um den lutherischen dogmatischen Unterricht handele. An demselben Tag erging ein entsprechender Spezialbefehl an die Immediat-Examinationskommission. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 1r. Die Magdeburger Provinzial-Examinationskommission wünschte unter dem 30. Oktober 1794 in ihrem halbjährlichen Generalbericht, daß in den oberen Klassen der Stadtschulen beim Unterricht in der „Theologie“ das theologische Kompendium von Morus als Lehrbuch zugrunde gelegt würde. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 38, Bl. 29r–33r, hier 31v. Daß dieses Lehrbuch bereits eingeführt war, erfuhr die Provinzialkommission erst durch die Antwort der Immediatkommission vom 21. November. Diese Antwort hatte Hillmer konzipiert. AaO Bl. 36r–37r [Konzept]. 113

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Augen dadurch aus, daß es an der orthodoxen Wittenberger Universität verwendet wurde118. Ordnete Woellner am 11. Dezember an, daß Morus’ „Epitome“ für die dogmatischen Vorlesungen gebraucht werden solle, so wandte er sich an demselben Tag in einem Reskript an das Kurmärkische Oberkonsistorium auch den Angelegenheiten der Studenten zu119. Der König habe zur Verhütung der „immer mehr und mehr um sich greifenden Irreligiositaet“ unter den Studenten aller theologischen Fakultäten befohlen, den Theologiestudenten bekanntzumachen, daß von nun an jeder von ihnen, wenn er um die Lizenz zu predigen nachsuche, „ein schriftliches Zeugnis seines Confessionarii“ beibringen müsse, das darüber Auskunft gebe, ob er sich während seiner bisherigen akademischen Zeit „ad sacra“ gehalten habe. Ohne dieses Zeugnis solle ihm die Lizenz verweigert werden, „bis er sich mehr als ein Verehrer des öffentlichen Gottes-Dienstes und der Anordnungen Christi gezeigt haben wird“. Die Oberkonsistorialräte sollten sich in Zukunft nach dieser Verordnung richten und den Kandidaten die licentia concionandi nicht erteilen, bevor sie ein solches Zeugnis beigebracht hätten120.

IV. Niemeyer und Nösselt des weiteren Über Johann Heinrich Tieftrunk121 war Hillmer auch weiterhin von August Hermann Niemeyers Verhalten in Kenntnis gesetzt, so daß er Woellner in einem Privatschreiben vom 25. Juli 1793 melden konnte, daß Niemeyer zu Beginn seines dogmatischen Kollegs einen „frechen Prolog“ gehalten habe122. Nach Hillmers Vorschlag sollte Niemeyer erklären, ob die Nachrichten zutreffend seien, daß er sich in diesem Prolog „sehr unanständige Reden“ gegen die höchsten Verfügungen wegen seines Lehrbuchs erlaubt habe. Auch sollte er angeben, warum er nicht das vorgeschriebene Lehrbuch gebraucht habe. Unter dem 29. Juli erging dann ein scharf mahnendes Reskript an Niemeyer123. Er sollte sich nichts zu Schulden kommen lassen, was einen Ungehorsam 118 Der erst kurz zuvor gestorbene Samuel Friedrich Nathanael Morus war Professor der Leipziger Universität gewesen. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 369 f. 119 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1789, Bl. 200r. 120 Das Schreiben zirkulierte beim Kollegium, wie Zöllner am 10. Januar 1793 notierte. Teller, v. d. Hagen, Diterich, Nagel, v. Irwing und Sack setzten – teils mit dem Vermerk „vidi“ – ihren Namenszug darunter. Ebd. 121 Nach Woellners Auffassung war Johann Heinrich Tieftrunk – ein Schüler Immanuel Kants – „ein herrlicher Mann“. Dies notierte Woellner auf einem Brief Tieftrunks vom 25. November 1792. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 35, Bl. 61v. Woellner war also kein fanatischer Gegner der Kantischen Philosophie. Zu Tieftrunk vgl. Martin Laube, Art. Tieftrunk, Johann Heinrich, in: RGG4 8 (2005), 399. Zu Kant vgl. Kapitel J.VI. 122 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 27, Bl. 96r. 123 AaO Bl. 97r. Das hatte Woellner konzipiert. AaO Bl. 96r.

IV. Niemeyer und Nösselt des weiteren

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gegen die ausdrücklichen Befehle verraten könne, widrigenfalls er es „sich selbst zuzuschreiben“ haben würde, wenn „höchst unangenehme“124 Verfügungen verhängt werden müßten. Niemeyer rechtfertigte sich unter dem 10. August gegenüber dem König125. Er schrieb als willfähriger Untertan, nicht als widerstreitender Theologe. Da das vorgeschriebene Lehrbuch der Dogmatik nach königlichem Reskript für alle dogmatischen Vorlesungen bestimmt war, gegenwärtig aber das Kolleg über die Dogmatik nicht von ihm selbst, sondern von Johann August Nösselt und Johann Ludewig Schulze gelesen wurde, hatte er sich dessen nicht bedienen können. Bei Vorlesungen über die Dogmatik würde er sich „nie ermächtigen“126, versicherte Niemeyer, ein anderes als das vorgeschriebene Lehrbuch zugrunde zu legen. Der freche Prolog sei im übrigen eine Verleumdung127. An demselben Tag verfaßte Niemeyer auch ein Privatschreiben an Woellner128. Aus dem Reskript habe er ersehen, daß er von Personen umgeben sein müsse, die ihn denunzierten. Nur die „persönliche Ehrerbietung“129 gegen Woellner halte ihn zurück, sein Recht gegen einen unbekannten Denunzianten zu suchen. Er hoffte, daß seine an demselben Tag eingesandte Erklärung ihn von dem Verdacht ungeziemender Ausdrücke befreien und ihm Woellners „belohnendes Zutrauen“130 nicht länger entziehen werde. Woellner reagierte nicht weiter, sondern notierte nur am 19. August auf Niemeyers Brief an den König „ad Acta“131. Niemeyer und Nösselt blieben auch weiterhin beachtet. Als Friedrich Wilhelm II. am 30. März 1794 gegenüber Woellner mit schneidender Schärfe – „ehe werden wir nicht wieder gute freunde“132 – „einige Articuls“133 124

Ebd. AaO Bl. 98r–98v. 126 AaO Bl. 98r. 127 AaO Bl. 98v. Die Vorerinnerungen zu jenem Kolleg, die vermutlich unter dem Prolog verstanden würden und die er sich wörtlich aufgeschrieben hatte, fügte er bei. AaO Bl. 99r–99v. Niemeyer beteuerte, daß er seine Gehorsamspflicht kenne und ihm diese Pflicht zu einer Zeit, in der die Aufkündigung des Gehorsams gegen die Obrigkeit viel Unheil innerhalb und außerhalb Preußens stifte, „doppelt heilig“ sei. AaO Bl. 99r. 128 AaO Bl. 100r–101r. 129 AaO Bl. 100v. 130 AaO Bl. 101r. 131 AaO Bl. 98r. 132 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 84r–85v, hier 85v. 133 AaO Bl. 84r–85v, hier 84r. Dieses eigenhändige Schreiben des Königs betraf auch Gotthilf Samuel Steinbart (vgl. Kapitel A.X.6.e.cc), die „Allgemeine deutsche Bibliothek“ (vgl. Kapitel J.V.1), Immanuel Kant (vgl. Kapitel J.VI.2) und den Prediger Wahl (vgl. Kapitel H.V.2). Bailleu bezeichnet dieses Schreiben zu Recht als „ganz persönliche[n] Vorstoß des Königs“ im Kampf gegen die Aufklärung. Paul Bailleu, Art. Woellner, Johann Christof, in: ADB 44 (1898), 148–158, hier 157. 125

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G. Das Universitätswesen

benannte, denen der Staatsminister alle Aufmerksamkeit widmen müsse, waren auch die beiden Hallenser Professoren bedacht. Nösselt sei „ein schlimes subject“, und Niemeyer, „der sonsten empfehlende eigenschaften hat; mus die wahrheit mit ernst gesagt werden das er höhere ordre befolge und eigenheit und eigensin abschafe in puncto seiner dogmatic; sonst mus es ihm aufs schärfste inhibirt werden, und mußen Sie alle mahl bei solchen gelegenheiten nur meinem nahmen gebrauchen“134. Unter dem 3. April erging dann ein von Woellner konzipiertes, jeweils gleichlautendes Reskript an die beiden135. Da ihm, dem König, gemeldet worden sei, daß sie in ihren dogmatischen Vorlesungen noch immer „néologische principia“136 äußerten, durch welche die Zuhörer von der Erkenntnis „der reinen christlichen Glaubens-Lehre“ abgeführt und „äußerst verwirret“ würden, erhielten Niemeyer und Nösselt die nachdrückliche Ermahnung, eine andere Lehrart anzunehmen, mit der die jungen Theologen und künftigen „VolksLehrer“ eine „reine Dogmatic nach der Bibel und dem geoffenbarten Worte Gottes“137 erlernen könnten. Woellner schloß drohend: Wenn die beiden sich nicht bald besserten, müßten sie mit ganz unvermeidlicher Kassation rechnen. Nachdem Niemeyer das Reskript erhalten hatte, eilte er unverzüglich zu Nösselt, der ihn mit „ruhige[m] geistvolle[n] Lächeln“ empfing und ihm das an ihn selbst gerichtete identische Reskript zeigte. In wenigen Augenblicken einigten sich die beiden auf das weitere Vorgehen. Sie wollten eine zwar nicht den Worten, aber dem Sinne nach gleiche Antwort geben und darin beteuern, daß sie sich des vorgeworfenen Vergehens nicht bewußt seien138. 134

GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 84r–85v, hier 85r. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 27, Bl. 141r [Konzept] und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 31r [Abschrift] und GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 67r [Abschrift]. Ebenfalls am 3. April wurde die Immediat-Examinationskommission davon in Kenntnis gesetzt. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 27, Bl. 142r–142v [Konzept] und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 30r. Am 2. April 1794 war in der Konferenz der Immediat-Examinationskommission beschlossen worden, daß Nösselt und Niemeyer vorerst nachdrückliche Ermahnungsreskripte erhalten sollten. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 59r–61r, hier 60r. Das Konferenzprotokoll hatten Woellner, Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker unterschrieben. In der Konferenz der Immediat-Examinationskommission vom 9. April 1794 fand das Reskript an Niemeyer und Nösselt wegen der Abstellung ihrer „irrigen Lehrart“ allgemeinen Beifall. AaO Bl. 65r–66r, hier 65r. Am 10. April 1794 erstattete Woellner dem König Bericht und übermittelte ihm das dritte Konferenzprotokoll. AaO Bl. 64r. Sollte das beiliegende Reskript an Niemeyer und Nösselt in Halle „von keinem Effect sein“, würden – versicherte Woellner eingedenk der königlichen Mahnungen vom 30. März – strengere Maßregeln zu ergreifen sein, „um dem Übel Einhalt zu thun“. 136 AaO Bl. 67r [Abschrift]. 137 Ebd. 138 Diese Schilderung der Unterredung gab Niemeyer etliche Jahre später. August Hermann Niemeyer, Leben Charakter und Verdienste Johann August Nösselts. Nebst einer 135

IV. Niemeyer und Nösselt des weiteren

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Johann August Nösselts Verteidigungsbrief datierte vom 29. April139. Das Reskript, das der König unter dem 3. April an ihn hatte ergehen lassen, habe bei ihm „alle die niederschlagenden Empfindungen“140 hervorgerufen, die jeden treuen Untertan und öffentlich angestellten Lehrer beunruhigen müßten, der sich auf der einen Seite durch ungegründete Anklagen bei seinem Landesherrn in Verdacht gebracht und sich auf der anderen Seite – im „reinsten Bewustseyn seiner Unschuld“141 – ganz außer Stande sehe, Rechenschaft abzulegen, wenn er weder wisse, wessen er angeklagt sei, noch bei der sorgfältigsten Selbstprüfung herausfinden könne, womit er sich berechtigte Vorwürfe zugezogen haben sollte. Fast vierzig Jahre habe er an der Hallenser Universität gelehrt und aus dem Forschen in der Bibel sein „recht eigentliches Geschäfte“142 gemacht. Er habe die Bibel bei seinen Vorlesungen zugrunde gelegt, nach ihr „mit aller Treue“ zu lehren gesucht und sich beflissen, durch Lehre und Beispiel diejenigen, die sich ihm anvertraut hatten, zu „rechtschaffnen Lehrern des Christenthums“143 zu bilden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien um so schmerzlicher, als sein „herannahendes Alter“ ihn hatte hoffen lassen, seine noch sehr wenigen Lebenstage in Ruhe beschließen zu können, da er nie durch irgendetwas – am wenigsten durch „Neuerungen in der Religion“144 – Aufsehen zu erregen gesucht habe. Er wisse jedoch, „daß der Gott, der selbst ins Verborgne sieht, mich nicht fallen laßen wird“145. Nösselt wurde keiner Antwort gewürdigt. Einen Tag später als Nösselt, am 30. April, verantwortete sich Niemeyer dann in sehr ähnlicher Weise vor dem König146. Er habe das Reskript nicht empfangen können, „ohne den gerechten Schmerz eines treuen Unterthanen zu fühlen, welcher sich seinem Monarchen in dem Licht eines schädlichen Staatsbürgers und gewißenlosen Verwalters des ihm anvertrauten Amts unverdienter Weise vorgestellt, und zugleich außer Stand gesetzt sieht, sich gegen eine Denunciation zu rechtfertigen, deren Urheber ihm unbekant ist“. Was er seinen Zuhörern vorgetragen habe, sei immer, beteuerte der Hallenser Professor, „auf die Aussprüche der Lehre Jesu“ gegründet gewesen.

Sammlung einiger zum Theil ungedruckten Aufsätze Briefe und Fragmente, Erste Abtheilung. Biographie und Charakteristik, Halle/Berlin 1809, 55 f. 139 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 77r–77v. 140 AaO Bl. 77r. 141 Ebd. 142 Ebd. 143 Ebd. 144 AaO Bl. 77v. 145 Ebd. 146 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 27, Bl. 149r.

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G. Das Universitätswesen

Da Niemeyer darauf gedrungen hatte, daß Woellner sein Schreiben unmittelbar Friedrich Wilhelm II. zukommen ließ, erhielt er von Woellner eine Antwort des Königs. Unter dem 9. Mai erging an ihn ein wohlwollendes Reskript147. Friedrich Wilhelm II. habe in einem eigenhändigen Schreiben an Woellner erklärt, daß er mit Niemeyers Verantwortung zufrieden sei, „wenn Er nehmlich so dächte wie er schriebe“. Im übrigen schätze ihn der König wegen seiner gelehrten Kenntnisse und ermahne ihn, „nicht um der jetzigen Welt gefallen zu wollen, irgend einen neumodischen Ton in der Lehre anzunehmen“, sondern vielmehr dem rühmlichen Beispiel seines Vaters und Großvaters zu folgen, die „ganz orthodoxe“ Geistliche gewesen seien148.

V. Versuche obrigkeitlicher Eingriffe in die Lehrpraxis Die von den Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen149 veranstalteten Prüfungen förderten bestimmte grundsätzliche Bildungsmängel zutage, denen Woellner zu wehren suchte. Unter dem 28. Februar 1795 erging daher an die theologischen Fakultäten aller Universitäten ein von Woellner unterschriebener Spezialbefehl150. Da die Unwissenheit der Studenten im Hebräischen und Griechischen immer mehr zunehme und bei den von den Examinationskommissionen veranstalteten Prüfungen nur selten ein Kandidat das Neue Testament im Griechischen lesen sowie übersetzen und noch seltener den hebräischen Text des Alten Testaments „nur einigermaaßen erträglich“ übertragen konnte, wurden die Fakultäten verpflichtet, die Theologiestudenten zu größerem Fleiß beim Sprachenstudium anzuhalten. Die Examinationskommissionen waren angewiesen worden, bei ihren Prüfungen pro licentia 147 AaO Bl. 150r [Konzept]. Das hatte Woellner mit geringfügigen Abweichungen konzipiert. AaO Bl. 149r. In der Sitzung der Immediat-Examinationskommission vom 7. Mai 1794 war der Kommission mitgeteilt worden, was der König über die Verantwortung Niemeyers geäußert hatte. Niemeyer werde dem königlichen Befehl gemäß von Departements wegen ein Reskript erhalten, damit er nachdrücklich ermahnt werde, sich in seinem Tun tatsächlich nach seinen Worten zu richten. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 75r–76v, hier 75r. Am 8. Mai 1794 hatte Woellner dem König schriftlich Bericht erstattet (aaO Bl. 74r). An Niemeyer hatte Woellner ein Reskript erlassen, wie es der König befohlen hatte. Da nunmehr auch die Verantwortung von Nösselt eingegangen war, fügte er auch diese bei. AaO Bl. 77r–77v. 148 Unter dem 29. Juli 1793 teilte Woellner Hillmer in einem königlichen Spezialbefehl mit, was auf dessen Promemoria hin an Niemeyer erlassen worden war. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 4r. 149 Zu den Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen vgl. Kapitel H. 150 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 51r [Abschrift]. Selbigen Tags machte Woellner dies der Immediat-Examinationskommission, die am 12. Februar 1795 einen entsprechenden Antrag gestellt hatte, mit einem Spezialbefehl bekannt. AaO Bl. 50r.

V. Versuche obrigkeitlicher Eingriffe in die Lehrpraxis

345

concionandi und pro Ministerio genau auf die Sprachen zu achten und jeden Kandidaten, der die Hauptstellen des Alten und Neuen Testaments in den Urtexten nicht hinlänglich übersetzen und erklären könnte, umstandslos abzuweisen151. Drei Monate später, unter dem 30. Mai 1795, fragte die Neumärkische Examinationskommission bei der Immediat-Examinationskommission spitzfindig nach, wie sie sich verhalten solle, wenn ein Prüfling „richtige theologische Kenntnisse und homiletische u katechetische Geschicklichkeit“ sowie gute Bekanntschaft mit dem Urtext des Neuen Testaments zeige und nur – „welches leider! itzt bey vielen jungen Kandidaten der Fall ist“ – im Hebräischen versage152. Die Immediat-Examinationskommission sprach sich unter dem 21. Juli für ein maßvolles Vorgehen aus. Zunächst dürfe von den Prüflingen im Hebräischen noch nicht die Leistung erwartet werden, die man nach Verlauf eines Jahres werde fordern können153. Jedoch von den Universitäten allein war keine Besserung im Sprachenunterricht zu erhoffen. Daher nahm Woellner auch die Gymnasien und anderen gelehrten Schulen in den Blick. Vom 8. Juli 1795 datierte ein von Woellner unterschriebenes Reskript an das Kurmärkische Oberkonsistorium154. Um 151 Unter dem 14. März 1795 wurden die Provinzialkommissionen davon abschriftlich in Kenntnis gesetzt. Diese Vorschrift betonte die Immediat-Examinationskommission auch noch einmal in einem von Hillmer konzipierten Schreiben an die Geistliche Examinationskommission zu Königsberg vom 12. Mai 1795. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 42, Bl. 23r–24r. Beflissen war die Magdeburger Provinzial-Examinationskommission um eine sorgfältige Erfüllung ihrer Prüfungspflichten bemüht: Wenn sie, bemerkten die drei Mitglieder am 6. Mai 1795 (GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 38, Bl. 41r–43v und 48r–49v), die ihnen unter dem 14. März bekanntgemachte Verordnung, nach der die Kandidaten abgewiesen werden sollten, falls sie nicht die Hauptstellen des Alten und Neuen Testaments in den Grundtexten mit hinlänglicher Fertigkeit übersetzen und erklären könnten, recht verstünden, werde sie erst bei denjenigen Kandidaten Anwendung finden, die nach ein oder zwei Jahren die Universität verlassen würden. Sollten sie sich bereits bei den gegenwärtigen Kandidaten nach dieser Vorschrift richten, müßten sie sich oft genötigt sehen, Kandidaten abzuweisen. AaO Bl. 49r. Unter dem 24. Mai 1795 antwortete die Immediat-Examinationskommission (die Antwort hatte Hillmer konzipiert; aaO Bl. 50r–51v [Konzept]), daß die Verordnung vom 14. März wegen der biblischen Grundsprachen in der Tat erst nach Verlauf eines Jahres mit aller Strenge angewendet werden könne. Einstweilen müsse man sich damit begnügen, wenn die Kandidaten nur nicht „gänzliche Vernachlässigung“ zeigten und wenigstens mit der deutschen Bibel hinlänglich vertraut wären. AaO Bl. 51r [Konzept]. 152 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 40, Bl. 14r. 153 AaO Bl. 17r [Konzept]. 154 Die mit Woellners Unterschrift versehene Ausfertigung findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 96r–96v. Zunächst war die Sachlage geschildert: Die Geistliche Immediat-Examinationskommission und die übrigen Provinzialkommissionen hätten häufig über die „fast allgemeine“ Unwissenheit der Kandidaten in den biblischen Grundsprachen geklagt. Nur selten könne ein Kandidat das griechische Neue Testament „ordentlich“ übersetzen und erklären. Und noch weit seltener könne jemand den hebräischen Grundtext „einigermaassen erträglich“ lesen und übersetzen. AaO Bl. 96r und 98r.

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G. Das Universitätswesen

der zunehmend einreißenden, für einen Theologen „unverantwortlichen“ Vernachlässigung des Altgriechischen und Hebräischen zu wehren, sollte das Kurmärkische Oberkonsistorium dafür sorgen, daß in allen dem Konsistorium unterstehenden Gymnasien und anderen „gelehrten Schulen“ diejenigen, die sich der Theologie widmeten, „mit allem Ernst“155 zu gründlicher Erlernung der Sprachen angehalten würden. Alle diese Bemühungen um bessere Kenntnisse in den biblischen Sprachen verliefen jedoch erfolglos, wie die Prüfungen der Provinzialkommissionen in den kommenden Halbjahren zeigten156. Im September 1796 griff die Immediat-Examinationskommission, obwohl ihr bereits deutlich war, daß sie mit der Umsetzung ihrer Anliegen gescheitert war, in den Vorlesungsplan der theologischen Fakultäten ein. Unter dem 27. September erging an die theologischen Fakultäten zu Halle, Frankfurt, Königsberg und Erlangen ein von Woellner unterschriebener königlicher Spezialbefehl157. Da die Theologiestudenten ungeachtet der mehrmaligen königlichen Ermahnungen das Studium der heiligen Schrift immer noch großenteils vernachlässigten und viele von ihnen bei den Lizenzprüfungen kaum die bekanntesten Beweisstellen der „allerwesentlichsten“ Glaubenslehren anzuführen wüßten, wurde verordnet, daß von Ostern 1797 an auf jeder preußischen Universität außer den bereits befohlenen dogmatischen Vorlesungen jährlich noch ein besonderes Collegium privatum über die dicta probantia gelesen und in den Lektionskatalogen ausdrücklich angeführt werden solle. Jeder Kandidat müsse bei seiner Lizenzprüfung ein Attest dieser Lehrveranstaltung vorweisen. Der König behielt sich vor, diejenigen Professoren, die dieses Collegium übernehmen sollten, selbst zu ernennen. In Frankfurt sollte es Nathanael Friedrich From158 übertragen werden. Für Halle bestimmte das Geistliche Departement 155

Ebd. Zu den halbjährlichen Berichten der Provinzial-Examinationskommissionen vgl. Kapitel H.VI. 157 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 54r–54v [Abschrift]. Das von Hillmers Hand stammende Konzept zu diesem Spezialbefehl findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 2, Bl. 27r–27v. An demselben Tag setzte Woellner die Immediat-Examinationskommission davon in Kenntnis. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 53r. Am 7. Februar 1791 hatte eine Kabinettsordre die Erlanger Friedrich-Alexander-Universität von dem allgemeinen Verbot des Besuchs nichtpreußischer Universitäten ausgenommen, denn durch die Vereinigung der Fürstentümer Ansbach und Bayreuth mit Preußen wurde auch die Erlanger Universität eine preußische Landesuniversität. Vom 29. November 1795 datierte das gedruckte Patent zur Einführung des Allgemeinen Landrechts und der neuen Gerichts- und Prozeßordnung in den fränkischen Fürstentümern Ansbach und Bayreuth. GStA PK, I. HA, Rep. 84, V, Nr. 368, unpag. 158 Bereits am 8. Juli 1788 hatte From gratulierend an Woellner geschrieben. Gott habe Woellner die „Vormundschaft seiner Kirche“ in Preußen „zu einer Zeit anvertraut, da die Crisis, in der sie sich befindet, vielleicht seit den Zeiten der Kirchenverbesserung nicht größer gewesen ist“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 25, Bl. 55r–57r, hier 55r–55v. 156

V. Versuche obrigkeitlicher Eingriffe in die Lehrpraxis

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Georg Christian Knapp, für Königsberg Gotthilf Christian Reccard – oder, falls Reccard durch Krankheit verhindert wäre, den Konsistorialrat Samuel Gottlieb Wald – und für Erlangen den Geheimen Kirchenrat Georg Friedrich Seiler159. Unter dem 18. Oktober setzte die Immediat-Examinationskommission die Provinzial-Examinationskommissionen von der Verfügung an das Geistliche Departement wegen der Collegia privata sowie wegen des Attests in Kenntnis160. Es verstehe sich im übrigen von selbst, daß die Verordnung wegen des Attests erst bei denjenigen Kandidaten Anwendung finde, die sich nach Ostern 1798 zur Lizenzprüfung anmelden würden. So weit kam es dann freilich nie, da die Geistliche Immediat-Examinationskommission bereits vor Ostern 1798 aufgelöst wurde161.

159 So wurde die Stettiner Provinzial-Examinationskommission unter dem 20. Dezember 1796 von der Immediat-Examinationskommission unterrichtet. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 43, Bl. 25r–25v [Konzept]. Am 27. Dezember 1796 erstatteten Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker dem König pflichtmäßig Bericht über die wichtigsten Verhandlungen in den unter Woellners Vorsitz gehaltenen monatlichen Konferenzen. „Da, leider! bey den Candidaten des Predigtamts noch allzuhäufig die unverantwortlichste Vernachläßigung der heil. Schrift und gänzliche Unbekanntschaft mit derselben angetroffen wird; so ist auf jeder Universität Einem zuverläßigen und der Wahrheit treuen Professor aufgegeben, jährlich eine besondre Vorlesung über die Schriftbeweise der wesentlichen Lehren des Christenthums zu halten; deren Benutzung die Candidaten bey ihrer nachmaligen Prüfung ausweisen müssen.“ GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 41r–42v, hier 42r. Vgl. auch Schwartz, Der erste Kulturkampf, 440. 160 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 55r [Konzept]. 161 Vgl. Kapitel L.VII.

H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen Ungestört, aber auch weithin unbeachtet wirkten die Geistlichen in den Provinzen. Um eine bessere Verbindung zu den Provinzen zu erlangen, sorgte die Geistliche Immediat-Examinationskommission für die Gründung von Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen. Diese Kommissionen führten Prüfungen der Kandidaten durch und sandten über den Zustand ihrer Provinz halbjährliche Generalberichte ein. Jedoch eine flächendeckende Kontrolle übten sie nicht aus.

I. Die Gründung 1. Die Mitglieder Unter dem 11. Juni 1792 sandten Hermann Daniel Hermes, Gottlob Friedrich Hillmer, Theodor Carl Georg Woltersdorff und Andreas Jakob Hecker dem König eine von ihnen erstellte Liste derjenigen Prediger, die sie als Mitglieder für die geplanten „Unter-Examinations-Commissionen“ vorschlugen1. Die Sache nahm nun ihren Lauf. Einige Wochen später verschickte die ImmediatExaminationskommission unter dem 20. Juli Briefe an die vorläufig zu Mitgliedern der Provinzialkommissionen bestimmten Personen: Da nach dem königlichen Willen bei den Provinzkonsistorien besondere Examinationskommissionen angesetzt werden sollten und die Berliner Immediat-Examinationskommission „ein vorzügliches Zutrauen in die Einsichten, Treue u. Eifer“ des Angefragten setze, möge er angeben, ob er bereit sei, die Aufgaben eines Mitglieds der entsprechenden zukünftigen Provinzialkommission zu übernehmen. Die Geschäfte würden hauptsächlich darin bestehen, mit den ihm zugeordneten Kollegen die Kandidaten sowohl pro licentia concionandi als auch pro ordinatione im Hinblick auf ihr Glaubensbekenntnis sowie im Hinblick auf ihre Bekanntschaft mit der Bibel und mit den Sprachen gründlich zu prüfen und die Kandidaten durch Ermahnung zu unterstützen2. 1 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. 2 Programmatisch bekundeten Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker am Ende des

I. Die Gründung

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a) Magdeburg Bereits am 26. Juli 1792 antwortete zustimmend und zuversichtlich der Konsistorialrat und erste Domprediger Christian Friedrich Schewe aus Magdeburg3. Gott selbst werde ihm genug Kraft für die mühsame Arbeit geben „zur Erweiterung seines Reichs und zur Wegräumung der Hindernisse, die mitten im Schooß seiner Kirche der wahren Gottseligkeit entgegen stehen“4. Dagegen lehnte wenige Tage später, am 30. Juli, ein anderer Magdeburger, der Pastor August Gottlieb Evers, die Mitarbeit ab5. Er ging auf sein 65. Lebensjahr zu und hatte fast vierzig Jahre lang im Pfarramt seine Kräfte angestrengt, so daß seine Gesundheit nun geschwächt sei. Ohnehin seien seiner Amtsgeschäfte, die er als erster Lehrer seiner Kirche zu verrichten hatte, sehr viele6. In nahezu jeder Woche mußte er drei öffentliche Kanzelvorträge halten; hinzu kamen zahlreiche Krankenbesuche7. Auch obliege ihm die mühsame Senioratsarbeit. Hillmer, der um jeden einzelnen Mann kämpfte, gab sich mit dieser Absage nicht zufrieden und notierte auf dem Brief, daß Evers von der Immediat-Examinationskommission aufgefordert werden solle, sich doch noch zur Annahme der Mitgliedschaft zu entschließen – unter der Zusicherung, daß seine Arbeiten möglichst erleichtert und abgekürzt werden sollten8. Jedoch Evers wiederholte am 14. August entschieden seine Ablehnung9. Auf die Bitte der Immediat-Examinationskommission hin, einen anderen Magdeburger Stadtprediger zu nennen, schlug Evers den Pastor Johann Erich Wenzlau an der St. Katharinenkirche in Magdeburg vor, der zu den Predigern zähle, die „nach dem Vorbilde der heilsamen Lehre predigen und wandeln“10. Evers hatte aber bereits festgestellt, daß sich weder Wenzlau noch andere bewährte Magdeburger Lehrer zu einer Mitarbeit entschließen wollten11. Ihre Bedenken gründeten sich, vermutete Evers, darauf, daß ihre ohnehin bereits überhäuften Arbeiten durch dieses neue Briefes ihre Überzeugung, daß der Angefragte die Gelegenheit, zum Besten des Reiches Christi kräftig in der Kommission mitwirken zu können, nicht abweisen werde. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 1r [Konzept]. Für Schlesien wurde keine Geistliche ProvinzialExaminationskommission ernannt. 3 AaO Bl. 2r–2v. Am 13. Juli 1788 hatte der Prediger Schewe aus Magdeburg Woellner zum neuen Amt als Chef des Geistlichen Departements gratuliert. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 29, Bl. 12r–12v. Er habe seit jeher Woellners große „Talente des Geistes“ verehrt. 4 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 2r. 5 AaO Bl. 3r–3v. 6 AaO Bl. 3r. August Gottlieb Evers war Senior des Geistlichen Ministeriums und Oberprediger an St. Ulrich. Paul Schwartz, Der erste Kulturkampf in Preußen um Kirche und Schule (1788–1798), MGP 58, Berlin 1925, 222. 7 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 3v. 8 AaO Bl. 3r. 9 AaO Bl. 4r–4v. 10 AaO Bl. 4r. 11 Ebd.

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

mühsame und vermutlich viel Zeit erfordernde Geschäft sehr vermehrt werden würden12. Außerdem schien die Lage, in der sich das Magdeburger Ministerium befand, bei den Pastoren Bedenken hervorzurufen, denn das Ministerium war ein vom Magdeburger Konsistorium in gewisser Hinsicht ganz separates Kollegium. Die Pastoren standen unmittelbar unter dem Magistrat als ihrer geistlichen Gerichtsobrigkeit, die in ihrer Altstadt die iura consistorialia innehatte und die durch ihre Senioren sowie das Ministerium bei den Predigerwahlen ausgeübt wurde. Die Pastoren – Evers sprach distanziert nicht in der ersten Person Singular oder Plural – vermuteten daher, daß unvermeidliche Kollisionen entstünden, wenn sie das angetragene Geschäft in der Provinzialkommission übernähmen13. Evers hatte mit seiner Einschätzung vollkommen Recht. Am 2. August hatte Wenzlau einen vierseitigen Brief geschrieben14. Wenn er auch einsehe, daß der in der lutherischen Kirche eingerissenen Neologie, die dem Socinianismus, Pelagianismus und sogar dem Naturalismus so sehr „das Wort redet“15, Grenzen gesetzt werden müßten, verfüge er aber dennoch nicht über ausreichende Kräfte, um sich bei dieser Aufgabe zu engagieren. Zusätzlich zum Sonntagvormittag müsse er in jeder Woche meistens zweimal predigen16. Er stand als erster Lehrer seiner Gemeinde vor, die zwar nicht außerordentlich groß war, sich aber im Laufe der Zeit größtenteils seiner besonderen Seelsorge anvertraut hatte, so daß er viele Krankenbesuche abstatten mußte17. Da die Personalnot derart verheerend groß war, suchte Hillmer nach dieser abschlägigen Antwort Wenzlaus auf außerdienstlichem Weg nochmals Evers zu einer positiven Entscheidung zu drängen. Am 16. Januar 1793 antwortete Evers in einem privaten Schreiben18. Wiederum führte er Alter und Krankheit an – erst vor Weihnachten sei er etliche Wochen bettlägerig gewesen19 –, nicht aber die sich auf die Kirchenstruktur gründenden Argumente20. Offensichtlich war er inzwischen müde geworden, immer wieder dieselben Argumente vortragen zu müssen. Zwei weitere Absagen folgten wenig später. Am 5. Februar meldete sich aus Magdeburg Johann Friedrich Gerhard Treuding21. Er habe wöchentlich drei bis vier Kanzelvorträge zu halten, und überdies müsse er den „jugendliche[n] Unterricht“22, die vielen Krankenbesuche in seiner großen 12

AaO Bl. 4v. Ebd. 14 AaO Bl. 7r–8v. 15 AaO Bl. 7v. 16 AaO Bl. 8r. 17 Ebd. 18 AaO Bl. 5r–5v. 19 AaO Bl. 5v. 20 AaO Bl. 5r. 21 AaO Bl. 6r–6v und 9r–9v. 22 AaO Bl. 9r. 13

I. Die Gründung

351

Gemeinde an St. Jakobi und viele andere mit seiner Seelsorge verbundene Geschäfte erfüllen. Ebenfalls am 5. Februar ergriff der Pastor J. D. Keßler in Magdeburg kurz die Feder23. Er lehnte ab, weil er keine genaue Kenntnis von den Aufgaben hatte, die dann auf ihn zukämen, und nicht wisse, ob sie nicht seine Kräfte überstiegen24. Nun konnte die Immediat-Examinationskommission nur noch zwangsweise verpflichten. Treuding beugte sich am 9. April 179325. Ihm war durch königlichen Spezialbefehl aufgetragen worden, Mitglied der Provinzialkommission zu werden. Im Vertrauen auf Gottes Kraft und Beistand nahm er an. Mit aller Gewissenhaftigkeit wolle er zur Erhaltung „der reinen Lehre Jesu und zur Beförderung seines Reichs“26 alles, was in seinem Vermögen stehe, beitragen. Und auch Keßler mußte schließlich das neue Amt übernehmen27. b) Neumark In der Neumark fanden sich nur zwei Geistliche für die Provinzialkommission. Am 31. Juli 1792 antwortete aus Küstrin der Konsistorialrat Johann Christian Seyffert28. Er sagte umstandslos zu29, da er auch in seiner bisherigen Amtsverwaltung als Examinator immer gewissenhaft gehandelt habe30. Bereits einen Tag zuvor, am 30. Juli, hatte aus Küstrin der Archidiakon N. G. Dittmarsch geschrieben, der freudig die neue Aufgabe annahm31. Er verstand den Auftrag als einen Wink der göttlichen Vorsehung, sich zur Ausbreitung des Reiches Christi in einem neuen Wirkungskreis tätig zu erweisen32. Bevor er aber endgültig zusagte, wollte er die Namen der anderen Mitglieder der einzurichtenden Provinzialkommission kennen33.

23

AaO Bl. 11r–11v. AaO Bl. 11v. 25 AaO Bl. 12r–12v. 26 AaO Bl. 12v. 27 In der Instruktion für die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen vom 3. Februar 1793 war er als Mitglied aufgeführt. Vgl. Kapitel H.I.2. 28 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 17r–17v. Am 7. Juli 1788 bereits hatte sich der Konsistorialrat Seyffert an Woellner anläßlich von dessen Erhebung zum Chef des Geistlichen Departements gewandt. Er beteuerte, daß er sich in jeder Hinsicht „eifrigst“ bestreben werde zu zeigen, daß er Woellners untertäniger Diener sei. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 29, Bl. 49r. 29 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 17r. 30 AaO Bl. 17v. 31 AaO Bl. 18r–18v. 32 AaO Bl. 18r. 33 Außerdem setzte er voraus, daß er im Besitz der Emolumente, die er seit dem Antritt seines Diakonats als deputierter Assessor des Konsistoriums von den Examina der Kandidaten genossen hatte, verbleiben könnte. AaO Bl. 18v. 24

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

Am 13. August schrieb Dittmarsch wiederum, nachdem ihn die ImmediatExaminationskommission gebeten hatte, einen Prediger für den Posten des dritten Mitglieds zu benennen34. Dittmarsch jedoch war ratlos, da das Ministerium in Küstrin nur aus dem Konsistorialrat, also Seyffert, und dem Archidiakon, also ihm selbst, bestand. Diese beiden waren von jeher, als Deputierte des Konsistoriums, angewiesen, die Examina und Ordinationen der Kandidaten des Predigtamtes zu besorgen35. Die übrigen Prediger konnten wegen ihrer Überhäufung mit Amtsgeschäften diese Aufgaben nicht übernehmen. c) Pommern Auch in Pommern war die Situation schwierig. Zunächst jedoch schrieb am 3. August 1792 aus Stettin frohgemut der Pastor zu St. Nicolai Johann Christoph Pfennig36. Der Antrag, ein Mitglied der künftigen Examinationskommission in Stettin zu werden, sei von ihm bereits mehr als einmal im Gebet zu Gott erwogen worden37, und obwohl er schon im 68. Lebensjahr stand, verfügte er über die notwendige Gesundheit38. Drei Tage später, am 6. August, wandte sich aus Stettin der Konsistorialrat Johann A. F. Bielke an die Immediat-Examinationskommission39. Eifrig betonte er sein emsiges Wirken: Bereits fünfzig Jahre lang hatte er im pommerschen Schul- und Kirchenwesen gewirkt. Und „Jesum, an welchen ich glaube, als unsere Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung“40, habe er nicht nur der Jugend, sondern auch den Gemeinden verkündigt. Als Konsistorialrat habe er sich dreißig Jahre lang bemüht, bei den Tentamina und den Examina nach der heiligen Schrift und den Symbolischen Büchern zu prüfen. Allein er sah sich doch zur Absage gezwungen. Da er nun bald in das 78. Lebensjahr eintreten werde und seine abnehmenden „Seelen und Leibes Kräfte“41 und seine zitternden Hände und Glieder ihn täglich ins Grab sehen ließen, sah er sich außerstande, die neue Aufgabe zu übernehmen42. 34

AaO Bl. 19r–19v. AaO Bl. 19r. 36 AaO Bl. 22r–22v. 37 AaO Bl. 22r. 38 AaO Bl. 22v. 39 AaO Bl. 23r–23v. Nachdem Woellner Chef des Geistlichen Departements geworden war, hatte ihm Bielke am 14. Juli 1788 gratuliert: „Welch einer unsrer evangelisch lutherschen Kirche höchst günstigen Periode siehet nun nicht mein schon mattes Auge entgegen, in der unsere reine evangelische Glaubens Lehre, und die echte Christl. Moral von neuem aufleben und der alte Protestantismus, nach seinem ersten Begriffe, wieder hergestelt sein wird!“ GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 24, Bl. 33r. 40 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 23r. 41 Ebd. 42 Den Brieftext hatte Bielke offensichtlich von einer anderen Person schreiben lassen. Seine eigenhändige Unterschrift zeugt von einer außerordentlich zittrigen Hand. Er setzte „m pr“ – das heißt: manu proprio – hinzu. AaO Bl. 23v. 35

I. Die Gründung

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Eine weitere ablehnende Antwort erging unter dem 10. Februar 1793 von dem Konsistorialrat Christoph Friedrich Herwig aus Stettin43. Er könne keine Aufgabe übernehmen, von der er zuvor keine genaue Kenntnis habe und nicht wisse, ob dazu seine Zeit und Kräfte ausreichten44, weil er als Pastor an St. Jacobi noch verschiedene Nebenämter zu versehen habe45. Von der ImmediatExaminationskommission erbat er sich eine Instruktion über die Geschäfte der Mitglieder der einzurichtenden Provinzialkommission46. Schließlich wurde auch Herwig Mitglied der neuen Kommission47. d) Halberstadt In Halberstadt fanden sich recht zügig – freilich nur zwei – geeignete Prediger für das neue Amt. Am 9. Februar 1793 schrieb aus Halberstadt der Generalsuperintendent und Prediger an der Martinikirche Christian Ludwig Schaeffer48. Vom 2. Februar 1793 datierte das Schreiben der Immediat-Examinationskommission. Da ihn ohnehin sein Amt verpflichtete, die Kandidaten des Predigt- und Schulamts zu prüfen und „allen zum Besten des Reichs Christi abzweckenden Anordnungen“ Folge zu leisten, habe er bei den Prüflingen sein Augenmerk nicht allein darauf gerichtet, ob die Kandidaten die einem Religionslehrer nötigen gelehrten Kenntnisse besaßen, sondern er habe auch besonders darauf geachtet, „ob sie die Lehre Jesu so kennen, und lehren, wie sie unser göttlicher Erlöser 43

AaO Bl. 24r–25r. AaO Bl. 24r–24v. 45 AaO Bl. 24v. Überdies war Herwig Ephorus der Ratsschule. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 220. 46 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 25r. 47 In der Instruktion für die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen vom 3. Februar 1793 ist er als Mitglied genannt. 48 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 28r–28v. Schaeffer hatte sich im Schulwesen bereits für den Unterricht der Mädchen eigeninitiativ und fortschrittlich engagiert. Als ihm die Generalsuperintendentur verliehen wurde, bedrängte er den Halberstädter Magistrat, welcher der Patron der Kirche war, ihm ein dem Magistrat gehörendes, dicht an die Schule stoßendes baufälliges Haus zu überlassen, das die Kirche mit einem geborgten Kapital renovieren und in dem sie zwei Schulstuben unterbringen könnte. Er teilte die Mädchen nach Kenntnissen, Fähigkeiten und Alter in drei Klassen ein und gab mit seinen Pfarramtskollegen selbst einige Stunden Unterricht. Es fanden sich auch ein paar Kandidaten, die einige Stunden unentgeltlich unterrichteten. Schaeffer suchte sie durch kleine Douceurs und Freitische zu ermuntern. 1788 erstattete er dem Oberschulkollegium von diesem Institut Bericht und bat um Unterstützung. Er erhielt ein einmaliges Geldgeschenk von fünfzig Talern, um die nötigen Schulbücher für die Lehrer und armen Kinder sowie um Schreibtafeln, Landkarten, Kupferstiche und anderes anzuschaffen. Jedoch eine dauerhafte finanzielle Unterstützung, hieß es in einem Reskript an Schaeffer vom 27. Januar 1789, sei unmöglich. Freilich sollten diejenigen Kandidaten, die drei Jahre lang dort gearbeitet hatten, bevorzugt zu einem Pfarroder Schulamt befördert werden. Schaeffer empfahl nun einen solchen Kandidaten. Dies berichtete er in einem Promemoria vom 5. Juni 1794. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 35, Bl. 83r–84r. 44

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

durch Thun und Lehren bekannt gemacht, und durch die Zeugniße seiner vorerwehlten Bekenner uns schriftlich hinterlaßen hat“49. Die Kandidaten mußten ihm jedesmal durch einen Handschlag an Eides Statt geloben, nichts zu lehren, das nicht mit dem Worte Gottes „und dem LehrBegrif unserer evangelisch Lutherischen Kirche“50 übereinstimmte. Schaeffer war sich seines Prüfungserfolgs sicher und beteuerte, daß ihm in der Provinz Magdeburg niemand bekannt sei, der von diesem „graden Wege des Glaubens“51 abweiche. Zwei Tage später, am 11. Februar, reagierte aus Halberstadt der Archidiakon Heinrich Ernst Raßmann auf das Schreiben der Immediat-Examinationskommission vom 2. Februar52. Freudig sagte Raßmann zu. Als zweiter Prediger an der Halberstädter Martinikirche sei es bislang sein „angenehmes Loos“ gewesen, den Generalsuperintendenten Schaeffer zu unterstützen, mit dem er „in christlicher und glücklicher Harmonie“53 zusammenarbeite. e) Minden Auch in Minden war die Sache recht einfach. Am 2. August 1792 antwortete der Senior des Ministeriums Dietrich Heinrich Kottmeier aus Minden auf die Anfrage vom 20. Juli54 und sagte im Vertrauen auf die helfende Kraft und Gnade Jesu Christi zu55. Kottmeier bewährte sich später und fand Woellners zuvorkommende Anerkennung56. 49

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 28r. AaO Bl. 28r–28v. 51 AaO Bl. 28v. 52 AaO Bl. 29r–29v. 53 AaO Bl. 29v. Raßmann glühte vor Eifer. Am letzten Tag des Jahres 1793 sandte er in einem Privatschreiben Neujahrswünsche an die Immediat-Examinationskommission. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 7, Bl. 7r–9r. 54 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 32r–32v. Kottmeier starb am 4. Juni 1795. Dies teilte Frederking der Immediat-Examinationskommission unter dem 6. Juni mit. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 10, Bl. 25r. Ein Nachfolger wurde für die Kommission nicht mehr bestellt. 55 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 32r. 56 Die Provinzial-Examinationskommission zu Minden schilderte der Immediat-Examinationskommission etliche Schwierigkeiten, die diese unter dem 29. Juni 1793 vor den König brachte. Die Kandidaten in jener Gegend würden, wenn sie die Universität verlassen hatten, zum Predigen zugelassen werden, ohne sich irgendeinem Examen unterworfen zu haben. Die Magisträte der dortigen Gegend seien bei der Besetzung der Schullehrerstellen noch nicht angewiesen, die dazu ernannten Subjekte zuvor der Examinationskommission in Minden zum Tentamen zu präsentieren. Und die dortige Kommission habe bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Gelegenheit, die ihr in ihrer Instruktion aufgetragenen Erkundigungen über die Beschaffenheit der Prediger und Schullehrer einzuziehen. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen ExaminationsCommisionen [sic] in den Provinzen), unpag. Das aus Hillmers Feder stammende Konzept dieses Schreibens findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 10, Bl. 2r–3r. Am 5. Juli beauftragte Woellner das Mindener Konsistorium in einem Reskript, Kottmeier als Assessor 50

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Wenige Tage vor seinem Vater, dem Senior, hatte am 28. Juli auch der Pastor Friedrich Wilhelm Kottmeier freudig aus Minden geschrieben57. Gern bekannte er, daß ihm seit den 29 Jahren, die er nun bereits im Predigtamt stand, die Erhaltung und Ausbreitung „des unverfälschten Evangeliums unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi eine Herzensangelegenheit“58 gewesen sei. Kein „Haar

anzunehmen, damit dieser Gelegenheit erhalte, die Konduitenlisten und andere Akten einzusehen und sein Amt bei der Examinationskommission um so besser zu verwalten. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. An demselben Tag erhielt die Immediat-Examinationskommission mit einem von Woellner unterschriebenen königlichen Spezialbefehl eine Abschrift des Reskripts. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 10, Bl. 5r. Die Abschrift findet sich aaO Bl. 6r. Drei Wochen später, am 26. Juli, reagierte das Konsistorium von Minden und Ravensberg in einem dreieinhalbspaltigen Brief. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. Nach Aussage des Reskripts vom 5. Juli hatte die Provinzialkommission die den ungeprüften Kandidaten erteilte Zulassung zum Predigen moniert. Das Konsistorium wünschte nun, daß die Provinzialkommission auch Spezialfälle benannt hätte, damit es entsprechende Maßnahmen hätte ergreifen können. Nach der Verfassung von Minden und Ravensberg gab es zwei Arten von Kandidaten: Erstens die Candidati theologiae, die noch nicht in numerum Candidatorum ministerii rezipiert waren und zweitens die Candidati Ministerii, die beim Konsistorium examiniert und in numerum Candidatorum rezipiert waren. Von den Kandidaten der letzteren Art könne hier nicht die Rede sein, da diese bei der Rezeption sowohl vom Konsistorium im Hinblick auf ihre Erudition als auch von der Provinzialkommission im Hinblick auf ihre Rechtgläubigkeit geprüft würden. Wegen der Candidati theologiae sei es dort, wie auch in anderen königlichen Provinzen, Vorschrift gewesen, daß sich die von den Universitäten zurückgekommenen Studenten beim Superintendenten zum privaten Tentamen meldeten und daß es keinem Prediger erlaubt war, einem Studenten die Kanzel freizugeben, bevor er nachgewiesen hatte, daß er vom Superintendenten tentiert worden war. Von den Predigern, die der unmittelbaren Aufsicht des Konsistoriums unterworfen waren, sei dem Konsistorium kein Fall bekannt, in dem sie einen nicht tentierten Kandidaten hätten predigen lassen. Wohl aber wußte das Konsistorium, daß die Mindener Stadtprediger und Mitglieder der Examinationskommission, und zwar noch bevor ihnen die Examina vom König aufgetragen worden waren, solche Kandidaten häufiger für sich hatten predigen lassen, obwohl sie noch nicht vom Superintendenten tentiert worden waren. Wenn der königliche Wille dahin gerichtet sein sollte, daß überhaupt keinem Studenten die Kanzel eröffnet werden solle, bevor er auch von der Examinationskommission tentiert worden sei, würden sie dies sofort verfügen. Abschließend versicherte das Konsistorium, daß es dem Befehl des Reskripts vom 5. Juli nachkommen und Kottmeier in der ersten Konsistorialsession nach den bereits begonnenen Ernteferien einführen werde. Mit einer an das Minden-Ravensbergische Konsistorium gerichteten Resolution vom 9. August 1793 gedachte die Immediat-Examinationskommission die Unstimmigkeiten in der Provinz zu beenden: Jeder müsse von der Provinzialkommission pro licentia concionandi geprüft werden. AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Konzept]. An demselben Tag wurde die Resolution der Immediat-Examinationskommission abschriftlich bekanntgemacht. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 9, Bl. 9r. Die Abschrift findet sich aaO Bl. 11v. 57 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 34r–35r. 58 AaO Bl. 34r.

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breit“ sei er von der „rechten Lehe [sic]“59 abgewichen. Er habe es immer als Freude und Ermunterung empfunden, wenn der König durch „höchst weise“60 Verordnungen dem „Strom des Unglaubens“61 manchen Damm entgegengesetzt habe. Oft sei ihm schwer ums Herz gewesen, wenn „so manche leichtsinnige und ungläubige Kandidaten, verleitet durch einen falschen Aufklärungs-Schwindel“62, ins Amt gekommen seien. Als letzter nahm schließlich auch der Pastor H. G. J. Frederking aus Minden am 31. Juli den Antrag im Vertrauen auf Gottes Beistand an63. f) Ostfriesland Für die Examinationskommission in Aurich fanden sich nur zwei Prediger. Am 15. Februar 1793 reagierte der Konsistorialrat Christoph August Goßel aus Aurich auf das Schreiben der Immediat-Examinationskommission vom 2. Februar 179364. Er nahm das neue Amt an, wiewohl er keine rechte Neuerung erkannte, da ihm als Konsistorialrat beim Auricher Provinzialkonsistorium bereits die Aufgabe oblag, mit dem Generalsuperintendenten65 als erstem geistlichen Konsistorialrat die von der Universität kommenden Theologiestudenten lutherischer Konfession das erste Mal pro licentia concionandi und dann vor ihrer Ordination zu einem Predigtamt in pleno Consistorii zu examinieren. Im Gegensatz zum ersten geistlichen Konsistorialrat war ihm dies freilich nicht finanziell vergütet worden. Nun erhoffte er von der neuen Einrichtung einen pekuniären Fortschritt und bat um eine Bezahlung seiner Prüfungsleistungen66. Umstandslos dagegen hatte bereits am 3. August 1792 Pastor U. J. Ihmels aus Aurich zugesagt67. g) Grafschaft Mark: Soest Aus Soest erreichten die Immediat-Examinationskommission erfolgverheißende Nachrichten. Bereits am 20. April 1792 hatte sich der Prediger Johann Ludolph Florens Sybel von St. Petri an Hillmer gewandt68. Es sei „höchst die 59

Ebd. Ebd. 61 AaO Bl. 34v. 62 Ebd. 63 AaO Bl. 33r–33v. 64 AaO Bl. 37r–37v. 65 AaO Bl. 37r. 66 AaO Bl. 37v. 67 AaO Bl. 38r–38v. 68 AaO Bl. 42r–42v und 49r. Schon am 25. September 1788 hatte der Prediger an der Soester Hauptkirche Sybel auf großen, engbeschriebenen Bögen ausführlich an Woellner geschrieben und über die Zustände der Provinz – unter anderem über die geringen Gehälter der 60

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Zeit“ gewesen, in Preußen den „so genanten neologen oder wie man sie sonst nennen mögte die Schranken“69 zu setzen. Sybel machte die Immediat-Examinationskommission darauf aufmerksam, daß es in der dortigen Provinz zwei Ministerien gab. In dem einen Ministerium war Johann Dietrich Franz Ernst v. Steinen in Frömern Inspektor, und im Soester Ministerium war Johann Albert Hennecke Inspektor. Wenn die Kandidaten von einer jeweils aus dem entsprechenden Inspektor und zwei Predigern bestehenden Kommission auf ihre lutherische Lehre überprüft würden und dann erst nach erhaltenem Zeugnis das Tentamen verlangen dürften, könnte erreicht werden, „daß nicht mehr jeder nach seinem Kopf glauben und lehren könne“70. Am 1. August schrieb Sybel dann offiziell an die Immediat-Examinationskommission und sagte freudig zu71. Bereits am folgenden Tag wandte er sich wiederum an Hillmer, um Vorschläge wegen der beiden Kommissionen in Frömern und Soest zu unterbreiten72. Ebenfalls am 1. August 1792 gab der Inspektor Hennecke eine engagiert zustimmende Antwort73. Später wurde anstelle von Hennecke der Prediger Johann Friedrich Dohm Mitglied der Kommission74. h) Grafschaft Mark: Frömern Tatkräftig äußerte sich am 14. August 1792 der Inspektor v. Steinen aus Frömern bei Unna75. Er habe es sich als Inspektor stets zur Pflicht gemacht, im Lehrer am Gymnasium und über eine durch einen Blitz zerstörte Kirche – berichtet. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 29, Bl. 71r–72v. 69 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 42v. 70 Ebd. 71 AaO Bl. 43v. 72 AaO Bl. 44r–44v und 47r. 73 AaO Bl. 41r–41v. 74 In einer Instruktion für die Provinzial-Examinationskommissionen vom 3. Februar 1793 ist er als Mitglied genannt. Vgl. Kapitel H.I.2. 75 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 39r–39v. Einige Jahre später wurde v. Steinen für seine – aus der Sicht der Immediat-Examinationskommission – erworbenen Verdienste belohnt. Unter dem 5. Februar 1797 wurde dem Kleve-Märkischen Konsistorium beschieden, daß v. Steinen als Konsistorialrat mit Sitz und Stimme bestallt war. Das Konzept des Reskripts stammte von Hillmers Hand. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 23, Bl. 3r. Nur wenige Monate freilich währte v. Steinens Freude über diese Ehrung. Um vier Uhr nachmittags am 26. Mai 1797 starb er. Unter dem Datum des folgenden Tages übermittelten Hopfensack und Krupp der Immediat-Examinationskommission die Todesnachricht. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 13, Bl. 47r–47v. Ihrem Wunsch, den Prediger Christoph Gottfried Schwollmann aus Aplerbeck als Nachfolger in der Kommission zu ernennen, schloß sich Hillmer am 2. Juni an. Der von Hillmer nochmals verbesserte Entwurf von Schreiberhand an Woellner findet sich aaO Bl. 48r. Unter dem 5. Juni 1797 setzte Woellner die Immediat-Examinationskommission von Schwollmanns Berufung in Kenntnis. AaO Bl. 53r. Schwollmann war jedoch kein tätiges Mitglied der Kommission, da die Provinzial-Examinationskommissionen bereits wenige Monate später aufgelöst wurden.

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lutherischen Ministerium über „die Reinigkeit der Lehre“76 zu wachen. Die „im Ton der Aufklärung zum öftern gestimmte[n] Candidaten“77 überzeuge er, daß keine Religionspartei ohne ein Symbolisches Buch bestehen könne, in dem die Lehren vorgetragen würden, durch die sie sich von anderen Religionsparteien unterscheide. An demselben Tag verfaßte v. Steinen ein Privatschreiben an Hillmer wegen des zukünftigen Konferenzorts der zu wählenden Kommission78. Frömern eigne sich nicht, da es ein einsames Kirchdorf war, das über nur sehr schlechte Straßenzugänge verfügte79. Lediglich dem Namen nach gab es dort ein Wirtshaus; in diesem so benannten Etablissement könne man außer einem Glas Branntwein nur wenig bekommen, und für einen „honetten Menschen“ sei „kein erträglich Bette“80 zu finden. v. Steinen malte aus, daß er also jedesmal selbst die Rolle eines Wirts übernehmen und seine Kollegen nebst den Kandidaten mit Speis und Trank versorgen müsse. Die Stadt Unna hingegen liege nur eine Stunde von Frömern entfernt und habe eine schöne Sakristei, die außerdem im Winter beheizbar sei81. Jeder könne dort auf eigene Kosten eine anständige Unterkunft finden. Unna erschien als Konferenzort um so günstiger, als der Prediger Wilhelm Christoph Georg Theodor Krupp dort wohnte und der Prediger Theodor Heinrich Hopfensack in Dellwig nur eine Stunde von Unna entfernt lebte82. Auch Sybel stimmte dem Vorschlag v. Bereits am 19. November 1795 hatte Sybel in einem Brief an Hillmer um das Leben des kranken Inspektors v. Steinen gefürchtet. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 44, Bl. 28r–29r. Schon früh, am 19. Juli 1788, hatte der Inspektor v. Steinen aus Frömern mit Woellner Verbindung aufgenommen und ihm zu dessen Erhebung zum Etatsminister geschrieben. Woellner möge auch der Grafschaft Mark seinen Schutz angedeihen lassen und v. Steinen Gnade gewähren. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 29, Bl. 57r–58r. 76 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 39r. 77 Ebd. 78 AaO Bl. 40r–40v. 79 Die Beschaffenheit der Straßen war ein generelles Problem. Bereits kurz nach der Thronbesteigung hatte Friedrich Wilhelm II. den Plan gefaßt, zahlreiche Chausseen im Land anlegen zu lassen. In einzelnen Gegenden Preußens, zum Beispiel im Sauerland, gab es gar keine Straßen, die mit Wagen befahrbar waren. Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 1, Leipzig 1880, 194. Nach einer Kabinettsordre vom 31. Mai 1790 flossen aus der Dispositionskasse für den Chausseebau im Herzogtum Magdeburg, im Fürstentum Halberstadt und in der Grafschaft Mark 50.000 Reichstaler. GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 660, Bl. 19. Und nach Befehlen des Königs vom 17. Dezember 1791, 8. März 1792 und 22. Juni 1792 flossen aus der Dispositionskasse 29.918 Taler für den Chausseebau. GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 662, Bl. 24. Nach einer Kabinettsordre vom 20. Mai 1795 erhielt der General-Chausseebauintendant 6.610 Reichstaler zur Chaussierung des Weges von der Glienicker Brücke bis Potsdam. GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 663, Bl. 28. Diese Ausgaben für Chausseen waren extraordinäre Ausgaben. 80 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 40r. 81 Ebd. 82 Ebd.

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Steinens zu, Unna als Konferenzort zu wählen. Als er in der vorangegangenen Woche zu Besuch in Frömern gewesen war, hatten sich die beiden einvernehmlich verständigt83. i) Westpreußen Umständlicher verhielten sich die Prediger in Marienwerder. Am 6. August 1792 lehnte der Diakon Ch. F. Buschius aus Marienwerder wegen der nach 34 Amtsjahren zunehmenden Erschöpfung seiner Kräfte ab84. Der Prediger Christoph Zacha aus Groß Krebs bei Marienwerder dagegen sagte am 1. August freudig zu85. Das Vorhaben sei höchst notwendig „bey dem gegenwärtigen ganz allgemeinen Verderben, der christlichen Lehre und Leben, und vornehmlich der völligen Ofenbahrung des Wiederchrists, der da kommt und schon da ist“86. Eine Woche später, am 8. August, formulierte dessen Bruder, der Konsistorialrat M. Zacha aus Marienwerder, eine klare Beitrittsbedingung87: Müßte er bei der Übernahme der Mitgliedschaft in der Provinzial-Examinationskommission seine bisherigen Examinations- und Ordinationsgeschäfte beim Konsistorium aufgeben und auf die damit verknüpften geringen Einnahmen verzichten, könnte er wegen seines insgesamt nur sehr mäßigen Einkommens kein Mitglied werden88. Ohne einschränkende Bedingungen stimmte am 23. Februar 1793 der Prediger an der Marienwerderschen Domkirche und Schulrat Johann Wilhelm Zitterland zu89. j) Ostpreußen Für Ostpreußen gestaltete sich die Sache zäh. Am 2. August 1792 schrieb aus Königsberg der Doktor Gotthilf Christian Reccard90. Er bezeugte nachdrücklich seine Freude, mit der er die königliche Fürsorge „für die Wiederherstellung des wahren Christenthums und Ausbreitung des Reichs Christi“ wahrnehme und „mit Lobe Gottes“91 verehre. Aber – und hier endete seine 83 AaO Bl. 40v. Sybel hatte v. Steinen gebeten, einen Brief an Hillmer beizulegen, in dem er ankündigte, daß v. Steinen die Stadt Unna als Konferenzort vorschlagen werde. AaO Bl. 45r–46r. 84 AaO Bl. 51v–51r [die Reihenfolge der Paginierung ist umgekehrt, weil die Seitenzahlen auf dem umgeknickten Aktenrand notiert sind]. 85 AaO Bl. 52r. Er starb bereits 1793. 86 Ebd. 87 AaO Bl. 53r–54r. 88 AaO Bl. 53r–53v. 89 AaO Bl. 57v–57r [die Reihenfolge der Paginierung ist umgekehrt, weil die Seitenzahlen auf dem umgeknickten Aktenrand notiert sind]. 90 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 58r–58v. 91 AaO Bl. 58r.

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wortreiche Freude – seine überhäuften Geschäfte und die immer mehr zunehmenden Schwachheiten des Alters sowie häufige Kränklichkeiten erlaubten ihm nicht, die Stelle eines Mitglieds der zu errichtenden Kommission anzunehmen92. Ebenfalls am 2. August schrieb aus Königsberg der Diakon Ernst Friedrich Hermes, der eine konditionelle Antwort gab93. Da er fürchtete, diesem wichtigen, aber ihm bislang fremden Geschäft nicht gewachsen zu sein, bat er, zunächst die versprochene nähere Instruktion studieren zu dürfen94. Ein dritter Brief von demselben Tag stammte von dem Konsistorialrat Georg Erich Sigmund Hennig, der das neue Amt gerne annahm und selbstbewußt erwartete, daß die Immediat-Examinationskommission sowohl für die hinreichende Autorität als auch für eine Entschädigung der Mitglieder der Provinzialkommissionen sorgen werde95. Am 5. April 1793 meldete aus Königsberg der Oberhofprediger Johann Ernst Schulz knapp, daß er wegen seines Alters und seines „schwächlich gebauten“96 Körpers das neue Geschäft nicht übernehmen könne97. Drei Wochen später, am 25. April, verfaßte er einen ausführlicheren, zweiseitigen Brief gleichen Inhalts an Hillmer, der ihm bereits am 9. März geschrieben hatte98. Nach dem Inhalt dieses Schreibens mußte er die Instruktion abwarten, die erst Anfang April erfolgte, gerade zu einer Zeit, als er bei der Niederlegung des akademischen Rektorats und anderen Amtsgeschäften mit Arbeiten dermaßen überhäuft war, daß er sich nicht sogleich mit dieser Sache beschäftigen konnte99. Unter dem 22. April erstattete das Ostpreußische Etatsministerium auf das Reskript vom 3. Februar 1793 pflichtmäßigen Bericht100. Nachdem es Schulz, Hennig und Hermes den königlichen Willen bekanntgemacht hatte, hatten sich Hennig und Hermes in der Zwischenzeit gemeldet. Von Schulz war eine besondere Vorstellung eingegeben worden, die das Ministerium dem König nun abschriftlich überreichte. Die siebeneinhalbseitige Vorstellung

92

AaO Bl. 58r–58v. AaO Bl. 61r. 94 Daß auch Hermes, ebenso wie Schulz, nicht freudig zustimmend reagierte, erstaunt nicht. Bereits in einem Promemoria vom 4. Januar 1789 hatte Schulz den Diakon Hermes zu denjenigen gezählt, die als „gescheute und redliche Männer“ bekannt seien. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 35, Bl. 126r–129r, hier 126r. 95 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 62r. 96 AaO Bl. 59r. 97 Am 4. Januar 1789 hatte Johann Ernst Schulz ein Promemoria über das Schulwesen in der Ostpreußischen Provinz verfaßt und an Woellner geschickt. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 35, Bl. 126r–129r. 98 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 60r–60v. 99 AaO Bl. 60r. 100 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. 93

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datierte vom 15. April101. Wegen seiner überhäuften Amtsgeschäfte und seines schwächlichen Körpers könne er die Aufgabe nicht übernehmen. Im übrigen habe Ostpreußen vor allen anderen Provinzen den Vorzug, daß sich die Universität und das Konsistorium an demselben Ort befanden. Von jeher habe man „zum wahren Nutzen des Landes“ darauf gesehen, daß die geistlichen Konsistorialstellen mit den Professoren der Theologie besetzt waren, so daß alle von der Akademie abgehenden Studenten der Theologie bei ihrer Beförderung zu Schul- und Predigtämtern ihren früheren akademischen Lehrern – mit denen sie schon bekannt gewesen und die also auch am besten zu bestimmen imstande seien, welche Kenntnisse sie von ihren ehemaligen Zuhörern verlangen könnten – von ihrem akademischen und späteren Fleiß Rechenschaft abzulegen hätten. Es seien nun aber viele Kollisionen bei gegenteiligen Einschätzungen der Kommission, von der die Kandidaten im übrigen „nach bestimmten Grundsätzen, Lehren und Meynungen“ geprüft werden würden, einerseits und des Kollegiums andererseits zu befürchten. Unter dem 12. Mai wies Woellner die Immediat-Examinationskommission durch ein Reskript an, einen gutachtlichen Bericht über Schulzens Vorstellung abzugeben102. Die Kommission war unsicher und bat am 24. Mai den König um Erlaubnis, mit dem Bericht abwarten zu dürfen, bis die Antwort des dortigen Konsistorialrats Graef, von dem sie nähere Auskunft verlangt hatte, eingetroffen sein werde103. Am 10. Juni 1793 schrieb dann Graef eifrig aus Königsberg104, an den sich die Immediat-Examinationskommission vorausschauend schon am 28. April – also bereits vor dem Reskript vom 12. Mai – gewendet hatte. Freudig, zumal da ihm Hillmer noch nähere Erläuterungen über das neue Vorhaben gegeben hatte, sagte er zu. Er halte es jetzt für eine Verpflichtung „gegen meinen Gott und göttlichen Erlöser, gegen meinen König den ich innigst verehre, und gegen die gute Sache und den heilsamen Zweck des Instituts“105, sich bei der neuen Unternehmung zu engagieren. Es solle ihm von nun an Ursache vieler Freude sein, „für die Förderung der zum Wohl menschlicher Selen so überaus würcksamen und trostvollen Religion des Jesu Christi, der für uns so alles geworden ist, für die Ausbreitung seiner seligsten Erkenntniße, und für die wünschenswürdigste immer größer werdende

101 AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Abschrift]. 102 AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Konzept]. 103 AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. 104 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 64r–64v. 105 AaO Bl. 64r.

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Allgemeinheit derjenigen würcklich christlichen Gottseligkeit, in der ich mich selbst so glücklich fühle“106, alles beizutragen, was in seinen Kräften stehe. An demselben Tag verfaßte Johann Hartmann Christoph Graef ein Privatschreiben an Hillmer107. Diesem Schreiben legte er den Brief an die ImmediatExaminationskommission bei. Er war überzeugt, daß „so manche sogenannte Aufklärung nach der Wahrheit nichts mehr und nichts minder ist, als entweder würcklicher Religionsverrath, oder der unausstehlichste Leichtsinn, oder auch wohl zuweilen – die gröbste Unwißenheit“108. Seine Art zu denken teile auch Professor Wald, von dem er, versicherte Graef, ebenso vorteilhaft dächte, auch wenn er nicht sein Schwiegersohn wäre109. Graef schloß humorvoll: „Fürchten Sie nicht, daß ich Ihnen immer so lästig-lange Briefe schreiben werde, wie ich es bisher habe thun müßen. Zum Beweise, daß ich abbrechen kann, ehe man sichs versieht, will ich hier nichts weiter hinzufügen, als daß ich von ganzen Herzen mit der wahresten Hochachtung bin Ew. Wohlgebohren ganz gehorsamster u ergebenster Graef “110. Erst am 12. Juli 1793 erstattete die Immediat-Examinationskommission dem König vernichtenden Bericht über Schulz111. Keiner der von Schulz benannten Gründe sei stichhaltig. Die Erfahrung lehre, daß Universitätsprofessoren „bey weitem“ ihre Zuhörer nicht, weder hinsichtlich ihrer Kenntnisse noch ihrer Gesinnungen, derart gründlich kennenlernten, daß sie besser als irgendein anderer deren Tüchtigkeit zur Erlangung der Lizenz oder zu einem Predigtamt zu beurteilen imstande wären. Professoren könnten oft kaum wissen, ob die Studenten ihre Collegia fleißig und ordentlich besuchten. Die Äußerung Schulzens, daß die Kandidaten von der Kommission nach bestimmten Grundsätzen, Lehren und Meinungen geprüft würden, überließ die Immediat-Examinationskommission höherer Beurteilung. Der König habe oft und deutlich erklärt, daß es den Lehrern und Predigern nicht gestattet sein solle, „zu lehren, was ein jeder will“, und daß zur Aufrechterhaltung dieses schon im Religionsedikt vom 9. Juli 1788 erklärten königlichen Willens die Examinationskommissionen wirksam sein sollten. Die Furcht, daß die Kandidaten zukünftig nur dafür sorgen würden, bei der Kommission auf eine leichtere Art zu bestehen, und daß sie also von ihrem Fleiß im Studieren zurückgehalten werden würden, schien der Immediat-Examinationskommission „ein unzeitiges Mistrauen in die Treue, Klugheit und Geschik106

Ebd. AaO Bl. 65r–65v. 108 AaO Bl. 65r. 109 AaO Bl. 65v. 110 Ebd. 111 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. 107

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lichkeit“ der Männer zu enthalten, die Friedrich Wilhelm II. zu Mitgliedern der dortigen Kommission bestimmt habe. Diese Besorgnis sei um so unbegründeter, als für die Kandidaten, die zu einem Amt admittiert werden sollten, das öffentliche Examen im Konsistorium nach wie vor bestehenbleibe und die Kommission insbesondere die Rechtgläubigkeit der Kandidaten zu prüfen habe. Die Kommission schloß mit konkreten Vorschlägen: Der König möge anstelle von Schulz den Konsistorialrat und Professor Graef zum ersten und – wegen der umfangreichen Größe der Provinz Ostpreußen – den Professor und Direktor Wald112 zum vierten Mitglied der Examinationskommission in Königsberg ernennen. Wald erwies sich in den kommenden Jahren tatsächlich als besonders eifriger Berichtsschreiber113. Graef und Wald wurden dann durch ein Reskript an das Ostpreußische Etatsministerium vom 17. Juli 1793 ernannt114. Schulz erhielt in dem Reskript die Zurechtweisung, daß der König von ihm bislang „eine bessere Idée“ gehabt habe. Er wurde ermahnt, „in seinen Schranken zu bleiben“ und der zu errichtenden Examinationskommission nichts in den Weg zu legen. An demselben Tag wurde die Immediat-Examinationskommission von diesem Reskript unterrichtet115. Schulzens Benehmen könne ihr zur 112 Zwischen Schulz und Wald herrschte schon seit langem keine Einmütigkeit mehr. Bereits in einem Promemoria vom 4. Januar 1789 hatte Schulz bemerkt, daß Professor Wald, „der von sich selbst sehr gut denckt“, einigen fiskalischen Untersuchungen entgegengehe, da er in einer von ihm in Memel mitherausgegebenen Monatsschrift, die eine „Nachäffung“ der „Berlinische[n] Monatsschrift“ sein sollte und „an vielen wahren Armseligkeiten“ sowie Beleidigungen sehr reich sei, die Behauptung hatte drucken lassen, daß ein General einen Unteroffizier habe zu Tode prügeln lassen. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 35, Bl. 126r–129r, hier 128v. Wald paßte sich allen drei aufeinanderfolgenden Chefs des Geistlichen Departements geschmeidig an. Er wußte sich sowohl bei Karl Abraham v. Zedlitz als auch bei Woellner als auch bei Julius Eberhard Wilhelm Ernst v. Massow zu insinuieren. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 218 Anm. 1. 113 Zum Beispiel sandte er – als dessen Direktor – unter dem 4. Januar 1796 einen halbjährlichen Bericht über das mit dem Collegium Fridericianum kombinierte Königsberger Schullehrerseminar ein. Die Regelung des Zeugnisses der Reife sei unzureichend. Es müsse festgelegt werden, wie lange ein Schüler in der Secunda und Prima sein solle, um zu dieser Prüfung zugelassen zu werden. Am besten würde man dem Beispiel der Berliner Gymnasien folgen, in denen ein Schüler in der Secunda mindestens zwei Jahre lang und in der Prima wenigstens zweieinhalb Jahre lang sitzen müsse. Denn „das Wegeilen von den Schulen kommt doch wahrlich nicht von dem Ueberfluß hervorstechender Köpfe her, sondern von der Neigung der jungen Leute, je eher je lieber die academische Freyheit zu genießen“. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 35, Bl. 111v. Walds Brief und das Promemoria finden sich aaO Bl. 109r und 110r–113r. Am 10. Juni 1795 hatte Wald noch gefordert, daß die Schüler drei Jahre lang in der Prima sitzen sollten. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 12, Bl. 10r–11v. 114 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Konzept]. 115 An demselben Tag wurde die Immediat-Examinationskommission von dem Reskript an Schulz unterrichtet. AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen ExaminationsCommisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Konzept].

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

Warnung dienen, sich künftig besser vorzusehen und für die Examinationskommissionen nicht ungeeignete Prediger vorzuschlagen. Schon bald entstanden Rangstreitigkeiten unter den Mitgliedern der Ostpreußischen Provinzialkommission. Am 27. August schrieb der Kirchen- und Schulrat Hennig an den König, weil der Konsistorialrat Graef durch ein Reskript zum ersten Kommissarius ernannt worden war116. Hennig hatte betrübt bemerken zu müssen geglaubt, daß der König ihm ungnädig sei, da er ihn als Kirchenrat einem Konsistorialrat untergeordnet hatte. Das aber war den Bestimmungen Friedrich Wilhelms I. vom 9. Dezember 1727 und vom 20. November 1737, die Hennig abschriftlich beifügte, zuwider117. Er müsse es, deutete Hennig als einzige Lösungsmöglichkeit an, dem König überlassen, ob er den Konsistorialrat Graef zu einem Kirchenrat erheben und dann verfügen wolle, daß sich Graef mit Hennig in der Direktion der Examinationskommission halbjährlich abwechseln solle. Unter dem 6. September verteidigte sich die Immediat-Examinationskommission gegenüber dem König, indem sie ihre Unkenntnis von der Regelung eingestand, daß in der dortigen Gegend der Charakter eines Kirchenrats demjenigen eines Konsistorialrats übergeordnet war118. Hennig solle, notierte Woellner auf dem Schreiben, geantwortet werden, daß diese Einrichtung „bloß aus Mangel der dortigen Local Kentniß“ der Berliner Immediat-Examinationskommission veranlaßt worden sei119. Hennig möge sich selbständig mit Graef verständigen, damit „die gute Sache“ nicht darunter leide. Unter dem 10. September erging dann eine entsprechende Antwort an Hennig120. Doch auch einen weiteren Monat später war die Ostpreußische Kommission noch nicht arbeitsfähig. Am 7. Oktober zeigte das Ostpreußische Etatsministerium dem König die Ursachen der Verzögerung an121. Als auf das Reskript vom 17. Juli hin den Königsberger Examinationskommissarien Hennig und Hermes bekanntgemacht worden war, daß zu der Kommission auch der Konsistorialrat Graef und der Professor Wald als Mitglieder verordnet seien, hatte das Ostpreußische Etatsministerium – weil noch keine entsprechende Erklärung 116 AaO (Acta wegen der Instructionen [sic] in den Provinzen), unpag. 117 AaO (Acta wegen der Instructionen [sic] in den Provinzen), unpag. 118 AaO (Acta wegen der Instructionen [sic] in den Provinzen), unpag. 119 AaO (Acta wegen der Instructionen [sic] in den Provinzen), unpag. 120 AaO (Acta wegen der Instructionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Konzept]. 121 AaO (Acta wegen der Instructionen [sic] in den Provinzen), unpag.

für die Geistlichen Examinations-Commisionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen

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eingegangen war – Hennig und Hermes gefragt, ob sie das ihnen aufgetragene Geschäft übernommen hätten und die Kommission eingesetzt sei. Die beiden antworteten am 16. September122, daß dies noch nicht geschehen sei. Am 3. November schrieb Graef an Woellner, nachdem er das Reskript vom 10. September, in dem Woellner ihm und Hennig befohlen hatte, sich wegen der Leitung der zu errichtenden Examinationskommission zu einigen, erst am 20. Oktober erhalten hatte123. „Ich kann es nicht sagen, wie wehe es mir thut“, daß dieser guten Sache ein so unerwartet neues Hindernis in den Weg geworfen werde. Graef wollte die „an sich so widerliche Rangsache“ dem Konsistorium vorlegen und sich dann wieder an Woellner wenden. In der Sitzung der Immediat-Examinationskommission vom 7. Mai 1794 wurde dann schließlich wegen des Rangstreits beschlossen, daß schleunigst – da Hennig und Graef den bisherigen Verfügungen des Departements, die einen wechselweisen Präsidiumsvorsitz der beiden vorgeschrieben hatten, nicht gefolgt waren – ein strengeres Reskript an sie erlassen und darin diese Verfügung wiederholt und zugleich festgesetzt werden solle, daß Graef mit dem jährlichen Präsidium beginne124. k) Kleve Am 21. Februar 1793 schrieb aus Minden der Senior Ministerii Dietrich Heinrich Kottmeier an Hillmer, der ihn gefragt hatte, ob die drei Kommissionen zu Minden, Soest und Frömern für die westfälischen Provinzen ausreichend seien125. Frömern war Kottmeier unbekannt126. Für Minden und Ravensberg sei, meinte er, eine einzige Kommission ausreichend127. Wenn in Soest für die Grafschaft Mark eine eigene Kommission angesetzt werde, könnte außerdem für das Klevische, wo der Prediger Benjamin Heinrich Dietrich Schreve in Wesel Inspektor war, auch eine eigene Kommission etabliert werden128. Dann geschah in dieser Sache weiter nichts, bis am 29. August F. H. Lohmeyer, Inspektor im Herzogtum Kleve und Prediger in Wesel129, an Hillmer schrieb, da er nach Schreves Tod130 in dessen Akten einen Brief Hillmers an 122 AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Abschrift]. 123 AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. 124 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 75r–76v, hier 75v. Das Konferenzprotokoll hatten Woellner, Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker unterschrieben. 125 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 73r–75v. 126 AaO Bl. 74r. 127 Ebd. 128 AaO Bl. 74v. 129 AaO Bl. 76r–76v und 79r–79v. 130 Erst am 8. Oktober 1793 zeigte die Kleve-Märkische Landesregierung den Tod des am 9. April verstorbenen Schreve an. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

Schreve wegen der Einrichtung einer Provinzialkommission gefunden hatte und nicht wußte, ob Schreve diesen Brief beantwortet hatte131. Lohmeyer, der bereits seit neunzehn Jahren Mitglied der Synode war, versicherte, daß bei den bisherigen Examina jederzeit die Orthodoxie der Kandidaten sorgfältig geprüft worden sei132. Und unter den Predigern seiner Inspektion gebe es niemanden, der sich Jesu des Gekreuzigten schäme. In allen dortigen Gemeinden werde er als derjenige verehrt und angebetet, „den Gott für uns zur Sünde gemacht hat“133. Lohmeyer fragte nun, ob es im Herzogtum Kleve der Einrichtung einer Provinzial-Examinationskommission unter Umständen gar nicht bedürfe134. Ansonsten übernähme er gerne die Mitgliedschaft. Als weitere Mitglieder schlug er Wesseler in Hamminkeln, Landmann in Götterswickerhamm und Nebe in Dinslaken vor135. Am 9. Oktober wandte sich Lohmeyer wiederum an Hillmer136. Hillmer habe Recht, daß die Geschäfte der Provinzial-Examinationskommission in dieser Provinz von Lohmeyer und zwei Gehilfen erledigt werden könnten. Da die Prediger Wesseler, Landmann und Nebe alle von gleich „ächt Evangelischer Gesinnung“137 seien, wisse er niemandem den Vorzug zu geben. Lohmeyer schlug vor, Wesseler und Landmann wegen ihrer längeren Amtserfahrung als 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. Eine Abschrift dieses Briefes findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 5, Bl. 45r–46v. In dem Brief rechtfertigte die Regierung ausführlich die durch die Nachlässigkeit des Archivars verursachte Verzögerung. Bereits am 9. April 1793 hatte sie geschrieben. AaO Bl. 47r–48v [Abschrift]. Die Kleve-Märkische Regierung hatte darauf angetragen, daß die allen Provinzialkommissionen in § 9 der Instruktion vom 3. Februar zur Pflicht gemachten halbjährlichen Berichte von den dortigen Kommissionen nicht unmittelbar an die Immediat-Examinationskommission, sondern an die Klevische Regierung und durch diese an das Geistliche Departement eingesendet werden sollten. Unter dem 8. November 1793 berichtete die Immediat-Examinationskommission dem König gutachtlich (aaO Bl. 49r–50r [Konzept]), daß, wenn die dortigen Kommissionen in keiner unmittelbaren Verbindung mit der Immediat-Examinationskommission stünden, der „Allerhöchst intendirte heilsame Zwek gradehin verfehlt, und manches zu bewirkende Gute verhindert werden würde“. AaO Bl. 49v. Unter dem 14. November erging daher an die Klevische Regierung ein von Woellner unterschriebener Spezialbefehl, daß die dortige Provinzialkommission keineswegs von dem halbjährlichen Bericht an die ImmediatExaminationskommission dispensiert werden würde. Auch in allen anderen Provinzen sei dies festgesetzt. AaO Bl. 55r [Abschrift]. Ebenfalls unter dem 14. November wurde die ImmediatExaminationskommission von Woellner entsprechend informiert. AaO Bl. 54r. 131 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 4, Bl. 76r. 132 AaO Bl. 76v. 133 Ebd. 134 AaO Bl. 79r. 135 Ebd. 136 AaO Bl. 77r–78v. 137 AaO Bl. 78v.

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Mitglieder zu benennen und Nebe zu einem späteren Zeitpunkt nachrücken zu lassen138. Am 25. Oktober schrieb die Immediat-Examinationskommission dann dem König139. Nachdem sie von genauen Erkundigungen überzeugt worden war, daß es notwendig sei, neben den beiden westfälischen Examinationskommissionen in Frömern und Soest noch eine besondere Kommission für die Provinz Kleve in Wesel anzusetzen, bat sie den König, die Errichtung dieser Kommission in Wesel zu genehmigen und zu deren Mitgliedern die drei bewährten Prediger Lohmeyer in Wesel, Wesseler in Hamminkeln und Landmann in Götterswickerhamm zu ernennen. Dem Konsistorium zu Kleve möge der König auftragen, das Nötige zu besorgen. Ebenfalls am 25. Oktober schrieb die Immediat-Examinationskommission an den König140, weil sie aus Frömern und Soest erfahren hatte141, daß das Konsistorium zu Kleve bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Verfügungen zur Einrichtung der beiden Kommissionen getroffen hatte und an die zu Mitgliedern der besagten Kommissionen in Frömern und Soest bestimmten Personen noch nicht das Geringste ergangen war. Unter dem 9. November wurde das Konsistorium zu Kleve dann in einem von Woellner unterschriebenen Reskript von Schreiberhand daran erinnert142. Fast einen Monat später erst, am 3. Dezember, kam die Klevische Regierung diesem Befehl nach143. Bereits am 23. Januar 1794 fand sich die Klevische Geistliche Provinzial-Examinationskommission schließlich zum ersten Mal zur Konferenz zusammen144. 138 Auch in den folgenden Jahren blieb die Beziehung zu Nebe ungetrübt. Am 12. Juli 1796 bekundeten Lohmeyer, Wesseler und Landmann in ihrem halbjährlichen Bericht an die Immediat-Examinationskommission ihre Freude über Nebes Entscheidung, einen Ruf nach Essen auszuschlagen und stattdessen in Dinslaken zu bleiben. Sie hatten sehr gewünscht, diesen „orthodoxen, geschickten und treuen Amtsbruder“ im Klevischen Ministerium zu behalten. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 8, Bl. 31r–32r. 139 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. Das Konzept dieses Schreibens findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 5, Bl. 40r. 140 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. Das Konzept dieses Schreibens findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 5, Bl. 38r. 141 Am 19. Oktober 1793 hatte aus Soest Hennecke geschrieben. AaO Bl. 34r–35v. In diesem Brief dankte Hennecke der Immediat-Examinationskommission auch dafür, daß sie seiner Bitte stattgegeben hatte, ihn zukünftig in Rücksicht auf sein Alter von der Pflicht einer schriftlich auszuarbeitenden Predigt zu befreien. Die Kommission hatte Vertrauen zu seiner „schuldigen Treue eines evangelischen Lehrers“. AaO Bl. 34r. Hennecke betonte die „Wachsamkeit über die Verkündigung der reinen Lehre des Evangelii“. 142 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Konzept]. 143 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 5, Bl. 57r–57v [Abschrift]. 144 Noch an demselben Tag erstattete die Kommission der Immediat-Examinationskommission Bericht (GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 8, Bl. 7r) und legte das Sitzungspro-

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Nachdem Lohmeyer im Frühjahr 1797 gestorben war, teilte am 10. April Nebe aus Dinslaken der Immediat-Examinationskommission mit, daß er nach dessen Tod für drei Jahre zum Inspektor des klevischen evangelisch-lutherischen Ministeriums gewählt und von der Klevischen Landesregierung bestätigt worden war145. Er versicherte, daß er unter Gottes Beistand danach streben werde, durch sein Amt „die Religion Jesu möglichst befördern und aufrecht halten zu helfen“. 2. Die Instruktion für die Provinzialkommissionen a) Die Bestimmungen der Instruktion Nachdem auf das Schreiben vom 20. Juli 1792 hin die ersten Reaktionen aus den Provinzen eingegangen waren, schickten Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker dem König am 30. Januar 1793 auf dessen Befehl eine Liste derjenigen Prediger, die zu Mitgliedern der zu errichtenden Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen ernannt werden könnten146. Außerdem überreichten sie einen von Hermes konzipierten Entwurf 147 zu einer näheren Instruktion für alle Provinzialkommissionen148. Bereits am 22. Dezember 1792 hatte Woltersdorff vorgeschlagen, den Namen „Unter-Examinations Commission“, der abwertend klinge, in „Provintzial Examinations Commission“ zu ändern149, und Hecker hatte sich diesem Vorschlag am 24. Dezember angeschlossen150. Woellner datierte die Instruktion für die Provinzialkommissionen, nachdem er sie bearbeitet hatte, auf den 3. Februar 1793151. Die hauptsächliche Veränderung bestand in der Einfügung eines neuen zehnten Paragraphen, so daß die „Instruktion für die geistlichen Examinationskommissionen in den Provinzen“ nun elf Paragraphen enthielt. tokoll bei. AaO Bl. 8r–9r. Lohmeyer hatte die Konferenz mit einem „herzlichen Gebet“ eröffnet und dann den anderen Mitgliedern die bislang an die Kommission ergangenen Reskripte mitgeteilt. AaO Bl. 8r. 145 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 23, Bl. 38r. 146 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. 147 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 5, Bl. 3r–3v und 6r–6v. 148 Ein Exemplar des Briefes der Immediat-Examinationskommission ohne die Unterschriften der Mitglieder findet sich aaO Bl. 1r. Dort findet sich auch ein Exemplar der Liste mit den vorgeschlagenen Predigern. AaO Bl. 2r–2v. 149 So in einer Notiz zu Hermes’ Entwurf. AaO unpag. 150 So in einer Notiz zu Hermes’ Entwurf. AaO unpag. 151 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. Ein gedrucktes Exemplar der Instruktion findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 5, Bl. 9r–12r. Auch der Katalog der elf Fragen findet sich dort. AaO Bl. 13r–14r.

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§ 1 erinnerte an das Reskript vom 15. November 1791. Dieser Verordnung gemäß wurden zu Mitgliedern der zu errichtenden Examinationskommissionen die in § 2 aufgezählten geistlichen Räte und Prediger ernannt: Bei dem Konsistorium zu Aurich der Generalsuperintendent Coners152, der Konsistorialrat Goßel153 und der Pastor Ihmels, in Minden der Senior Kottmeier154, Pastor Frederking und Pastor Kottmeier jun.155, in Frömern der Inspektor v. Steinen sowie die Prediger Hopfensack156 und Krupp, in Soest der Inspektor Hennecke157 sowie die Prediger Sybel sen. und Dohm, bei dem Konsistorium zu Halberstadt der Generalsuperintendent Schaeffer158 und der Prediger Raßmann159, bei dem Konsistorium zu Magdeburg der Konsistorialrat Schewe160, Pastor Treuding und Pastor Keßler161, bei dem Konsistorium zu Küstrin der Konsistorialrat Seyffert162 und der Prediger Dittmarsch163, bei dem Konsistorium zu Stettin der Generalsuperintendent Gottlieb Ringeltaube164, der Konsistorialrat Herwig und der Prediger Pfennig, bei dem Konsistorium zu Königsberg der Oberhofprediger Schulz165, der Kirchenrat Hennig und der Diakon Hermes und bei dem Konsistorium zu Marienwerder der Konsistorialrat Zacha und der Schulrat und Prediger Zitterland. Die Instruktion legte also vorausgreifend für alle Kommissionen Mitglieder fest, obwohl in den konkreten Briefwechseln mit den gewünschten Personen durchaus noch nicht alle Mitgliedschaften geklärt waren166. § 3 schärfte die Geltung des Religionsedikts vom 9. Juli 1788 ein. Da dieses Religionsedikt „die Basis aller Arbeiten und Haupt-Beschäftigungen“ der 152 Bereits am 17. Juli 1788 hatte Gerhard Julius Coners aus Esens in Ostfriesland an Woellner geschrieben und ihm zur Erhebung als Staatsminister gratuliert. Zuvor waren sich Coners und Woellner einmal im Sommer 1777 in Berlin begegnet. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 25, Bl. 13r–14r. 153 Die Instruktion schrieb „Gossel“. 154 Die Instruktion schrieb „Kottmeyer“. 155 Die Instruktion schrieb „Kottmeyer“. 156 Die Instruktion schrieb „Hoppensak“. 157 Die Instruktion schrieb „Hennike“. 158 Die Instruktion schrieb „Schaefer“. 159 Die Instruktion schrieb „Rasmann“. 160 Die Instruktion schrieb „Schaeve“. 161 Die Instruktion schrieb „Kessler“. 162 Die Instruktion schrieb „Seifert“. 163 Die Instruktion schrieb „Dittmars“. 164 Zu Gottlieb Ringeltaube, der von 1792 bis 1824 als Generalsuperintendent in Pommern wirkte, vgl. Hugo Gotthard Bloth, Die Kirche in Pommern. Auftrag und Dienst der evangelischen Bischöfe und Generalsuperintendenten der pommerschen Kirche von 1792 bis 1919, Pommersche Lebensbilder 5, VHKP Reihe 5, Forschungen zur pommerschen Geschichte 20, Köln / Wien 1979, 7–32. 165 Anstelle von Schulz wurde später der Konsistorialrat und Professor Graef Mitglied der Kommission. Vgl. Kapitel H.I.1.j. Als ein viertes Mitglied kam noch der Professor Wald hinzu. 166 Vgl. Kapitel H.I.1.

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

genannten geistlichen Kommissionen sei, hätten alle Mitglieder der Kommissionen dieses Edikt in seinem ganzen Umfang zu beherzigen und darauf zu sehen, daß es „nach allen seinen Puncten und Clauseln“, welche „die Aufrechthaltung der reinen Evangelischen Lehre nach der Evangelisch Lutherischen Confession“ betrafen – Woellner fügte einschränkend hinzu: „so viel sie nämlich in ihrem Wirkungskreis vermögen“ –, in ihren Provinzen beachtet werde. Eine der Hauptbeschäftigungen jeder Kommission müsse, führte § 4 aus, darin bestehen, daß sie eine möglichst zuverlässige Kenntnis von den treuen – nämlich dem lutherischen Glaubensbekenntnis ergebenen und in ihrer Amtsführung und ihrem ganzen Lebenswandel gewissenhaften – Predigern und Schullehrern in ihrer Provinz zu erlangen suche, damit, ergänzte Woellner, bei Beförderungen auf ihr Zeugnis Rücksicht genommen werden könne. § 5 wandte sich dem vorläufigen Examen aller sich zu Predigt- und Schulämtern in ihrer Provinz meldenden Kandidaten zu. Da aber dieses Examen ein zweifaches war – nämlich das Examen pro Candidatura und das Examen pro Ministerio –, erfordere jedes eine besondere, zweckmäßige Behandlung. Erstens: Bei dem Examen pro Candidatura sollten dem Kandidaten zunächst nach dem beigelegten Schema einige vorgeschriebene Fragen, die seinen bisherigen Lebenslauf betrafen und die er schriftlich in lateinischer oder – bot Woellner als erleichternde Alternative an – deutscher Sprache beantworten sollte, vorgelegt werden. Dann sollte der Kandidat einige Aufgaben dogmatischen oder exegetischen Inhalts, ebenfalls in lateinischer oder – ergänzte Woellner wiederum – deutscher Sprache, in Gegenwart eines der Mitglieder der Kommission ausarbeiten. In der mündlichen Prüfung vor allen Mitgliedern der Kommission sollten die Examinatoren hauptsächlich auf die Bibelkenntnis der Kandidaten achten und sie, falls es hier an Kenntnissen mangelte, ernstlich zum Fleiß im Studium der heiligen Schrift anhalten. Für die von dem Kandidaten bei dieser Prüfung zu haltende Predigt sollte ihm einige Zeit zuvor, sobald er sich mündlich meldete, ein Text aufgegeben werden, und diese Predigt sollte, wenn es nur irgendwie möglich war, in Gegenwart eines oder aller Mitglieder der Kommission gehalten werden. Zuvor aber sollte sie schriftlich bei der Kommission eingereicht, von einem Mitglied der Kommission geprüft und mit dem Kandidaten durchgesprochen werden. Von der Prüfung müsse ein von der ganzen Kommission unterschriebenes Protokoll aufgenommen werden. Würde der Kandidat bei dieser Prüfung für tüchtig befunden, erhielte er ein Zeugnis, mit dem er dann bei dem Konsistorium seiner Provinz um die Erlaubnis zu predigen oder um die Erlaubnis, sein Schulamt antreten zu können, nachsuchen sollte. Würde hingegen der Kandidat für untüchtig befunden, entweder weil ihm die nötige Kenntnis der heiligen Schrift fehlte, auf die bei der „fast allgemeinen und unverantwortlichen Vernachläßigung derselben“ vorzüglich zu achten sei, oder weil er

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„den schriftwidrigen Meinungen und falschen willkürlichen Auslegungen der itzigen Neologen“ nachhing, sollte ihm pro nunc das Zeugnis versagt und ein neuer viertel- oder halbjährlicher Prüfungstermin angesetzt werden. Zugleich sollte er ermahnt werden, daß bei dem künftigen Examen pro ordinatione scharf darauf geachtet werden würde, ob und wie er die Zwischenzeit „zum Wachsthum in der Erkenntniß des Evangelii“ und in der „eignen Erfahrung des Gnadenstandes“ und zu dessen Beweis durch einen „ächt christlichen gottseligen Lebenswandel“ genutzt habe. Zweitens: Beim Examen pro Ministerio sollte dem Kandidaten zuerst aufgetragen werden, seinen Lebenslauf und sein Glaubensbekenntnis über „die Hauptwahrheiten der christlichen Lehre“ – in Gegenwart eines oder aller Mitglieder der Kommission – in lateinischer Sprache aufzusetzen. Dann sollte die mündliche Prüfung erfolgen und zwar in diesem Fall nicht nur über sein Glaubensbekenntnis und seine Einsicht in die Wahrheiten des Evangeliums, sondern auch noch insbesondere über Gegenstände, welche die künftige Amtsführung betrafen. Außerdem sollte der Kandidat in Gegenwart eines Mitgliedes der Kommission über einen ihm vorgelegten Hauptartikel der christlichen Lehre einige Kinder katechisieren. Von dem Protokoll und dem Zeugnis, das der Kandidat beim Konsistorium einreichen mußte, um zum öffentlichen Examen in pleno zugelassen zu werden, galt mutatis mutandis dasselbe, was davon bei den Bestimmungen über das Examen pro Candidatura gesagt worden war. § 6 nannte Ausnahmeregelungen: Damit den Provinzialkommissionen und den Kandidaten die Befolgung dieser Anordnung soviel als möglich erleichtert würde, könnte den Kandidaten, die von dem Ort, an dem die geistliche Examinationskommission ihrer Provinz angesetzt war, allzuweit entfernt wohnten, erlaubt werden, sich mit Bewilligung der Kommission wegen der Prüfung an den geistlichen Inspektor zu wenden, in dessen Parochie sie sich aufhielten. In diesem Fall sollte der Inspektor den Text zur Prüfungspredigt geben, die Prüfung abhalten und das Protokoll nebst der Prüfungspredigt sowie den übrigen Aufsätzen des Kandidaten an die Kommission senden, die dann dem Inspektor entweder das testimonium für den Kandidaten zuschicken oder, im Fall von dessen Unwürdigkeit, einen neuen Prüfungstermin und eine neu auszuarbeitende Predigt anordnen würde. § 7 legte fest, daß das jeweils jüngste Mitglied der Kommission die Protokolle bei den Akten der Kommission aufbewahren müsse. Würde einem Kandidaten das Zeugnis pro licentia concionandi oder pro ordinatione verweigert, müßten in dem Protokoll ausführlich die Gründe angegeben werden. Die Examinatoren sollten den Kandidaten, forderte § 8, mit väterlicher Milde Anweisungen zu selbständigem weiteren Studieren und zu zweckmäßiger Vorbereitung auf ein künftiges Lehramt geben.

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§ 9 betraf das Verhältnis der Geistlichen Examinationskommissionen in den Provinzen zu der Geistlichen Immediat-Examinationskommission in Berlin. Alle Provinzialkommissionen waren der Immediat-Examinationskommission subordiniert, der sie jährlich zu Ostern und zu Michaelis Berichte abzuliefern hatten, in denen sie über den Zustand der Provinz im Blick auf das Religionswesen und über die Prüfungen, die abgehalten worden waren, Rapport erstatten sollten. In allen schwierigen und zweifelhaften Fällen hätten sich die Provinzialkommissionen an die Immediat-Examinationskommission zu wenden, die dann beim Geistlichen Departement um die nötigen Bescheide und Verfügungen nachsuchen werde. In dem nachträglich von Woellner eingefügten § 10 erhielten die Examinationskommissionen – damit deren Mitglieder für ihre Bemühungen belohnt würden – das Versprechen, daß jedem Mitglied, wenn es zur Verbesserung seiner Umstände beim Geistlichen Departement um eine weitere Beförderung nachsuchen würde, nach einem Zeitraum von drei Jahren eine solche Verbesserung zugestanden werden sollte, soweit es die Umstände erlaubten. Schließlich wurde allen Mitgliedern der Provinzialkommissionen in § 11 nochmals die genaueste und gewissenhafteste Befolgung aller Punkte der Instruktion eingeschärft. Man erhoffe sich von ihnen, daß sie diese Gelegenheit „zur Beförderung des Reichs Jesu Christi“ mit Freude und Eifer nutzen würden, weil sie auf diese Weise dazu beitragen könnten, daß zukünftig die Kirchen und Schulen mit „redlichen Bekennern und Knechten Jesu“ versehen würden, „welche die ihnen anvertrauten Seelen dem zuführen, der sie so theuer erkauft hat und durch den sie allein Vergebung der Sünden, Ruhe und Trost im Leben und im Sterben und einst die ewige Seeligkeit erlangen können“167. b) Die Reaktion aus den Provinzen Unter dem 3. Februar 1793 teilte Woellner der Immediat-Examinationskommission auf königlichen Befehl mit, daß Friedrich Wilhelm II. den Konsistorien die Instruktion zugesandt und die Namen der Mitglieder der Examinationskommissionen benannt hatte168. Alsbald liefen Antworten aus den Provinzen ein. Unter dem 13. März berichtete das Halberstädtische Konsistorium, daß es gemäß dem Reskript vom 3. Februar dem Generalsuperintendenten Schaeffer und dem Prediger Raßmann die Instruktion und das Schema geschickt hatte169. An demselben Tag bat die Pommersche Regierung, die diese Bitte bereits unter 167

GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. 168 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 5, Bl. 8r. 169 AaO Bl. 24r.

I. Die Gründung

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dem 4. März geäußert hatte170, eifrig um die Übermittlung weiterer Abdrucke der Instruktion für die Examinationskommission171, da sie dieser Kommission sofort das einzige ihr mit dem Reskript vom 3. Februar zugesandte Exemplar der Instruktion zugeschickt hatte. Woellner notierte, daß ihr von der Kanzlei noch zwölf Exemplare zugesendet werden könnten172. Das Ostfriesische Konsistorium hatte bereits am 11. März gemeldet, daß es gemäß dem Reskript vom 3. Februar dem Generalsuperintendenten Coners, dem Konsistorialrat Goßel und dem Prediger Ihmels die Ernennung zu Mitgliedern der Examinationskommission in der dortigen Provinz bekanntgemacht hatte. Zugleich hatte das Konsistorium angefragt, ob nicht nach § 5 der Instruktion das öffentliche Tentamen fortfallen könne, da Coners und Gossel ständige Examinatoren beim Konsistorium waren. Unter dem 11. Mai erging an das Ostfriesische Konsistorium ein zustimmendes Reskript, daß von nun an die dortige Examinationskommission nach der von ihr angestellten Prüfung der Kandidaten ohne anderweitiges Tentamen die testimonia erteilen dürfe und die Kandidaten, wenn sie diese Zeugnisse einreichten, beim Konsistorium die licentia concionandi erhalten sollten. Dahingegen müßten sich die Ordinandi wie bislang dem Examen publicum unterwerfen173. Am 9. August schlug die Immediat-Examinationskommission vor, dieses Reskript an das Ostfriesische Konsistorium auf alle Konsistorien auszudehnen, da bei einigen Konsistorien, namentlich in Halberstadt und Magdeburg, noch die alte Regelung in Geltung stand und dadurch die Kandidaten oft zu einem langen Aufenthalt an dem Ort des Konsistoriums genötigt wurden und sowohl wegen der Versäumung ihres Privatlehrergeschäfts als auch wegen der Kosten in große Schwierigkeiten gerieten174. Woellner ließ sich überzeugen, und unter 170 AaO Bl. 20r [Abschrift]. Hier hatte sie noch um dreißig Exemplare gebeten. Auf die Bitte vom 4. März 1793 hin war unter dem 21. März ein von Woellner unterschriebener königlicher Spezialbefehl an die Immediat-Examinationskommission ergangen, die nach ihrem Ermessen erforderliche Anzahl zu schicken. AaO Bl. 19r. Unter dem 23. April sandte die Immediat-Examinationskommission dreißig Exemplare der Instruktion an die Geheime Staatskanzlei, die sie der Stettiner Regierung weiterleiten sollte. AaO Bl. 21r. 171 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Abschrift]. 172 AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. 173 AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. Ebenfalls unter dem 11. Mai 1793 erging an die ImmediatExaminationskommission ein von Woellner unterschriebener königlicher Spezialbefehl, in dem sie von dem Bescheid an das Ostfriesische Konsistorium unterrichtet wurde. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 5, Bl. 18r. 174 AaO Bl. 26r [Konzept].

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

dem 13. August erging dann ein von ihm unterschriebener Spezialbefehl an alle Konsistorien exklusive Ostfriesland175. Das Konsistorium zu Magdeburg begehrte gegen diesen Befehl am 29. August 1793176 und nochmals am 17. Dezember 1794177 auf, konnte sich aber nicht durchsetzen. Woellner notierte auf dem Brief vom 17. Dezember, daß er Hillmer zum Vortrag zugestellt werden solle. Und Hillmer befand, daß es bei dem Inhalt des Reskripts sein Bewenden haben müsse, weil das Ansehen des Konsistoriums nicht gekränkt werde. Auch die Königsberger Theologische Fakultät legte gegen das Reskript vom 13. August Widerspruch ein. Unter dem 15. Oktober wurde sie beim Akademischen Senat vorstellig178, der sich unter dem 23. Oktober an das Ostpreußische Etatsministerium wandte. Am 11. November unterstützte das Etatsministerium gegenüber dem König das Ansinnen der Fakultät, ihr das Recht zur Erteilung der licentia concionandi zu belassen179. Vom 31. Dezember datierte dann eine von der Immediat-Examinationskommission vorgeschlagene und von Woellner unterschriebene Resolution an das Ostpreußische Etatsministerium180. In dem Reskript vom 13. August sei nur die Rede von der 175 AaO Bl. 28r [Abschrift]. Ebenfalls unter dem 13. August 1793 wurde die ImmediatExaminationskommission in einem von Woellner unterschriebenen Spezialbefehl informiert, daß alle Konsistorien instruiert worden waren, daß es zukünftig bei den Kandidaten, die bloß um die licentia concionandi nachsuchten, nach bereits überstandenem Tentamen bei den Examinationskommissionen und nach Einreichung des Zeugnisses der Kommissionen eines öffentlichen Tentamens bei den Konsistorien nicht mehr bedürfe. AaO Bl. 27r. Bereits am 23. März hatte die Immediat-Examinationskommission dem König gemeldet, daß bei ihr, sobald sie als Examinationskommission in Tätigkeit gesetzt worden war, der bisherige Gang der Examina schon dahin abgeändert worden und das früher gewöhnliche Examen fortgefallen war. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. 176 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 9, Bl. 10r–11v [Abschrift]. Am 6. Dezember 1793 wurde es abschlägig beschieden. AaO Bl. 25r [Abschrift]. 177 AaO Bl. 39r–41v. 178 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Abschrift]. Die theologische Fakultät berief sich auf die königlichen Verordnungen vom 25. September 1734 und 2. April 1735. Das Recht, die Freiheit zum Predigen zu erteilen, kam in Ostpreußen nicht dem Konsistorium, sondern der theologischen Fakultät zu. 179 AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. 180 AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Konzept]. Diese Antwort hatte die Immediat-Examinationskommission am 13. Dezember 1793 in einem Schreiben an den König vorgeschlagen. AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. Woellner hatte am 31. Dezember notiert, daß demgemäß eine Resolution an das Ostpreußische Etatsministerium ergehen solle. AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag.

II. Die Finanzierung

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in Preußen allgemein geltenden Regel. Die königliche Intention ziele aber keineswegs darauf, die „wohlgegründeten“ Ausnahmen durch jenes Reskript aufzuheben. Die Königsberger Theologische Fakultät solle also in dem Besitz ihres hergebrachten Rechts, die licentia concionandi zu erteilen, nach wie vor verbleiben. Freilich dürfe sie die Lizenz nur geben, wenn der Kandidat ein Zeugnis der Provinzialkommission vorzeigen könnte. Als die Ostpreußische Provinzial-Examinationskommission im Januar 1794 noch immer nicht arbeitsfähig war, schrieb am 24. Januar die Immediat-Examinationskommission an den König, um diese Kommission zur Aufnahme ihrer Geschäfte zu ermächtigen181. Der König möge dem Ostpreußischen Etatsministerium befehlen, sowohl die Mitglieder der dortigen Examinationskommission auf die ihnen erteilte Instruktion vom 3. Februar 1793 zu verpflichten als auch durch ein Mandatum generale die Existenz der Kommission dem Land – insbesondere den Inspektoren, Predigern und Kandidaten – bekanntzumachen und dafür zu sorgen, daß die Kandidaten darüber informiert würden, wie sie sich bei der Anmeldung der Prüfung pro licentia und pro Ministerio zu verhalten hätten. Nachdem Woellner am 30. Januar notiert hatte, daß das Nötige verfügt werden solle182, erging an demselben Tag eine entsprechende Verfügung an das Ostpreußische Etatsministerium183.

II. Die Finanzierung Bereits im September 1791 war eine Regelung wegen der Porto- und Fuhrlohnkosten der Immediat-Examinationskommission getroffen worden. Am 1. September 1791 hatte der König dem Etatsminister Hans Ernst Dietrich v. Werder mitgeteilt, daß die Räte der neuen Kommission angewiesen seien, die bei ihrer weitläufigen Korrespondenz mit allen Provinzen entstehenden Portokosten und die bei verschiedenen Reisen aufkommenden Fuhrlohnkosten beim Geistlichen Departement zu liquidieren, von dem v. Werder dann in halbjährlichen Abständen die attestierte Liquidation erhalten werde, um sie aus der Extraordinarienkasse beim Generalpostamt dem Empfänger gegen Quittung zu bezahlen184. Woellner beabsichtigte freilich keine großen Ausgaben und 181 AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. 182 AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. 183 AaO (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Konzept]. 184 AaO (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 18r [Abschrift].

376

H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

vermutete, daß die Porto- und Fuhrkosten „wohl im Ganzen so viel nicht betragen werden“185. Selbst diese Kostenerstattung bereitete der Kommission dann später Unannehmlichkeiten. Unter dem 12. Mai 1793 erging an sie ein von Woellner unterschriebener königlicher Spezialbefehl, daß auf ihr Schreiben vom 28. April hin186 das Generalpostamt angewiesen worden sei, die vom 1. September 1791 bis zum Ende des Aprils 1793 angefallenen baren Ausgaben an Brief- und Paketporto gegen Quittung zu bezahlen187. Am 24. Mai meldete v. Werder, daß er die Post-Extraordinarienkasse angewiesen hatte, die liquidierte Summe zu vergüten. Er müsse jedoch, fuhr v. Werder spitzfindig fort, bemerken, daß die Liquidation nur von drei und nicht von vier Mitgliedern der Kommission unterschrieben gewesen sei und sich überdies auf einen Zeitraum von 32 Monaten beziehe, während nach der Kabinettsordre vom 1. September 1791 die Liquidation nach jeweils sechs Monaten eingereicht werden solle188. Woellner zog die Kommission zur Verantwortung und befahl ihr am 29. Mai 1793, über das abschriftlich beigelegte Schreiben des Generalpostamts einen Bericht zu erstatten189. Der Bericht datierte dann vom 5. Juni190. Die Mitglieder der Kommission versprachen pflichtschuldigst, das Versehen der nur dreifachen Namensunterschrift zukünftig sorgfältig zu vermeiden. Im übrigen hätten sie die Liquidation nicht halbjährlich eingereicht, da bis zur Einrichtung der Provinzial-Examinationskommissionen die Auslagen nur unbeträchtlich gewesen seien191. Sie baten nochmals um Portofreiheit192. Woellner aber richtete weiter nichts aus. Unter dem 17. Juli erging an die Immediat-Examinationskommission ein von Woellner unterschriebener königlicher Spezialbefehl, daß 185 Das fügte er am Rand eines von Schreiberhand stammenden Konzeptes eines an ihn selbst gerichteten königlichen Befehls vom 5. September ein. AaO (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 19r [Konzept]. 186 AaO (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 20r–20v. 187 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 48r. 188 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 23r und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 51r [Abschrift]. 189 AaO Bl. 50r. Das Konzept findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [MinisterialArchiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 24r. 190 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 52r–52v. Die Ausfertigung mit den Unterschriften der Räte findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen OberConsistorio betr.), Bl. 25r–25v. 191 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 52r. 192 AaO Bl. 52v.

II. Die Finanzierung

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sie sich bei der unter dem 1. September 1791 an das Generalpostamt erlassenen Kabinettsordre beruhigen müsse, „weil es jezt keine gelegene Zeit ist“, eine anderweitige nachzusuchen193. Die Ausgaben der Immediat-Examinationskommission waren tatsächlich, wie Woellner bereits zu Beginn vermutet hatte, gering. Im November 1793 betrug die Summe rund 42 Reichstaler194, im Mai 1794 rund 37 Reichstaler195, im November 1794 ebenfalls rund 37 Reichstaler196, im November 1795 rund 31 Reichstaler197, im Mai 1796 rund 38 Reichstaler198, im November 1796 rund 23 Reichstaler199, im Mai 1797 rund 27 Reichstaler200 und im November 1797 rund 15 Reichstaler201. Auch die bei der Arbeit der Provinzial-Examinationskommissionen anfallenden Materialkosten mußten beglichen werden. Am 8. November 1793 schrieben daher Hermes, Hillmer und Woltersdorff an den König202. Nunmehr seien zwar die ernannten Provinzial-Examinationskommissionen größtenteils vollständig eingerichtet, aber es fehle bei allen noch an einem Fonds, aus dem ihre Ausgaben für Schreibmaterialien, für die Einrichtung des Archivs, für die Anschaffung des Amtssiegels und für andere Utensilien bestritten werden könnten. Diesen Fonds zu schaffen, sei aber um so notwendiger, da alle Mitglieder der Provinzialkommissionen, bei ihrem anderweitigen fast durchgängig sehr mäßigen und zum Teil nur notdürftigen Einkommen, die Geschäfte unentgeltlich verwalteten. Zusätzliche Geldforderungen für die Examinationskommissionen jedoch lehnte Woellner ab. Daher erging unter dem 5. Dezember an die Immediat193 AaO Bl. 54r. Das Konzept findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [MinisterialArchiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 26r. Zu den außenpolitischen Verhältnissen vgl. Kapitel A.IX.2. 194 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 56r–61r. Die Summe betrug 46 Reichstaler, 15 Groschen und 6 Pfennige. Vgl. auch GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 31r. 195 AaO (Acta die Bestellung des Hermes, Hilmer und Woltersdorff als Räthe bey dem hiesigen Ober-Consistorio betr.), Bl. 34r. Die Summe betrug 37 Reichstaler, 2 Groschen und 6 Pfennige. 196 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 62r–63r. Die Summe betrug 37 Reichstaler, 12 Groschen und 9 Pfennige. 197 AaO Bl. 65r–66r. Die Summe betrug 31 Reichstaler und 6 Groschen. 198 AaO Bl. 67r–68r. Die Summe betrug 38 Reichstaler und 10 Groschen. 199 AaO Bl. 69r–70r. Die Summe betrug 23 Reichstaler und 22 Groschen. 200 AaO Bl. 71r–72r. Die Summe betrug 27 Reichstaler, 5 Groschen und 6 Pfennige. 201 AaO Bl. 73r–75r. Die Summe betrug 15 Reichstaler, 19 Groschen und 6 Pfennige. 202 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. Das Konzept dieses Schreibens findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 5, Bl. 76r–76v.

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

Examinationskommission ein von Woellner unterschriebener Spezialbefehl, daß zumal bei den gegenwärtigen kriegerischen Zeiten kein Fonds angewiesen werden könne. Die Immediat-Examinationskommission wurde freilich autorisiert, sich – gemäß ihrem Vorschlag – bei jedem Examen von den Kandidaten zwei Reichstaler bezahlen zu lassen und dies auch den Provinzialkommissionen bekanntzumachen203. Unter dem 27. Dezember wandte sich die Immediatkommission dann dementsprechend an die Provinzialkommissionen und setzte noch mildernd ergänzend hinzu, daß es den Provinzialkommissionen freistehe, gänzlich mittellosen Kandidaten diese Summe insgesamt oder zumindest zur Hälfte zu erlassen. Alle die Kandidatenprüfungen betreffenden Briefe und Pakete müsse der jeweilige Kandidat frankieren und bezahlen204. Und alle an die Immediat-Examinationskommission gerichteten Briefe oder Pakete sollten unfrankiert abgeschickt werden, während sie selbst ihre Post frankiert verschickte.

III. Provinzialsynoden in den Provinzen Durch die Anregung eines Predigers, daß die Inspektoren auf den alljährlichen Konventen mit ihren Predigern theologisch diskutieren sollten, wurde die Geistliche Immediat-Examinationskommission auf die Synoden aufmerksam205. Unter dem 24. März 1794 trug sie daher den Provinzialkommissionen auf, baldmöglichst einen ausführlichen Bericht von der bisherigen Einrichtung der jährlichen Synodalzusammenkünfte in der entsprechenden Provinz einzureichen206. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Provinzialkommissionen zu Magdeburg207, Küstrin208, Minden209, Halberstadt210, Aurich211, Königsberg212 und Marienwerder213 meldeten, daß es derartige Zusammenkünfte überhaupt nicht 203

AaO Bl. 79r. Diese Antwort hatte Woellner auf dem Schreiben der Immediat-Examinationskommission konzipiert. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. 204 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 5, Bl. 80r–80v [Konzept]. 205 Vgl. den Bericht der Immediat-Examinationskommission an den König bzw. Woellner vom 21. Februar 1794. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 21, Bl. 44r–45r [Konzept]. 206 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 14, Bl. 1r [Konzept]. 207 Schewe, Keßler und Treuding antworteten am 31. März 1794. AaO Bl. 2r. 208 Seyffert und Dittmarsch antworteten am 1. April 1794. AaO Bl. 3r. 209 Die beiden Kottmeiers sowie Frederking antworteten am 3. April 1794. AaO Bl. 4r. 210 Schaeffer und Raßmann antworteten am 2. März [sic] 1794. AaO Bl. 5r. 211 Coners, Goßel und Ihmels antworteten am 4. April 1794. AaO Bl. 6r. 212 Wald, Hermes, Hennig und Graef antworteten am 2. April 1794. AaO Bl. 7r. 213 Zacha antwortete am 5. April 1794. AaO Bl. 8r.

III. Provinzialsynoden in den Provinzen

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gebe. Am 9. April antwortete die Provinzialkommission zu Soest214. Im Soester Ministerium fand jedes Jahr im Juni eine Generalzusammenkunft des Ministerium urbanum und des Ministerium suburbanum statt, in der dann jeder Prediger über etwaige wichtige Vorfälle in seiner Gemeinde vortragen konnte. Das Ministerium in der Grafschaft Mark, in welcher der Prediger v. Steinen in Frömern das Inspektorat innehatte, hielt alljährlich eine Versammlung in Hagen ab. Auf acht engbeschriebenen Seiten antwortete am 3. Juni die Kommission zu Frömern215. Bereits seit der Reformation hätten es die Evangelischen beider Konfessionen in den Herzogtümern Kleve, Jülich, Berg und in der Grafschaft Mark für ratsam befunden, sich gemeinschaftlich zu versammeln – jedoch nur innerhalb derselben Konfession, um den Lehrbegriff ihrer Kirchen aufrechtzuerhalten und sich vor den Bedrückungen der Katholiken so gut wie möglich zu schützen216. Die Immediat-Examinationskommission sah angesichts dieser Nachrichten nur noch Hilfe durch eine neue Vorschrift. Unter dem 2. Mai 1794 erging ein „Regulatif für die Synodal-Convente“217. Der Hauptzweck dieser jährlichen Zusammenkünfte der Inspektoren mit allen Predigern ihrer Synode sei, „daß sie sich gegenseitig ihre Einsichten und Erfahrungen in Gegenständen ihrer Amtsführung mittheilen, sich brüderlich darüber unterhalten, und zur treusten Erfüllung aller ihrer Amtspflichten stärken und ermuntern“218. Damit dieser an vielen Orten bislang gänzlich verfehlte Zweck besser erreicht werde, sollten zukünftig sechs Punkte beachtet werden. Erstens: An dem zu dieser Zusammenkunft bestimmten Tag hätten sich alle Diözesanen im Haus ihres Inspektors einzufinden. Dieser solle die Versammlung durch ein „zweckmäßiges“219 Gebet eröffnen und dann eine selbstverfaßte Abhandlung über irgendeinen Hauptgegenstand der Pastoraltheologie vorlesen. Und weiter: Dann sollten sich die Mitglieder der Synode über ihre Erfahrungen und über das Wichtigste ihrer theologischen Lektüre austauschen. Im Blick auf die theologische Lektüre wurde es besonders den Inspektoren zur Pflicht gemacht, ihre Synodalen zum fleißigen Lesen der heiligen Schrift und „bewährter theologischer Schriften“220 „brüderlich“ zu ermahnen und sie vor dem Gebrauch der „itzt Deutschland überschwemmenden neologischen Bücher und Journale“ zu 214

Es antworteten Hennecke, Dohm und Sybel. AaO Bl. 9r–9v. Es antworteten v. Steinen, Hopfensack und Krupp. AaO Bl. 10r–13v. 216 AaO Bl. 10r. 217 AaO Bl. 17r–18r. Das aus Hillmers Feder stammende Konzept findet sich aaO Bl. 15r–16v. 218 AaO Bl. 17r. 219 Ebd. 220 AaO Bl. 17v. 215

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

warnen. Sollte unter den Synodalen selbst ein bekannter Neologe sein, wurde dieser „ernstlich“ gewarnt, „seine Irthümer nach Inhalt des Religions-Edikts“ nicht auszubreiten, weil er dafür unausweichlich mit der Kassation bestraft werden würde. Drittens: Dann müßten sich alle Küster der Synode einfinden, denen in Gegenwart ihrer Prediger die von ihnen zu beachtenden Gesetze vorzulesen seien. Viertens: Zuletzt sollten die ökonomischen Angelegenheiten der Synode, zum Beispiel die Verwaltung der Predigerwitwenkasse, geregelt werden221. Fünftens: Der Inspektor müsse ein genaues Protokoll anfertigen und von allen Predigern unterschreiben lassen222. Dieses Protokoll solle durch das Provinzkonsistorium an das Geistliche Departement geschickt werden223. Zuletzt: Die Inspektoren sowie alle Prediger wurden ermahnt, bei diesen Konventen allen Zank und Streit zu vermeiden, damit auch diese Versammlungen „zur Ehre Gottes, zum Besten der Kirche, und zum Seegen für die Anwesenden“ gereichen würden.

IV. Prüfungsvorschriften Die Geistliche Immediat-Examinationskommission suchte ihren Einfluß auch im Besonderen auf die Inspektoren zu erstrecken und setzte bei der Prüfung der zu diesem Amt berufenen Prediger ein. Unter dem 25. September 1794 unterbreiteten Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker in einem Promemoria den Wunsch, daß die königliche Verordnung, nach der sich Feldprediger, wenn sie anderweitig befördert würden, zur näheren Prüfung bei den Examinationskommissionen einfinden und über deren Ergebnis ein Zeugnis produzieren sollten, bevor sie zum Kolloquium in den Konsistorien admittiert würden, allgemein auch für die Zivilprediger bei jeder weiteren Beförderung zu Inspektionen geltend gemacht werden würde224. Woellner notierte zustimmend auf dem Promemoria, daß ein Circulare an alle lutherischen Konsistorien inklusive Schlesien ergehen solle225: Alle Zivilprediger müßten sich, wenn sie weiter befördert würden, wie die Feldprediger bei der in jeder Provinz eingerichteten Examinationskommission dem Kollo-

221

Ebd. AaO Bl. 17v–18r. 223 AaO Bl. 18r. 224 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta das Colloquium der Prediger und die von denselben zu unterschreibende Reverse betr.), unpag. Das Konzept des Promemoria findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 15, Bl. 7r. 225 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta das Colloquium der Prediger und die von denselben zu unterschreibende Reverse betr.), unpag. 222

IV. Prüfungsvorschriften

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quium unterziehen und „ein Zeugnis ihrer Orthodoxie“ beim Konsistorium produzieren. Dieses Circulare erging dann unter dem 1. Oktober226. Das Circulare vom 1. Oktober 1794 erregte einiges Aufsehen. Am 3. November 1794 schrieb das Ostpreußische Staatsministerium, das dem Konsistorium unverzüglich die Verordnung vom 1. Oktober bekanntgemacht hatte, nun aber seine Bedenken äußern wollte, an den König227. Da die Reise für die aufsteigenden Prediger kostspielig und beschwerlich sei und außerdem während der Reise, weil viele Prediger zwanzig bis dreißig Meilen von Königsberg entfernt lebten, die Gemeinde alleingelassen werde, baten sie um eine Abänderung der Verordnung. Hillmer konzipierte auf dem Brief, daß das Argument der besonderen Reisekosten nichtig sei, da die zu Inspektor- und Erzpriesterstellen228 aufsteigenden Zivil- und Feldprediger sich ohnedies beim jeweiligen Konsistorium zum Kol226 AaO (Acta das Colloquium der Prediger und die von denselben zu unterschreibende Reverse betr.), unpag. [Konzept]. Unter dem 5. November 1794 waren in einem Circulare an alle lutherischen Konsistorien die Bestimmungen vom 1. Oktober konkretisiert worden. Das Circulare schrieb eine ausführlichere als die bislang geübte Prüfung vor, da „die Natur der Sache sowohl, als die Erfahrung lehret“, daß ein Inspektor, wenn er nicht die zu seinem wichtigen Amt nötigen Eigenschaften habe, ebensoviel Schaden wie Gutes bewirken könne. AaO (Acta betr. das Circular wegen Prüfung der Prediger wenn sie zu Inspectoren berufen werden), unpag. [Konzept]. Das Konzept aus Hillmers Feder findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 15, Bl. 14r–14v. Eine Abschrift findet sich aaO Bl. 16r–16v. Unter dem 5. November 1794 erging auch an die Immediat-Examinationskommission ein von Woellner unterschriebener Spezialbefehl. Ihr wurde abschriftlich das Circulare überreicht und anbefohlen, die Provinzial-Examinationskommissionen entsprechend zu instruieren. AaO Bl. 15r. Das Konzept findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta betr. das Circular wegen Prüfung der Prediger wenn sie zu Inspectoren berufen werden), unpag. Jeder zu einer Inspektorstelle ernannte Feld- oder Zivilprediger sollte sich von nun an, acht Tage bevor er zu dem Colloquium in pleno Consistorii zugelassen werden würde, bei der entsprechenden Examinationskommission der Provinz persönlich melden, um, erstens, an einem Sonn- oder Wochentag an dem Ort des Konsistoriums und der Examinationskommission über einen von der Kommission zu bestimmenden Text im Beisein eines Deputierten sowohl des Konsistoriums als auch der Kommission eine Predigt zu halten, deren Konzept von ihm zu den Akten der Kommission gehen müsse. Zweitens sollte er in Gegenwart eines Mitglieds der Examinationskommission – entweder privat oder öffentlich in der Kirche – eine Probe im Katechisieren ablegen. Drittens sollte er bei der Examinationskommission einen von ihm selbst ausgearbeiteten lateinischen Aufsatz über ein ihm von der Examinationskommission aufgegebenes Thema aus der Dogmatik, Moral, Pastoraltheologie oder Kasuistik einreichen. Viertens sollte er sich bei der Examinationskommission zur mündlichen Prüfung „vornehmlich in Absicht seiner Orthodoxie“ (das hat Woellner nachträglich am Rand in das Konzept von Schreiberhand eingefügt) einfinden und schließlich, fünftens, von der Kommission ein Zeugnis über das Prüfungsergebnis erhalten und beim Konsistorium einreichen, ohne das er nicht zu dem Colloquium in pleno Consistorii zugelassen werden dürfte. 227 AaO (Acta das Colloquium der Prediger und die von denselben zu unterschreibende Reverse betr.), unpag. 228 In Ostpreußen hießen die Inspektoren Erzpriester.

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

loquium einfinden müßten229. Es müsse also bei den Verordnungen vom 1. Oktober 1794 und 5. November 1794 sein Bewenden haben. Eine Einschränkung aber ließ Hillmer zu: In einzelnen Notfällen dürfe die unter dem 5. November anbefohlene nähere Prüfung einem benachbarten, „hinlänglich zuverläßigen“ Erzpriester aufgetragen werden, der dann der Examinationskommission in Königsberg darüber Bericht erstatten und von dieser ein Zeugnis extrahieren müsse. Unter dem 26. November erging schließlich ein entsprechendes von Woellner unterschriebenes Reskript an das Ostpreußische Staatsministerium230. Am 23. Dezember reagierte eifrig die Ostpreußische Geistliche Examinationskommission231. Sie gab zu bedenken, daß aus mancherlei Ursachen diese Dispensationen vom auswärtigen Examen am häufigsten bei den Inspektorstellen nachgesucht werden dürften und gerade bei diesen Stellen am nachteiligsten seien. Die Kommission wollte den meisten Erzpriestern keinesfalls die Tüchtigkeit zu diesem Prüfungsgeschäft absprechen, wollte aber auch nicht verschweigen, daß es, erstens, in der ostpreußischen Provinz bislang „gar nicht“232 gebräuchlich gewesen sei, den Erzpriestern kommissarisch irgendeine Prüfung zu geistlichen oder gelehrten Schulstellen zu übertragen, und daß es, zweitens, „in jeder Hinsicht“ zweckmäßiger wäre, diese Prüfungen lediglich durch die Examinationskommission und das Konsistorium an Ort und Stelle veranstalten zu lassen. Die Reisekosten könnten keinen Einwand darstellen, da ohnehin jeder aszendierende Zivilprediger zum Tentamen bei der theologischen Fakultät und jeder ins Zivilpredigeramt übergehende Feldprediger zum Kolloquium in das Konsistorium nach Königsberg kommen müsse233. Einen Monat später, unter dem 25. Januar 1795, erging ein Reskript an die Ostpreußische Examinationskommission234. Unter den Notfällen seien lediglich solche Fälle verstanden, in denen der aufsteigende Prediger teils krankheitshalber, teils wegen notorischer Dürftigkeit – zumal wenn er sich, wie es wohl oft der Fall sei, im Hinblick auf seine Einkünfte nur wenig verbessere – und zugleich allzu weiter Entfernung von dem Ort des Konsistoriums und der Kommission diese Erleichterung „nach der Billigkeit“ erwarten könne. Im übrigen seien nur äußerst wenige solcher Fälle zu erwarten.

229 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta das Colloquium der Prediger und die von denselben zu unterschreibende Reverse betr.), unpag. 230 AaO (Acta das Colloquium der Prediger und die von denselben zu unterschreibende Reverse betr.), unpag. [Konzept]. Eine Abschrift findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 15, Bl. 19r. 231 AaO Bl. 18r–18v. 232 AaO Bl. 18r. 233 Ebd. 234 AaO Bl. 20r–20v [Konzept].

IV. Prüfungsvorschriften

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Inzwischen hatte unter dem 5. November 1794 auch Raßmann – Schaeffer war gegenwärtig abwesend – ein Promemoria geschrieben235. Raßmann fragte, ob eine wirkliche Prüfung angestellt werden oder ob sich das Ganze auf die Unterschrift des Reverses beschränken solle. Guter Prüfungsergebnisse könne man ohnehin nicht gewärtig sein, denn manche der Landprediger würden, wenn sie erst eine gute Stelle erhalten hätten, „auf studia nicht viel mehr dencken“236, sondern gänzlich „Oeconomen“237 werden. Und bei fetten Pfründen seien sie mehr den Gesellschaften und Vergnügungen als den geistigen Bemühungen ergeben. Am 13. November 1794 schrieb auch die Pommersche und Camminsche Regierung aus Stettin an den König238. Aus der Rügenwalder und Stolper Präpositur239 wären Reisen von zwanzig bis mehr als dreißig Meilen notwendig. Die zu höheren Stellen zu befördernden Pastoren, die oft durch die Versetzung nur eine sehr mäßige Verbesserung erhielten und beim Antritt neuer Pfarrstellen auch an die Vorgänger oder deren Witwen und Kinder große Zahlungen leisten müßten, könnten diese Kosten unmöglich aufbringen. Unter dem 11. Dezember wurde der Pommerschen Regierung beschwichtigend beschieden, daß Prediger, die bloß von einer geringeren in eine einträglichere Predigerstelle versetzt würden, vor ihrer Introduktion in Gegenwart ihres neuen Inspektors oder Präpositus den Revers stipulieren und in zweifacher Ausführung unterschreiben müßten, falls sie nicht schon bei ihrer ersten Beförderung den Revers ausgestellt hätten240. Die Kleve-Märkische Regierung bat den König am 28. November 1794, angesichts ihrer besonderen Kirchenverfassung die dortigen Inspektoren der lutherischen Geistlichkeit von der befohlenen Prüfung zu dispensieren, denn die 235

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 37, Bl. 8r–9r. AaO Bl. 9v. 237 Ebd. 238 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta das Colloquium der Prediger und die von denselben zu unterschreibende Reverse betr.), unpag. 239 In Pommern hieß der Inspektor Präpositus. 240 Das eine Exemplar des unterschriebenen Reverses müsse an die Pommersche Regierung und das andere an die dortige Examinationskommission geschickt werden. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta das Colloquium der Prediger und die von denselben zu unterschreibende Reverse betr.), unpag. [Konzept]. Am 8. Januar 1795 bat das Pommersche und Camminsche Konsistorium dann den König um die Übersendung des Reverses, den die Prediger bei ihrer Beförderung zu einträglicheren Predigerstellen in Gegenwart ihres neuen Präpositus unterschreiben sollten. Hillmer notierte auf dem Brief, daß 100 oder 150 Exemplare, wenn noch so viele Drucke vorhanden seien, geschickt werden sollten. Andernfalls solle geantwortet werden, daß das Konsistorium sich von der dortigen Examinationskommission die benötigte Anzahl besorgen müsse. Unter dem 27. Februar erging ein solches, von Woellner unterschriebenes Reskript an das Pommersche Konsistorium zu Stettin. AaO (Acta das Colloquium der Prediger und die von denselben zu unterschreibende Reverse betr.), unpag. 236

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

beiden Inspektoren der klevischen und märkischen lutherischen Geistlichkeit wurden nicht ernannt, sondern auf den Synoden von ihren Amtsbrüdern nur für eine unbesoldete Zeit von drei Jahren gewählt241. Die Besten würden wohl das Ehrenamt eines Inspektors wegen der Reisekosten ablehnen. Hillmer notierte auf dem Brief, daß wegen der auch sonst schon bekannten Verschiedenheit der dortigen Kirchenverfassung von den übrigen Provinzen das Gesuch der Regierung bewilligt werden solle242. Unter dem 11. Dezember erging dann ein von Woellner unterschriebenes Reskript von Schreiberhand243. Einige Jahre später, im Oktober 1797, reklamierte gegenüber dem König ein einzelner Prediger für sich die Freistellung von dem Reskript des 1. Oktober 1794. Der Prediger an der Marienkirche C. J. Koch, der in das dortige Diakonat aufsteigen sollte, führte mehrere Gründe an, deretwegen dieses Reskript auf ihn keine Anwendung finde244. Da er bereits seit fünf Jahren die cura generalior und specialior versehen habe und der König ihm die dazu cum spe succedendi erteilte Vokation konfirmiert habe, sei folglich die vor kurzem eingereichte Vokation eine natürliche Folge der bereits konfirmierten Vokation, weil er keine eigentliche Amtsveränderung erfahre, sondern lediglich bei seiner alten Gemeinde in eine neue Stelle aufsteige. In die Gemeinde könne er nicht eingeführt werden, da die Introduktion in diese Gemeinde bereits vor fünfzig Jahren stattgefunden hatte. Außerdem würde es in der Gemeinde einen für ihn „äußerst nachtheiligen und unvertilgbaren Eindruck machen“245, wenn er einem Kolloquium unterzogen würde, weil die Gemeinde nicht zwischen einem Kolloquium zur Prüfung der Rechtgläubigkeit und einem Examen zur Prüfung der Kenntnisse würde unterscheiden können. Am 12. Oktober schrieben die Oberkonsistorialräte v. Scheve, v. Irwing, v. Lamprecht, Teller, Nagel, Gedike, Sack, Zöllner und Hecker an den König246. Da sie sich nicht für berechtigt hielten, Koch die gewünschte Dispensation zu erteilen, baten sie den König um eine Deklaration, ob das Reskript vom 1. Oktober 1794 auch dann angewendet werden solle, wenn ein Prediger in demselben Ministerium oder an demselben Ort, an dem er bereits im Predigtamt gestanden hatte, zu einer höheren Stelle aufstieg. Woellner, der in den letzten Lebenswochen Friedrich Wilhelms II. ohnehin um seine Zukunft bangte und daher beim König kein Aufsehen erregen wollte, vermerkte handschriftlich 241 AaO (Acta das Colloquium der Prediger und die von denselben zu unterschreibende Reverse betr.), unpag. 242 AaO (Acta das Colloquium der Prediger und die von denselben zu unterschreibende Reverse betr.), unpag. 243 AaO (Acta das Colloquium der Prediger und die von denselben zu unterschreibende Reverse betr.), unpag. 244 GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 77r–77v [Abschrift]. 245 AaO Bl. 77v. 246 AaO Bl. 76r–76v.

V. Die Visitationspredigten

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auf diesem Brief, daß dem Oberkonsistorium zur Resolution gegeben werden solle, daß das Reskript vom 1. Oktober 1794 auch auf den Prediger Koch Anwendung finde247. In einer vom 29. Oktober 1797 datierenden Resolution wurde dem Oberkonsistorium diese Entscheidung mitgeteilt248.

V. Die Visitationspredigten 1. Die Ergebnisse In einer Instruktion für alle Landeskonsistorien vom 15. November 1791249 wurden Visitationspredigten eingeführt, die alljährlich eingereicht werden sollten. Den biblischen Text für die Predigten bestimmte das Geistliche Departement, das ihn dann den Landeskonsistorien sandte. Die Konsistorien leiteten ihn den Inspektoren weiter, die ihn wiederum den Predigern bekanntmachten. Die Inspektoren mußten die ausformulierten Predigten von den Geistlichen einsammeln und an die Provinzial-Examinationskommissionen schicken. Von dort aus gelangten sie nach allgemeiner Durchsicht an die Geistliche ImmediatExaminationskommission250. Unter dem 25. März 1792 verordnete das Geistliche Departement durch ein Circulare an alle lutherischen Landeskonsistorien inklusive Schlesien, daß 247

AaO Bl. 76r. AaO Bl. 75r. 249 Vgl. dazu Kapitel F.I.3. 250 Mit immer neuen Maßregeln suchte die Immediat-Examinationskommission vergeblich Kontrolle über das Predigtwesen in den Provinzen zu gewinnen. Unter dem 2. Mai 1794 erging ein Circulare an alle lutherischen Konsistorien einschließlich Schlesien. Da die Landprediger, wenn sie ihr Amt am Sonntag nicht selbst ausüben konnten, den Gemeinden gewöhnlich durch die Küster eine Predigt vorlesen ließen, sollten die Konsistorien unverzüglich berichten, welche Bücher die Landprediger im Gebrauch hatten. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 5 a 1, unpag. Am 22. Mai antworteten der zur Breslauer Oberamtsregierung und zum Oberkonsistorium verordnete Etatsminister, der Chefpräsident, der Präsident, der Vizepräsident, der Direktor und die Räte. Im dortigen Oberkonsistorialbezirk sei es weder üblich noch erlaubt, daß ein Prediger, wenn er verhindert wäre, am Sonntag im Gottesdienst den Schulmeister oder Organisten eine Predigt vorlesen ließe. Die Vertretung finde vielmehr durch einen pro licentia concionandi geprüften Kandidaten oder einen Amtsbruder statt. So verhalte es sich auch an den Fest- und Bußtagen, am Erntefest und in der Fastenzeit, wenn vor- und nachmittags auf dem Lande Gottesdienst gehalten werde. Ähnlich äußerte unter dem 26. Mai das Glogauer Oberkonsistorium, daß es in dessen Departement nicht üblich war, bei Abwesenheit der Landgeistlichen den Gemeinden am Sonntag durch die Schulmeister Predigten vorlesen zu lassen. Die Vertretung übernähmen Amtsbrüder oder examinierte und mit der licentia concionandi versehene Kandidaten. Das Oberschlesische Oberkonsistorium berichtete am 6. Juni 1794 aus Brieg, daß die Schulhalter eine Predigt nur höchst selten und nur im größten „Nothfall“ vorläsen. Für diese seltenen Fälle war vor einigen Jahren Johann Gottlob Heyms „Vollständige Sammlung von Predigten für christliche Landleute“ eingeführt worden. AaO unpag. 248

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

im gegenwärtigen Jahr bei den Kirchenvisitationen über 2 Kor 5,19 gepredigt werden solle251. 251 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. [Konzept]. Eine Abschrift des Circulare findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 24, Bl. 3r. An demselben Tag machte Woellner den Räten der Immediat-Examinationskommission dieses Circulare abschriftlich bekannt. AaO Bl. 2r. Das vom 25. März 1792 datierende Circulare an das Kurmärkische Oberkonsistorium findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 140r. Unter dem 12. April erging dann ein von v. d. Hagen und v. Irwing unterschriebenes Reskript an die Inspektoren. Ihnen wurde befohlen, die Prediger, bei denen sie im gegenwärtigen Jahr die Visitation halten würden, unverzüglich entsprechend anzuweisen und die leserlich geschriebenen Predigten den Visitationsberichten beizulegen. Bei den Visitationen sollten sie sich genau nach der Verordnung vom 15. Dezember 1791 verhalten. AaO Bl. 142r und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 86r. v. d. Hagens Konzept findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 141r–141v. Ein weiteres gedrucktes Exemplar findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1791, Bl. 86r. Am 26. April 1792 schrieben v. d. Hagen, v. Irwing, Teller, Diterich, Nagel, Gedike, Sack, Zöllner und Hecker an den König und überreichten ihm einen vom 29. März datierenden Bericht Tellers, in dem dieser den Wunsch geäußert hatte, daß das Visitationsgeschäft mit mehr äußeren Feierlichkeiten verbunden sein möge. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [MinisterialArchiv 161] (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. Da die Visitationen nicht am Sonntag gehalten werden konnten, waren – monierte Teller – weder die Gemeinden dabei zahlreich anwesend noch bei königlichen Stellen die Beamten gegenwärtig. AaO (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. [Abschrift]. Der von Tellers eigener Hand geschriebene Bericht findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 145r–145v. Dies mache die Inspektoren zwangsläufig mißmutig. Unter dem 14. Mai erging ein von Woellner unterschriebenes Reskript an das Kurmärkische Oberkonsistorium, daß es das zu Tellers Vorschlag Nötige veranlassen solle. AaO Bl. 167r. Das Konzept findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. Jedoch nichts Nennenswertes passierte. Teller blieb diese Sache eine Herzensangelegenheit, und so faßte er weit über ein Jahr später, am 31. [sic] September 1793 in einem Brief an den König seine Vorschläge zusammen. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 169r–170r. Die Kirchenvisitationen sollten „eine Art Festtage“ (aaO Bl. 169r) für die ganze Gemeinde sein. Nicht nur in den Pfarrdörfern, sondern auch in den Filialen sollte ein besonderer Tag gehalten werden. Denn gewöhnlich entsandten die Filialisten nur einige Abgeordnete zum Pfarrdorf, und der Küster oder der Schullehrer erschien nur mit einigen der ältesten Kinder. Die Inspektoren konnten niemals die Kirchenund Schulgebäude selbst in Augenschein nehmen. Die Visitationen mußten an Wochentagen gehalten werden (ebd.), so daß sich nur ein geringer Teil der Gemeinde einfand, weil ihr wohl, vermutete Teller, alles, was nicht am Sonntag in der Kirche geschah, als „nicht so wichtig“ (aaO Bl. 169v) erscheine. Es würde ohne Zweifel auf die Kinder einen bleibenden Eindruck machen, wenn am Tag der Visitation der Küster oder in den Filialen der Schulmeister die Schuljugend in seinem Haus versammelte und sie zu Beginn des öffentlichen Gottesdienstes, nachdem die Erwachsenen sich bereits versammelt hätten, paarweise in die Kirche führte. Ebd. Teller wünschte abschließend, daß ein Fonds vorhanden wäre, um die Kinder, die sich bei der Visitation durch Fleiß und Wohlverhalten besonders auszeichneten, mit einer kleinen Prämie öffentlich belobigen zu können. AaO Bl. 170r. Am 25. Oktober äußerte sich Hecker schriftlich zu den Überlegungen. AaO Bl. 171r–171v. Er hielt Tellers Vorschläge „für sehr gut“ (aaO Bl. 171r), fürchtete jedoch, daß „in gegenwärtigen Zeiten“ wenig davon ausgeführt werden könnte. Durch die gegenwärtige Verfassung der geistlichen Angelegenheiten, durch die „nach und nach“ (aaO Bl. 171v) eingeführte größere Aufsicht auf Gemeinden und Geistliche, durch die Menge der Listen, Tabellen und

V. Die Visitationspredigten

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Die anbefohlenen Visitationspredigten liefen im Laufe des Jahres ein. Unter dem 29. Dezember meldete die Immediat-Examinationskommission dem König, daß sie die Visitationspredigten von den Konsistorien der Kurmark, von Ost- und Westpreußen, Halberstadt, der Neumark und von Magdeburg erhalten habe252. Es fehlten aber noch die Predigten aus Pommern, Westfalen und Ostfriesland, so daß die Kommission nun die nötigen Mahnungen an die entsprechenden Konsistorien erbat, um dann ihren Generalbericht abfassen zu können. Woellner, dem dieses Schreiben am 2. Januar 1793 vorgelegt wurde, ließ an die Konsistorien zu Stettin und Köslin sowie an das Westfälische und das Ostfriesische Konsistorium sogleich die gewünschte Mahnung ergehen253. Fünf Monate später, nachdem der Bericht der Immediat-Examinationskommission über die eingesandten Visitationspredigten eingesandt worden war, erging am 21. Mai ein von Woellner unterschriebener Spezialbefehl an das Kurmärkische Oberkonsistorium254. Aus dem Bericht gehe hervor, daß manche Prediger wegen darin geäußerter „neologischer und heterotoxer [sic] Grundsäzze“ einer Ermahnung „höchstnötig“ bedürften. Diese Prediger sollten von den ihnen vorgesetzten Inspektoren ermahnt werden. Das Kurmärkische Oberkonsistorium solle dies also allen Inspektoren bekanntmachen und ihnen zugleich sagen, daß auch sie selbst nunmehr eine über 2 Kor 5,19 ausgearbeitete Predigt innerhalb von drei Monaten an die Immediat-Examinationskommission einzusenden hätten. Außerdem sollten alle Kandidaten, welche die licentia concionandi entweder schon erhalten hatten oder noch erhalten würden, ebenfalls eine Predigt über 2 Kor 5,19 ausarbeiten und der ihnen in jeder Provinz vorgesetzten Examinationskommission einreichen. Zuletzt folgte eine praktische Mahnung: Das Kurmärkische Oberkonsistorium müsse darauf achten, daß die Predigten von den Verfassern leserlich geschrieben würden. Berichte jeder Art und überhaupt durch die stärkere Verbindung aller Orte und Gegenden werde die Bekanntmachung jeder Unordnung sehr befördert. In den „ältern mehr finstern Zeiten“ hätten die lokalen Kirchenvisitationen ihren „guten Nutzen“ (ebd.) gehabt. Allein in der gegenwärtigen Zeit, in der das Gewicht der Lasten noch zugenommen habe, sei von deren Notwendigkeit viel verloren worden. Diese beiden Schreiben zirkulierten dann. Hecker äußerte sich am 1. November (aaO Bl. 172r), Sack am 11. November (ebd.), Diterich am 13. November (ebd.), Zöllner – da er, als er die Akten erhalten hatte, krank darniederlag und die Schreiben ihm deswegen „aus den Augen gekommen“ waren – am 21. Mai 1794 (aaO Bl. 172r–172v), Johann Christoph Nagel am 26. Mai 1794 (aaO Bl. 172v), Gedike am 14. August 1794 (ebd.) und zuletzt Joachim Friedrich v. Lamprecht am 17. August 1794 (ebd.). Es solle – zumal die Neuerungen mit Kosten verbunden wären – alles beim Alten bleiben, und dem Geistlichen Departement müsse dann nichts angezeigt werden. v. d. Hagen stimmte dem Ganzen am 3. September 1794 zu. Ebd. 252 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. 253 AaO (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. [Konzept]. 254 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 151r.

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

Für das Jahr 1793 schlug das Geistliche Departement als Text der Visitationspredigten 1 Petr 1,18 f vor255. Unter dem 24. Mai erhielt das Kurmärkische Oberkonsistorium dann durch einen von Woellner unterschriebenen Spezialbefehl den Predigttext256. Doch die Sache ging in ganz Preußen schleppend voran. Am 22. Juni erstattete die Immediat-Examinationskommission Friedrich Wilhelm II. einen Bericht, der Woellner an demselben Tag vorgelegt wurde257. Sie legte eine 33 Namen umfassende Liste derjenigen Prediger bei, die von ihren Kreisinspektoren gemahnt werden müßten258. Gemäß einem auf ihre Anregung ergangenen königlichen – von Woellner konzipierten259 – Befehl vom 21. Mai260 hatten sie die Kreisinspektoren bereits entsprechend angewiesen. Die Kommission 255 Einige Geistliche suchten sich der Pflicht zur Einreichung von Visitationspredigten zu entledigen. Am 9. August 1793 berichtete die Immediat-Examinationskommission dem König, daß sich die Diakone und auch andere Prediger, die am Wohnort der Inspektoren lebten, von der königlichen Verfügung über Visitationspredigten für eximiert gehalten und daher keine Predigt eingeschickt hätten. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. Das Konzept findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 24, Bl. 36r. Die Kommission fragte nun, ob ein besonderes Reskript notwendig sei oder ob sie die Inspektoren selbst mahnen könne. Woellner gewährte ihr diese Befugnis und notierte am 13. August, daß ihr zur Resolution gegeben werden solle, die „Renitenten“ zu belehren und sie zu ermahnen, ihre Schuldigkeit zu tun. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. Die Ausfertigung der Resolution findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 24, Bl. 37r. 256 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 152r. Den Text 1 Petr 1,18 f hatten Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker am 24. März 1794 vorgeschlagen, nachdem ihnen von Woellner im Namen des Königs ein Vorschlag abgefordert worden war. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 24, Bl. 7r [Konzept]. Das Konsistorium sollte den ihm unterstehenden Inspektoren den Predigttext durch ein gedrucktes Reskript bekanntmachen, das dann unter dem 6. Juni 1793 erging. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 154r–154v. Das Konzept dazu findet sich aaO Bl. 153r. 257 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. Ein Konzept von Schreiberhand, auf dessen Rückseite Hillmer die Namen der fünf Geistlichen, deren Predigten eingereicht wurden, notierte, datierte vom 17. Juni 1793. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 24, Bl. 10r–10v. 258 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. Die Liste von Hillmers Hand findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 24, Bl. 11r–11v. 259 Woellner hatte dies auf einem Bericht der Immediat-Examinationskommission vom 20. Mai 1793 konzipiert. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. In diesem Bericht hatte die Kommission gemeldet, daß viele Prediger eine Ermahnung verdienten. Bei den jüngeren Predigern fehle beinahe durchgehend die Kenntnis der heiligen Schrift. Nachträglich bemerkte die Kommission noch, daß doch auch die Inspektoren sowie die Kandidaten, die zwar schon predigten, aber noch keine Pfarrstelle innehatten, Visitationspredigten einsenden müßten. 260 Das Circulare an alle lutherischen Konsistorien findet sich aaO (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. [Konzept]. Das Reskript an die Immediat-Examinationskommission findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 24, Bl. 8r. Es wurde ihr anheimgestellt, in welchen Ausdrücken sie in jedem einzelnen Fall ihre Admonition abfassen wolle, weil ein allgemeines

V. Die Visitationspredigten

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fügte fünf Predigten an, die zeigen würden, „wie sehr es den Verfassern an eigner Erkenntniß der Wahrheit fehlt“. Besonders hob sie die Kanzelrede des Predigers Wahl aus Klein Oschersleben hervor, die Renitenz gegen die Verfügungen des Monarchen zeige261. Den jeweiligen Inspektoren der genannten Prediger wurde von der Immediat-Examinationskommission auf königlichen Befehl aufgetragen, die Geistlichen zur Besserung anzuhalten262. Jedoch bereitete die mangelnde Kenntnis der Immediatkommission von den personalen Gegebenheiten der Inspektionen Schwierigkeiten. Der Superintendent von der Altstadt-Brandenburgischen Inspektion, der den Prediger Petri zu Schönhausen mahnen sollte, weil er „manche wesentliche Lehren des Evangelii sehr unvollständig“263 und zum Teil sogar schriftwidrig vorgetragen habe, antwortete am 3. Juli 1793, daß vermutlich eine Verwechslung vorliege, denn der Prediger Petri stand nicht unter der Altstadt-Brandenburgischen Inspektion264. 2. Der Prediger Wahl zu Klein Oschersleben Nachdem Woellner am 1. Juli 1793 von der Immediat-Examinationskommission hatte wissen wollen, ob ihrerseits bereits etwas wegen der Wahlschen Predigt verfügt worden sei265, antwortete die Kommission am 12. Juli266 und

Schema „manche Unbequemlichkeit“ mit sich führen würde und nicht überall „gleich paßend“ wäre. 261 Am 13. Juli 1788 hatte Wahl anläßlich von Woellners Erhebung zum Etatsminister sehr lobend geschrieben. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 30, Bl. 18r–18v sowie 18a und 17. Woellner werde „gewiß mit dem besten Erfolg für Warheit und Aufklärung in unserm lieben Vaterlande“ wirken. AaO Bl. 18a. 262 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 24, Bl. 12r–20r. An zwei Prediger in Stolpe erging diese Mahnung unmittelbar von der Immediat-Examinationskommission selbst, da, wie Hillmer notierte, die dortige Propststelle durch den Tod des Propstes vakant war. AaO Bl. 12r. 263 AaO Bl. 20r [Konzept]. 264 AaO Bl. 21r. Unter dem 23. Juli 1793 schrieb aus Halle der Inspektor Georg Ehrhard Westphal. Er hatte einen Prediger in der dritten Inspektion des Saalkreises ermahnen sollen. Weil aber einem anderen Inspektor die spezielle Aufsicht über die Prediger der dritten Inspektion anvertraut war und Westphal ihn nicht durch Übergriffe in dessen Amt beunruhigen wollte, hatte er ihm eine Abschrift des Auftrags der Immediat-Examinationskommission geschickt. Der andere Inspektor hatte dann – wie dessen abschriftlich beigelegter Bericht bezeugte – den Auftrag „mit gutem Erfolge“ ausgeführt. AaO Bl. 32r. Der abschriftliche Bericht findet sich aaO Bl. 32v. 265 AaO Bl. 22r und GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. [Konzept]. 266 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. Das Konzept von Hillmers Hand findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 24, Bl. 25r.

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

legte abschriftlich ihren Brief an den Inspektor J. C. Reinhard zu Staßfurt267 bei, aus dem Friedrich Wilhelm II. ersehen könne, daß sie es, ohne die ihr gesetzten Grenzen zu überschreiten, nicht unterlassen habe, dem Prediger Wahl „seinen Unfug“ nachdrücklich vorzuhalten. Da der König diese Sache seiner Aufmerksamkeit gewürdigt habe, überließen sie ihm die weiteren Verfügungen. Bereits am 16. Juni hatten sie Reinhard beauftragt, Wahl mitzuteilen, daß man seine Visitationspredigt als eine derjenigen, die sich durch auffallende „Renitenz“ gegen die königlichen Verfügungen auszeichne, beim Geistlichen Departement eingereicht habe268. Wahl würden sein „ungebürlicher“ Vortrag und besonders die „Anzüglichkeiten“ am Schluß seiner Predigt und in der beigefügten Nachschrift „aufs ernstlichste“ verwiesen. Man könne sich von seiner Amtsführung sehr wenig versprechen, „wenn er sie nicht durch Gebet, durch wahres Studium der H. Schrift, und durch treue Befolgung der Gnadenordnung ernstlich zu bessern sucht“. Sollte er sich nicht bessern, müßte er anderweitige „unangenehme“ Verfügungen gewärtigen. Dem Magdeburger Konsistorium solle zum Reskript erteilt werden, notierte Scholz am 22. Juli, daß aus dem Konzept einer Predigt, die der Prediger Wahl zu Staßfurt bei Gelegenheit der Visitation gehalten hatte, mit nicht geringem Mißfallen ersehen worden sei, daß Wahl in seiner Predigt die öffentlichen Landesverordnungen „sehr unanständig“ kritisiere. Da die Immediat-Examinationskommission dem Prediger bereits die abschriftlich beigelegte Weisung gegeben habe, wolle man vorerst keine weiteren Maßnahmen treffen, jedoch solle das Konsistorium „ein wachsames Auge“ auf Wahl haben. Der Immediatkommission solle durch ein Reskript aufgetragen werden, gleichfalls ein scharfes Auge auf Wahl zu werfen. Unter dem 22. Juli ergingen dann diese von Woellner und Scholz unterschriebenen Reskripte269. Die Immediat-Examinationskommission erfüllte ihre Pflicht am 9. August und beauftragte Reinhard zu Staßfurt, über Wahls Reaktion auf die ihm gegebene Weisung zu berichten. Im Ganzen solle Reinhard auf die Amtsführung und den Lebenswandel des Predigers „ein wachsames Auge“ haben270. Gut drei Wochen später, am 31. August antwortete Reinhard aus Staßfurt, nachdem er 267 Klein Oschersleben lag drei Meilen von Staßfurt entfernt. Das geht aus einem Brief Reinhards vom 31. August 1793 hervor. AaO Bl. 29r. 268 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Abschrift] und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 24, Bl. 23r. 269 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta wegen der Instructionen für die Geistlichen Examinations-Commisionen [sic] in den Provinzen), unpag. [Konzept]. Die Ausfertigung des Reskripts an die Immediat-Examinationskommission findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 24, Bl. 26r, eine Abschrift des Reskripts an das Magdeburger Konsistorium findet sich aaO Bl. 27r. 270 AaO Bl. 28r [Konzept].

V. Die Visitationspredigten

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von Wahl, der sein Amt nicht „in wahrer Furcht Gottes“ führe, eine schriftliche Erklärung gefordert hatte271. Diese briefliche Erklärung des Predigers an seinen Inspektor datierte vom 25. Juli272. Er habe sich stets bemüht, beteuerte Wahl, die Pflichten seines Amtes treu zu erfüllen, und seine Gemeinde habe immer Vertrauen zu ihm gehabt. Bereits seit 21 Jahren habe er nach dem Grundsatz gehandelt, seine Zuhörer den Lehren der heiligen Schrift gemäß zu unterweisen. Obwohl sich die Immediat-Examinationskommission im kommenden Frühjahr noch einmal dem widerspenstigen Prediger zuwandte, scheint er später nicht weiter behelligt worden zu sein273. 3. Visitationspredigten des weiteren Unter dem 16. August 1794 erging ein Circulare an alle lutherischen Konsistorien inklusive Schlesien274. An den Orten, an denen eine jährliche Kir-

271

AaO Bl. 29r. AaO Bl. 30r–31r. 273 Am 2. April 1794 war in der Konferenz der Immediat-Examinationskommission festgehalten worden, daß der Prediger Wahl durch zwei an die Kommission eingesandte Predigten hinlänglich bewiesen habe, daß er zur Kassation „wol reif “ sei. Die Kommission wollte darüber einen förmlichen Bericht abgeben. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 59r–61r, hier 60r. Das Konferenzprotokoll hatten Woellner, Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker unterschrieben. In der Konferenz der Immediat-Examinationskommission vom 9. April 1794 hatten die Räte Woellner den Bericht wegen des „bösen“ Predigers Wahl übergeben. Das Geistliche Departement wollte unverzüglich weitere Verfügungen erlassen. AaO Bl. 65r–66r, hier 65r. Das Konferenzprotokoll war von Woellner, Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker unterschrieben worden. In der Konferenz der Immediat-Examinationskommission vom 24. April 1794 war wegen des „renitirenden“ Predigers Wahl zu Klein Oschersleben festgesetzt worden, daß durch die geistlichen Mitglieder der Kommission sowohl aus dessen eingesandten Predigten als auch aus dem Bericht des Inspektors Reinhard die Untersuchungspunkte herausgezogen werden sollten, nach denen sich die von dem Magdeburger Konsistorium zu ernennende Kommission bei der „Inquisition“ richten müsse. AaO Bl. 71r–72r, hier 71r. Das Konferenzprotokoll hatten Woellner, Hermes, Hillmer und Hecker unterschrieben. AaO 72r. Woltersdorff hatte wegen „wichtiger Amtsgeschäfte“ an der Sitzung nicht teilgenommen. AaO 71r. Offenbar wurde die Sache dann nicht weiter verfolgt, obwohl der König am 30. März gegenüber Woellner betonte, daß Wahl „ein aus bundt aller laster“ sei. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 84r–85v, hier 85v. Jedenfalls bieten die Akten keinen weiteren Aufschluß über den Prediger Wahl. 274 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. [Konzept]. Die Ausfertigung an das Kurmärkische Oberkonsistorium findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 173r. Unter dem 17. Juli 1794 hatte bereits das Ostfriesische Konsistorium aus Aurich pflichteifrig nach dem Text der im gegenwärtigen Jahr zu verfassenden Visitationspredigten gefragt. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 25, Bl. 6r. 272

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

chenvisitation üblich war, sollte für die Visitationspredigten der Vers Joh 15,5 genommen werden275. Im nächsten Jahr wurde in einem vom 20. Mai 1795 datierenden Circulare an alle lutherischen Konsistorien als Text für die Visitationspredigten Röm 13,1 f bestimmt276. In Ostpreußen ergaben sich einige Widrigkeiten, deretwegen die dortige Provinzialkommission am 20. Juni 1795 an die ImmediatExaminationskommission schrieb277. Unter dem Vorwand, daß sie sich bloß auf die Philosophie verlegt hätten oder noch nicht wüßten, ob sie dereinst ein Predigtamt erhalten würden, hatten einige Kandidaten keine Predigten eingereicht, obwohl sie von der Kommission mehrfach gemahnt worden waren. Auch die Schullehrer, aus deren Mitte nach der ostpreußischen Verfassung mehrenteils die Prediger gewählt wurden und die auch angehalten waren, ihren jeweils vorgesetzten Prediger in Notfällen zu vertreten, und also zum Teil als Kandidaten des Predigtamtes zu betrachten waren, hatten nicht überall Visitationspredigten eingereicht. Sie wurden in ihrer „Renitenz“278 von dem Inspektor Keber bestärkt. Fünf Inspektoren hatten die Kandidatenpredigten des vergangenen Jahres gar nicht eingesandt. Und als die Provinzialkommission eine Mahnung aussprach, hatte Keber eine Vorstellung279 aufgesetzt, in der er bezweifelte, daß derartige Predigten durch den jeweiligen geistlichen Inspektor jährlich eingeschickt werden müßten280. Für die Visitationspredigten des Jahres 1796 wurde in einem Circulare an alle lutherischen Konsistorien inklusive Schlesien vom 6. Februar der Text Lev 19,12 aufgegeben281. Die Prediger sollten ihren Zuhörern die Wichtigkeit des Eides nachdrücklich vor Augen führen282.

275 Unter dem 11. September 1794 wurden die Inspektoren von v. d. Hagen und von v. Irwing entsprechend beschieden. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 175r. Das Konzept dazu findet sich aaO Bl. 174r. 276 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. [Konzept]. Das Konzept von Hillmers Hand findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 25, Bl. 40r. Die Ausfertigung an das Kurmärkische Oberkonsistorium findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 180r. Unter dem 11. Juni 1795 wurden die Inspektoren von v. d. Hagen und von v. Irwing entsprechend beschieden. AaO Bl. 182r. Das Konzept dazu findet sich aaO Bl. 181r. 277 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 12, Bl. 1r–1v. Der Aktenband, der die Akten zur Einrichtung und Tätigkeit der Ostpreußischen Provinzial-Examinationskommission für den Zeitraum vom Februar 1794 bis zum Februar 1795 enthält (GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 11), zählt zwar nicht zu den Kriegsverlusten, ist aber heute wegen Pilzbefalls für die Benutzung nicht mehr freigegeben. 278 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 12, Bl. 1r. 279 Die Vorstellung datierte vom 1. Juni 1795. AaO Bl. 2r–2v [Abschrift]. 280 AaO Bl. 1r. 281 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (1792–1796 Visitationspredigten), unpag. [Konzept]. Die Ausfertigung an das Kurmärkische Oberkonsistorium

V. Die Visitationspredigten

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Der Eid war überhaupt ein Vorzugsthema der Immediat-Examinationskommission. Am 24. Februar verfaßten Hermes und Hillmer zu dem Eid, der ein „Hauptpfeiler“283 des ganzen Staatsgebäudes sei, ein Promemoria284. Zu den „schädlichen Früchte[n] der immermehr überhandnehmenden Gleichgültigkeit gegen die Lehren und Vorschriften der Religion“ würde auch der Umgang mit den Eidesleistungen zählen. Daraufhin erließ Woellner im Namen des Königs unter dem 7. März ein Circulare an alle Oberlandesjustizkollegien, um die Würde des Eides zu wahren285. Dem Eidabnehmer dürfe keinesfalls erlaubt sein, die bei protestantischen Glaubensgenossen übliche Beteuerungsformel „So wahr mir Gott helfe, durch Jesum Christum zur Seeligkeit“ abzukürzen. Und den lutherischen Konsistorien wurde in einem Circulare des Geistlichen Departements vom 12. März 1796 beschieden, daß den Predigthörern alljährlich am 23. Sonntag nach Trinitatis das Wesentliche aus der Lehre vom Eid vorgetragen werden solle286. Die Immediat-Examinationskommission wollte bei den Provinzialkommissionen den Eindruck eines erfolgreichen Wirkens erwecken und konzipierte unter dem 30. Mai ein Circulare für diese Kommissionen287. Auf ihren Antrag hin sei vom Justizdepartement an alle Landesjustizkollegien eine Verfügung wegen des Eides ergangen, und das Circulare des Geistlichen Departements vom 12. März dürfte den Provinzialkommissionen bereits hinlänglich bekannt sein. Die Immediatkommission sei jedoch von Woellner angewiesen, allen Provinzialkommissionen „diese wichtige Sache“ besonders nachdrücklich anzuempfehlen. Die Kandidaten des Predigtamtes sollten von nun an beim Examen pro Ministerio auch über ihre Theorie vom Eid geprüft werden. Doch im Grunde strebte die Immediat-Examinationskommission schon längst keinen harten Kampf mehr an. Als ihr eine lateinische Visitationspredigt zugeschickt wurde, beauftragte sie unter dem 24. Oktober 1796 den

findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 183r. Eine Abschrift des Circulare an das Konsistorium zu Bayreuth findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 25, Bl. 56r. 282 Unter dem 26. Februar 1796 machte eine Circularverordnung dies den Inspektoren bekannt. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 184r [Konzept]. 283 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 33, Bl. 16r. 284 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 28, Bl. 16r–17r. 285 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 33, Bl. 22r–22v [Abschrift]. Davon setzte er an demselben Tag die Immediat-Examinationskommission in Kenntnis. AaO Bl. 21r. 286 Hillmers Konzept zu dem Circulare findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 1, Bd. 38 (Acta die Belerung von der Heiligkeit des Eides betr.), unpag. Unter dem 7. April 1796 machten v. d. Hagen und v. Irwing allen Inspektoren in einem Circulare das Reskript des Geistlichen Departements an das Oberkonsistorium vom 12. März bekannt. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 33, Bl. 23r–23v. 287 AaO Bl. 82r [Konzept].

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

zuständigen Inspektor Chemlin in Treuenbrietzen, den Kandidaten lediglich zu ermahnen, eine sorgfältig ausgearbeitete deutsche Predigt einzureichen288. Zwar suchte die Kommission streng aufzutreten, jedoch letztlich gab sie nach, wie die Vorgänge um einen alten ostpreußischen Pfarrer zeigen. Am 13. Februar 1797 schrieb sie an den Inspektor zu Nordenburg in Ostpreußen289. Es hatte sich bei der Revision der Visitationspredigt des Pfarrers Friese in Assaunen über Lev 19,12 eine dermaßen genaue Übereinstimmung mit einer Predigt aus einer anderen ostpreußischen Inspektion – und zwar nicht nur das Thema, die Disposition und die Hauptsätze, sondern beinahe den gesamten Wortlaut der Predigt betreffend – gefunden, daß entweder die Predigt des einen von dem anderen bloß abgeschrieben worden sein mußte oder daß beide eine dritte Predigt kopiert haben mußten. Der Inspektor sollte von Friese eine schriftliche Erklärung fordern und sie bei der Immediat-Examinationskommission einschicken. Das Schreiben war an den Senior Schustehrus, Inspektor der Diözese zu Nordenburg, adressiert, der jedoch bereits zwei Jahre zuvor gestorben war. Durch Unvorsichtigkeit der „Post-Officianten“ war das Schreiben ungeachtet des amtlichen Siegels an die Witwe von Schustehrus gesandt, von ihr geöffnet und lange aufgehalten worden290. Daher konnte der nunmehrige Inspektor der Gerdauer und Nordenburgschen Diözese, Wilhelm Gottlieb Keber, erst am 21. April 1797 antworten291. Keber bat die Immediat-Examinationskommission, dem alten Friese dessen Fehler zu verzeihen, da er bereits unter dem über ihn entstandenen Gerede – die Witwe von Schustehrus hatte den Inhalt des Briefs keineswegs vertraulich behandelt – sehr litt. Wegen seines Alters und seiner guten Amtsführung verdiene er Schonung. Bei den Kirchenvisitationen hatte Keber in der Gemeinde des betagten Predigers „die gröste Ordnung und den sichtbarsten Segen“ vor allen übrigen Gemeinden der Diözese gefunden, so daß ihm der Entschluß Frieses, eine fremde Predigt als die eigene auszugeben, unerklärlich blieb. Keber glaubte, daß neben Frieses damaliger Krankheit auch die Furcht, mit seinen mittelmäßigen Kenntnissen vor derart „weisen Richtern“ nicht zu bestehen, daran Anteil gehabt habe292. Die bejahrten Prediger, die mit ihren Gemeinden „wohl herzlich und väterlich“293 zu reden wüßten und ihnen auf diese Weise nützlicher würden als die jüngeren Geistlichen, fühlten sich sehr 288 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 25, Bl. 62r [Konzept]. Die Predigt über Lev 19,12 findet sich aaO Bl. 58r–61v. 289 AaO Bl. 80r. 290 AaO Bl. 85r. 291 AaO Bl. 85r–86r. 292 AaO Bl. 85v. 293 Ebd.

V. Die Visitationspredigten

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„gebeugt“294, noch im hohen Alter jährlich Probearbeiten liefern zu müssen, von denen sie wohl unangenehme Folgen befürchteten. Wegen dieser Unzufriedenheit nahmen viele ihrer Söhne kein Theologiestudium auf, und auch der einzige Sohn von Friese, „ein hofnungsvoller Theologe“, hatte nicht nur Preußen, sondern auch Europa verlassen und war nach Amerika ausgewandert. Daher bat Keber, die mehr als sechzig Jahre alten Prediger, sobald sie auf alle weitere Aszension verzichteten, von der Einsendung der Visitationspredigten zu befreien. Keber betonte eigens, nicht für sich selbst zu bitten: Zwar stand er bereits seit zwölf Jahren im öffentlichen Amt, war aber erst 32 Jahre jung295. Am 16. April hatte der alte Friese seine Rechtfertigung verfaßt296. Im vergangenen Frühjahr war er sehr kränklich gewesen, so daß jede geistige Anstrengung seine Gesundheit noch stärker beeinträchtigte. Als er begann, über den aufgegebenen Text nachzudenken und die Predigt zu erarbeiten, schwanden seine Kräfte zunehmend. Während jener Zeit schickte ihm sein Schwiegersohn, der Pfarrer Mey aus Buchholtz, dessen Predigt zum Durchlesen und ersuchte ihn dringend, diese Predigt in seinem kränklichen Zustand zu gebrauchen. Obwohl Friese sich dagegen sträubte, gab er den Bitten der Seinigen schließlich nach, weil die Zeit der Visitation immer näher rückte297. Friese erbot sich, nun, da er – im Rahmen der aufgrund seines hohen Alters beschränkten Verfassung – wieder durch Gottes Hilfe gesundet war, eine Ausarbeitung der Predigt zu schicken, wenn es die Immediat-Examinationskommission „von einem alten Mann verlangen sollte“298. Die Immediatkommission suchte jedoch keine weitere Auseinandersetzung und antwortete ihm unter dem 15. Mai, daß sie von seiner schriftlichen Erklärung zufriedengestellt sei299. Angesichts seines betagten Zustands und seiner Kränklichkeit sei sie „weit entfernt“, ihm eine neue Ausarbeitung einer Predigt über den vorjährigen Text zuzumuten, zumal sie sich von seiner Amtstreue und redlichen Gesinnung überzeugt habe. Unter dem 15. Mai meldete die Kommission auch dem Inspektor Keber300, was an Friese erlassen worden war301. Sie war bereit, gelegentlich über Kebers Vorschlag zur Dispensation der alten Prediger bei Woellner vorzutragen, obgleich sie befürchtete, daß die Bewilligung dieses Ansuchens mancherlei Schwierigkeiten unterworfen sein 294

AaO Bl. 86r. Ebd. 296 AaO Bl. 132r–132v. 297 Ebd. 298 AaO Bl. 132v. 299 AaO Bl. 133r [Konzept]. 300 AaO Bl. 133r–133v [Konzept]. 301 AaO Bl. 133r [Konzept]. 295

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

dürfte302. Immerhin wurde bereits gegenwärtig alten, schwachen und durch vieljährige Amtstreue bewährten Predigern „gern“ die Erleichterung eingeräumt, statt der förmlichen Predigt bloß eine ausführliche Disposition einschicken zu müssen303. Nicht mehr Kampf, sondern Agonie bestimmte das Geschehen. Unter dem 29. März 1797 erging ein von Woellner unterschriebener Spezialbefehl an das Kurmärkische Oberkonsistorium304. Zum Text der Visitationspredigten war 1 Petr 3,21 ausgewählt worden. Da bei der Revision der in den beiden letzten Jahren eingereichten Predigten nur verhältnismäßig sehr wenige Kanzelreden gefunden worden waren, die sich „durch Gründlichkeit und durch einen warhaft belehrenden und erbauenden Vortrag auszeichnen, dagegen in vielen derselben, eigentliche Bearbeitung des Textes, zweckmäßiger Biebelgebrauch, und hauptsächlich wahre Heilsordnung und ächt Evangelische Nutzanwendung vermißt worden, einige auch sogar nichts weiter als ein philosophisch seyn sollendes, für den gemeinen Zuhörer aber gänzlich unverständliches, mithin Nutzenloses Raisonnement enthalten“, sollte das Kurmärkische Oberkonsistorium dies den Predigern durch die Inspektoren bekanntmachen in der Erwartung, daß diejenigen Prediger, die sich davon getroffen fanden, in ihren künftigen Predigten „den wahren Zweck und die wesentlichen Erforderniße Christlicher Religions-Vorträge mehr vor Augen“ hätten. Nochmals erinnerte Woellner daran, daß auch die Kandidaten, die bereits die licentia concionandi erlangt hatten, eine Predigt bei der entsprechenden Provinzial-Examinationskommission einreichen müßten305.

VI. Die halbjährlichen Generalberichte 1. Die Prüfungsergebnisse der Examina Um über die Vorgänge und etwaigen Schwierigkeiten in den Provinzen besser unterrichtet zu sein, erwartete die Geistliche Immediat-Examinationskommission von den Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen zweimal im Jahr, nach Ostern und nach Michaelis, einen Generalbericht. Diese Einrichtung bestand seit Michaelis 1793.

302

AaO Bl. 133v [Konzept]. Ebd. 304 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 185r. 305 Unter dem 21. April 1797 wurden die Inspektoren von v. Scheve und v. Irwing entsprechend beschieden. Das Schreiben wurde am 14. Mai 1797 abgeschickt. AaO Bl. 187r. Das Konzept findet sich aaO Bl. 186r. 303

VI. Die halbjährlichen Generalberichte

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Gemäß § 9 der Instruktion vom 3. Februar 1793 erstatteten die ProvinzialExaminationskommissionen in ihren Berichten auch – teilweise sogar ausschließlich – Rapport von den im jeweils vergangenen Halbjahr abgenommenen Prüfungen. Diese Examina erschöpften sich im Abfragen orthodoxer Loci. Bei den Bewertungen der Prüfungen urteilten die Kommissionen nicht streng. Es war für die Kandidaten fast unmöglich, die Examina nicht zu bestehen. In einzelnen Fällen wurden sie zwar vorerst abgewiesen, sollten sich aber zum nächsten Prüfungstermin wieder einfinden. Nur zehn Kandidaten in ganz Preußen – und zwar nur in Ostpreußen – konnten in dem Zeitraum von 1793 bis 1797 keinen Erfolg gewärtigen. Unter dem 1. Oktober 1795 schickte die Ostpreußische Provinzial-Examinationskommission ein tabellarisches Verzeichnis der von Ostern bis Michaelis 1795 pro venia concionandi examinierten Studenten306. Von den zwölf Prüflingen waren neun angenommen worden. Einer davon wurde wegen großer Schwäche pro nunc abgewiesen, aber nach einigen Wochen nochmals auf inständiges Bitten zum Examen zugelassen und durch Mehrheitsbeschluß zur licentia concionandi zugelassen. Ein anderer war pro nunc wegen Schwäche im Griechischen abgewiesen worden und hatte sich dann bei einer weiteren Prüfung etwas gebessert und war durch Mehrheitsbeschluß zur licentia concionandi zugelassen worden. Zwei Kandidaten jedoch waren wegen Unwissenheit und „hoher Einbildung“ auf ihre „neumodischen Einsichten“ abgewiesen worden. Ein Kandidat hatte wegen „grober Unwißenheit in den Grundsprachen u impertinenten Betragens gegen die Examinatoren“ nicht bestanden. Außerdem sandte die Kommission ein tabellarisches Verzeichnis der von Ostern bis Michaelis 1795 pro ministerio ecclesiastico und officio scholastico examinierten Kandidaten307. Von den 25 Kandidaten waren 24 angenommen worden. Einer davon war zwar angenommen, aber zu einem anderweitigen Examen im kommenden Jahr beschieden worden. Ein Kandidat namens Johann Friedrich Frohland hatte sich besonders in der Kenntnis der Symbolischen Bücher und der biblischen Grundsprachen derart unwissend gezeigt, daß ihm die Kommission „weder für seine Ortho- noch Heterodoxie etwas attestiren“ konnte. Unter dem 2. April 1796 schickte die Ostpreußische Kommission das tabellarische Verzeichnis der von Michaelis 1795 bis Ostern 1796 pro venia concionandi examinierten Studenten308. Von den 13 Prüflingen waren zwei abgewiesen worden. Fünf waren zwar angenommen worden, sollten sich aber nach einem Jahr noch einmal zum Examen sistieren. Ein halbes Jahr später, 306

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 42, Bl. 34r–37r. AaO Bl. 30r–33v. 308 AaO Bl. 44r–47r. 307

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

unter dem 1. Oktober, sandte die Kommission das tabellarische Verzeichnis der von Ostern bis Michaelis 1796 pro licentia concionandi geprüften Studenten309. Von den zehn Prüflingen war einem Prüfling die Lizenz versagt worden, weil er in der Homiletik und der Katechetik „auch nicht den mindesten Beschied [sic] wußte“310. Unter dem 21. Oktober 1797 schickte die Kommission ihre letzte Tabelle über die pro venia concionandi examinierten Studenten311. Neun Prüflinge hatten die Prüfung bestanden, aber drei davon sollten sich in einem halben Jahr zu einer neuen Prüfung einfinden. Drei Examinandi hatten keine licentia concionandi erhalten. 2. Die Berichte aus den Provinzen Pflichtgetreu reagierte die Provinzial-Examinationskommission zu Marienwerder – bestehend aus Zacha und Zitterland –, hatte aber am 30. November 1793 in ihrem ersten Generalbericht „nichts Unangenehmes und Betrübendes“ aus Westpreußen anzuzeigen312. Im übrigen war der Wirkungskreis dieser Kommission ohnehin begrenzt, da die Einwohner der westpreußischen Provinz mehrheitlich dem römisch-katholischen Bekenntnis angehörten. Die Immediat-Examinationskommission gab sich mit diesem kurzen Bericht zufrieden, bekundete am 13. Dezember ihr „Vergnügen“ und ermunterte die Kommission, in ihrem „treuen Eifer für die Ausbreitung des Reichs Christi“ unermüdlich fortzufahren313. Auch in dem folgenden halben Jahr fiel nichts vor, das Zacha und Zitterland nötigte, ihre vorteilhafte Schilderung der Prediger und Schullehrer zurückzunehmen314. Unter dem 15. Dezember 1795 berichteten Zacha und Zitterland, daß kein Prediger oder Schullehrer mündlich oder schriftlich den Lehrbegriff „unserer evangelischen Confession“ herabgewürdigt, verfälscht oder verworfen und also niemand gegen das Religionsedikt verstoßen habe315. Sie wünschten inbrünstig: „Möchte der dünkelhafte, eitele, sophistische, nur Zank, Verwirrung, Leichtsinn und Profanität gebährende Geist der Neuerungssucht und Religions-Vernünfteley hier nie Einfluß gewinnen und sich in seinen schädlichen Wirkungen zeigen!“316 309

AaO Bl. 57r–58r. AaO Bl. 58r. 311 AaO Bl. 97r–99r. 312 Dieser erste Bericht der Provinzial-Examinationskommission zu Marienwerder vom 30. November 1793 findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 45, Bl. 3r–5r, hier 3r. 313 AaO Bl. 6r [Konzept]. 314 So berichteten Zacha und Zitterland in ihrem Bericht vom 24. Mai 1794. AaO Bl. 9r–12r. 315 AaO Bl. 22r–27v, hier 22r. 316 AaO Bl. 22r. 310

VI. Die halbjährlichen Generalberichte

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Die Korrespondenz mit der Provinzialkommission zu Halberstadt dagegen war schmal317. Unter dem 21. Oktober 1793 meldeten Schaeffer und Raßmann, daß in der dortigen Provinz das Religionsedikt genau befolgt werde318. Bei den Prüfungen hatte sich niemand gefunden, dem das Zeugnis gänzlich hätte verweigert werden müssen. Und unter dem 9. Mai 1794 berichteten Schaeffer und Raßmann, daß ihnen bislang kein Lehrer bekannt geworden sei, der neologische Grundsätze hegte oder derartige Lehren äußerte319. Auch die Berichte aus der Neumark waren knapp. Unter dem 5. Oktober 1793 erstatteten Seyffert und Dittmarsch aus Küstrin Bericht320. Wegen des Religionszustandes in der Neumark hatten sie „hie und da“ Nachrichten von der Amtsführung der Prediger und Schullehrer eingezogen und könnten freudig im Ganzen ein gutes Urteil fällen321. Unter dem 19. September 1793 schickte die aus Coners, Goßel und Ihmels bestehende Ostfriesländische Provinzialkommission zu Aurich ihren ersten Bericht322. Im Fürstentum Ostfriesland und dem dazugehörigen Harlingerland werde „die reine Evangelische Lehre nach der Evangelisch-Lutherischen Confeßion“323 in den sich dazu bekennenden Gemeinden bislang aufrechterhalten. Auch in seiner Amtsführung und seinem Lebenswandel hatte sich kein Prediger schuldig gemacht324. Im Januar 1797 verkleinerte sich die Kommission auf zwei Mitglieder, als am 21. Januar 1797 Gerhard Julius Coners nach einem achttägigen Krankenlager starb325. Ein Nachfolger für Coners wurde in den letzten Lebensmonaten des Königs nicht mehr bestellt, so daß Gossel und Ihmels ihre Arbeit zu zweit fortführen mußten. Unter dem 21. April meldeten sie, daß allenthalben „Orthodoxie“326 herrsche. 317

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 37, Bl. 1r–10v. AaO Bl. 1r–3r. 319 AaO Bl. 5r–6v. 320 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 40, Bl. 1r–2r. 321 AaO Bl. 1r. 322 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 41, Bl. 1r–2r. 323 AaO Bl. 1r. 324 AaO Bl. 1v. Nach mehrjähriger Tätigkeit wollten Coners, Gossel und Ihmels ihren Dienst nicht mehr unentgeltlich versehen. Am 18. April 1796 baten sie um eine Gehaltsbeilage. AaO Bl. 15r–15v. Sie würden auch gerne, versicherten sie eilfertig, ohne besondere Entlohnung arbeiten, jedoch könnten sie mit ihrem Salair bei der gegenwärtigen Teuerung kaum die notwendigsten Aufgaben bestreiten. Gossel hatte sechs Kinder, Ihmels fünf Kinder, und Coners war kinderlos. Das erläuterte Coners in einem Privatschreiben an seinen Schwager v. Irwing am 19. Mai 1796. AaO Bl. 18r–18v und 21r. Jedoch erhielten die Räte auch in der Zukunft keine finanzielle Entschädigung für ihre Arbeit. 325 Er starb gegen drei Uhr morgens im 67. Lebensjahr „einen sanften Tod“ und ging „in eine beßere Welt“ hinüber. Das berichteten Gossel und Ihmels der Immediat-Examinationskommission am 24. Januar 1797. AaO Bl. 24r. Das Schreiben stammte aus Gossels Feder. 326 AaO Bl. 28r–28v. 318

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Unter dem 5. Oktober 1793 erstatteten die beiden Kottmeiers und Frederking aus Minden Bericht327. Einen detaillierten Bericht über die Prediger und Schullehrer konnte die Kommission freilich nicht liefern, denn obgleich sie in § 4 ihrer Instruktion angewiesen worden war, sich über die Prediger und Schullehrer eine möglichst genaue Kenntnis zu verschaffen, habe sie dazu bislang keine Gelegenheit gehabt328. Unter dem 5. November 1796 berichtete die Kommission von mehreren Prüfungen329. Ein Theologiestudent war pro licentia geprüft worden. Kottmeier und Frederking hörten gemeinsam die Probepredigt, „aber so wenig sein äußerer Anstand, der besonders beim Gebet sehr theatralisch war, als noch weniger die Predigt selbst konnte uns gefallen“330. „Sie war nicht Textmäßig, sehr schwülstig, an manchen Stellen in poetischer Prosa abgefaßet“331, und verschiedene Ausdrücke seien anstößig gewesen. Als Kottmeier und Frederking den Studenten später ermahnten, suchte er sich zunächst zu verteidigen, nahm die Einwände dann aber doch an. Außerdem mußte er über Röm 14,17 eine lateinische exegetische Ausführung ausarbeiten sowie einen dogmatischen Aufsatz über die Frage verfassen, welches der richtige Lehrbegriff der lutherischen Kirche von der Inspiration der heiligen Schrift sei, wie er bewiesen werde und wie und warum er von den „Neologen“332 bestritten werde. In der mündlichen Prüfung wurde er unter anderem nach der Lehre von der Bekehrung gefragt. Insgesamt stellten Kottmeier und Frederking fest, daß der Prüfling zwar keine gründliche, aber doch eine ziemlich zutreffende Kenntnis „der Wahrheiten unsers Lehrbegrifs“333 hatte. Auch das Hebräische und Griechische waren ihm nicht vollkommen unbekannt. Sie entließen den Geprüften schließlich mit den Ermahnungen, die er besonders wegen seiner „zu großen Einbildung von sich selbst“ sehr benötige. Der letzte Bericht der Mindener Kommission datierte vom 6. November 1797334. Sie hatte zwei Examina pro Ministerio durchgeführt und mit einem Feldprediger, der eine Zivilstelle erhalten hatte, ein Kolloqium gehalten. Der Feldprediger hatte eine recht ausführliche lateinische, ganz dem orthodoxen Lehrbegriff entsprechende Abhandlung, die sein Glaubensbekenntnis enthielt, eingereicht. Dann unterredeten sich Kottmeier und Frederking mit ihm – ausgehend von dem Wunsch des Paulus in Apg 26,29, daß alle seine Zuhörer Christen werden mögen – über die Frage, inwiefern dies noch immer der 327

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 39, Bl. 1r–2v. AaO Bl. 1v. 329 AaO Bl. 31r–34r, hier 33r–33v. 330 AaO Bl. 33r. 331 AaO Bl. 33r–33v. 332 AaO Bl. 33v. 333 Ebd. 334 AaO Bl. 40r–42v. 328

VI. Die halbjährlichen Generalberichte

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größte Wunsch jedes evangelischen Predigers sein und was er zu dessen Erfüllung tun müsse. Der Prediger hatte insgesamt sehr gute Kenntnisse gezeigt335. Unter dem 20. November 1793 überreichte die Pommersche ProvinzialExaminationskommission – bestehend aus Ringeltaube, Herwig und Pfennig – ihren ersten Bericht336. Sechs Kandidaten waren zum Predigtamt ordiniert worden. Die Kommission gab keine Einzelbemerkungen zu den Prüfungen, sondern einen Gesamtbericht: „Alle diese haben in ihren überreichten Glaubensbekentnißen theils die Wahrheiten des Symboli Apostolici wiederholt, theils den Glauben an den Versöhnungstod Jesu Christi, theils die Ordnung des Heils vorgetragen, und in den Prüfungen nichts der Lehre unsrer Kirche wiederstreitendes geäußert, auch gute Bekantschaft mit der Bibel gezeigt, und nicht weniger guten Willlen – die Lehre des Evangelii zu verkündigen und die Kirche Jesu Christi zu erbauen, nach den verschiednen Fähigkeiten die ihnen Gott verliehen hat.“337 Bei den von ihr durchgeführten Prüfungen hatte sich die Examinationskommission an das „Schema Examinis Candidatorum“338 gehalten. „Eigentlichen Wiederspruch“339 gegen die Bekenntnisschriften hatte sie bei keinem der Kandidaten gefunden. „Ein Paar mahl fand sichs, daß neue Meinungen zur Ergänzung alter Wahrheiten beigemischt wurden. In solchen Fällen ward biblischer Beweis gefordert. Dieser war nun nicht zu finden, noch zu geben, woraus der Ungrund offenbar erhellte, und dem Antwortenden die Unruhe der Grundlosigkeit seiner Behauptungen demüthigte, und zur Annahme der erwiesnen und erweislichen Wahrheit trieb.“340 Die Pommersche Kommission durfte sich der Wertschätzung der Immediat-Examinationskommission erfreuen, die ihr unter dem 29. November beschied, daß sie deren Bericht „mit vieler Freude“341 gelesen habe. Unter dem 8. Dezember 1796342 schickte die Pommersche Kommission ein Verzeichnis der neun pro Ministerio sowie der acht pro Candidatura geprüften Kandidaten343. Das Verzeichnis war nun – im Gegensatz zu ihren vorangegangenen Berichten – tabellarisch geformt und in die Kategorien „in Absicht der Orthodoxie“, „in Absicht der Catechisation“ – diese Kategorie entfiel bei den pro Candidatura Geprüften – sowie „in Absicht der Sprachkenntniße“ unterteilt. Die Kenntnisse im Hebräischen ließen meistens zu wünschen übrig, 335

AaO Bl. 41r. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 43, Bl. 1r–4v. 337 AaO Bl. 1v. 338 Zum „Schema Examinis Candidatorum“ vgl. Kapitel E.II. 339 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 43, Bl. 4r. 340 AaO Bl. 4v. 341 AaO Bl. 5r [Konzept]. 342 AaO Bl. 23r–23v. 343 AaO Bl. 24r–24v. 336

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

während die Kandidaten, mit Ausnahme eines einzigen, im Katechisieren einen guten Eindruck hinterließen. Im Hinblick auf die Orthodoxie gewann die Kommission den Eindruck, daß die Anschauungen der Kandidaten der Bibel und den Bekenntnisschriften gemäß waren. Ihr letztes halbjährliches Verzeichnis344 überreichte die Stettiner Kommission unter dem 6. Juni 1797345. Sechs Kandidaten hatten sich der Prüfung pro Ministerio unterzogen. Die Sprachprüfungen waren besser als zuvor ausgefallen. Zumindest konnte häufig attestiert werden, daß der Kandidat mit den alten Sprachen „nicht unbekannt“ war. Im Blick auf die Orthodoxie hielt die Kommission fest, daß die Antworten schriftgemäß waren. Nur zweimal wurde ausdrücklich betont, daß sie auch mit den Bekenntnisschriften übereinstimmten. Einmal hieß es, daß der Kandidat „nichts von Neologie“346 geäußert habe. Unter dem 3. Mai 1794 reichten aus Soest Hennecke, Dohm und Sybel einen kurzen Bericht ein347. Die Kommission hatte die Predigten von acht Kandidaten über 2 Kor 5,19 begutachtet und den Kandidaten dann zurückgegeben348. Vom 31. Oktober 1794 datierte der nächste Bericht der Soester Kommission349. Bei ihrer letzten Konferenz hatten sie sich „über den Verfal der Sitten und augenscheinlicher Zunahme eines unchristlichen, sittenlosen Lebens“350 unterredet. Die Hauptursache der Zügellosigkeit, von der es einige Jahre zuvor nicht derart viele Beispiele gegeben habe wie in den gegenwärtigen Zeiten, sei darin zu finden, daß Prostitution und Ehebruch nicht von der Obrigkeit bestraft würden351. Anders als die zeitgenössische Polemik machte die Soester Kommission also nicht die Neologen für einen Verfall der Sitten verantwortlich. Am 19. November 1795 entschuldigte sich Sybel bei Hillmer, daß er den Michaelisbericht352 erst verspätet einreichte353. Augenschmerzen hatten ihn seit etlichen Wochen stark an der Arbeit gehindert, und überdies waren seine Frau und zwei der Kinder fünf Wochen lang bettlägerig gewesen. Kollegiale Aushilfe gab es in der Kommission nicht, sondern seine Kollegen hatten ihm die ganze Arbeit überlassen354. 344

AaO Bl. 28r–29v. AaO Bl. 27r. 346 AaO Bl. 29v. 347 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 44, Bl. 1r–2r. 348 AaO Bl. 2r. 349 AaO Bl. 4r–4v. 350 AaO Bl. 4r. 351 AaO Bl. 4r–4v. 352 Der von Hennecke, Sybel und Dohm unterschriebene Bericht datierte vom 10. November 1795. AaO Bl. 21r–21v und 27r. 353 AaO Bl. 28r–29r. 354 AaO Bl. 28r. 345

VI. Die halbjährlichen Generalberichte

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Zuverlässig schickte die Examinationskommission zu Königsberg die verlangten tabellarischen Verzeichnisse ein. Am 8. Oktober 1794 erstatteten Graef, Hermes und Wald Bericht355 über den „Religionszustand“ in Ostpreußen und Litauen, „soviel uns davon bekannt geworden“356. Bei den Religionslehrern mangele es, soweit die kurze Erfahrung der Kommission reiche, außerordentlich an der Bibelkenntnis, „ob wir gleich damit nicht geradehin behaupten wollen, daß Irrgläubigkeit und Neologie hier allgemein eingerißen sei“. Denn immerhin: „Die Zahl der rechtschaffenen Prediger, die bey der evangelischen Lehre bleiben und mit rechtschaffenem Wandel ihren Gemeinen vorleuchten, dürfte wohl die Zahl der Neologen übertreffen.“ Viele Prediger übten freilich auch aus Schwäche ihre Amtshandlungen „ganz mechanisch“ aus. Gegen den sittlichen Lebenswandel sei daher nicht allein bei den jüngeren, „leichtsinnigen, und über die Gränze des Wohlstandes hinausgehenden“ Predigern, sondern auch bei Männern etwas einzuwenden, „die der Neologie nicht beschuldigt werden können“357. Auf dem Land und in den Städten werde bei den niederen Ständen „äußere Religiosität“ im allgemeinen „ziemlich beobachtet“. Die meisten Kirchen seien auch noch recht gut besucht, jedoch konnte „hin und wieder“, selbst auf dem Land, eine „sorglose Vernachläßigung und Geringschätzung des öffentlichen Gottesdienstes“358 beobachtet werden. Unter den höheren Ständen wurden der Kirchenbesuch und die Teilnahme am Abendmahl immer seltener, und der Nachmittagsgottesdienst war nur spärlich besucht. Bereits auf den größeren Schulen beginne eine große Gleichgültigkeit gegenüber dem öffentlichen Gottesdienst und gegenüber „alle[r] wahre[n] Religiosität“ einzureißen, wenn auch noch manche Lehrer auf den Wandel der ihnen anvertrauten Jugend ein wachsames Auge hätten. In manchen, besonders den polnischen Gegenden, herrsche „die dickste Finsterniß“, weil es dort teilweise an Schulen fehlte und weil dort manche Prediger wegen ihrer geringen Einkünfte mehr auf die Ökonomie als die Seelsorge sähen359. Auch anderthalb Jahre später, am 2. April 1796, klagte die Ostpreußische Kommission über den spärlichen Kirchenbesuch, der sogar bei den sonntäglichen Predigten von neun bis elf Uhr außerordentlich abnahm360. Eine der Ursachen davon liege wohl in den Bällen und Redouten, die zumeist am Sonnabend stattfanden. Bei den jüngst abgehaltenen Prüfungen, deren Tabellen die

355

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 42, Bl. 1r–3v. AaO Bl. 1r. 357 AaO Bl. 2r. 358 AaO Bl. 2v. 359 Ebd. 360 AaO Bl. 40r–40v. 356

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

Kommission beilegte361, war die große Mehrheit der Prüflinge wieder durch Mängel in der Kenntnis der biblischen Grundsprachen und der theologischen Moral aufgefallen. Einige hatten ganz abgewiesen werden müssen, andere waren zu einem neuen Examen bestellt worden. Und zu diesen Ergebnissen sei es gekommen, bemerkte die Kommission ratlos, obwohl alle Kandidaten ein Zeugnis der Reife von der Schule sowie ein Zeugnis des Fleisses und Wohlverhaltens von der theologischen Fakultät hatten vorweisen können362. Woellner notierte daneben mit Rotstift: „Tout comme chez nous!“ Es war nicht einfach, die polnischen Gegenden mit Predigern zu versorgen. Am 1. Oktober 1796 berichteten Graef, Hennig, Hermes und Wald363, daß unter den 32 Kandidaten verhältnismäßig mehr „schlechte Subjecte“364 als sonst gewesen seien, die jedoch alle gänzlich abzuweisen sie Bedenken getragen hatten, weil diese Prüflinge für polnische Pfarrstellen bestimmt waren, die sehr schlecht vergütet wurden und für die geeignete Geistliche zu finden ansonsten Schwierigkeiten bereitete, weil nur wenige Prediger die polnische Sprache beherrschten. Graef, Hennig, Hermes und Wald nahmen ihre Aufgabe rege wahr und zogen – um ausführlicher und zuverlässiger berichten zu können – von den geistlichen Inspektoren, auf deren „Dexteritaet“365 sie sich verlassen zu können glaubten, Nachrichten über den allgemeinen Zustand der Religion in der Provinz ein. Der nächste Bericht der Kommission datierte vom 29. April 1797366. Während in den litauischen und polnischen Gemeinden die öffentlichen Got361 Zu den Prüfungen über die licentia concionandi im vergangenen Halbjahr vgl. Kapitel H.VI.1. Das tabellarische Verzeichnis der von Michaelis 1795 bis Ostern 1796 pro officio ecclesiastico et scholastico examinierten Kandidaten findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 42, Bl. 48r–51r. Von den 28 Kandidaten war niemand abgewiesen worden. Fünf Kandidaten waren zwar angenommen worden, sollten sich aber nach einem Jahr noch einmal prüfen lassen. Ein Kandidat, Konrektor bei der Altstädtschen Schule, war bei seiner Anstellung als Rektor an derselben Schule, da er weder Theologie studiert zu haben vorgab und auch allem theologischen Unterricht in der Schule entsagt hatte, ohne Anfertigung eines Glaubensbekenntnisses und Lebenslaufs bloß durch die Unterschrift unter den Revers verpflichtet worden. 362 1788 war in Preußen das Abitur eingeführt worden. Vgl. Kapitel G.II. 363 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 42, Bl. 53r–54v. Das tabellarische Verzeichnis der von Ostern bis Michaelis 1796 zu Prediger- und Schullehrerstellen Geprüften findet sich aaO Bl. 56r–56v und 59r. Alle 22 Prüflinge waren angenommen worden. Zu den pro licentia concionandi geprüften Studenten vgl. Kapitel H.VI.1. 364 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 42, Bl. 53r. 365 AaO Bl. 62r. 366 AaO Bl. 62r–69v. Die Tabelle über die im Wintersemester 1796/1797 pro ministerio ecclesiastico et officio scholastico examinierten Kandidaten findet sich aaO Bl. 76r–81r. Die 21 Kandidaten waren angenommen worden. Die Tabelle für die pro venia concionandi examinierten Studiosi Theologiae findet sich aaO Bl. 82r–85r. Die zwölf Prüflinge waren angenommen worden.

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tesdienste zahlreich besucht waren, hatte in den deutschen Gemeinden der Besuch des öffentlichen Gottesdienstes fast durchgängig stark abgenommen. Nur selten gingen Angehörige der höheren Stände, zu denen sich außer dem Adel nicht bloß die königlichen Officianten, sondern auch etwa bürgerliche Gutsbesitzer, Amtsschreiber und Unterbediente des Amts zählten, zum Abendmahl. Die meisten Erzpriester367 berichteten, daß sich diese Personen nicht allein selbst vom Gottesdienst ausschlössen, sondern auch anstößige Reden darüber vor dem gemeinen Mann führten368. Der Erzpriester in Rastenburg erzählte sogar, daß durch die Gewohnheit der Prediger, am Schluß der Predigten eine Reihe ausführlicher Danksagungen für erhaltene kleine Geschenke – zum Beispiel Butter und Eier – abzulesen, das Ansehen des Predigers herabgewürdigt werde und diese Danksagungen ihn zum Gegenstand des allgemeinen Spotts machten369. Resigniert antwortete am 31. Mai die Immediat-Examinationskommission, die versicherte, den „wichtigen“ Inhalt des Berichts „sorgfältig beherzigt“ zu haben370. Ihre Erfahrungen freilich ließen voraussehen, daß die Abstellung der Mißstände dem größten Teil nach mehr zu wünschen als zu hoffen sei. Die Ostpreußische Kommission stellte daraufhin ihren besonderen Eifer ein und schickte unter dem 21. Oktober nur noch die Prüfungstabellen371. Die Provinzial-Examinationskommission zu Magdeburg – bestehend aus Schewe, Keßler und Treuding – schickte ihren ersten Bericht372 unter dem 14. November 1793 ein373. Ihres Wissens habe in dieser Provinz „die Unbesonnenheit aufgehört, Bahrdtische Meinungen öffentlich vorzutragen oder von einigen Wahrheiten unsers Glaubens in einem solchen Ton zu reden, der Unglauben und Zweifel verriethe. Leider! mögen wol noch Lehrer der Religion zu finden seyn, die auf Irrtümer verfallen, wenigstens in ihrer Erkenntniß und Ueberzeugung nicht gehörig bevestigt sind. Es ist uns indeßen seit geraumer Zeit kein offenbarer Beweis davon bekannt geworden.“ Wohl aber habe sie bemerkt, daß manche Prediger sich besonders darauf beschränkten, „einzelne 367

Die Inspektoren hießen in Ostpreußen Erzpriester. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 42, Bl. 63r. 369 AaO Bl. 64r. 370 AaO Bl. 70r. 371 AaO Bl. 88r–89r und 91r. Die Tabelle über die von Ostern bis Michaelis 1797 pro ministerio ecclesiastico et scholastico examinierten Kandidaten findet sich aaO Bl. 92r–95r. Alle 22 Kandidaten hatten die Prüfung bestanden. Zu den Prüfungen über die licentia concionandi vgl. Kapitel H.VI.1. 372 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 38, Bl. 2r–8v. 373 AaO Bl. 1r–1v. Das Verzeichnis der Kandidaten, die von Ostern bis Michaelis 1793 geprüft worden waren, findet sich aaO Bl. 11r–14r. Von den vierzehn Kandidaten hatten alle bestanden. Zwei Kandidaten waren wegen der weiten Entfernung von einem Inspektor in Halle bzw. einem Inspektor in Könnern geprüft worden. 368

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

Tugenden des Christentums“ zur Ausübung zu empfehlen, und zu wenig „die Nothwendigkeit der Bekehrung und Wiedergeburt“ predigten374. Schewe, Keßler und Treuding setzten ihre pflichteifrige Amtserfüllung fort und übersandten unter dem 16. Oktober 1795375 ihren nächsten sehr ausführlichen Bericht über den Zustand des Religionswesens im Herzogtum Magdeburg376. Ob seit einiger Zeit die Anzahl der „wahren Gläubigen“377 in der Provinz vergrößert worden sei und wieviel die Predigt des göttlichen Worts gefruchtet habe, könnten sie nicht beurteilen. „Wir haben indessen das veste Vertrauen zu Jesu, daß sein Evangelium und die Kraft seines Geistes an den Herzen seiner Erlösten immerfort wirksam seyn und bleiben werde, wenn wir gleich, so weit unsere Augen reichen, nicht mehr Früchte des Glaubens als sonst wahrnehmen können: so gar abermals die traurige Bemerkung machen müssen, daß bei vielen noch derselbe Kaltsinn gegen die Religion herrscht oder doch zu herrschen scheint, über den wir in allen unsern vorhergehenden Berichten klagten.“378 Auch im Blick auf die Schulen drangen die Kommissionsmitglieder auf eine Verbesserung. Als sie die Schulen in Magdeburg visitiert hatten379, waren ihnen Lehrer begegnet, die „nur sehr dunkle Begriffe von den Wahrheiten des Christentums haben“380, das eingeführte Lehrbuch381 nicht verstanden und es also auch den Kindern nicht erklären konnten382. Freilich hatte die Kommission auch Lehrer kennengelernt, deren Unterweisung im Christentum ihren Vorstellungen entsprach383. Deren Schüler würden teilweise sogar noch größere Leistungen erzielen können, wenn während des Unterrichts mehr Ruhe und Ordnung in der Schule herrschte384. Das jedoch war nicht möglich, solange die Lehrer zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts auch Kinder von eineinhalb bis zwei Jahren in die Schule aufnehmen mußten, wenn die Eltern sie „ihrer Wirtschaft wegen“ aus dem Haus entfernen wollten385. 374

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 38, Bl. 2r. Zu Carl Friedrich Bahrdt vgl. Kapitel

J.II. 375

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 38, Bl. 56r. AaO Bl. 57r–64r. 377 AaO Bl. 57r. 378 Ebd. 379 Die Provinzialkommission legte ein Verzeichnis der niederen Schulen und aller Institute in der Altstadt Magdeburg bei. AaO Bl. 65r–65v. 380 AaO Bl. 58r. 381 Zu diesem den Predigern und Schullehrern vorgeschriebenen Büchlein vgl. Kapitel E.I. 382 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 38, Bl. 58r. 383 AaO Bl. 58v. 384 AaO Bl. 59r. 385 Außerdem konnte in den Schulen nicht für bessere Ordnung gesorgt werden, solange es „einem jeden Weibe, das nichts anders vorzunehmen weiß“, freistand, in derselben Parochie, in der es bereits ein oder zwei Schulen gab, eine kleine Schule anzulegen und bei den Gemeindegliedern um Kinder zu werben. Wollte sich nun der Schullehrer nicht durchgehend 376

VI. Die halbjährlichen Generalberichte

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Unter dem 14. April 1796386 verfaßten Schewe, Keßler und Treuding ihren nächsten gründlichen Halbjahresbericht387. Noch immer sei die Anzahl derjenigen sehr groß, die zwar „mit dem Munde Jesum bekennen“, den gottesdienstlichen Versammlungen beiwohnten, gelegentlich das Abendmahl nähmen, auch wohl im eigenen Haus gewisse Andachtsübungen anstellten und einen vor der Welt anständigen Lebenswandel führten, aber doch Neigungen zeigten, die „mit dem Sinn Christi“ nicht übereinstimmten, sobald man sie näher beobachte. Unmittelbar nach den öffentlichen Gottesdiensten oder den privaten Andachtsübungen pflegten sie Gelegenheiten aufzusuchen, bei denen sie sich durch Spiel oder andere „eitle“ Vergnügungen zerstreuen und die in ihnen rege gewordenen „ernsten Gedanken“ wieder „aus der Seele“ entfernen konnten388. Die Kommission kritisierte ausdrücklich Prediger, die am Spieltisch saßen oder Schauspielaufführungen beiwohnten389. Die Bestimmungen des Religionsedikts im Blick auf die Tauf- und Trauformulare blieben in der Provinz häufig unbeachtet. Man höre selten etwas von dem, was in der Agende vorgeschrieben war390. Die Taufe wurde gewöhnlich nur als eine feierliche Aufnahme in die Gesellschaft der Christen vorgestellt391. Bei den Prüfungen pro Candidatura und pro Ministerio hatten die Kandidaten im Lateinischen und Griechischen zumeist einen besseren Eindruck als die Kandidaten des vergangenen Halbjahres hinterlassen392. Nur das Hebräische war weitgehend äußerst schlecht bekannt. Selbst bei einem insgesamt mangelhaften Prüfungsergebnis bestand der Kandidat Arnold Christoph Friedrich nach dem Willen der Eltern richten oder sich nur die „glimpflichste Disciplin“ erlauben (ebd.), würden die Kinder in diese kleinen Schulen geschickt. AaO Bl. 59v. Auch Kandidaten, die ihrer Unwissenheit oder ihres Verhaltens wegen nicht zum Predigtamt befördert wurden, konnten solche Schulen anlegen. AaO Bl. 59v–60r. Im übrigen lebten die Schullehrer in Preußen in schwierigen Verhältnissen. Obwohl der Seidenbau wenig geeignet war zum Nebenerwerb, sollten sie – gemäß etlichen Verfügungen – Seidenbau betreiben. Wolfgang Neugebauer, Absolutistischer Staat und Schulwirklichkeit in Brandenburg-Preußen. Mit einer Einführung von Otto Büsch, VHK 62, Berlin / New York 1985, 507–510. Zu Seidenbau übenden Lehrern vgl. auch Ilja Mieck, Preußischer Seidenbau im 18. Jahrhundert, in: VSWG 56 (1969), 478–498. 386 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 38, Bl. 74r. 387 AaO Bl. 75r–81r. 388 AaO Bl. 75r. 389 AaO Bl. 76v–77v. 390 AaO Bl. 77v–78r. 391 AaO Bl. 78r. Zur Marginalisierung der Taufe in der Aufklärung vgl. außerdem Christian Grethlein, Art. Taufe. III. Kirchengeschichtlich. 2. Reformation bis Gegenwart, in: RGG4 8 (2005), 63–69, 67 f. 392 Das Verzeichnis sowohl der zwanzig Kandidaten, die in dem Zeitraum von Michaelis 1795 bis Ostern 1796 geprüft worden waren, als auch der vier Prediger, mit denen wegen ihrer Amtsveränderungen das Kolloquium abgehalten worden war, findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 38, Bl. 83r–90r.

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

Schwalbe393: „Seine theologischen Kenntnisse und seine Bekanntschaft mit der Bibel sind sehr mittelmässig, und in den Sprachen ist er ebenfalls sehr zurük. Seine Predigt und exegetischen Arbeiten sind unvollständig und fehlerhaft gerathen. Uebrigens aber hat er keinen Verdacht der Neologie auf sich gezogen.“394 Unter dem 20. Oktober 1796395 schickten Schewe, Keßler und Treuding ihren nächsten ausführlichen Bericht396. Die Kommission hatte erfreut festgestellt, daß Prediger, die immer bloß von der Lehre397 und dem Beispiel Jesu sprachen und die sich darauf beschränkten, „die darin enthaltnen Vorschriften zur Tugend anzupreisen“398, und es dagegen sorgfältig zu vermeiden schienen, von seinem Leiden und Tod „als einer erduldeten Strafe für die Sünden der Menschen, von der durch ihn geleisteten Genugthuung, oder gestifteten Versöhnung zu reden“, nun anfingen, auch diese „Wahrheiten“ öffentlich vorzutragen399. Die Kommission unterschied bei der Bewertung der Rechtgläubigkeit der Kandidaten nicht zwischen der Bibel und den Bekenntnisschriften. Während sie über einen Kandidaten positiv vermerkte, daß er „keine schriftwidrige[n] Meinungen“ geäußert habe, konnte sie über einen anderen Kandidaten anerkennend sagen, daß er „den Lehrsäzzen unsrer Kirche völlig beizupflichten“400 scheine. Am 21. November reagierte die Immediat-Examinationskommission zurückhaltend auf den Bericht401. So sehr sie auch den großen Schaden beklage, der aus der zunehmend zur Gewohnheit werdenden Vernachlässigung des Gottesdienstes und des Abendmahls und aus der gleichfalls selbst schon in der mittleren und niederen Klasse beinahe herrschend gewordenen Umwandlung der Sonn- und Festtage zu bloßen „Belustigungstagen“402 entstehe, glaube sie doch nicht, daß diesem Übel durch Zwangsbefehle gesteuert werden könne, zu denen die Obrigkeit im übrigen durch keine Anweisung in der heiligen Schrift berechtigt sei. Die Obrigkeit könne und dürfe außer allgemeinen ernsten Ermahnungen wohl nichts weiter tun, als nur dafür sorgen, daß diejenigen Gläubigen, welche die Sonn- und Festtage zweckgemäß feiern und den Gottesdienst mit Andacht besuchen wollten, von den anders Gesinnten nicht gestört

393

AaO Bl. 86v. AaO Bl. 87r. 395 AaO Bl. 91r. 396 AaO Bl. 92r–97r. 397 AaO Bl. 93r. 398 AaO Bl. 93v. 399 Ebd. 400 AaO Bl. 103r. 401 AaO Bl. 106r–107v [Konzept]. 402 AaO Bl. 106r [Konzept]. 394

VI. Die halbjährlichen Generalberichte

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würden403. Es ging der Immediat-Examinationskommission hier also nur um den Schutz der äußeren Religionsausübung. Der nächste Bericht der Magdeburger Examinationskommission datierte vom 11. Mai 1797404. Im vergangenen halben Jahr war sie keiner Veränderungen gewahr geworden. Freilich schienen in ihrer Nähe „die öffentlichen Lehrer der Religion ihren Ton etwas geändert zu haben“. Manche Prediger, die sich in ihren Vorträgen sonst nur auf Moral beschränkt hatten, redeten nun zuweilen auch von der Versöhnung, der Wiedergeburt und Ähnlichem. Ob diese Prediger freilich selbst glaubten, was sie sagten, sei nicht sicher. „Wir hoffen aber wenigstens, daß wiederhohltes Nachdenken über dergleichen Materien bey ihnen nicht fruchtlos bleiben, und der Geist der Wahrheit endlich sie zur Ueberzeugung führen werde. Mögte nur auf Universitäten ein beßrer Grund zur Einsicht in diese Wahrheiten gelegt werden!“405 In ihrem letzten, vom 12. Oktober 1797 datierenden Bericht406 beklagte die Magdeburger Examinationskommission, daß noch immer eine große Zahl der Bewohner die öffentliche Gottesverehrung und den Besuch des Abendmahls für etwas Unnötiges hielt407. Bei den Prüfungen der Kandidaten hingegen hatte die Kommission erfreut festgestellt, daß sie sich mit „den Wahrheiten des Christenthums“ und mit der Bibel vertrauter zu machen begannen408. „Manche derselben gewähren uns durch ihre gründlichen Einsichten in die Lehren des Heils, und durch ihre erlangte Fertigkeit, sie aus der heiligen Schrift zu beweisen, viel Vergnügen.“409 Und auch wenn die Kommission bei anderen Kandidaten minder gründliche Einsichten antraf, ließen sie doch „den Verdacht nicht auf sich kommen, daß sie der Neologie, oder irrigen Meinungen ergeben wären“410. Am 10. November antwortete die Immediat-Examinationskommission ganz im Sinne des Religionsedikts411. Man müsse sich bei den Prüfungen damit zufriedengeben, wenn die Kandidaten zeigten, daß sie die „Wahrheiten“, die sie ihren Zuhörern vortrugen und ans Herz legen sollten, hinlänglich kannten und gewissenhaft zu lehren412 gelobten. Ob sie von der „Wahrheit und Göttlichkeit“ derselben selbst „innig überzeugt“ seien und „die beseeligende Kraft derselben an ihren eigenen Seelen erfahren haben, oder doch zu erfahren 403

Ebd. AaO Bl. 114r–114v und 121r. 405 AaO Bl. 114r. 406 AaO Bl. 123r–126r. 407 AaO Bl. 123r. 408 AaO Bl. 125r. 409 Ebd. 410 Ebd. 411 AaO Bl. 127r–128v [Konzept]. 412 AaO Bl. 127r [Konzept]. 404

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H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

sehnlich verlangen“413 – dies zu beurteilen müsse dem überlassen werden, „der Herzen und Nieren erforschet“414. In ihrem halbjährlichen Bericht an die Immediat-Examinationskommission meldete die aus Lohmeyer, Wesseler und Landmann bestehende Klevische Provinzial-Examinationskommission, die ihren ersten Bericht unter dem 23. Januar 1794 eingereicht hatte415, am 12. Juli 1796416: „Im Ganzen ist nichts besonders vorgefallen[.] In unsern hiesigen Gemeinen herrscht Ruhe und Ordnung“417. Diese Beobachtung konnte sie in ihrem Bericht vom 19. Dezember 1796 wiederholen418. Nachdem Lohmeyer gestorben war, gab es Schwierigkeiten wegen der Zusammensetzung der Kommission, so daß Wesseler und Landmann am 27. Februar 1797 an die Immediat-Examinationskommission schrieben419. In dem am 14. Februar in Wesel gehaltenen extraordinären Synodalkonvent war der Prediger Nebe als Nachfolger des verstorbenen Lohmeyer zum Inspektor des Klevischen Ministeriums gewählt worden420. Die Immediat-Examinationskommission müsse nun bestimmen, ob Nebe auch in die Provinzialkommission aufzunehmen sei421. Wesseler und Landmann, die sich von Lohmeyer, obgleich sie viele Jahre älter waren als dieser und auch bereits seit deutlich mehr Jahren im Ministerium saßen, „manches Unangenehme und Beschwerliche“422 hatten gefallen lassen, hofften freilich auf eine zukünftige einmütige Arbeit in der Kommission. Daher brachten sie etliche Argumente gegen Nebe vor423. Sollte nun Nebe, der noch weit jünger an Jahren als der verstorbene Lohmeyer war, zum ersten Mitglied der Kommission angesetzt werden, sähen sie sich gezwungen zu bemerken, daß Nebe zwar ein guter, treuer, rechtschaffener Prediger sei 413

AaO Bl. 127v [Konzept]. Ebd. 415 Vgl. Kapitel H.I.1.k. 416 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 8, Bl. 31r–32r. 417 AaO Bl. 31r. 418 AaO Bl. 34r–35r. Die großen Zeitläufte beeinträchtigten die Ordnung nicht: Die Gemeinden, die in den sich noch in der Gewalt der Franzosen befindlichen, jenseits des Rheins liegenden Orten der Provinz lagen, blieben ungestört in ministerieller Verbindung mit der Kommission, so daß auch ihre Prediger der Synode von 1796 hatten beiwohnen können. AaO Bl. 34r. 419 AaO Bl. 43r–44v. 420 AaO Bl. 43r. 421 Wesseler und Landmann sprachen noch von der „Ober Examinat.Commission“. Ebd. 422 AaO Bl. 43v. 423 Dinslaken, wo Nebe als alleiniger Prediger tätig war, lag drei Stunden von Wesel, also beinahe fünf Stunden vom Amtsort des Predigers Wesseler entfernt. Die Zusammenkünfte und Korrespondenzen der Kommission wären also noch weit größeren Schwierigkeiten und Kosten als zuvor unterworfen. AaO Bl. 43r. In den vorangegangenen Jahren hatten Wesseler und Landmann um des „guten Wercks“ willen nicht auf zeitliche Vorteile oder auch nur auf Aufwandsentschädigungen und Reisekostenersatz gesehen. AaO Bl. 43v. 414

VI. Die halbjährlichen Generalberichte

411

und auch für das ihm übertragene Inspektorat die nötigen Fähigkeiten besitze. Sie müßten jedoch „fast“ bezweifeln, daß Nebe „von Hertzen“ geneigt sei, den eigentlichen Zweck der Kommission zu erfüllen. Ehe er gewählt worden war – noch an Lohmeyers Begräbnistag –, habe er gegenüber Wesseler und Landmann geäußert, daß er bei der Immediat-Examinationskommission darum bitten werde, den neuen Inspektor wieder in die Kommission aufzunehmen, weil ansonsten ein „Status in Statu“ entstünde. Nachher aber habe er zu erkennen gegeben, daß er sich als Mitglied der Kommission nicht würde überwinden können, „eine frömmelnde Sprache zu führen“424. Wesseler und Landmann schlugen als neues Mitglied den Prediger Meyer vor, der zweiter Prediger in Götterswickerhamm und Landmanns Schwager war. Er sei „nicht nur im theologischen Fach“425 ein sehr geschickter Mann, sondern „zugleich auch von so guten evangelisch orthodoxen Gesinnungen beseelt“426, daß er sich für die Kommission sehr gut qualifizieren würde. Und auch Wesseler und Landmann hatten den „neologischen Geist unsers Zeitalters sattsam geprüfet“427, aber noch nicht wahrnehmen können, daß er etwas „Heilsames“ bewirkt habe428. Unter dem 16. März schrieb Hillmer an Woellner, daß er und seine Kollegen dem Vorschlag der Kommission zu Wesel zustimmten429. Für den Genehmigungsfall hatte er die dazu erforderlichen Expeditionen bereits konzipiert430. Bereits am nächsten Tag wurde der Immediat-Examinationskommission von Woellner im Namen des Königs beschieden, daß Meyer zum dritten Mitglied der Provinzialkommission zu Wesel ernannt worden war431. Unter dem 27. März machte die Immediat-Examinationskommission dies der Kommission zu Wesel bekannt432.

424

Ebd. Ebd. 426 AaO Bl. 43v–44r. 427 AaO Bl. 44r. 428 „Die sogenanten Aufklärer mögen nur auftreten und sagen oder vielmehr darthun, ob sie die Menschen ruhiger und glücklicher gemacht? ob sie mehr Segen, mehr Ordnung und Zufriedenheit unter die Menschen gebracht, seitdem sie Jesum Christum und sein Verdienst herabgewürdiget und seine heilige Lehren verunstaltet haben?“ Ebd. 429 AaO Bl. 45r. 430 AaO Bl. 46r–46v. 431 AaO Bl. 47r. Eine Abschrift der Ernennung Meyers findet sich aaO Bl. 48r. 432 AaO Bl. 49r [Abschrift]. 425

412

H. Die Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen

VII. Die tabellarischen Verzeichnisse der Geistlichen Immediat-Examinationskommission Trotz der Einrichtung der Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen und trotz deren halbjährlicher Generalberichte verfügte die Geistliche Immediat-Examinationskommission nur über begrenzte Kenntnisse von den Vorgängen in den Provinzen. Daher erging unter dem 24. September 1796 an die Immediat-Examinationskommission ein von Woellner unterschriebener königlicher Spezialbefehl433, den Hillmer am Vortag konzipiert hatte434. Den Räten sei das Bestreben des Königs hinlänglich bekannt, die Pfarrstellen in Preußen „mit tüchtigen Subjecten“435 zu besetzen und die Gemeinden mit „treuen, in Lehre und Leben warhaft Evangelischen Predigern“ zu versorgen. Bereits mehrfach seien ihnen „die genaueste Sorgfalt und Strenge, und die Vermeydung aller unzeitigen und zweckwidrigen Nachsichtigkeit“ bei den Kandidatenprüfungen nachdrücklich anempfohlen worden. Auch den Provinzial-Examinationskommissionen sollte die Immediatkommission dies von neuem einschärfen. Von nun an sollte die Immediatkommission alljährlich beim Geistlichen Departement ein tabellarisches Verzeichnis der von ihr selbst und von den Provinzialkommissionen geprüften Kandidaten und Prediger einreichen. In diesem Verzeichnis mußten bei den Kandidaten, die abgewiesen worden waren, auch die Gründe für deren Abweisung angegeben werden. Am 29. September konzipierte die Immediatkommission dann ein entsprechendes Schreiben an die Provinzialkommissionen436. Ein knappes Jahr später, unter dem 24. Juli 1797, reichten die Räte der Immediatkommission beim König das geforderte Verzeichnis ein und schickten eine entschuldigende Erklärung voran437. Ungeachtet aller Bemühungen sowohl der Immediat-Examinationskommission selbst als auch der Provinzialkommissionen, der königlichen Anweisung gemäß bei den Prüfungen alle Nachsicht zu vermeiden, sahen sich die Räte dennoch häufig genötigt, von ihren „rechtmäßigen Forderungen“438 Abstand zu nehmen und den „bemerkten guten Willen“ des Geprüften nebst seinem „feierlichen Versprechen“, die ihm von ihnen erteilten Anleitungen und Ermahnungen gewissenhaft zu befolgen, als eine Ergänzung der Lücken seiner Kenntnisse anzunehmen. Verführen sie strenger, könnten sie sonst von zehn Geprüften kaum einen einzigen für ad433

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 77r. AaO Bl. 76r. Das gleichlautende Konzept vom 24. September findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2], unpag. 435 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 77r. 436 AaO Bl. 78r. 437 AaO Bl. 79r. 438 Ebd. 434

VII. Die tabellarischen Verzeichnisse der Geistlichen Immediat-Examinationskommission 413

missibel erklären. Nennenswerte Erfolge konnten die Räte nicht aufweisen. Immerhin hätten sie die „Freude“ gehabt, wenigstens bei einigen Prüflingen ihre Hoffnungen nicht enttäuscht und ihre Ermahnungen nicht vergeblich erteilt gesehen zu haben. Dieser Vorbemerkung der Räte folgten zwei tabellarische Verzeichnisse, in denen dreizehn Examinationskommissionen aufgelistet waren: Berlin, Stendal, Königsberg, Marienwerder, Magdeburg, Küstrin, Halberstadt, Stettin, Aurich, Minden, Soest, Frömern – nun Unna – sowie zuletzt Wesel439. Das erste Verzeichnis führte alle Kandidaten auf, die von Ostern 1796 bis Ostern 1797 von sämtlichen Examinationskommissionen pro licentia concionandi geprüft worden waren440. Das zweite Verzeichnis nannte alle Kandidaten, die von Ostern 1796 bis Ostern 1797 von sämtlichen Examinationskommissionen pro Ministerio geprüft worden waren441. Keiner der Kandidaten war abgewiesen worden442.

439

AaO Bl. 80r–83r und Bl. 85r–88r. AaO Bl. 80r–83r. 441 AaO Bl. 85r–88r. 442 In Soest und Wesel hatten in diesem Zeitraum freilich überhaupt keine Prüfungen stattgefunden. 440

J. Die Zensur Auf das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 folgte im Dezember desselben Jahres ein Zensuredikt. Die Zensurbestimmungen lösten freilich keineswegs allenthalben Druckverbote aus. Die Verwicklung einiger prominenter Personen in Zensurangelegenheiten darf über diesen Befund nicht hinwegtäuschen.

I. Das Zensuredikt vom 19. Dezember 1788 Vom 19. Dezember 1788 datierte das preußische Zensuredikt1, das von Carl Gottlieb Svarez verfaßt und vom Großkanzler Johann Heinrich Casimir v. Carmer verantwortet war2. An demselben Tag schrieb Carmer an den König3. Da die älteren Gesetze nicht hinreichend präzise seien und die Zensur bislang einigen einzelnen Männern, die nach ihrem „Eigendünckel“4 und ihren oft irrigen Privatmeinungen die Grenzen der Pressefreiheit willkürlich ausgeweitet oder eingeschränkt hätten, ohne alle Aufsicht anvertraut gewesen sei, habe er über den Entwurf eines neuen Zensuredikts die Meinung der übrigen Mitglieder des Staatsrates eingezogen und die Gesetzkommission mit ihrem Gutachten5 vernommen. Woellner hatte sich bereits am 12. Dezember 1788 in einem Gutachten über die „Censur-Einrichtung“6 in den Preußischen Staaten7 gegen ein öffentlich gedrucktes Zensuredikt ausgesprochen, das bei den Ausländern nur „Misdeu-

1 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 3r–8v. Dieses gedruckte Exemplar ist im Quellenanhang der vorliegenden Arbeit wiedergegeben. Die Ausfertigung von Schreiberhand mit Siegel und Unterschrift von Carmer findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 22, Bl. 20r–27r. Ein weiteres Exemplar der gedruckten Fassung findet sich aaO Bl. 28r–33v. In Schlesien wurde das Zensuredikt nicht publiziert. Georg Hoffmann, Hermann Daniel Hermes, der Günstling Wöllners. (1731–1807). Ein Lebensbild, Breslau 1914, 44. 2 Das Konzept von Svarez findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 22, Bl. 4r–6v. Eine von Carmer unterzeichnete Reinschrift mit Einschüben von Carl Gottlieb Svarez findet sich aaO Bl. 7r–13r. 3 AaO Bl. 19r. Das Konzept hatte Svarez verfaßt. AaO Bl. 18r. 4 AaO Bl. 19r. 5 Das Gutachten der Gesetzkommission findet sich aaO Bl. 14r–14v. 6 AaO Bl. 15r. 7 AaO Bl. 15r–17r.

I. Das Zensuredikt vom 19. Dezember 1788

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tung“ verursachen und Gelegenheit geben könnte, „Gift aus Worten zu saugen und zu klauben, wie bei dem Religions-Edict der Fall ist“8. Er fand jedoch beim König kein Gehör, so daß dem Kurmärkischen Oberkonsistorium das Zensuredikt dann unter dem 25. Dezember durch einen von Carmer unterschriebenen königlichen Spezialbefehl bekanntgemacht wurde9. Sieben Wochen später, am 13. Februar 1789, schärfte Woellner dem Oberkonsistorium pflichtgemäß ein, daß über das Zensuredikt genaue Akten geführt werden müßten10. Die preußischen Zensurmaßnahmen zeichneten sich freilich nicht durch besondere Schärfe aus. In Österreich waren die Restriktionen durchaus schneidender: Die Zensurerlasse der österreichischen Kaiserin Maria Theresia betrafen zum Beispiel auch Friedrich Nicolai, dessen „Allgemeine deutsche Bibliothek“ Ende 1777 in Wien verboten worden war11. Überhaupt war in den meisten deutschen Staaten in den 1780er Jahren die Zensur verschärft worden. Aber auch zuvor hatte nur in sehr wenigen deutschen Staaten Pressefreiheit geherrscht. Selbst Friedrich II. hatte der Presse keine schrankenlose Freiheit gewährt, weil er seine eigene Regierungstätigkeit nicht politisch hatte kritisiert sehen wollen, so daß er 1784 öffentliche Kritik an Hof und Verwaltung verbot12. Das neue Zensuredikt vom 19. Dezember 1788 rief daher auch nur eine einzige veritable Gegenschrift hervor, die zudem lediglich ökonomisch und nicht theologisch argumentierte. 1789 erschien Johann Friedrich Ungers Büchlein „Einige Gedanken über das Censur-Edikt vom 19. December 1788“13, in dem Unger beklagte, daß das neue Zensuredikt für das Buchdrucker- und Buch-

8 AaO Bl. 16r. Die Zensur als solche wollte Woellner durchaus konsequent gehandhabt wissen. Alles, was wider Gott, wider den Staat und wider die guten Sitten sei, dürfe niemals gedruckt werden. Nichts beschimpfe ein Land mehr, als wenn sich darin „elende, schlechte“ Schriftsteller häuften, welche die Pressefreiheit durch eine Menge „Chartequen“ verunedelten. Die Zensur habe darauf ein „Haupt-Augenmerck“ zu richten. Denn je vollkommener die „Geistes-Producte“ in einem Land seien, um so mehr würden die Ausländer die Nation achten. Um die große Anzahl der „Scribler“ zu vermindern und „nach und nach ganz auszurotten“, müßte jeder Zensor dem Verleger „eines jeden elenden Werckchens“ abraten, es zu drucken, wenn es auch ansonsten die Zensur passieren könnte. Ebd. 9 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 2r. Dann zirkulierte es beim Kollegium. 10 AaO Bl. 10r. 11 Sigrid Habersaat, Verteidigung der Aufklärung. Friedrich Nicolai in religiösen und politischen Debatten, Teil 1, Epistemata. Würzburger Wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft 316, Würzburg 2001, 57–59 und Horst Möller, Aufklärung in Preußen. Der Verleger, Publizist und Geschichtsschreiber Friedrich Nicolai, EHKB 15, Berlin 1974, 208 f, der als Jahr freilich 1778 angibt. 12 Horst Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1763–1815, Deutsche Geschichte 7, Berlin 1994 (1989), 498. 13 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 33r–50v.

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J. Die Zensur

händlergewerbe „höchst niederschlagend“14 sei. Da die Herren, denen das Zensurgeschäft aufgetragen sei, dies bloß als Nebensache betrachten könnten und müßten, erfordere die Zensur einige Zeit. In den Buchdruckereien jedoch könne ein zum Druck bestimmtes Manuskript nicht länger als 24 Stunden fortgegeben werden, wenn nicht die Setzer und Drucker in der Zwischenzeit ohne Beschäftigung sein sollten15. Für den durch die verzögerte Zensur erlittenen Schaden könnten die Buchdrucker dann von niemandem Ersatz fordern16.

II. Carl Friedrich Bahrdt 1. Bahrdts Weg nach Halle Am 25. August 1740 kam im sächsischen Bischofswerda Carl Friedrich Bahrdt zur Welt17. 1769 verfaßte er eine „Dogmatik“, die er als Lehrbuch für seine Studenten konzipierte18. In der „Dogmatik“ verzichtete Bahrdt auf einige 14

AaO Bl. 36v bzw. in Ungers Schrift Seite 9. AaO Bl. 38v bzw. in Ungers Schrift Seite 12. 16 AaO Bl. 39r bzw. in Ungers Schrift Seite 13. 17 Günter Mühlpfordt, 1740, nicht 1741. Zu Bahrdts Geburtsjahr. Irrtum oder Manipulation?, in: Sauder, Gerhard/Weiß, Christoph (Hg.), Carl Friedrich Bahrdt (1740–1792), Saarbrücker Beiträge zur Literaturwissenschaft 34, St. Ingbert 1992, 291–305. Zu Bahrdt vgl. kurz Paul Schwartz, Der erste Kulturkampf in Preußen um Kirche und Schule (1788–1798), MGP 58, Berlin 1925, 144–150. Nach dem Studium der Theologie war Bahrdt Katechet, Adjunkt, Dozent und schließlich außerordentlicher Professor in Leipzig geworden. Jedoch die Karriereleiter brach zusammen, als eine Affäre mit einer Kupplerin bekannt wurde. Das Ministerium in Dresden freilich nahm von der Forderung einer Disziplinar- und Kriminaluntersuchung Abstand, als Bahrdt unverzüglich alle Ämter und Würden niederlegte. Am 10. Oktober 1768 erhielt Bahrdt eine Professur der biblischen Altertümer in Erfurt, bezog jedoch zunächst kein Gehalt und auch später nur eine verhältnismäßig geringe Summe. Durch seine schriftstellerische Tätigkeit verbesserte er seine pekuniäre Lage. In Erlangen erwarb Bahrdt 1769 den Titel des Doctor theologiae. Dank günstiger Verbindungen wurde er bald Professor theologiae designatus. Dieter Pilling, „Daß ich in Leipzig nie zu der Aufklärung gekommen wäre“. Carl Friedrich Bahrdts Jahre in Leipzig und Erfurt, in: Sauder/Weiß (Hg.), Bahrdt, 110–126. Zu Bahrdt vgl. außerdem Albrecht Beutel, Art. Bahrdt, Carl Friedrich, in: RGG4 1 (1998), 1064 f und Thomas K. Kuhn, Carl Friedrich Bahrdt. Provokativer Aufklärer und philanthropischer Pädagoge, in: Walter, Peter/Jung, Martin H. (Hg.), Theologen des 17. und 18. Jahrhunderts. Konfessionelles Zeitalter – Pietismus – Aufklärung, Darmstadt 2003, 204–225. Zu Bahrdts Abstammung und Erziehung vgl. auch Baldur Schyra, Das Elternhaus Carl Friedrich Bahrdts, in: Sauder/ Weiß (Hg.), Bahrdt, 306–317. 18 Carl Friedrich Bahrdt, D. Carl Friedrich Bahrdts Versuch eines biblischen Systems der Dogmatik, Gotha und Leipzig 1769. Bahrdt drängte darauf, Theologie nicht nur mit Auswendiggelerntem aus Katechismus und – auf der Universität – Kompendium zu betreiben, sondern sich der Bibel selbst zuzuwenden. AaO 1–7. Und zur Bibel solle man nicht allein in Luthers Übersetzung greifen. Die zeitgenössische Situation schilderte Bahrdt als desolat: „Wie viele verstehn so viel hebräisch und griechisch, daß sie das System nach der Bibel prüfen 15

II. Carl Friedrich Bahrdt

417

zeitgenössisch besonders beanstandete Lehrsätze, wich aber im Wesentlichen nicht von der traditionellen Lehre ab19. Trotzdem leitete diese „Dogmatik“ für ihn eine theologische Wende ein. Zwei Professoren riefen die orthodoxe Wittenberger theologische Fakultät an, die ein Responsum erstellte, um das alsbald ein zäher literarischer Kampf entbrannte und in dessen Verlauf Bahrdt sich zunehmend aufklärerischer gerierte. Das Wittenberger Responsum diente fortan stets, sobald es Bahrdt zu beurteilen galt, seiner Verortung als Ketzer20. In seiner „Dogmatik“ vertrat Bahrdt nachdrücklich den Toleranzgedanken. Die „Grundwahrheiten“, die im Gegensatz zu den zufälligen Lehrsätzen das eigentlich Entscheidende seien, gedachte er auf originelle Weise zu ermitteln: Alle Theologen sollten Bahrdt unter Zugrundelegung der „Dogmatik“ in Briefen ihre Meinung übermitteln21. Das Unternehmen uferte jedoch aus und verebbte alsbald22. Bahrdts Verdeutschung des Neuen Testaments wirkte derartig provokant23, daß sogar der kaiserliche Bücherkommissar aufmerkte und sich an den Reichsfiskal wandte24. Vom 27. März 1779 datierte das Finalconclusum des Reichshofrats25. Alles Bücherschreiben, Lehren und Predigen, das „einigen Bezug auf die Religion“ hatte, wurde ihm verboten26. Nun drohte die Reichsacht27. könnten? Weist du nicht, was vor Gelehrsamkeit, Kopf, Bücher, Zeit u. s. w. dazu gehören, ehe man die Bibel in der Grundsprache so verstehen lernt, daß man sich über eine solche Arbeit wagen darf?“ AaO 3. 19 Rudolf Ziel, Carl Friedrich Bahrdt, in: ZKG 60 (1941), 412–455, hier 422. 20 Ebd. 21 AaO 423. 22 Seit Mitte Mai 1771 versah Bahrdt dann eine Professur und Predigerstelle in Gießen. Rolf Haaser, Vom unbezwinglichen Leichtsinn des Enthusiasmus für Aufklärung. Karl Friedrich Bahrdt in Gießen, in: Sauder/Weiß (Hg.), Bahrdt, 179–226. Am 29. Juni 1769 hatte er sich mit einer reichen jungen Witwe verheiratet. Ziel, Bahrdt, 412–455, hier 424 f. 23 Im Vorwort des ersten Teils der Verdeutschung beschrieb Bahrdt seine Motivation zur Abfassung: „Mein Zweck war, den Freunden der liebenswürdigsten Religion eine solche Uebersetzung in die Hände zu geben, welche sie ohne Commentar verstehen, und zu ihrer Befestigung im Glauben benutzen könnten.“ Carl Friedrich Bahrdt, Die neusten Offenbarungen Gottes in Briefen und Erzählungen verdeutscht durch D. Carl Friedrich Bahrdt, der Theologie ordentlicher Lehrer, des Consistorii Assessor, Definitor und Prediger an der St. Pankratiuskirche zu Giessen. Erster Theil, Riga 1773, Vorrede, unpag. 24 Da eröffnete sich für Bahrdt die Möglichkeit, Deutschland zu verlassen, als ihm Ulysses v. Salis die Leitung des Philanthropins in Marschlins bei Chur anbot. Im Frühjahr 1775 zog Bahrdt in die Schweiz. Im März 1776 erreichte ihn aus Dürkheim die Anfrage, ob er die Stelle eines Generalsuperintendenten des Grafen v. Leiningen-Dachsburg übernehmen wolle. Damit verbunden war die Aufgabe, in Heidesheim ein Philanthropin zu errichten und dann auch zu leiten. Ziel, Bahrdt, 412–455, hier 431–437. 25 AaO 439 f. 26 Das Conclusum findet sich in Carl Friedrich Bahrdt, D. Carl Friedrich Bahrdts Glaubensbekenntniß veranlaßt durch ein hier beygelegtes Kayserl. Reichshofraths-Conclusum, mit Anmerkungen versehen, o. O. 1779, 3–10. 27 Ziel, Bahrdt, 412–455, hier 440.

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J. Die Zensur

Er widerrief jedoch nicht, sondern verfaßte ein achtzehnseitiges „Glaubensbekenntnis“, in dem er seine theologische Überzeugung zusammenfaßte28. Er sei bereits seit einiger Zeit überzeugt, daß „unser protestantisches Religionssystem“ Lehrsätze enthalte, die weder in der Schrift noch in der Vernunft gegründet seien „und die theils der Gottseeligkeit schaden, theils, durch ihr der Vernunft Anstößiges, die Quelle des Unglaubens und der Religionsverachtung bey Tausenden sind. Unter diese Lehrsätze rechne ich: Die – von der Erbsünde – von der Zurechnung der Sünde Adams – von der Nothwendigkeit einer Genugthuung – von der blos und allein durch den heiligen Geist in dem sich leidend verhaltenden Menschen zu bewirkenden Bekehrung – von der ohne alle Rücksicht auf unsere Besserung und Tugend geschehen sollenden Rechtfertigung des Sünders vor Gott – von der Gottheit Christi und des heiligen Geistes im Athanasianischen Sinn – von der Ewigkeit der Höllenstrafen – und einige andere.“29 Bahrdt floh nach Preußen und lebte seit dem 28. Mai 1779 mit seiner Familie in Halle an der Saale30. Nach dem Erlaß des Religionsedikts vom 9. Juli 1788 zog er sich von seiner Vorlesungs- und Vortragstätigkeit auf seinen vor Halle gelegenen Weinberg in seine dortige Gastwirtschaft zurück31. 1788 veröffent-

28

Bahrdt, Glaubensbekenntniß. AaO 17 f. 30 Der Neuanfang war mit erheblichen Schwierigkeiten behaftet. Der Chef des Geistlichen Departements Karl Abraham Freiherr v. Zedlitz hatte ihm nur erlaubt, Vorlesungen über Philosophie und Humaniora zu halten, nicht jedoch über theologische Disziplinen zu lesen. Bahrdt schrieb unablässig und scharte bald einen großen, aus allen Ständen zusammengesetzten Kreis von Hörern um sich. Der Wohlstand folgte. Ziel, Bahrdt, 412–455, hier 443 f. In der Hallenser Zeit entwickelte sich Bahrdt zunehmend zum Deisten. 1783 ließ er die „Neuesten Offenbarungen“ in einer dritten, vier Teile umfassenden Auflage unter dem Titel „Das Neue Testament oder die neuesten Belehrungen Gottes durch Jesum Christum und seine Apostel“ erscheinen. Bahrdt verwarf alle seine vor 1780 verfaßten Schriften und selbst das „Glaubensbekenntnis“. Carl Friedrich Bahrdt, Das Neue Testament oder die neuesten Belehrungen Gottes durch Jesum und seine Apostel. Verdeutscht und mit Anmerkungen versehn durch D. Carl Friedrich Bahrdt [Erste Abtheilung], 3. Aufl., Berlin 1783, Vorbericht, unpag. Die Offenbarung sah er als eine gewöhnliche und natürliche Veranstaltung der göttlichen Vorsehung an. Moses, Jesus, Konfutius, Sokrates, Luther, Semler, ja auch sich selbst verstand er als Werkzeuge der göttlichen Vorsehung, durch die sie für die Menschheit Gutes wirke. Alle diese Männer hätten lediglich aus der Quelle der Vernunft geschöpft. Bahrdt entschloß sich, nun ein eigenes Lehrgebäude zu errichten, das unter dem Titel „System der reinen Lehre Jesu und der Apostel“ – die Auflagen erschienen 1787 in Berlin, 1790 in Halle und 1791/1792 wieder in Berlin – verbreitet wurde. Alle biblischen Wundererzählungen profanierte Bahrdt: Der Tod Jesu am Kreuz sei in Wirklichkeit nur ein von Nikodemus und Josef von Arimathäa inszenierter Scheintod. Mithin sei Jesu Erscheinung nichts Übernatürliches. Und bei der sogenannten Himmelfahrt hätten die Wolken über dem Gipfel des Ölbergs das Ihre geleistet. Ziel, Bahrdt, 412–455, hier 447–450. 31 AaO 446. 29

II. Carl Friedrich Bahrdt

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lichte er das Büchlein „Das Religions-Edikt. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen“32. In dem Lustspiel ist mit ausschweifender Phantasie das Religionsedikt als das Werk eines mit Woellner freundschaftlich verbundenen, ungebildeten und der Trunkenheit ergebenen Landpredigers dargestellt33. Freilich waren nur der erste, zweite und fünfte Aufzug ausgearbeitet. 1789 erschienen der dritte und der vierte Aufzug des Lustspiels, die von anderer Hand ergänzt worden waren34. 2. Die „Deutsche Union“ Bahrdt plante die klandestine Gründung einer Geheimgesellschaft. Um die zentralistisch-radikalaufklärerische Zielsetzung des Geheimbundes zu verschleiern, sprach im Herbst 1787 der Gründungsaufruf „An die Freunde der Vernunft“ von einer „literarische[n] Gesellschaft“, in der sich Gelehrte, Schriftsteller und Leser zusammenschlossen35. Das Ganze sollte sich nach Bahrdts Willen zu einem genossenschaftlich organisierten, einen unmittelbaren Kontakt zu den Lesern herstellenden Selbstverlag von Autoren entwickeln. Nicht nur Preußen und auch nicht allein Deutschland hatte Bahrdt im Blick, sondern Europa überhaupt. Vor Ort sollten Lesegesellschaften zentralisierend wirken, wobei freilich nur ein engerer Personenkreis der Mitglieder den esoterischen Kern der Union zu bilden bestimmt war; in dem Bund sollten also Geheimgesellschaft und Leserverband kombiniert werden. Nach Bahrdts Vorstellung sollten die aufklärerischen Ideen 32 [Carl Friedrich Bahrdt,] Das Religions-Edikt. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Eine Skizze. Von Nicolai dem Jüngern, Thenakel [Wien] 1789. Zu dem Lustspiel vgl. auch Ludger Lütkehaus, Aufklärung über die Gegenaufklärung. Karl Friedrich Bahrdts Lustspiel „Das Religions-Edikt“, in: Karl Friedrich Bahrdt, Das Religions-Edikt. Ein Lustspiel. Faksimile der Ausgabe von 1789, mit einem Nachwort hg. von Ludger Lütkehaus, Heidelberg 1985, 1–31. Vgl. außerdem Christoph Weiß, „Krieg gegen die Aufklärer“. Carl Friedrich Bahrdts Kritik der Wöllnerschen Repressionspolitik, in: Sauder/Weiß (Hg.), Bahrdt, 318–351. 33 Bahrdt knüpfte an das Gerücht an, der Pfarrer J. W. Blumenthal aus Micheln bei Köthen, ein Freund Woellners, habe das Religionsedikt im Auftrag Woellners verfaßt. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 144 f. Zwei Briefe Blumenthals an Woellner, den er duzte, sind erhalten. Am 7. August 1788 freute er sich über das Religionsedikt, über das er mit vielen anderen gesprochen hatte. „Im ganzen macht es gewaltige Sensation: sonderl. bei denen, die bisher in der so genannten Aufklärung alle Dämme durchbrachen“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 24, Bl. 42r–43v, hier 42r. Am 21. August 1800 schrieb er ermunternd an den aus dem Staatsdienst entlassenen Freund. AaO Bl. 39r–41v. Vgl. zu diesem Brief Kapitel L.X. 34 Die Widmung lautete: „An den Erz-Ketzer Herrn Dr. Bahrdt in Halle, dermalen in der Klemme“. Der Dritte und Vierte Aufzug des Lustspiels: Das Religions-Edikt. Vollendet durch Nicolai den Jüngern, Thenakel 1789. Gedruckt durch Johan Michael Bengel. 35 Zu der „Deutsche[n] Union“ vgl. Günter Mühlpfordt, Europarepublik im Duodezformat. Die internationale Geheimgesellschaft „Union“ – Ein radikalaufklärerischer Bund der Intelligenz (1786–1796), in: Reinalter, Helmut (Hg.), Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa, Frankfurt a. M. 1983, 319–364. Übertreibend spricht Mühlpfordt freilich von einer „Wöllner-Kamarilla“. AaO 320.

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J. Die Zensur

zunächst im kulturellen Bereich und dann in der Politik bestimmend werden. Der Geheimbund war anfänglich in zehn bis zwölf, später in 24 „Provinzen oder Diözesen“ unterteilt. In dem 1788 verfaßten „Geheime[n] Plan der Deutschen Union“, der an die Hauptakteure des Geheimbundes geschickt wurde, sind als vornehmste Ziele der Union die „Vervollkommnung der Wissenschaften“, die „Verbesserung der Erziehung“ und die Förderung „gemeinnütziger Talente“ genannt. 3. Die Festnahme Zu derselben Zeit wie Heinrich Würtzers „Bemerkungen über das Preußische Religionsedikt“ war anonym ein unflätiger „Commentar über das Königl. Preuß. Religionsedikt vom 9ten Julius 1788“36 erschienen. Am 12. November 1788 hatte Woellner dem König mitgeteilt, daß seit dem vorangegangenen Tag ein aus Leipzig gekommener Kommentar über das Religionsedikt öffentlich verkauft werde37. „Dieses Libell übertrifft alles was von der christl[ichen] Religion bisher von den Aufklärern abscheuliches gesagt worden ist.“38 Der Kunde nach solle es Gotthilf Samuel Steinbart geschrieben haben. „Lucifer raset in der That.“39 In der beigelegten Kabinettsordre40, die Woellner an den Großkanzler Carmer entworfen hatte, glaubte er die königliche Intention erreicht zu haben. Woellner war zutiefst erzürnt und forderte, daß „ein Exempel statuiret“41 werden müsse. In einer gerichtlichen Untersuchung wurde dann später der Leipziger Magister Degenhard Pott als Verfasser ermittelt42. 36 [Degenhard Pott,] Commentar über das Königl. Preuß. Religionsedikt vom 9ten Julius 1788. Sr. Excellenz dem Herrn Staatsminister von Wöllner zugeeignet, [Leipzig] 1788. In dem „Commentar“ wandte sich Pott zum Beispiel ausdrücklich gegen die Trinitätslehre und die Lehre von der göttlichen Natur Christi. „Ueberlegen Sie aber, ob es den menschlichen Geist nicht auf die Folter spannen heist, wenn man ihn zwingen will, drey für eins und eins für drey zu halten, und das ohne einmal einen Zweifel zu äußern! Ueberlegen Sie ferner, daß gar kein großes Nachdenken, sondern blos schlichter Menschenverstand, dazu gehört, um einzusehen, daß dies nicht wahr seyn könne, und daß, wenn die Bibelfalsche [sic] Widersprüche lehrte, sie unbesehen für Menschenwerk und nicht für göttliche Offenbahrung zu halten seyn würde. Aber diese Lehre ist nicht Lehre der Bibel, war auch nicht Lehre des ersten Christenthums, sondern Lehre der verwirrten Nicänischen Pfaffen und des halbverrückten Athnasius [sic], der selbst nicht einmal recht wuste, was er wollte.“ AaO 54. 37 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 17r. 38 Ebd. 39 Ebd. 40 AaO Bl. 18r. 41 AaO Bl. 17r. 42 Die Leipziger Juristenfakultät verurteilte Degenhard Pott zu einer einjährigen Zuchthausstrafe, weil er die Trinitäts- und Versöhnungslehre verspottet habe. Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 1, Leipzig 1880, 232.

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Doch zunächst erging unter dem 2. April 1789 an Carmer wegen des „Commentar[s]“ eine Kabinettsordre43. Da der „berüchtigte“ Doktor Bahrdt in Halle nicht aufhöre, „allerley ärgerliche Schriften gegen das Christenthum überhaupt, und vornehmlich unanständige Sachen gegen das Religions Edict drucken zu laßen, dabey aber geheime und höchst verdächtige Correspondenzen führen soll“, befahl der König seinem Großkanzler, sich unverzüglich der Person und der Papiere Bahrdts zu bemächtigen und eine strenge fiskalische Untersuchung gegen ihn zu führen. Zwei Tage später, unter dem 4. April, wurde dem Hallenser Stadtgerichtsdirektor Karl Friedrich Zepernick und dem Hallenser Universitätssyndikus Johann Ludwig Nettler in einem von Carmer unterschriebenen Reskript die Leitung der fiskalischen Untersuchung gegen Bahrdt aufgetragen44. Der Gegenstand der Untersuchung war zweifach: Erstens sollte geprüft werden, ob Bahrdt den „Commentar über das Religionsedikt“ sowie „Das Religionsedikt. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen“ verfaßt hatte, und zweitens, ob er die Geheime Gesellschaft der Zweiundzwanziger – die „Deutsche Union“ – gestiftet hatte45. Zum Ersten: Zepernick und Nettler sollten diejenigen Schriftstücke Bahrdts, die sich auf seine Schriftstellerei bezogen, sorgfältig durchsehen. Da der Buchdrucker Michaelis als der Drucker des Kommentars angegeben wurde, sollte die Untersuchung auch gegen ihn gerichtet werden46. Zum Zweiten: Die sogenannte Gesellschaft der Zweiundzwanziger gebe vor, einen Geheimen Operationsplan zu haben, nach dem sie sich überall Einfluß verschaffe. Sie würde den ganzen Buchhandel an sich reißen, sich ein Monopol „über den Geist und über die Religion der Nation“ verschaffen, das Christentum „unter dem Nahmen des Aberglaubens anrüchig machen und dasjenige, was sie fälschlich Aufklärung nennt“47, an dessen Stelle setzen wollen. Eine derartige Gesellschaft, deren Zweck auf nichts weniger als auf die Bildung eines „Status in Statu“ hinauslaufe und die bei ihrem weiteren Fortgang der Freiheit der Religion und der Sicherheit des Staats, dessen Aufsicht sie sich ganz entziehen wolle, „äußerst gefährlich“ werden könne, sei der König in seinen Staaten zu dulden „schlechterdings“48 nicht geneigt. Aus allen eingezogenen Mitteilungen erhelle überdies, daß der Buchhändler Pott in Leipzig – sowohl was die Herausgabe der „ärgerlichen“ Schriften als auch

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GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. X, Nr. 141, Bl. 5r. AaO Bl. 6r–7r [Konzept]. Die Kabinettsordre vom 2. April legte Carmer abschriftlich bei. 45 AaO Bl. 6r [Konzept]. 46 Ebd. 47 AaO Bl. 6v [Konzept]. 48 Ebd. 44

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die Stiftung und Ausbreitung der „Deutsche[n] Union“ betreffe – „tief mit verwickelt“49 sei. An den Stadtpräsidenten, den Geheimen Kriegsrat Heinrich Ludwig Willibald Barckhausen, erging dann Anfang April 1789 durch ein Reskript der Befehl, Bahrdt zu arretieren, ihn in „anständige doch sichre“ Verwahrung bringen zu lassen, ihm alle Kommunikation mit der Außenwelt zu verwehren und alle seine Schriftstücke sowohl in seinem Logis in der Stadt als auch auf seinem Weinberg zu versiegeln50. Bahrdt, der in Halle allerdings keine Wohnung mehr hatte, befand sich auf seinem eine knappe halbe Meile vor Halle gelegenen Weinberg, als er am 7. April 1789 festgenommen und nach Halle in eine „sichere jedoch anständige Verwahrung“ gebracht wurde51. 4. Die Untersuchung Erste Untersuchungsergebnisse erhielt der König unter dem 11. April 1789 von Zepernick und Nettler52. Bahrdt war inzwischen über alle Gegenstände der Untersuchung summarisch vernommen worden. Er gestand zwar, den Kommentar gelesen zu haben, behauptete jedoch, über den Verfasser, den Verleger, den Drucker und den Druckort nichts zu wissen. Ebenso räumte er ein, das Lustspiel gelesen zu haben, wollte aber ebensowenig seinen Autor und Druckort kennen. Bahrdt gab an, daß er etwa im Juli 1788 mit einem anonymen Brief einen das Religionsedikt betreffenden Packen von Manuskripten erhalten habe, die er gegen ein Douceur von hundert Reichstalern habe unterbringen sollen. Er habe sie flüchtig durchgeblättert und dann, da er die Manuskripte nicht habe drucken wollen, das Paket sofort wieder an die ihm gegebene Adresse, auf die er sich ebenfalls nicht besinnen könne, zurückgeschickt. Als er später das gedruckte Lustspiel las, seien ihm darin mit dem Manuskript gleichlautende Passagen aufgefallen. Wegen der „Deutsche[n] Union“ sagte Bahrdt aus, daß er aktiver Teilnehmer, aber nicht deren Stifter oder Mitglied der stiftenden Gesellschaft gewesen sei, von der er im übrigen keine Kenntnis habe. Durch einen anonym von mehreren Personen an ihn geschriebenen Brief sei er aufgefordert worden, in die Gesellschaft einzutreten; er habe sich dann, da er deren Endzweck für unschädlich hielt, dazu entschlossen, ein Centrum in Halle zu errichten, wo er das Archiv verwaltet sowie Mitglieder aufgenommen und in ein Buch eingetragen habe. Seit sechs bis acht Wochen, nachdem die Sache bekannt geworden 49

AaO Bl. 7r [Konzept]. AaO Bl. 7v [Konzept]. 51 Das meldete Barckhausen dem König am 7. April 1789. AaO Bl. 8r–8v. 52 AaO Bl. 11r–12v. 50

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war, habe er sich von53 diesem Geschäft jedoch völlig befreit, sei aus der Gesellschaft ausgetreten und habe das Archiv an die Walthersche Buchhandlung in Leipzig abgegeben54. Bei der Untersuchung gegen den Buchdrucker Michaelis hatten sich Zepernick und Nettler um besondere Eile bemüht, um ihm keine Bedenkzeit zu lassen. Michaelis hatte gestanden, den Kommentar bei der Michaelismesse 1788 ohne Zensur gedruckt, das Manuskript dazu von Pott aus Leipzig erhalten und tausend Exemplare davon abgezogen sowie an die Walthersche Buchhandlung in Leipzig gesendet zu haben. Nach dem augenscheinlichen Vergleich mit den Briefen Potts stammte das Manuskript von dessen Hand, für die sie auch Michaelis hielt. Da Zepernick und Nettler in ihrem Arbeitsauftrag autorisiert worden waren, Michaelis zu verhaften, falls er eine der beanstandeten Schriften ohne Zensur gedruckt hätte55, ließen sie ihn einstweilen, bis er seine häuslichen Angelegenheiten – besonders die Messegeschäfte in der Offizin – arrangiert hätte, in genaue Observation und am 9. April schließlich in Gewahrsam nehmen56. Weil Michaelis aber klagte, daß er durch den Arrest großen gesundheitlichen Schaden erleide, und weil seine Frau am 10. April anbot, eine Kaution von fünfzig Reichstalern zu hinterlassen, baten Zepernick und Nettler den König, ihnen baldmöglichst bescheiden zu lassen, ob Michaelis gegen diese eidliche Kaution entlassen werden dürfe57. Aus diesen Untersuchungen ergab sich, daß Pott in Leipzig in die Sache „tief mit verwickelt ist“ und daher dessen Vernehmung notwendig werde. Diese dürfte aber, da man Pott nach einem seiner eigenen Briefe für einen der intrikatesten Köpfe hielt, von keinem besonderen Erfolg sein, wenn Pott nicht durch seine Obrigkeit veranlaßt würde, alle in seinen Händen befindlichen Schriften und Bücher, die zur Bahrdtschen Sache gehörten und deren Aufklärung dienen könnten, an Zepernick und Nettler abzuliefern. Zepernick und Nettler konnten aber einen solchen Befehl nicht erteilen, so daß sie es dem König überlassen müßten58, ob nicht, um der Sache mehr Nachdruck zu verleihen, durch eine königliche Veranlassung bei Potts Obrigkeit die Herausgabe der Bahrdtschen Schriften bewirkt und Pott selbst auch über seine eigenen Briefe, das Manuskript des Kommentars und die Aussage von Michaelis vernommen werden solle59.

53

AaO Bl. 11r. AaO Bl. 11v. 55 Ebd. 56 AaO Bl. 12r. 57 Ebd. 58 Ebd. 59 AaO Bl. 12v. 54

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Abschließend berichteten Zepernick und Nettler, daß Bahrdt sehr darüber „lamentiret“, wegen des Arrests seine versprochenen Messearbeiten nicht abliefern zu können. Die beiden erwarteten daher eine königliche Entscheidung über die Frage, ob Bahrdt abgesehen von der ihm bislang sehr eingeschränkten Korrespondenz mit seiner Familie über häusliche Angelegenheiten auch wissenschaftliche Ausarbeitungen in seiner Haft anfertigen und mit den Buchhändlern über seine Werke korrespondieren dürfe60. Da Zepernick und Nettler keine Antwort des Königs erhalten hatten, wandten sie sich unter dem 14. April 1789 wiederum an Friedrich Wilhelm II.61 Am 11. April war ihnen vom Stockmeister Klappenbach62 ein Buch gebracht worden, das Bahrdt aus einer Leihbibliothek hatte ausleihen lassen dürfen und das er seiner Tochter zuzustellen gebeten hatte. Auf der zweiten Seite des letzten Blattes war von Bahrdts Hand ein Brief an seine Tochter geschrieben, den Zepernick und Nettler abschriftlich beilegten und in dem Bahrdt betonte, daß Michaelis niemals für ihn gedruckt habe. Das Blatt hatte Bahrdt dann, um die Schrift zu verdecken, an den Deckel des Buches geklebt63. Als der Arretierte wegen dieses versteckten Briefes zur Rede gestellt wurde, führte er die ihm erschwerte Korrespondenz mit seiner Familie zur Entschuldigung an und wollte die Äußerungen über Michaelis als Tröstung für sein Kind erklären. 60

Im übrigen würden sie sich, beteuerten Zepernick und Nettler, zwar „eifrigst“ bemühen, die Untersuchung möglichst zu beschleunigen; da sie beide jedoch mit anhaltenden Amtsarbeiten überhäuft und überdies von schwächlicher Gesundheit seien, könnten sie unter Umständen davon abgehalten werden, die Untersuchung ununterbrochen fortzusetzen. Ebd. 61 AaO Bl. 16r. Unter dem 17. April 1789 erging ein von Carmer unterschriebenes Reskript an Zepernick und Nettler. AaO Bl. 18r–18v [Konzept]. Die Entlassung von Michaelis aus dem Arrest dürfe, da sich in der Zwischenzeit nichts Näheres gegen ihn ergeben habe, gegen eidliche Kaution erfolgen. Auch sei der König im Prinzip nicht abgeneigt, Bahrdt unter sorgfältiger Aufsicht die Fortsetzung seiner schriftstellerischen Arbeiten und die deswegen notwendige Korrespondenz mit den Buchhändlern zu gestatten. Da Bahrdt aber die ihm bislang gewährte eingeschränkte Freiheit zu einer heimlichen Korrespondenz mißbraucht habe, müsse es bei dem Verbot sein Bewenden haben, bis die Vernehmung Potts in Leipzig erfolgt sein werde. 62 Der Name findet sich in einem Schreiben Zepernicks und Nettlers an den König vom 9. Juni 1789. AaO Bl. 41r. Er findet sich auch in einem Gutachten des Hallenser Stadtphysikus Reil vom 26. September 1789. AaO Bl. 47r. 63 In dem klandestinen Brief an seine Tochter Hanchen erteilte Bahrdt zunächst Anweisungen für die Führung der Gastwirtschaft. Das Weinfaß solle liegengelassen werden, bis es ausgegoren hätte. Wenn es nicht mehr gärte, solle man es ihm mitteilen. „Wenn alle Stricke reißen“, müßten der Knecht und die neue Viehmagd auf dem Kirschberg schlafen. Michaelis habe niemals für ihn gedruckt. Das werde er, Bahrdt, der Wahrheit gemäß immer sagen, und Michaelis werde dies ebenso tun: „das sage ihm“. Christine solle mit dem Gesinde freundlich sein „und jetzt piano thun“, bis er wiederkomme. Wenn es an Geld mangele, solle Hanchen an Pott schreiben und ihn um 20 bis 25 Reichstaler bitten. Bahrdt schloß mit praktischen Hinweisen: Bei den heimlichen Briefen solle Hanchen – so wie er selbst – mit feinem Kleister arbeiten, denn ansonsten würden die Buchseiten zu dick und auffällig. AaO Bl. 17r [Abschrift].

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Aufgrund dieser heimlichen Korrespondenz waren Bahrdt dann seine sämtlichen Schreibmaterialien abgenommen worden. Doch er selbst sowie seine Familie ersannen neue Wege der Kommunikation. Am folgenden ersten Ostertag fand sich in einem Kuchen, der Bahrdt von seiner Familie zugeschickt worden war und den der Stockmeister untersucht hatte, ein Brief seiner Tochter und seiner Magd Christine. Zepernick und Nettler nun baten den König nochmals, ihnen bescheiden zu lassen, ob Bahrdt der Gebrauch der Schreibmaterialien für seine schriftstellerische Arbeit wieder erlaubt werden solle. Wegen der gegen Pott anzustellenden Untersuchung erging unter dem 17. April ein von Carmer unterschriebenes Reskript an das Kammergericht64. Die Kommission sollte wegen der Vernehmung von Pott einen fiskalischen Bedienten nach Leipzig senden. Um dessen Arbeit zu erleichtern, sollte das Kammergericht ein Requisitoriale an den Magistrat zu Leipzig und an die dortige Bücherkommission erlassen. 5. Erste Geständnisse Am 24. April 1789 erstatteten Zepernick und Nettler ihren nächsten Bericht an den König65, nachdem Michaelis kurz zuvor „gantz freiwillig“66 ausgesagt hatte, daß Bahrdt der Verfasser des Lustspiels sei und daß das Buch bei Georg Philipp Wucherer in Wien gedruckt und von Pott in Leipzig debitiert worden sei. Bahrdt selbst habe ihm dies erzählt. Als Zepernick und Nettler Bahrdt mit dieser Aussage von Michaelis konfrontierten, gestand jener schließlich, daß er das Lustspiel, das er jedoch als Manuskript von einem Unbekannten erhalten haben wollte, 1788 selbst abgeschrieben, einige Änderungen vorgenommen und es im Herbst, etwa vierzehn67 Tage vor Michaelis 1788, an Wucherer in Wien und Pott in Leipzig zum beliebigen Gebrauch gesandt habe, wobei er jedoch gebeten habe, beim Druck die wahren Namen in fingierte zu ändern68. Wucherer habe es gedruckt und Pott etliche Exemplare zur Distribution zugestellt. Den Kommentar betreffend gestand Bahrdt am folgenden Tag, daß er sich nun erinnere, wie nach dem Weihnachtsfest 1788 bei einer Zusammenkunft mit Pott und Michaelis auf seinem Weinberg zwischen diesen beiden von heimlichen Drucksachen geredet worden war. Etwa vierzehn Tage später sei er nach Leipzig gereist, und dort habe ihm Pott, als er im Gespräch mit diesem geäußert habe, den Verfasser des Kommentars nicht zu kennen, gesagt: „Wißen 64

AaO Bl. 10r–10v [Konzept]. AaO Bl. 20r–21v. 66 AaO Bl. 20r. 67 Ebd. 68 AaO Bl. 20v. 65

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Sie in Ernst noch nicht“, daß er, Pott, der Verfasser sei. Er, Bahrdt, wisse aber immer noch nicht, ob Pott dies im Ernst oder im69 Scherz gesagt habe, da Pott sonst „schöner und gründlicher“ schreibe, als der Kommentar geschrieben sei70. Mit der Untersuchung wegen der „Deutsche[n] Union“ waren Zepernick und Nettler ebenfalls vorangeschritten. Bahrdt hatte ausgesagt, daß er als Stifter der Union die Ideen von 22 unbekannten und zerstreut lebenden Maurern erhalten habe. Er habe, ohne sich weiter um jemanden zu bekümmern, sein Centrum angelegt, habe niemandem Rechenschaft gegeben, die Leitung alleine innegehabt und mit Pott in Leipzig alles eingerichtet. Bei der Untersuchung gegen Michaelis hatten Zepernick und Nettler keine Spur davon gefunden, daß er am Lustspiel beteiligt gewesen sei. Daher würden sie ihn, sobald er mit Bahrdt konfrontiert worden sein würde71, nach geleisteter Kaution aus der Haft entlassen72. Unter dem 2. Mai 1789 erhielten Zepernick und Nettler durch ein von Carmer unterschriebenes Reskript eine Antwort73. Zepernicks und Nettlers Überzeugung, daß Bahrdt nicht der Verfasser des Kommentars sei, konnte der König noch keineswegs beipflichten, da von Pott, wenn er auch ein Gelehrter sei, die in dem Kommentar enthaltenen theologischen und sprachlichen Kenntnisse „gar nicht“74 erwartet werden könnten. Außerdem gebe es zwischen dem Kommentar und dem Lustspiel mancherlei Ähnlichkeiten in den Gedanken und im Ausdruck. Im Blick auf die „Deutsche Union“ müsse sich die Untersuchung auch auf die anscheinende betrügerische Hintergehung des Publikums in der Absicht, Geld von ihm herauszulocken, erstrecken. Bahrdt werde also von den erhaltenen Geldern und deren Verwendung Rechenschaft ablegen müssen. Am 28. April schrieben Zepernick und Nettler wiederum an den König75. Bahrdts Ehefrau hatte einen vom 27. April datierenden Brief Potts76, von dem sie eine Abschrift beilegten, bei der Kommission eingereicht und sehr dringend zu erlauben gebeten, daß ihrem Ehemann wieder Schreibmaterialien zur Verfügung gestellt und ihm gestattet werden möge, seine begonnenen literarischen Arbeiten fortzusetzen, da sonst ihr Ruin unvermeidlich sei. Obwohl Bahrdt im Hinblick auf das Lustspiel und die Union in Maßen geständig gewesen war und man daher weniger Bedenken haben könnte, ihm die Fortsetzung seiner schriftstellerischen Arbeiten zu gewähren, wollten 69

Ebd. AaO Bl. 21r. 71 Ebd. 72 AaO Bl. 21v. 73 AaO Bl. 23r–23v [Konzept]. 74 AaO Bl. 23r [Konzept]. 75 AaO Bl. 24r–24v. 76 AaO Bl. 27r [Abschrift]. 70

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Zepernick und Nettler dem Inhaftierten ohne königliche Erlaubnis keine Bewilligung erteilen – um so mehr, weil zu befürchten stehe, daß in der Lebensbeschreibung Bahrdts, zu der dieser Brief Potts selbst die Skizze sein sollte, „mannches anstößige und beleidigende“ im Publikum verbreitet werden würde. In diesen Bedenken wurde die Kommission durch Potts beigelegten zweiten, von der Post am Vortag an die Kommission abgegebenen Brief 77 und die darin enthaltenen Drohungen, das gegen ihn geführte Verfahren öffentlich in Druck zu geben, bestärkt. Der auf Verlangen Bahrdts zu ihm geschickte Arzt hatte ihnen freilich berichtet, daß Bahrdts ohnehin schon geschwächte Gesundheit noch mehr erschüttert werden würde, wenn sein Geist ohne alle Beschäftigung bliebe78. Dennoch entschied Carmer unter dem 2. Mai 1789 in einem Reskript, daß dem Gefangenen gegenwärtig der Gebrauch von Schreibmaterialien nicht erlaubt werden solle79. Zum einen sei Bahrdt durch die bisherigen Untersuchungsergebnisse zu stark belastet, als daß ihm eine solche bei Kriminalinhaftierten ungewöhnliche Erlaubnis gestattet werden könnte. Zum anderen lasse der Mißbrauch, den er von der ihm gewährten Freiheit gemacht hatte, die Erlaubnis „bey einem Mann von seinem unzuverläßigen Charakter“ doppelt bedenklich erscheinen. Überdies kämen seine literarischen Arbeiten zu der inzwischen begonnenen Messe ohnehin zu spät. Am 11. Mai schrieben Zepernick und Nettler an den König, nachdem sie Bahrdt mit Michaelis konfrontiert hatten80. Bahrdt hatte die Aussage von Michaelis, soweit sie die von ihm geführten Reden über das Lustspiel zum Gegenstand hatte, eingeräumt, weil er Michaelis für einen ehrlichen Mann halte, der nichts Unwahres sagen würde. Er selbst könne sich aber dieser gegenüber Michaelis geäußerten Sätze nicht erinnern. Daß er der alleinige Verfasser des Lustspiels sei, hatte Bahrdt, ungeachtet der Aussage von Michaelis, nicht zugeben wollen81. Im Hinblick auf den Kommentar schien es Zepernick und Nettler „höchst wahrscheinlich“82, daß Bahrdt daran Anteil gehabt und zumindest Materialien dazu geliefert habe. Dieser aber bestritt jede Beteiligung. Noch nicht einmal mündlich habe er dieses Unternehmen unterstützt. Wegen der „Deutsche[n] Union“ hatten Zepernick und Nettler Bahrdt über die Einnahmen und etwaigen Rechnungen befragt, konnten aber nichts in Erfahrung bringen.

77

Der Brief findet sich aaO Bl. 27v–28r [Abschrift]. AaO Bl. 24v. 79 AaO Bl. 30r [Konzept]. 80 AaO Bl. 31r–32v. 81 AaO Bl. 31r. 82 AaO Bl. 31v. 78

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6. Bahrdts erste Fürbitten bei Woellner Trotz des Schreibverbots hatte Bahrdt inzwischen wieder Wege zur Korrespondenz mit seiner Familie gefunden: Der Stockmeister hatte Zepernick und Nettler eine steinerne Flasche Weißbier überreicht, in der sich Schreibmaterialien und ein Zettel von Bahrdts Tochter befanden, aus dessen Inhalt sie ersahen, daß Bahrdt einen Brief heimlich fortzuschaffen gewußt hatte83. Bahrdt gestand bei seiner Vernehmung, daß er durch seine Tochter sowohl an Wucherer in Wien als auch nach Leipzig habe schreiben und Wucherer melden lassen, was er wegen des Lustspiels bislang gestanden hatte. Diese neuerliche klandestine Korrespondenz hatte Zepernick und Nettler veranlaßt, Bahrdts Gefängnis zu durchsuchen und die dort befindlichen Papiere entfernen zu lassen, um allen Mißbrauch, den er damit machen könnte, zu vereiteln. Als sie die Papiere durchsahen, stellten sie fest, daß der Inhaftierte seine Aussagen in den Verhören und auch verschiedenes andere mit einem Bleistift notiert hatte, damit er sich seiner Aussagen wieder erinnern und auch bei seiner Lebensbeschreibung davon Gebrauch machen konnte84. Am 12. Mai 1789 schrieben Zepernick und Nettler wiederum an den König85. Am Nachmittag des Vortags, gerade als sie mit der Anfertigung ihres Berichts beschäftigt gewesen waren, hatte Bahrdt durch den Stockmeister melden lassen, daß er der Kommission noch etwas vorzutragen habe. Bei seiner Vorlassung bat er, wie der König aus dem abschriftlichen Protokoll86 ersehen konnte, einen Brief an Woellner schreiben und abschicken lassen zu dürfen. Zepernick und Nettler beteuerten, daß sie Bahrdts Bitte nicht ohne königliche Erlaubnis stattgegeben hätten, wenn ihnen von Bahrdt nicht versichert worden wäre, daß er wichtige Angelegenheiten, die keinen Aufschub litten und nicht frühzeitig publik werden dürften, melden müßte. Der Brief war am 12. Mai87 in ihrer Gegenwart erst entworfen, ins Reine geschrieben und dann von Bahrdt versiegelt worden. Den Entwurf hatte er sogleich verbrannt, so daß Zepernick und Nettler von dessen Inhalt nichts wußten. Sein „hartes Gefängniß“88 und dessen harte Folgen – die zerstörte Gesundheit sowie die Armut seiner Kinder – hätten ihn, bekannte Bahrdt in dem Brief, „auf Betrachtungen und Entschlüssungen geführet, auf welche ich vieleicht in glüklichern Zeiten nie gerathen seyn würde“89. Und durch „die 83

AaO Bl. 32r. Ebd. 85 AaO Bl. 33r. 86 Das Protokoll findet sich aaO Bl. 34r–34v. 87 Das Protokoll findet sich aaO Bl. 34v–35r. 88 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 21, Bl. 3r. 89 Ebd. 84

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Treulosigkeit derjenigen Parthei“, von der er sich bislang „so blindlings“90 haben führen lassen und die nun noch nicht einmal seine Kinder unterstützte, sei „die gänzliche Umstimmung meiner Seele“91 vollends entschieden worden. Gott sei sein Zeuge, daß er seine bisherige Laufbahn mißbillige92. Bahrdt wollte Woellner „zwey unverkenbare Proben, sowohl von meiner völligsten Sinnesänderung überhaupt, als von meiner unverbrüchlichen Anhänglichkeit und Treue gegen Ew. Excellenz insbesondre“93 ablegen. Die erste Probe sollte eine Schrift sein, in der er den durch sein bisheriges Betragen angerichteten „Schaden“ wieder aufheben und die „üblen Eindrüke“, die er im Publikum gemacht habe, vernichten und über alle die „gehässigen Beurtheiler“ einen „volkomnen Triumph“94 veranstalten wollte. Als zweite Probe werde er die völlige Entdeckung derjenigen bewerkstelligen, die ihn nicht nur bislang in den Unionsangelegenheiten95 „verführt und gemißbraucht“96, sondern auch zugleich die bedenklichsten Anschläge gegen Woellner geplant hätten. Es liege neben anderen eine „Schandschrift“ bereit, die Woellners persönliche Verhältnisse zum Gegenstand habe – „Rosenkreuzerische Staatsverwaltung“ betitelt – und die mit einem solchen „Scheine von Wahrheit und Gründlichkeit“97 geschrieben sei, der alle Vorstellung übersteige. Woellner erhielt den Brief und entwarf eine furchteinflößende Kabinettsordre an Bahrdt98. Er bedaure ihn „unendlich“, und er habe, als er dessen Brief gelesen habe, mehr Mitleid empfunden, als Bahrdt sich vielleicht vorstellen könne. Denn der Gefangene kenne die Gefahr, in der er schwebe, noch nicht einmal zur Hälfte. Der König sei „äußerst gegen Sie aufgebracht“99, Bahrdt solle nicht glauben, daß Woellner ihn „ohne Noth bange machen“100 wolle, aber Bahrdt müsse fürchten, als „MajestätsSchänder“ seinen Kopf zu verlieren. Er solle sich retten, da er jetzt dazu vielleicht noch imstande sei101. „Warum wolten Sie Leute schonen die, wie Sie schreiben, an Ihrem Unglük Schuld sind?“ Er solle die Namen „gerade heraus“ nennen. „Sein [sic] Sie so aufrichtig gegen mich, als ich gegen Sie bin.“ Woellner hoffte, daß Bahrdt ihn für einen 90

Ebd. AaO Bl. 3v. 92 Ebd. 93 Ebd. 94 Ebd. 95 Ebd. 96 AaO Bl. 4r. 97 Ebd. 98 AaO Bl. 5r. Übertreibend formuliert Lütkehaus, daß Bahrdt „dem gezielten Terror“ Woellners ausgesetzt gewesen sei. Lütkehaus, Aufklärung, 1–31, hier 29. 99 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 21, Bl. 5r. 100 Ebd. 101 Die Anrede „Liebster Freund!“ hatte Woellner nachträglich in „Liebster Mann!“ geändert. Ebd. 91

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„ehrlichen Mann“ hielt, „und ich betheure es Ihnen, Sie sollen nicht getäuscht werden“102. In einem elfseitigen, undatierten Brief wandte sich Bahrdt dann bestürzt und ausschweifend an Woellner103. Als Nettler ihm Woellners Brief überbracht hatte, sei dies seit sieben Wochen „der erste recht innig frohe Augenblik“ für ihn gewesen. In „der Tiefe meiner Seele“ habe er eine Stimme gehört: „‚das ist dein Schuzengel, den Gott dir sendet, dich dem Elende zu entretten und dir eine würdigere Laufbahn zu eröfnen.‘“104 Als er freilich den Brief bis zur Hälfte gelesen hatte, erschauderte er. „Ach Gott! sterben soll ich? – auf dem Schafot sterben? – Gott! Vater! Erbarmer!“105 Sein Leben habe er „in unsäglichen Fleiße und bei einer fast ununterbrochenen Reihe von Wiederwärtigkeiten verlebt“ und Gott geopfert. „Und sterben soll ich für eine Schrift die ich nur mit Leichtsinn begünstigt und, für Lästerungen meines guten Königs, die mir, bei Gott, nie ins Herz, geschweige in meinen Mund gekommen sind?“106 Nachdem er den Brief weitergelesen habe, sei ihm jedoch Trost zuteil geworden. Er habe in Woellner „den Menschenfreund, den Vater, den Schuzengel“ gefunden. „‚Ja Gott! sprach ich in meinem Herzen, du hast ihn mir gesendet. Gerade in dem Manne, den ich verkannte, den ich aus Irrthum haßte, lehrtest du mich, du Allliebender, dein Ebenbild erkennen und liessest meinen Retter mich finden.‘“107 102

Ebd. AaO Bl. 7r–12v. 104 AaO Bl. 7r. 105 Ebd. 106 Ebd. 107 Ebd. „O möchte ich, Gnädger Herr, in diesem Augenblike mich Ihnen zeigen können! Möchten Sie es selbst sehen, wie ich, Ihr Bild vor meinen Augen, vor Ihnen liege und reuvolle Thränen weine, und meine Hände nach Ihnen ausstreke, und wie meine ganze Seele vor Ihnen in Dank, Verehrung und kindlichem Vertrauen zerfließt. Möchten Sie es sehen, wie ich Ihre Knie umfasse und in Ihren Augen die erquikende Ueberzeugung zu lesen suche, daß Sie wirklich das reine, edle, menschliche Herz besizen, welches Ihr Brief athmet, daß Sie mich nicht täuschten, daß Sie vest entschlossen sind, das Herz des besten Königs, welches Sie so ganz zu besizen verdienen, zu besänftigen und die verscheuchten Gefühle der Erbarmung gegen mich in dasselbe zurük zu führen. Möchten Sie es sehen, wie ich meine Hände nun zu Gott aufhebe und es ihm heilig gelobe, mit ebem [sic] dem reinen Herzen, mit welchem ich ihn anbete, mich jezt Ihnen zu ergeben und dasselbe vor Ihnen auszuschütten. Ja, Gnädger Herr, ich schwöre Ihnen jezt mit aufgehobnen Händen vor dem Gott, den ich durch Christum als meinen Vater habe erkennen und lieben lernen, vor dem Gott, von welchem ich allein meine Seeligkeit erwarte und dessen unendliche Liebe mein einziger Trost im Leben und im Tode ist, daß ich Ihnen jezt alles sagen will, was ich auf meinem Herzen habe, und so reine Wahrheit wie sie nur ein Sohn seinem Vater sagt – nicht aus Furcht vor dem Tode, denn diese kann mich nicht mehr ängsten, wenn Ihr Herz so ist, wie Ihr Brief es mich sehen ließ, – und eben so wenig aus Rache gegen meine Verführer, denn diese Empfindung war nie in meiner Seele. Aber die reinste Wahrheit will ich Ihnen sagen, um Ihnen den ganz gebesserten Menschen, das ganz umgeschafne Herz zu zeigen, das Sie zu sehen wünschen und Ihres vortreflichen Herzens mich werth zu machen.“ AaO Bl. 7r–7v. 103

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Etwa sieben Jahre zuvor – erzählte Bahrdt – habe er kurz vor Ostern in einem Brief die Ankündigung erhalten, daß er bei der Leipziger Ostermesse einen Teil seiner Wünsche erfüllt sehen und unter die geheimen Oberen eingeführt werden solle. In gespannter Erwartung sei er in die Messestadt gereist, ohne zu wissen, was ihn dort erwarten würde108. In Leipzig angekommen, deutete ihm Pott an, daß er am Abend „‚Freude erleben‘“109 werde. Den Abend verbrachten Pott und Bahrdt gegenübersitzend in einem Kaffeehaus. Neben Bahrdt nahm ein Mann Platz, „in dessen Aeuserlichem etwas Grosses und Edles sich zeigte“110. Er aß, stand dann auf, drückte Bahrdt unter dem Tisch ein Papier in die Hand und entfernte sich „mit einem schmeichelhaftem Compliment“111, das er Bahrdt machte. Dieser las sogleich das Papier, das ihn um Mitternacht vor die Haustür bestellte. Bahrdts Frage an Pott, ob er den Fremden kenne, wehrte Pott lachend ab. Um zehn Uhr verließ Pott das Gasthaus, ohne sich anmerken zu lassen, daß er von Bahrdts bevorstehendem Abenteuer wußte. Um Mitternacht traf Bahrdt den Fremden an der Haustür, der ihn zu einem anderen Haus führte. Im finsteren Hauseingang wurden Bahrdt die Augen verbunden. Dann wurde er eine Treppe in ein Zimmer hinaufgeleitet, in dem er etwa acht Personen erblickte. Sie waren mit schmalen weißen Bändern um die Augen und Lippen maskiert. Einer von der Gesellschaft richtete das Wort an Bahrdt. Er lobte dessen Talente und Verdienste112 und bat um Verzeihung wegen der noch fortdauernden Unmöglichkeit, sich vollständig zu erkennen zu geben, weil dem Orden „eine mächtige Parthei“113 nachstelle. Werde Bahrdt noch ein weiteres halbes Jahr seinen Mut und seine Verschwiegenheit beweisen, werde er zum Vertrauten des Zirkels werden. Bahrdt mußte vor den Oberen der Union einen neuen Eid ablegen. Sodann gab man Bahrdt neue Anweisungen und versprach ihm große zukünftige Vorteile, die er zu erwarten hätte, wenn er standhaft bliebe und sich „mit Leib und Leben“114 dem Orden widmen wollte. Bahrdt war alles „wie ein Traum“. Mit verbundenen Augen wurde er wieder abgeführt. Auf dem Heimweg begegnete ihm Pott, der sich nach wie vor ahnungslos stellte. Im Sommer desselben Jahres – fabulierte Bahrdt in seinem Brief an Woellner weiter – habe er eine zweite „eben so unbefriedigende Erscheinung“115 erlebt: Ein Fremder fand sich auf seinem Weinberg ein und ersuchte Bahrdt um eine persönliche Unterredung. Er präsentierte eine Vollmacht der Oberen, Bahrdts 108

AaO Bl. 8r. AaO Bl. 8v. 110 Ebd. 111 Ebd. 112 Ebd. 113 AaO Bl. 9r. 114 Ebd. 115 Ebd. 109

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Archiv zu sehen und von seinen bisherigen Geschäften Bericht zu fordern. Er verbat sich Nachfragen über seinen Auftrag und warf ihm einige Unvorsichtigkeiten vor. Am nächsten Morgen verließ er den Weinberg. An eben demselben Tag erhielt Bahrdt das Lustspiel116. Bei der Michaelismesse schließlich hoffte Bahrdt einer Versammlung seiner Oberen beiwohnen zu können. Obwohl er sich jedoch drei Tage in Leipzig aufhielt, konnte er keinen Kontakt herstellen. Pott freilich arbeitete „in dieser Zeit vorzüglich an mir, mir seine Erbittrung einzuflössen“117, die er – Pott – gegen Woellner vielfältig an den Tag gelegt habe. Und weiter phantasierte Bahrdt in seinem Brief an Woellner: 1789 habe er sich bei der Neujahrsmesse in Leipzig neue Hoffnungen machen können. Gleich am Tag seiner Ankunft erhielt er durch ein Billet die Aufforderung, sich um Mitternacht an der Ecke der Goldenen Gans einzufinden. Wie zu Ostern wurde Bahrdt in das Versammlungszimmer gelotst. Was er dort hörte, ließ ihn noch Monate später erschaudern. Bahrdts Prüfungszeit sei beendet, und in der nächsten Ostermesse werde er zur Union gehören. Dazu solle er nun vorbereitet werden. „Das schreklichste“ am Bluteid war für Bahrdt, daß er allen seinen Pflichten gegen den Staat entsagen und daß er bloß „Cosmopolit“118 sein und sich verpflichten sollte, jeden, der die Oberen verriet, bis auf den Tod zu verfolgen. Hier habe ihn ein Schauer durchfahren, „weil meine Grundsäze vom Eide äuserst streng und religiös sind“119. Doch habe er sich nichts anmerken lassen. Dann wurde Bahrdt sein künftiger Posten angewiesen. Er sollte das bisherige Werbegeschäft abgeben, eine Reise nach England vortäuschen, auf einem adligen Gut in einer schönen Gegend unter einem fremden Namen schriftstellernd leben und dort neben einer vollkommenen Finanzierung seiner Lebensverhältnisse jährlich 400 Reichstaler für seine Familie erhalten. „Hierauf kan [sic] das schreklichste.“120 Der Zweck der Union und das Wohl der Menschheit, zu dessen Beförderung sie sich verbunden hätte, leide – habe ein Oberer gesagt – „fürchterlichen Widerstand“121, seitdem der Rosenkreuzerorden am Berliner Hof die Macht gewonnen habe. Diese Macht müsse auf zwei Wegen gebrochen werden. Zum einen müsse Woellner mit seinem ganzen Anhang gestürzt werden. „Es geht auf Leben und Tod. Die Union muß siegen oder sterben“122. Zum andern müsse das Rosenkreuzersystem öffentlich angegriffen werden. Dazu seien mehrere Schriften notwendig. 116

Ebd. AaO Bl. 9v. 118 Ebd. 119 AaO Bl. 9v–10r. 120 AaO Bl. 10r. 121 Ebd. 122 Ebd. 117

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Zwei skizzenartige Schriften lagen schon auf einem Tisch bereit und müßten von Bahrdt bearbeitet werden. Die zweite Schrift zeige, wie die Verbindung des Königs mit dem neuen Etatsminister entstanden sei und wie dieser „des Monarchen Herz gefesselt“123 habe. Bahrdt habe Zeit bis zum kommenden Osterfest. Wenn er dann zu Ostern den Bluteid ablegen werde, werde ihn der Orden segnen. Außerdem werde er dann die 26 Männer unmaskiert sehen. Bahrdt resümierte in seinem Brief an Woellner: „Ich kann wohl sagen, daß ich mich nie in einen solchen verwirrten Seelenzustande befunden habe, als diese ganze Nacht.“124 Sein kämpfendes Gewissen raubte ihm jeden Schlaf. Zunächst beschloß er, sich zurückzuziehen und Ostern nicht zu erscheinen. Ob er schweigen oder diese Leute seiner Untertanenpflicht aufopfern sollte, wußte er sich nicht zu beantworten. Gegen eine Anzeige sprach zum einen die Notwendigkeit, den Bluteid leisten zu müssen, bevor er imstande wäre, Beweise zu erbringen; zum andern hinderte ihn daran seine Furcht vor der zu erwartenden Lebensgefahr. Bahrdt brach hier gegenüber Woellner in der langen brieflichen Schilderung der angeblichen vergangenen Geschehnisse ab und ging zu Vorschlägen über, die geplanten Anschläge zu verhindern. Der leichteste und kürzeste Weg wäre es, Pott zu verhaften; dieser sei gewiß in die Verschwörung eingebunden, und außerdem müßten sich bei ihm „völlig beweisende“125 Papiere befinden. Jedoch stehe zu befürchten, daß Pott die kompromittierenden Papiere bereits fortgeschafft habe. Verliefe eine Festnahme Potts ergebnislos, seien die anderen Unionsmitglieder gewarnt und also alle weiteren Untersuchungsversuche vereitelt. Am sichersten wäre es, wenn ihm erlaubt würde, sich dem Orden wieder ganz anzuschließen und den Bluteid abzulegen. Dann könnte er alle Papiere, Namen und Anschläge zusammentragen. In diesem Falle freilich müßte er darum bitten, sein weiteres Leben zusammen mit seinen Kindern an einem Ort verbringen zu dürfen, an dem er ausreichende Sicherheit vor allen Nachstellungen gegen sein Leben finden könnte. Denn obwohl er „von ganzer Seele“126 bereit sei, für Woellner „alles in der Welt aufzuopfern“127, wäre doch die beständige Furcht vor Lebensgefahr ein qualvoller Zustand. Bahrdt bat Woellner flehentlich, die gegen ihn gerichteten Planungen nicht zu unterschätzen. Er habe das Härteste nicht gesagt, weil er sich gescheut habe, „gewisse Ausdrüke“128 zu wiederholen. „Aber viel Böses ist auf dem Wege.“ 123

AaO Bl. 10v. Ebd. 125 AaO Bl. 11r. 126 AaO Bl. 11v. 127 Ebd. 128 Ebd. 124

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Wenn Woellner sich tatsächlich als sein Erretter zeigen werde, könne und wolle er, Bahrdt – „so unbedeutend ich scheine“ –, Woellner „ein sehr nüzlicher Mensch“ sein, so daß es den Staatsminister „ewig“129 nicht gereuen werde, Bahrdts graues Haupt vor dem Schafott gerettet und seine drei Kinder mit ihrer kranken Mutter dem Elend entrissen zu haben. Gott „erfülle Ihre vortrefliche Seele mit dem vesten Entschluß, die menschenfreundliche Regierung Friedrich Willhelms [sic] des Gütigen, nicht mit dem Blute eines alten Gelehrten der Nation in den Jahrbüchern der Menschheit bezeichnen zu lassen“130. Bahrdt erbat von Woellner mit der kommenden Post nur eine einzige Zeile, um ihn aus seiner Trostlosigkeit und Schwermut zu reißen. Täglich liege er von zwei Uhr nachmittags bis tief in die Nacht mit sehr heftigen und nahezu unaufhörlichen Körperschmerzen darnieder, die von den immer mehr überhandnehmenden Verstopfungen verursacht seien. Mit allen seinen Ergebenheitsadressen an Woellner suchte Bahrdt sich aus seiner höchst bedrängten Lage zu retten. Daher täuschte er fortwährend einen angeblich umfassenden Sinneswandel vor. 7. Der Fortgang der Untersuchung Inzwischen trieb Carmer die Untersuchungssache voran. Unter dem 21. Mai 1789 erging ein von ihm unterschriebenes Reskript an die Kommission, der die Akten zurückgeschickt wurden131. Michaelis sollte seine Aussage beeiden, und Bahrdt sollte Potts Aussage vorgehalten und ihm nahegelegt werden, den Verfasser des Kommentars zu nennen und sich auf diese Weise selbst von dem Verdacht zu reinigen. Wenn dies alles geschehen sein werde, könnten die Akten geschlossen und zur Anfertigung der Verteidigung vorgelegt werden. Nachdem die Verteidigungsschrift abgefaßt worden sein werde, müsse die Kommission die Akten dann an Carmer senden, damit sie beim Kammergericht zum Erkenntnis, also zum Urteil, vorgelegt werden könnten. Nach beendeter Untersuchung dürfe Bahrdt der Gebrauch der Schreibmaterialien zur Fortsetzung seiner literarischen Arbeiten wieder gestattet werden132. Am 7. Juni 1789 wandte sich Bahrdt wiederum an Woellner und setzte seine Einschmeichelungen fort133. Woellners Schreiben vom 31. Mai hatte erst am 6. 129

Ebd. AaO Bl. 11v–12r. 131 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. X, Nr. 141, Bl. 38r–38v [Konzept]. 132 AaO Bl. 38r [Konzept]. 133 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 21, Bl. 17r–21r. Am 24. Mai 1789 hatte sich aus Halle Bahrdts Ehefrau Johanne Elise, geb. Volland (mit dieser vollen Namensangabe unterschrieb Bahrdts Ehefrau in einem Brief vom 30. Mai 1789; aaO Bl. 14r–15r), an den König gewandt, um dessen Erbarmen für die Familie zu erbitten. AaO Bl. 13r. Dieser Brief wurde dann Woellner übermittelt. Nachdem die Familie zuvor acht Jahre lang „durch unverschuldete 130

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Juni Nettler erreicht, so daß auch Bahrdt erst an diesem Tag davon erfuhr. Damit endeten für ihn vier „schrekliche Tage, die meine armselige Hütte wieder um ein gut Theil ihrer Zerstöhrung näher gebracht haben“134. Er hatte kaum geschlafen und gegessen, weil das Ausbleiben des von ihm erflehten Briefes ihm sein endgültiges Unglück zu bedeuten schien. Noch täglich wuchsen „Reue und Scham“, je mehr ihm bewußt wurde, wie er Woellner völlig verkannt habe und in welche Gefahr ihn selbst sein „Irthum“135 gestürzt habe, sich „auf das schändlichste gegen Sie brauchen zu lassen“136. Er bat Woellner inständig, keinerlei Mißtrauen, von dem er einige Spuren am Ende von Woellners Brief zu finden geglaubt hatte, gegen ihn zu hegen137. Was für ein „Scheusal“138 müßte er sein, rief Bahrdt schreibend aus, wenn er vor dem Staatsminister „einen Roman gedichtet“139 hätte. Jedoch genau dies hatte Bahrdt mit seiner langen Erzählung in seinem undatierten langen Brief an Woellner getan. Er hatte „einen Roman ersonnen“140! Bahrdt klagte über seine zunehmend verfallende Gesundheit141. Wenn Woellner auf seinen Vorschlag einginge und er, Bahrdt, sich wieder unter seine früheren Zirkel mischen würde, könnte er spätestens nach der Michaelis-

Verfolgung“ von Land zu Land fortgejagt worden war, hatte sie 1779 – ihres Vermögens beraubt – gehofft, in Halle ihre „Ruhe Stäte“ zu finden. Die Ruhe hatte sich eingestellt und fortgedauert, bis Bahrdt verhaftet worden war und im Gefängnis „als der größte Verbrecher“ behandelt wurde. Bücher, Feder und Papier, sogar ein Besuch seiner Ehefrau wurden ihm verwehrt. Der miserable Zustand des Gefängnisses lasse bei Bahrdts schwächlichem Körper den nahen Tod befürchten. Ohne ihren Mann werde sie in die größte Armut stürzen. Eine knappe Woche später, am 30. Mai, schrieb Bahrdts Ehefrau „auf den [sic] Weinberg unweit Halle“ unmittelbar an Woellner. AaO Bl. 14r–15r. Das einzige, das sie und ihre Kinder im gegenwärtigen Unglück aufgerichtet habe, sei eine Nachricht gewesen, die sie in Halle und in Magdeburg von der Fürsprache Woellners für ihren Mann vernommen habe. 134 AaO Bl. 17r. 135 Ebd. 136 Er erblicke nun „meine Verirrung in einem so fürchterlichen Lichte, daß ich selbst mein Gefängniß und meine Cörperschmerzen nebst der noch empfindlichern Zerrüttung meines Hauswesens nicht als Strafe, (denn ich habe ja nicht mit Vorsaz gesündiget) sondern als Wolthaten Gottes erkenne, der mich dadurch auf bessere Wege führen und mich von meinen Verirrungen zu meinem und meiner Kinder Besten heilen wollte“. Ebd. 137 AaO Bl. 17r und 18r. 138 AaO Bl. 17v. 139 Ebd. 140 AaO Bl. 42r. Das berichtete Pott in einem am 4. Juni 1790 verfaßten Brief an Woellner. AaO Bl. 39r–44r. Nachdem Woellner Bahrdt mitgeteilt hatte, daß er vielleicht „den Kopf verliehren würde“ (aaO Bl. 41v), weil er Hochverrat begangen und den König beleidigt habe, hatte Bahrdt an Pott geschrieben. „Nun, lieber Pott, helfen Sie mir, Sie sind fast noch der einzige Freund, auf den ich festes Vertrauen habe.“ Um sich selbst zu retten, habe er Pott – „doch so, daß es Ihnen nicht schaden kann“ – wegen der „Deutsche[n] Union“ verdächtig gemacht. AaO Bl. 42r. 141 AaO Bl. 18r.

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messe Beweise liefern, da er dann jene Lästerschriften und den von allen unterschriebenen Bluteid in seinen Händen hätte. Noch ein „grosses Anliegen“142 brachte Bahrdt vor. „Mein Unglük ist zu groß.“143 Er könne es Woellner, den Gott als Erretter und Vater gesandt habe, nicht verschweigen. Detailliert schilderte er Woellner seine Lage, damit Gott dessen Herz zum Mitleid bewegen möge. Nachdem er vor zehn Jahren durch einen Reichshofratsbeschluß aus dem Reich verbannt worden und nach Halle geflüchtet war, hatte das gesamte Eigentum seiner fünfköpfigen Familie und seiner Magd in einem Koffer Platz gefunden, der weniger als einen Zentner wog144. „Nun muste ich also meinen Kopf anstrengen.“145 Die Haushaltung in Halle kostete jährlich 800 Reichstaler, wobei eine „melancholische Frau“146, die nicht zu wirtschaften verstand, zu berücksichtigen sei. Da er für manche Bögen nur vier oder fünf Taler, selten acht und nur einmal zehn Reichstaler bekommen hatte, könne Woellner sich vorstellen, welche immense Arbeitslast er über Jahre hinweg geschultert habe. Die Mühsal kostete ihn nach vier Jahren seine Gesundheit. Ende 1786 erklärten ihm seine Ärzte, daß er noch höchstens zwei Jahre leben könnte, wenn er nicht aufhörte, sein Nervensystem durch fortwährende Kopfarbeiten zu zerstören. Auszehrung oder Wassersucht würden zu seinem Tod führen. Daher beschloß er, sich eine neue Nahrungsquelle zu beschaffen, und kaufte den Weinberg147, wo er zwei Flügel an das Gartenhaus baute: den einen als Privatwohnung, den anderen für Gäste. Dieser Ort sei ein wahres „Elysium“148. Hier gedachte er vormittags zu studieren und nachmittags kostenlose Gesellschaft zu seiner Erholung zu finden. 3.400 Reichstaler hatte er an Schulden für den Weinberg auf sich genommen. Bahrdt hatte geplant, sich für die Dauer eines ganzen Jahres seiner Gesundheit zu widmen und dann etwa ein Jahr lang rasch zu arbeiten, um das kleine Gut schuldenfrei zu machen und für seinen Lebensabend Ruhe finden und seine Kinder ernähren zu können. Seine körperlichen Kräfte stellten sich tatsächlich wieder ein, und seine Wirtschaft, die ein „Oberbedienter“149 leitete, florierte, so daß er im Herbst 1788 wieder zu arbeiten begann. Bei der Ostermesse 1789 nahm Bahrdt 800 Reichstaler an barem Geld von Buchhändlern und zudem 800 Reichstaler Vorschuß für Arbeiten ein, die er im Sommer liefern wollte. Aber es kam anders. „Mein Unglük – nein, ich 142

AaO Bl. 18v. Ebd. 144 AaO Bl. 19r. 145 Ebd. 146 Ebd. 147 Ebd. 148 AaO Bl. 19v. 149 Ebd. 143

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verehre die Fügung Gottes – Gott wollte es, daß alle meine Anschläge vereitelt wurden.“150 Wegen seiner Gefängnishaft konnte er seine Arbeiten nicht vollenden. Zudem ging die Wirtschaft zugrunde. „Ein panischer Schreken überfiel die ganze Stadt.“151 Wegen der auf Bahrdt gefallenen königlichen Ungnade wagte es niemand mehr, den Weinberg zu besuchen. Seine Kinder mußten das wenige Silber nebst den besten Stücken aus dem Wäschevorrat zu Geld machen152, um das Gesinde und die Tagelöhner zu bezahlen153. Wenn der Arrest beendet sei und er auf den Weinberg zurückkehren werde, werde der Schuldner den Konkurs eröffnen und ihn an den Bettelstab bringen. Bahrdt erflehte daher Woellners Hilfe und unterbreitete ihm einen rettenden Gedanken, der ihm in tränenvollen Nächten gekommen sei. Er hatte den Plan einer Schrift entworfen, bei der er zweierlei voraussetzte: erstens, daß sie nicht unter seinem Namen erscheinen würde, da ein Teil des Publikums sie für Heuchelei halten würde, und zweitens, daß die Schrift überall in Preußen Verbreitung finden würde154. Inzwischen ging die Untersuchung ihrem Abschluß entgegen. Am 9. Juni 1789 schrieben Zepernick und Nettler an den König und sandten alle Akten nach Berlin, nachdem der Justizkommissar Peter Friedrich Nehmiz die Verteidigungsschrift vorgelegt hatte155. Unter dem 19. Juni stellte Carmer dem Kammergericht dann die Akten zu, damit es ein rechtliches Erkenntnis abfassen konnte156. Am 20. Juni ersuchte Bahrdt wiederum Woellner um Hilfe157. Inzwischen waren – wie er bei der Datierung vermerkte – elf Wochen seit seiner Inhaftierung verstrichen. Das letzte Schreiben Woellners liege „täglich und stündlich“158 vor ihm und sei ihm ein Fels in allen Stürmen. Und doch könne ihn in der Tiefe seines Elends nichts beruhigen. „Ich nehme alle meine Philosophie zu Hülfe, allen meinen Glauben an Vorsehung, alle meine Ueberzeugungen von der Lauterkeit und Heiligkeit Ihrer gnädigen Versicherungen: aber wenn auch davon ein Lichtstrahl von Hofnung mich erquikt, so löscht ihn doch ein 150

Ebd. Ebd. 152 Ebd. 153 AaO Bl. 20r. 154 AaO Bl. 20v. 155 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. X, Nr. 141, Bl. 41r–41v. In der Zwischenzeit hatten sie Bahrdt den Gebrauch der Schreibmaterialien wieder erlaubt und ihm überdies auf seine Bitte hin eine geräumigere Stube geben lassen, die sie ihm zuvor nicht gewährt hatten, da deren Fenster auf den viel frequentierten Ratshof hinausgingen, so daß Bahrdt sich mit Personen außerhalb des Arrests in Verbindung hätte setzen können. AaO Bl. 41v. 156 AaO Bl. 40r [Konzept]. 157 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 21, Bl. 22r–22v. 158 AaO Bl. 22r. 151

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einziger Blik auf meine Lage wieder aus.“159 Er klagte über seine notleidenden Kinder, die zerstörte Haushaltung160 und seinen verwüsteten Körper161. Seit drei Posttagen hatte er keinen Brief von Woellner erhalten. Der Etatsminister möge ihm verzeihen, wenn er sich wie ein Schiffbrüchiger zu fest an ihn klammere. Aber der Tag seines Urteils nähere sich, und Woellner möge ihm zuvor noch eine hoffnungsvolle Zeile zukommen lassen. Sechs Wochen später, am 4. August 1789, schrieb Bahrdt den nächsten Brief an Woellner162. „Ewig, ewig wird mein Herz in Treue und Erkenntlichkeit nur für Sie schlagen, wenn ich die Vaterhand erblikt haben werde, die Sie mir und meinen armen Kindern zu reichen versprachen.“163 In einem Postskriptum fügte Bahrdt hinzu: „So eben gießt der gute Semler einige Tropfen Balsam in meine Wunde! Gott erbarme sich, daß die längere Zögerung des Endes meinen Cörper und Geist nicht ganz zerstöre. Ich bin an den Gränzen der Unheilbarkeit.“164 8. Woellners Eintreten für Bahrdt Woellner ließ sich schließlich von Bahrdt einnehmen. Am 5. August 1789165 schrieb er an den König über Bahrdt, der „wegen seiner muthwilligen Schreibereien zu Halle noch im Arrest sitzet, und deßen Acten anjezt bei dem CammerGericht zum Spruch vorliegen, wo er vielleicht eine sehr schlimme Sentenz erhalten wird“. Bahrdt habe an Woellner „einen sehr wehmüthigen Brief “ geschrieben, in dem er „nicht nur viel Reue über sein Vergehen bezeuget, sondern sagt daß ihn seine jetzige Situation auf solche Gedancken und Betrachtungen gebracht hätte, auf die er sonsten wohl schwerlich gekommen sein würde“. Er sehe ein, daß „die Feinde der christl[ichen] Religion abscheuliche Menschen wären“, und verspreche, daß er – wenn Woellner beim König um eine Niederschlagung des Prozesses bäte – bereit sei, „ein Buch gegen die Aufklärer zu schreiben, darinn er ihre Schande aufdecken und der ganzen Welt zeigen würde, durch welche Bubenstücke eine geheime Gesellschafft unter ihnen, ihre Räncke gegen das Christenthum auszuführen suchte, und wie er das Unglück gehabt von ihnen verführet zu werden“166. Da Woellner Bahrdts Reue für aufrichtig hielt und ein derartiges Buch Bahrdts als wesentlich nutzenstiftender „für die gute Sache“ erachtete als eine 159

Ebd. Ebd. 161 AaO Bl. 22v. 162 AaO Bl. 26r–26v. 163 AaO Bl. 26v. 164 Ebd. 165 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 28r. 166 Ebd. 160

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harte Bestrafung, ersuchte er Friedrich Wilhelm II. um Pardon für Bahrdt und entwarf eine Kabinettsordre an Carmer, in der dem Großkanzler befohlen wurde, Bahrdt aus dem Arrest zu entlassen und den fiskalischen Prozeß gegen ihn niederzulegen, da dieser „seinen Muthwillen gegen das Religions-Edict und bisherige Spöttereien über die christl[iche] Religion aufrichtig bereuet und Beßerung verspricht“167. Aber Woellners Eintreten für Bahrdt blieb wirkungslos168. Am 15. August schrieb ihm Bahrdt nochmals169. Woellner möge nach der nun seit zwanzig Wochen andauernden Qual einen Brief folgen lassen, der seine Leiden beende. Seine „Sünde“170 sei durch „Verführung“ begangen worden. Nicht nur wegen seiner immensen Leiden erbitte er Rettung, sondern auch „aus marternder Sehnsucht“171, mit der172 er dem Augenblick entgegensehe, in dem er zeigen könne, wie sein hartes Schicksal ihn völlig verändert habe „und wie völlig Sie das verirrte Herz eines brauchbaren Mannes zurükgeführt“173 hätten. Kurz legte Bahrdt Woellner seinen Plan vor. Er müßte einige Wochen in Berlin zur Erneuerung alter Verbindungen verbringen. Dazu wäre dreierlei nötig: Er müßte einen geeigneten Vorwand für die Reise haben, er müßte für den Aufenthalt in Berlin entsprechende finanzielle Mittel erhalten, und er müßte es jenen Personen möglich machen, sich ihm auf eine unverdächtige Art zu nähern174. Um diesen Plan zu verwirklichen, müßte er noch im August aus der Haft entlassen werden175. 167

Ebd. Am 8. August 1789 erstattete Zepernick dem König Bericht (GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. X, Nr. 141, Bl. 43r–43v), nachdem Bahrdt bei der Kommission wiederholt geklagt hatte, daß der Arrest zerstörerische Folgen für seinen sonst viel Bewegung gewohnten Körper habe und ihm sehr hartnäckige und schmerzhafte Leibesobstruktionen verursacht habe, von denen er nicht bloß durch die ihm zwar nie verweigerte Hilfe eines Arztes und durch innerliche Mittel befreit werden könne und deretwegen er äußerliche Hilfe benötige. Bei jedem Krampfanfall einen Chirurgus zu sich rufen zu lassen, war für Bahrdt zu kostspielig, so daß er um die Erlaubnis bat, daß einer seiner männlichen Domestiken, wenn er Hilfe nötig hatte, für einige Stunden in sein Gewahrsam eingeschlossen werden dürfte, um zur Linderung der Schmerzen Umschläge oder andere dienliche Mittel anzuwenden. Zepernick und Nettler hatten dieser Bitte schließlich stattgegeben. AaO Bl. 43v. 169 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 21, Bl. 27r–28v. 170 AaO Bl. 27r. 171 Ebd. 172 Ebd. 173 AaO Bl. 27v. 174 Ebd. 175 AaO Bl. 28r. Abschließend ersuchte Bahrdt Woellner, für seinen künftigen Lebensunterhalt Sorge zu tragen. Da er wegen seiner Krankheiten nicht mehr zum Schriftsteller tauge, bat er – weil er in der Forstwissenschaft vielbelesen sei – um die Stelle des 88jährigen Försters, der einen Büchsenschuß von seinem Weinberg entfernt auf dem Wege zum Grabe sei. Wenn er dessen Dienst erhielte, etwa mit dem Titel eines Forstrats, würde er sich – abgesehen von der 168

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Gut zwei Wochen später, am 30. August 1789, schrieb Bahrdt, der inzwischen mit heftigem Nervenfieber völlig darniederlag, ein weiteres Mal an Woellner176. Er schreibe nun den „vor meinem Tode oder vor meiner Erlösung“177 letzten Brief. Gott möge Woellners Herz bewegen und den König veranlassen, Bahrdt aus dem Kerker zu befreien, damit er seine Reue über seine „Fehltritte“178 bezeugen könne. 9. Das Ende der Untersuchung Anfang September schließlich war die juristische Untersuchung gegen Bahrdt beendet. Am 3. September 1789 übersandte der Instruktionssenat des Kammergerichts dem König die Akten in der Untersuchungssache gegen Bahrdt sowie das gegen ihn abgefaßte Urteil179. Auch das Urteil gegen Michaelis fügten sie bei. Bahrdt wurde von der Anklage wegen der Stiftung einer geheimen Gesellschaft freigesprochen180. Jedoch wegen des Lustspiels mußte er sich verantworten. Unter dem 8. September unterbreitete der verzweifelte Bahrdt Woellner seine Angst, sich in ihm getäuscht zu haben181. „Die schwärzesten Vorstellungen des Unglaubens foltern meine Seele.“182 Seit 24 Wochen lag er nun krank im Kerker183. Jedoch Bahrdt hatte sich keineswegs in Woellner getäuscht, der am 11. September, als er dem König ankündigte, daß noch an demselben oder am folgenden Tag die Sentenz über Bahrdt eingehen werde, für dessen Straffreiheit plädierte184. Die Strafe war auf zwei Jahre Festungshaft festgelegt. Wenn Friedrich Wilhelm II. sich aber entschließen könnte, Bahrdt „zu pardonniren; so bin ich überzeugt daß für dismahl die gute Sache mehr dadurch gewinnet, als wenn diese Strafe wircklich vollzogen würde. Denn er bezeugt bittere Reue, und verspricht nunmehro die von ihm bisher verspottete Religion mit größtem Eifer zu vertheidigen, und wie ein bekehrter Paulus zu handeln. Ich glaube „militirenden“ Schriftstellerei für Woellner – ausschließlich in der Forstwissenschaft „nuzbar“ machen. Bahrdt sehnte sich nach einem zustimmenden Wort über die geplante Schrift, die alle bisherigen Kritiken über das Religionsedikt abfertigen würde. Er brenne vor Begierde, Woellner einen „neuen Menschen“ in sich zu zeigen. AaO Bl. 28v. 176 AaO Bl. 29r–29v. 177 AaO Bl. 29r. 178 AaO Bl. 29v. 179 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. X, Nr. 141, Bl. 57r–57v. 180 Das Kammergericht argumentierte, daß die Union eine Art freimaurerische – und also geduldete – Verbindung darstelle. Mühlpfordt, Europarepublik, 319–364, hier 329 f. 181 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 21, Bl. 30r–30v. 182 AaO Bl. 30r. 183 AaO Bl. 30v. Dreimal erwähnte Bahrdt in dem Brief seine leidenden Kinder. 184 AaO Bl. 31r.

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daß er es ernstlich meinet, und da er ein Mann von vieler Gelehrsamkeit und wircklich großem Verstande ist; so würde seine Sinnes-Aenderung bei denen Aufklärern einen starcken Eindruck machen.“185 Am 12. September meldete Carmer dem Monarchen offiziell, daß das Kammergericht gegen Bahrdt eine zweijährige Festungsstrafe verhängt habe186. Anbei übersandte der Großkanzler dem König die entsprechende Rezeptionsordre an das Gouvernement zu Magdeburg, in welcher der dortigen Regierung befohlen wurde, Bahrdt, der „wegen herausgegebener strafbarer Schriften“187 verurteilt worden war, in der Magdeburger Festung anzunehmen und ihn nach zwei Jahren wieder zu entlassen. Bis zuletzt kämpfte Bahrdt um die Gewährung von Hilfe. Am 19. September versprach er Woellner, daß er „weit mehr noch“ für „die gute Sache“ tun wolle, als er bereits versprochen hatte188. Dazu müßte er freilich außer seiner Befreiung noch „einiges Zutrauens und Unterstüzung“ von Woellner gewürdigt werden. Woellner werde einen „ganz veränderten und Ihnen unverbrüchlich treuen Mann“189 erkennen. Drei Tage später ergriff auch Johann Salomo Semler für Bahrdt Partei190 und versicherte Woellner, daß jener imstande sein werde, auf die „Verdrehungen des königl. Edicts gut zu antworten“191. Vielleicht werde er, Semler, Bahrdt sogar überreden können192, sich selbst öffentlich zu nennen; „denn es ist doch eine anderweitige Heucheley“193. Nochmals wünschte er sich, dazu beitragen zu können, daß der König Bahrdt pardonnierte. „Ich würde gewis im Stande seyn, ihn einzuschränken.“194 Vielleicht, schlug Semler hoffend vor, sei der Geburtstag des Königs „eine Zeit des pardons“195. Den ohne Anrede verfaßten Brief Bahrdts an Woellner hatte Semler – wie er unten auf dem Papier vermerkte – am 22. September nachmittags erhalten196. Bahrdt betonte darin einleitend, daß er alle Posttage auf seine „Erlösung“ gehofft habe, um Woellner seine „innigste Dankbarkeit für die wiederholten Merkmahle Ihrer menschenfreundlichen Theilnehmung an meinen [sic] unglüklichen Schiksale“197 bezeugen zu können. Aber noch immer war sein „siecher“ Körper, den nun 185

Ebd. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 29r. 187 AaO Bl. 30r. 188 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 21, Bl. 32r. 189 Ebd. 190 AaO Bl. 33r–34r. 191 AaO Bl. 33r. 192 Ebd. 193 AaO Bl. 33v. 194 AaO Bl. 34r. 195 Ebd. 196 AaO Bl. 35r. 197 Ebd. 186

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J. Die Zensur

ein „schleichendes Fieber“ vollends zerstörte, im Kerker gefangen, und noch immer jammerten seine Kinder, die bald nicht mehr wissen würden, wie sie sich selbst und ihren Vater erhalten sollten, nachdem sie nun schon angefangen hatten, ihre „besten Sachen“198 zu versetzen. 10. Das Urteil und die Festungshaft Friedrich Wilhelm II. erbarmte sich schließlich und erließ unter dem 9. Oktober 1789 eine Kabinettsordre an den Großkanzler Carmer199. Er wollte Bahrdt von den zwei Jahren Festungshaft ein Jahr erlassen und den bereits erlittenen Arrest von der noch abzuleistenden Haft abziehen. Zwei Tage später überreichte Carmer dem König die auf ein Jahr Festungsarrest geänderte Rezeptionsordre an das Gouvernement zu Magdeburg200, in der es angewiesen wurde, Bahrdt auf der Festung anzunehmen und nach einem Jahr wieder zu entlassen201. Die Untersuchungskommission wurde in einem Reskript davon unterrichtet, daß die Kriminal-Deputation des Kammergerichts gegen Bahrdt eine zweijährige Festungsstrafe und gegen Michaelis eine vierwöchentliche Gefängnisstrafe von fünfzig Reichstalern verhängt202 und daß der König dann Bahrdts Strafe auf ein Jahr gemildert hatte203. Die Kommission sollte den beiden nun die gegen sie abgefaßten Erkenntnisse publizieren und Bahrdt die Milderung seiner Strafe bekanntmachen. Nochmals erhob Woellner seine Stimme für den Verurteilten und bat den König am 20. Oktober, Bahrdt die Festungsstrafe gänzlich zu erlassen, da der bisherige Arrest dessen Gesundheit bereits völlig zerrüttet und ihm ein „schleichend“204 Fieber zugezogen habe. Wenn Bahrdt im Gefängnis stürbe, würde er für einen „Märterer“205 ausgegeben werden. Sodann würde sich Geschrei über „Verfolgungs-Geist“ erheben, „und die gute Sache verliehret offenbahr“. Sein „Muthwille“ sei in der Tat schon „derbe gezüchtiget, und seine nunmehrige Begnadigung wird an ihn und andere für das Ganze mehr fruchten, als wenn er noch so hart bestrafet würde“. Der König jedoch notierte unmißverständlich: „Es ist zu spät u mus bei der Sententz bleiben“206. 198

Ebd. GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. X, Nr. 141, Bl. 53r. 200 AaO Bl. 56r. 201 AaO Bl. 54r [Konzept]. 202 Später wurde Michaelis die Geldstrafe auf fünfzehn Reichstaler gemildert. Das ergibt sich aus Zepernicks und Nettlers vom 27. März 1790 datierenden Finalbericht über die gegen Bahrdt und Michaelis geführte Untersuchung. AaO Bl. 62r. 203 AaO Bl. 54r [Konzept]. 204 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 21, Bl. 36r. 205 Ebd. 206 Ebd. 199

II. Carl Friedrich Bahrdt

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Bahrdt, der von Woellners Fürsprache nichts wußte, schrieb am 3. November an den vermeintlich Wortbrüchigen207. Von einer seit vierzehn Tagen eingetretenen weißen Ruhr entkräftet werde er in Kürze um ein Uhr nachts seine Reise nach Magdeburg antreten. Wie ihm bei seinem Gesundheitszustand und bei dem „fast noch traurigern“ Zustand seiner Familie zumute sei, werde jedes Herz empfinden, „in dem noch Menschlichkeit ist. Daß Sie, Gnädiger Herr, mich so ganz hinopfern lassen, schmerzt mich um so mehr, weil ich, vor Gottes Angesicht sag ichs, von so redlicher Begierde erfüllt war, alle meine Fehltritte gut zu machen und durch unverkenbare Proben von Ergebenheit und Treue mir Ihre völligste Gnade zu erwerben.“208 Woellner zerbreche „ein gewiß nüzliches und Ihnen brauchbares Werkzeug“209. „Gott! wie schön hatte ich meinen Plan entworfen, der Ihnen den dankbarsten und ewig gewidmeten Mann erproben sollte!“210 Noch freilich hoffte Bahrdt, daß Woellner sein Herz erweichen lassen werde211. Zwei Tage später jedoch wurde Bahrdt von dem Justizamt zu Halle auf der Magdeburger Zitadelle für ein Jahr Festungsarrest abgeliefert212. Während der Festungshaft schrieb Bahrdt dann seine stattliche Autobiographie, die insgesamt vier Bände umfaßte213.

207 AaO Bl. 37r–37v. Bahrdt hatte bei der Datumsangabe zunächst irrtümlich mit „O“ für „Oktober“ begonnen. AaO Bl. 37v. 208 AaO Bl. 37r. 209 Ebd. 210 AaO Bl. 37r–37v. 211 AaO Bl. 37v. 212 Dies attestierte am 5. November 1789 der Platzmajor in Magdeburg. GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. X, Nr. 141, Bl. 63r. 213 Am 19. März 1790 schrieb an den König der Buchhändler Friedrich Vieweg sen. aus Berlin, dem Bahrdt übertragen hatte, die Geschichte seiner Gefangenschaft zu verlegen. Vieweg ließ sie nun mit Genehmigung der Zensur drucken, doch es fehlte ihm noch der „Geheimste Plan der Deutschen Union“. Daher bat er den König, ihm eine Abschrift dieses Plans, der sich bei den Untersuchungsakten befand, schnellstmöglich noch vor Beginn der Leipziger Ostermesse zufertigen zu lassen, weil der Druck des Buches ansonsten vollendet sei und der Buchdrucker warte. AaO Bl. 59r. An demselben Tag wandte sich auch Bahrdt in dieser Sache an den König. AaO Bl. 60r–60v. Er hatte schon längst gewünscht, die „so widrigen und falschen Gerüchte“ über ihn, die noch in der Öffentlichkeit kursierten, zu unterdrücken, durch eine Darstellung seiner Gefängnisgeschichte zu berichtigen und zugleich sich selbst durch ein Verlagshonorar einige Erleichterung seines Armutszustandes zu verschaffen. Daher hatte er diese Geschichte nun Vieweg übergeben. AaO Bl. 60r. Einen Tag später, unter dem 20. März, erging an Zepernick und Nettler ein von Carmer unterschriebenes Reskript. AaO Bl. 61r [Konzept]. Unter demselben Datum wurde auch Bahrdt entsprechend beschieden. Ebd. [Konzept]. Alle Untersuchungsakten müßten noch bei der Kommission sein, der überlassen wurde, Bahrdt eine Abschrift gegen die Gebühren zu geben. Unter dem 6. April erging an Bahrdt ein von Carmer unterschriebenes Reskript, daß die Untersuchungskommission unter dem 27. März den „Geheimsten Plan“, so wie sie ihn unter Bahrdts Papieren gefunden habe, nach Berlin geschickt habe und daß der Plan nun an Bahrdt zurückgehe. AaO Bl. 64r [Konzept].

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J. Die Zensur

Mitte Mai 1790 beschloß der König, Bahrdt „in Rücksicht des Hülflosen Zustandes seiner Frau und Kinder“214 am 1. Juli aus der Magdeburger Festung zu entlassen. Am 19. Mai, kurz nachdem Bahrdt sein autobiographisches Werk abgeschlossen hatte, erging dann an den Generalleutnant Ludwig Karl v. Kalckstein zu Magdeburg eine entsprechende Kabinettsordre215. 11. Nach der Freilassung Die fünfzehn Monate in Magdeburg hatten Bahrdts hitziges politisches Temperament keineswegs gekühlt. Vielmehr erstrebte Bahrdt – beeinflußt von den gegenwärtig tobenden radikalen Umbrüchen in Frankreich – neben dem Sturz der Monarchie nun auch noch die Einführung demokratischer Verhältnisse. In den Jahren 1790 bis 1792 verfaßte er etliche radikalaufklärerische politische Schriften. Die letzten fünf Jahre lebte Bahrdt mit seiner Magd Christine Klar216. Sein ihn seit der Haft quälendes Darmleiden suchte er durch die Einnahme von Quecksilber zu kurieren. Diese Kur endete letal217.

III. Jacob Friederich Roennberg und Pierre Villaume 1. Die Zensur von Villaumes „Prüfung der Rönnbergischen Schrift über Symbolische Bücher“ 1789 veröffentlichte der Hofrat und Professor in Rostock Jacob Friederich Roennberg eine Schrift über Symbolische Bücher, die bereits Anfang 1790 in zweiter Auflage erschien218. Die Symbolischen Bücher seien, schrieb Roennberg, zur Erhaltung der Ordnung in Kirche und Staat notwendig. Dem Landesherrn obliege die Pflicht, die Symbolischen Bücher zu schützen, deren Unveränderlichkeit durch Reichsgesetze gegeben sei219. 214

GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 21, Bl. 38r. Ebd. [Konzept]. 216 Ziel, Bahrdt, 412–455, hier 452. 217 AaO 453. 218 Jacob Friederich Roennberg, [Ü]ber Symbolische Bücher in Bezug aufs Staatsrecht, Rostock 1789. Das Büchlein umfaßte 93 Seiten. 219 So wie im Passauer Vertrag von 1552, im Religionsfrieden von 1555 und im Westfälischen Frieden von 1648 „die Evangelische Kirche, bei ihrem ursprünglichen Lehr und Glaubensbekenntniß geschützt werden soll“, so versprach auch seit der Wahl Kaiser Karls VII. jedes kaiserliche Reichsoberhaupt allen Augsburgischen Konfessionsverwandten einen gleichen Schutz in seiner Wahlkapitulation. Roennberg, [Ü]ber Symbolische Bücher, 48. Vgl. außerdem Schwartz, Der erste Kulturkampf, 133 f. Zu Villaumes Schrift vgl. auch Walter 215

III. Jacob Friederich Roennberg und Pierre Villaume

445

Am 14. April 1790 erging ein von Woellner konzipiertes Circulare an alle Konsistorien220. Da der König wolle, daß jedermann und vornehmlich die Geistlichen überzeugt würden, wie notwendig es „zumahl bei den jetzigen Zeiten“ sei, das Ansehen der Symbolischen Bücher in der protestantischen Kirche aufrechtzuerhalten und keineswegs zu gestatten, daß die Prediger und Schullehrer bei dem Religionsunterricht eigenmächtig davon abwichen, wie „die traurige Erfahrung leider! sattsam beweiset“, habe der Monarch unlängst eine von einem geschickten Rechtsgelehrten herausgegebene Schrift über Symbolische Bücher in bezug auf das Staatsrecht verbreiten lassen. In dieser Schrift sei gründlich dargelegt, was jeder nach dem allgemeinen protestantischen Recht und der ganzen Verfassung zwischen den evangelischen und katholischen Reichsständen dem in den Symbolischen Büchern enthaltenen Lehr- und Glaubensbegriff schuldig sei. Daraus könne zugleich jedermann erkennen, wie notwendig auch in dieser Hinsicht das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 gewesen und wie sehr der König als deutscher Reichsfürst verpflichtet sei, auf die genaue Befolgung dieses Edikts „strenge“ zu halten. Daher wurden den Konsistorien insgesamt 790 Exemplare dieses Buches221 zugesandt, die sie in ihrem jeweiligen Sprengel austeilen sollten. Der reformierte Professor am Berliner Joachimsthalschen Gymnasium Pierre Villaume222 verfaßte gegen diese Schrift eine „Prüfung der Rönnbergischen Karowski, Das Bekenntnis und seine Wertung. Eine problemgeschichtliche Monographie, Bd. 1 Vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Berlin 1939, 148–153. 220 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 21 [Ministerial-Archiv 161] (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 34r. 221 AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), Bl. 33r. Woellner hatte auf seinem Zettel Kleve vergessen und wurde am 23. April von einem Kanzlisten daran erinnert. Woellner notierte, daß Kleve zehn Exemplare bekommen solle. Auf einem Konzeptzettel hatte Woellner die jeweilige Anzahl notiert. AaO (Acta betreffend die Einführung des allg. Lehrbuchs „Anfangsgründe der christl. Lehre“), unpag. Die Kurmark erhielt 150, die Neumark 50, Ostpreußen 50, Westpreußen 50, Breslau 100, Glogau 50, Brieg 20, Stettin 100, Köslin 20, Magdeburg 50, Halberstadt 50, Minden 20, Meurs 10, Ostfriesland 30 und Geldern 30 Stück. 222 Außerdem war Pierre Villaume Prediger der französischen Gemeinde in Berlin. Der Mitarbeiter am „Braunschweigische[n] Journal“ zählte zu den bekanntesten preußischen pädagogischen Schriftstellern. Karl-Ernst Jeismann, Das preußische Gymnasium in Staat und Gesellschaft, Bd. 1 Die Entstehung des Gymnasiums als Schule des Staates und der Gebildeten 1787–1817, Industrielle Welt 15, 2. Aufl., Stuttgart 1996, 137. Zu Villaume vgl. Rosemarie Wothge, Ein vergessener Pädagoge der Aufklärung: Peter Villaume (1746–1825), in: WZ(H). GS 6/3 (1957), 429–454. Vgl. auch Dirk Kemper (Hg.), Mißbrauchte Aufklärung? Schriften zum preußischen Religionsedikt vom 9. Juli 1788. 118 Schriften auf 202 Mikrofiches. Begleitband, Hildesheim u. a. 1996, 72–74. Bereits 1788 hatte Pierre Villaume mit „Freymüthige[n] Betrachtungen über das Edikt vom 9. Juli 1788, die Religionsverfassung in den Preußischen Staaten betreffend“ Aufsehen erregt. Drei Fragen ging er nach. Erstens: Kann das Dogmatische in der Religion jemals ein Gegenstand von Verordnungen werden? Villaume verneinte dies, da der Glaube nicht vom Willen

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J. Die Zensur

Schrift über Symbolische Bücher in Bezug auf das Staatsrecht“, die 1791 im Manuskript vorlag. Weder der Verleger noch der Verlagsort waren genannt223. Am Vormittag des 15. Januar 1791 erhielt Teller von dem Präsidenten Thomas Philipp v. d. Hagen dieses Manuskript zur Zensur. Das Werk, das der Berliner Buchdrucker Johann Georg Langhoff eingereicht hatte, trug den vorläufigen Titel: „Ueber die Rechte des Staats und der Kirche in Ansehung der Symbole oder Prüfung der Rönnebergschen Schrift über symbolische Bücher“224. Teller las es sogleich durch, legte sein schriftliches Urteil bei und sandte es noch an demselben Morgen zurück; die Zensur könne dieser Schrift nicht verweigert werden, da sie die Prüfung der Gründe eines anderen Schriftstellers enthielt und es für den Staat wichtig sei, wenn die Gelehrten in derartigen Materien „pro und contra von allen Seiten beleuchten“225. Außerdem behandele der Verfasser die Materien „mit aller Bescheidenheit“226. Freilich müßten sich der Drucker oder Verleger zu erkennen geben, damit es keinem „Libell“227 ähnlich sehe. Der Präsident v. d. Hagen aber – der gemäß dem Zensuredikt das Approbatur hätte geben sollen – legte Woellner, der 1790 Roennbergs Schrift von allen Landeskonsistorien an die Inspektoren und Prediger hatte austeilen lassen, das Manuskript mit diesem Gutachten Tellers vor. Wegen der dadurch verursachten Verzögerung bat der Buchdrucker Langhoff unter dem 26. Januar 1791 in einem Schreiben an v. d. Hagen um eine baldige Rückgabe228. Woellner jedoch entschied am 28. Januar 1791, daß das Manuskript aus „bewegenden“229 Ursachen „allhier“ nicht gedruckt, sondern zurückgegeben werden solle230. des Menschen abhänge und kein Mensch sich anmaßen dürfe, über die Wahrheit dogmatischer Lehren zu entscheiden. Zweitens: Hat der Staat das Recht, über Religion zu gebieten? Auch diese Frage verneinte Villaume, weil der Glaube an dogmatische Lehrsätze nicht befohlen werden könne. Drittens: Kann man einem schwankenden Religionssystem durch Edikte und Verordnungen mit gutem Erfolg zu Hilfe kommen? Wiederum antwortete Villaume verneinend. Wer den Glauben verordne, fördere nur den Unglauben. Dank des sachlichen Tons seiner Ausführungen blieb Villaume freilich unbehelligt. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 118–120. Zu Villaume vgl. auch Christina Stange-Fayos, Lumières et obscurantisme en Prusse. Le débat autour des édits de religion et de censure (1788–1797), Bern 2003, 226–229 und 325–335. 223 [Pierre] Villaume, Prüfung der Rönnbergischen Schrift über Symbolische Bücher in Bezug auf das Staatsrecht, [Leipzig] 1791. 224 Das Promemoria über die Vorgänge datierte vom 21. Februar 1791. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 10r–10v, hier 10r. 225 Ebd. Tellers Urteil vom 15. Januar 1791 findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1927, Bl. 88r. 226 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 10r. 227 Ebd. 228 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1927, Bl. 89r. 229 Ebd. und GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 10r. 230 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1927, Bl. 89r.

III. Jacob Friederich Roennberg und Pierre Villaume

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v. d. Hagen sandte dann dem Kirchenrat Heinrich Karl Jakob Lipten diese Verfügung zur Ausfertigung an Langhoff zu. Lipten aber gab am 29. Januar 1791 das Manuskript nur mit dem bloß von ihm unterschriebenen und abgekürzten Bescheid zurück: „Soll zurückgegeben werden, welches also geschieht“231. Daraufhin wandte sich Villaume persönlich mit einer Beschwerde232 an das Justizdepartement. 2. Villaumes Beschwerde Das vom 3. Februar 1791 datierende, selbstbewußte Beschwerdeschreiben umfaßte zweieinhalb engbeschriebene Spalten233. Der lange, zweiwöchige Aufenthalt eines gut leserlichen, kurzen Manuskripts bei der Zensur entspreche nicht den Bestimmungen des Zensuredikts. Außerdem monierte Villaume, daß der Bescheid nicht von dem Präsidenten des Kollegiums – also von v. d. Hagen –, sondern bloß von dessen Sekretär – dem Kirchenrat Lipten – unterschrieben war. Dieser Bescheid sage „nun auch eigentlich gar nichts“234, denn jedes zur Zensur eingereichte Manuskript – sei es druckfähig oder auch nicht – werde am Ende „zurükgegeben“235. Villaume überreichte sein Manuskript nun mit dem Gesuch, erstens, dem Konsistorium wegen der Verzögerung und des formwidrigen Bescheids einen Verweis zu erteilen, zweitens, das Konsistorium anzuhalten, den Buchdrucker wegen der Verzögerung zu entschädigen, und drittens, den Druck seiner Schrift unter dem Titel „Prüfung der Ronnebergischen Schrift über das Recht des Staats und der Kirche // von Villaume // Berlin bey Vieweg 1791“236 zu erlauben. Da er in seiner Schrift „mit bescheidenem Ernste“237 eine Frage des Staatsrechts prüfe, stünden Inhalt und Ausführung seiner Schrift dem Zensuredikt in keiner Weise entgegen238. Villaume äußerte sich zu einem in der Zensur mit Rotstift angestrichenen Satz seiner Schrift, der lautete: „Weg also mit den Symbolen, man laße sie in ihrem Staube zur Vergeßenheit sinken, dann wird von Religions wegen Ruhe in der bürgerlichen Gesellschaft seyn.“239 Er erklärte, daß er unter den „Symbolen“ keineswegs „die Religion“240 verstehe, wie aus dem Zusammen231

GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 10r. Dieses Schreiben ist dem Promemoria als Anlage A beigefügt. AaO Bl. 11r–12r. 233 Ebd. und GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 147r–148v. 234 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 11r. 235 Ebd. 236 Ebd. 237 AaO Bl. 11v. 238 Ebd. 239 AaO Bl. 12r. 240 AaO Bl. 11v. 232

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J. Die Zensur

hang seiner Schrift deutlich sei. Er verstehe darunter, was „ein jeder“ darunter verstehe und was auch Roennberg darunter verstanden habe, nämlich „‚eine unterscheidende Lehre‘“241. Mit „herzlicher Bereitwilligkeit“, sich belehren zu lassen, fragte Villaume, „ob man das Unterscheidende nicht wegwünschen möchte“, wenn man bedenke, „daß es einzig und allein alle Unruhen und Verfolgungen der Kirchenpartheien veranlaßt hat“ und „daß die Wahrheit Eins ist, folglich daß sie keine Partheien mit Unterscheidungszeichen haben kann“242. 3. Die Untersuchung der Beschwerde Am 7. Februar 1791 kam die Sache im Staatsrat zum Vortrag243. Der Großkanzler Carmer hatte sie von Carl Gottlieb Svarez referieren lassen und mit Eberhard Friedrich Christoph Ludwig v. d. Reck gegen alle Widerstände Woellners die Zulässigkeit der Schrift behauptet. Nachdem Woellner schließlich zu einer Stelle der neuen Wahlkapitulation des Kaisers Leopold II. wegen der Symbolischen Bücher Zuflucht genommen hatte, zeigten Carmer und v. d. Reck zwar, daß die Wahlkapitulation in diesem Zusammenhang nicht relevant sei, einigten sich aber darauf – „um nur aus dem Handel zu kommen“ –, das Sentiment des Departements der Auswärtigen Angelegenheiten darüber zu vernehmen. An demselben Tag erstatteten Carmer, v. d. Reck, Woellner und Heinrich Julius v. Goldbeck dem König Bericht244. Als Villaumes Beschwerde in nähere Erwägung gezogen worden war, habe sich unter anderem die Frage erhoben, ob der Passus der neuesten Wahlkapitulation, der in Art. 2 § 8 festschrieb, daß keine Schrift gedruckt werden solle, die mit den Symbolischen Büchern der Konfessionen nicht vereinbar sei, auf diese Beurteilung Einfluß haben und – ohne die Landeshoheitsrechte des Königs einzuschränken – als ein Grund der Verwerfung der Schrift angeführt werden könne. Denn obwohl deren ganze Absicht dahin gehe zu beweisen, daß Symbolische Bücher für den Staat weder notwendig noch nützlich, sondern sogar schädlich seien, sei es doch auf der anderen Seite auch nicht unbedenklich, den eigentlich nur Verträge zwischen Kaiser und Ständen des Deutschen Reichs ausmachenden Wahlkapitulationen in einem mit eigener Landeshoheit und Autonomie versehenen Staat gesetzliche Kraft für Behörden, die von ihrem eigenen Landesherrn niemals darauf verwiesen worden waren, einzuräumen. Und dies gelte um so mehr bei einer Bestimmung245, deren Zweck wohl kein anderer sein könne, 241

Ebd. Ebd. 243 AaO Bl. 10v. 244 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 140r–140v. 245 AaO Bl. 140r. 242

III. Jacob Friederich Roennberg und Pierre Villaume

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als die Unterscheidungslehren, die den protestantischen und römisch-katholischen Religionsteil noch immer trennten, fortwährend aufrechtzuerhalten. Sie erbaten nun Karl Wilhelm Graf Finck v. Finckensteins246 und Ewald Friedrich v. Hertzbergs Meinung247. Unter dem 7. Februar 1791 erging dann eine entsprechende Verfügung an das Kabinettsministerium248. Finckenstein und Hertzberg antworteten am 18. Februar 1791249. Es sei richtig, daß in die Wahlkapitulation die neue Verordnung eingeflossen sei, „daß keine Religionsschriften geduldet und verstattet werden sollen, welche den symbolischen Büchern der 3 in Deutschland herrschenden Religionen ungemäß u entgegen seyn“250. Nachdem Kurmainz den Antrag zu dieser Verordnung gemacht hatte, waren die kurbrandenburgischen Wahlbotschafter besonders angewiesen und autorisiert worden, sich diesen „verfänglichen“ und „bedenklichen“ Vorschlägen entgegenzusetzen und dagegen einzuwenden, daß „evangelischer Seits“ nicht festgelegt sei, welches „allgemeine Bekenntniß Bücher“251 seien. Die Aufgabe, „verderbliche“ und „gefährliche“ Lehren und Meinungen an der Verbreitung zu hindern, müsse jedem Landesherrn vorbehalten bleiben. Es könne weder dem Kaiser noch den Reichsgerichten noch den katholischen Reichsteilen ein Urteil über protestantische Religionsschriften und deren Übereinstimmung mit dem „evangelischen Lehrbegrif “252 eingeräumt werden. Obwohl sich die kursächsische und kurbraunschweigische Stimme der kurbrandenburgischen Auffassung angeschlossen hatten, war durch die katholische Stimmenüberlegenheit bewirkt worden, daß dem kurmainzischen Antrag stattgegeben wurde. Allein dieser Beschluß werde vom evangelischen Reichsteil nicht als verbindlich angesehen werden und könne einem protestantischen Kur- und Reichsfürsten auch nicht in seine landesherrliche Hoheit und seine Rechte eingreifen. Die Bestimmung der protestantischen Bekenntnisbücher sei nach ihrer Entstehungsart nur gewesen253, dem Kaiser und dem katholischen Reichsteil zur Vermeidung des Ketzereivorwurfs, ihren „in/der Vernunft/und Offenbarung

246 Nachdem Woellner zum Etatsminister erhoben worden war, hatte ihm Finckenstein am 11. Juli 1788 gratuliert. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 25, Bl. 38r. 247 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 140v. 248 AaO Bl. 151r [Konzept von Schreiberhand]. 249 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 13r–14r und GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 152r–154r und aaO Bl. 141r–144r und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 32, unpag. [Abschrift]. 250 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 13r. 251 Ebd. 252 Ebd. 253 Ebd.

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J. Die Zensur

gegründeten Lehrbegriff nach den Einsichten solcher Zeiten vorzulegen“254. Man hatte weder die Meinung, dem „Verstand und Gewißen eine beständige unveränderliche mit Zwangskraft versehene Glaubensnorm aufzubürden“255, noch „alles Forschen, Untersuchen, Prüfen und alle freywillige Ueberzeugung auszuschließen“, noch aller „Aufheiterung und Berichtigung“256 dieses Lehrgebäudes nach dem Maß zunehmender philosophischer und philologischer Einsichten zu wehren. Am wenigsten aber wollte man mit dem katholischen Reichsteil eine Vereinigung darüber erreichen, einen Vertrag errichten und sich gegenüber dem katholischen Reichsteil zu einer „beharrlichen“ Beibehaltung des Vertrags verpflichten. Man könne daher von diesen Bekenntnisbüchern unmöglich den Passauer Vertrag, den „Religions Frieden“, den „Osnabruckschen Frieden“ und die darin festgesetzte Gewissens- und Religionsfreiheit, die Gerechtsame einer herrschenden Religion und die Gemeinschaft aller Staatsrechte der Protestanten abhängig machen und deren Genuß und Dauer auf das Verbleiben bei diesem „Lehrgebäude“ gründen. Roennberg habe diese „gefährliche Folge“ seiner Behauptungen nicht eingesehen. Der katholische Reichsteil habe allezeit diesen „Gefährde vollen Grundsatz“257 geltend zu machen gesucht, um unter dem Vorwand der Abweichung diese Verträge, Grundsätze und Vorrechte zu entkräften. Im übrigen sei es „unausgemacht“, welches die Symbolischen Bücher der Lutheraner seien. Und auch die Reformierten, die erst durch den Westfälischen Frieden in die völlige Gemeinschaft aller jener Rechte aufgenommen worden waren, hätten keine gemeinschaftlichen Symbolischen Bücher. Man könne weder die Confessio Helvetica noch die Beschlüsse der Dordrechter Synode noch den Heidelberger Katechismus als solche ansehen258. Außerdem hätten die Protestanten umgekehrt niemals darauf geachtet, ob in der katholischen Kirche Deutschlands von den Lehrsätzen des Tridentinums abgewichen worden sei259. Weder dem Kaiser noch den Reichsgerichten noch den katholischen Reichsteilen gebühre ein Urteil über die Abweichung protestantischer Lehrer und Schriftsteller von den „sogenannten symbolischen Büchern der evangelischen Kirche“ noch über die „Duldung, Verbannung, Verbietung derselben“260. Daher war, als der verstorbene Kaiser wegen Bahrdts Glaubensbekenntnis ein Kommissionsdekret zu dessen Verbannung erlassen hatte, vom evangelischen Corpus nachdrücklich „Befremden“ und „Mißver-

254

AaO Bl. 13v. Ursprünglich war „aufzulegen“ geschrieben. Ebd. 256 Ebd. 257 Ebd. 258 Ebd. 259 AaO Bl. 14r. 260 Ebd. 255

III. Jacob Friederich Roennberg und Pierre Villaume

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gnügen“ über diese kaiserliche „Anmaßung“261 geäußert worden. Und letztere Angelegenheit war völlig auf sich beruhen geblieben. Eine Disputation über Symbolische Bücher hielten Finckenstein und Hertzberg für schlechterdings erlaubt: „Ubrigens [sic] scheint es uns eine unverwehrliche Sache zu seyn, über das Ansehn, die Verbindungskraft, die Absicht, die Dauer, die Nothwendigkeit oder Entbehrlichkeit, der symbolischen Bücher, Betrachtungen anzustellen und seine Privat Gedanken zu eröffnen, wann es nur nicht auf eine heftige, unhöfliche und schwärmerische Art geschieht.“262 Nach diesem Gutachten von Finckenstein und Hertzberg, also des Auswärtigen Departements, erlaubte der Staatsrat endlich den Druck des Villaumeschen Buches. Schließlich wurde Villaume in der Session vom 21. Februar 1791 zur Resolution erteilt, daß der Druck des Manuskripts zwar unter dem in der Eingabe abgeänderten Titel „Prüfung der Rönnebergschen Gründe“263 erlaubt werde, er aber die Stellen, an denen er sich gegen die durch Staatsgesetze approbierten Symbolischen Bücher „heftige, verächtliche und wegwerfende“264 Ausdrücke erlaube, auslassen oder abändern und die Schrift dann nochmals einreichen müsse. Die Expedition dieser Resolution wurde dann freilich aufgrund der Ereignisse der folgenden Tage zurückgehalten265. Auch Villaume gab später in der Vorrede des gedruckten Buches an, daß ihm diese Resolution nicht mitgeteilt worden sei266. 4. Woellner versus Carmer Nun war Woellner in Bedrängnis und schrieb am 22. Februar 1791 an den König267. Da v. d. Reck ein „Ertz-Aufklärer“ sei, war dessen Gutachten völlig gegen Woellner ausgefallen. Daraufhin hatte Woellner im Staatsrat erklärt, daß er den ganzen Vorfall Friedrich Wilhelm II. melden werde. Damit man nicht glaubte, daß er die Sache „in einem falschen Lichte“ vortragen könnte, werde er den König bloß bitten, in dieser Angelegenheit Bericht vom Großkanzler zu fordern. Woellner meinte im Auswärtigen Departement bemerkt zu haben, „daß man dort noch immer glaubt, als wenn unter der jetzigen Strenge gegen die Aufklärer, ein heimlicher Catholicismus zum Grunde liege“268. Daher ließ 261

Ebd. Ebd. 263 AaO Bl. 10v. 264 Ebd. 265 Das notierte Svarez auf dem Konzept von Schreiberhand. GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 156r. 266 Villaume, Prüfung, Vorrede, unpag. Die Vorrede datierte vom 26. April 1791. 267 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 34r. 268 Ebd. 262

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J. Die Zensur

er in der von ihm konzipierten Kabinettsordre an den Großkanzler Carmer269 auch befehlen, das Schreiben des Auswärtigen Departements einzusenden, damit der König dies selbst sehen könne. Diese Kabinettsordre an Carmer erging unter dem 23. Februar270. Da er, der König, selbst befohlen habe, daß etliche Exemplare von Roennbergs Schrift unter den preußischen Predigern verteilt werden sollten und also eine Widerlegung dieser Schrift zugleich eine Widerlegung dieses Befehls sei, müsse Carmer darlegen, warum er die Drucklegung befürworte. Außerdem müsse er das Schreiben des Auswärtigen Departements einsenden. Der Großkanzler antwortete am 26. Februar271 auf die Kabinettsordre und überreichte außerdem das Antwortschreiben des Auswärtigen Departements auf die Anfrage, inwiefern in Preußen auf die neuerlich in der kaiserlichen Wahlkapitulation eingerückte Klausel, daß gegen Symbolische Bücher nichts geschrieben werden solle, Rücksicht zu nehmen sei. Das Justizdepartement stimmte mit dem Auswärtigen Departement darin überein, daß dieser neue Artikel, der einen Gegenstand enthalte, „der die catholische Religion eigentlich gar nichts angeht“272 und dennoch von der katholischen Partei gegen sämtliche Voten der protestantischen Kurfürsten in die Wahlkapitulation aufgenommen worden war, „nicht gleichgültig angesehn“273 werden könne. Die Symbolischen Bücher dienten „eigentlich nur zur Scheidewand zwischen den protestantischen Religionsparteyen“274, und es sei offenbar, daß man „katholischer Seits“275 diese Parteien durch die Aufnahme der neuen Klausel „auf ewig“ zu trennen bedacht sei. Es sei von jeher eine Hauptmaxime des Hauses Brandenburg gewesen, beide protestantischen Kirchen soviel wie möglich „durch Wegräumung der theologischen Zänkereyen einander näher zu bringen“276.

269

Ebd. GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 157r und GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 15r [Abschrift] und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 32, unpag. [Abschrift]. An den linken Rand des Schreibens war zu der Stelle „Wiederlegung meiner Befehle“ notiert: „Wie das? der Autor hat vielleicht gar nicht gewußt daß diese Austheilung geschehn sey oder nicht geglaubt daß sie auf höchsten Befehl geschen sey. Und wäre es so müßte dem Könige der Minister responsabel seyn, der ihm ein solches Buch empfohlen u zu der Vertheilung gerathen.“ GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 15r [Abschrift]. 271 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 159r–160r [Konzept mit Verbesserungen von Svarez] und GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 15r–16r [Abschrift] und GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 36r. 272 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 15r [Abschrift]. 273 Ebd. 274 AaO Bl. 15r–15v [Abschrift]. 275 AaO Bl. 15v [Abschrift]. 276 Ebd. 270

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Nicht nur Johann Sigismund hatte deswegen die Konkordienformel nicht in seinen Staaten aufgenommen, sondern auch Friedrich Wilhelm der Große hatte die Vereidigung der lutherischen Prediger auf die Confessio Augustana Invariata ausdrücklich untersagt und durch ein Reskript an das Konsistorium vom 1. Dezember 1666 befohlen, daß die Kandidaten des Predigtamtes „allein auf das reine und seligmachende Wort Gottes, keinesweges aber auf andere menschliche Schriften“ in ihrer Vokation angewiesen werden sollten. Ferner sei hinreichend bekannt, wieviel Mühe Friedrich Wilhelm I. aufgebracht habe, um beide protestantischen Religionsparteien zu vereinigen. Auch sei „jederMann“ überzeugt, daß Friedrich Wilhelm II. den Gewissenszwang und die theologischen Streitereien, die „dem Geist Christi so ganz entgegen sind“277, ebenso wie seine Vorfahren verabscheue. Erst nach diesen historischen Ausführungen ging Carmer auf den konkreten Fall ein: Roennbergs Schrift, die Villaume widerlegen wolle, sei in der Tat „voller Irthümer“ gegen das Staatsrecht und „voll nachtheiliger Grundsätze gegen die Freyheit der protestantischen Kirche in Deutschland“278; dies sei schon ausführlich durch verschiedene zu Leipzig und im Reich gedruckte Schriften dargelegt worden. Villaumes Schrift nun hatte nach der Auffassung des Staatsrats außer einigen „in gelehrten Controversien nicht selten vorkommenden heftigen Ausdrücken“, deren Streichung Villaume bereits aufgetragen worden sei, nichts enthalten, „wodurch die Religion, der Staat und die guten Sitten auf irgend eine Art beleidigt werden“279 könnten. Im übrigen habe das Justizdepartement weder gewußt, daß der König höchstselbst die Verbreitung von Roennbergs Schrift befohlen hatte280, noch geglaubt, daß die vom Geistlichen Departement veranlaßte Verteilung dieser Schrift unter die Prediger das Verbot einer darüber anzustellenden „bescheidenen“281 Prüfung enthalten könnte282. Carmer meinte, sich persönlich verteidigen zu müssen, und versicherte daher abschließend, daß er an diesem Beschluß des Departements keinen anderen oder größeren Anteil als jedes andere Mitglied habe. Woellner reagierte am 28. Februar 1791 erzürnt283. Vor dem König betonte er, daß Carmer am Ende von dessen Bericht „eine große Unwarheit“284 sage, wenn er behaupte, nicht gewußt zu haben, daß Roennbergs Schrift auf könig277

Ebd. Ebd. 279 Ebd. 280 Das hatte Svarez nachträglich eingefügt. GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 160r. 281 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 16r [Abschrift]. 282 Ebd. 283 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 35r. 284 Ebd. 278

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lichen Befehl verteilt worden sei. Er selbst, Woellner, habe im öffentlichen Staatsrat gesagt, daß der König ihm hundert Dukaten habe auszahlen lassen, um davon 900 Exemplare an die Prediger und Konsistorien zu versenden285. Zu derselben Zeit habe er im Staatsrat acht Exemplare an die Minister und Räte „wohlbedächtig“ ausgeteilt. Das Schreiben des Auswärtigen Departements sei „so giftig als möglich gegen die gute Sache“ abgefaßt, „und die beiden alten schwachköpfigen Leute haben es blindlings unterschrieben“. Kurz bevor sich Woellner schriftlich an den König gewandt hatte, war Carmer auf dem Staatsrat in einer Fensternische zu dem Staatsminister getreten, hatte ihn seiner Freundschaft versichert und ihn fast unter Tränen gebeten, die Sache ihren Lauf nehmen zu lassen, weil er sich nicht würde durchsetzen können und sich nur den Haß des Publikums zuzöge; „das Übel wäre schon zu weit eingerissen“286. Das letztere sei leider, bedauerte Woellner gegenüber dem König, wahr, und eben deshalb sei er bislang „so behutsam gegangen, um allen Lärm zu vermeiden, aber unerschüttert fest werde ich doch bleiben, und die Sache Gottes nicht verlassen, denn Gott wird mir beistehen, und mein gnädiger König wird mich nicht verlassen“287. Abschließend bat Woellner den Monarchen, die von ihm konzipierte, beigelegte Kabinettsordre an Carmer zu erlassen. Gott werde ihn, den König, für diese Mühe belohnen. Friedrich Wilhelm II. habe, hieß es in dem auf den 28. Februar 1791 datierten Entwurf der Kabinettsordre288, bislang nicht geglaubt, daß die Herren des Auswärtigen Departements auch zu den Aufklärern gehörten. „Meine Ministres beurtheilen mich überhaupt sehr falsch, wenn sie glauben daß Ich intolerant sein wollte.“289 Er sei viel toleranter als alle seine Vorfahren, denn er habe im Religionsedikt öffentlich erklärt, daß er keinen Gewissenszwang anstrebe, sondern jeden das glauben lasse, was er wolle. Freilich werde er nicht dulden, daß das gemeine Volk „durch die jetzigen Irrlehrer“ der Willkür der Geistlichen überlassen würde. Die Prediger der reformierten und lutherischen Konfession müßten „nicht nach ihren neuen philosophischen Narrheiten, sondern nach der Bibel das Volck lehren, so wie diese in ihrer jedesmaliger Kirche erkläret wird, und muß nicht ein jeder nach seinen Einfällen die Bibel verdrehen; denn daraus entstehet lauter Confusion und wissen die Aufklärer selbst nicht was sie wollen“290. Er, der König, wolle „Ruhe und Ordnung“ im 285 Unter dem 12. Januar 1790 hatte Roennberg Woellner mitgeteilt, daß die zweite Auflage des Buches nun fertiggestellt sei und die von Woellner bestellten 900 Exemplare zur Verfügung stünden. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 133 f Anm. 2. 286 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 35r. 287 Ebd. 288 Ebd. Dieser Entwurf einer Kabinettsordre ist nach Philippson „mit das Gemeinste, was je aus Wöllner’s Feder geflossen“. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 338. 289 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 35r. 290 Ebd.

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Lande haben, und das solle Carmer allen Ministern einschärfen. „Ich bin Herr in meinem Lande und werde mich an Kaiser und Reich nicht kehren, sondern meinem Plan treu bleiben.“ Villaumes Buch solle also nicht gedruckt werden. Friedrich Wilhelm II. erschien dieser Entwurf freilich allzu scharf. Er formulierte die Kabinettsordre um, beseitigte die vernichtende Kritik an Finckenstein sowie Hertzberg und datierte die Ordre auf den 5. März291. 5. Das Verbot des Drucks in Berlin Unter dem 7. März 1791 erging die letzte, von Carmer unterschriebene Resolution des Justizdepartements an Villaume292. Sie ist unterschrieben von Carmer, Wolfgang Ferdinand v. Dörnberg, v. d. Reck, Woellner sowie Goldbeck und erreichte Villaume am 15. März293. Villaume erhielt sein Manuskript mit dem Bescheid zurück, daß der König durch eine Kabinettsordre vom 5. März294 ausdrücklich dessen Druck „hier“295 verboten habe, so daß dem Justizdepartement „die Hände gebunden worden“296 seien. Indem sich das Justizdepartement freilich exakt an den Wortlaut der Kabinettsordre hielt, war der Druck nur in Berlin – nämlich „hier“ – verboten. Villaume hätte seine Schrift also durchaus an anderen Orten in den Preußischen Staaten drucken lassen können. Ausdrücklich war in der Kabinettsordre die Toleranzgewährung des Religionsedikts betont worden: „ich bin gewis Tolerant gewis eben so als meine vorfahren und habe solches öffentlich in dem Religions Edict erklärt, ich wil keinen gewißens zwang und las einem jeden glauben was er wil. Aber des kan und werde nie Leiden das das gemeine Volk durch irr lehren von der alten wahren schriftlichen Religion abgeleitet, und das schriften die solches befördern öfentlich in meinem lande gedrukt werden.“297 Und auch die Bücherzensur müsse darauf schärfer achten298. Carmer und alle Minister sollten schlechterdings für Ordnung sorgen: „Die Prediger der Reformirten und Lutherischen Confession müßen nach der Bibel das volk lehren, so wie diese in ihrer jedesmahligen kirchen erklärt wird, und müßen die sinbolischen bücher nicht zurük gesetzt werden, auf das ein jeder nach seine einfälle die Bibel 291

Schwartz, Der erste Kulturkampf, 141. GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 163r [Konzept von Schreiberhand] und GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 17r [Abschrift]. 293 Villaume, Prüfung, Vorrede, unpag. 294 Die eigenhändige Kabinettsordre war an Carmer ergangen. GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 161r–161v und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 32, unpag. [Abschrift]. 295 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 161r. 296 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 16, Bl. 17r [Abschrift]. 297 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 161r. 298 Ebd. 292

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verdrehet denn daraus entstehet lauter Confusion und wißen die sogenanten aufklärer selbst nicht was sie wollen, Ich aber will ruhe und Ordnung im lande haben, und dazu mus mir ein jeder behülflich seind“299. Villaume gab die Schrift schließlich außerhalb von Preußen in den Druck. Da ihn die Zensurbestimmungen einschränkten, zog der radikale Freiheitsforderungen stellende Aufklärer 1793 auf die Insel Fünen nach Dänemark. Wenige Jahre später, 1796, ernannte ihn die Französische Republik zum Mitglied des Nationalinstituts in Paris300.

IV. Johann Friedrich Unger und Johann Georg Gebhard 1. Johann Georg Gebhards „Prüfung der Gründe“ 1791 erschien anonym bei Johann Friedrich Unger301 in Berlin eine „Prüfung der Gründe welche der Verfasser der kleinen Schrift: Ist ein allgemeiner Landeskatechismus nöthig etc. zur Behauptung seiner Meinung beygebracht hat“302 des reformierten Predigers an der Jerusalems- und Neuen Kirche Johann Georg Gebhard; er wandte sich in dieser Schrift gegen das 1790 von dem Kircheninspektor Christian Friedrich Karl Herzlieb in Züllichau erschienene Buch „Ist ein allgemeiner Landes-Katechismus nöthig? und wie müßte er beschaffen seyn?“303. Gerade das, was den Katechismus zum Landeskatechismus mache, nämlich, daß er allgemein war und daß er überall im Land in Städten und Dörfern, für Kinder und für Jünglinge, ohne Rücksicht auf Fähigkeiten, Kenntnisse, Lebensart, Zeitumstände und dergleichen gebraucht werden müsse, hindere offenbar seinen Nutzen304. Gebhard meinte kryptokatholische Tendenzen zu erkennen: „Ist nicht die ganze beliebte Einförmigkeit in der protestantischen Kirche im Grunde eine katholische Idee, welche wir Protestanten im Widerspruch mit unsern Grundsätzen beybehalten haben?“305

299

AaO Bl. 161v. Wothge, Ein vergessener Pädagoge, 429–454, hier 437 und 445. 301 Der 1753 in Berlin geborene Johann Friedrich Unger war Mitglied des Montagsclubs. Stange-Fayos, Lumières, 155. 302 Ein Druck des Schriftleins findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 73r–84r. Das Buch galt bislang als verschollen. 303 [Christian Friedrich Karl Herzlieb,] Ist ein allgemeiner Landes-Katechismus nöthig? und wie müßte er beschaffen seyn?, Züllichau 1790. Zu der Ungerschen Prozeßsache vgl. auch kurz Schwartz, Der erste Kulturkampf, 142–144. 304 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 75v. 305 AaO Bl. 80v. 300

IV. Johann Friedrich Unger und Johann Georg Gebhard

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Da sich Gebhards Schrift nur in dieser grundsätzlichen Weise gegen ein allgemein vorgeschriebenes Lehrbuch und nicht gegen Personen oder den neuen Katechismus im Besonderen wandte, erlaubte Zöllner als Zensor den Druck. Jedoch Woellner wollte den Verkauf der Schrift, in der er einen direkten Angriff auf den neuen Katechismus sah, alsbald verboten wissen, so daß unter dem 20. Dezember 1790 an v. d. Hagen ein von ihm unterschriebenes Reskript erlassen wurde306. Die „Prüfung der Gründe“ enthalte offenbar einen sträflichen Tadel der vom König verordneten Einführung eines allgemeinen Lehrbuchs der christlichen Religion. Der Zensor sollte einen „derben Verweiß“ erhalten, und v. d. Hagen sollte dem Buchdrucker Unger mitteilen, daß es bei der bereits verbotenen Debitierung der Schrift verbleiben werde und er sich wegen der Druckkosten an den Verfasser und den Zensor zu wenden habe. Zöllner, dem v. d. Hagen vorschriftsgemäß das Reskript übermittelte, beharrte jedoch auf seiner früheren Einschätzung und notierte am 3. Januar 1791, daß er auch nach nochmaliger Lektüre der Schrift überzeugt sei, in seinem Gutachten richtig geurteilt zu haben307. An demselben Tag bat er daher den König, die Verfügung aufzuheben oder die Sache zumindest zum rechtlichen Gehör bringen zu lassen308. Jedoch erhielt Zöllner unter dem 4. Januar zur Resolution, daß Friedrich Wilhelm II. „mit äußerstem Befremden“ das Bekenntnis zur Zensorschaft aufgenommen habe309. Denn diese Schrift beabsichtige, die vom König bereits vor geraumer Zeit befohlene Einführung eines allgemeinen Lehrbuchs der christlichen Religion dem Publikum als „unnötig, überflüßig, unnütz, auch sogar schädlich“ darzustellen. Zöllners Bitte um rechtliches Gehör wurde rundweg abgeschlagen: Die Sache eigne sich in keinerlei Weise zum Prozeß, so daß die Verfügung in Kraft bleibe. Unter dem 11. Januar wurde Unger entsprechend beschieden310. 2. Die Klage Johann Friedrich Ungers Nun klagte Unger gegen Zöllner beim Kammergericht auf Schadensersatz. Mit dieser scheinbar ernsthaft geführten Klage wollte er Woellner dem öffentlichen Spott preisgeben. Der Kriminalrat Karl Ludwig Amelang, der als Anwalt Ungers fungierte, verfaßte zu diesem Zweck unter dem 12. April 1791 eine 306 AaO Bl. 72r. Das eigenhändige Manuskript Woellners findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 115r. Ein Konzept von Schreiberhand findet sich aaO Bl. 116r. 307 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 71r. Der Brief Zöllners an den König vom 3. Januar 1791 – noch der Gewohnheit des alten Jahres verhaftet hatte Zöllner das Jahr 1790 geschrieben – findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 118r. 308 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 86r. 309 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 119r–119v [Konzept von Schreiberhand]. Woellner hatte diese Resolution eigenhändig auf Zöllners Brief konzipiert. AaO Bl. 118r. 310 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 85r [Konzept].

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J. Die Zensur

ironische Klageschrift311, in der Woellner als der „erleuchtete Chef“312 bezeichnet wurde. Da dessen Reskript keinen Irrtum enthalten könne, müsse also Zöllner, als er das Büchlein Gebhards die Zensur hatte passieren lassen, unrecht gehandelt haben. Amelang führte ironisch eine vermeintliche Analogie zwischen dem Rosenkreuzerorden und dem neuen allgemeinen Lehrbuch an: Oft werde es dem Orden der Rosenkreuzer zum Vorwurf gemacht, daß er an Universaltinkturen arbeite, durch die er der schnellen Zerstörung des Körpers vorbeugen wollte; man erhebe diesen Vorwurf nicht, weil es etwa nicht gut wäre, derartige Arcana zu erforschen, sondern bloß deshalb, weil man diese Bemühung im Hinblick auf den unmöglich zu erreichenden Zweck für unnütz halte. Durch die Einführung eines allgemeinen Lehrbuchs der christlichen Religion bemühe man sich nun, derart allgemeine, für das Heil der Seelen „wohlthätige“ Grundsätze zu liefern, durch die sich der ungebildete und unerfahrene Bauer ebenso gut und richtig seiner Seligkeit versichern könne wie der „erleuchtete Theologe“, der Bettler ebenso gut wie der Fürst313. Am 5. Mai 1791 wurde der Zensor vom Kammergericht von jedem Schadensanspruch freigesprochen314. Die zensierte Schrift sei in einem „bescheidenenen [sic] Tone“315 abgefaßt. „Wenn jemals über Gesetze und öffentliche Anstalten mit Nutzen geschrieben werden kann; so ist es gewiß zu der Zeit, da sie eben entworfen werden.“316 Der Kläger mußte alle Kosten übernehmen317. Am 19. Mai schrieb Gebhard an den König318. Aus dem Urteil des Kammergerichts schloß er, daß seine Schrift sowohl nach den allgemeinen Grundsätzen des Rechts und der Billigkeit als auch nach den preußischen Landesgesetzen keineswegs verwerflich sei319. Sein Handeln könne, räumte Gebhard ein, höchstens deswegen strafbar sein, weil er gerade zu jener Zeit, als die königliche Landesregierung einen Landeskatechismus einführen wollte, im Allgemeinen wider die „Nutzbarkeit“320 eines derartigen Buches geschrieben hatte. Da er 311 Ausführung der Gerechtsame des Unger wider Zöllner verfaßt von Amelang 12. April 1791, in: [Johann Friedrich Unger,] Prozeß des Buchdrucker Unger gegen den Oberkonsistorialrath Zöllner in Censurangelegenheiten wegen eines verbotenen Buchs. Aus den bei Einem Hochpreißl. Kammergericht verhandelten Akten vollständig abgedruckt, Berlin 1791, 85–107. Die ganze Klageschrift Amelangs war „ein beißendes Pasquill auf Wöllner“. Philippson, Geschichte, Bd. 1, 341. 312 Ausführung der Gerechtsame des Unger wider Zöllner verfaßt von Amelang 12. April 1791, in: [Unger,] Prozeß, 93. 313 AaO 94. 314 Das Erkenntnis des Kammergerichts ist abgedruckt aaO 109–135. 315 AaO 128. 316 AaO 132. 317 AaO 134. 318 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 120r–121r. 319 AaO Bl. 120r. 320 AaO Bl. 120v.

IV. Johann Friedrich Unger und Johann Georg Gebhard

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Gefahr laufe, bei einem fortdauernden Verbot seines Buchs vom Publikum „für einen unruhigen Kopf, für einen muthwilligen Störer der öffentlichen Ruhe, oder gar fur [sic] einen Pasquillanten“321 gehalten zu werden, bat er den König, den Verkauf der Schrift zu erlauben. Unter dem 23. Mai erging jedoch, nach einem Beschluß des Staatsrats322, an den Bittsteller die von Svarez unterschriebene Resolution, daß eine Beeinträchtigung seines guten Namens nicht ersichtlich sei323. Das Verbot also blieb bestehen. Um Woellner öffentlich zu brüskieren, veröffentlichte Unger alsbald die Akten des Prozesses324. 3. Weitere Zensurmaßnahmen Unter dem 1. September 1791 erging an Carmer eine Kabinettsordre325. Da sich die bisherigen Bücherzensoren „an das Censur-Edict gar nicht kehren“, sondern „viel zu leichtsinnig“ verfahren seien, sollte Carmer zur Zensur den Oberkonsistorialrat Hermes und den Geheimen Rat Hillmer bestellen. Sogleich an demselben Tag beschied Carmer den beiden, daß sie sich am Nachmittag des folgenden Tages bei ihm einfinden sollten326. Nachdem er mit Hermes und Hillmer gesprochen hatte, beauftragte der Großkanzler Woellner, beim Oberkonsistorium die notwendigen Verfügungen zu treffen, damit alle theologischen und moralischen Schriften nur diesen beiden Zensoren vorgelegt würden327. Unter dem 5. September erging dann ein entsprechendes von Woellner unterschriebenes Reskript an das Kurmärkische Oberkonsistorium328. Alle theologischen und moralischen Schriften sowie alle Zeit- und Gelegenheitsschriften329, die beim Kurmärkischen Oberkonsistorium eingereicht werden würden, müßten an Hermes und Hillmer abgegeben werden. Weil in der Kabinettsordre an Carmer vom 1. September jedoch bloß von den theologischen und moralischen Schriften, nicht aber von den Monats- und überhaupt Zeit- und Gelegenheitsschriften die Rede gewesen war, erhielt Hillmer keine Schrift zur Zensur. Am 14. Oktober 1791 schrieb er daher an den 321

AaO Bl. 121r. GStA PK, I. HA, Rep. 21, Nr. 127, Nr. 105, unpag. 323 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 123r. 324 [Unger,] Prozeß. 325 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 22, Bl. 40r und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 97v [Abschrift]. 326 Ebd. 327 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 181r. Eine Abschrift findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 97r. 328 AaO Bl. 96r. Das Konzept von Schreiberhand mit Verbesserungen von Woellner findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 21, Bl. 183r. 329 Die „Zeit und Gelegenheits-Schriften“ hatte Woellner noch nachträglich eingefügt. Ebd. 322

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J. Die Zensur

König und betonte, daß gerade diese Schriften von allen Klassen und Ständen des Volkes am meisten gelesen würden und durch diese Art von Schriften „der Religion, der Ruhe und guten Ordnung in Deutschland wie in Frankreich“ mehr als durch größere theologische und moralische Werke geschadet worden sei und auch zukünftig geschadet werden könne330. Da Hillmer in seiner Instruktion ausdrücklich diese Schriften zur Zensur anvertraut worden waren, bat er den König, sich von Woellner darüber näheren Bericht geben zu lassen. Unter dem 19. Oktober 1791 stimmte der König in einer Kabinettsordre an Woellner Hillmers Gesuch zu, daß ihm von nun an alle Monatsschriften, alle Zeit- und Gelegenheitsschriften, alle pädagogischen Schriften sowie alle Broschüren philosophischen und moralischen Inhalts ebenso wie die größeren theologischen und moralischen Bücher zur Zensur eingeschickt werden müßten331. Die tatsächliche Wirkmacht der Zensoren war freilich beschränkt332. Auch wiederholte Einschärfungen änderten nichts. Unter dem 5. März 1792 erging an das Kurmärkische Oberkonsistorium durch ein von Finckenstein, Carmer, Friedrich Wilhelm Graf v. d. Schulenburg-Kehnert, Dörnberg, v. d. Reck, Woellner, Goldbeck und Philipp Carl Graf v. Alvensleben unterschriebenes Reskript der Befehl, sich genau nach dem Inhalt des Zensuredikts – soweit die Zensur zu seinem Ressort gehöre – zu richten333. Dieses Reskript, das v. d. Hagen erst am 28. März vorgelegt wurde, zirkulierte dann Ende März und Anfang April beim Oberkonsistorium. Abschriftlich erhielt das Oberkonsistorium ein Circulare, das an demselben Tag, am 5. März, an alle Regierungen und Oberlandesjustizkollegien ergangen war und den Befehl enthalten hatte, bei der Zensur genau darauf zu achten, daß der Druck von Schriften, in denen Äußerungen gegen „die allgemeinen Grundsäzze der Religion“, gegen den Staat und gegen die moralische und bürgerliche Ordnung enthalten wären, nicht gestattet werde. 330

AaO Bl. 185r [Abschrift]. AaO Bl. 184r. Unter dem 31. Oktober 1791 ergingen entsprechende, von Carmer unterschriebene Reskripte an das Kammergericht und an Hillmer. AaO Bl. 187r [Konzept von Schreiberhand]. 332 Teller und die anderen Zensoren hatten die Zensur in keiner Weise streng gehandhabt. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1927, Bl. 14r–124r. Wie wenig auch Hermes und Hillmer dann ausrichteten und wie oft sie das Imprimatur erteilten, zeigen die Akten. AaO Bl. 125r–198r. Am 16. Januar 1793 zum Beispiel meinte Hillmer den Druck von Predigten nicht versagen zu können, die zwar „nur wenig eigentlich und ganz Schriftmässiges, doch nichts gradezu und auffallend Schriftwidrigs“ enthielten. AaO Bl. 166r. Problemlos etwa passierte Spaldings „Nutzbarkeit“, die Friedrich Voß am 12. Januar 1791 mit neuen Vermehrungen überreichte, die Zensur: Bereits am 13. Januar notierte v. d. Hagen, daß das Imprimatur erteilt worden war. AaO Bl. 91r. 333 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 105r. Das von Finckenstein, Carmer, Schulenburg und Alvensleben unterschriebene Reskript findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 24, Bl. 18r–18v [Konzept]. 331

V. Die „Allgemeine deutsche Bibliothek“ von Friedrich Nicolai

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Auch an den Berliner Buchhändlern fand Woellner wenig Wohlgefallen. Eine Ausnahme war der Buchhändler Joachim Pauli. Am 1. Juli 1792 hatte Woellner den König gebeten, Pauli den von ihm erbetenen Titel eines Geheimen Kommerzienrates zu verleihen334. Pauli habe ihm bislang „als ein frommer redlicher Mann“ immer den Gefallen erwiesen, diejenigen Schriften, die gegen die Aufklärer gerichtet waren, nach Berlin einzuführen und dort unter das Publikum zu bringen, während die übrigen Berliner Buchhändler „durch ein ordentliches Complòt“ vereinbart hatten, niemals solche Schriften zu verkaufen. „Gott hat ihm [sic] auch für seine Rechtschaffenheit geseegnet“, und er habe sich ein ansehnliches Vermögen erworben. Mit seinem florierenden, ausgedehnten Geschäftsverkehr ernähre Pauli gewiß über hundert Menschen und zog fremdes Geld ins Land. Woellner unterstützte dessen Bitte, da er „der guten Sache wircklich sehr beförderlich und nützlich ist“. In der entsprechenden, auf den 2. Juli datierten Kabinettsordre335 ließ Woellner den König dem Generaldirektorium befehlen, für Pauli das Patent als Geheimer Kommerzienrat auszufertigen.

V. Die „Allgemeine deutsche Bibliothek“ von Friedrich Nicolai 1. Das Verbot Am 10. November 1791 wurde das Zensuredikt auch auf Periodika ausgedehnt. Die von Friedrich Gedike und Johann Erich Biester seit 1783 herausgegebene „Berlinische Monatsschrift“ wanderte daher nach Jena und dann nach Dessau aus336. Friedrich Nicolai337 übergab den Verlag seiner „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“, die er bereits Ostern 1765 begründet hatte338, in die Hände von 334

GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 52r. Ebd. 336 Thomas Theisinger, Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen Religionsedikt und im System des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten aus dem Jahre 1794. Eine rechtsgeschichtlich-rechtsdogmatische Untersuchung, Diss. masch., Heidelberg 1975, 41 und Philippson, Geschichte, Bd. 1, 365 f. 337 Zu Nicolai vgl. Albrecht Beutel, Art. Nicolai, (Christoph) Friedrich, in: RGG4 6 (2003), 290 f. 338 Philippson, Geschichte, Bd. 1, 50. Zu Friedrich Nicolais aufklärerischem Engagement vgl. Habersaat, Verteidigung, Teil 1 und Dies., Verteidigung der Aufklärung. Friedrich Nicolai in religiösen und politischen Debatten, Teil 2 Editionsband. Friedrich Nicolai (1733–1811) in Korrespondenz mit Johann Georg Zimmermann (1728–1795) und Christian Friedrich von Blanckenburg (1744–1796). Edition und Kommentar, Epistemata. Würzburger Wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft 316, Würzburg 2001. 335

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Carl Ernst Bohn im dänischen Altona. Seit 1792 führte Bohn die Zeitschrift in seiner Kieler Universitätsbuchhandlung339. In Preußen war ihres Bleibens nicht, da in den Bänden 114 und 115 nahezu alle Schriften über das Religionsedikt zensiert wurden340. Unter dem 17. April 1794341 erließ Friedrich Wilhelm II. eine Kabinettsordre an Carmer, nachdem die Geistliche Immediat-Examinationskommission den König ersucht hatte, die „Allgemeine deutsche Bibliothek“ als „ein gefährliches Buch“ gegen die christliche Religion in Preußen zu verbieten342. Carmer sollte dies sofort verfügen und die Immediat-Examinationskommission unverzüglich auffordern, eine Liste aller Bücher und Schriften zu übergeben, die nach ihrem Urteil „schädliche principia wieder den Staat und die Religion“ enthielten, damit er diese Bücher durch den Generalfiskal konfiszieren lassen und den Verkauf verbieten könnte. Dies müsse ohne die mindeste Nachsicht geschehen, und die Bücherzensur müsse überhaupt strenger als bislang gehandhabt werden. Dafür bleibe ihm Carmer verantwortlich. Unter dem 19. April 1794 erging dann ein von Carl Gottlieb Svarez konzipiertes Circulare an alle Regierungen und Oberlandesjustizkollegien exklusive Südpreußen343. Carmer jedoch wähnte Überforderung, so daß er sich unter dem 19. April an den König wandte344. Da er über weder hinreichende Zeit noch Kenntnis verfügte, um alle herauskommenden Schriften und Journale selbst zu lesen und zu beurteilen, bat er den König, Woellner – zu dessen Ressort die theologische 339

Kemper (Hg.), Mißbrauchte Aufklärung?, 103. Heinrich Philipp Conrad Henke, Beurtheilung aller Schriften welche durch das Königlich Preußische Religionsedikt und durch andre damit zusammenhängende Religionsverfügungen veranlaßt sind (gesonderter Abdruck aus AdB 114/2 und 115/1), Kiel 1793. Zu Henke vgl. Albrecht Beutel, Art. Henke, Heinrich Philipp Konrad, in: RGG4 3 (2000), 1626. 341 Bereits am 30. März 1794 hatte der König gegenüber Woellner betont, daß die „Allgemeine deutsche Bibliothek“ verboten werden müsse, und ihm befohlen: „suchen sie dieses mit Carmer zu arrangiren“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 84r–85v, hier 85v. 342 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 22, Bl. 77r. Zum Verbot der „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“ vgl. auch Habersaat, Verteidigung, Teil 1, 142–150. 343 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 22, Bl. 78r [Konzept]. Keinerlei Ausnahmen im Gebrauch der „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“ wurden gestattet: Am 20. Juni 1794 bat der Professor Johann Daniel Metzger aus Königsberg um die Erlaubnis, dieses Werk zu seinem Privatgebrauch halten und lesen zu dürfen, weil er es nur als ein medizinisches Journal gebraucht habe und es ihm als solches unentbehrlich sei. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 232, Bl. 104r. Jedoch unter dem 1. Juli konzipierte Hermes eine rundum abschlägige Resolution. Da das Journal durch eine Kabinettsordre verboten sei, könne seine Einführung nach Preußen nicht erlaubt werden. Ebd. Woellner präzisierte in dem Exemplar von Schreiberhand, daß eine Einführung des Journals „von Unserer Seits“ nicht gestattet werden könne. AaO Bl. 105r [Konzept]. Indirekt ermutigte er Metzger damit zu einer Immediateingabe. 344 Das hatte Svarez konzipiert. GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 22, Bl. 79r [Konzept]. 340

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Zensur gehörte – anzuweisen, daß er auf derartige Schriften sein Augenmerk richten solle. Carmer werde dann für eine rasche juristische Untersuchung sorgen. Friedrich Wilhelm II. nahm die Bitte des Großkanzlers auf und erließ unter dem 21. April 1794 eine entsprechende Kabinettsordre an Woellner345. Am 9. Juni 1794 beklagten sich aus Halle alle dortigen Buchhändler beim König346. Durch das jüngst erlassene Verbot des Debits der „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“ würden sie den allergrößten Verlust erleiden347. 2. Die Aufhebung des Verbots Am 11. März 1795 beauftragte Woellner Hillmer, aus den älteren oder neueren Teilen der „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“ einige der „gröbsten und anstößigsten Stellen“ gegen die christliche Religion „wörtlich gefälligst auszuziehen“ und ihm spätestens in acht Tagen zukommen zu lassen348. Da die Immediat-Examinationskommission jedoch über keine Bibliothek verfügte, konnte Hillmer nicht sofort mit der Arbeit beginnen, sondern mußte Woellner bitten, ihm an demselben oder am kommenden Tag die Bände der vergangenen vier Jahre zukommen zu lassen. „Ich weiß nicht wo in aller Welt ich sie sonst auffinden soll.“349 Auf vier Seiten stellte Hillmer dann verschiedene Stellen zusammen350. Wegen der drängenden Zeit wurden Hillmers Schriftzüge immer fahriger. Matthäus etwa habe für sein „sogenanntes“ Evangelium nur im Land kursierende Anekdoten über Jesus aufgenommen, zum Beispiel die Lebendigwerdung verstorbener Menschen beim Tod Jesu. Der „denkende“ Leser zweifle zu Recht an der Auferstehung verstorbener Menschen. Und daher wäre es wohl besser, „mit der Sprache frey heraus zu gehen“ und diese Stelle für „untergeschoben“ oder 345 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 27, Bl. 45r und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 112r [Abschrift]. An demselben Tag erging an Carmer eine Kabinettsordre, in der ihn der König von der Ordre an Woellner in Kenntnis setzte. GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 22, Bl. 80r. Am 23. April 1794 erging an alle lutherischen Konsistorien inklusive Schlesien ein Circulare, das eine Abschrift der Kabinettsordre mit dem Befehl enthielt, ihrerseits allenthalben genau darauf zu achten, daß die königliche Absicht erreicht werde. GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 27, Bl. 46r [Konzept von Schreiberhand]. Eine Abschrift des Spezialbefehls an das Kurmärkische Oberkonsistorium findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 111r. Unter demselben Datum erging ein Befehl an die Immediat-Examinationskommission, daß sie die unter ihr stehenden Provinzial-Examinationskommissionen entsprechend instruieren solle. Das hatte Woellner auf der ihm übermittelten Kabinettsordre vom 21. April konzipiert. GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 27, Bl. 45r. 346 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 22, Bl. 135r–136r [Abschrift]. 347 AaO Bl. 135r [Abschrift]. 348 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 36, Bl. 104r. 349 Diese Bitte notierte Hillmer auf der Anweisung vom 11. März 1795. Ebd. 350 AaO Bl. 106r–107v.

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von Matthäus „leichtgläubig nachgebetet“ zu erklären351. Als weitere anstößige Stelle der „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“ hob Hillmer hervor, daß die Orthodoxie „Nachbeterey“352 genannt wurde. Und die altdogmatische Lehre von der Genugtuung sei ein Irrtum und überdies „moralisch schädlich“353. Die „Allgemeine deutsche Bibliothek“ wandte sich auch gegen die Lehre vom Opfertod Christi, die aus der Akkomodation der Apostel an das Bedürfnis der ersten Christen zu erklären sei354. Vom 31. März 1795 datierte ein Bericht vom Staatsrat, den Woellner nicht unterschrieben hatte und in dem der König gebeten wurde, die durch die Kabinettsordre vom 17. April 1794 verbotene „Allgemeine deutsche Bibliothek“ wieder freizugeben355. Sie sei ein kritisches Journal, das sich über alle Fächer der Gelehrsamkeit erstrecke und wegen der Gründlichkeit seiner Rezensionen „im vorzüglichsten Rufe“ stehe. Die theologischen Artikel füllten darin den kleinsten Raum. Es sei gewiß, daß ein Werk wie dieses, das nur für eigentliche Gelehrte bestimmt, sehr kostspielig und bereits auf mehr als hundert Bände angewachsen sei, niemals eine Volkslektüre werden und also auch der „Religion des Volks“, für deren Aufrechterhaltung der König sorge, niemals zum Anstoß gereichen könne. Überdies hätte sich der gegenwärtige Verleger, der Buchhändler Bohn zu Kiel, erboten, künftig bei den theologischen Rezensionen alle den preußischen Landesgesetzen angemessene Vorsicht walten zu lassen. Dann würde den Gelehrten ein Buch, das ihnen zu weiterem Fortschreiten in den übrigen Wissenschaften unentbehrlich sei, wiedergegeben und zugleich von mehreren preußischen Buchhändlern der große Verlust, den sie bei der Fortdauer des Verbots erlitten, abgewendet werden können. Am 30. März kündigte Woellner dem König diesen Bericht an356. Er trug nun Friedrich Wilhelm II. „als ein redlicher und treuer Knecht“ seine eigene Meinung vor. Es sei durchaus „vollkommen wahr“, daß das Verbot dieses Buchs dem Land finanziellen Schaden zufüge. Aber auf der anderen Seite sei es nicht weniger wahr, daß die uneingeschränkte Erlaubnis dieses Buchs „der Réligion gewis keinen Vortheil bringt“357. Um dies zu beweisen, fügte Woellner eine 351 AaO Bl. 106r. Er bezog sich auf Bd. 8/1, 87 f der „Neue[n] allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“ (NadB). In der vorliegenden Darstellung wird – der allgemeinen Gepflogenheit entsprechend – der Namenswechsel nicht weiter berücksichtigt. Nur bei den Abkürzungen wird zwischen AdB und NadB unterschieden. 352 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 36, Bl. 106r. Er bezog sich auf NadB 8/1, 367. 353 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 36, Bl. 106r. Er bezog sich auf NadB 7/1, 450. 354 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 36, Bl. 107r. Er bezog sich auf NadB 6/1, 615. 355 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 22, Bl. 164r. Das Konzept datierte vom 23. März 1795 und stammte aus der Feder von Svarez. AaO Bl. 163r–163v. 356 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 89r. 357 Ebd.

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Anlage358 bei, in der die Examinationskommission einige der „anzüglichsten“ gegen die Bibel und die christliche Religion gerichteten Stellen der „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“ gesammelt hatte. Da auch der Staatsrat diese Sätze nicht in Abrede stellen könne, spreche er von „gewissen“ Einschränkungen, unter denen die „Allgemeine deutsche Bibliothek“ wiederum freigegeben werden könne. Dieser Meinung trat Woellner bei, falls diese Einschränkungen „strenge“ befohlen und „strenge“ beobachtet würden359. In der nach dem Bericht stehenden, später auf den 1. April datierten Kabinettsordre an den Staatsrat zu Berlin wurde dem Staatsrat die Aufhebung des Verbots der „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“ mitgeteilt, die nur unter der ausdrücklichen Bedingung erfolgen sollte, daß künftig in keiner einzigen Abhandlung das Mindeste gegen die christliche Religion oder den Staat und die guten Sitten, weder direkt noch indirekt, enthalten sein dürfte360. Andernfalls werde das frühere Verbot in allen Preußischen Staaten nach aller Strenge augenblicklich wiederhergestellt werden. Der Buchhändler Nicolai müsse, da er noch seinen Nutzen aus dem Werk ziehe, dafür sorgen, daß diese Bedingung auf das Genaueste beobachtet werde. Ansonsten werde er allein dafür verantwortlich sein und in eine namhafte fiskalische Geldstrafe genommen werden. Auch Bischoffwerder hatte die Aufhebung des Verbots des Nicolaischen Rezensionsorgans befürwortet. Am 31. März 1795 setzte er in Potsdam ein Schreiben auf 361. Er hoffte, daß die Bedingungen, unter denen nach der von Woellner entworfenen Kabinettsordre das Verbot wieder aufgehoben werden 358 In der Anlage waren die von Hillmer gesammelten Zitate und Paraphrasen zusammengestellt. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 90r–91v. Neben den bereits oben genannten Stellen fanden sich dort zum Beispiel folgende Angaben: Aus NadB 8/1, 133 war eine längere Passage zitiert, in der betont wurde, daß die historische Glaubwürdigkeit der Wunder nicht hinlänglich bewiesen werden könne. AaO Bl. 90r–90v. Auch die Auferstehung Jesu könne als Wunder nicht bewiesen werden. AaO Bl. 90r. In NadB 7/1, 452 wurden einem Verfasser Vorwürfe gemacht wegen seiner „Altdogmatischen“ Äußerungen über die Notwendigkeit, „daß Jesus der Sohn Gottes seyn mußte, um unser Erlöser seyn zu können“. Die Vorstellungsart der Apostel, Jesus einen Herrn zu nennen, der über Tote und Lebendige Herr sei – „so nüzlich und angemessen sie für jene Zeiten war“ – könne nicht als für alle Zeiten festgesetzt erachtet werden (NadB 7/1, 95). Und die Vorstellungen der Apostel von Christus als Weltschöpfer und Weltrichter seien nicht im Ausspruch Jesu gegründet, sondern seien jüdischen Ursprungs. Deswegen seien sie in der gegenwärtigen „Dogmatik“ nicht mehr als „eigentliche Glaubenssätze“ (aaO Bl. 90v) zu behandeln (NadB 7/1, 97). In NadB 5/1, 179 fragte sich der dortige Rezensent, warum sich die Schuljugend immer mit dem dreieinigen Gott beschäftigen solle und nicht einfach mit Gott. AaO Bl. 91r. Das Résumé war vernichtend: „Alles ist so voll hämischer, frecher, wegwerfender Urtheile, auch förmlicher Personal-Injurien“, daß man sich wundern müsse, wie Nicolai, der damals noch Redakteur war, alles drucken ließ und nicht wenigstens „grobe Beschimpfungen“ abänderte. AaO Bl. 91v. 359 AaO Bl. 89r. 360 Ebd. Diese Kabinettsordre vom 1. April 1795 findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 22, Bl. 165r. 361 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 88r.

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sollte, genug bewirken würden, um „dergleichen freche u. zum Theil aufrührerische Anmerkungen“362, wie sie sich bislang in dem Werk gefunden hatten, zukünftig zu vermeiden. Im übrigen bleibe er, Bischoffwerder, der Meinung, daß die Irrlehre ebensowenig wie die Contrebande363 durch bloße Verbote verhindert werde. „Reine Lehre, durch gottesfürchtige Lehrer mit dem Gesicht u. Ausdruk der Warheit vorgetragen und durch gutes Beispiel derselben unterstützt, kann die Gemüther von den Irrwegen ablenken.“364 Dann sei ihnen „Gift“365 nicht mehr schmackhaft. Am 7. April 1795 wurde die „Allgemeine deutsche Bibliothek“ schließlich wieder eingeführt366. Am 10. Oktober 1795 äußerte sich Nicolai367. Da er von der Bibliothek niemals etwas vor dem Druck zu sehen bekomme, sei es ganz unmöglich, daß er für deren Inhalt verantwortlich sein könne368. Er hatte daher Bohn die königliche Resolution bekanntgemacht, damit dieser entsprechende Maßnahmen würde treffen können369. Lange Zeit beschäftigte sich die Geistliche Immediat-Examinationskommission dann nicht mehr mit Nicolai, bis sie ihm Ende 1796 eine Verwarnung erteilte370. Unter dem 23. Dezember erging an ihn ein Reskript371. Nicolai 362

Ebd. Die Contrebande bezeichnete den Schmuggel. Auch Woellner hatte 1784 in seiner „Abhandlung von der Bevölckerung der Preuß[ischen] Staaten, vornehmlich der Marck Brandenburg“ geklagt, daß nichts „tödtender und Ruinvoller“ für inländische Manufakturen und Fabriken sei als die Contrebande. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 2, Bl. 17r. 364 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 88r. 365 Ebd. 366 Ludwig Geiger, Berlin 1688–1840. Geschichte des geistigen Lebens der preußischen Hauptstadt, Bd. 2 1786–1840, Berlin 1895, 13. Das von Svarez konzipierte, vom 7. April 1795 datierende Votum des Justizdepartements auf die Kabinettsordre vom 1. April findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 22, Bl. 167r. Es ist unterschrieben von v. d. Reck, Woellner, Goldbeck und Friedrich Wilhelm v. Thulemeyer. Die Wiederherstellung des Debits sollte durch ein Avertissement in den Zeitungen und durch Circularreskripte an die Regierungen und Oberlandesjustizkollegien bekanntgemacht werden. Das Konzept der Circularreskripte findet sich aaO Bl. 168r. Das vom Staatsrat und also auch von Woellner unterschriebene Publicandum für die Berliner Zeitungen findet sich aaO Bl. 169r. 367 AaO Bl. 179r–180v. 368 AaO Bl. 179v. 369 Ebd. 370 Am 27. Dezember 1796 erstatteten Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Andreas Jakob Hecker dem König pflichtmäßig Bericht über die wichtigsten Verhandlungen in den unter Woellners Vorsitz gehaltenen monatlichen Konferenzen. Die Immediat-Examinationskommission hatte wieder Friedrich Nicolai ins Visier genommen. Zwei Jahre lang war er unbehelligt geblieben. Aber nun, wegen mehrerer der Bibel und dem Religionsedikt „gänzlich zuwiderlaufende[r]“ Äußerungen in den neuesten Bänden der „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“, hatte das Geistliche Departement an Nicolai ein Warnungsreskript erlassen, das ihm die in der vom 1. April 1795 datierenden Kabinettsordre angedrohte Strafe mahnend einschärfte. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 41r–42v, hier 42r. 371 GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 22, Bl. 190r [Konzept von Schreiberhand]. 363

VI. Immanuel Kant

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werde erinnerlich sein, unter welchen ausdrücklichen Bedingungen die von ihm nachgesuchte Aufhebung des Verbots der „Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek“ durch die Kabinettsordre vom 1. April 1795 gegeben worden sei. Mit um so größerem Mißfallen müsse der König aus mehreren Stellen in den neuesten Bänden ersehen, daß die theologischen Rezensenten sich nach wie vor mancherlei „unehrerbietige“ und „ungebührliche“ Äußerungen und Urteile über biblische Aussprüche und „wesentliche Lehrsätze des Christenthums“ überhaupt und der evangelisch-lutherischen Konfession insbesondere erlaubten, mithin dem „klaren“ Inhalt des Religionsedikts gänzlich zuwiderhandelten. Nicolai wurde nochmals verwarnt und daran erinnert, sorgfältiger als bislang darauf zu achten, daß sich zukünftig derartige Äußerungen nicht mehr fänden. Widrigenfalls hätte er sich die in der Kabinettsordre vom 1. April 1795 angedrohten nachteiligen Folgen selbst zuzuschreiben. Im Herbst 1800 konnte Nicolai die „Allgemeine deutsche Bibliothek“ wieder übernehmen. Einige Jahre später, am 8. Januar 1811, starb er im neunundsiebzigsten Jahr372.

VI. Immanuel Kant 1. Die verweigerte Drucklegung 1792 gedachte Immanuel Kant, in der von Johann Erich Biester und Friedrich Gedike herausgegebenen „Berlinische[n] Monatsschrift“, die zu jener Zeit bereits in Jena erschien, eine Reihe von Beiträgen zu einer philosophischen Religionslehre zu veröffentlichen. Um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, er habe der preußischen Zensur aus dem Wege gehen wollen, forderte Kant, daß sein erster Aufsatz den Berliner Zensoren vorgelegt werde. Nachdem Hillmer die Druckerlaubnis erteilt hatte – Kants Schriften würden ohnehin nur von Gelehrten gelesen – und der Aufsatz im Aprilstück 1792 erschienen war, sollte in der „Berlinische[n] Monatsschrift“ unter dem Titel „Vom Kampfe des guten Prinzips mit dem bösen um die Herrschaft über den Menschen“ ein weiterer,

Das geringfügige Abweichungen enthaltende Konzept von Hillmers Hand findet sich aaO Bl. 189r. 372 Seine Frau und alle seine Kinder waren ihm bereits vorausgegangen. Gegen Ende des Jahrhunderts, als die geistige Strömung zunehmend Romantisches annahm, hatte Nicolai nicht mehr ausstrahlend zu wirken vermocht. Bis zuletzt, bis zu seinem Tod, war er friderizianischer Aufklärer geblieben und hatte seinen dieser Zeit verpflichteten Haarzopf beibehalten, während die junge, moderne Generation – wie die Humboldts und Schleiermacher – die Haare kurzgeschnitten trug. Günter de Bruyn, Als Poesie gut. Schicksale aus Berlins Kunstepoche 1786 bis 1807, Frankfurt a. M. 2006, 114.

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J. Die Zensur

auf vier Artikel angelegter Aufsatz folgen, in dem Kant seine Religionslehre darlegen wollte373. Also schickte Biester Kants Manuskript, weil es philosophisch-moralischen Inhalts war, an den für dieses Fach zuständigen Zensor Hillmer, der am 14. Juni 1792 antwortete374. Da das Manuskript in die eigentliche biblische Theologie eingreife, hatte er es, seiner Instruktion gemäß, gemeinschaftlich mit Hermes durchgelesen. Und weil Hermes sein Imprimatur versagt hatte, war Hillmer ihm in diesem Urteil schlichtweg beigetreten. Biester jedoch sah in dem Verbot einen Widerspruch zu § 11 des Zensuredikts vom 19. Dezember 1788, so daß er bereits am folgenden Tag, am 15. Juni, von Hermes erfragte, wie und wodurch der Kantische Aufsatz gegen das Zensuredikt verstoße375. Daß Hermes vielleicht, formulierte Biester fragend, ein anderes Reglement befolge, könne er sich kaum vorstellen, da ein solches Reglement dann zur Beachtung der Schriftsteller hätte bekanntgemacht werden müssen. Einen weiteren Tag später, am 16. Juni, antwortete Hermes kurz376. Auch Biester selbst werde eingestehen, daß derjenige, dem der Landesherr ein Amt aufgetragen habe, nur diesem seinem Landesherrn – unmittelbar oder bei der jeweiligen Instanz – für die Verwaltung des Amts verantwortlich sei. Bei der Zensur müsse die Untersuchung allein von dem Verhältnis bestimmt werden, das eine theologische Aussagen enthaltende Schrift zum Religionsedikt vom 9. Juli 1788 habe. Biester aber beruhigte sich bei dieser Antwort nicht und schrieb daher am 20. Juni an den König377. Er trug Kants Fall vor, in dem nicht nur er selbst, sondern vielmehr „einer der größten“ und von Friedrich Wilhelm II. „geschätzten Philosophen gekränkt zu sein scheint“. Sogar die Pressefreiheit und die Wissenschaften selbst müßten nachteilige Bedrückungen befürchten, wenn Männer wie Kant zukünftig entweder, zum Schaden des inländischen Buchhandels, im Ausland würden drucken lassen oder, zum Schaden der Wissenschaften, würden schweigen müssen. Da der König seit seinem Regierungsantritt kein anderes Zensuredikt erlassen habe als dasjenige vom 19. Dezember 1788, sei anzunehmen, daß die bestallten Zensoren dieses Gesetz als Richtschnur in ihrer Amtsführung befolgten. Aber es würde „wohl ewig unmöglich bleiben“, in diesem Edikt einen Grund zu finden, dessentwegen der Aufsatz nicht gedruckt werden dürfte378. Nachdrücklich verteidigte Biester den 373

Hoffmann, Hermes, 101 f. GStA PK, I. HA, Rep. 9 AV, F 2a, Fasz. 24, Bl. 57r. 375 AaO Bl. 58r [Abschrift von Biesters eigener Hand]. 376 AaO Bl. 59r. 377 AaO Bl. 55r–56v und 61r. 378 AaO Bl. 55r. „Kant nimt bekanntlich einen so hohen und reinen Grundsatz der Moralität an, daß mehrere seiner gelehrten Gegner ihn für die mit Sinnlichkeit bekleideten Menschen zu hoch und zu rein gehalten haben.“ AaO Bl. 55v. 374

VI. Immanuel Kant

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großen Philosophen: „Und was die ‚Religion‘ betrift, so dringt Kant in diesem Aufsatz nicht allein im Allgemeinen auf eine Gott wohlgefällig einzurichtende Gesinnung und Handlungsart; sondern er findet auch sein höchstes Prinzip der Moralität noch insbesondere in der Christlichen Religion und in der Bibel, so daß dieselbe auch durch diese Untersuchung noch ehrwürdiger erscheint.“379 Hermes’ Antwort hatte Biester gezeigt, daß die neuen Zensoren offenbar noch andere, in dem Zensuredikt nicht enthaltene Regeln in der Verwaltung ihres Amtes befolgten. Ob Hermes zu Recht oder zu Unrecht als eine dieser Regeln das Religionsedikt angeführt hatte, lasse sich nicht beurteilen380. Man könne aber nicht Gesetze befolgen und nach Gesetzen gerichtet werden, die man nicht kenne381. Der König werde, schmeichelte Biester, einen derartigen Zwang gewiß nicht autorisieren. Im übrigen habe von Anfang an bei der Ansetzung dieser beiden neuen Zensoren über ihre eigentlichen Geschäfte ein sonst in Preußen nicht gewöhnliches „Dunkel“ geherrscht, dessentwegen es auch ungewiß sei, welche Art von Schriften recht eigentlich ihrer Zensur anvertraut worden seien382. Biester bat Friedrich Wilhelm II., dem Kantischen Aufsatz, auch wenn er gegen ein künftig zu publizierendes Zensuredikt verstieße, das königliche Imprimatur zu erteilen383. Biesters Anstrengungen jedoch waren vergeblich. Unter dem 2. Juli 1792 wurde ihm beschieden, daß seine Beschwerde für ungegründet befunden worden war und also das Druckverbot der Kantischen Schrift bestehen bleibe384. 2. Die „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ Nun beschloß Kant, die vier Artikel als einzelnes Buch herauszugeben und auf diese Weise die Zensoren zu umgehen. Denn nach § 4 des Zensuredikts waren diejenigen Schriften, die auf den Universitäten verfaßt und gedruckt wurden, nicht der Berliner Zensur unterworfen. Zur Ostermesse 1793 erschien die „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“, nachdem die theologische Fakultät der Königsberger Universität die Druckerlaubnis gegeben hatte385. Obwohl Friedrich Wilhelm II. am 30. März 1794 Woellner scharf anwies, daß es mit Kants „schädlichen“ Schriften „nicht lenger fort gehn“ dürfe386, erhielt der Königsberger erst am 1. Oktober von ihm im Namen des Königs ei379

Ebd. Ebd. 381 AaO Bl. 56r. 382 Ebd. 383 AaO Bl. 61r. 384 AaO Bl. 51r. 385 Hoffmann, Hermes, 102. 386 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 2, Bl. 84r–85v, hier 85r. 380

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J. Die Zensur

nen Verweis wegen dieser Schrift387. Der König habe schon seit geraumer Zeit mit großem Mißfallen gesehen, wie Kant seine Philosophie zur „Entstellung u. Herabwürdigung“ mancher „Haupt- u. GrundLehren der heil. Schrift u. des Christenthums“ mißbrauche388. Namentlich sei dies in der „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ geschehen. Da Kant selbst einsehen müsse, wie unverantwortlich er dadurch gegen seine Pflicht als Lehrer der Jugend und gegen die königlichen Absichten handele, wurde seine unverzügliche Verantwortung verlangt. Er solle sich zukünftig, um nicht in königliche Ungnade zu fallen, nichts dergleichen zu Schulden kommen lassen, sondern sein Ansehen und seine Talente dazu verwenden, daß die königliche Absicht „mehr und mehr“ erreicht werde. Bei fortgesetzter „Renitenz“ müsse er „unangenehmer Verfügungen“ gewärtig sein. Kant selbst wurde nicht ferner behelligt, jedoch seine Religionsschrift durfte auch weiterhin in Vorlesungen nicht gebraucht werden. Nachdem die Geistliche Immediat-Examinationskommission in dem bereits approbierten Lektionskatalog der Universität zu Königsberg „mit dem größten Befremden“ unter den theologischen Privatvorlesungen ein von Johann Ernst Schulz angekündigtes Kolleg über Kants „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ gefunden hatte, konzipierte Hillmer am 14. Oktober 1795 ein Reskript an das Ostpreußische Staatsministerium389. Sowohl Schulz als auch allen anderen Professoren wurde der Gebrauch dieses Buchs bei ihren Vorlesungen „Ein für allemal“ untersagt390. 387 1798 berichtete Kant von diesem Vorfall. Immanuel Kant, Der Streit der Fakultäten, in: Werke in zehn Bänden 9, hg. von Wilhelm Weischedel, Darmstadt 1975, 261–393, 267–274 (Vorrede). Johann David Erdmann Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, IV–V, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 2 (1865, ND 1972), 746–774, hier 769 f. Bereits am 2. April 1794 war in der Konferenz der Immediat-Examinationskommission beschlossen worden, daß wegen Kant abgewartet werden solle, was die anzustellenden näheren Untersuchungen ergeben würden. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 59r–61r, hier 60r. Erst ein halbes Jahr später also erging das Reskript an den berühmten Philosophen. Woellner selbst war nicht an einer Maßregelung Kants gelegen. 388 Das hatte Hillmer konzipiert. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 232, Bl. 115r. 389 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 255, Bl. 154r [Konzept]. Das von Woellner und Hillmer unterschriebene Konzept von Schreiberhand findet sich aaO Bl. 155r [Konzept]. 390 Unter dem 6. November 1797 berichtete die Geistliche Provinzial-Examinationskommission zu Minden in ihrem halbjährlichen Generalbericht von einer Prüfung pro licentia concionandi. Die Probepredigt des Kandidaten über Joh 6,68 f hatte nicht ihr Gefallen gefunden, weil er die im Text enthaltenen wichtigen „Wahrheiten“ fast gar nicht berührt, sondern stattdessen „lauter kantische Philosophie“ vorgetragen habe. Da ihm diese Philosophie auf der Universität Jena, wo er studiert hatte, als die höchste Weisheit vorgetragen worden war, hatte er geglaubt, seine Geschicklichkeit und Gelehrsamkeit durch eine solche Predigt am besten zeigen zu können. Er nahm dann die Ermahnungen, daß sich diese Philosophie „durchaus nicht auf die Kanzel schikke“, an und versprach, die Mahnrede künftig zu beherzigen. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 39, Bl. 40r–42v, hier 41r.

VII. Johann Gottfried Hasse

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VII. Johann Gottfried Hasse 1. Die Broschüre „Ueber itzige und künftige Neologie“ Auch gegen einen Kollegen Kants richtete sich das Auge der Geistlichen Immediat-Examinationskommission. Im Frühjahr 1794 wurde die Kommission wegen der Broschüre „Ueber itzige und künftige Neologie“ des Konsistorialrats und Professors Johann Gottfried Hasse zu Königsberg aktiv. Hasse prophezeite in dieser 1792 anonym erschienenen Schrift, daß am Ende des Jahrhunderts die Neologie, die von der Obrigkeit nicht eingeschränkt werden dürfe, da sie bislang keinen Schaden verursacht habe und auch zukünftig kein Schaden denkbar sei, einen vollkommenen Sieg erringen werde. Die Symbolischen Bücher unterlägen in ihrer Bedeutung einer zeitlichen und örtlichen Begrenzung. Unter dem 10. April 1794 meldete die Immediat-Examinationskommission dann dem König391, daß bereits vor geraumer Zeit eine dem Religionsedikt „grade zuwider laufende“ Broschüre erschienen sei, von welcher – sowohl nach verschiedenen Privatnachrichten als auch nach dem allgemeinen Gerücht – der Konsistorialrat und Professor Hasse als Verfasser angegeben werde392. Nachdem die Immediat-Examinationskommission den Verdacht erhärtet hatte, erging unter dem 15. April ein Reskript an Hasse393. Da er dem allgemeinen Vernehmen nach der Verfasser dieser Broschüre sei, müsse er sich „cathegorisch“ erklären, ob dieses Gerücht zutreffend sei. Bejahte er dies, müßte er sich über den dem Religionsedikt „grade zuwider laufenden“ Inhalt dieser Schrift unverzüglich verantworten. 2. Hasses Verteidigung Knapp zwei Wochen später, am 28. April 1794, verfaßte Hasse seine Verteidigung, in der er keinen Mut zeigte, sich aufrichtig zu seiner Überzeugung zu bekennen394. Er habe diese Broschüre als eine „historisch-theologische 391 Am 2. April 1794 war in der Konferenz der Immediat-Examinationskommission beschlossen worden, daß wegen Hasse abgewartet werden solle, was die anzustellenden näheren Untersuchungen ergeben würden. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 59r–61r, hier 60r. 392 Am 15. April 1794 wurde Woellner das Schreiben vorgelegt. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 232, Bl. 101r. 393 Ebd. [Konzept von Schreiberhand] und GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 33r [Abschrift]. An demselben Tag übermittelte Woellner dies der Immediat-Examinationskommission mit einem königlichen Spezialbefehl. AaO Bl. 32r. 394 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 232, Bl. 107r–108r. Eine Abschrift mit kleinen graphematischen Abweichungen findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 35r–37v [Abschrift].

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Schrifft“ über einen damals unter den Theologen gängigen Begriff geschrieben, als er hoffte, bei einer auswärtigen Akademie angestellt zu werden, die derartige Schriften erlaubte395. Nachdem ihm dann der Königsberger Magistrat aber ein Schulamt anvertraut hatte und er nicht ins Ausland gegangen war, wollte er jene Schrift nicht ungebraucht liegenlassen und veröffentlichte sie ohne Namensangabe. Er habe freilich niemals danach gelehrt und wünschte nun, daß er sie nicht geschrieben hätte396. Im übrigen widerspreche der Inhalt der Broschüre nicht dem Geist des Religionsedikts, das nicht das Schreiben über theologische Begriffe verbiete, und so habe er über den Begriff ‚Neologie‘ geschrieben – bloß historisch und überdies anonym397. Das Religionsedikt wolle „die reine Lehre Jesu“, die in seiner Broschüre ‚Orthodoxie‘ heiße und der er „mit Leib und Seele“398 zugetan sei, gelehrt und nach der Bibel verbreitet wissen. Er hänge als Untertan „mit ganzer Seele“399 an der preußischen Verfassung. Wenn alle so dächten wie er, würde gewiß in keinem Fall irgendeiner königlichen Verordnung zuwider gelehrt, gelebt und geschrieben werden400. Am 4. Mai übersandte Woellner der Immediat-Examinationskommission dieses Verteidigungsschreiben401. Hillmer beauftragte Theodor Carl Georg Woltersdorff, Hasses Verteidigungspunkte mit dessen Schrift zu vergleichen und das Resultat schriftlich aufgesetzt in der nächsten Konferenz vorzutragen402. Erst unter dem 24. Juni überreichte die Immediat-Examinationskommission dem König diese Erinnerungen gegen die Verantwortung von Hasse403, die ausführlich geraten waren404: Hasse habe, entgegen seiner Behauptung, keineswegs eine historisch-theologische Schrift verfaßt. „Ein Historicus erzählt nur facta, aber er behauptet und verwirft nicht dogmata, wie der Verfaßer mit gröster Dreistigkeit gethan hat.“405 Und wenn er zu einer Zeit geschrieben habe, als er hoffte, ins Ausland berufen zu werden, wo derartige Äußerungen erlaubt waren, sei dies kein Zeichen von Wahrheitsliebe, „wenn man dahin siehet wo der Wind herkommt“406. Weitere Widersprüche taten sich auf: Hasse be-

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GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 232, Bl. 107r. Ebd. 397 Die in der Broschüre aufgestellten Sätze seien historische Angaben und keine eigenmächtigen Behauptungen. AaO Bl. 107v. 398 Ebd. 399 AaO Bl. 108r. 400 Ebd. 401 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 31, Bl. 34r. Auf diesem Beizettel bemerkte Woellner außerdem, daß er die Antworten von Niemeyer und Nösselt an den König geschickt habe. 402 Ebd. Woltersdorffs Notizen finden sich aaO Bl. 39r–40v. 403 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt II, Nr. 232, Bl. 109r. 404 AaO Bl. 110r–111v. 405 AaO Bl. 110r. 406 Ebd. 396

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hauptete, nichts gegen den Geist des Religionsedikts geschrieben zu haben407. Aber das Religionsedikt bezeichnete die Bibel als das geoffenbarte Wort Gottes, während Hasse schrieb, daß es ihr einen höheren Wert gäbe, wenn man sie als ein Buch von Menschen an Menschen ansähe. Inspiration der Worte und Sachen falle fort408. Und während das Religionsedikt das Versöhnungswerk und die Genugtuung des Welterlösers betonte, hing Hasse der Auffassung an, daß es das einzige Geschäft Jesu gewesen sei, „die reine Lehre der Wahrheit“409 zu lehren. Fast zwei Monate später, unter dem 19. August, wurde Hasse schließlich beschieden, daß der König mit dem höchsten Mißfallen gesehen habe, wie er durch bloß nichtige Vorstellungen seine Broschüre zu verteidigen suche410. Also erhielt Hasse einen scharfen Verweis, daß er sich sowohl in seinem mündlichen Unterricht als auch in seinen Schriften genau nach dem Religionsedikt richten müsse. Widrigenfalls hätte er es „sich selbst zuzuschreiben“, wenn bei „fernerer Renitenz die schon izt verdienten, strengern Verfügungen gegen ihn unfehlbar erlassen werden“. Die ganze Angelegenheit war nun beendet.

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AaO Bl. 110v. Ebd. 409 Ebd. 410 Das hatte Hillmer konzipiert. AaO Bl. 112r. Das Konzept von Schreiberhand findet sich aaO Bl. 113r–113v. Hoffmann, Hermes, 110 und Schwartz, Der erste Kulturkampf, 354 f. 408

K. Fiskalische Untersuchungen Nur das Justizkollegium einer Provinz konnte einen Geistlichen seines Amtes entsetzen. Die Konsistorien hatten diese Zuständigkeit bereits 1748 verloren1. In der Mark Brandenburg zum Beispiel wurde also nicht das Oberkonsistorium, sondern die Kriminal-Deputation des Kammergerichts bei der Amtsentsetzung eines Geistlichen tätig. Da es noch keine Disziplinargerichtsbarkeit gab, mußte ein fiskalischer Prozeß angestrengt werden2. Präsident des Kammergerichts war Heinrich Julius v. Goldbeck. Als Goldbeck das Amt eines Justizministers übernahm, folgte ihm als Präsident des Instruktionssenats des Kammergerichts am 10. Dezember 1789 der Freiherr Karl Wilhelm v. Schrötter3. Keineswegs fand nach dem Erlaß des Religionsedikts eine flächendeckende Auswechslung der Geistlichen, Prediger und Lehrer4 statt. Nur der Prediger Johann Heinrich Schulz wurde im Zusammenhang mit dem Religionsedikt seines Amtes enthoben. Die anderen aktenkundigen Amtsentsetzungen aus dieser Zeit waren keine Folge des Religionsedikts5. 1

Heinrich von Mühler, Geschichte der evangelischen Kirchenverfassung in der Mark Brandenburg, Weimar 1846, 249–253. 2 Ein fiskalischer Prozeß ist „der Sache nach“ ein Strafverfahren. Thomas Theisinger, Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen Religionsedikt und im System des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten aus dem Jahre 1794. Eine rechtsgeschichtlich-rechtsdogmatische Untersuchung, Diss. masch., Heidelberg 1975, 62. 3 Johann David Erdmann Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 3 (1866, ND 1972), 65–94, hier 65 f. 4 Im 18. Jahrhundert gewannen die Theologen eine Monopolstellung im städtischen Lehramt, während im 16. und 17. Jahrhundert auch häufig Juristen dieses Amt versahen. Wolfgang Neugebauer, Absolutistischer Staat und Schulwirklichkeit in BrandenburgPreußen. Mit einer Einführung von Otto Büsch, VHK 62, Berlin / New York 1985, 303 Anm. 4 mit weiteren Literaturhinweisen. 5 Die nachweisbaren Amtsentsetzungen von Schulmeistern erfolgten nicht wegen mangelnder Bekenntnistreue. Unter dem 19. Februar 1790 erging ein Reskript an das Kurmärkische Oberkonsistorium. Der König trat dem Antrag des Oberkonsistoriums bei, das am 4. Februar die Amtsentsetzung des Schulhalters Carl Friedrich Augustin in Marzahn gefordert hatte. Augustin wurde seines Amtes entsetzt wegen einer „unanständigen und anstößigen Gemeinschaft, in die er sich mit einer lüderlichen Frauensperson auf öffentlicher Landstraße eingelaßen“ hatte. Wenn das Kurmärkische Oberkonsistorium sich Besserung von ihm versprechen könnte, sollte er an einem entfernten Ort eine neue Anstellung finden. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 8 [Ministerial-Archiv 105], unpag. Unter dem 23. Juli 1792 erging an das Kurmärkische Oberkonsistorium im Namen des Königs ein von Woellner unterschriebenes Reskript, in welchem dem Antrag des Kurmärki-

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I. Christian Gotthilf Storck Wegen des Verdachts auf vierfachen Ehebruch wurde gegen den Berliner Prediger Christian Gotthilf Storck6 eine Untersuchung geführt. Unter dem 13. August 1791 erging an Woellner eine Kabinettsordre7. Der König hatte von Storck „so viel böse Dinge“ gehört, daß er unmöglich dazu schweigen könne. Daher befahl er Woellner – um die Sache gründlich und nach aller Strenge untersuchen zu lassen –, sogleich den Konsistorialfiskal zu excitieren und ihm einige der Oberkonsistorialräte zu Hilfe zu geben. Friedrich Wilhelm II. betonte, daß er sein völliges Vertrauen in Woellner setze, und mahnte: „Nehmet Euch der Sache mit Ernst an, im ganzen Lande denen sittenlosen Geistlichen Maaß und Ziel zu setzen, und erinnert Euch stets, was Ihr in Eurem wichtigen

schen Oberkonsistoriums vom 5. Juli 1792 stattgegeben wurde, den Schulmeister Ockert zu Postdorff wegen seiner unzüchtigen Handlungen gegen die kleinen Mädchen in der Schule von seinem Schulamt zu entsetzen. AaO (Acta betr. die Dienst-Entsetzung des Schulmeister [sic] Ockert zu Postdorff wegen seiner unzüchtigen Handlungen), unpag. Unter dem 11. März 1793 erging an das Kurmärkische Oberkonsistorium ein königliches Reskript, in welchem dem Antrag des Kurmärkischen Oberkonsistoriums vom 21. Februar stattgegeben wurde, den Küster und Schulhalter Bi(e)hahn zu Luckenwalde gänzlich seines Amtes zu entsetzen. Bihahn hatte sich seit einigen Jahren durch ein zänkisches Betragen den Haß der ganzen Bürgerschaft sowie der dortigen Obrigkeiten in einem solchen Maße zugezogen, daß fast niemand mehr seine Kinder zu ihm in die Schule schicken wollte. AaO unpag. Unter dem 23. März 1795 erging ein Reskript an das Kurmärkische Oberkonsistorium, daß der Prediger Johann Christian Elias Goepel wegen „aergerlichen“ Lebenswandels seines Amtes als Prediger zu entsetzen sei. Überaus häufig war er betrunken. Eines Sonntagmorgens zum Beispiel war er von Glasow mit abgefallener Perücke auf einem Korbwagen „so besoffen“ in seinen Wohnort zurückgebracht worden, daß die Knechte ihn vom Wagen ins Pfarrhaus tragen mußten, wobei sie sich dessen abgefallene Perücke aufgesetzt und dadurch das Gelächter noch vermehrt hätten. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 8 [Ministerial-Archiv 106] (Acta die Untersuchung wider den Prediger Goepel wegen unanständigen Lebenswandel), unpag. Unter dem 19. April 1798 wurde Goepel beschieden, daß das Oberkonsistorium ihn nicht mit einer anderen Stelle versorgen könne, da keine Hoffnung bestehe, daß er sich vom Alkohol fernhalten werde. Unter dem 11. Februar 1797 wurde der Neumärkischen Regierung beschieden, daß der Organist und Schullehrer Johann Gotthilff Hamann aus Peitz wegen Schwängerung eines Schulmädchens seines Amtes zu entsetzen sei und er zu allen Schulämtern für unfähig erklärt und mit einjährigem Festungsarrest bestraft werden solle. AaO (Acta Die Bestrafung des Schullehrer Hamann wegen Schwängerung eines Mädgens), unpag. 6 Storck selbst buchstabierte seinen zweiten Vornamen „Gotthilf “, während ansonsten in den Akten „Gotthilff “ steht. Er wohnte in der Charlottenstraße. Das gab er in zwei Bittschreiben an Woellner sowie an den König vom 29. September 1791 an. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 8 [Ministerial-Archiv 105] (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 7 AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. [Abschrift].

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K. Fiskalische Untersuchungen

Posten Gott, mir und dem Staate schuldig seyd.“ Pflichtgetreu konzipierte Woellner unter dem 23. August 1791 ein Reskript an den Konsistorialfiskal Georg Carl Christoph Huulbeck. Vor Beginn der Untersuchung sollte er mit den Oberkonsistorialräten Hermann Daniel Hermes und Gottlob Friedrich Hillmer Rücksprache halten. Storck war über die gegen ihn angestrengte fiskalische Untersuchung zutiefst bestürzt und bat am 29. September in einem vierseitigen, engbeschriebenen Bittbrief an Woellner um deren Aufhebung8. Er gestand mit innigster Reue und Betrübtheit, daß er „nicht Fehler frei“ sei und „nicht immer vorsichtig genug allen bösen Schein vermieden“ habe. Aber die Beschuldigungen setzten ihn in ein dunkleres Licht, als er es verdiene und als ein Prediger dulden könne. Mit großem Bedauern sehe er voraus, daß „manche gute Familien und ruhig lebende Ehrleute“ bei der Fortsetzung dieser fiskalischen Untersuchung in ihrem glücklichen Hausfrieden gestört werden würden. Storck hatte mit seiner Bitte jedoch keinen Erfolg, und noch unter dem Datum desselben Tages erging an ihn ein Dekret, daß von Seiten des Geistlichen Departements die fiskalische Untersuchung, da sie durch eine königliche Kabinettsordre veranlaßt worden war, nicht aufgehoben werden könne9. Ebenfalls am 29. September verfaßte Storck eine Bittschrift an den König selbst10. Hillmer und Hermes führten eine allzu strenge Untersuchung, und gegen die meisten Angaben würde er sich rechtfertigen können, denn er habe sein Amt treu verwaltet, „reines Bibechristenthum [sic]“ gepredigt und dem Staat manche Familie vom Hungertod und Elend errettet. Storck flehte den König an, die fiskalische Untersuchung aufzuheben und ihn in seinem Posten zu bestätigen oder ihm einen angemessenen Zivilposten beim Oberkriegskollegium oder bei der Oberrechenkammer zu verleihen. Friedrich Wilhelm II. aber ließ die Bittschrift ohne weitere Verfügung an Woellner zurückschicken. Dies sei, wurde Storck in einer Resolution vom 2. Oktober beschieden11, ein sicheres Zeichen, daß die in der Kabinettsordre vom 13. August 1791 anbefohlene fiskalische Untersuchung fortdauern solle12. Storck geriet in zunehmende Verzweiflung, so daß er sich unter dem 5. November wiederum in einem vierseitigen, engbeschriebenen Brief an den 8 AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. Das Bittschreiben ist an den Rändern teilweise abgerissen und also nicht mehr vollständig lesbar. 9 Unter dem Datum desselben Tages wurde auch der Konsistorialfiskal Huulbeck von der Sache unterrichtet. AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 10 AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 11 Diese Resolution hatte Woellner konzipiert. AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 12 Am 2. Oktober 1791 wurden auch Huulbeck, Hermes und Hillmer von der Sache unterrichtet. AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag.

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König wandte13. Bereits am 3. November war er von seinen Amtsgeschäften suspendiert worden. Seine Gemeinde sei durch diese Suspension in große Bedrängnis geraten, denn sein älterer Kollege Johann David Cube war unheilbar krank und konnte keine Amtsaufgaben mehr erfüllen. Jedoch unter dem 7. November erging an Storck der Bescheid, daß die Situation es keineswegs erlaube – ohne der Gemeinde Ärgernis zu verursachen –, ihn weiterhin sein geistliches Amt verwalten zu lassen14. Am 13. November suchte Storck bei Woellner Hilfe und bot an, sein Predigtamt niederzulegen, wenn er einen „schiklichen“ Zivilposten in Berlin bekäme15. Aber Woellner beschied ihm unter dem 21. November, daß das Geistliche Departement nicht die auf königlichen Befehl gegen ihn geführte Untersuchung aufheben könne und Storck also das Ende der Untersuchung abwarten müsse16. Am 27. November wandte sich der suspendierte Prediger wiederum an den Monarchen und bat nochmals um die Aufhebung der Suspension von seinen Amtsgeschäften und die gänzliche Niederschlagung der Untersuchung17. Er legte neun Listen mit Namen von Einzelpersonen und Familien seiner Gemeinde bei, die in einer Erklärung unterschrieben hatten, daß sie Storck als ihren Prediger behalten wollten18. Mehrere Bittschriften von Gemeindegliedern folgten19. 13

AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. Das hatte Scholz in dieser Weise auf Storcks Brief notiert. AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 15 AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. Auch den König hatte Storck an demselben Tag mit „bethränten Wangen und innigster Reue“ um einen Zivilposten in Berlin angefleht, der es ihm ermöglichen würde, seine fünfköpfige Familie zu ernähren. Wie auch immer das Urteil lauten werde, werde er „nach dem, wie mit mir verfahren, wie sehr meine Gesundheit und Gemüthsruhe, mein Ruff und mein Vermögen dadurch zerstört ist, im Predigtamte wenig Nuzzen stifften können“. Storck wies jede sittliche und politische Schuld von sich: „Und wäre auch alles wahr, was ängstlich gegen mich von bösen Menschen hervorgesucht ist: so habe ich doch nur als Prediger gefehlt, bin als Mensch und Unterthan keines Verbrechens mir vor Gott und Gewissen bewust, sondern habe allezeit redlich gedacht und gelebt, viele Arme getröstet, mehrere Familien vom Hungertode gerettet und manches Gute sonst gestifftet“. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 22r. 16 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 8 [Ministerial-Archiv 105] (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. Das hatte Scholz in dieser Weise auf dem Brief konzipiert. AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 17 AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 18 Diese Listen, die von insgesamt 214 Personen und Familienhäuptern unterzeichnet worden waren, hatte Storck eigenhändig abgeschrieben und sie dann mit einem Siegel beglaubigen lassen. AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 19 Sie datierten vom 29. November, 3. Dezember, 9. Dezember und 15. Dezember 1791. Der größte Teil der Gemeinde trat für Storck ein. 227 Familien unterschrieben auf einer Petition. AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 14

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K. Fiskalische Untersuchungen

Inzwischen war Cube gestorben, und am 6. Dezember flehte Storck Woellner ein weiteres Mal an, die Untersuchung aufzuheben20. Der Präsident des Kammergerichts Schrötter hatte jedoch bereits unter dem 1. Dezember an das Oberkonsistorium das gegen Storck abgefaßte Kriminalerkenntnis übersandt21. Storck sei seines Amtes als Prediger bei der Jerusalems- und Neuen Kirche zu entsetzen und für unfähig zu erklären, ein geistliches Amt in den Preußischen Staaten zu bekleiden. Außerdem wurde er zu den Kosten der Untersuchung verurteilt. Das Urteil erging, weil er sich des ehebrecherischen Umgangs mit zwei verheirateten Frauen verdächtig gemacht habe. Ferner liege der Verdacht gegen ihn vor, daß er bei zwei weiteren Frauen Ähnliches versucht habe. Alles dies sei mit den unanständigsten und zweideutigsten Handlungen begleitet, die bei jedem Privatmann, der das häusliche Glück in dieser Weise stören würde, Ahndung verdienten. Und bei Storck als Prediger sei dies um so mehr der Fall, da ihm „die Pflichten der Sittsamkeit u Ehrbarkeit“ oblägen. Am 15. Dezember notierte Woellner dann die Voten der Oberkonsistorialräte wegen dieser Sentenz22. Die Räte mußten entscheiden, ob es bei der Kassation bleiben solle und das Kollegium der Sentenz beipflichte. Woellner lag eine Liste mit den Namen der dreizehn Räte vor: Carl Franz v. Irwing, Johann Joachim Spalding, Joachim Friedrich v. Lamprecht, Anton Friedrich Büsching, Wilhelm Abraham Teller, Johann Samuel Diterich, Johann Christoph Nagel, Friedrich Gedike, Friedrich Samuel Gottfried Sack, Johann Friedrich Zöllner, Hermes, Hillmer und Theodor Carl Georg Woltersdorff. Vorneweg setzte er noch den Namen des Präsidenten Thomas Philipp v. d. Hagen. Hinter alle Namen schrieb Woellner ein „Ja!“ – nur nicht bei Spalding und Büsching, die in der Sitzung offenbar gefehlt hatten. Die Fürbitte der Gemeindeglieder könne im übrigen, urteilten die Oberkonsistorialräte, nicht dafür bürgen, daß der 52jährige Storck seinen „Leichtsinn“ und seine „Geringschätzung der Religion“ ändern könne23. Am 5. Dezember hatte der König Woellner die Bittschriften des suspendierten Storck sowie eines Teils von dessen Gemeindegliedern geschickt und seinem Etatsminister befohlen, diese Schriften im Oberkonsistorium vorzutragen. Das Oberkonsistorium, das „vorzüglich da, wo es auf practische Religion und exemplarischen Lebenswandel der Geistlichen ankommt, sein Amts-Geschäffte würken laßen muß“24, hatte einstimmig befunden, daß dem 20

AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 22 AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 23 Das berichtete Woellner dem König unter dem 16. Dezember 1791. AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 24 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 23r. So lautete es in dem Bericht Woellners an den König vom 16. Dezember 1791. 21

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Ersuchen Storcks und der Gemeindeglieder wegen der „leichtsinnigen und ärgerlichen Denkungs- und Lebens-Art“25 des Predigers „rechtlich nicht statt gegeben werden kann“26. Im übrigen seien die Gemeindeglieder „höchstwahrscheinlicherweise“27 nur durch Storcks drängendes Bitten und durch Mitleid zur Unterstützung des Predigers motiviert worden. Beließe man Storck im Predigtamt, hätte dies lediglich zur Folge, „daß ihn Heucheley und Furcht für das Bekanntwerden und Strafe behutsamer machen, und dadurch Sünde mit Sünde zu häufen, veranlaßen würde“28. Daher empfahl das Oberkonsistorium dem König, die beiliegende Entscheidung des Kammergerichts publizieren zu lassen. Nachdem ihm Woellner am 16. Dezember schriftlich Bericht erstattet hatte29, vollzog der König diese für Storck endgültige Maßnahme. Die Einigkeit der Oberkonsistorialräte und Woellners in dieser Angelegenheit zeigt, daß nach dem auf den Erlaß des Religionsedikts vom 9. Juli 1788 gefolgten Widerstand aus dem Oberkonsistorium durchaus eine übereinstimmende Zusammenarbeit zwischen dieser Einrichtung und Woellner möglich war, solange keine theologische Auseinandersetzung zu führen war30. Noch immer suchte sich Storck zu retten und flehte am 20. Dezember wiederum Woellner an31. In der fiskalischen Untersuchung habe man ihn sofort als Schuldigen behandelt und „übelberüchtigte Personen“ aus niederen Klassen gegen ihn auftreten lassen. Er gestand durchaus ein, daß er „unbehutsam“ gehandelt habe und den Anschein zu Sträflichkeiten gegeben haben möge. Aber es sei „keine Thatsache einer Uebelthat“ vorhanden, keine Ehe sei durch seine Schuld gebrochen oder getrennt worden, keine Hurerei sei ge-

25

Ebd. Ebd. Das Konzept von Schreiberhand mit Woellners Unterschrift findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 8 [Ministerial-Archiv 105] (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 27 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 23r. 28 Ebd. 29 Eine Abschrift findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 8 [Ministerial-Archiv 105] (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 30 Die Oberkonsistorialräte Friedrich Samuel Gottfried Sack, Johann Joachim Spalding, Anton Friedrich Büsching, Johann Samuel Diterich und Wilhelm Abraham Teller hatten nach dem Erlaß des Religionsedikts zwei widerständige „Vorstellungen“ (10. September und 1. Oktober 1788) eingereicht. Nicht daran beteiligt hatte sich als einziger Johann Esaias Silberschlag. Zum Widerstand aus dem Oberkonsistorium vgl. ausführlich Kapitel D. Inzwischen hatten sich einige personale Veränderungen ergeben. Zum Beispiel war am 14. September 1788 Johann Friedrich Zöllner als geistlicher Rat berufen worden; nach dem Tod Silberschlags im November 1791 hatte am 25. April 1792 Andreas Jakob Hecker dessen Position – übrigens auch in der Geistlichen Immediat-Examinationskommission – eingenommen. Zu den Bestallungen der geistlichen Räte des Oberkonsistoriums vgl. Kapitel A.X.2.c. 31 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 8 [Ministerial-Archiv 105] (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 26

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K. Fiskalische Untersuchungen

schehen. Man habe gehofft, Woellners Gnade zu gewinnen, wenn man Storck strafbar mache32. Jedoch bereits am 21. Dezember verfügte der König in einer Kabinettsordre an das Justizdepartement, daß Storck es nach dem Erkenntnis, also dem Urteil, der Kriminal-Deputation des Kammergerichts und nach dem Bericht Woellners verdiene, seines „ärgerlichen und leichtsinnigen Lebens Wandels“ halber seines Predigtamtes nunmehr völlig entsetzt und in Preußen zukünftig ein Predigtamt zu bekleiden für unfähig erklärt zu werden33. Das Justizdepartement müsse nun dem Kammergericht das Erkenntnis publizieren34. Dann folgte Weihnachten und mithin eine Arbeitspause. Unter dem 28. Dezember 1791 schließlich erging eine entsprechende Resolution an das Kammergericht35. Storcks Entlassung stand also in keinerlei Zusammenhang mit dem Religionsedikt, sondern erfolgte ausschließlich wegen ihm vorgeworfener sittlicher Verfehlungen.

II. Weitere Amtsentsetzungen Unter dem 24. Juni 1793 wurde dem Kurmärkischen Oberkonsistorium in einem von Woellner unterschriebenen Reskript beschieden, daß der Prediger Jacob Traugott Stilke zu Ruhlsdorf bei Teltow und Heinersdorf seines Amtes entsetzt und für unfähig erklärt werden solle, ein geistliches Amt in Preußen zu bekleiden. Am 11. August erbat Stilke in einem achtseitigen Brief die Gnade des Königs und schilderte sein Leben: Nachdem er zehn Jahre das Amt eines Subrektors am Friedrichswerderschen Gymnasium in Berlin verwaltet hatte, bewirkte sein Schwiegervater Samuel Bolsius, ein Berliner Federschmücker, seine Vokation zur Ruhlsdorfer Pfarrstelle. Der in dürftigen finanziellen Verhältnissen lebende Stilke hatte sich für seine Familie von diesem Amt ein besseres Einkommen versprochen, jedoch wurde er nur noch unglücklicher als zuvor, da die Pfarrstelle jährlich kaum 250 Reichstaler einbrachte. Und da seine Fähigkeiten und sein Vermögen für eine Betätigung in der Landwirtschaft nicht ausreichten, war für ihn das Leben auf dem Land teurer als in Berlin selbst. 32 Auch Storcks Töchter Albertine Ulrike, Henriette Louise und Wilhelmine baten den König am 20. Dezember vergeblich um Hilfe. AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. Die Handschrift des Briefes stammte freilich von deren Mutter. 33 AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 34 An demselben Tag wurde Woellner in einer Kabinettsordre von diesen Entscheidungen in Kenntnis gesetzt. AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag. 35 AaO (Acta betreffend die Untersuchung gegen Pred. Storck 1791–1793), unpag.

II. Weitere Amtsentsetzungen

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Während der sieben Jahre, in denen er dieses Pfarramt verwaltet hatte, sei er von Jahr zu Jahr in bedrängtere Umstände geraten. Als er 1791 schließlich eine Reise in das Dorf Wustrau im Ruppinschen Kreis unternahm, hatte er während der damaligen Vakanz der Wustrauer Pfarrstelle dort gepredigt, das Abendmahl ausgeteilt und die Kinder der Gemeinde katechisiert. Sein Vortrag hatte der Gemeinde ausnehmend gut gefallen, so daß sie ihn als ihren zukünftigen Seelsorger wünschte, weil sie unter keinen Umständen einen heterodoxen Lehrer und Seelsorger erhalten wollte. Außerdem hegte die Gemeinde gegenüber dem Kandidaten Beuster, dem der Patron die Pfarrstelle anvertrauen wollte, eine gewisse Skepsis, da er einem Gerücht zufolge auf der Universität einen Kommilitonen im Duell getötet haben sollte. Einige Monate später hörte Stilke, daß Beuster diese Pfarrstelle trotz der Bedenken tatsächlich überantwortet werden sollte. Da Stilke just an jenem Tag von den Klagen seiner Frau und der Kinder fast zur Verzweiflung gebracht worden war, verleitete ihn diese „unglückliche, alle Ueberlegung ausschließende Gemüths-Stimmung“, eine von ihm selbst im Namen der Gemeinde zu Wustrau abgefaßte Vorstellung an Woellner zu schicken, in der er das gegen Beuster kursierende Gerücht nannte und die Stelle für sich selbst erbat. Nachdem Stilke bei der gegen ihn geführten Untersuchung sein Vergehen eingestanden hatte36, erging das Urteil des Kammergerichts. Sein gegenwärtiger Patron Wilhelm Leopold v. Retzow freilich wünschte Stilkes Begnadigung 36 In seiner Verteidigungsschrift suchte der am 1. Januar 1749 in dem Dörfchen Zerrenthin in der Uckermark geborene Jacob Traugott Stilke ein mildes Urteil über seine Fehltritte zu erwirken. Am 2. Dezember 1785 hatte ihn Spalding, der „verehrungswürdige Greis“, in der Nicolaikirche in Berlin unter dem falschen Namen Jacob Franz Stilke ordiniert. Zutiefst erschüttert war Stilke, denn der Name Traugott, den seine Mutter mit Bedacht ausgesucht hatte, weil er ein halbes Jahr nach dem Tod seines Vaters zur Welt gekommen war, bedeutete ihm viel. Wenige Monate später, am 19. März 1786, wurde er von seinem Inspektor, dem Oberkonsistorialrat Teller, in die Pfarrstelle von Ruhlsdorf unter einem wiederum falschen Namen Johann Jacob Stilke introduziert. Die durch die falschen Namensnennungen verursachte Schwermut mache – so Stilke in seiner Verteidigungsschrift – seine Fehltritte weniger strafbar. Stilke gab auch seine Vermutung kund, wie es zu den Namensverwechslungen gekommen war: Der inzwischen verstorbene, zur besagten Zeit alte und kurzsichtige Küster Neumann an der Nicolaikirche hatte, als er sich Stilkes vor der Ordination abgefragte Namen notierte, den Namen „Traugott“ nicht ausgeschrieben, sondern als „Traug.“ abgekürzt. Aus dieser Abkürzung hatte er später wohl den Namen „Franz“ gebildet und diesen Namen an Spalding ausgehändigt. Neumann, der über Stilkes Unmut und die Notwendigkeit, bei Spalding eine Korrektur erbitten zu müssen, verärgert war, habe dann wohl später aus Rache den Namen „Jacob“ an Teller weitergegeben. AaO (Acta in Untersuchungs-Sachen wider den Prediger Stilcke zu Ruhlsdorff), unpag. Die zu einem Pfarramt berufenen Theologen wurden nicht in der zu ihrer Gemeinde gehörigen Kirche, sondern in der Kirche des zuständigen Propstes ordiniert. Paul Schoen, Das evangelische Kirchenrecht in Preußen, Bd. 2, Berlin 1906–1910 (ND 1967), 107 f.

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und wollte ihn im Amt behalten37. Unter dem 26. August 1793 wurde dem Prediger jedoch durch eine von Woellner unterschriebene Resolution beschieden, daß das Geistliche Departement keine Begnadigungen bewilligen konnte. Stilke müsse die gesetzlichen Rechtsmittel gegen das wider ihn in erster Instanz ergangene Erkenntnis ergreifen, wenn er damit etwas auszurichten sich Hoffnung mache38. Also kämpfte Stilke weiter. Fast ein dreiviertel Jahr später, unter dem 5. Mai 1794, erging schließlich ein von Woellner unterschriebenes Reskript an das Kurmärkische Oberkonsistorium39. Der Ober-Appellations-Senat des Kammergerichts hatte am 19. April 1794 das Erkenntnis abgefaßt, daß von Stilke nichts angeführt worden sei, das zur Milderung seiner Strafe gereichen könnte. Vielmehr sei das Urteil der Kriminal-Deputation des Kammergerichts vom 22. Juni 1793 zu bestätigen. Da ihn aber sowohl der Patron als auch die Gemeinde unter dem 8. und 9. Dezember 1793 zu behalten gewünscht hatten und sein Vergehen bei seiner Gemeinde kein Ärgernis gestiftet hatte, wolle der König das Erkenntnis erster Instanz dahin mildern, daß Stilke die ihm zuerkannte Strafe unter Erstattung der Kosten erlassen und ihm in pleno des Kurmärkischen Oberkonsistoriums ein „sehr scharfer“40 Verweis erteilt werde41.

III. Woellner und Carmer und fiskalische Untersuchungen Dem Drängen des Königs auf härtere Maßnahmen im Umgang mit der Aufklärung suchte Woellner im Frühjahr 1794 mit einer Vereinfachung der fiskalischen Untersuchung gegen wider das Religionsedikt handelnde Prediger zu genügen. Da nach dem Willen des Königs „mit den Néologen und Aufklärern etwas ernstlicher zu Wercke gegangen werden soll, weil man ihre Boßheit auch 37

Stilke fügte ein urkundliches, gesiegeltes Schreiben des Patrons bei. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 8 [Ministerial-Archiv 105] (Acta in Untersuchungs-Sachen wider den Prediger Stilcke zu Ruhlsdorff), unpag. 38 AaO (Acta in Untersuchungs-Sachen wider den Prediger Stilcke zu Ruhlsdorff), unpag. 39 AaO (Acta in Untersuchungs-Sachen wider den Prediger Stilcke zu Ruhlsdorff), unpag. 40 Woellner hat nachträglich am Rand die Steigerung „sehr“ eingefügt. 41 Ein anderer Prediger, Johann George Schlomcke zu Kalkwitz, verlor wegen Diebstahls sein Amt. Unter dem 30. Juni 1794 erging ein von Woellner unterschriebenes Reskript an die Neumärkische Regierung und an das dortige Konsistorium, daß Schlomcke seines Amtes zu entsetzen sei, weil er am 2. September 1792 in einem Gasthof in Cottbus drei silberne Eßlöffel gestohlen hatte. Schlomcke solle alle durch die Untersuchung verursachten Kosten bezahlen. Dieses Urteil müßten die Neumärkische Regierung und das Konsistorium nun publizieren und das weitere Erforderliche verfügen. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 8 [Ministerial-Archiv 105] (Acta wegen der […] wider den Prediger Schlomcke angebrachten Denunciationen), unpag.

III. Woellner und Carmer und fiskalische Untersuchungen

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sonsten nicht gut wird dämpfen können“42, schlug Woellner am 3. April vor43, die beigelegte Kabinettsordre an den Großkanzler Johann Heinrich Casimir v. Carmer zu erlassen. Dann könnte man bei fiskalischen Untersuchungen gegen die „muthwilligen Übertreter des Réligions-Edicts“ allen „Chicanen“ der Advokaten begegnen und den „äußerst langsamen“ Gang der Justiz bei förmlichen Prozessen soweit als möglich abkürzen. Als abschreckendes Beispiel diente der Prozeß des Fiskus gegen den Prediger Johann Heinrich Schulz44, der sich über nahezu drei Jahre erstreckt und schließlich anstatt mit der Kassation mit einer „Sententia absolutoria“ geendet habe, die durch eine Kabinettsordre habe aufgehoben werden müssen. Die Wirkung schien offensichtlich: „Dis macht eben die Aufklärer so dreiste, und ist im Ganzen von den traurigsten Folgen.“45 In dem auf den 4. April datierten Entwurf einer Kabinettsordre an Carmer hatte Woellner formuliert, daß es „äußerst nothwendig“46 sei, daß Friedrich Wilhelm II. um der Aufrechterhaltung des Religionsedikts willen „die fortdaurende Renitenz der Néologen und Aufklärer ernstlich ahnde“47 und mit Kassation und anderen Verfügungen bestrafe. Dem königlichen Willen gemäß müsse die auf die schnellste Art anzustellende Untersuchung nur nach dem Religionsedikt erfolgen. Wenn es erwiesen sei, daß der Angeklagte dem Religionsedikt tatsächlich zuwidergehandelt habe, sollten die Kassation oder eine härtere Strafe bloß durch ein Dekret des Staatsrats, für das die Unterschrift von drei Ministern hinlänglich sei, verfügt und dann vom König bestätigt werden. Carmer solle das Erforderliche im Hinblick auf eine rasche Untersuchung einer derartigen Sache an die Gerichtshöfe verfügen. Fände er sogar einen noch kürzeren Weg, solle er sich an den König wenden. Abschließend schärfte Woellner nochmals ein, daß Carmer „allen Ernst“ aufbringen müsse, denn Friedrich Wilhelm II. wolle „das Unwesen der so genannten Aufklärer“48 in seinen Staaten abgestellt wissen. Dem Vorschlag Woellners stimmte Carmer jedoch nicht zu, sondern unterbreitete dem König am 7. April einen Bericht49. Die Hauptursache der bisherigen Verzögerungen liege darin begründet, daß nach der Verordnung vom 16. März 1760 die Untersuchungen gegen zuwiderhandelnde Prediger zwar beim Konsistorium geführt, die Erkenntnisse aber bei den Justizkollegien abgefaßt werden sollten. Die „Natur der Sache“ bringe es aber mit sich, daß über die Frage, ob ein Prediger dem Religionsedikt und den Symbolischen 42

GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 58r. Ebd. 44 Zu Johann Heinrich Schulz vgl. kurz Kapitel K.V. 45 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 58r. 46 Ebd. 47 Ebd. 48 Ebd. 49 AaO Bl. 63r. 43

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K. Fiskalische Untersuchungen

Büchern „conform“50 lehre, „weltliche Richter“ und bloße Justizkollegien gar nicht urteilen könnten. Die „unpassenden und unschicklichen“ Fragen, die das Kammergericht dem Konsistorium wegen Johann Heinrich Schulz vorgelegt hatte51, gäben „den deutlichsten Beweis“52, wie wenig die Justizkollegien dazu qualifiziert seien. Überdies gehe bei der Korrespondenz zwischen zwei Kollegien viel Zeit verloren. Die Sachen würden am kürzesten gefaßt werden, wenn der Monarch festsetzte, daß die ehemalige durch das Edikt von 1760 abgeänderte Verfassung wiederhergestellt würde und also bei Vergehen der Prediger gegen das Religionsedikt nicht nur die Untersuchungen beim Konsistorium geführt, sondern auch die nach dem Edikt verwirkten Strafen durch ein Dekret des Konsistoriums festgesetzt und dem „Denunciaten“53 bekanntgemacht würden und ihm die Berufung auf den weltlichen Richter nur dann erlaubt werden sollte, wenn er behauptete, daß bei der Konsistorialuntersuchung nicht legal verfahren worden wäre. Woellner zeigte sich mit dem Vorschlag einverstanden, verzichtete aber in seinem Bericht an den König vom 9. April nicht auf eine sublime Kritik Carmers54. In der Anlage sandte er das Schreiben des Großkanzlers55, der einen anderen als den ihm in der letzten Kabinettsordre vorgeschriebenen Weg „ausgekünstelt“56 habe. Dieser Weg war zwar nicht ebenso kurz wie der von Woellner vorgeschlagene, aber immerhin doch viel kürzer als der bisherige, weil das Oberkonsistorium nun „kräftiger“57 agieren könne. Woellner riet dem König daher, die beigelegte Kabinettsordre an das Justizdepartement zu vollziehen und diese Ordre von einer Kabinettsresolution an Carmer begleiten zu lassen. Zugleich bat Woellner noch um eine Ordre an sich selbst, die er bereits konzipiert hatte. In der auf den 10. April datierten58 und unter dem 12. April59 erlassenen Kabinettsresolution an den Großkanzler Carmer wurde diesem befohlen, die Fiskale anzuweisen, bei den Untersuchungen gegen die „Néologen und Über50

Ebd. Vgl. Kapitel K.V.1. 52 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 63r. 53 Ebd. 54 AaO Bl. 62r. 55 AaO Bl. 63r. 56 AaO Bl. 62r. Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 2, Leipzig 1882, 73 zitiert fälschlich einen „‚ausgeklügelten‘“ Weg des Großkanzlers. 57 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 62r. 58 Ebd. 59 Philippson, Geschichte, Bd. 2, 73 und Paul Schwartz, Der erste Kulturkampf in Preußen um Kirche und Schule (1788–1798), MGP 58, Berlin 1925, 270–273. 51

III. Woellner und Carmer und fiskalische Untersuchungen

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treter des Religions-Edikts“60 „weder saumseelig noch nachsichtig“ zu sein, sofern sie nicht selbst kassiert werden wollten. Die an sich selbst ergehende, von demselben Tag datierende Kabinettsordre hatte Woellner scharf formuliert und mit einem Schlag gegen Teller, Zöllner und Gedike versehen61. Ihm werde aus dem Justizdepartement eine Ordre kommuniziert werden, dergemäß die Kassation der „néologischen“ Prediger zukünftig durch ein Dekret des Oberkonsistoriums erfolgen solle. Ein derartiges Dekret solle „per plurima“ beschlossen werden. Da aber die Oberkonsistorialräte Teller, Zöllner und Gedike „bekannte Néologen und so genannte Aufklärer“ seien, wolle der König – obwohl er sie „auf eine kurtze Zeit noch dulden“ werde –, daß sie sich in Kassationssachen der neologischen Prediger ihres Votums enthalten sollten. Woellner kenne seinen „ganzen Ernst, die alte reine Religion Jesu“62 in seinen Staaten aufrechtzuerhalten. Woellners „jetzige Erfahrung“ werde ihn aber belehrt haben, „wie sehr die im Religions-Edict befohlene Gelindigkeit auf Muthwillen gezogen und gemisbrauchet wird, und wie wenig Ihr bisher damit ausgerichtet habt“. Am 14. April 1794 sandten Carmer, Goldbeck und Friedrich Wilhelm v. Thulemeyer an Woellner63 die unter dem 12. April an das Justizdepartement eingegangene Kabinettsordre, in der Friedrich Wilhelm II. verordnet hatte, „wie es hinführo mit den Untersuchungen gegen die neologischen Prediger und mit Abfaßung der Cassations-Decrete gegen die Uebertreter des ReligionsEdicts gehalten werden soll“64. Woellner solle das weitere Erforderliche an die Konsistorien verfügen. „Uebrigens bemerken Wir noch, daß, da diese Verordnung bloß auf Contraventionen der Prediger gegen das Religions-Edict in Ansehung ihrer Lehre gerichtet ist, es wegen der übrigen Amts- und anderer Vergehungen derselben“65 bei dem vom 16. Mai 1760 datierenden Edikt sein Bewenden haben werde. In der Kabinettsordre vom 12. April hatte der König sein tiefes Mißfallen über viele preußische Prediger bekundet, die den Vorschriften des Religionsedikts nicht ausreichend Folge leisteten66. Er habe „höchstmißfällig“ wahrgenommen, daß „die unter diesem Stande sich findenden sogenannten Auf60

GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 62r. Ebd. 62 Ebd. 63 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 37, Bl. 2r. Ein Konzept findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta betr. die Untersuchung und Bestrafung derjenigen Geistlichen, welche dem Religions-Edict zuwider handeln), unpag. [Konzept]. 64 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 37, Bl. 2r. 65 Ebd. 66 AaO Bl. 3r–4r [Abschrift]. Eine weitere Abschrift findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta betr. die Untersuchung und Bestrafung derjenigen Geistlichen, welche dem Religions-Edict zuwider handeln), unpag. 61

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K. Fiskalische Untersuchungen

klärer die Volksreligion u die davon mit abhangende Ruhe u Ordnung im Staat durch ihre schädl[ichen] Neuerungen zu verwirren u zu stören ungescheut fortfahren“67. Da er zugleich bemerkt habe, „daß manche dieser Renitenten hinter den gewöhnl[ichen] Förmlichkeiten, welche mit dem durch die bisherigen Gesetze vorgeschriebenen Gang der Untersuchung u Entscheidung solcher Vergehungen untrennbar verbunden sind, sich zu verstecken, u der verdienten Strafe Jahrelang zu entziehen wissen“68, erachte er es als notwendig, in dieser Sache eine Änderung vorzunehmen und sechs Prinzipien zu formulieren, die festsetzten, wie in solchen Fällen zu verfahren sei. Zunächst betonte Friedrich Wilhelm II. die unumstößliche Geltung des Religionsedikts: Es „ist u bleibt die einzige Richtschnur, nach welcher das Verhalten der Prediger in ihrer Lehre u Volksunterrichte beurtheilet werden muß“69. Die Vorschriften dieses Gesetzes seien „klar u deutl[ich]“, und er werde „schlechterdings nicht gestatten, daß diese Vorschriften durch erkünstelte Ausdeutungen u Verdrehungen unkräftig gemacht oder vereitelt werden“. Der zweite Punkt richtete sich an das Konsistorium: „Sobald das Consistorium glaubhaft erfährt, daß ein Prediger dem Religions-Edict zuwider handle, muß dasselbe sofort u von Amtswegen eine Untersuchung wider ihn durch den Consistorialfiscal mit Zuziehung des Inspectors d. i. eines geistl[ichen] Raths veranlassen.“70 Im dritten Punkt mahnte der König zu raschen Verfahren. Da die Untersuchung lediglich zu klären habe, ob der Beschuldigte dem Religionsedikt zuwider „gelehrt oder gehandelt“71 habe, dürfe sie nicht durch Behandlung von Nebendingen verlangsamt werden. Der Fortgang war im vierten Punkt beschrieben: Wenn das Konsistorium aus dem Untersuchungsprotokoll erkenne, daß der Beschuldigte sich tatsächlich eines Vergehens gegen das Religionsedikt schuldig gemacht habe, müsse es ihn durch ein Dekret sofort seines Amtes entsetzen. Der fünfte Punkt berücksichtigte möglichen Widerspruch des für schuldig Befundenen: „Wenn der Denunciat behauptet, daß die Untersuchung wider ihn nicht legal geführt, er mit seiner Verantwortung nicht hinlängl[ich] gehört, oder die Beweise seiner Unschuld an der beschuldigten Irrlehre nicht ordnungsmäßig aufgenommen worden“72, sollten zwar die Akten dem Justizkollegium übergeben werden; da dieses jedoch – so der sechste Punkt – nur über die Legalität des Verfahrens bei der Untersuchung urteilen könne, nicht aber über die Frage, ob die Lehre des Beschuldigten dem Religionsedikt konform sei, müsse es innerhalb von vierzehn Tagen nach Erhalt 67

GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 37, Bl. 3r. Ebd. 69 Ebd. 70 Ebd. 71 AaO Bl. 3v. 72 Ebd. 68

III. Woellner und Carmer und fiskalische Untersuchungen

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der Akten sein Gutachten an den Staatsrat abstatten. Der Staatsrat müsse die Sache sogleich zum Vortrag bringen und dem König die Finalresolution zur Bestätigung vorlegen. Abschließend schärfte Friedrich Wilhelm II. dem Justizdepartement und besonders dem damit verbundenen Geistlichen Departement ein, sich nicht nur selbst nach der gegebenen Verordnung zu richten, sondern auch die Justizkollegien und die Konsistorien entsprechend zu unterweisen. Nochmals betonte der König „auf das Nachdrücklichste“73, daß „in der Sache künftig mehr Ernst gebraucht, u den Verwirrungen, welche die sogenannten Aufklärer in den Gemüthern des Volks anrichten, nach aller Strenge der Gesetze gesteuert werden müsse“74. Am 14. April 1794 erging auch ein von Carmer unterschriebenes Reskript an das Kammergericht, dem abschriftlich die unter dem 12. April an das Justizdepartement erlassene Kabinettsordre geschickt wurde75. Besonders sollte das Kammergericht auf die unter dem sechsten Punkt vorgeschriebene Beschleunigung der Erkenntnisse achten. Ebenso wurden an demselben Tag in einem Circulare alle Regierungen und Oberlandesjustizkollegien exklusive Südpreußen beschieden76. Ebenfalls vom 14. April datierte das von Woellner konzipierte Circulare an sämtliche lutherischen Konsistorien, einschließlich Schlesien77. Jede Untersuchung solle gleich zu Beginn dem Geistlichen Departement gemeldet werden. Am 11. Juni zeigte die allenthalben verschickte Kabinettsordre vom 12. April eine erste Wirkung. Aus Stettin wandten sich die Pommersche Regierung und das dortige Konsistorium in einem einundzwanzigspaltigen Schreiben an den

73

AaO Bl. 4r. Ebd. 75 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta betr. die Untersuchung und Bestrafung derjenigen Geistlichen, welche dem Religions-Edict zuwider handeln), unpag. [Konzept]. 76 AaO (Acta betr. die Untersuchung und Bestrafung derjenigen Geistlichen, welche dem Religions-Edict zuwider handeln), unpag. [Konzept]. Auch der Freiherr v. Danckelmann erhielt unter dem 14. April 1794 ein von v. Carmer unterschriebenes Reskript. Ihm wurde die Kabinettsordre vom 12. April 1794 an das Justizdepartement zu seiner „beliebigen Nachricht und etwanigen weiteren Verfügung in Ansehung der Provinz Süd-Preußen“ abschriftlich bekanntgemacht. AaO (Acta betr. die Untersuchung und Bestrafung derjenigen Geistlichen, welche dem Religions-Edict zuwider handeln), unpag. [Konzept]. Unter dem 14. April 1794 wurde die Kabinettsordre auch dem Departement der Ausländischen Angelegenheiten zu „beliebiger Nachricht und etwaniger weiteren Verfügung in Ansehung der AnspachBayreuthschen Provinzen“ abschriftlich bekanntgemacht. AaO (Acta betr. die Untersuchung und Bestrafung derjenigen Geistlichen, welche dem Religions-Edict zuwider handeln), unpag. 77 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 37, Bl. 5r. 74

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K. Fiskalische Untersuchungen

König78. Skrupulös79 legten die zwölf Unterzeichner ihre Bedenken wegen der ihnen zugestellten Kabinettsordre vom 12. April dar. Da die Kabinettsresolution die Strafe der Amtsentsetzung ohne förmlichen Prozeß nicht bei Abweichungen von hergebrachten Gebräuchen, sondern vom Religionsedikt – und also auch von dessen § 6 – forderte, fürchteten sie für alle Geistlichen Pommerns die angedrohte Strafe, weil die aus dem Jahr 1568 stammende pommersche Kirchenagende bereits seit vielen Jahrzehnten nicht in allen Bestimmungen beachtet worden war. Sie legten aus ihrem Archiv den einzigen darin befindlichen Abdruck dieser Agende bei80. Aus dem dieser Agende vorgedruckten Publikationspatent der pommerschen Herzöge von 1568 ging hervor, daß die Agende nur eine neue Auflage der ersten, sofort bei der Annahme der protestantischen Kirchenverbesserung in Pommern im Jahr 1534 eingeführten Agende war. Die Landesfürsten hatten neben der Einführung „einer zweckmäßigern öffentlichen Gottesverehrung“81 einen zweifachen Zweck verfolgt: Zum einen sollte diese öffentliche Gottesverehrung dem abgeschafften römisch-katholischen Gottesdienst – soweit es mit den protestantischen Lehrsätzen vereinbar war – gleichförmig gemacht werden. Zum andern sollten den Geistlichen anstelle der bisherigen römisch-katholischen lateinischen Ritualbücher lateinische und auch deutsche Formulare zum Singen und Vorlesen an bestimmten Tagen und bei besonderen Gelegenheiten vorgeschrieben werden82. Je länger nun aber die Gemeinden von den Kirchengebräuchen der römisch-katholischen Kirche entwöhnt worden waren, desto weniger hatten die protestantischen Geistlichen durch die Abweichung von der vorgeschriebenen größtmöglichen Gleichförmigkeit mit dem ehemaligen Gottesdienst „Zwietracht und Ärgerniß“83 bei den Gemeinden zu befürchten. Viele Gemeinden fanden es auch „für sich erbaulicher, wenn statt der Ablesung der vorgeschriebenen Formulare, geschickte Geistliche ihre Aufmercksamkeit und Andacht durch zweckmäßige, eigene, nicht immer gleich lautende, Betrachtungen und Gebete, zu erheben wusten“84. Nicht zuletzt die mangelnde Handlichkeit des dickleibigen Foliobandes bei Taufen, Trauungen und Krankenbesuchen begünstigte diese Tendenz. Daher gab 1718 ein pommerscher Dorfprediger namens Flottmann bei Anklam einen Auszug aus der pommerschen Agende heraus, 78 AaO Bl. 9r–19r. Die Ausfertigung des vierspaltigen Briefes findet sich in GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta betr. die Untersuchung und Bestrafung derjenigen Geistlichen, welche dem Religions-Edict zuwider handeln), unpag. 79 Auch die sprachliche Form des Schreibens unterstreicht durch ihre umständlichen, verschachtelten Satzkonstruktionen diesen Eindruck. 80 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 37, Bl. 10r. 81 Ebd. 82 AaO Bl. 10v. 83 Ebd. 84 AaO Bl. 12r.

III. Woellner und Carmer und fiskalische Untersuchungen

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der alsbald in den meisten Gemeinden Vor- und Hinterpommerns anstatt der großen Agende in Gebrauch gekommen war85. 1769 besorgte der damalige Konsistorialrat und Generalsuperintendent Gottfried Christian Rothe in Stettin eine neue Auflage dieses Auszugs. Auch diese Auflage legten die Briefschreiber ihrem Brief bei. Diese Neuauflage war ohne offizielle Genehmigung erfolgt, stand freilich bei vielen Predigern in regem Gebrauch86. Und noch andere liturgische Bücher fanden sich in manchen Gemeinden. Würde der gesamten pommerschen Geistlichkeit die Kabinettsordre vom 12. April „zur genauesten und sorgfältigsten Achtung“87 bekanntgemacht, hätten die Geistlichen aus Gehorsam gegen den königlichen Befehl und aus Furcht vor drohender Brotlosigkeit die pommersche Kirchenagende von 1568 „so lange auf das genaueste und sorgfältigste wieder zu befolgen“88, bis der König – nach der Vorschrift des Religionsedikts – durch sein „Geistliches Staats-Ministerium“89 näher festsetzen würde, „welche alte Ausdrücke und welche alte außerwesentliche Cerimonien und Gebräuche abgestellet seyn sollen“90. Sie würden dann also auch zum Beispiel das vom Küster oder von einem Schullehrer geleistete Vorlesen des Kleinen Katechismus in zehn Abschnitten in jeweils immer wieder von vorne beginnenden zehnwöchentlichen Intervallen – nach dem Hauptlied bei jeder Vormittagspredigt – wieder einführen müssen. Auch die Taufhandlungen würden sie dann nicht mehr, wie es bislang in größeren Städten und auch auf dem Lande wenigstens bei Personen höheren Standes üblich gewesen war, in den Häusern, sondern in der Kirche, und zwar am Sonntag nicht vormittags, sondern erst nach der Nachmittagspredigt, vornehmen. Nur bei einem förmlichen Nachweis eines Notfalls wäre eine Ausnahme von dieser Regel möglich. Alle Formulare – die Taufe, Beichte, Kommunion, Trauung, Einsegnung der Kinder, die Krankenbesuche sowie die Beerdigungen betreffend – und sogar die Vorschriften, wie man mit Menschen, die vom Teufel besessen seien, umgehen solle, müßten wieder gebraucht werden, wenn nicht in der Agende eine vom Geistlichen zu verantwortende Änderung zugestanden würde. Die Einführung der interimistischen genauen Befolgung der alten pommerschen Agende wäre im übrigen nicht nur für die Geistlichen sehr schwierig, sondern würde auch in den daran nicht gewöhnten Gemeinden zu Unruhen und zur Geringschätzung der einzelnen Amtsgeschäfte eines Predigers führen, da dem Prediger, wenn er die Formulare pflichtgemäß abläse, keine Zeit zu eigenen Tauf-, Trau-, Beicht- und Leichenreden bliebe. 85

AaO Bl. 12v–13r. AaO Bl. 13r–13v. 87 AaO Bl. 13v. 88 AaO Bl. 14r. 89 Ebd. 90 Ebd. 86

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K. Fiskalische Untersuchungen

Zwar würden sich viele Prediger nach dem Empfang der Kabinettsordre vom 14. [sic] April keiner Übertretung des Religionsedikts für schuldig befinden, wenn sie in Rücksicht auf § 6 des Religionsedikts diejenigen Gebräuche und Zeremonien aus der alten Agende auch künftig unberücksichtigt ließen, die bislang für „außerwesentlich“91 gehalten worden waren. Hier – so die Pommern – irrten sie jedoch, da § 6 des Religionsedikts „die Beibehaltung der alten Agenden schlechthin zur Pflicht macht“ und nur dem Geistlichen Staatsministerium „die Beurtheilung und Abstellung der ausserwesentlichen Gebräuche überlaßen hat“92. Auch die Kabinettsordre vom 12. April erkläre „alle Entschuldigung wegen eines Mißverständnißes“93 des Religionsedikts für unzulässig und drohe bei jeder Lehre oder Handlung gegen das Religionsedikt mit der sofortigen Absetzung des Geistlichen. Andere Prediger dürften sich zwar durch § 6 der „Umständliche[n] Anweisung für die Evangelisch-Lutherischen Prediger“ der Geistlichen ImmediatExaminationskommission vom 9. April 179494 zur Beibehaltung der bisherigen Abweichungen von der alten Agende für berechtigt halten, weil sich die Prediger nach dieser Instruktion nur in den überlieferten und entweder durch ausdrückliche Verordnungen oder „tacite von der Behörde gebilligten ritibus ecclesiasticis“95 bei keiner ihrer Amtshandlungen irgendeine willkürliche und eigenmächtige Abänderung zu Schulden kommen lassen sollten. Jedoch – betonten die Pommern – verordne die Kabinettsordre vom 12. April die Strafe der Amtsentsetzung nicht bei Abweichungen von tradierten Gebräuchen, sondern von dem Religionsedikt und also auch von § 6 dieses Edikts, der die Beibehaltung der alten Agenden zur Pflicht machte, solange nicht von dem Geistlichen Departement die außerwesentlichen Gebräuche abgestellt waren. Es würden also die Prediger durch diese Instruktion rechtlich nicht vor der Amtsentsetzung geschützt werden können, wenn sie sich bis dahin auf hergebrachte Abweichungen von der alten Agende berufen wollten. Außerdem sei unbestimmt, ob unter dem Ausdruck der Behörde das Geistliche Departement, das Provinzialkonsistorium, der Kreispräpositus, die Synode oder der Patron und die einzelne Gemeinde zu verstehen seien96. Woellner reagierte ennuyiert auf dieses Schreiben. Die Überlegungen der Pommern seien „viel zu übertrieben“97. Die skrupulösen Gedankenexperimente verstand er nicht, seine Antwort war unwirsch und einfach. Die im 91

AaO Bl. 16r. Ebd. 93 AaO Bl. 16v. 94 Zu der „Umständliche[n] Anweisung“ vgl. Kapitel F.IV. 95 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 37, Bl. 16v. 96 AaO Bl. 17r. 97 AaO Bl. 20r. 92

III. Woellner und Carmer und fiskalische Untersuchungen

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Namen des Königs ergehende Resolution datierte vom 27. Juni 179498. Am 5. Juli wurde sie auf die Post gegeben. In der Kabinettsordre vom 12. April werde nichts weiter gefordert, „als daß die Prediger keine Neologen seyn; und hauptsächlich nicht gegen den §. 7“ des Religionsedikts lehren sollen. „Alles übrige bleibt unverändert, wie es an jedem Ort mit Genehmhaltung der Consistorien einmahl eingeführt ist, bis Zeit und Gelegenheit sich ereignen wird, eine neue Lithurgie im ganzen Lande gleichförmig einzuführen. Ihr habt also an Eurem Theil nur Eure Pflicht wahrzunehmen, und die etwanigen neologischen Prediger im Zucht und Ordnung zu halten, damit diese nicht vor ihren Kopf Neuerungen machen und die Gemeinen verwirren.“99 Carmer seinerseits bemühte sich, der Kabinettsordre vom 12. April über die veränderte Gerichtsbarkeit der Geistlichen „möglichst die Spitze abzubrechen“100. Am 30. Juni verfügte er im Namen des Justizdepartements an die Pommersche Regierung, daß sich die dadurch eingeführte Neuerung nur auf Vergehen gegen das Religionsedikt beziehe. Lediglich Verfehlungen in der Lehre unterlägen dem Oberkonsistorium zur Beurteilung. Alle anderen Disziplinarprozesse der Geistlichen seien wie bislang bei den Gerichten zu führen. Aus der an Woellner unter dem 12. April erlassenen Kabinettsordre war in der Öffentlichkeit bekannt geworden, daß Zöllner sowie Teller und Gedike im Oberkonsistorium bei der Abstimmung über die Verurteilung von angeklagten Geistlichen ausgeschlossen worden waren101. Am 28. April kamen daher drei Deputierte der Berliner Bürgerschaft im Namen der beiden Gemeinden von der Nicolai- und Marienkirche zu Woellner und berichteten, daß in der Gemeinde des Oberkonsistorialrats Zöllner „viele Unruhe“ herrsche, weil sich das Gerücht verbreitete, daß Zöllner durch eine Kabinettsordre kassiert werden würde102. Am vergangenen Sonntag hatten nach der Predigt viele Gemeindeglieder zu Zöllner gehen und ihn selbst darüber befragen wollen. Dies hatten die Deputierten aber verhindert, um nicht einen Auflauf zu erregen. Woellner war mißgestimmt und schrieb am nächsten Tag dem König: „Diese ganze Ambassade gefiel mir nicht.“103 Er gab den Deputierten „sehr kaltblütig“ zur Antwort, daß vorerst von Kassation keine Rede sei und daß Zöllner seine Stelle gewiß behalten werde, solange er als ein „ächter lutherischer Prediger“ sein Amt bei ihnen treu verwalten „und ihnen keine Irrlehren gegen den alten 98

Ebd. Ebd. 100 Philippson, Geschichte, Bd. 2, 76. 101 Vgl. zu diesem auf einer Kabinettsordre vom 12. April 1794 beruhenden Vorgang Kapitel K.III. 102 Das berichtete Woellner dem König schriftlich am 29. April 1794. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 73r. Vgl. auch Philippson, Geschichte, Bd. 2, 152 f. 103 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 73r. 99

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K. Fiskalische Untersuchungen

Christlichen Glauben vorpredigen, und also nicht wieder das Religions-Edict handeln würde“104.

IV. Heinrich Würtzer 1. Die „Bemerkungen über das Preußische Religionsedikt vom 9ten Julius“ Der ausländische Philosoph Heinrich Würtzer zog sich wegen einer noch vor dem Zensuredikt vom 19. Dezember 1788 veröffentlichten Schrift einen Prozeß zu. Er war am 28. Januar 1751 in Hamburg zur Welt gekommen105. Nach dem Studium der Philosophie und Rechtswissenschaften hatte Würtzer die Stellung eines Hofmeisters erhalten106. Später unternahm er eine Bildungsreise und betrat am 10. Mai 1788 die preußische Hauptstadt107. Mit der Berliner Geistlichkeit hatte er überhaupt keinen Kontakt gehabt und mit einigen Berliner Gelehrten, die er während seines Aufenthalts kennengelernt hatte, nur sehr wenig Umgang gepflogen108. 104

Ebd. Da Heinrich Würtzer von der Geschichts- und Literaturforschung bislang nahezu völlig übersehen worden sei, kündigt Walter Grab an, Würtzers Leben und Wirken so ausführlich zu würdigen, wie es aus den „spärlich fließenden Quellen“ (aaO 48) rekonstruierbar sei. Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, Deutsche revolutionäre Demokraten 5, Stuttgart 1973. Über Würtzer aaO 48–65. Außerdem bietet Grab in moderner Orthographie und teilweise gekürzter Fassung einige Primärquellen Würtzers. Vgl. aaO 152–248. Jüngst handelt von Würtzer Christina Stange-Fayos, Lumières et obscurantisme en Prusse. Le débat autour des édits de religion et de censure [1788–1797], Bern 2003, 129. 139. 141. 151–154. 194–201. 216 f. 230. 235 f. 247–249. 252–255. 279. 305 und 323. Sowohl Grab als auch Stange-Fayos folgen bei der Namensschreibung Würtzers der Mehrheit seiner gedruckten Werke und buchstabieren ihn mithin „Würzer“. Die vorliegende Darstellung dagegen folgt seinen „Bemerkungen über das Preußische Religionsedikt vom 9ten Julius, nebst einem Anhange über die Preßfreyheit, Berlin [Leipzig] 1788“ und dem „Erkenntniß des Königl. Kammer-Gerichts zu Berlin in der bekannten Sache des D. der Philos. Heinrich Würtzer mit Anmerkungen. Als ein Beytrag zu den merkwürdigen Rechtsfällen, Frankfurt und Leipzig 1789“ sowie den handschriftlichen Quellen, da ihnen größeres historiographisches Gewicht zukommt. 106 Der im Hausvogteiarrest befindliche Würtzer sagte in der Vernehmung aus, daß er 38 Jahre alt, lutherischer Religion und aus Hamburg gebürtig sei. Er hatte in Göttingen Theologie studiert, dann aber dieses Studium verlassen und sich der Rechtsgelehrsamkeit und Philosophie zugewandt. Danach hatte er fünf Jahre lang die Stelle eines Hofmeisters in Wien versehen. Schließlich war er wieder nach Göttingen gegangen, wo er zum Doktor der Philosophie promoviert worden war und anderthalb Jahre lang Kollegia gelesen hatte. Von dort aus hatte er sich nach Hamburg zurückbegeben, wo er seinen Lebensunterhalt durch Schriftstellerei und Privatunterricht bestritten hatte. Erkenntniß des Königl. Kammer-Gerichts zu Berlin, 18 f. 107 AaO 15 f. 108 AaO 20. 105

IV. Heinrich Würtzer

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1788 veröffentlichte er „Bemerkungen über das Preußische Religionsedikt vom 9ten Julius, nebst einem Anhange über die Preßfreyheit“109. Ohne sein Wissen sei als Druckort Berlin angegeben worden110. Würtzer selbst zeigte dem König die falsche Angabe des Druckortes an, „vermuthlich um keinen Unterthan in den Verdacht des Ungehorsams zu bringen“111. Würtzers „Bemerkungen“ waren wesentlich schärfer als die übliche aufklärerische Kritik, denn sie nahmen nicht nur die Umgebung des Königs ins Visier, sondern auch Friedrich Wilhelm II. selbst112. Kühn widmete Würtzer sein Buch, das sich nicht durch besondere formale Sorgfalt auszeichnete113, dem Monarchen: „An Seine Königliche Majestät Friedrich Wilhelm den Zweiten.“114 An keiner Stelle erwähnte Würtzer Woellner namentlich, sondern es ist nur die Rede von der Arbeit des „Gesetzverfassers“115 oder vom „Verfaßer des Edikts“116. Freilich wird der Beruf als „Minister“117 spezifiziert. Zwar sei der neue König, behauptete Würtzer in dieser Schrift schmeichelnd, ein „Freund einer aufgeklärten Religion“118, jedoch könnten seine

109 Heinrich Würtzer, Bemerkungen über das Preußische Religionsedikt vom 9ten Julius, nebst einem Anhange über die Preßfreyheit, Berlin [Leipzig] 1788. Zu dieser Kabale äußert sich Philippson nur sehr kurz und voller Häme gegen Woellner. Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 1, Leipzig 1880, 229–232. 110 Erkenntniß des Königl. Kammer-Gerichts zu Berlin, 21. 111 Ebd. [Anmerkung]. Unumwunden gab Würtzer in einem vom 9. November 1788 datierenden Brief an den König zu: „Je dois à la vérité le sincere aveu, que le lieu d’impression indiqué au titre de ces Remarques a été supposé par le libraire étranger qui les a imprimés.“ AaO Beilage 2. Lettre écrite au Roi le 9 November 1788, 65. 112 Stange-Fayos, Lumières, 153. Würtzers Ausführungen bedürfen einer ausführlichen Darstellung, um Woellners Reaktion und das Urteil des Kammergerichts einordnen zu können. Wenn Paul Schwartz die Vorgänge um Würtzer auf zweieinhalb Seiten schildert, vermag er sie nicht hinreichend zu erfassen. Es verblüfft, wie er die Mißachtung von Würtzers „Bemerkungen“ rechtfertigt: „Der Inhalt seiner die Sache nicht klärenden und nicht fördernden Schrift ist hier unwesentlich, wohl aber ist die Entscheidung des Kammergerichtes von Bedeutung.“ Schwartz, Der erste Kulturkampf, 127. 113 Würtzer gebrauchte teilweise eine auch im zeitgenössischen Rahmen unübliche Graphematik. 114 Würtzer, Bemerkungen, 3. Die Widmung führte er auf den folgenden Seiten weiter aus. AaO 5–8. Laut seufze „der edelste Theil“ der königlichen Untertanen „über die Verordnung vom neunten Julius, die unter Ew. Maj. erhabnen Namen erschien, glaubt den Inhalt derselben Dero gütevollem Herzen, Dero landesväterlichen Absichten zuwider, dem Wohl und der Ehre des Vaterlandes hinderlich“. AaO 6. 115 AaO 38. Vom „Gesezverfasser“ sprach Würtzer auch aaO 44. 116 AaO 23 und – in anderer Graphematik – aaO 61 und 151. 117 AaO 62 und aaO 63. „Die im Anfange des Ediktes, wie auch im 7ten, 8ten und 11ten Paragraphen, angeführten Motive machen dem Herzen des Königs und seines Ministers Ehre.“ AaO 126. 118 AaO 19.

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K. Fiskalische Untersuchungen

Gesinnungen mißbraucht werden. „Kabalen belagern seinen Thron. Priester und Geisterseher drängten sich zu ihm hin.“119 Der „Vorbericht“ ist auf den 2. August 1788 datiert120. Einleitend erläuterte Würtzer sein Verständnis von Aufklärung. „Ein von allen Vorurtheilen unabhängiges, auf Erfahrung und Grundsätze gebautes vernünftiges Denken über die wichtigsten Gegenstände des menschlichen Wissens, über unsre Verhältnisse als Menschen und Bürger, über Sittenlehre, Politik und Religion, dies ist es, was ich mir unter dem Namen Aufklärung vorstelle.“ Seine „Bemerkungen über das Preußische Religionsedikt vom 9ten Julius, nebst einem Anhange über die Preßfreyheit“ teilte er in die Beantwortung dreier Fragen auf. Erstens: Was soll es nach dem Edikt bedeuten, „die Religion der protestantischen Kirche in ihrer alten ursprünglichen Reinigkeit und Aechtheit [zu] erhalten und zum Theil wieder her[zu]stellen“121? Sodann: Durch welche Mittel soll dieser Zweck erreicht werden? Zuletzt: Ist der Landesherr berechtigt, diesen Zweck auszuführen und diese Mittel dazu anzuwenden? Zur Beantwortung der ersten Frage traktierte Würtzer besonders § 7 des Religionsedikts. Wenn es dort heiße, daß – als erste Grundwahrheit – die Bibel das geoffenbarte Wort Gottes sei, dann bedeute dies wohl, daß Gott den Schriftstellern, deren Bücher und Briefe von den Protestanten zur Bibel gerechnet würden, die dort niedergeschriebenen Inhalte unmittelbar geoffenbart habe. Die Kanonfrage freilich – bemerkte Würtzer – sei selbst unter orthodoxen Theologen umstritten. Es sei daher sehr mißlich, „die Resultate gelehrter theologischer Untersuchungen ohne eigne Prüfung anzunehmen“122. Die christliche Religion der protestantischen Kirche in ihrer ursprünglichen Reinigkeit und Echtheit zu erhalten, bedeute nach dem Edikt, „der protestantischen Kirche ihr edelstes Kleinod, die Freiheit des eignen Denkens, der eignen Untersuchung nehmen, und sie an alte Formeln, die vor Jahrhunderten erfunden sind, auf immer binden“123. „Ungerne sag ich es, aber es ist wahr: es heißt, der Menschheit spotten“124, wenn in § 8 des Religionsedikts versichert werde, daß der Monarch den Geistlichen sowie den übrigen Untertanen keinerlei Zwang im Blick auf ihre innere Überzeugung antun wolle. „Innere Ueberzeugung kann durch keinen Befehl, 119

AaO 20. AaO 9 f. 121 AaO 24. 122 AaO 26. Würtzer sah mit unverstelltem Blick auf die ambivalente Inanspruchnahme der Bibel: In Streitigkeiten beriefen sich die Prediger auf den biblischen Urtext, wenn dieser Text für ihre Auslegung sprach, und wenn der Urtext gegen ihre Deutung sprach, stellten sie die Übersetzung als maßgeblich dar. Der erwiesenermaßen von jüngerer Hand stammende Einschub in 1 Joh 5,7 wurde als Hauptbeweis für die Trinitätslehre gebraucht. AaO 28. 123 AaO 49. 124 AaO 51. 120

IV. Heinrich Würtzer

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durch keine Gewalt, kann von Gott selbst nicht anders als durch ein Wunder verändert werden.“125 Würtzer resümierte lakonisch: „Wir können alles, was in dem Edikt über die völlige Gewissensfreiheit vorkömmt, in folgende Worte kurz zusammenfassen: denkt, was ihr wollt, weil es euch niemand wehren kann, nur räsonnirt nicht.“126 Dann wandte sich Würtzer seiner zweiten Hauptfrage zu, nämlich den Mitteln, die nach dem Religionsedikt angewandt werden sollten, „um die christliche Religion der protestantischen Kirche in ihrer alten ursprünglichen Reinigkeit und Aechtheit zu erhalten, und zum theil wieder herzustellen“127. Diese seien dreigestaltig. Als erstes Mittel wurden die „alten Glaubensbücher“128, auf welche die Lehrer verpflichtet waren, und die alten Kirchenagenden und Liturgien neu bestätigt. Als zweites Mittel wurde eine protestantische „Inquisition“129 errichtet. Solange man sich genau an die in den Symbolischen Büchern festgesetzten Lehrbegriffe binde, könnten „die ursprünglich ächte, reine christliche Religion, und die ursprünglich ächte, reine protestantische Religion schlechterdings nicht einerlei sein“130. Das Neue Testament – „die wahre Quelle der erstern“131 – enthalte nur sehr wenige eigentliche Lehrsätze, deren nähere Bestimmung sie überdies dem Verstand jedes Christen überlasse, und ihr hauptsächlicher Zweck sei es, „eine gesunde Moral an die Stelle verdienstlich geglaubter Religionsgebräuche zu sezen“132. Die Symbolischen Bücher dagegen enthielten viele theologische Bestimmungen und Erklärungen sogenannter Glaubenslehren, zu deren Annahme „unmöglich jeder Christ, unmöglich jeder Prediger als Volkslehrer verbunden sein kann“. Es sei „der Geist der Reformation“133, daß es dem Christen freistehe, selbst zu untersuchen. Schließlich erörterte Würtzer das dritte Mittel, durch das die beiden ersten unterstützt werden sollten: Belohnungen und Strafen. Er überlegte, was mit den in § 8 angekündigten noch härteren Strafen gemeint sei. Vielleicht stünden Geldstrafen, Gefängnis, Zuchthaus, Festungsbau und Landesverweisung zu befürchten134.

125

AaO 52. Ebd. 127 AaO 55. 128 Ebd. 129 Ebd. Zum Inquisitionsvorwurf vgl. aaO 60 f. 63–66. 74 f und 77. 130 AaO 55 f. 131 AaO 56. 132 Ebd. 133 Ebd. 134 AaO 66 f. Würtzer schrieb für ein preußisches Publikum, das er in seiner Schrift auch in direkter Rede ansprach. 126

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K. Fiskalische Untersuchungen

Das Religionsedikt autorisiere Gewissenlosigkeit aus Toleranz, wenn es heterodoxen Lehrern, die in einem öffentlichen Amt standen, erlaubte, dieses Amt innezubehalten, solange sie sich zukünftig genau nach dem vorgeschriebenen Lehrbegriff richteten135. Öffentliche Lehrer würden zu „Heuchlern“136 gemacht. Man habe vermutlich wohl eingesehen, daß – wenn alle andersdenkenden Lehrer ihr Amt niederlegten – eben dadurch „die Meinung von der Heiligkeit kirchlicher Lehrbegriffe bei dem Volke einen gefährlichen Stoß bekommen könnte“137 und daß, wenn man solche Prediger absetzen wollte, manche Gemeinden, die mit ihrem Geistlichen zufrieden waren, „öffentliches Mißvergnügen“138 zeigen würden. Weder eine freiwillige noch eine erzwungene Amtsentsetzung entspreche also der Absicht des Religionsedikts. Würtzer meinte hinlänglich bewiesen zu haben, daß durch die Verordnungen des Religionsedikts das erste und wichtigste Recht aller Menschenrechte verletzt werde. Er ging folgerichtig zu seiner dritten Hauptfrage über, der Frage nämlich, ob der Regent berechtigt sei, seinen Untertanen ihr Menschenrecht zu nehmen. Zu Beginn seiner Schrift hatte er diese Frage noch nicht mit dem Begriff der Menschenrechte verknüpft. „Menschenrechte fließen geradezu aus der Natur des Menschen; ihnen entsagen, heißt seiner Natur entsagen. Das Recht zu denken und andern meine Gedanken mitzutheilen, kann ich so wenig irgend jemanden abtreten, als das Recht, mich durch den Gebrauch körperlicher Nahrungsmittel zu erhalten.“139 Kenne ein Fürst die Menschenrechte nicht, werde er aus Unwissenheit die Grenzen der ihm zukommenden Gewalt überschreiten. Kenne er sie aber und suche sie dennoch zu unterdrücken, sei er ein Tyrann. Handele er aus Unwissenheit, sei es die Pflicht des Philosophen, ihn zu unterrichten140. Der preußische Landesherr sei zwar durchaus der Gesetzgeber; er dürfe aber nicht nach Willkür befehlen: „Jede Macht im Staate ist dem ersten Zweck desselben, der Glückseligkeit der bürgerlichen Gesellschaft untergeordnet.“141 Bei der Unterschrift zum Religionsedikt sei der König von

135

AaO 73. AaO 73 f. 137 AaO 74. 138 Ebd. 139 AaO 91 f. 140 Der Philosoph verfügt also nach Würtzer dank seines größeren Wissens über eine bedeutendere Autorität als der Fürst. Stange-Fayos, Lumières, 198. Auf den Unterricht des Philosophen müsse der Fürst von denjenigen aufmerksam gemacht werden, die sich seinem Thron nähern. „Aber wehe dem Lande, dessen Fürst, zu schwach am Verstande, um sie einzusehn, oder zu eigensinnig, um ihnen zu folgen, die Lehren der Vernunft verwirft, und mit einer herrschsüchtigen Geistlichkeit zur Ausübung des ärgsten Despotismus über seine Unterthanen gemeinschaftliche Sache macht!“ Würtzer, Bemerkungen, 92. 141 AaO 94. 136

IV. Heinrich Würtzer

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seinen Ratgebern betrogen worden. Nichts sei leichter, „als einen Fürsten von Seiten der Religion zu täuschen“142. Mit einem Religions- und Weltanschauungsvergleich relativierte Würtzer die Bedeutung des Christentums. Sokrates, Friedrich II., griechische und römische Stoiker sowie viele Philosophen der jüngeren Vergangenheit seien ruhig gestorben, ohne die „Trostgründe“143 des Christentums zu kennen oder darauf zu achten. Dasselbe gelte auch für Muslime und Juden. „Ein gutes Gewissen ist das einzige sichere Mittel, wodurch Menschen zu dem Glücke gelangen können, bei allen Vorfällen des Lebens ruhig, und im Tode getrost zu sein. Sollen wir es einer Religion zu verdanken haben, dieses Glück, so muß sie erst ihre Bekenner gut und tugendhaft machen. Gerade das, ich sag es aus völliger Ueberzeugung, war der Zweck der Lehre, die Jesus den religiösen Ideen seines Zeitalters entgegensezte. Aber nur zu bald wurde die simple schöne Religion Jesu durch weit hergeholte Erklärungen und fremde Zusäze verdorben.“144 Aufgeklärte Lehrer hätten sie gegenwärtig „von dem Wuste“145, unter dem sie begraben lag, zu reinigen und „durch lichtvolle Untersuchungen und einleuchtende Gründe in ihrer ursprünglichen Schönheit“146 wiederherzustellen versucht. Als Würtzer dem Kriegsrat Schlüter seine Schrift zur Zensur übergab, versagte ihm dieser die Druckerlaubnis147. In der später gegen ihn geführten Untersuchung erklärte Würtzer, daß ihn das Verbot nicht weiter habe bekümmern müssen, da er in den Preußischen Staaten fremd war und die Zensur nur zu passieren gesucht habe, um seine Schrift in Berlin drucken lassen zu können148. Auch in Wittenberg verweigerten dann drei Professoren den Druck der Schrift, während sie schließlich in Leipzig, nachdem zuvor einige Ausdrücke abgemildert worden waren, unter dem falschen Druckort Berlin149 nebst einer Widmung an den preußischen König gedruckt wurde. Heinrich Würtzer erkühnte sich, sein Büchlein dem König nicht allein zu widmen, sondern es ihm auch mitsamt einem französischen, vom 9. November

142

AaO 96. AaO 139. 144 AaO 141. „Jesus sezte die Religion in guten Gesinnungen und Handlungen; nach unsern Kirchensystemen besteht sie in unfruchtbarem Wissen.“ AaO 141 f. 145 AaO 142. 146 Ebd. 147 Erkenntniß des Königl. Kammer-Gerichts zu Berlin, 16. 148 Ebd. [Anmerkung]. 149 Man hatte – so die Auskunft des Leipziger Magistrats – Berlin als Druckort auf den Titel gesetzt, weil sich Würtzer nicht in Leipzig, sondern in Berlin aufhielt. AaO 20 f. Tatsächlich jedoch wollte der Buchdrucker einen Konflikt mit den sächsischen Zensurbehörden vermeiden. Stange-Fayos, Lumières, 153. 143

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K. Fiskalische Untersuchungen

1788 datierenden Schreiben zuzuschicken150. Würtzer war sich seiner Sache sicher: „Si Votre Majesté daigne jetter un coup d’oeil sur l’écrit que j’ai l’honneur de Lui faire présenter, Elle rendra surement justice à la droiture des intentions de l’auteur.“151 Die Konsequenzen seines Briefes an Friedrich Wilhelm II. hatte Würtzer alsbald zu tragen. Unter dem 13. November erging eine Kabinettsordre an den Großkanzler152. Carmer werde aus der Anlage ersehen, „daß die sogenannten Aufklärer immer dreister werden“ und den König zwingen würden, ihrem „Muthwillin“ endlich landesherrliche Autorität entgegenzusetzen. Sogleich befahl Carmer an demselben Tag dem Stadtpräsidenten Johann Karl Friedrich v. Eisenhart, unverzüglich die Verhaftung Würtzers durch die Polizei zu verfügen153. Bereits am Abend wurde er verhaftet und zur Hausvogtei gebracht154. Am folgenden Tag erhielt das Kammergericht durch ein von Carmer unterschriebenes Reskript den Befehl, Würtzer, der verschiedene Stellen des Edikts „von einer lächerlichen u. gehäßigen Seite gegen ihren klaren Sinn und Wortumstand“ zeigen wolle, wegen der „Verdrehungen und Sophistereyen“ in seiner Schrift zur Verantwortung zu ziehen155. 2. Der Prozeß Der Prozeß gegen Heinrich Würtzer fand am 15. November 1788 – also noch vor dem Erlaß des Zensuredikts vom 19. Dezember 1788 – unter dem Vorsitz des Kriminalrats Karl Ludwig Amelang statt. Würtzer übernahm selbst seine Verteidigung. Unter dem 25. November erging dann an das Kammergericht ein von Carmer unterschriebenes Reskript156. Nachdem der Kriminalrat Amelang die von ihm verhandelten Untersuchungsakten eingereicht hatte, wurden sie dem Kammergericht gegeben, damit es ein Erkenntnis, also ein Urteil, abfassen konnte. Vor der Publikation müsse das Erkenntnis, wie gewöhnlich, zur Bestätigung beim Großkanzler eingereicht werden.

150 Erkenntniß des Königl. Kammer-Gerichts zu Berlin, Beilage 2. Lettre écrite au Roi le 9 November 1788, 64 f. 151 Erklärend fügte Würtzer hinzu: „Quant à la vivacité du stile, il m’était impossible de la supprimer malgré les changemens que j’y a faits, ayant toujours vécu loin des grands affaires, et n’ayant jamais eu l’occasion d’apprendre les ménagemens usités dans le commerce du beau monde.“ AaO Beilage 2. Lettre écrite au Roi le 9 November 1788, 64. 152 Die Kabinettsordre an den Großkanzler findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. X, Nr. 130, Bl. 1r. 153 AaO Bl. 3r [Konzept]. 154 AaO Bl. 4r. 155 AaO Bl. 5r [Konzept]. 156 AaO Bl. 9r [Konzept].

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Der im Hausvogteiarrest befindliche Würtzer behauptete im Verhör, daß er Geistliche für die Verfasser des Religionsedikts gehalten habe und das Tadelnswürdige im Edikt nur auf deren und nicht auf des Königs und seiner Minister Rechnung gesetzt habe. Inzwischen müsse er jedoch gestehen, „daß Spöttereien vorkämen, welche den Concipienten des Edikts als Schriftsteller träfen“157. Die Wichtigkeit der Materie habe ihn zu heftigen Ausdrücken fortgerissen. Zuletzt bemerkte Würtzer noch, daß ein Edikt, das entgegen der Vorschrift nicht der Gesetzkommission vorgelegt worden sei158, der öffentlichen Kritik mehr ausgesetzt sein müsse als andere Gesetze159. In der schriftlichen Verteidigung führte Würtzer an, daß er in Berlin mit niemandem in Verbindung stehe, von dem er sich im Falle einer verdienten Strafe irgendeine Unterstützung hätte versprechen können. Dennoch habe er sich auf dem Titel der Broschüre öffentlich genannt und es sogar gewagt, sie dem König zuzueignen und sie ihm zu übersenden. Unter diesen Umständen könne „die Reinigkeit seines Gewissens um so weniger bezweifelt werden, da der erhabne Zweck, die Rechte der Menschheit zu vertheidigen, sich schon durch den Ton seiner Schrift offenbare“160. Er gestand zu, daß die „Lebhaftigkeit“161 seines Stils auffallend sein könne, aber sie sei nicht strafbar. Ob er mit seinem Tadel die dem Landesherrn und dessen Dienern schuldige Ehrfurcht verletzt habe, müsse entschieden werden162. Das Kammergericht urteilte differenziert. Es könne Würtzer nicht als eine Verletzung der Majestätsrechte ausgelegt werden, wenn er in der Widmung und an mehreren anderen Stellen seiner Schrift163 und auch in der Vernehmung behauptete, daß es unverletzliche Menschenrechte gebe, über welche die Majestätsrechte nicht ausgedehnt werden dürften164. Würtzers Schuld bestehe darin, daß er seine Meinung nicht „mit der gehörigen Bescheidenheit“165 vorgetragen habe. Auch wenn sein Spott nur den Konzipienten habe treffen sollen, 157

Erkenntniß des Königl. Kammer-Gerichts zu Berlin, 24. Gemäß dem Patent zur Errichtung der Gesetzkommission wäre es deren Aufgabe gewesen, das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 vor dessen Publikation zu begutachten. Vgl. Kapitel B.I.1. 159 Erkenntniß des Königl. Kammer-Gerichts zu Berlin, 24. 160 Ebd. 161 AaO 25. 162 AaO 26. 163 Würtzer, Bemerkungen, 18. 92. 94. 164 Erkenntniß des Königl. Kammer-Gerichts zu Berlin, 26 f. Der Herausgeber bemerkte triumphierend dazu: „So spricht das Königl. Kammergericht in einem Erkenntnisse, welches es dem Monarchen zur Bestätigung vorlegt! Eine herrliche Belehrung für übelunterrichtete Fremde, die das ganze Preußische Volk als einen Haufen von Sklaven ansehen, und ohne den Widerspruch zu merken, zu gleicher Zeit über den Mißbrauch der Preßfreiheit in den Preußischen Staaten schreien!“ AaO 27 [Anmerkung]. 165 AaO 27. 158

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so hätte er doch einem mit der Unterschrift des Monarchen versehenen Edikt „die erforderliche Achtung“166 bezeugen müssen. Würtzer habe sich bei dem Tadel nicht nur spöttischer, sondern auch harter Ausdrücke bedient. Harte Ausdrücke seien solche, die entweder einen Unwillen des Tadelnden gegen den Getadelten ausdrückten oder dazu bestimmt seien, beim Leser oder Zuhörer einen Unwillen gegen den Getadelten hervorzurufen167. Daß Würtzer einen derartigen Unwillen gegen den König geäußert hätte, ließe sich nicht behaupten168. Er wolle überhaupt keinen Minister, sondern immer nur die Geistlichkeit gemeint haben169. Eine harte Stelle aus seiner Schrift etwa laute170: „Ungerne sag ich es, aber es ist wahr: es heißt, der Menschheit spotten, wenn in eben diesem achten §. versichert wird, der Monarch wolle weder einem Geistlichen noch sonst einem Unterthan bei seiner innern Ueberzeugung den mindesten Zwang anthun, er wolle sich keiner Herrschaft über das Gewissen anmaaßen“171. Hier habe der Unwille des Inkulpaten das Edikt selbst zum Gegenstand172. Wenn man auch mit Recht annehmen könne, daß der Unwille, den Würtzer äußerte, nicht gegen den Gesetzgeber, sondern nur gegen den Konzipienten gerichtet sei, so vertrügen sich doch solche Äußerungen nicht mit der Bescheidenheit, mit denen landesherrliche Befehle beurteilt werden müßten173. Entschuldbar sei Würtzers Meinung über die Ähnlichkeit der von ihm befürchteten Folgen des Religionsedikts mit der Inquisition. Da es sich um seine persönliche Meinung handele, könne man ihm nur einen Irrtum vorwerfen174. Weniger verzeihlich dagegen seien diejenigen Äußerungen, die dazu dienen konnten, Unwillen gegen die Regierung zu erregen; das Kammergericht bezog sich unter anderem auf den Satz: „Wer hätte wohl nach der weisen Regierung Friedrichs des Zweiten, und in den Preußischen Staaten, ein Edikt erwarten sollen, welches so ganz auf unrichtige Grundsätze gebaut ist, worin die Begriffe so verworren, so unter einander geworfen, und angegebne Fakta in einem so falschen Lichte vorgestellt sind?“175 Zwar erhelle aus anderen Stellen von 166

AaO 35. AaO 36. 168 AaO 37. 169 AaO 38 f. Das Kammergericht verwies auf die Seiten 106 und 142 von Würtzers Schrift, um zu zeigen, daß Würtzer die Geistlichkeit als Verfasser des Edikts vermutete. Dies ist dort freilich nicht eindeutig gesagt. 170 AaO 39. 171 Würtzer, Bemerkungen, 51 f. Das Erkenntnis des Kammergerichts zitierte bis auf wenige Ausnahmen in der Graphematik und Zeichensetzung korrekt. 172 Erkenntniß des Königl. Kammer-Gerichts zu Berlin, 39. 173 AaO 39 f. 174 AaO 40. 175 Würtzer, Bemerkungen, 24. Das Kammergericht zitierte korrekt mit kleinen irrelevanten Abweichungen. Erkenntniß des Königl. Kammer-Gerichts zu Berlin, 42 f. 167

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Würtzers Schrift, daß er bei den Untertanen keinen Widerwillen gegen den Landesherrn erregen wolle. Wenn auch die zuvor zitierten Äußerungen „unschädlich“176 seien, seien sie gleichwohl „unanständig“177. Nicht verantworten lasse sich der Satz „Kabalen belagern seinen Thron. Priester und Geisterseher drängten sich zu ihm hin.“178 Zwar hatte Würtzer die Stelle bereits abgemildert – im ersten Manuskript hatte gestanden: „Priester und Geisterseher wußten sein Vertrauen zu gewinnen“179 –, aber der erste Satz war geblieben180. Das Kammergericht betonte, daß Würtzer um so mehr gezwungen gewesen wäre, seine Ausdrücke sorgfältig zu wählen, da er seine Schrift dem König zugeeignet und übersandt hatte181. Da er seinen richtigen Namen nannte, könne seine Schrift gemäß Artikel 110 der Peinlichen Halsgerichtsordnung – das ALR war noch nicht in Kraft getreten – nicht als Schmähschrift angesehen werden. Auch der Umstand, daß Würtzer in Berlin blieb, schließe allen Vorsatz aus, den Landesherrn zu beleidigen182. Selbst der französische Brief an den König sei, „an sich betrachtet, unschuldig“183. Zwar sei folgender Satz „auffallend“184: „Fréderic Guillaume a trop de lumières, trop de modestie pour se croire le seul Monarque, qui soit infaillible ou à l’abri de l’influence des mauvais conseils“185. Diese bedenkliche Stelle verliere jedoch ihr Gewicht durch den vorangehenden Satz: „Fréderic II a été mal conseillé plus d’une fois, et son Successeur a déjà réparé plusieurs de ses fautes“186. Aus allen Aspekten ergebe sich, resümierte das Kammergericht, daß sich Würtzer „eines unanständigen und spöttischen Tadels des Religionsediktes vom 9ten Jul. d. J. schuldig gemacht“187 habe. Es sei unnütz zu untersuchen, 176

AaO 45. Ebd. 178 Würtzer, Bemerkungen, 20. Neben wenigen unwesentlichen Abweichungen in der Graphematik findet sich im Zitat des Kammergerichts eine bedeutungsvolle Differenz: Das Imperfekt „drängten“ ist zum Präsens „drängen“ geändert. Erkenntniß des Königl. KammerGerichts zu Berlin, 45. 179 Ebd. 180 Ebd. 181 AaO 49. 182 AaO 49 und 55. 183 AaO 51. 184 Ebd. 185 AaO Beilage 2. Lettre écrite au Roi le 9 November 1788, 64. Das Kammergericht zitierte – abgesehen von irrelevanten Abweichungen in der Zeichensetzung und dem Plural „des influences“ statt des Singulars – korrekt. AaO 52. 186 AaO Beilage 2. Lettre écrite au Roi le 9 November 1788, 64. Das Kammergericht zitierte abgesehen von einem fehlenden Akzent korrekt. AaO 52. Wenn jedoch Würtzer in seinem Schreiben an den König die „Lebhaftigkeit“ seines Stils durch seine Entfernung von den „Welthändeln“ und seine Unbekanntschaft mit der höfischen Sprache zu entschuldigen suche, könne ihm dies zwar hinsichtlich „einiger zu geradezu vorgetragenen Sätze“ zustatten kommen, aber ihn nicht wegen der spöttischen Ausdrücke rechtfertigen. Ebd. 187 Ebd. 177

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welcher Name „diesem Verbrechen“188 gegeben werden solle. Das Verbrechen der Majestätsbeleidigung werde – die härteren Fälle ausgenommen – ebenso wie das Verbrechen der verletzten Ehrfurcht, nach dem Ermessen des Richters mit Landesverweisung, mit Gefängnis und zuweilen auch nur mit Geldbuße bestraft. Die auf Schmähschriften gesetzte Strafe sei hier nicht in Erwägung zu ziehen, nicht nur wegen Artikel 110 der Peinlichen Halsgerichtsordnung, sondern auch, weil die Ehre des Landesherrn selbst nicht angegriffen worden war und die Schrift keine persönlichen Diffamierungen enthielt. Obwohl bei dem Mangel bestimmter Strafgesetze auf den Namen des Verbrechens wenig ankomme189, wäre es doch dem Sprachgebrauch zuwider, wenn man „das Vergehen“ Würtzers als Majestätsverbrechen bezeichnen wollte, das nur vorlag, wenn der böse Vorsatz erwiesen war. Er spreche von dem Landesherrn vielmehr überall „mit der größten Hochachtung“190. Würtzers Fehler bestehe in einer „Unbedachtsamkeit“191, die keine schädlichen Folgen für das Gemeinwesen haben könne. Hätte er die Freiheit von Abgaben und Diensten, von Zehnten und Stolgebühren verteidigt, hätte dies das Volk aufwiegeln können. „Aber die Freiheit zu denken hat nur für Wenige Reitz, und meistentheils nur für solche, die in der Stille leben.“192 Überdies habe Würtzer die preußischen Untertanen ausdrücklich zum Gehorsam ermahnt193. Insgesamt könne also, „bei dem offenbaren Mangel aller bösen Absicht, keine härtere als sechswöchige Gefängnißstrafe erkannt werden“194. Unter dem 9. Dezember 1788 überreichte der Instruktionssenat des Kammergerichts dem König dieses über Würtzer abgefaßte Urteil195. Das Kam188

Ebd. Der Herausgeber fragte, nach welcher Regel ein Fall beurteilt werden solle, wenn er sich unter keine bestimmte Benennung von Verbrechen bringen lasse. AaO 53 f [Anmerkung]. „Der Willkühr des Richters nur das geringste überlassen, ist für die bürgerliche Freiheit immer gefährlich.“ AaO 54 [Anmerkung]. 190 AaO 54. 191 AaO 56. 192 AaO 57. Dazu bemerkte der Herausgeber in seiner Schlußbemerkung: Diese Beobachtung erscheine ihm „nicht völlig richtig“. AaO 69. Zwar seien es, wie überhaupt immer im Vergleich zur großen Menge, nur wenige; und in der Tat sei dies „für die Vervollkommnung des Menschengeschlechts“ (ebd.) sehr nachteilig. Die „größten Staatsmänner“ (ebd.) der Zeit wüßten freilich Denkfreiheit zu schätzen. Wenn von denen, welche die Denkfreiheit als das größte Gut des Lebens betrachteten, viele in der Stille lebten, sei ihre Liebe zum freien Denken gemeinhin nicht die Wirkung der Einsamkeit, sondern sie lebten „von Geschäften und weitläuftigem Umgange entfernt, entweder weil ihnen, zu den ersteren gebraucht zu werden, und des letzteren zu genießen, Mittel und Gelegenheit fehlen, oder weil ihnen die Entfernung von der Welt das beste Mittel scheint, ein Gut, das sie über alles schätzen, ungestört zu genießen“. AaO 69 f. 193 AaO 57. 194 AaO 60. 195 GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. X, Nr. 130, Bl. 10r. 189

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mergericht befand ihn zwar nicht des Verbrechens verletzter Ehrfurcht gegen die Person des Königs, wohl aber eines – wie Carmer dem König am 17. Dezember mitteilte196 – „unbescheidenen und spöttischen Tadels“197 über den Inhalt und die Fassung eines öffentlich ergangenen Landesgesetzes schuldig. Carmer nun ersuchte den König um die Approbation dieses Urteils in einer Kabinettsordre198, „zumalen aus allen bei der Untersuchung vorgekommene Umständen erhellet, daß dieser Mensch in seiner Art ein Schwärmer für die sogenannte Aufklärung sey, der weder aus bösen Absichten, noch auf fremdes Anstiften, sondern vielmehr aus einem freylich eben so schief verstandenen, als übel angebrachten Eyfer für das, was er die Rechte der Menschheit nennt, gefehlt habe“199. Das an ihm statuierte Exempel solle andere „von ähnlichen Excessen“200 abschrecken. Der Jurist Carmer vermochte nicht, das eigentliche Problem des Religionsedikts zu erkennen: „Ueberhaupt scheint das gegen das Religions Edict entstandene Geschrey mehrentheils nur ein Mißverständniß zum Grunde zu haben.“201 Man habe fälschlich die Öffentlichkeit „zu überreden“ gesucht, daß das Religionsedikt beabsichtige, erstens allen königlichen Untertanen in ihrer Denkfreiheit Gesetze vorzuschreiben, zweitens „jede auch die bescheidenste Prüfung von Religions Wahrheiten zu untersagen“, drittens die Bibel den Symbolischen Büchern nachzusetzen und viertens „solchergestalt eines jeden Verstand und Gewißen an die Meinungen der Verfaßer von diesen Büchern zu feßeln“202. Es erhelle „klar“ „aus dem gantzen Innhalt des Edicts“203, daß die königliche Intention „dabey nur gewesen sey, den öffentlichen Gottes Dienst einer jeden der verschiedenen im Staat aufgenommenen Religions Parteien nach dem Innhalte ihrer Symbole, auf deren Grund der Staat sie aufgenommen hat, und schützet, zu ordnen, und zu verhüten, daß nicht Männer, die sich für Protestantische Religions Lehrer ausgeben, ihr Amt zur Untergrabung des LehrBegrifs, zu deßen Vortrag sie berufen sind, auf eine so unverschämte Art, als bisher häufig geschehen ist, mißbrauchen“204. Fast alle der bislang im Druck erschienenen Schriften gegen das Religionsedikt zeigten, daß sich „die Wiedersacher der Religion“ durch einige aus dem Zusammenhang gerissene Stellen 196

GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 10r–10v. AaO Bl. 10r. 198 In der Kabinettsordre forderte er außerdem, daß Würtzer „das unschickliche [sic] in seinen Betragen annoch mit Nachdruck verwiesen, und er für künftige aehnliche Vergehungen bey Vermeidung härterer Strafe gewarnt werden“ müsse. AaO Bl. 12r. 199 AaO Bl. 10r. 200 Ebd. 201 Ebd. 202 Ebd. 203 AaO Bl. 10v. 204 Ebd. 197

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ermächtigt hätten, „der Sache jene gehäßige Wendung zu geben und dadurch manche gutdenkende aber ängstliche Gemüther mit allerhand grundlosen Besorgnißen zu erfüllen“205. Carmer hoffte, diese verunsicherten Gemüter beruhigen und „den Verläumdungen der Feinde der guten Sache ein Stillschweigen“ auferlegen zu können, wenn der König die von ihm entworfene Kabinettsordre unterschriebe. In dieser Kabinettsordre meinte Carmer die königliche Willensmeinung „auf eine bestimmte und über alle Verdrehungen hinweg gesetzte Art nochmals zu erklären“206. So verband die Kabinettsordre das aktuelle Tagesgeschehen – die Bestrafung Würtzers – mit der grundsätzlichen Religionspolitik. Letztere wurde nahezu viermal so ausführlich wie erstere behandelt. Das Religionsedikt könne „nicht anders als für ein kirchliches Policey Gesetz“207 angesehen werden, „und es sind muthwillige Verdrehungen, wenn demselben ein anderer Sinn angedichtet werden will“208. „So wenig es aber jemand billigen würde, wenn ein Prediger der Protestantischen Kirche, unter dem Vorwande, der Aufklärung seiner Gemeine alle Grundsätze der Römischen Kirche vortragen, und zur Annahme empfehlen wolte, eben so wenig und noch weniger kann es erlaubt seyn, daß ein Deiste, Socinianer und dergleichen Sectirer seine Meinungen und Lehren einer Gemeine der Augspurgschen Confession aufdringe.“ Keineswegs wolle er die Glaubens- und Gewissensfreiheit seiner Untertanen einschränken; er könne und wolle aber niemals gestatten, „daß heimliche Feinde der christlichen Religion, welche sich für Protestantische Prediger ausgeben, fernerhin fortfahren solten, Meine getreue Unterthanen in ihren Glauben irre zu machen und ihnen mit der Religion zugleich die sicherste Beruhigung im Leben und Tode, so wie die würcksamste Bewegungsgründe zur Tugend und Rechtschaffenheit zu entziehen“209. Friedrich Wilhelm II. war mit diesem Entwurf einschränkungslos einverstanden; er forderte, nachdem er ihn gelesen hatte, sogleich eigenhändig eine Abschrift, die ihm noch an demselben Tag zur Unterschrift zugesandt werden sollte210. Unter dem 22. Dezember erging dann ein von Carmer unterschriebenes Reskript an das Kammergericht, dem er das Erkenntnis zurückschickte,

205

Ebd. Ebd. 207 AaO Bl. 12r. 208 Ebd. 209 Ebd. 210 AaO Bl. 11r. Unter dem 19. Dezember 1788 erging an Carmer eine Kabinettsordre. Er erhielt das gegen Würtzer abgefaßte Erkenntnis zurück, bei dem es sein Bewenden haben solle. „Nur muß diesem Menschen, das Unschickliche, in seinem Betragen, noch mit Nachdruck, verwiesen, und er, für künfftige ähnliche Vergehungen, bey Vermeidung härterer Strafe, gewarnet werden.“ GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. X, Nr. 130, Bl. 13r. 206

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damit wegen der Publikation und Vollstreckung das Erforderliche verfügt werden könne211. Das Urteil fiel für Würtzer günstig aus, weil die verhängte sechswöchige Gefängnisstrafe mit dem bislang erlittenen Arrest zeitlich verrechnet werden sollte. Da sich die Untersuchung, Abfassung und Bestätigung der Sentenz über sechs Wochen erstreckt hatten, erlangte er an demselben Tag, an dem ihm die Strafe bekanntgemacht wurde, seine Freiheit aus dem Arrest wieder. Freilich mußte er noch die Untersuchungskosten tragen212. Trotz der ihm widerfahrenen Unannehmlichkeiten blieb Würtzer der preußischen Hauptstadt vorerst treu. In den folgenden Jahren fertigte er Übersetzungen aus dem Englischen und Französischen an213. Schließlich zog er Mitte 1793 wieder nach Altona. Da er sich nun in nichtpreußischen Landen aufhielt, brauchte er nicht zu befürchten, wegen seines in der ersten Jahreshälfte 1793 verfaßten „Revolutionskatechismus“ preußischen Maßregelungen ausgesetzt zu werden214. Nach 1814 wirkte Würtzer nicht mehr öffentlich, sondern widmete sich dem privaten Bücherstudium. 1827 ging er wieder nach Berlin. Am 27. Juli 1835 starb der 84jährige Greis.

211

AaO Bl. 14r [Konzept]. Für den Kriminalrat Karl Ludwig Amelang mußte Würtzer 16 Reichstaler, 15 Groschen und 6 Pfennig zahlen; die Urteilsgebühren betrugen 6 Reichstaler, die Kopierarbeiten 1 Reichstaler und 8 Groschen sowie die Bestellungsgebühren 6 Groschen. Erkenntniß des Königl. Kammer-Gerichts zu Berlin, 15. 213 1792 überlegte Würtzer, zusammen mit dem am Joachimsthalschen Gymnasium wirkenden Pierre Villaume nach Frankreich auszuwandern, nahm jedoch von dieser Option Abstand, da sich die Französische Revolution in den Massakern vom September 1792, welche die Abschaffung der Monarchie begleiteten, zunehmend dem Terror annäherte. 214 In seinem „Revolutionskatechismus“ kannte Würtzer die Jakobinerkonstitution vom 24. Juni 1793 noch nicht, sondern legte die monarchische Verfassung von 1791 zugrunde. Würtzer erläuterte die Grundsätze der Menschenrechtserklärung von 1789, die in die Verfassung von 1791 aufgenommen worden waren. Er hielt noch an der Institution der Erbmonarchie fest. Der Katechismus „befürwortete zwar die Theorie, leugnete jedoch die Praxis der Revolution“. Grab, Leben, 54. Als Robespierres „Diktatur der Freiheit“ herrschte, entwickelten sich Würtzer, Georg Forster, Georg Friedrich Rebmann und einige andere deutsche Aufklärer zu konsequenten Republikanern und zu „Jakobinern mit dem Volke“. Die sogenannten „deutschen Jakobiner“ hatten in Norddeutschland, Süddeutschland und zumal in Mainz Anhänger. Zwar forderten sie Reformen, kämpften aber im Grunde nicht für die Abschaffung der Monarchie. Wegen ihrer lokalen Zersplitterung konnten die „deutschen Jakobiner“, zu denen wohl etliche hundert Personen zählten, keine reichsweite Organisation gründen. Horst Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1763–1815, Deutsche Geschichte 7, Berlin 1994 (1989), 528. Als Würtzer erkannte, daß das Direktorium und Napoleon Bonaparte aus rein machtpolitischem Kalkül handelten und keine Republikanisierung und Demokratisierung Deutschlands im Sinn hatten, nahm er von seiner revolutionären Gesinnung Abstand. 212

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V. Johann Heinrich Schulz 1. Der Prozeß Johann Heinrich Schulz215 und Carl Wilhelm Brumbey als die „beiden Opfer“216 des Religionsedikts zu bezeichnen, ist irreführend. Zum einen sind der Gielsdorfer und der Berliner Prediger nicht die einzigen Geistlichen, die wegen des Religionsedikts aktenkundig wurden. Zum andern war das Berufsund mithin auch Lebensschicksal der beiden nicht allein durch dieses Edikt bestimmt217. Freilich ist Schulz der einzige Prediger, der in der Folge des Religionsedikts sein Pfarramt verlor. Das ureigenste Opfer des Religionsedikts sollte im übrigen zuletzt Woellner selbst werden. Bereits 1781 war Johann Heinrich Schulz auffällig geworden, weil er anstelle der zur geistlichen Amtstracht gehörigen Perücke den bürgerlichen Zopf auch auf der Kanzel getragen hatte. Und in seinen „Versuche[n] einer Anleitung zu einer Sittenlehre für alle Menschen ohne Unterschied der Religion“ war er als Freigeist aufgetreten. Auch zwei Predigten des Zopfschulzen hatten abfällige Äußerungen über die Religion, das Gebet und den geistlichen Stand enthalten. Fünf Wochen nach dem Erlaß des Religionsedikts meldete Woellner dem König am 5. August 1788, daß er die „beiden in der That Gotteslästerlichen Predigten“218 des Predigers Schulz in der nächsten Konferenz öffentlich dem ganzen Konsistorium vortragen lassen und die Voten darüber sammeln werde. Dann werde er die Sache dem Konsistorialfiskal zur rechtlichen Untersuchung übergeben. Woellner rechnete mit einer raschen Verurteilung: „Er wird vermuthlich einen schweren Stand haben. Ich für meine Person werde dabei ganz sanfte verfahren, damit man nicht über Intoleranz schreie.“219 Der Fiskus, die Gesetze und der Großkanzler „werden ihn aber schon züchtigen wie er verdienet, und wenn in diesen 2 Predigten nur die Hälfte als wahr erwiesen wird; so 215

Eine ausführliche, gründliche und aktengesättigte Arbeit über Johann Heinrich Schulz bietet Johannes Tradt, Der Religionsprozeß gegen den Zopfschulzen (1791–1799), Rechtshistorische Reihe 158, Frankfurt a. M. u. a. 1997. Daher kann der Fall des Zopfschulzen in der vorliegenden Darstellung äußerst knapp abgehandelt werden. 216 So lautet der Titel der beiden Aufsätze von Paul Schwartz über Schulz und Brumbey: Die beiden Opfer des Preußischen Religionsediktes vom 9. Juli 1788. J. E. [sic] Schulz in Gielsdorf und K. W. Brumbey in Berlin [I. Teil], in: JBBKG 27 (1932), 102–155 und Ders., Die beiden Opfer des Preußischen Religionsediktes vom 9. Juli 1788. J. E. [sic] Schulz in Gielsdorf und K. W. Brumbey in Berlin, II. Teil. Karl Wilhelm Brumbey, in: JBBKG 28 (1933), 96–127. 217 Stange-Fayos bezeichnet Heinrich Würtzer, Carl Friedrich Bahrdt, Pierre Villaume und Andreas Riem als „victimes physiques“ des Religionsedikts. Stange-Fayos, Lumières, 154. Tradt, Der Religionsprozeß, 257 versteht zwar Schulz als Opfer des Religionsedikts, nicht jedoch Brumbey. 218 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 2r. 219 Ebd.

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sehe ich nicht ab, wie er der Cassation entgehen will“220. Jedoch folgte auf die beiden Predigten kein Urteil, da sie vor dem Erlaß des Religionsedikts gehalten worden waren. Nach zwei Denunziationen, die Brumbey veranlaßt hatte221, mußte sich Schulz gegenüber dem Kammergericht dann 1791 wegen Verletzung des Religionsedikts verantworten. Am 27. Februar 1792 schließlich wandte sich die Kriminal-Deputation des Kammergerichts an den König222. Woellner und das Oberkonsistorium hatten am 19. Januar die gegen Schulz verhandelten Untersuchungsakten zur Abfassung eines Urteils eingesandt. Ehe das Kammergericht diesem Ansuchen Folge leisten konnte, schickte es einige Bemerkungen voraus. Die geführte Untersuchung habe nach dem Zeugnis der Akten „die Regelmäßigkeit des Lebenswandels“ des Predigers, „die Sittlichkeit, Ordnung und Gehorsam seiner Gemeine gegen den König und die Obrigkeit, und die wechselseitige Ruhe und Zufriedenheit des Patrons und der Gemeine mit ihrem Prediger außer allen Zweifel gesezt“223. Es bleibe also nur die Frage zu erörtern übrig, „ob die Lehre des Prediger [sic] Schulze so wie sie bey der Untersuchung ausgemittelt worden, den Grundwahrheiten der Lehre Jesu zuwieder sey“224. Schulz räumte dies nicht ein, sondern suchte vielmehr zu beweisen, daß er stets dieser Lehre gemäß gepredigt habe. Hermes jedoch versicherte in einem den Akten beigefügten Aufsatz das Gegenteil. Das Kammergericht nun betonte, daß es nicht zu seinem Ressort gehöre zu entscheiden, „welche von diesen Behauptungen zweier Gottesgelehrten und ordinirten protestantisch lutherischen Prediger den Vorzug verdient, vielmehr sind wir als Richter angewiesen, in allen Sachen, welche außer den juristischen, Kenntniße anderer Sachkundigen vorauszusezzen [sic], das Gutachten derselben einzuholen“225. Dazu notierte Woellner ungeduldig: Wenn die Kammergerichtsräte den lutherischen Katechismus zur Hand nähmen, könnten sie die Sache leicht entscheiden; „aber sie wollen nur nicht“226. Die Kammergerichtsräte ersuchten stattdessen Woellner und das Oberkonsistorium, fünf Fragen zu beantworten, nämlich erstens, „ob die Lehre Jesu sämtliche Grundwahrheiten der christlichen Religion enthalte, und worin diese Grundwahrheiten bestehen“227, zweitens, „[o]b außer den Lehren Jesu noch Grundwahrheiten vorhanden, und worin diese bestehen“, drittens, „[o]b die 220

Ebd. Tradt, Der Religionsprozeß, 55 f. 222 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 45r–45v [Abschrift]. 223 AaO Bl. 45r. 224 Ebd. 225 Ebd. 226 Ebd. 227 AaO Bl. 45v. 221

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Grundwahrheiten der Lutherischen Confession mit den Grundwahrheiten der christlichen Religion übereinstimmen, oder worin ihre Nichtübereinstimmung sich gründe“, viertens, „[w]as es mit den sogenannten Glaubenslehren überhaupt, und der lutherischen Confession insbesondere für eine Bewandnis habe, und ob diese Grundwahrheiten der Religion überhaupt und der Lutherischen insbesondere ausmachen“, und fünftens, „[o]b der Prediger Schulze bei seinen Lehren so wie solche bey der Untersuchung ausgemittelt worden, von den Grundwahrheiten der christlichen Religion überhaupt oder der lutherischen Confession abgewichen sey“228. Am 5. April, einem Donnerstag, schrieb Woellner dem Monarchen229, nachdem er ihm bereits einige Zeit zuvor mündlich mitgeteilt hatte, daß dem Konsistorium vom Kammergericht in der Untersuchung gegen den Prediger Schulz verschiedene „weit hergeholte“ Fragen vorgelegt worden waren, von denen „die meisten nicht zur Sache“230 gehören würden. Woellner legte nun eine Abschrift dieser Fragen bei und berichtete, daß sich das Konsistorium über diese Fragen nicht hatte einigen können und daß es daher bloß die einzelnen Voten an das Departement abgegeben hatte. Daher hatte Woellner am vorangegangenen Montag die Sache in den Staatsrat gebracht, der dem Konsistorium dann befohlen hatte, lediglich die fünfte Frage zu beantworten. Auf diese Weise würden „die Geistlichen Aufklärer des Consistorii ziemlich in die Enge gerathen“, wenn sie ein Conclusum machen sollten, das ihren Grundsätzen ganz zuwider sei. Auch der König war eines Sieges über die widerständigen Räte im Oberkonsistorium gewiß, hatte jedoch nicht verstanden, daß Woellner nur die fünfte Frage beantwortet wissen wollte. So frohlockte er: „durch diese 5 fragen werden Sie wohl embarassirt werden u nicht weiter können“231. Am 6. April erging dann an Woellner eine Kabinettsordre, in der er ungeachtet der Bemerkung Friedrich Wilhelms II. bei der Beschränkung auf die fünfte Frage blieb232. Der König pflichtete der Meinung seines Etatsministers vollkommen bei, daß die geistlichen „Aufklärer“ des Konsistoriums durch die fünfte Frage „embarrassirt“ sein würden „und nicht weiter können“. Handschriftlich setzte der König, der offensichtlich den Unterschied nicht bemerkte, hinzu, daß ihm auch der „gute Br Farferus“ in diesem Sinn geschrieben habe. Man möge Gott stets anrufen, dann könne keine üble Wirkung des „Satans“ Schaden zufügen. Bischoffwerder – der rosenkreuzerische Bruder Farferus – hatte in dieser Sache also, wie

228

Ebd. AaO Bl. 44r. 230 Ebd. 231 Ebd. 232 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 13, Bl. 7r. 229

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auch überhaupt, großen Einfluß auf den Monarchen. Dies zeigt einmal mehr, daß Woellner keineswegs unbeschränkt über den König verfügte. Schon wenig später wurde Friedrich Wilhelm II. mit dem Verlauf des Prozesses unzufrieden. Deshalb verwies Woellner ihn am 20. April233 auf seinen vierzehn Tage zuvor erstatteten Bericht. Wegen der Osterferien hatte die Sache erst am Vortag beim Kurmärkischen Konsistorium vorgenommen werden können. Am Nachmittag des Vortags hatte v. d. Hagen Woellner mündlich gesagt, daß man zu keinem Beschluß gelangt und daß er mit einigen Räten hart aneinandergeraten sei. Woellner empfahl dem König, die beigefügten zwei Kabinettsordres234 zu vollziehen, denn ohne königliche Unterstützung „wird man die Sache so drehen“, daß Schulz „gewis durchschlüpfet“235. In der an Carmer konzipierten, auf den 21. April datierten Kabinettsordre ließ Woellner den König harsche Kritik am Kammergericht üben, das „sich sehr wunderlich aufführet, und anstatt nach dem Réligions-Edict zu erkennen, allerlei unnütze Fragen an das Consistorium hat gelangen lassen“236. Friedrich Wilhelm II. erwarte „augenblicklich“ Antwort. Die Sentenz müsse innerhalb von vier Wochen an den König eingesandt werden. Auch an seine eigene Person konzipierte Woellner eine auf den 21. April datierte Kabinettsordre und lobte darin die von ihm selbst vollzogene Reduzierung der Fragen auf die fünfte Frage. Der König habe die „wunderlichen“237 Fragen des Kammergerichts gelesen, und Woellner habe „sehr wohl gethan“, die Beantwortung nur auf die fünfte Frage einzuschränken. Woellner solle v. d. Hagen beauftragen, dem Kammergericht von den geistlichen Räten „auf das schleunigste“ Antwort geben zu lassen, ob Schulz „dem Religions-Edict conform gelehret habe, und also ein lutherischer Prediger sei oder nicht“238. Am 5. Juni übersandte Woellner dem König die Sentenz des Kammergerichts239. Die wichtigsten Stellen hatte Woellner rot angestrichen, um Friedrich Wilhelm II. „das weitläufige Lesen zu ersparen“240. Bei Woellners letztem mündlichen Vortrag hatte sich der König unwillig gegen die Urteilsverfasser geäußert. Dieser Unwille werde nun wohl vermehrt werden. Da jedoch gewiß nicht alle Mitglieder des Kriminalsenats an dieser „misérablen Sentenz“241 Schuld seien, bat Woellner um die Vollziehung der von ihm konzipierten 233

GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 1, Bl. 46r. Ebd. 235 Ebd. 236 „Es ist Mir unbegreiflich wie Ihr das so mit ansehen könnet, und Ich frage Euch nur ganz kurtz: Ob Meine Edicte ein Gesetz für den Richter sein müssen oder nicht?“ Ebd. 237 Ebd. 238 Ebd. 239 AaO Bl. 47r. 240 Ebd. 241 Ebd. 234

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Kabinettsordre an Carmer, die er auf den 6. Mai [sic] datiert hatte: Ehe er, der König, seine Meinung über die Sentenz äußern würde, sollte Carmer diejenigen Mitglieder des Kammergerichts, die diese Sentenz gefällt hatten – also den ganzen Kriminalsenat –, in seiner, Carmers, Gegenwart versammeln, ihre vormals abgegebenen Voten einzeln und namentlich zu Protokoll nehmen lassen und dem König diese Protokolle mitsamt dem Votum Tellers, mit dem dieser „die Freiheit der ganzen Evangelischen Kirche vertreten will“ und in dem er betont hatte, daß Schulz gemäß dem lutherischen sola-scriptura-Prinzip und gemäß der lutherischen Glaubensfreiheit als lutherischer Prediger gelten könne, innerhalb von „zweimahl 24 Stunden“242 einsenden. Am 9. Juni243 legte Woellner dem Monarchen das Konfirmationsreskript wegen der Absetzung von Schulz sowie die Voten der Kammergerichtsräte zur Vollziehung vor. Wenn der König nicht „Gnade vor Recht wollten ergehen lassen so müßten alle diese Menschen viel härter bestraft werden, indessen wird auch diese mässige Züchtigung schon von Effect sein, und die gute Sache sehr viel dadurch gewinnen, wozu Gott seinen Seegen geben wolle, denn das Böse ist schon gar zu sehr eingerissen“244. An demselben Tag erging eine von Woellner konzipierte Kabinettsordre an den Großkanzler245. Der König habe das Protokoll gelesen, das Carmer unter dem Datum des Vortags zugesandt hatte, in dem die Voten der Kammergerichtsräte enthalten waren, welche „die elende Sentenz“246 in Schulzens Sache gefällt hatten. Der König könne nicht begreifen, „wie vernünftige Leute, wofern sie nicht bösen Willen haben, wie hier aber offenbar zu Tage liegt, dergleichen Unsinn vorbringen, und wieder ihre Pflicht und Gewissen behaupten können“247. Er habe das nach der Meinung des Justizdepartements entworfene, auf die Amtsentsetzung von Schulz lautende Konfirmationsreskript sogleich vollzogen, da nach der Auffassung des Konsistoriums und selbst des Kammergerichts Schulz kein lutherischer Prediger mehr sei. Diejenigen Räte, die dem König hatten vorschreiben wollen, Schulz trotz seiner „Irrlehren“ als „Volckslehrer“ beizubehalten, müßten gewisse Konsequenzen erfahren, damit sie nicht in ihrem „Muthwillen“248 bestärkt würden. Carmer sollte ihnen im Namen des Königs mitteilen, daß sie alle es „wegen offenbahrer Verdrehung des Religions-Edicts als vorgeschriebenen LandesHerrlichen Befehls, und wegen einer Anmaassung die ihnen in keinem Betracht zukommen kann“, 242

Ebd. AaO Bl. 48r. 244 Ebd. 245 AaO Bl. 48r–48v. 246 AaO Bl. 48r. 247 Ebd. 248 Ebd. 243

V. Johann Heinrich Schulz

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verdient hätten, ihres Amtes entsetzt zu werden, und daß der König sie nur aus Rücksicht auf ihre Familien und in der Hoffnung auf eine künftige Besserung „zwar noch dismahl“ in seinen Diensten behalten, „sie aber niemals zu höhern Stuffen befördert wissen will“249. Auch sollte Carmer die Räte mit einer Geldbuße von einem vierteljährigen Tractament bestrafen und dieses Geld an das Armendirektorium auszahlen lassen, das die Summe zum Besten des „IrrenHauses“250 verwenden müsse. In der auf den 9. Juni datierten Kabinettsordre an Woellner251 wies ihn Friedrich Wilhelm II. an, wegen der Amtsentsetzung von Schulz das Notwendige zu besorgen. Auch gegen Teller, der durch sein Votum das Kammergericht verführt habe, richtete sich die Ordre in demütigender Weise. Der Propst sollte für drei Monate von seinem Amt suspendiert und sein Gehalt in dieser Zeit ebenfalls an das Armendirektorium zu dem bereits gegenüber den Räten genannten Zweck ausgezahlt werden252. Und Woellner sollte Teller und die übrigen Räte des Konsistoriums warnen, daß jeder, der sich unterstehen werde, „heimlich oder öffentlich dem Religions-Edict entgegen zu arbeiten“, zukünftig ohne jeden Prozeß die Kassation zu gewärtigen habe. Es könne „ein jeder von ihnen glauben was er will, allein Meine gute Unterthanen und vornehmlich das arme gemeine Volck soll von den neuen Irrlehrern nicht verführet werden“253. Nach einem verwickelten Prozeßgeschehen wurde Schulz schließlich im September 1793 endgültig seines Amtes enthoben254. 2. Die letzten Jahre Im Sommer 1797 bat Schulz, der inzwischen nahezu vier Jahre lang ohne Einnahmen hatte leben müssen, in einer Immediateingabe an Friedrich Wilhelm II. um die Bewilligung einer Pension. Unter dem 21. August jedoch wurde ihm in einem von Woellner unterschriebenen Reskript beschieden, daß seine Bitte ohne königliche Resolution zurückgeschickt worden sei255. Ebenso wie Brumbey erhoffte auch Schulz vom Thronwechsel eine Lebenswende. Am 1. Februar 1798 schrieb er, nunmehr privatisierend in Altlandsberg

249

Ebd. Ebd. 251 AaO Bl. 48v. 252 Die entsprechende Kabinettsordre an das Armendirektorium war auf den 9. Juni 1792 datiert. Ebd. 253 Ebd. 254 Tradt, Der Religionsprozeß, 32–159. Im Frühsommer 1794 zog Schulz von Gielsdorf nach Altlandsberg um. AaO 174 f. 255 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 8 [Ministerial-Archiv 106], unpag. 250

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bei Berlin lebend, selbstbewußt an Friedrich Wilhelm III.256 Der ihm von Woellner 1791 „angezettelte“ Religionsprozeß sei, wie alle Welt wisse, mit derart unübersehbaren Ungerechtigkeiten geführt worden, daß selbst das Kammergericht sich genötigt gesehen habe, unter dem 7. Mai 1792 an den Großkanzler zu berichten, über Woellners Eingriffe und Verhinderungen der reinen Rechtspflege bittere Klage zu führen und zu bitten, daß seinen ungerechten Eingriffen gesteuert werden möge. Es sei bekannt, wie hart das Kammergericht öffentlich dafür bestraft worden war, daß es durch sein absolutorisches Erkenntnis Schulzens Unschuld vor aller Welt gerechtfertigt hatte257. Jüngst sei in einem 1798 in Paris gedruckten „Obscuranten-Allmanach“, der in ganz Deutschland Verbreitung gefunden habe, gesagt worden: „Wöllner verdiene entweder als Wahnsinniger ins Tollhaus oder als Schurcke ins Zuchthaus gesperrt zu werden“. Weiter heiße es, „daß die Preußische Regierung durch den Schulzischen Religions-Proceß vor aller Welt geschändet und lächerlich gemacht worden sei“. Der König möge, betonte Schulz, bedenken, wie nachteilig es im In- und Ausland für die Achtung gegenüber dem preußischen Staatsrat und dem Justizministerium sein müsse, wenn vom Ausland gesagt werde, daß dieses höchste Landeskollegium einen Schurken zu seinem Mitglied habe258. Sein Prozeß werde notwendig revidiert werden müssen, wenn dieser „Fleken“ von der preußischen Regierung in der Geschichte abgewischt werden solle259. Schulz erhielt schließlich eine Zivilversorgung im Fabriken- und Kommerzialdepartement des Generaldirektoriums in Berlin. 1823 starb er in Altlandsberg260.

VI. Carl Wilhelm Brumbey 1. Die ersten Amtsjahre Eine Pfarrersgestalt von besonderer Skurrilität war Carl Wilhelm Brumbey261. Religiöse Überspanntheit, Unduldsamkeit des Temperaments und die Gewiß256 AaO (Acta in Untersuchungs Sachen wider den Prediger Schultze zu Gielsdorff), Bl. 33r–34r. 257 AaO (Acta in Untersuchungs Sachen wider den Prediger Schultze zu Gielsdorff), Bl. 33r. 258 AaO (Acta in Untersuchungs Sachen wider den Prediger Schultze zu Gielsdorff), Bl. 33v. 259 AaO (Acta in Untersuchungs Sachen wider den Prediger Schultze zu Gielsdorff), Bl. 34r. 260 Tradt, Der Religionsprozeß, 190 261 Nicht „Karl Wilhelm“, wie bei Paul Schwartz buchstabiert, sondern „Carl Wilhelm“ lauteten Brumbeys Vornamen. Dies erhellt aus der Unterschrift eines, freilich nur in Abschrift überlieferten, Briefes Brumbeys. GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 45v. Auch Brumbeys gedruckte Schriften bieten diese Namensschreibung.

VI. Carl Wilhelm Brumbey

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heit, eine treue Anhängerschaft sein Eigen nennen zu können, führten unausweichlich zu harter Kollision mit der staatlichen Kirchenaufsicht. Zu Ostern 1788 wurde der am 24. Januar – Friedrichs II. Geburtstag – 1757 in Dresden262 Geborene als dritter Prediger an die Berliner Jerusalems- und Neue Kirche berufen. Kursachsen hatte Brumbey bereits seit vielen Jahren verlassen: Früh war die Familie aus dem Elbflorenz in die königliche Havelstadt gezogen, im Berliner Gymnasium zum Grauen Kloster hatte Brumbey seine höhere Schulzeit verbracht263. Berlin – und also Preußen und nicht Kursachsen – betrachtete er stets als seine Heimstatt. Das Theologiestudium absolvierte Brumbey unspektakulär an der Hallenser Fakultät. 1785 dann näherte er sich wieder Berlin, nachdem er als Diakon nach Altlandsberg, das zur Friedrichswerderschen Diözese gehörte, berufen worden war. Seine Probepredigt hielt er am 23. Oktober 1785264 unter Anwesenheit des ihm wohlwollenden Inspektors der Friedrichswerderschen Diözese Samuel Christian Küster, sieben Wochen später, am 15. Dezember 1785, legte er vor dem Konsistorium sein Examen ab265, und nach weiteren drei Monaten, am 12. März 1786, konnte er sein neues Amt übernehmen, das er freilich nur weniger als zwei Jahre verwaltete. Vielerlei offenbar verleumderisches Wirken ließen seine Zu Brumbey gibt es insgesamt drei – oder vielmehr sogar nur zwei – Aufsätze. Eine stark verkürzte Version der 1933 veröffentlichten Abhandlung von Paul Schwartz ist Ders., Karl Wilhelm Brumbey. Ein Kapitel aus der Berliner Kirchengeschichte zur Zeit des Religionsediktes, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 44 (1927), 23–28. Schwartz hat aus vielen Quellen gearbeitet und bietet eine eindrückliche Schilderung. Jedoch folgt er nicht unwesentlich dem in der 1797 erschienenen Aktenmäßigen Darstellung gebotenen tendenziösen Bild Brumbeys. Den wörtlichen Zitaten bei Schwartz mangelt es weithin an formaler Zuverlässigkeit. Sehr verdienstvoll ist der Aufsatz von Karl Walter, Noch einmal Karl Wilhelm Brumbey, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 44 (1927), 116–123. Walter hat mit außerordentlichem Spürsinn die Nachweise der bei Schwartz grundsätzlich nicht benannten Quellen zusammengesucht und außerdem darüber hinaus zahlreiche weitere Quellen gefunden. Etliche der aufgeführten Quellen stehen heute wegen der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg nicht mehr zur Verfügung. Die vorliegende Darstellung macht die Lektüre dieser nützlichen Aufsätze nicht obsolet. Sie bietet aber durch eine eigene neue Auswertung und Gewichtung der benutzten Quellen eine veränderte Wahrnehmung Brumbeys. 262 Brumbeys Vater, Leberecht Victor Brumbey, war preußischer Kriegskommissar und in dem unter preußischer Verwaltung stehenden Kursachsen tätig. Vgl. Schwartz, Die beiden Opfer, II. Teil, 99. Vgl. auch Walter, Karl Wilhelm Brumbey, 116–123, hier 121 f. 263 AaO 119 f. Anton Friedrich Büsching, der zur Schulzeit Brumbeys das Amt des Direktors im Grauen Kloster innehatte, urteilte 1776 über den neunzehnjährigen Schulabgänger: „,ein witziger Kopf, der zu Halle die theologischen Wissenschaften lernen will. Er muß seichte Gelehrsamkeit und bloßen Schimmer ernstlich fliehen, hingegen sehr gründlich und also auch sehr regelmäßig und fleißig studieren, so kann er sich dereinst mit Zuversicht zeigen.‘“ Zitiert aaO 120. Mit dieser pädagogischen Einschätzung sollte Büsching Recht behalten. 264 Als Bibeltext legte er selbstbewußt Mt 7,24 zugrunde. 265 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1795, Bl. 131r. Das Prüfungsprotokoll vermerkte schlicht, daß er zum Predigtamt „admissible“ befunden worden sei.

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Gemeinde den baldigen Weggang nicht bedauern266. Theologisch vollzog sich bei Brumbey in der Altlandsberger Zeit eine erhebliche Wandlung. Nach dem Tod Friedrichs II. streifte er sein teilweise ins Heidnisch-Exzentrische übersteigertes aufklärerisches Denken ab267 und hüllte sich lebenslang in simple, individuelle orthodox-pietistische Konstrukte. Beispielhaft war sein auf eigene Kosten, ohne Jahresangabe, verlegtes zweiunddreißigseitiges Schriftlein „Allegorische Beschreibung einer Reyse durch das Gnaden-Land“, dessen Form und Inhalt in ihrer Schlichtheit und Vordergründigkeit keinerlei Reflexionsfähigkeit des Lesers erforderten268. 266 Die Vorgänge in Altlandsberg lassen sich aus dem Dunkel der Vergangenheit nicht mehr erhellen. Brumbey selbst deutet lediglich an, daß „Abscheulichkeiten“ vorgegangen seien. Carl Wilhelm Brumbey, Eigene Monita zu der wider ihn heraus gegebenen Acten-mäßigen Darstellung seiner Ideen, Handlungen und Schicksale, 1799, 8. 267 In jungen Jahren, 1778, verfaßte Brumbey „Minerva. Erstes Opfer“, im folgenden Jahr führte er sein lyrisches Projekt durch „Minerva. Zweites Opfer“ weiter. 1784 erschien bei Arnold Wever in Berlin von Brumbey ein fünfundneunzigseitiger „Kurzer theoretischer Plan zur Menschenerziehung nach den Bedürfnissen unsrer Zeiten“, den ein eigentümlich aphoristischer Stil prägte. Brumbey lobte die wissenschaftlichen Fortschritte der vergangenen Jahre: „Wer kann unserm Jarhundert, oder in demselben dem neuesten Zeitalter, das Verdienst grosser Aufschlüsse in der Sache des Erziehungswesens, abstreiten?“ AaO IV. Um der allgemeinen Nutzbarkeit willen erachtete er eine vermehrte Popularisierung der Kenntnisse für alle Stände, für akademisch nicht gebildete Bürger und auch – darauf wies Brumbey eigens hin – für Frauen als notwendig. AaO VII. Der Prediger resümierte knapp: „Erziehung ist Gottes Absicht, des Menschen Bestimmung, Glückseligkeit ist ihr Zweck.“ AaO 23. Entscheidend sei die Moralität: „Sind keine christlichen Tugenden: So giebts auch keine wahre Religion und Glückseligkeit. – Selbstliebe wird Statsintresse und Eigennutz. – Mit Moralität fällt auch Gottseligkeit und Frömmigkeit.“ AaO 67. Brumbey zielte auf eine „Selenveredlung durch iede Art des Guten vermittelst Tugend und Religion. Wir wollen nicht blos kluge, geschikte und gelerte Menschen haben; sondern vornemlich und vor allen Dingen – gute Menschen, gut in ihren Gesinnungen und Handlungen. Darauf zweckt, warhaftig! alle wahre Wolfart, zeitliche und ewige Glückseligkeit, ab. Das ist auch im eigentlichsten Verstande Erziehung, im strengsten Sinn Bildung des Menschen.“ AaO 13 und vgl. dazu besonders aaO 57–83. „Die Aufklärung und Bessrung der Sele ist die oberste Hauptpflicht einer Sittenlere für alle Menschen.“ AaO 51. Übereinstimmend mit dem aufklärerischen Ideal – übrigens empfahl er Bücher zum Beispiel seines früheren Schuldirektors Büsching (aaO 53 f) – strebte Brumbey eine Erziehung an, die sich an den natürlichen Anlagen des Menschen orientierte: „Naturkräfte sind da, sie findet der Erzieher; er dehne aus, mehre, bessre: Aber alles der Natur gemäs; das ist die grosse Lere, Regel und Kunst!“ AaO 31 und vgl. etwa ferner aaO 61. Pietistisch motiviert war dagegen seine Abneigung gegen Kartenspiele, die „durchaus verwerflich“ (aaO 46) seien; er forderte Beaufsichtigung und bedachte Auswahl der Spiele: „Eigentlicher Zeitvertreib ist eine schreckliche Sache: Nützliche Zeitanwendung schön.“ AaO 46. Jedoch wußte Brumbey im Blick auf das Strafen sowohl die Notwendigkeit der Verhältnismäßigkeit (aaO 58 und 66) als auch die bisweilen angezeigte Vergebung (aaO 65) mäßigend zu berücksichtigen. In der Erziehung – während des gesamten Lebens – war für Brumbey die „Nachamung Jesu“ (aaO 20), den er als „das höchste Muster“ (aaO 85) verstand, entscheidend. 268 Carl Wilhelm Brumbey, Carl Wilhelm Brumbey Predigers in Berlin Allegorische Beschreibung einer Reyse durch das Gnaden-Land, Berlin, gedruckt auf Kosten des Verfassers, Berlin o. J. Der Held dieses einer pietistischen Bekehrungsideologie verpflichteten Erbauungsschriftchens, Christlieb, befand sich in einer Gegend, die sehr weit entfernt lag von seinem

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2. Die ersten Jahre als Prediger in Berlin Nach der Altlandsberger Zeit zog es Brumbey in seine Jugendstadt zurück. Am 10. Februar 1788 hielt er eine Probepredigt als Bewerber für die dritte Stelle an der Berliner Jerusalems- und Neuen Kirche in der Friedrichstadt269. Die religiöse Atmosphäre der sich stark vergrößernden Friedrichstadt, die von den fünf „rechten Berlinischen Geschwistern“270, zu denen außerdem noch das alte Berlin, Cölln, Friedrichswerder und die Dorotheenstadt gehörten, am jüngsten rechten Vaterland. Das Verlangen nach dem Vaterland wuchs stetig, so daß er zügig die Reise dorthin antrat. Durch die Begegnung mit einem Bekannten, Herrn Schleichhold, der – ohne ein eigentliches Ziel zu haben – nur zum Vergnügen spazierte, wurde Christlieb nicht nur auf seiner Reise aufgehalten, sondern machte einen ziemlichen Rückweg, sogar auf einen Nebenweg war er geraten. Christlieb vermochte „die rechte, ebene Bahn“ (aaO 4) nicht wiederzufinden. Er traf einen anderen Freund namens Irrwill, der „sehr klug, sehr unterhaltend, sehr überredend“ (aaO 5) war und einen Wegbegleiter suchte. Er versicherte Christlieb, daß diese Straße die richtige sei, die zum Vaterland führe. Bisweilen ertönten Rufe aus einer entfernten Gegend, die Christlieb jedoch überhörte. Einmal jedoch war der Ruf lauter, und Christlieb sah sich um: In der Ferne erblickte er – auf demjenigen Weg, den er eigentlich hätte gehen sollen – „eine wohlanständige Gesellschafft“ (aaO 7) von Reisenden, die ihm zuwinkten. Ein Reisender namens Warnwing rief: „Kehre um, hier ist der Weg.“ AaO 7. Irrwill verstand ihn aber durch falsche Hoffnungen zu blenden, so daß Christlieb die Reisegesellschaft aus dem Blick verlor. Stattdessen sah er eine andere Gruppe von Reisenden: Starrtrotz, der immer auf seinem bösen Willen bestand, Blähtrab, der unerträglich hochmütig war, Allhab, der niemals genug bekam, und Luftschling, der sich ganz der Völlerei hingab. Christlieb schloß sich ihnen an, und sie führten ihn einen unangenehmen Weg durch „die sumpffichten Stellen, durch die morastigen Laacken und Schluchten ihres wilden Gebiets“. AaO 10. Daher bereute Christlieb, nicht auf Warnwings Rufen gehört zu haben, wurde matt und wollte sich zur Ruhe legen. Er erblickte einen Schlafenden, Schlummerkorn, der schon etliche Jahre sorglos und unnütz verschlafen hatte. Es nahte Raffschlag, um Christlieb zu töten, wurde aber durch die über Christlieb „wachende und waltende Gnade“ (aaO 14) daran gehindert. Christlieb verharrte „in hartem Todes-Schlaaffe, in lethargischer Schlaaff-Sucht, im Sünden-Tode, wo der Sünder sich einbildet, er lebe, und ist doch lebendig todt, geistlich todt“ (aaO 15). Im Schlaf hörte er Warnwings Stimme. Christlieb „ist jetzt ein Erweckter“ (aaO 17; den Höhepunkt der Geschichte erzählt Brumbey, um das Geschehen hervorzuheben, im Präsens), der auf Licht hofft. Der Tag bricht an, Christlieb kommt allmählich zu sich und betritt mit Hilfe anderer „den rechten Weg der Wahrheit, des Guten, des Lichts und des Lebens“. AaO 20. Der „strenge Vorsatz des neuen Gehorsams“ (aaO 21) erfüllt ihn. Nachdem er aus einer Quelle mit Namen „Gnaden-Born“ (aaO 22) getrunken hatte, fand er sich als neuer Mensch wieder und wurde gerechtfertigt. In einem prächtigen Schloß erhielt er einen Gnadenbrief, mit dem er überall frei und ungehindert durch das Gnadenland reisen konnte, und einen Pilgerstab, in den die Worte Geist, Wasser und Blut eingraviert waren. Treue Freunde wurden ihm Herr Fromm, Herr Liebreich, Herr Standhafft und noch etliche andere. Bei Mühseligkeiten – Klippen, rauhen Wegen, Gebirgsketten – halfen sie einander. Trotz einer großen Menge von Abwegen verirrten sie sich dank ihrer guten Landeskunde nicht. „Auf der Gränze des Gnaden Reichs, trat der reysende Christlieb hinüber in das Reich der Herrlichkeit.“ AaO 32. 269 Schwartz, Die beiden Opfer, II. Teil, 103. 270 Carl Wilhelm Brumbey, Beschreibung der Sonn- und Fest-Tage und christlichen Kirche zur Gedächtniß-Feyer des im Jahre Christi 1794 erlebten ersten Kirchen-Jubiläums der Friedrichs-Städtschen Gemeine, Berlin 1794, 9, Hervorhebung im Original getilgt.

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war, erschien Brumbey nicht ungünstig. In den drei Gemeinden – neben der Jerusalems- und Neuen Kirche zählten noch die Böhmische Kirche und die Dreifaltigkeitskirche dazu – herrschte eine schwärmerische Grundstimmung, die etwa die Einführung des 1780 erschienenen, von Johann Samuel Diterich herausgegebenen neuen Gesangbuchs „fast unmöglich“271 gemacht hatte272. Johann Esaias Silberschlag und der Kaufmann S. Lobegott Apitsch hatten die Verteidiger des alten Porstschen Gesangbuchs angeführt; auch Andreas Jakob Hecker hatte das neue Gesangbuch abgelehnt. Es sei, rühmte Brumbey 1794 die Friedrichstadt, „diese Letzt-Erzeugte, eine Mutter vieler Kinder geworden, die sie in ihrem Schooße heget. Ach! daß doch diese insgesammt, ein wahres Jerusalem, eine ächte Zions-Tochter, eine rechte Neue, Neu-Testamentalische Kirche wären.“273 Nachdem der Magistrat Brumbey am 26. Februar 1788 gewählt hatte, ließ sich der Neuberufene Anfang April 1788 endlich in Berlin nieder. Keineswegs verhielt sich Brumbey ruhig an seiner neuen Wirkungsstätte. Angeblich274 271 Aktenmäßige Darstellung der Ideen, Handlungen und endlichen Schicksale des dimittirten Predigers Brumbey und seines Anhangs zu Berlin nebst einer kurzen Geschichte von der Entstehung seiner Konventikel, Amsterdam 1797, 11. Zur frömmigkeitlichen Prägung der Friedrichstadt und zumal zu dem Wirken des Predigers an der Böhmischen Kirche Johannes Jänicke führte die Aktenmäßige Darstellung, 11 f weiter aus: „Größtentheils hört man hier noch den Stifter unserer Religion wie eine Lerche, zirp, zirp, zum Himmel fliehn; man sieht hier den Dieb und Mörder in einer halben Stunde seelig gemacht; gute und edle Handlungen hört man als nichtige fruchtlose Dinge weg demonstrirt, und alles dies mit einer Stimme, die die Ohren zerreißt, und mit einer stürmischen und tobenden Gestikulation, wie sie nur immer ein Eck in seinen pöbelhaften Demonstrationen gegen Luther anbringen konnte.“ Die „Aktenmäßige Darstellung der Ideen, Handlungen und endlichen Schicksale des dimittirten Predigers Brumbey und seines Anhangs zu Berlin nebst einer kurzen Geschichte von der Entstehung seiner Konventikel“ erschien 1797 anonym unter dem fingierten Verlagsort Amsterdam. Da die Geschichte der durch Brumbey verursachten „Religionsunruhen“ (aaO 3) nicht allein in den preußischen, sondern auch in den benachbarten Ländern „so allgemeine Neugierde“ erregt hatte, schien dem Verfasser eine „vollständige und aktenmäßige Erzählung“ (ebd.) dieser Vorgänge nützlich zu sein. Vollständig freilich war die Erzählung trotz mehrfacher Behauptung (aaO 15) nicht. Die handschriftlichen Quellen, welche die vorliegende Darstellung intensiv berücksichtigt, kannte sie zum größten Teil nicht. 272 Schwartz, Karl Wilhelm Brumbey, 23–28, hier 23: „Der Ruf Berlins, die aufgeklärteste Stadt Deutschlands zu sein, war gegen Ende des 18. Jahrhunderts nicht unverdient. Berlin durfte mit Recht den Anspruch erheben, das strahlende Gestirn am Himmel der Aufklärung zu sein. Gleich der Sonne hatte aber auch dies Gestirn dunkle Flecken. Ein solcher war der jüngste Stadtteil, die Friedrichstadt. In keinem war die Zahl der Inspirierten und Heiligen so stark wie hier.“ Im Blick auf das von Diterich herausgegebene Gesangbuch – den sogenannten „Mylius“ – muß freilich relativierend daran erinnert sein, daß sich nicht allein in der Friedrichstadt, sondern vielerorts Protest erhob, so daß dessen Zwangseinführung in den Preußischen Staaten rückgängig gemacht werden mußte. Alexander Völker, Art. Gesangbuch. I. Geschichte und gegenwärtiger Bestand, in: RGG4 (2000), 764–769. Zum neuen Gesangbuch vgl. auch Kapitel A.X.4. 273 Brumbey, Beschreibung der Sonn- und Fest-Tage, 10. 274 Die in den vorhandenen Quellen enthaltenen Splitter über diese Angelegenheit lassen

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enthielt er der Ehefrau eines Kanoniers das für sie gesammelte Almosen vor. In einer Predigt am 21. Dezember 1788, die er sogar drucken ließ275, sollte er sich dann abfällig über den Kanonier und sogar – bar jeder Furcht vor der Obrigkeit – über dessen Vorgesetzten geäußert haben276. Schließlich wurde Brumbey durch eine vom 30. März 1789 datierende Resolution des Kammergerichts befohlen, die Almosensumme von 50 Reichstalern sogleich an die Artillerie-Regiments-Gerichte, die über die Auszahlung zu verfügen hatten, abzugeben277. 3. Der mißglückte Aufstieg Nach der gerichtlichen Verhandlung vom 14. November 1791 konnte Brumbey auf eine berufliche Höherentwicklung nicht mehr hoffen. Jedoch in die erste Predigerstelle an der Jerusalems- und Neuen Kirche schien er unbehindert aufsteigen zu können, da der seit einiger Zeit schwerkrank gewesene erste Prediger Johann David Cube am 5. Dezember starb und gegen den zweiten, seit zwölf Jahren in Berlin tätigen Prediger Christian Gotthilf Storck beim Kammergericht eine fiskalische Untersuchung geführt und Mitte November beendet worden war, die schließlich dessen Amtsenthebung zur Folge hatte278. Die Neubesetzung der vakant gewordenen Stellen Cubes und Storcks vollzog sich dann rasch. Bereits am 12. Dezember ernannte Friedrich Wilhelm II., dem als summus episcopus das Recht zustand, über die Besetzung der ersten Predigerstellen an den Kirchen zu entscheiden, den Stolzenberger Inspektor Karl Friedrich Richter zum ersten Prediger279. Am 20. Dezember wandte sich sich nicht mehr zu einem glatten Ganzen zusammenfügen. Brumbey resümierte 1799, daß die Sache zeige, „wie man von je an mit mir umging, meine besten Absichten verkannte, mir unaufhörlich Fallen legte, wobey keine Verantwortung gelten sollte, alle Gründe nichts halfen, sondern Ungerechtigkeiten durchgingen“. Brumbey, Eigene Monita, 8. Die Aktenmäßige Darstellung, 21 und Schwartz, Die beiden Opfer, II. Teil, 124 malen das Ganze natürlich in dunklen Farben. 275 Ebd. 276 Auf diese Predigt verwies die Aktenmäßige Darstellung, 21. 277 Ein Abdruck der Resolution findet sich aaO 18–21. 278 Zu Christian Gotthilf Storck vgl. Kapitel K.I. 279 Am 10. Juli 1788 hatte der Inspektor Richter aus Stolzenberg vor Danzig anläßlich von Woellners Erhebung zum Etatsminister dem neuen Mann an der Spitze des Geistlichen Departements nachdrücklich gratuliert: „Jeder rechtschafne Geistliche im Preussischen Staate, den der Zweck seines Amts intressirt, freut sich gewiß innigst, daß das Ruder unsrer Geschäfte und unsrer Schicksale in Ewr. Exzellenz Händen ist.“ Für die Zukunft prophezeite er Großes: „Die Nachwelt wird in den entferntesten Jahrhunderten den Nahmen von Wöllner mit Ehrfurcht und Dankbarkeit nennen, und die späte Geschichte den Mann preisen, der Wahrheit und Glückseeligkeit zu verbreiten wußte.“ GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 28, Bl. 31r. Am 24. August 1797 erinnerte sich Richter in einem elfseitigen Brief an Woellner klagend, daß er – schon bevor er Berliner Boden betreten hatte – bei den Neologen verhaßt gewesen

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Brumbey deswegen erregt an den Magistrat. Der Magistrat beschied zwei Tage später seine Beschwerde abschlägig, da ihm, Brumbey, bei der Vokation kein Sukzessionsrecht zugesagt worden war. Selbst die zweite Predigerstelle, die der Magistrat allein zu besetzen hatte, konnte Brumbey nicht erreichen, da der Havelberger Inspektor F. L. Schultze berufen wurde280. Diese Entscheidungen, die Brumbey als hart brüskierende Zurücksetzung empfand, haben ihn von vornherein und sehr nachhaltig gegen seine nunmehrigen Kollegen eingenommen. 4. Die Hauptstreitpunkte a) Die Erbauungsstunden Brumbey, dem seinen geistlichen Ehrgeiz in einer höheren Stelle zu verwirklichen verwehrt blieb, entschloß sich, „innerhalb der großen lutherischen Gemeinschaft, von der sich ganz loszusagen er nicht wagte, eine engere zu bilden“281. Mit seiner Predigtweise282 zog Brumbey einen ihm treu ergebenen war und sich dem Vorwurf ausgesetzt gesehen hatte, Orthodoxie vorzuheucheln, um befördert zu werden. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 3, Bl. 115r–120r, hier 116v–117r. 280 Schwartz, Karl Wilhelm Brumbey, 23–28, hier 24 und Ders., Die beiden Opfer, II. Teil, 106 f. Aus den Akten erhellt, daß sich der Prediger entgegen der Schreibweise bei Schwartz nicht „Schulze“, sondern „Schultze“ buchstabierte. 281 Schwartz, Die beiden Opfer, II. Teil, 107. 282 „Bemerkungen des Inspektors Küster über Brumbey in den Conduitenlisten“ gibt Schwartz – in offenbar modernisierter Orthographie – in seinem Quellenanhang als Anlage 3 wieder. AaO 124 f. Daß Küster „von Jahr zu Jahr ungünstiger lautende Urteile“ (aaO 107) über Brumbey formulierte, läßt sich aus dieser Quelle freilich nicht folgern. Einen gewissen Eindruck von Brumbeys schwärmerischer Verkündigung mögen Passagen aus seiner Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Friedrichstädter Gemeinde vermitteln (Brumbey, Beschreibung der Sonn- und Fest-Tage), auch wenn sie nicht zur Predigtgattung gehören: „Ach! sehet doch – sehet! er kommt heran; sein herrlichstes Werk, die köstliche Erlösung seines harrenden Israels, zu vollenden: Und – bereit steht, zum Empfange, sein Königliches Volk. O! wie freut sich die verlobte Braut ihres versprochenen Bräutigams und Mannes, ihres schönsten Ehe-Gemahls und aller-geliebtesten HErrn. Die Einsame und Verlaßne; nun bald in der Fülle: Die Unterdrückte; in der Ober-Gewalt: Die Verachtete und Geschmähete; in der Ehrenvollsten Herrlichkeit: die Geängstigte; aus allen Nöthen: Die Verstoßene; in der gänzlichen Aufnahme: Die Entfernte; in der nächsten Gemeinschaft: Die Verwayßte; in der völligen Kindschaft: Die Sündige; durchaus die göttlich Heilige: Die Leidende; in der höchsten Freude: Die Kämpfende; als gecrönte Siegerin: Die Wandernde; nun im Vater-Lande: Die Zeitliche; jetzt die Ewige im unvergänglichen Wesen: Die Weinende; im lachendsten Jubel: Die Arme; im größesten Reichthum: Die Entbehrende; für und für im seeligsten Genuße: Die Gläubige; um und um im Schauen. Mein GOtt! was für Jubel ist das. GOtt! GOtt! was hast du bereitet, denen, die dich lieben.“ AaO 73–75. „Die Stiftung der Kirche GOttes und Gemeine des HErrn, ist geschehen. Sie geschiehet auch noch, durch das Blut des ewigen Sohnes GOttes. Ap. Gesch. 20,28. Sie wird immer weiter fort geführet, vermittelst der Predigt des göttlichen Worts, und der heiligen Sacramente. Math. 28,18–20. Sie ist ein bearbeiteter und besäeter Acker, deßen Saat zur Erndte reift, und diese Erndte stehet bevor.“ AaO 95. „Siehe, mein Christ! die Liebe erfreue sich in der Heylands-Liebe und laße nur das unnütze

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Kreis von Anhängern um sich, den er seit 1793 noch intensiver betreute, indem er begann, in seinem Haus Erbauungsstunden abzuhalten. Diese separatistischen Aktivitäten drohten ihn jedoch mit § 2 des Religionsedikts vom 9. Juli 1788 in Konflikt zu bringen, so daß er dem Oberkonsistorium am 27. Dezember 1793 die häuslichen Veranstaltungen anzeigte und um deren Erlaubnis bat283. Verschiedene seiner Beicht- und Examenskinder hätten, „hauptsächlich zum Verständniß der heil. Schrift“, um einen „weiter forthelfenden und zusammenhängendern Unterricht“ bei ihm nachgesucht, „als sich bey der catechetischen Unterweisung im Hause, oder bey der öffentlichen homiletischen Lehrart über Pericopen und einzelne Stellen geben läst“. Als Veranstaltungsort hatten die Gemeindeglieder, um Brumbey möglichst wenig Aufwand zu bereiten, dessen Wohnung gewählt. Brumbey entsprach ihrem Wunsch bereitwillig und hielt „exegetische Vorlesungen, als Versuche, wie sie in andern Fächern der Philosophie, Philologie, Naturgeschichte, Aesthetik und dergl. hiesigen Orts häufig angestellt werden, auch im theologischen Fach die Kenntniße der Schule populair vorzutragen und gemeinnützig zu machen“. In rein formaler Hinsicht nahm Brumbey hier also ein zentrales aufklärerisches Anliegen – die Popularisierung284 – auf. Um die Erbauungsstunden, die Brumbey als Form eines „besonderen Gemeinde-Unterrichts“285 verstand, folgten facettenreiche, mehr als zwei Jahre währende Auseinandersetzungen. Das Oberkonsistorium lehnte unter dem 9. Januar 1794 Brumbeys Bitte um Erlaubnis ab286. Brumbeys Anhänger ließen sich von diesen Verboten jedoch nicht abschrecken, sondern gedachten, für ihre Versammlungen beharrlich zu kämpfen. Am 20. Februar verfaßten zwanzig Gemeindeglieder des Predigers eine Vorstellung an den König287, in der sie um die Erlaubnis des Privatunterrichts baten. Zweimal bereits war inzwischen der Unterricht vom Oberkonsistorium und – so konnte, mußte man aber die Trauern schwinden; siehe da! unser Christen-Leben im Gnaden-Stande, ist – eine jährlich fort gehende Erlösung, die wir, von Zeit zu Zeit, erlangen, und dabey, der endlichen, völligen Erlösung erharren. Daher ist auch – aller Jubel auf Erden, wenn er Sinn, Grund und Bedeutung haben, wenn er, nicht irrdisch, sondern geistlich seyn soll, nichts anders, als Freude im HErrn über die Erlösung der Seinen.“ AaO 102 f. 283 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 1r. Einen auszugsweisen, in der Graphematik teilweise variierenden Abdruck dieser Bittschrift bietet die Aktenmäßige Darstellung, 99–100. 284 Bereits 1784 hatte Brumbey in seinem „Kurze[n] theoretische[n] Plan zur Menschenerziehung nach den Bedürfnissen unsrer Zeiten“ im Hinblick auf die Erziehung der Kinder betont: „Gelerte Theologie und alle Spekulation, geht uns hier nichts an. […] Es braucht nicht, der hoch schwingenden Geisteskraft, und starken Abstraktion. Die Herablassung kann sich zum Sinlichen erniedrigen: Und das Herzliche stimmt so gern damit ein.“ AaO 80. 285 Brumbey, Beschreibung der Sonn- und Fest-Tage, 106. 286 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 2r [Konzept]. 287 GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 34r–35r. Die Briefschreiber hatten fast durchweg einen Meistertitel. Eine Abschrift des Briefes findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 7r–8v.

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Formulierung des Briefes nicht verstehen – vom Chef des Geistlichen Departements, also Woellner, verboten worden288. Die Unterzeichner nun suchten zu zeigen, daß Brumbeys Unterweisung dem Ansinnen des Königs entsprach, „dessen ernstlicher Wille es ist: die reine seligmachende Lehre Jesu nach seinem Wort wieder zu lehren und auszubreiten, die leider so sehr in Verfall ist, und gewiß von Hausvatern mit den ihrigen noch besser gehandhabet wird, wie in vielen Kirchen“289. Form und Inhalt des Privatunterrichts bleiben freilich einigermaßen unbestimmt. Brumbey sei bestrebt, „uns und unsern Kindern die allerheiligste Lehre Jesu Christo [sic] deutlicher, reiner, und fester ans Herz zu legen“290. Offenbar bot er eine auf den individuellen Affekt zielende, das ganze Leben des Menschen umfassende ethische Unterweisung, die sich an der fortlaufenden Auslegung einzelner biblischer Bücher und Kapitel orientierte: „In diesen Stunden legte derselbe die reine Lehre Jesu in wahrer Herzenbuße, wahrem Herzensglauben und wahrer innern Geburt aus Gott, unter Gebet und Flehen mit vielen sichtbaren Segen alt und jung ans Herz.“291 Woellner nahm den Brief überrascht und, da er von dem Verbot dieser Erbauungsstunden nichts wußte, verärgert zur Kenntnis. Er reagierte prompt. Auf dem Brief notierte er, daß dieses Originalschreiben „sub lege remissionis“292 unverzüglich an das Berliner Ober- und Kurmärkische Konsistorium geschickt werden solle, das er am 22. Februar in einem von ihm selbst aufgesetzten königlichen Reskript aufforderte, die Verbotsgründe darzulegen293. Bereits am folgenden Tag kam aus dem Oberkonsistorium eine Antwort294. Der Präsident und die Räte beriefen sich auf die Vorschriften Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs II.295, denen sie sich um so mehr verpflichtet gefühlt hätten, als ihnen bereits vor Brumbeys Anfrage bekannt geworden sei, daß er in seinen Predigten „allerhand Unschicklichkeiten vorbringen soll“296. Die im Namen des Königs ergehende, vier Punkte umfassende Antwort Woellners vom 24. 288 Der genaue Wortlaut, an dem Woellner später harten Anstoß nahm, war: „Aus Pflicht und Vorsicht bat der Prediger Brumbey unterthänigst Ein hiesiges Ober-Consistorium, imgleichen den geistlichen Minister um Bestätigung deßelben; ihm wurde aber derselbe Zweimal ernstlich und hart verboten, weshalb er denselben einstellen mußte.“ GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 34r. Das zweite Verbot war unter dem 6. Februar 1794 ergangen. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 4r [Konzept]. 289 GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 34v. 290 AaO Bl. 34r. 291 Ebd. 292 Ebd. 293 AaO Bl. 37r. Die Ausfertigung findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 6r. 294 GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 38r–38v. 295 Unter Friedrich Wilhelm I. waren alle unter dem Namen von Erbauungsstunden wöchentlich abgehaltenen Privatversammlungen der Prediger verboten worden. 1742 erneuerte Friedrich II. dieses Verbot. So referierte die Aktenmäßige Darstellung, 105. 296 GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 38r.

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Februar verdeutlicht dessen Mißfallen über die konsistoriale Entscheidung297. Hauptsächlich und zunächst verlangte Woellner, daß der Chef des Geistlichen Departements, also er selbst, bei zukünftigen derartigen Verfügungen sogleich informiert werden müsse, da er sich sonst „in einer unangenehmen Lage“298 befinde. Seit etwa 1794 sah sich Woellner zunehmend in einer Verteidigungsposition gegenüber dem König; daher mußte ihm besonders daran gelegen sein, von allen sein Ressort betreffenden Vorgängen – zumal wenn er selbst angeblich gehandelt haben sollte – in Kenntnis gesetzt zu werden. Im zweiten Punkt wies er das Kurmärkische Konsistorium an, Brumbey die Erbauungsstunden zu gestatten, sofern sie, nach dem sonntäglichen Gottesdienst oder auch an einem anderen Wochentag, im Kirchenraum stattfänden. Durch diesen Verweis in den öffentlichen Raum war Woellner Kontrolle möglich, die – so der dritte Punkt – mittels gelegentlicher Besuche der Stunden von dem Inspektor Küster ausgeübt werden sollte. In Anknüpfung an seine anfängliche, seiner persönlichen Situation geschuldete Ermahnung forderte Woellner abschließend eindringlich, Brumbey zu tadeln, weil er den Supplikanten gegenüber fälschlich behauptet habe, die Erbauungsstunden seien vom Chef des Geistlichen Departements untersagt worden. Pflichtgemäß erfüllten die Oberkonsistorialräte diese Anweisung und bestätigten dem König am 13. März deren gehorsame Erfüllung299. Auffällig ist, daß weder Woellner noch das Oberkonsistorium in diesem Schriftwechsel auf das Religionsedikt verwiesen haben. Woellner war um seine Machtposition, nicht aber um eine durchweg explizite Inanspruchnahme des Religionsedikts besorgt. Bereits am 10. März hatte Brumbey ausführlich zu dem Vorwurf Stellung genommen, daß er ohne Anhalt an der Wahrheit Woellner des Verbotsspruchs bezichtigt habe300. Aus der Tatsache, daß es nicht heiße, ob, sondern daß er dergleichen getan habe, schloß Brumbey, daß jemand ihn verleumde. Er war sich keinerlei Schuld bewußt und flüchtete sich wider äußere Anklagen in selbstbewußte Gottergebenheit; er müsse glauben, „daß alle die unangenehmen Vorfälle, die mich so unaufhörlich treffen, ohne zu wißen, wie ich dazu komme, meine einmahl bestimmten Schiksale sind, die ich mit Geduld und Unterwerfung unter Gott zu tragen habe“301. Das Schreiben der Gemeindeglieder 297 AaO Bl. 39r–39v. Die Ausfertigung findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 11r. 298 GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 39r. Schwartz, Die beiden Opfer, II. Teil, 108 erkennt diese Problematik nicht, da er nicht Woellner, sondern den König selbst als Verfasser der Antwort benennt. 299 GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 43r. 300 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 13r–13v und mit kleinen graphematischen Abweichungen GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 44r–45v [Abschrift]. 301 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 13r. Hier spielt Brumbey wieder auf seine als ungerecht empfundene Stellung als dritter Prediger an. Auch 1794 sprach er von schweren

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jedenfalls, das er ganz am Ende seines Briefes exakt analysierte, könne nicht gegen ihn verwendet werden: Da der Chef des Geistlichen Departements nur im ersten Satz genannt, aber erst im zweiten Satz das Verbot erwähnt werde, ohne zu bestimmen, von wem und wie es erfolgt sei, sei diese Passage „weder unverständlich, noch zweydeutig“302. Zunächst jedoch schilderte Brumbey detailliert die vergangenen Geschehnisse zum Beweis seines tadellosen Verhaltens: Am 16. Februar hatte er – just eine Stunde vor Beginn seines Vortrags in der Erbauungsstunde – zum zweiten Mal eine abschlägige Antwort des Oberkonsistoriums auf seine zweite, vom 28. Januar datierende Vorstellung303 erhalten. Nachdem er die Erbauungsversammlung wie gewohnt gestaltet hatte, sagte er dem Kreis: „Ohnlängst vor einer Stunde, als ich herunter kommen wollte, erhielt ich ein Rescript vom Ober-Consistorio, worin mir die fernere Fortsetzung dieses Unterrichts verboten, und zwar abermahls und aufs ernstlichste untersagt wird.“304 Dies seien, beteuerte Brumbey, „ipsissima mea verba“305. Den Chef des Geistlichen Departements habe er erst auf die Frage von Gemeindegliedern hin erwähnt, ob er sich denn nicht hilfesuchend an ihn wenden könne. In der Tat hatte Brumbey bereits im Januar ein Schreiben an Woellner abgesandt, in dem er seine Anzeige an das Oberkonsistorium gemeldet und um Unterstützung gebeten hatte, von Woellner jedoch war keine Antwort eingetroffen. Das vom Oberkonsistorium nun zweifach ausgesprochene Verbot vermochte Brumbey nicht nachzuvollziehen, da seine Vorträge keineswegs Konventikel seien, die im übrigen ohne einen Prediger nur von Laien gehalten würden, sondern Lehrstunden eines Predigers, dessen Unterricht grundsätzlich nicht nur auf den Kirchenraum einzuschränken sei306. Unbeirrt der Korrektheit Leiden, die er seit seinem Dienstantritt in der Gemeinde habe ertragen müssen: „Der HErr sahe; daß ich mich von ihm hatte dehmüthigen, klein und gering machen laßen. Nun kam sein Seegen des Creutzes, und immer mit dem neuen Creutze neuer Seegen. Gelobt sey JEsus Christ! Nun wollte er mir, zur Vergütigung, alsbald wieder, so sehr es auch Satans Grimm, aber vergeblich! zu hindern gedachte, eine Freude machen. Und ich bekenne: Es hat der barmherzige, freundliche HErr und Versöhner, mir dieses Jahr schon recht zu vielerley geistlicher Freude, zum Seegen in himmlischen Gütern bey meiner lieben Gemeine gemacht: Denn ich habe keine beßere und keine andere Freude, als die ich im HErrn bey dieser meiner Gemeine habe. Die Freude, die ihr sanften, Wahrheits-liebenden, folgsamen, treuen Seelen mir machet, weßhalb ich euch vor meinem HErrn bekenne, lobe und seegne, ist ein reicher Er-Satz für allen andern Schaden, und gebe ich für nichts in der Welt hin, weil es in der JEsus-Liebe bestehet, und also auch euch, weil ihr auf die Weise mich zu schätzen wißet, wieder zur Ehre gereichet.“ Brumbey, Beschreibung der Sonn- und Fest-Tage, 107 f. 302 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 13v. 303 Einen Abdruck dieses Schreibens bot die Aktenmäßige Darstellung, 101–104. 304 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 13r. 305 Ebd. 306 Genauso hatte er sich schon in der Vorstellung an den König vom 28. Januar 1794 geäußert: Er verstand seine Stunden nicht als Konventikel, sondern als Vorlesungen. Aktenmäßige Darstellung, 101. Allenthalben und allerorts habe es seit vielen Jahren derartige

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seines Handelns gewiß, fügte er als „Privat-Urtheil“307 hinzu, daß „die Sache noch nicht ausgemacht sey“. Denn er habe zwar einen Verweis wegen seiner Unwissenheit in Landesgesetzen bekommen; aber er habe nicht ehemalige alte Verordnungen, sondern eigentlich das unter dem gegenwärtigen König ergangene Religionsedikt „pro norma in Religionssachen angeführet“308. Freilich war Brumbey überzeugt und hatte dies auch seinen Anhängern gegenüber freimütig geäußert, daß „selbst Edicte dergleichen nicht ausrotten würden, wenn der allmächtige Gott beschlossen habe, so Etwas wie bißher auch noch fernerhin zu erhalten“309. Brumbey also war es, der in die Diskussion explizit das Religionsedikt einbrachte, dessen Geltungskraft aber empfindlich relativierte. Im übrigen, schloß er, sei ihm zugute zu halten, daß er selbst – freiwillig – um Erlaubnis nachgesucht habe und daher das Oberkonsistorium ohne seine Initiative niemals von den Erbauungsstunden erfahren hätte310. Nun, nach dem zweiten Verbot, gedachte er, was die Querelen mit dem Oberkonsistorium anlangte, in Passivität zu verfallen; er wolle „in der ganzen Sache weiter gar nichts thun, weil sie nicht bloß und am wenigsten meine Person betrift, und ich dabey nichts verliere, als ein schweres Stück Arbeit“311, das er zudem unentgeltlich übernommen habe auf die Bitte seiner „Beicht- und Examen-Kinder“312 hin, deren Ansinnen er als göttlich legitimiert wähnte. Er habe gedacht: „vox populi vox Dei“. Nun überlasse er in dieser Sache „Gott und der Gemeine alles allein“313. Diese stilisierte, den gesamten Brief durchziehende Gottergebenheit sollte auch Brumbeys künftige Jahre prägen. In den folgenden vier Wochen meinte er religiöse Erfahrungen zu erleben, die er seinen Anhängern, deren besonderer geistlichen Betreuung er sich auch weiterhin verpflichtet fühlte, in Form eines Büchleins bekanntmachte: „Meine während der Zwischen-Zeit der unterbrochenen Biblischen Erbauungs-Stunden von JEsu, meinem HErrn und Heylande ausdrücklich erhaltenen Zurufungen aus seinem göttlichen Wahrheits-Worte, womit er mich so reichlich versorget hat, nunmehr den lieben Brüdern und Schwestern in Christo zur Ermunterung und Stärkung des Glaubens mitgetheilet von ihrem im HErrn Veranstaltungen – sei es in Kirchen oder anderen Häusern, sei es von Predigern oder sogar Laien – gegeben. „Wie möchte nun das Gesetz, nicht zu lehren, welches das Lehramt aufhöbe, im Lande nur allein wider mich seyn?“ AaO 103. Deswegen werde er auch einstweilen mit seinem Unterricht fortfahren. AaO 103 f. „Unter diesen Empfindungen der Furcht Gottes (gemäß Actor. V, 29) verharre“ er dann auch „in schuldiger Devotion“. AaO 104. 307 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 13r. 308 Ebd. 309 Ebd. 310 Ebd. 311 Ebd. 312 AaO Bl. 13v. 313 Ebd.

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erfreuten Diener C. W. Brumbey. Berlin, vom 16ten Februar biß zum 18ten May 1794“314. Die Zurufungen, die sämtlich aus biblischen, auf einen schließlichen Sieg zielenden Sprüchen bestehen und auf Brumbey appliziert werden konnten – etwa Nah 1,7-14 –, hat er protokollartig chronologisch geordnet. In den Schlußworten des Schriftleins verband Brumbey das Siegmotiv und die Frage nach der Göttlichkeit Christi, die im folgenden Jahr als Streit um den Danksagungsvers nach dem Abendmahl mit nachhaltiger Heftigkeit hervorbrechen sollte: „Hoher, ewiger Preyß sey dem erwürgten Lamme GOttes, JESU CHRJSTO, durch welchen uns der Sieg gegeben ist: Amen.“315 Der Schrift stellte Brumbey Apg 5,29 voran. Dieser Vers, auf den er sich in diesen Jahren der Auseinandersetzung oft bezog und dessen Inanspruchnahme sein unbekümmertes Verhältnis zur Obrigkeit bezeugt, war für ihn gleichsam Motto, Begründung und Rechtfertigung seines gesamten Handelns in der Gemeinde. Am 6. März 1794, also noch vier Tage, bevor Brumbey sich ausführlich schriftlich rechtfertigte, hatten sich bereits mehrere Mütter aus Brumbeys Gemeinde an Woellner gewandt316. Sicherlich waren sie vornehmlich durch die Ereignisse in der Erbauungsstunde vom 16. Februar zu ihrem Schreiben motiviert worden. Jedoch scheinen ihnen auch die jüngsten Vorwürfe, denen Brumbey ausgesetzt war, bewußt gewesen zu sein. Jedenfalls verteidigten sie ihren Prediger indirekt, indem sie nur sagten, daß sie vom Verbot der Erbauungsstunden durch das Konsistorium erfahren hätten, und in diesem Zusammenhang Woellner nicht erwähnten. Offenbar herrsche die Meinung, daß „unsre bisherige Zusammenkunft, einer nachtheiligen Secte wo nicht jetzt doch mit der Zeit gleichsam werden könnte“317. Das Gegenteil freilich sei zutreffend: Brumbey habe stets vor „aller Sectirerey väterlich gewarnet, und uns die der Vorschrift gemässen Grundsätze der Christlichen Religion angewiesen“318. Die unterzeichnenden Mütter waren in ihrem Brief fortwährend bestrebt, die Stunden von allen separatistischen Tendenzen freizusprechen. Dem Staat gereichten die Zusammenkünfte keineswegs zum Nachteil, und wegen der genau eingehaltenen Ordnung, die sie zweimal hervorhoben, könne „kein Unfug“319 entstehen. 314 Der Inspektor Küster übersandte unter dem 31. Dezember 1794 ein Exemplar dieser Schrift an den König. AaO Bl. 16r–26v. Der Brief Küsters findet sich aaO Bl. 18r. 315 AaO Bl. 26v. 316 GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 40r–40v. 317 AaO Bl. 40v. 318 Ebd. 319 Ebd. Ähnlich wie die zwei Wochen zuvor vorstellig gewordenen Gemeindeglieder beschrieben sie die Erbauungsstunden: „[D]a in dieser Stunde nicht sowohl die wahre Religion gelehret, und wie wir unsere Pflichten zu erfüllen von ihm unterrichtet worden, so sind uns diese Andachts Stunden, welche jedoch ferner von aller Bigotery sind, so fruchtbringend als erfreulig gewesen“. AaO Bl. 40r.

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Eine Woche später, am 13. März, erging an die Bittstellerinnen eine von Woellner und dem Präsidenten des Oberkonsistoriums, Thomas Philipp v. d. Hagen, unterschriebene Resolution320, die letzterer konzipiert hatte321. Ihnen wurde beschieden, daß nach den bereits getroffenen Vorkehrungen die Erbauungsstunden gestattet seien, freilich den vielfältigen königlichen Verordnungen gemäß – nicht nur das Religionsedikt also war gemeint, sondern auch die Landesgesetze Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs II. – im Kirchenraum gehalten werden müßten. Zufrieden gaben sich die Frauen mit dieser Weisung jedoch nicht. Im Gegenteil: Nachdem zwei Wochen verstrichen waren, schrieben sie am 26. März wiederum an Woellner, hoben rühmend hervor, daß er „ein wahrer und würdiger Verehrer der heiligen Religion“322 sei, und legten die Gründe dar, deretwegen die Andachtsstunden im Hause Brumbeys, und nicht in der Kirche, gehalten werden müßten323. Erstens handele es sich nicht um Predigten, die – das gestanden sie sofort zu – ihren Ort tatsächlich im Kirchenraum hätten, sondern um Erbauungsstunden im Hause des Predigers, in denen „uns und unsern Kinder [sic] die grossen Wahrheiten der Christlichen Religion, durch nähere Beleuchtung in ein helleres Licht gesetzt deutlicher erklaret [sic], und zu mehren Nutzen ans Hertz gelegt werden können“324. Und außerdem seien zahlreiche Alte und Kranke unter Brumbeys Hörern, „die den Ort der offentlichen [sic] Kirchen nicht ertragen können“325. Es war wieder v. d. Hagen, der die von ihm selbst und Woellner unterschriebene Resolution vom 3. April326 verfaßte, die keine Änderung der gefällten Entscheidung in Aussicht stellte327: Die Resolution vom 13. März bleibe um so mehr in Geltung, als die Andachtsstunden in der Kirche „nicht eben in eigentlichen Predigten bestehen dürfen“328. Offenbar waren v. d. Hagen und Woellner gewillt, die Angelegenheit mit einem geringstmöglichen Zeitaufwand zu behandeln. Da sie den Brief wohl nur flüchtig gelesen hatten, hatte v. d. Hagen das zweite Argument mißverstanden, so daß er anfragte, warum die schwachen Gemeindeglieder nicht ebenso leicht zur Kirche als bis zu Brumbeys 320

AaO Bl. 42r. AaO Bl. 41r. 322 AaO Bl. 47r. 323 Ebd. 324 Ebd. 325 Ebd. Zu den Unbequemlichkeiten der Neuen Kirche mochte auch die besondere Dunkelheit zählen, die es erforderte, bei trüber Witterung auch tagsüber Licht anzustecken. Brumbey, Beschreibung der Sonn- und Fest-Tage, 57. Der historische Vorbericht dieser Schrift (aaO 9–118), der eine Geschichte der Friedrichstadt enthält, ist übrigens eine wertvolle, höchst aufschlußreiche und gänzlich in Vergessenheit geratene Quelle zur Berliner Stadtgeschichte. 326 GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 48r. 327 AaO Bl. 47r–47v. Er konzipierte sie auf der Vorder- und Rückseite des Bittschreibens. 328 AaO Bl. 48r. 321

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Wohnung sollten gelangen können. Am Ende der Resolution wies er nochmals auf die königlichen Landesgesetze hin, denen das Gesuch zuwider war. Daß die Andachtsstunden wegen dieser höchsten Landesgesetze in der Kirche stattfinden müßten, betonte auch die an demselben Tag ergangene Resolution an mehrere Gemeindeglieder der Jerusalemer Gemeinde329, die sich zwei Wochen nach dem ersten Bittschreiben der Mütter, am 20. März, an Woellner gewandt hatten330; teils waren die Unterzeichner mit denjenigen des Schreibens vom 20. Februar identisch, teils waren neue Namen hinzugekommen. Sie beklagten die Resolution vom 13. März, „da doch Kanzel Vorträge, und dieser Privat Unterricht sehr von einander unterschieden sind“331. Brumbey habe in diesen Stunden angesichts der desolaten kirchlichen Situation „einen ganz localen Bibel Unterricht vorgenommen, der vom ersten Blatte an, durch die ganze heilige Schrift das merkwürdigste enthielt, auch bei jetziger betrübten Zeit desto nothwendiger ist, wo so viele, sowohl Lehrer als Zuhörer mit Wort und Wandel den Herrn verleugnen, der sie erkauft hat“332. Die Unterzeichner suchten die nützliche Wirkung der Stunden zu verdeutlichen, indem sie die Versammlungen aufklärerischen Gesellschaften entgegensetzten. Daß auch gerade diese Gesellschaften sich der bürgerlichen Verbesserung verpflichtet wußten, ignorierten sie: „Auf unserer Seite, sowohl der Eltern als der Kinder ist der Vortheil. Und nicht blos in Beziehung auf die Ewigkeit, auch gewiß für den König und Staat werden dadurch unter Gottes Gnade gute, nützliche und treue Bürger gebildet; anstatt, daß in unserer lieben Stadt zu derselben Zeit so […] viele gottlose Gesellschaften sind, woraus so viel Unheil, Zerrüttung und Laster entstehen, daß jeder rechtschaffener Christ seufzet und betet zum Herrn um Verschonung, und da wird nicht gefragt, welche Mißbräuche daraus alle entstehen?“333 Brumbeys Anhänger beruhigten sich auch weiterhin nicht. Am 1. Mai 1794 unterzeichneten 35 Gemeindeglieder, getrieben von der „Heilandsliebe Jesu“334, eine Bittschrift an den König335. Der Unterricht gleiche nicht „Erbauungsstunden von der gewöhnlichen Art, wo, wie bey Predigten, die wir genug sam [sic] haben, nur über einzelne Sätze geredet wird“336. Der Wunsch der Gemeindeglieder sei es gewesen, „unter Anleitung eines Predigers, zu dem wir Zutrauen haben, einmahl in unserm Leben, eine deutliche Einsicht in die 329 AaO Bl. 50r. Brumbey könne die Andachtsstunden „in der Kirche, als dem eigentlichen zum Unterrichte in der christlichen Religion bestimmtem Orte, ungehindert fortsetzen“. 330 AaO Bl. 49r–49v. 331 AaO Bl. 49r. 332 Ebd. 333 AaO Bl. 49r–49v. 334 AaO Bl. 52r. 335 AaO Bl. 52r–53v. 336 AaO Bl. 52r.

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heilige Schrift“337 zu erhalten – sowohl vom Zusammenhang des Ganzen, als auch von jeder wichtigen Schriftstelle insbesondere. Brumbey hatte bei Moses angefangen und behandelte jedesmal entweder einige Verse oder ein oder mehrere Kapitel. Er ging „ein Buch der Biebel nach dem andern in Beziehung auf den ganzen Rathschluß Gottes“338 mit den Hörern durch. Diese Art des Unterrichts sei aber im Kirchenraum nicht möglich, „und wir allesamt müßen den davon gehabten Nutzen und Seegen entbehren“339. Vier in der Diskussion teils bereits genannte Argumente – sämtlich pragmatischer Natur und allesamt auf die beeinträchtigte physische Disposition der Teilnehmer zielend – führten die Bittsteller an. Erstens: Es gebe viele Gemeindeglieder, die „wegen Alter und Cörperlicher Schwäche auch bei übler Witterung in keine Kirche kommen, und also sich herzlich freueten, daß ihnen Gott eine Gelegenheit schenkte, im Hause und in der Wärme das Wort Gottes zu hören“340. Zudem: Im Kirchenraum konnten Schwerhörige nichts oder allenfalls sehr wenig hören, im Hause jedoch saßen sie in der Nähe des Predigers und fänden „ihre Seelenweide“341. Drittens: Seit 1790 hatte Brumbeys Ehefrau wegen Kränklichkeit keine Kirche mehr besuchen können, daher lag ihr „die gemeinschaftliche häusliche Erbauung sehr am Herzen“342. Schließlich: Auch Brumbey selbst leide an körperlicher Schwäche, so daß ihn Vorträge in der Kirche außerordentlich anstrengten, „daher wir befürchten müßen, ihn in solchem Fall bald aufgeopfert zu sehen“343. Die Begründung des Geistlichen Departements für das Verbot der Erbauungsstunden im Hause des Predigers konnten die 35 Bürger nicht anerkennen344: Ihnen sei außer den auf die Konventikel bezogenen Landesgesetzen kein Gesetz bekannt, das auf ihren Fall Anwendung finden könnte, und „am wenigsten“ stehe ihrem Ansinnen das Religionsedikt entgegen, das „den Glauben an den Heiland der Welt oder die unverfälschte Religion Jesu zu befördern zur Hauptabsicht hat“345. Die Erbauungsstunden seien gerade ein Mittel zur Beförderung dieser Absicht. Nach dem pietistischen Muster der Gegenüberstellung von auserwählter Gemeinde und Welt distanzierten sich Brumbeys Anhänger von lebenszugewandten 337

Ebd. Ebd. 339 AaO Bl. 52r–52v. 340 AaO Bl. 52v. 341 Ebd. 342 Ebd. 343 Ebd. 344 Zunächst sagten sie fälschlich, daß die Stunden „aus zweien Gründen“ (ebd.) verboten worden seien, gingen dann aber richtigerweise allein auf den Verweis auf die königlichen Landesgesetze – und nicht auf die in diesem Verweis eingeschlossene Überzeugung, daß die Kirche der eigentliche zum Unterricht in der christlichen Religion bestimmte Ort sei – ein. 345 Ebd. 338

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Vergnügungen, die in Berlin vielerorts – etwa in der seit 1789 auch für das gewöhnliche Publikum geöffneten Oper Unter den Linden – stattfanden: „Bei welcher Beschränkung und Verweisung in der Kirche es uns zugleich auffallend und betrübend ist, daß die Liebhaber der Weltfreuden und der Eitelkeit höher privilegiret sein sollen, als wir, die wir unsern Trost und Freude in Gottes Wort suchen, denn jenen ist es unbenommen, neben den öffentlichen Anstalten zur Befriedigung der Sinnlichkeit in Opern, Komedien und an vielen andern Orten, noch so viele, und mancherlei besondere Gelegenheiten zu haben, als nur immer erdacht werden können, uns dagegen sollen Schranken gesetzt seyn, die wir uns der Wahrheit und des Guten befleißigen, und doch wissen wir daß Eu[re] Königl[iche] Majestät Beherrscher eines christlichen nicht eines heidnischen Staats seyn wollen.“346 Am Briefende baten sie den König ausdrücklich um eine eigene Entscheidung in der Sache. Der Brief verfehlte bei Woellner durch den positiven Verweis auf das Religionsedikt seine Absicht nicht; die abständigen Äußerungen über Opernhäuser dagegen werden ihm, der in der Oper Unter den Linden zwei Logenplätze besaß, nicht nachvollziehbar gewesen sein347. Am 5. Mai erging ein von ihm unterschriebenes wohlwollendes Reskript im Namen des Königs an das Kurmärkische Konsistorium348. Diese „unschädliche[n] Leute, in deren Versamlungen nichts uncristliches [sic] vorgehe“349, sollten „toleriret“350, und es solle ihnen gestattet werden, die Erbauungsstunden im Hause Brumbeys zu halten. Um der Wende der ganzen Angelegenheit noch größeren Nachdruck zu verleihen, betonte Woellner eigens, daß ihm der König diese Entscheidung in einem eigenhändigen Schreiben vom 3. Mai befohlen habe. b) Der Danksagungsvers nach dem Abendmahl Die Querelen um Brumbey dauerten jedoch fort. Die Mitte der nahezu ein Jahr währenden Streitigkeiten bildete der Danksagungsvers nach dem Genuß des Abendmahls. Vom 25. Juni 1795 datierte ein Brief des Inspektors Samuel Christian Küster an Friedrich Wilhelm II.351, dem er eine ausführliche Erklärung von Richter 346

AaO Bl. 53r. Diese beiden Logenplätze hatte er nicht als Bauintendant, sondern für seine eigene Person erhalten. Das betonte Woellner 1797 gegenüber seinem Freund Bischoffwerder, als zu befürchten stand, daß ihm die Plätze entzogen werden könnten. GStA PK I. HA, Rep. 96, Nr. 222 C, Bl. 23r. Zu dieser Angelegenheit und zu den letzten Jahren Woellners überhaupt vgl. Kapitel L. 348 GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 54r. Dieses Reskript hatte Woellner auf dem oberen Briefrand der 35 Bürger – mit dem Vermerk „Cito!“ – konzipiert. AaO Bl. 52r. Eine Ausfertigung findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 16r. 349 GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 54r. 350 Ebd. 351 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 34r–34v. Einen Abdruck dieses Briefes bot die Aktenmäßige Darstellung, 91–95. 347

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und Schultze352 zusandte, die sich zu einer Stellungnahme genötigt sahen, da gegen sie von dem Schuhmachermeister Barneth353 in einer Immediat-Vorstellung beim König etliche Beschuldigungen vorgebracht worden waren. Barneth, durch den Prediger der Böhmischen Gemeinde Johannes Jänicke stark erwecklich geprägt354, hatte mehrere Veränderungen im öffentlichen Gottesdienst scharf angegriffen. Küster nun unterstützte gegen Barneth die Aussage der beiden Prediger: Die Litanei, um deren Wiederherstellung Barneth gebeten und die Brumbey am Bettag verlesen hatte355, sei in einer großen Anzahl Berliner Kirchen, und auch in der Jerusalemskirche, seit vielen Jahren nicht mehr gesungen worden, da der Inhalt des Gesangs sowohl sprachlich als auch sachlich nicht mehr zu den gegenwärtigen Zeiten passe, wie schon – darauf hatten Richter und Schultze verwiesen – aus der darin vorkommenden Bitte erhelle, daß Gott dem Kaiser beständigen Sieg über seine Feinde gewähren wolle. Diese Fürbitte widersprach, ohne daß Küster die Tagespolitik namentlich benennen würde, dem gerade geschlossenen Sonderfrieden von Basel, in dem Preußen aus dem unpopulären Krieg gegen Frankreich, den übrigens sowohl Woellner als auch Brumbey nie befürwortet hatten, ausgeschieden war356. 352 Die Erklärung von Richter und Schultze datierte vom 23. Juni 1795. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 35r–41v. In dieser Zeit hatten Richter und Schultze auch eine Anzeige wegen der gesetzeswidrig langen Predigten Brumbeys erstattet. Seine Predigt im Frühgottesdienst, die gegen acht Uhr beendet sein sollte, hielt er gewöhnlich bis halb neun Uhr und die Nachmittagspredigt, die spätestens um halb vier Uhr beendet sein sollte, öfters bis halb fünf Uhr. AaO Bl. 32r–33r. Brumbey wurde daraufhin nachdrücklich ermahnt, seine Kanzelvorträge nicht über die in den Verordnungen vom 18. Dezember 1714 und vom 10. April 1717 festgesetzte Zeit auszudehnen. Aktenmäßige Darstellung, 96. 353 In einer Liste Brumbeys wird Barneth exakt als „Schuhmachermeister“ aufgeführt. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 354 In dem auf die Ausschreitungen vom 14. Februar 1796 folgenden Verhör sagte Barneth aus, daß er seit etwa sieben bis acht Jahren in Berlin wohne und bereits seit langer Zeit die Predigten Jänickes in der Böhmischen Kirche besucht habe. Jänicke habe er seine Erweckung zu verdanken, durch ihn sei er „von seinen Sünden zu Christum zurückgeführt worden“. Aktenmäßige Darstellung, 60. Seit vier Jahren war Brumbey Barneths Beichtvater, zuvor hatte er zu den Beichtkindern des Oberkonsistorialrats Theodor Carl Georg Woltersdorff gezählt. AaO 60–68. 355 Wahrscheinlich war Barneth durch eine Aktion Brumbeys, der ohne Absprache mit Richter und Schultze den alten Kirchengesang am Bettag von der Kanzel verlesen hatte, an die Litanei erinnert worden. AaO 81 f. Brumbey hatte bewußt seine Kollegen nicht um Erlaubnis für die Verlesung der Litanei gebeten, da er „rechtmäßiger und ältester Prediger bey der Gemeinde war, und jene mich nur stets ungültig machen wollten“. Brumbey, Eigene Monita, 25. 356 Wolfgang Neugebauer, Die Hohenzollern, Bd. 2 Dynastie im säkularen Wandel. Von 1740 bis in das 20. Jahrhundert, Stuttgart 2003, 75. Zur Außenpolitik Friedrich Wilhelms II. vgl. Kapitel A.IX.2. Brumbey beklagte anläßlich des hundertsten Geburtstags der Friedrichstädter Gemeinde, daß das weitere Aufblühen der Friedrichstadt durch viele geplante neue Bauten verwirklicht worden wäre, „wenn der jetzt so über alles schreckliche, verderbliche, ja, allgemein wütende und Welt-verheerende Krieg es nicht unterbrochen und verhindert hätte“. Brumbey, Beschreibung der Sonn- und Fest-Tage, 27 f.

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Auch die Auswechslung des Danksagungsverses wollte Küster nicht kritisiert wissen. Zu dem Danksagungsvers hatten sich Richter und Schultze ausführlich geäußert: Bevor sie ihre gegenwärtigen Stellen angetreten hätten, habe sich der größte Teil ihrer Gemeinde zu anderen Kirchen gehalten. Je besser ihnen dann allmählich die Gesinnung ihrer Gemeindeglieder vertraut geworden sei, desto mehr hätten sie erkannt, daß sie sich im Ganzen genommen durch „richtige Religions-Erkentniß“357 auszeichneten. Manche hätten den alten Vers nicht mitgesungen, einige hätten ihnen sogar ernste Bedenken über den Gebrauch des Verses mitgeteilt, so daß eine Abänderung vonnöten gewesen war358. Während zuvor der Vers „Gott sey gelobet und gebenedeiet, der uns selber hat gespeiset mit seinem Fleische und mit seinem Blute; das gieb uns Herre Gott zu Gute. Kyrie eleison!“359 gesungen worden war, so hatten sie nun aus Paul Gerhardts Choral „O Haupt voll Blut und Wunden“ – dem „Lieblings Liede“360 Friedrich Wilhelms I. – die Strophe „Ich danke dir von Herzen, o Jesu, liebster Freund, für deine Todesschmerzen, da du’s so gut gemeint. Ach gieb, daß ich mich halte zu dir und deiner Treu, und wenn ich einst erkalte, in dir mein Ende sey“361 ausgewählt. Da der Wortlaut des Liedverses liturgisch nicht festgelegt war, „vielmehr, laut einer vorhandenen Agende, von den vorherigen Predigern mehrmals andere Lieder Verse gewehlet worden waren“362, konnte dieser nunmehrige Wechsel nicht als anstößig gelten. Auch Brumbey habe, als der neue Vers zum ersten Mal nach dem Abendmahl erklungen war, mitgesungen. Erst an einem späteren Sonntag habe der inzwischen verstorbene Kantor Rolle den alten Vers auf Befehl Brumbeys wieder angestimmt363.

357

GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 36r. AaO Bl. 36r–36v. So der dem Schreiben der Oberkonsistorialräte vom 18. Februar 1796 beigefügte Aktenauszug. Richter und Schultze vermochten durch ihre Art der Amtsführung, „daß ein großer Theil der Gemeine, der vorher diese Kirchen verlaßen hatte, sich wiederum zu ihnen sammlete“. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. Zuvor hatten etliche Gemeindeglieder die Gemeinde wegen des Verhaltens des Predigers Storck gewechselt, wie Brumbey 1799 wohl zutreffend angab. Brumbey, Eigene Monita, 25. Daß sehr viele Gemeindeglieder vor Richters und Schultzes Amtsantritt aus Protest gegen den alten Danksagungsvers gegangen waren – so die Aktenmäßige Darstellung, 84 –, ist eine unwahrscheinliche Behauptung, die aber trefflich in die Argumentationsweise dieser Darstellung paßt. 359 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 35v. Diesen Vers hatte Martin Luther aus dem 14. Jahrhundert übernommen und durch zwei weitere Verse ergänzt. 360 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 361 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 36r. Der Name Paul Gerhardts wird in der gesamten Auseinandersetzung nie genannt. Luther dagegen ist in Brumbeys späterer Selbstverteidigung mehrfach namentlich erwähnt. Brumbey, Eigene Monita, 10 und 18. 362 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. und GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 36v. 363 AaO Bl. 37r–37v. 358

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Küster verschwieg freilich, daß dieser alte Vers in sämtlichen lutherischen Gemeinden weithin als Kommunionslied gebraucht worden war und Brumbeys Beharren auf dieser Strophe schlicht als sorgfältige Beachtung liturgischer Tradition gedeutet werden konnte. Hauptsächlich allerdings war Brumbey nicht an der landesweiten liturgischen Tradition als solcher gelegen, sondern an der Betonung der göttlichen Natur Christi, die in dem Vers ausdrücklich bekannt wurde. Nach Brumbeys Überzeugung verrieten Richter und Schultze – sowie auch Küster – die Gottheit Christi. Die theologische Gegenfront stand für ihn fest: „Wer hätte gedacht; daß es, durch das Stürmen der Aufklärer, dahin kommen könnte?“364 Das neue Jahr, 1796, brachte eine spürbare Verschärfung der Mißhelligkeiten an der Jerusalems- und Neuen Kirche. Am 7. Februar störten zwei Anhänger Brumbeys den öffentlichen Gottesdienst massiv. Bereits am folgenden Tag statteten der erste Prediger Richter und der zweite Prediger Schultze auf Anfrage des Inspektors Küster einen von Richter verfaßten Bericht ab365. Richter beschrieb zunächst die Entstehung der gegenwärtigen Situation. Küster wisse bereits, daß die beiden auf Anraten des Staatsrats ihre Klage gegen Barneth beim Berliner Stadtgericht366 hätten fallenlassen, da, so der Staatsrat, Barneth „sehr schwach am Verstande ist, und seine Handlungen folglich keine Imputabilitaet haben“367. Zu derselben Zeit hatte Brumbey an Barneth zwei in scharfem Ton gehaltene Briefe Richters weitergegeben, die dieser etwa ein Jahr zuvor wegen des umstrittenen Verses an Brumbey geschrieben hatte. Barneth „und Consorten“368 nun bildeten sich ein, daß Richter und Schultze ihre Klage aus Furcht vor diesen jetzt in Barneths Händen liegenden Briefen nicht aufrechterhalten hätten, so daß Barneth auch weiterhin mit noch größerem Selbstbewußtsein auf dem alten Vers insistierte und schriftlich von Richter und Schultze dessen Wiedereinsetzung verlangte. Die beiden Prediger jedoch enthielten sich einer Antwort, da sie nicht gewillt waren, die vom Oberkonsistorium genehmigten „verständlichern Verse“369 aufzugeben. Bald danach bat der Schneider Friederich Wilhelm Kühnert370 mündlich Richter und Schultze, wenigstens bisweilen den vorigen Vers wieder singen zu lassen. Auch dieser 364 Brumbey, Eigene Monita, 15. AaO 25 bezeichnete Brumbey die Aufklärer spöttisch als die „neuern Reformatoren“. Vgl. zu Küster auch aaO 28. 365 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 55r–59r. Einen Abdruck des Berichts boten die Aktenmäßige Darstellung, 23–41 und aaO 42–45 der Quellenanhang des Berichts. 366 Richter und Schultze hatten eine Klage gegen Barneth eingereicht, weil er sich in seiner Vorstellung an den König beleidigender Äußerungen bedient hatte. AaO 98. 367 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 55r. 368 Ebd. 369 AaO Bl. 55v. 370 Die Vornamen sind in einem von Woellner unterschriebenen Reskript vom 17. März 1796 genannt. AaO Bl. 89r.

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Bitte entsprachen sie nicht. Zudem forderten sie, daß Kühnert – der überdies ein Mitglied der Böhmischen Gemeinde war und also nicht zur Gemeinde der Jerusalems- und Neuen Kirche gehörte371 – künftig seine Zudringlichkeit einstellen solle. Um jedoch den fortdauernden Gesuchen „bald dieses bald ienes schwärmerischen Menschen zu entgehen“372, gestatteten Richter und Schultze schließlich, den verlangten Vers gelegentlich singen zu lassen, wenn nicht gerade solche Gemeindeglieder zum Abendmahl gingen, die einen anderen Vers vorzögen. Die beiden Prediger erwarteten nun, daß sich Brumbey, dem dieser Entschluß gewiß zu Ohren gekommen sein mußte, mit ihnen über die nachgiebige Entscheidung unterreden würde. Jedoch ein solches Gespräch fand nicht statt. Brumbey zog es vor, das Entgegenkommen seiner Amtsbrüder auszunutzen und dem Kantor Stoll am folgenden Samstag, dem 23. Januar, auf dem Liederzettel in einem „despotischen Brief “373 anzuordnen, daß der frühere Vers „hinfort unausgesetzt gesungen werden soll“374. Wegen dieser ungewöhnlichen Anweisung fragte Stoll Richter um Rat, der ihn an den Inspektor Küster verwies; Küster beschied dem Kantor, gegen Brumbeys Anordnung am folgenden Sonntag den neuen Vers singen zu lassen. Der Gottesdienst am folgenden Morgen – es war der 24. Januar und also Brumbeys Geburtstag – verlief mehrfach denkwürdig. Vor der Predigt, die sich dem angeblichen gegenwärtigen Verfall des Staats und der Religion widmete, ließ Brumbey das Lied „Herr Gott, dich loben wir“ singen und erklärte dann zu Beginn seiner Predigt, daß dies anläßlich seines Eintritts ins 40. Lebensjahr geschehen sei375. Diese eigenmächtige liturgische Gestaltung war gänzlich extraordinär: Das ‚Te Deum laudamus‘ erscholl üblicherweise lediglich an hohen kirchlichen Festen und bei Sieges- und Friedensfeiern376 und war seit Friedrichs II. letztem Geburtstag am 24. Januar 1786, vor genau zehn Jahren, nicht mehr erklungen377. Nach der Austeilung des Abendmahls folgte ein weiterer, für diesen Gottesdienst finaler Eklat. Kaum daß Brumbey den Beginn der Strophe „Ich danke dir von Herzen“ vernommen hatte, schlug er, als ob ihm der Kantor am Vorabend nicht Küsters Wahl des Danksagungsverses mitgeteilt hätte, die Hände 371 Kühnert selbst gab später vor dem Stadtgericht an, daß er lutherischer Konfession sei und sich zur Böhmischen Kirche halte. Aktenmäßige Darstellung, 46. 372 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 55v. 373 AaO Bl. 56v. Dieser Zettel findet sich aaO Bl. 62r. 374 Ebd. 375 Dies beschrieb Richter in einem Bericht vom 8. Februar 1796. Aktenmäßige Darstellung, 39. Die Geburtstage wurden zeitgenössisch nach dem Beginn des neuen Lebensjahres gezählt. Daher feierte der 1757 geborene Brumbey 1796 einen runden, ihm in besonderer Weise feierwürdig erscheinenden Geburtstag. 376 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 377 Schwartz, Die beiden Opfer, II. Teil, 111.

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zusammen, rief „o mein Gott!“378, nahm zornig seinen Hut und verließ das Kirchengebäude379. Brumbey stellte sich nach diesem Ereignis krank, ließ seine Anhänger glauben, daß er nicht sprechen könne, und versäumte die Erbauungsstunden380. Sein Kampfgeist jedoch war durch die Ereignisse keineswegs geschwächt, sondern vielmehr erfrischt worden. Am darauffolgenden Freitag, dem 29. Januar, wiederholte er, da er sich mit dem Kirchenrecht in völliger Übereinstimmung glaubte, seinen schriftlichen Befehl an Stoll in verschärfter, wesentlich längerer und seine notorische Selbstüberschätzung bezeugender Form381. Richter und Schultze entschlossen sich wegen dieser nochmaligen Steigerung, mit Brumbey über ihren bereits alten Vorschlag zu sprechen, daß sich jeder Prediger, wenn er dem Abendmahl vorstehe, nach eigenem Willen einen Vers aussuchen könne. Die Unterredung fand in der Sakristei kurz vor der Beichte statt. Sie verlief kurz und heftig. Brumbey bezeugte seine lange unterdrückte Abscheu gegen das Betragen der Kollegen, indem er – auf seine Brust weisend – rief: „Lieber morden sie mich gleich, als so langsam: Jenes ist erträglicher; Denn es ist allerdings Leibes- und Seelen-Mörderey!“382 Da Richter und Schultze sich unbeeindruckt zeigten, riß Brumbey Rock und Weste auf, packte mit beiden Händen sein Oberhemd am Kragen und zerriß es bis an die Hose in Stücke383. Vor der Sakristeitür hatten sich bereits etliche Gemeindeglieder 378

GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 56r. Richter und Schultze behaupteten, daß er „mit aller möglichen Unanständigkeit“ vom Altar fortgerannt sei. Kühnert und einige andere „von der ganz neuen Secte, welche er hier anzieht“, hätten ebenfalls fluchtartig das Gebäude verlassen. AaO Bl. 56r–56v. Brumbey dagegen betonte 1799, daß die Rede vom Fort- und Nachrennen nicht der Wahrheit entspreche. Brumbey, Eigene Monita, 11. „Ich schlich mehr aus, als ich ging. Denn wie ich hin war, hat damals Jedermann gesehen.“ AaO 12. 380 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 56r. 381 AaO Bl. 63r. „Die Sache [der alte Kommunionsvers] steht in der Kirchen-Einrichtung so fest, daß kein Consistorium es untersagen kann und auch noch niemahls verboten hat.“ Ein Abdruck findet sich Aktenmäßige Darstellung, 43. In Anverwandlung eines Jesuswortes formulierte er: „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich und den muß ich dann darnach behandeln.“ Trotzig fügte Brumbey hinzu: „Ich erkläre nehmlich, daß man es nunmehr ganz mit mir zu thun hat.“ AaO 43–45. 382 Brumbey, Eigene Monita, 13. In dieser späteren schriftlichen Selbstverteidigung erläuterte er dazu: „Wird nicht auf grobe Weise gemordet, so läßt sich doch desto peinlicher ein Nagel nach dem andern in den Sarg schlagen, denn verursachter Gram, Verdruß und Schreck tödtet so wohl, als ein Mord-Gewehr.“ AaO 12 f. Nach Aussage von Richter und Schultze soll er geschrien haben: „ermorden sie mich! ermorden sie mich! einer muß fallen!“ GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 57r. Weniger ausführlich ist der cholerische Ausbruch geschildert in dem Aktenauszug, der dem Schreiben der Oberkonsistorialräte vom 18. Februar 1796 beigefügt war. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 383 Brumbey meinte damit ein symbolisches Zeichen gesetzt zu haben: „Allein, das wird ihnen vielmehr redendes Denk-Mahl und Zeugniß bleiben, wie sie mit mir umgegangen 379

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zur Beichte eingefunden, so daß es Richter und Schultze nur mit einiger Mühe möglich war, Brumbey aus der Kirche zu schleusen, ohne daß jemand dessen zerfetztes Oberhemd und das darunter hervorscheinende alte Brusttuch sah384. Nachdem die beiden ersten Prediger den Versammelten die Beichte abgenommen hatten, ließen sie den inzwischen ruhiger gewordenen Brumbey wieder in die Sakristei bringen und wiederholten ihren Vorschlag. Brumbey jedoch beharrte stur auf seinem Willen. Aus „Liebe zum Frieden“385 verabredeten schließlich Richter und Schultze mit ihm, daß am folgenden Sonntag, dem 7. Februar 1796, nach der Frühpredigt der alte Vers gesungen werden solle. Doch ihr Plan, Brumbey zu beruhigen, schlug fehl. Am Vortag ließ Brumbey dem Kantor keinerlei Nachricht zukommen, so daß Stoll wiederum gezwungen war, wegen der Liturgie bei Richter nachzufragen, der ihm der Ruhe halber riet, den alten Vers zu singen. Unverzüglich gab Stoll Brumbey davon Nachricht. Am nächsten Morgen jedoch verliefen die Gottesdienste trotzdem tumultuarisch. Kühnert und Bergemann, die von Richters Rat an Stoll wahrscheinlich nichts wußten, brüllten, unmittelbar nachdem das Dankgebet beendet worden war, den alten Vers und kamen also dem Kantor, der ohnehin diesen Vers gesungen hätte, zuvor. Die anschließende Vormittagspredigt hielt Schultze, dem beim darauf folgenden Abendmahl Brumbey assistierte. Schultze hatte den Kantor vor dem Gottesdienst gebeten, den neuen Vers zu singen. Bergemann jedoch, der während der Predigt wütend in die Kirche gestürzt war, setzte sich dicht neben die Kommunikanten und schrie wie zuvor lauthals den alten Vers. Mehrere Gemeindeglieder stimmten mit ein386, der Großteil der Gemeinde aber folgte dem Gesang des Kantors, so daß eine noch wesentlich größere Unordnung als frühmorgens entstand. Bergemann wäre von dem Kirchenknecht und dem „Säkkelträger“387 sowie mehreren Bürgern unsanft aus der Kirche befördert worden, wenn nicht – führte Richter in seinem Bericht vom 8. Februar aus – Schultze sie davon abgehalten hätte. Bevor er schließlich die Kirche verließ, beschimpfte Bergemann Richter als „Spitzbube[n]“388 und rief herausfordernd beim Weggehen, daß er in acht Tagen wiederkäme. sind. Ach! daß sie ihre Kleider zerrißen für Traurigkeit über ihre schweren Versündigungen.“ Brumbey, Eigene Monita, 13. 384 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 57r. In der Neuen Kirche gab es zur Sakristei keinen äußeren Eingang. Brumbey, Beschreibung der Sonn- und Fest-Tage, 57 f. 385 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 57v und GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. und Aktenmäßige Darstellung, 34. 386 Brumbey, Eigene Monita, 15. 387 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 58r. 388 Ebd. In der späteren Vernehmung betonte Bergemann, daß er mit dem Inspektor Richter nichts zu schaffen habe, da der Prediger des Diebstahls zu bezichtigen sei. Bergemanns Begründung war außerordentlich schlicht: Richter wolle der Gemeinde die Gottheit Christi

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Zur fundamentalen Agitation nutzte Brumbey nicht nur seine selbstverlegten Schriften und die Erbauungsstunden, sondern auch seine Predigten. In der Predigt vom 7. Februar warnte er seine Hörer, daß es nunmehr sogar Prediger gebe, welche „die Wahrheit bezweifelten und bestritten, daß Jesus am Kreutz Gottes Blut vergossen habe“389; sie behaupteten, daß nur menschliches Blut vergossen worden sei, und lehrten also auch, daß im Abendmahl kein Gottesblut sei. Dies seien diejenigen, auf die Paulus den Fluch gelegt habe. Daher ermahnte Brumbey seine Anhänger, im Bekenntnis der Wahrheit, daß im Abendmahl Gottes Fleisch und Blut sei, treu zu bleiben, „und sich durch keine Menschenfurcht davon abwendig machen zu lassen“390. Am 8. Februar reichten Richter und Schultze eine förmliche Denunziation beim Geheimen Kriegsrat und Stadtpräsidenten Johann Philipp Eisenberg ein, der die Angelegenheit an das Kriminal-Departement des Stadtgerichts abgab, weil sie nach ALR II 20 § 215391 zu beurteilen war. Die Beklagten wurden vorgeladen und einzeln vernommen. Der Schneidermeister Kühnert suchte sich in seiner Aussage jeder Verantwortung zu entziehen. Er habe, obwohl er kein Kommunikant gewesen sei, der Abendmahlshandlung beigewohnt und dabei gesungen und gebetet. Als wider sein Erwarten der alte Vers gesungen worden sei, habe er „aus Freude mit dem größten Entzücken mit gesungen“392 und weder die Gemeinde noch den Kantor mit dessen Schülern übertönt. Seine Freude sei um so größer gewesen, als bereits mehrfach wegen des Danksagungsverses beim König – besonders von Barneth – Beschwerde geführt worden sei, „allein es sey darauf nichts resolvirt worden“. Übrigens habe er nicht gemeinsam mit Bergemann gesungen, von dem er überdies gar nicht wisse, wo er gestanden habe. Kühnert bemühte gegen die von Schultze und Richter eingeführte Neuerung als Autorität das Religionsedikt, in dem „ausdrücklich bestimmt worden“393 sei, daß die alten Lieder gesungen werden sollten. nehmen, also sei er ein Dieb. Aktenmäßige Darstellung, 51–53. Daß übrigens, wie in der Aktenmäßigen Darstellung behauptet, Kühnert und Bergemann frühmorgens auf Anstiften Brumbeys gehandelt hätten, läßt sich nicht beweisen. Brumbey versicherte später, nicht mit Bergemann gesprochen zu haben. Brumbey, Eigene Monita, 14. 389 Aktenmäßige Darstellung, 40. 390 Ebd. Brumbey selbst unterstrich noch 1799, daß er es als seine „Amts- und ChristenPflicht“ erachtet habe, „das Geleugnete bis auf den letzten Odemzug zu bekennen, und Christen für solcher Verleugnung, die öffentlich Prediger in der Christenheit thun, zu warnen“. Brumbey, Eigene Monita, 17. 391 ALR II 20 § 215 lautet: „Wer den öffentlichen Gottesdienst stört, oder die in dessen Feyer begriffene Gemeine, oder deren mit solchen Amtshandlungen beschäftigten Lehrer, mit Worten oder Thätlichkeiten angreift; der soll auf drey bis achtzehn Monath ins Zuchthaus oder auf die Festung gebracht werden.“ Zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) vgl. ausführlich Kapitel B. 392 Aktenmäßige Darstellung, 47. 393 Ebd.

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Hier irrte er jedoch: Zwar bestimmte § 6 des Religionsedikts, daß „die alten Kirchen-Agenden und Lithurgien“ beibehalten werden sollten, jedoch war der Wortlaut des Danksagungsverses, wie Richter und Schultze bereits im Juni 1795 erklärt hatten, liturgisch nicht fixiert und insofern eine Änderung möglich. Anders als Kühnert gab der Schuhmachergeselle Bergemann in der Vernehmung – von der Angemessenheit seines Handelns fest überzeugt – ohne Umschweife zu, frühmorgens lauthals den alten Liedvers als erster angestimmt zu haben, da weder die Klagen beim König noch die Bitten bei dem Inspektor Küster erfolgreich gewesen waren394. Sein Verhalten sei rechtens gewesen, „weil das Lied auf die Handlung passe, des wahren Leibes und Blutes Christi erwähne, das Religionsedikt dergleichen befehle, und die Herrn Prediger bisher die Gemeine durch ihren uneingeschränkten Willen gewaltsam behandelt“395 hätten. Auch bei der Hauptpredigt und dem daran anschließenden Abendmahl sei er an diesem Sonntag zugegen gewesen; nach dem Abendmahl habe er wiederum den alten Vers angestimmt, während die anderen Gottesdienstteilnehmer mit dem Kantor „ein ganz anders Lied“396 gesungen hatten. Unbeirrt hatte er sogar noch zwei weitere Strophen aus dem alten Lied vorgetragen397. Kühnert und Bergemann wurde „ernstlich aufgegeben“398, sich keiner weiteren gottesdienstlichen Störungen schuldig zu machen399. Bereits am nächsten Sonntag, dem 14. Februar, ereignete sich nach der Frühpredigt in der Jerusalemskirche eine neue Ausschreitung, von der Richter und Schultze dem Inspektor Küster an demselben Tag Bericht erstatteten400. Barneth, der bereits im Sommer des Vorjahres durch eine Immediat-Vorstellung an den König auffällig geworden war, hatte seinen Plan zuvor Kühnert offenbart, der daraufhin Brumbey Nachricht gegeben hatte. Beide, Kühnert und Brumbey, rieten ihm ab. Jedoch konnte Barneth von seinem fanatischen Frömmigkeitseifer nicht ablassen, weil – wie er später im Verhör aussagte – er einmal von einem Prediger gehört habe, „daß ein Mensch, der von der Wahrheit abgegangen war, sich selbst aus Gewissensangst das Fleisch von den 394

Diesen Alleingang hatte Barneth bereits angekündigt. AaO 62. AaO 50. 396 AaO 51. 397 Er habe „mit starker Stimme gesungen, und allen übrigen vorgeschrieen, damit diese mit einstimmen sollten“. Ebd. 398 AaO 53. Fälschlich ist dort angegeben, daß sie nicht bestraft worden seien. 399 Zum üblichen Strafmaß in solchen Fällen vgl. Kapitel B.II.3. Johann Bergemann wurde zu einer dreimonatigen Zuchthausstrafe verurteilt und am 5. April 1797 über die Grenze gebracht. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 119r. In seiner Selbstverteidigungsschrift gab Brumbey 1799 an, daß Bergemann später nach Spandau – also ins Gefängnis – und danach über die Grenze geschafft worden sei. Brumbey, Eigene Monita, 9. 400 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 61r–61v. Einen Abdruck des Berichts bot die Aktenmäßige Darstellung, 53–56. 395

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Knochen abgenagt habe“401. Barneth hatte sich während des Abendmahls beim Beichtstuhl Brumbeys verborgen gehalten; als dann das Lied „Ich danke dir von Herzen“ erscholl, sprang er hervor, schlug die Hände zusammen und blickte unentwegt zur Orgel empor. Nachdem das Lied gesungen worden und Richter vom Altar weggetreten war, stellte er sich zu den Bänken neben dem Altar und begann, fest überzeugt, daß ihm sein Vorhaben vom Geist Gottes eingegeben sei402, einen selbstformulierten Aufsatz abzulesen403. Jedoch packte ihn sogleich ein von Richter und Schultze herbeigerufener Polizeikommissar und führte ihn aus der Kirche zu dem Stadtpräsidenten Eisenberg, der befahl, ihn auf Calandshof – einem Arbeitshaus, in dem er spinnen mußte404 – in Verwahrung zu bringen. Damit nicht auch der zweite sonntägliche Gottesdienst gestört werde, waren nach Brumbeys Vormittagspredigt vorsichtshalber zwei Polizeikommissare in der Kirche postiert; das anschließende Abendmahl verlief jedoch ohne Aufsehen, da Brumbey den Vers „Gott sei gelobet“ singen ließ. Die Predigt aber nutzte Brumbey wiederum zur Einschärfung seines Hauptthemas. Er beschwor die Hörer, das Abendmahl nur im Sinne des alten, orthodoxen Danksagungsverses zu feiern, „und er ermahnte seine Anhänger, daß sie sich dies GottesBlut durch keine Gewalt entreissen lassen sollten.“405 Das Gottesblut werde sie 401

AaO 64. AaO 63 und 65. Wie Brumbey berief er sich auf Apg 5,29. „Uebrigens halte er es für seine Schuldigkeit in allen übrigen Dingen der Obrigkeit zu gehorchen; dieser Gehorsam höre aber dann auf, wenn der Befehl dem Worte Gottes zuwider sey. Es sey auch im ReligionsEdikt bestimmt, daß die Liturgie und die alten Lieder beibehalten werden sollen.“ AaO 66. Barneth verstand sich als Märtyrer; er leide gerne um Christi willen, auch wenn er mit dem Tode bestraft würde. Christus könne ihn nicht verlassen, „und zu diesem, der sein tägliches Heimweh sey, wünsche er je eher je lieber zu kommen“. AaO 66 f. 403 Den Aufsatz, den er verlesen wollte und den nach seinem Diktat sein gerade elfjähriger Sohn niedergeschrieben hatte (aaO 64), bietet als Beilage des Schreibens von Richter und Schultze vom 14. Februar 1796 die Aktenmäßige Darstellung, 56–59. Barneth argumentierte zunächst kirchenhistorisch, indem er auf Luther verwies, der diesen Vers zum Abendmahl bestimmt hatte. Grundstürzender noch war Barneths dogmatische Kritik: „Sie sagen mit ihrem Vorhaben, wir haben kein Sacrament mehr, sondern wir kommen nur in Liebe zusammen, ein Mahl mit einander zu essen und zu trinken, nicht daß wir Sünder mit Gott durchs Abendmal vereinigt werden.“ AaO 57. Er beschimpfte sie mit einer Bibelstelle; ob Brumbeys bibelgesättigte Erbauungsstunden Anregungen zu derartigen Applikationen gaben, läßt sich nicht beweisen, wohl aber vermuten: „Diese Schalke, Jerem. 23–11. so nennt sie Gott, haben also keinen solchen Glauben, daß Jesus Christus der höchst zu lobend und wahre Gott ist mit dem Vater und heiligen Geist. Sie sind ärger denn wilde Menschen oder das Vieh, indem sie das helle Evangelium in Händen haben.“ AaO 57. 404 Brumbey berichtete später, daß Barneth durch diese Zeit nicht nur erheblichen finanziellen, sondern auch gesundheitlichen Schaden erlitten habe. Brumbey, Eigene Monita, 9. Die Aktenmäßige Darstellung, 68 dagegen behauptete, daß Barneth sich im Hause des dortigen Inspektors aufgehalten habe. 405 GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 61r. 402

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schützen „gegen alle Anfälle des Teufels, wieder alle Leiden“406. Wegen dieser Reden baten die beiden ersten Prediger Küster, beim Oberkonsistorium um eine baldige Untersuchung Brumbeys nachzusuchen. Vielleicht werde daraufhin sein Gemütszustand geprüft und ihm ein Adjunkt zur Seite gestellt werden. Während eine medizinische Begutachtung Brumbeys jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt von Eisenberg und Woellner initiiert wurde, erhielt der Obermedizinalrat und Stadtphysikus Georg Adolf Welper noch an demselben Tag den Auftrag, den Gemütszustand des auf Calandshof verbrachten Barneth zu untersuchen. Welper meinte feststellen zu können, daß Barneth in allen außerreligiösen Dingen „ganz richtig denke und urtheile“, in der Religion aber gehöre er zu der Art „religiöser sonst aber doch gutmütiger Schwärmer, welche quoad hoc objectum als wirkliche Wahnsinnige anzusehen sind“407. In dem Verhör vor dem Berliner Kriminal-Kollegium408, dem sich Barneth zu unterziehen hatte, erwies er sich als gleichbleibend treuer Anhänger der religiösen Gedankenkonstrukte und der Person Brumbeys409. Da Barneth nach Welpers Einschätzung in religiöser Hinsicht nicht schuldfähig war, blieb er straffrei, wurde freilich in das Hospital des Arbeitshauses, also in das Armenhospital, gebracht, damit weitere Störungen verhütet würden und er von seinen Ideen „durch zweckmäßigen Unterricht“410 abgebracht werde. Zwar konnte Barneth bereits am 8. März 1796 das Hospital wieder verlassen, nachdem ihm eingeschärft worden war, daß, wenn „er sich abermaliger Stöhrungen des Gottesdienstes schuldig mache, sofort die in den Gesetzen bestimmten und ihm jetzt bekannt gemachten Strafen an ihm wirklich vollstreckt werden sollten“411, jedoch hatte er durch sein Verhalten die Sache Brumbeys nicht befördert, sondern nur dessen Erbauungsstunden in neuen Mißkredit gebracht: Das Berliner Kriminal-Kollegium hielt es nach dem Verhör eigens

406

AaO Bl. 61v. Das Aktum der Untersuchung vom 14. Februar 1796 findet sich aaO Bl. 76v. 408 Die Aktenmäßige Darstellung, 60–68 druckte Barneths Aussage im referierenden Konjunktiv ab. Das Protokoll findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 77r–83v. 409 Mit Brumbey seien nicht nur er allein, sondern auch die anderen Gemeindeglieder äußerst zufrieden, „weil er ganz nach der Bibel gehe, und sich nicht wie jene [Richter und Schultze], auf Vernunft und Hirngespinste einlasse“. Aktenmäßige Darstellung, 61. Hätte Brumbey eine kräftigere Konstitution, täte er „gewiß“ (aaO 67) mehr, um den alten Vers wieder einzuführen. Der Prediger habe ihm einmal sogar gesagt, daß, „wenn die Gemeine die Sache nicht triebe, er sie treiben würde, und daß die Ehre Christi sehr darunter litte, daß dieses Lied nach dem Abendmahl nicht gesungen würde“. AaO 67 f. Im Gegensatz zu Brumbey mangelte es Richter nach Barneths Überzeugung vollständig an Rechtgläubigkeit. Sogar in der Kinderlehre habe er die Gottheit Christi geleugnet, indem er die Einsetzungsworte „Nehmet hin und esset, das ist mein Leib“ nicht auf die buchstäbliche Art erklärt hatte. AaO 68. 410 Ebd. 411 AaO 70. 407

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für notwendig, diese Stunden, die „mehr schädlich als nützlich“412 seien, zu kritisieren. 5. Die Demission Die anhaltenden massiven Querelen, die fortwährend die von ihm gewünschte Ruhe und Andacht störten und als deren Hauptverursacher Brumbey seine beiden Kollegen Richter und Schultze benennen zu können meinte413, ließen ihn an jenem 14. Februar 1796, der Barneth nach Calandshof brachte, den König um Schutz bitten. Fände er auch dort keine Hilfe, sähe er sich unter den gegebenen Umständen gezwungen, sein Amt zu quittieren414. Woellner beauftragte daraufhin zwei Tage später die Geistliche ImmediatExaminationskommission, bestehend aus Hermann Daniel Hermes, Gottlob Friedrich Hillmer, Theodor Carl Georg Woltersdorff und Andreas Jakob Hecker415, mit einem kurzen Gutachten über den Prediger416, das diese nach eingeholter Information und – so die selbstbestätigende Begründung – „nach Christlicher Billigkeit“ an demselben Tag umgehend in vier Punkten erstatteten417. Maßvoll und vorsichtig, nahezu apologetisch urteilten sie; es mußte ihnen widerstreben, sich nachteilig über einen Prediger zu äußern, der gegen Formen der von ihnen verachteten Aufklärung agitierte. Gleich zu Anfang betonten sie präsentisch, daß Brumbey „in den Hauptpunkten der Christl. Lehre seiner Gemeine ächte Biblische Wahrheit predigt“418; auch sein vergangenes Wirken würdigte die Immediat-Examinationskommission und hielt 412

AaO 69. Daß Richter und Schultze ihm in der Besetzung der ersten und zweiten Predigerstelle vorgezogen worden waren, hat Brumbey ihnen immer angelastet. Noch 1799 schrieb er abständig im Zusammenhang der Ablehnung des Danksagungsverses: „Solche Leute sind gleichwohl christliche Prediger, und werden dazu von auswärts berufen.“ Brumbey, Eigene Monita, 18. 414 Die Aktenmäßige Darstellung, 70 hatte in ihrer Schilderung den Vorgang zu einer bloßen Bitte um Demission verkürzt. Dem widersprach Brumbey 1799. Brumbey, Eigene Monita, 19. 415 Zum Wirken der Geistlichen Immediat-Examinationskommission vgl. ausführlich Kapitel F. 416 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. Die Immediat-Examinationskommission müsse sich, schrieb Woellner am 16. Februar, noch an demselben Tag versammeln und ihm spätestens gegen Abend bloß im Allgemeinen ihren gutachtlichen Bericht über den „unruhigen“ Prediger Brumbey einsenden. Die Sache selbst solle am Donnerstag auf dem Konsistorium vorgetragen und näher untersucht werden. Er könne den König aber nicht so lange warten lassen, sondern müsse wenigstens vorläufig Rapport erstatten. GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 36, Bl. 129r. 417 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. Das Konzept aus Hillmers Feder findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 36, Bl. 132r. 418 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 413

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fest, daß er „nicht ohne Seegen bisher gearbeitet hat“419. Im zweiten Punkt nahm sie Brumbeys eigene Argumentationsstruktur auf: Sein auffälliges Verhalten sei durch die – „wie er meint“420 – Bevorzugung seiner Kollegen an der Jerusalems- und Neuen Kirche bedingt. Brumbey müsse jedoch, so die Kritik im dritten Punkt, diesen Eifer aus christlicher Haltung heraus aufgeben und „sich der Menschlichen Ordnung unterwerfen“421. Zuletzt, im vierten Punkt, gab die Immediat-Examinationskommission ausweichend ihre aufgrund mündlicher und schriftlicher Verlautbarungen Brumbeys genährte Vermutung kund, „daß er sich höhere und außerordentliche Amtsgaben zutraue“422. Woellner urteilte über dieses Gutachten zu Recht, „daß die Herren mit der Sprache nicht heraus wollen, et qu’ils tournent autour du pôt“423. Anders als die Immediat-Examinationskommission, die Brumbeys Amtsanmaßungen nicht mit der notwendigen Deutlichkeit benannte, da Hermes und Hillmer offenbar das ihnen ehedem zuträglich gewesene beflissene Verhalten Brumbeys im Fall des Zopfschulzen honorierten, hatte Woellner wohl durch Brumbeys fortwährende obrigkeitsgefährdende Auslegung von Apg 5,29 von seiner früheren nachsichtigen Einschätzung Brumbeys Abstand genommen. Am 18. Februar erstattete das lutherische Oberkonsistorium seinen Bericht, den der preußische König verlangt hatte424. Die Oberkonsistorialräte mitsamt ihrem Präsidenten v. d. Hagen unterstützten das Entlassungsgesuch des Querulanten nachdrücklich, da sie die Sorge um „Ruhe und Eintracht“425 in der Gemeinde Brumbeys über die zu erwartende Belästigung des Königs durch etliche seiner Anhänger stellten. Ohnehin hätten sie demnächst wegen Brumbey ein Entlassungsgesuch beim König eingereicht426. Zur Begründung ihrer Stellungnahme fügten die Oberkonsistorialräte einen dreieinhalbseitigen, von demselben Tag datierenden Auszug aus den Akten des Brumbey bei427. Woellner leitete am 22. Februar das Schreiben des Oberkonsistoriums und den Aktenauszug, den er selbst vom Kurmärkischen Konsistorium einge419

AaO unpag. AaO unpag. 421 AaO unpag. Wörtlich stellte die Immediat-Examinationskommission über Brumbey fest, „daß er nicht selten eifern zu müßen glaube“ (aaO unpag.). Die hier gebrauchte Litotes ist ein deutliches rhetorisches Indiz des zögerlich-vorsichtigen Tonfalls des Gutachtens. 422 AaO unpag., Hervorhebungen im Original getilgt. 423 AaO unpag. 424 AaO unpag. 425 AaO unpag. 426 Die rechtliche Grundlage dazu wäre ALR II 11 § 532 gewesen: „Hat ein Pfarrer in seinem Amte grobe Excesse begangen: so müssen die geistlichen Obern ihm die Führung seines Amts vorläufig untersagen; wegen dessen Wahrnehmumg [sic] die erforderlichen Anstalten treffen; die nähere Untersuchung verhängen; und nach dem Befunde derselben ihm die Entsetzung andeuten.“ 427 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 420

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fordert hatte428, an Friedrich Wilhelm II. weiter. In seinem Begleitschreiben referierte Woellner ausführlich aus diesem Auszug429. Dessen Inhalt gab er in acht Punkten wieder, die teils wörtlich – wenngleich mit graphematischen Abweichungen – das Original zitierten, teils jedoch signifikante Veränderungen vornahmen. Zunächst wiederholte Woellner aus dem Aktenauszug, daß Brumbey „von je her als ein äußerst stoltzer und sich weiser als andere dünckender Mann“430 bekannt gewesen sei, und erinnerte daran, daß er selbst diese Einschätzung dem König bereits zuvor gegeben habe. Mit diesem zutreffenden Hinweis431 suchte Woellner, dessen Verhältnis zu Friedrich Wilhelm II. schon seit vielen Monaten nachhaltig gestört war, gleichsam en passant den König seiner trefflichen Urteilsfindung und Unersetzlichkeit zu versichern. Im zweiten Punkt referierte er aus dem Aktenauszug, daß Brumbey „sich unmittelbarer Eingebungen Gottes rühme“432 und auf diese Weise eine stattliche Anhängerschaft in der Gemeinde um sich gesammelt habe. Während im Aktenauszug dieser Vorwurf, direkte Inspirationserfahrungen zu behaupten, auf die öffentlichen Vorträge beschränkt ist, verzichtete Woellner auf diese Näherbestimmung und verschärfte insofern den Eindruck der geistlichen Anmaßung Brumbeys. Woellner war in seinem Schreiben bestrebt, die Angaben, die der Aktenauszug über den Prediger machte, auf den Vorwurf mangelnden Obrigkeitsgehorsams zuzuspitzen. Daher überging er die Feststellung des Aktenauszugs, daß Brumbey seine Amtskollegen Richter und Schultze – und übrigens auch andere Prediger – der Irrlehre verdächtigte und die dadurch ausgelösten Separationsbewegungen innerhalb der Gemeinde mit Hilfe seiner „sogenannten Andachts Versammlungen“433 intensivierte. Brumbey erschien in Woellners Schreiben schlichtweg als staatsgefährdendes Subjekt. So verschärfte Woellner im dritten Punkt die Aussage, daß der Friedrichstädter unter Bezugnahme auf Apg 5,29434 „Königl[iche] Edicte“435 als nicht bindend ansehe, zu dem eine doppelte Verallgemeinerung aufweisenden 428

AaO unpag. AaO unpag. 430 AaO unpag. Offenbar hat Woellner sein Schreiben in einiger Eile verfaßt. Nicht die graphematischen Abweichungen zeigen dies, sondern die syntaktische Fehlkonstruktion: Woellner übernahm die Parenthese des Aktenauszugs („von je her als ein äußerst stolzer und sich weiser als andere dünkender Mann bekannt“; aaO unpag.), vergaß jedoch bei der syntaktischen Neueinordnung als Nebensatz das Attribut „bekannt“. 431 AaO unpag. 432 AaO unpag. 433 AaO unpag. 434 Weder der Aktenauszug noch Woellner akzeptierten diesen Versuch Brumbeys, sein Verhalten durch einen biblischen Verweis zu legitimieren. Brumbey handele „[u]nter dem Vorwande: man müße Gott mehr gehorchen, als den Menschen“ (aaO unpag.). Woellner wiederholte dies – mit einer graphematischen Abweichung – identisch. AaO unpag. 435 AaO unpag. 429

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Vorwurf, daß er „alle Königl[ichen] Edickte, Anordnungen pp“436 in selbsterklärter Freiheit als ungültig betrachte. Den Foren, die Brumbey anzuerkennen gewillt war, wandte sich genauerhin der vierte Punkt zu: Brumbey reklamierte für sich das Recht, „nur auf die Stimme seiner Anhänger achten zu dürfen, weil des Volcks Stimme, Gottes Stimme sei“437. Wenn er sich auf Apg 5,29 berief, sah er also das Forum, vor dem er sich hauptsächlich zu verantworten hatte – nämlich Gott –, durch ein eigenmächtig gewähltes rein innerweltliches Forum repräsentiert438. Denn da Brumbeys Anhänger ihrem Prediger nicht nur treu, sondern vor allem unreflektiert-rigoristisch ergeben waren, ventilierten sie bloß ihres geistlichen Führers eigene Gedanken, so daß Brumbey im Zirkelschluß sich selbst – der er sich ja durch göttliche Eingebungen erwählt wähnte – absolut setzte. Daß Brumbey „schlechterdings nach seinem Kopf handele“439, formulierte Woellner in eigener Wendung ausdrücklich im anschließenden fünften Punkt. Während der Aktenauszug nur festhielt, daß er keine Anweisungen des ihm vorgesetzten Inspektors und des Oberkonsistoriums befolge440, fügte Woellner verschärfend noch die Ignoranz gegenüber dem Staatsrat hinzu. Brumbey wird mithin nicht nur als starrköpfig, sondern auch als notorisch resistent gegenüber jeglicher Anweisung und Belehrung dargestellt441. Der sechste und siebte Punkt wandten sich schließlich den konkreten, jüngst geschehenen Begebenheiten zu. Zunächst benannte Woellner im sechsten Punkt die massiven Störungen der Gottesdienste vom 7. und 14. Februar durch die Anhänger Brumbeys. Woellner übertrug Brumbey die Verantwortung für diese Ausschreitungen, indem er behauptete – ohne freilich Beweise liefern zu können –, daß der Prediger selbst die Störenfriede zu ihrem Treiben veranlaßt habe. Der Aktenauszug berichtete nicht nur wesentlich detailreicher, sondern auch in nuanciert anderer Grundfärbung über diese innergottesdienstlichen 436

AaO unpag. AaO unpag. Auf das Sprichwort „vox populi vox dei“ hatte Brumbey bereits – vgl. oben – am 10. März 1794 zurückgegriffen. 438 Der Bezug auf Apg 5,29 ist in Woellners Schreiben nicht so deutlich erkennbar wie in dem Aktenauszug, in dem der von Woellner als vierter Punkt extrahierte Hinweis auf des Volkes Stimme unter den Vermerk von Apg 5,29 subsumiert ist. Daß bei Woellner anstelle der Formulierung „die Wünsche seiner Anhänger“ die Wendung „die Stimme seiner Anhänger“ steht, dürfte durch die gebotene Eile beim Schreiben bedingt sein. Offenbar hat der zweifache Gebrauch von „Stimme“ im weiteren Satzverlauf bei der Wiedergabe des Satzes irreführend auf das genaue Referat des Beginns gewirkt. 439 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 440 AaO unpag. 441 Der Aktenauszug erwähnte noch „Fiscalische Strafen der Stadt-Gerichte“ (aaO unpag.), die Brumbey bereits erhalten habe. Auf diesen Hinweis bereits erfolgter kleinerer rechtlicher Maßnahmen gegen den renitenten Prediger konnte Woellner ob seiner ohnehin zuspitzenden Darstellungsweise verzichten. 437

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Ausschreitungen. Während Woellner „die lezteren ärgerlichen Auftritte“442 knapp erwähnte, um Brumbeys aufrührerisches, die öffentliche Ordnung störendes Verhalten einmal mehr zu betonen, schilderte der Aktenauszug „die ärgerlichen alle Andacht der Communicanten stöhrenden Auftritte“443. Dem Kurmärkischen Konsistorium also war daran gelegen, nicht nur den mangelnden Respekt Brumbeys vor der Obrigkeit, sondern auch vor der Frömmigkeitsentfaltung anderer Gemeindeglieder festzuhalten444. Das tumultuarische Gebaren Barneths vom 14. Februar schilderte der Aktenauszug weniger ausführlich, aber präziser als Woellner. Barneth, den Woellner mit mangelnder Sorgfalt als Schuster bezeichnete445, war im Aktenauszug nicht allein in theologischer, sondern zudem – gemäß dem Ergebnis der medizinischen Untersuchung – pathologischer Kategorie beschrieben: Er sei „ein schon wahnwitzig gewesener schwärmerischer“446 Mensch. Durch die konkrete Namensnennung und die persönliche Charakterisierung werden die Individualität und mithin die Singularität des Aufrührers deutlich. Woellner hingegen hatte in seiner Kurzfassung implizit den besorgniserregenden Eindruck hervorgerufen, als könne jeder beliebige Anhänger Brumbeys solchen Aufruhr verursachen. Als siebten Punkt führte Woellner die selbstherrliche liturgische Entgleisung Brumbeys zu Ehren des eigenen Geburtstags am 24. Januar an, die der Aktenauszug erst am Ende brachte. Indem Woellner die im Aktenauszug zuletzt genannte gottesdienstliche Eigenfeier in seiner Reihenfolge vorzog, konnte er dem im Aktenauszug an vorletzter Stelle genannten Sachverhalt dann die exponierte Endposition zukommen lassen. Ganz im Duktus seiner Gesamttendenz, Brumbey besonders der Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu bezichtigen, schloß Woellner seine Aufzählung mit dem Referat des Aktenauszugs, daß der Friedrichstädter „sich nicht entblödet hat an den beiden lezten Sonntagen in seinen Predigten, den Staat als äußerst verfallen vorzustellen und die Gemeinde zur beharrlichen Wiedersetzung gegen obrigkeitliche Verfügungen anzumahnen“447. Durch die parenthetische Ergänzung „was das al-

442

AaO unpag. AaO unpag. 444 Auch an späterer Stelle betonte das Kurmärkische Konsistorium die Beeinträchtigung der Andacht, wenn es schreibt, daß durch das von Bergemann provozierte „Durcheinandersingen die Gemeine in ihrer Andacht gänzlich gestöhret worden ist“. AaO unpag. 445 Auch der Polizeipräsident Eisenberg übrigens bezeichnete in einem unten näher darzustellenden Schreiben Barneth fälschlich als Schuster. AaO unpag. 446 AaO unpag. 447 AaO unpag. Vgl. ebenso – mit geringfügigen syntaktischen Abweichungen und als Hauptsatz konstruiert – aaO unpag. 443

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lerärgste ist“448 verschärfte Woellner den Vorwurf des staatsilloyalen Verhaltens zusätzlich; er objektivierte gleichsam seine persönliche Einschätzung. Da Woellner Brumbey in seinem Schreiben als einen Untertan skizzierte, der als erwiesener, gefährlicher Aufrührer zu gelten habe, resümierte er folgerichtig, daß dem Wunsch des Predigers nach Demission nicht stattgegeben werden solle. Brumbey selbst habe nur deswegen um seine Demission gebeten, um der „Schande zu entgehen“449, der Kassation unterzogen zu werden. Eigentlich habe „Brumbey weit mehr als seine bloße Dimission verdienet, denn wenn der einzige Punckt sub No: 8. juristisch erwiesen wird so kann er als ein Aufwiegler des Volcks und offenbahrer Rebelle nicht anders als cum infamia cassiret und nach Spandau condemniret werden“450. Daher frage er, Woellner, nun den König, ob er gegen den Prediger einen fiskalischen Prozeß beim Kammergericht anstrengen solle. Zugleich formulierte Woellner eine alternative Weisung, wenn er anfragte, ob der König „Gnade vor Recht ergehen lassen“451 und Brumbeys Bitte stattgeben wolle. Wie auch immer der König sich entscheiden werde, rechnete Woellner mit Unruhen unter den Anhängern Brumbeys. Diese zu befürchtenden Ausschreitungen dürften jedoch – führte Woellner am Ende seines Schreibens aus – nicht verhindern, gegen den Prediger vorzugehen, weil eine Besserung nicht zu erwarten sei, „denn diese Art Leute ist völlig incorrigible“452. Die von Woellner bereits vorbereitete Kabinettsordre desselben Tages wählte die maßvolle Variante der Demission. Obgleich die Angaben des Kurmärkischen Konsistoriums durchaus Grund genug gäben, einen fiskalischen Prozeß gegen Brumbey zu führen, wolle er, der König, ihn „doch bloß als einen Schwärmer betrachten“, der eher „Mittleiden als Strafe verdienet“453, und die Demission gewähren. Woellner, der durchgängig bemüht gewesen war, Brumbeys aufrührerisches Potential nachdrücklich hervorzuheben, legte in der Kabinettsordre fest, daß der demissionierte Prediger sowohl in Berlin als auch anderswo in Preußen „weder öffentlich noch heimlich“454 predigen dürfe. Ebenso müsse Brumbey strengstens untersagt sein, als Volkslehrer zu wirken

448

AaO unpag. AaO unpag. Tatsächlich hatte Brumbey inzwischen seine Demission erbeten, um seiner Entlassung zuvorzukommen. Brumbey, Eigene Monita, 20. 450 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 451 AaO unpag. 452 AaO unpag. Durch diese verallgemeinernde, thetische Feststellung erweist sich die voranstehende subjektive Wendung, daß an eine Besserung Brumbeys „nach meinem Urtheil“ nicht zu denken sei, als keine Einschränkung des Urteils. 453 AaO unpag. und mit mehreren Abweichungen in der Graphematik die Aktenmäßige Darstellung 72 f. 454 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 449

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oder Konventikel abzuhalten455. Sollte er sich jemals diesen Anordnungen widersetzen, sei er umgehend festzunehmen und zu inhaftieren456. Der König, in dem Woellners lautes Warnrufen nicht ohne Nachhall geblieben war, unterschrieb diese Kabinettsordre457, so daß Brumbey nun tatsächlich seines Amtes als Prediger entsetzt war458. Allein mit der Demission waren die obrigkeitlichen Maßnahmen im Fall Brumbey nicht beendet. Am 9. April 1796 teilte Eisenberg459 dem König brieflich die neuesten Vorgänge mit460. Nach Rücksprache mit Woellner hatte Eisenberg eine Untersuchung des ehemaligen Predigers – seinen „Gemüthszustand“461 betreffend – angeordnet, die von dem Inspektor Küster und dem Stadtphysikus Dr. Welper vorgenommen werden sollte. Bis zu dem Ergebnis dieser Untersuchung stand Brumbey, ganz im Sinne Woellners, „zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Ruhe“462 unter Beobachtung. Friedrich Wilhelm II. unterstützte in einer Kabinettsordre vom 17. April diese medizinischpsychologische Untersuchung, die klären sollte, ob für Brumbey zwangsweise ein Vormund bestellt werden müsse463. Zwei Wochen später, am 2. Mai, erstattete der Großkanzler Heinrich Julius v. Goldbeck dem König Bericht über den erhobenen Befund464. Die Sachverständigen, deren Urteil die Verwandten Brumbeys und das Gericht zustimmten, hatten den Eindruck gewonnen, daß 455

AaO unpag. AaO unpag. 457 Zur Durchsetzung des königlichen Willens informierte Woellner im Auftrag des Königs das Berliner Polizeidirektorium. AaO unpag. 458 Seitdem ist in den Akten nicht mehr die Rede vom „Prediger“ Brumbey (z. B. aaO unpag.), sondern vom „ehemaligen“ oder „gewesenen“ Prediger Brumbey. Auch im ersten Adreßbuch Berlins erschien in der zweiten Auflage von 1801 Brumbey als „ehemaliger Prediger“ bzw. „gewes. Prediger“. Neander v. Petersheiden, Neue Anschauliche Tabellen von der gesammten Residenz-Stadt Berlin, oder Nachweisung aller Eigenthümer, mit ihrem Namen und Geschäfte, wo sie wohnen, die Nummer der Häuser, Straßen und Plätze, wie auch die Wohnungen aller Herren Officiere hiesiger Garnison, 2. Aufl., Berlin 1801 [ND Berlin 1990], 232 bzw. 20. 459 Eisenberg hatte sich übrigens auch für das Allgemeine Landrecht engagiert. Den Oberrechenkammersekretär Wilhelm Wiese forderte er zu einer lateinischen Übersetzung des neuen Gesetzeswerks auf, die bereits im November 1794 weitestgehend vollendet war. Vgl. das Schreiben Wieses an den Großkanzler vom 19. April 1795. GStA PK, I. HA, Rep. 84, Abt. XVI, Nr. 6, Bl. 48r–48v. Vgl. ferner Eisenbergs Schreiben vom 15. Mai 1795 als Geheimer Kriegsrat und Stadtpräsident wegen rückständiger Honorare für Wiese aaO Bl. 50r: Die Arbeit seines Gehilfen Wiese sei bis zur letzten Revision beendigt und der erste Teil zum Druck fertiggestellt. Die lateinische Übersetzung ist für die südpreußischen und zum Teil auch westpreußischen Provinzen veranstaltet worden. Vgl. das Reskript des Justizdepartements an das Kammergericht wegen des Honorars für Wiese. AaO Bl. 51r. 460 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 461 AaO unpag. 462 AaO unpag. 463 AaO unpag. 464 AaO unpag. 456

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der ehemalige Prediger „weder für wahn- noch blödsinnig zu achten“465 sei. Die „mancherley thörichten Aeusserungen und unvernünftigen Handlungen“466 gingen lediglich zurück auf „überspannte theologische Ideen“467 einerseits und die anmaßende Selbstüberschätzung seiner Person und Gelehrsamkeit andererseits. Gefährlich sei Brumbeys Verhalten weder für ihn selbst noch für die Öffentlichkeit, ein Vormund sei mithin nicht notwendig. Sein querulantes Betragen erfordere freilich, ihn künftig informell von seiner Familie, den Gerichten und der Polizei beaufsichtigen zu lassen468. Der Befund der Sachverständigen, daß kein Vormund zu bestellen sei, ließ auch den am 17. April ergangenen Befehl des Königs, von Brumbey keine Schriften mehr zu drucken, hinfällig erscheinen. Goldbeck fragte daher beim König an, ob nicht Brumbeys bereits im Druck befindlichen, von der Immediat-Examinationskommission genehmigten Schriften herausgegeben werden sollten. Immerhin bedeutete ein Veröffentlichungsverbot auch – so Goldbecks nüchterne, weder staatspolitische noch theologische Argumentation – einen erheblichen ökonomischen Verlust für den Verleger. Außerdem hielt Goldbeck auch den Druck zukünftiger neuer Schriften des ehemaligen Predigers für ungefährlich, sofern sie die Zensur von Hermes durchlaufen hätten469. 6. Die Wegführung aus Berlin Da Brumbey fortwährend einer inoffiziellen Polizeikontrolle bedurfte und auch jederzeit neue Unruhen hervorzurufen imstande schien, wurde er schließlich aus Berlin entfernt470. Am 9. Mai 1796 befahl Friedrich Wilhelm II. dem Polizeipräsidenten Eisenberg, der dieser Anordnung bereits in der folgenden Nacht nachkam, Brumbey „in der Stille über die Grenze zu schaffen“471. Freilich bleibt zuletzt unerfindlich, welches Verbrechens, das gerechtfertigt hätte, „so 465 AaO unpag. Die Frage der Vormundschaften und Kuratelen war in ALR II 18 §§ 1–1007 geregelt. ALR II 18 § 12 legte fest: „Wahn- und Blödsinnige, welche nicht unter der Aufsicht eines Vaters oder Ehemannes stehen, müssen vom Staate unter Vormundschaft genommen werden.“ Präzisiert wurde diese Bestimmung durch ALR II 18 § 13: „Wer für wahn- oder blödsinnig zu achten sey? muß der Richter, mit Zuziehung Sachverständiger Aerzte, prüfen und festsetzen.“ 466 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 467 AaO unpag. 468 AaO unpag. 469 AaO unpag. 470 Brumbey resümierte 1799 in bitterer Ironie: „[W]eil ich den von meinen Collegen verworfenen Vers behauptete, galt ich als ein Rebell gegen Obere und Regierung, der den ganzen Preußischen Staat in die größte Gefahr setzte, und also in Sachsen hinein geworfen werden mußte, damit die Monarchie nicht stürzte“. Brumbey, Eigene Monita, 23. 471 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. Am 10. Mai 1796 erstattete Eisenberg dem König brieflich Bericht. AaO unpag.

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schrecklich behandelt zu werden“472, er sich schuldig gemacht haben soll. Eine förmliche Untersuchung jedenfalls fand nicht statt, so daß auch ein stichhaltiger Rechtsgrund zur Landesverweisung fehlt473. Nach zehn Uhr abends am 9. Mai betraten der Stadtrat Weitzel und der Polizeiinspektor Treblin Brumbeys Wohnung; der ehemalige, bärtige474 Prediger saß ruhig lesend am Schreibtisch475. Am Eingang des Hauses hielt währenddessen ein Polizeidiener Wache, damit niemand das Haus verlassen konnte, um Brumbeys Anhängern einen Hinweis auf dessen Entfernung aus Berlin zu geben476. Die zwei ungeladenen Besucher verlasen Brumbey die königliche Kabinettsordre und kündigten ihm an, daß er in den ersten Stunden des neuen Tages in einer Postkalesche mit Extrapostpferden, die übrigens sicherheitshalber schon eine halbe Stunde vor Mitternacht bei der Elephantenapotheke zu sein bestellt war477, außerhalb der preußischen Lande verbracht würde478. Brumbey verharrte einstweilen ruhig, warf lediglich „einige scharfe Blicke“479 auf Weitzel und Treblin. Die Ruhe freilich war nur eine äußere: Zweimal trank er Wasser, zudem klagte er über Frost. Nach einer kurzen Pause fragte er nach dem Zielort seiner Reise480. Im kursächsischen Baruth481, so die Antwort, werde er sich vorläufig aufhalten müssen. Weitzel und Treblin versuchten, Brumbey der Ursachen für diese Wegführung einsichtig zu machen, jedoch wußte er sein Predigtamt, seinen Unterricht und seine Betstunden frei von jeder zweifelnden Infragestellung zu verteidigen. Er betonte, daß er „nichts 472

Brumbey, Eigene Monita, 4. AaO 11 und 28 f. Die gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe seien im übrigen um so weniger ein hinreichender Grund zur Landesverweisung, als er ja bereits aus seinem Amt geschieden war „und die Gegner ihren Zweck hierin genugsam erreicht gehabt hätten, indem ich ihnen wich. Sie waren strafbar und gingen frey durch, und suchten die schwerste aller Strafen, die nur die verworfensten Bösewichter treffen kann, für mich auszuwürken.“ AaO 29. 474 Die Aktenmäßige Darstellung, 76 nahm sogar an dem Bart Anstoß. Brumbeys unrasiertes Gesicht freilich war nicht Ausdruck irgendwelcher Gelübde, sondern war schlicht die Folge der allein zu Hause verbrachten letzten Wochen, die es überflüssig gemacht hatten, einen Barbier in Anspruch zu nehmen. Brumbey, Eigene Monita, 22 f. 475 Der von Brumbey, Weitzel und Treblin unterzeichnete Bericht über die Nacht vom 9. auf den 10. Mai 1796 datierte vom 9. Mai gegen elf Uhr abends. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 476 Wenige Stunden zuvor hatte Eisenberg ein detailliertes Dekret verfaßt, das allen Beteiligten ihre Aufgabe zuwies. AaO unpag. 477 AaO unpag. 478 AaO unpag. 479 Der von Weitzel und Treblin unterschriebene Bericht über den Vollzug der königlichen Kabinettsordre datierte vom 10. Mai 1796. AaO unpag. 480 AaO unpag. 481 Baruth liegt ca. 40 km südlich von Berlin auf dem Wege nach Dresden. Gegen jede eigene Absicht und Neigung mußte Brumbey also in sein Geburtsland, Kursachsen, zurückkehren. 473

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als die reine Lehre Jesu vorgetragen habe“482 und niemandem – weder alten noch jungen Gemeindegliedern – durch ihn Schaden zugefügt worden sei. Es erschien ihm ungerecht, „wenn er ungehört das Opfer der Bosheit seyn solle“483, obwohl doch der König selbst die Betstunden gebilligt habe. Nicht also als Opfer des Woellnerschen Religionsedikts verstand sich Brumbey, sondern als Opfer böswilliger Intriganten, die in denunziatorischer Absicht sein Bemühen um die Verbreitung der Lehre Jesu verzerrt darstellten. Zumal seine Amtsbrüder Richter und Schultze erachtete er einmal mehr als Urheber seiner gegenwärtigen Situation. Er „wurde nun etwas heftig“484, schlug sich auf die Brust und sagte in einiger Erregung: „der Soldat schaut die auf ihm gerichtete Bombe nicht, und ich, als ein Diener des Herren, sollte mich für das, was Menschen mit mir vornehmen, schämen, Nein! ich glaube an meinem Gott, und wer gegen diesen Etwas sagt, mit dem will ich es aufnehmen! – ich leide unschuldig, dies wird die Zeit lehren! – ich werde das, was jetzt mit mir vorgeht, nicht auf mich nehmen, sondern das Verfahren, im Aus Lande laut offenbaren.“485 Dieser Ausruf verdeutlicht nachdrücklich Brumbeys Überzeugung, in göttlichem Auftrag zu handeln486. Eisenberg faßte zu Recht zusammen, daß er „seinen schwärmerischen Trotz bis auf den letzten Augenblick seines Hierseins behauptet hat“487. Noch vor Mitternacht waren von Weitzel und Treblin mit Brumbey in dessen Wohnung die persönlichen Angelegenheiten zu regeln488. Weitzel 482

GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. AaO unpag. 484 AaO unpag. 485 AaO unpag. 486 Dies gilt auch, wenn Brumbeys authentische Rede geringfügig von dem Zitat in Weitzels und Treblins Bericht unterschieden gewesen sein mag. 487 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 488 Auf die Frage hin, wen er um seiner Kinder willen zur Verwaltung seines Vermögens – seines Hauses und seiner Bibliothek – bestimmen wolle, „bis er im Stande seyn würde, seine Sachen zu arrangiren“, verwies er auf seinen Schwager, den ehemaligen Geheimen Oberrechnungsrat (in dem vom 10. Mai 1796 datierenden Brief an den König nannte Eisenberg – anders als in dem Aktenbericht – diese genaue Bezeichnung) Böttcher (in dem genannten Brief buchstabierte Eisenberg den Namen „Boettcher“), der seiner Vermutung nach gewiß bereit sei, dieser Aufgabe nachzukommen. Da er, Brumbey, momentan nicht selbst mit ihm Rücksprache halten könne, bitte er, daß sein Schwager „von Seiten der Obrigkeit […] ad interim“ zur Besorgung seiner Geschäfte bestellt werde. Bereits im Laufe des nächsten Tages, des 10. Mai, informierte Eisenberg dann Brumbeys Schwager. Wahrscheinlich hatte Brumbey durchaus mit seiner Wegführung aus Preußen gerechnet und seinen Schwager für die Vermögensverwaltung bereits ins Auge gefaßt. Auch die Betreuung der beiden neun- und siebenjährigen Kinder blieb in dem nächtlichen Gespräch zu regeln, da Brumbey inzwischen verwitwet war. Für diese Aufgabe nannte er – und dies wird ebenfalls kein spontaner Einfall gewesen sein – seine Schwägerin Demoiselle Lehmann. Im Aktenbericht wurde Demoiselle Lehmann als Brumbeys Tante bezeichnet. In Eisenbergs Dekret war ohne Namensnennung von einer Schwägerin die Rede, die bei Brumbey wohne. Diese beiden Personen sind aller 483

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und Treblin waren von Eisenberg außerdem angehalten worden489, dem ehemaligen Prediger in der mitternächtlichen Zusammenkunft seinen „bisher getriebene[n] Unfug ernstlichst vorzuhalten“490 und ihn besonders seiner „aufrührerischen Reden“491 tadelnd zu erinnern, die er nur kurz zuvor gegen Treblin gehalten hatte. Für die Zukunft wurde Brumbey ermahnt, sich außerhalb der preußischen Lande „ruhig zu verhalten“492 und in Preußen selbst vom Schreiben und Drucken Abstand zu nehmen, um nicht „sein bisheriges System“493 zu verbreiten. Auch seine Anhänger waren in die dringende Ermahnung einbezogen: Weder Brumbey selbst noch seine Gefolgsleute durften von nun an den König oder die königlichen Einrichtungen mit Eingaben belästigen. Falls Brumbey diese ihm mündlich mitgeteilten Verhaltensvorschriften nicht einhalte, werde er, schärften ihm Weitzel und Treblin nach Eisenbergs Vorgabe ein, „in jedem Staate, als ein Verbrecher gegen die öffentliche Ruhe und Sicherheit, welche er bisher schon mehrmahls, selbst bey der Ausübung Gottesdienstlicher Handlungen, gestöhret habe, nach der Strenge der Gesetze behandelt werden“494. Wahrscheinlichkeit nach identisch. Den Verwandtschaftsgrad gibt Eisenberg wohl zuverlässiger als der Aktenbericht an, so wie er auch in seinem Brief an den König den Beruf des zur Vermögensverwaltung bestimmten Schwagers genauer als der Aktenbericht angibt. Die fehlerhafte Verwandtschaftsbezeichnung im Aktenbericht ist wohl dadurch entstanden, daß Brumbey Demoiselle Lehmann als Tante – freilich im Hinblick auf seine Kinder – bezeichnet hat. Alle genannten Akten finden sich aaO unpag. 489 Übrigens kamen Weitzel und Treblin sämtlichen Anordnungen Eisenbergs in dessen Dekret (aaO unpag.) korrekt nach. 490 AaO unpag. 491 AaO unpag. 492 AaO unpag. 493 AaO unpag. 494 AaO unpag. So lautet identisch – mit geringen Abweichungen in Interpunktion und Graphematik – die Vorgabe in Eisenbergs Dekret aaO unpag. Zuletzt galt es, Brumbeys Bibliothekszimmer als Teil seines Vermögens der Sicherheit halber zu versiegeln. Brumbey jedoch kam dem Rat Weitzels und Treblins, seine gesamten Bücher in die Bibliothek zu schaffen, nicht nach, so daß alle Zimmer, in denen sich seine Bibliothek befand, verriegelt und versiegelt wurden, nachdem geprüft worden war, daß Feuer und Luft in diesen Räumen keine Schäden anrichten könnten. Obwohl er zur Verstärkung der Sicherheit neben das Polizeisiegel sein Privatsiegel hätte setzen können, verzichtete der ehemalige Prediger darauf: Er wolle, „so wie er gehe und stehe, wegreisen und seinem Gott alles überlaßen“. Diese Ergebenheit, die sich freilich bisweilen auch außerordentlich aktiv gestalten konnte, in göttliche Weltenlenkung war charakteristisch für Brumbey. Die wenigen übrigen Stuben waren für Demoiselle Lehmann und Brumbeys Kinder als zukünftiger Wohnraum bestimmt. Alle genannten Akten finden sich aaO unpag. Daß ein Pfarrer etliche Bücher besaß, gehörte zu den allgemeinen Voraussetzungen der Berufsausübung. Sogar im ALR war der Umgang mit diesem Besitz bei der Bestallung eines neuen Pfarrers in einer Gemeinde geregelt. ALR II 11 § 411 bestimmte: „An Orten, wo die Gemeine den Prediger zu holen schuldig ist, muß sie auch die zu seiner Familie gehörenden Personen, und was er an Kleidung, Wäsche, Hausrath, und Büchern mitbringt, herbeyführen.“ Im Entwurf des Allgemeinen Gesetzbuchs hatte es allgemeiner geheißen: AGB gedruckter

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Als Mitternacht nahe heranrückte, bat Brumbeys Schwägerin Demoiselle Lehmann den zur Abreise Gezwungenen, seine Kinder zu küssen. Brumbey verweigerte jedoch den väterlichen Abschiedsgruß: „dieser Abschied würde mich beunruhigen, und meine Kräfte schwächen.“495 Bevor er seine Wohnung verließ, bat er noch Demoiselle Lehmann, „beim Gebeth zu verharren, und auch seine Freunde hiezu aufzufordern“496. Der geistlichen Betreuung seiner Anhänger wußte er sich also auch noch im Abschied verpflichtet. Nachdem die mitternächtliche Stunde angebrochen war, wurde Brumbey schließlich aus seiner Wohnung am Dönhoffschen Platz geführt497. Die Wegführung und Abreise hatte Eisenberg sorgfältig unter genauer Beachtung eventuell entstehender Störungen geplant: Der Postillion mußte schleunigst den kürzesten Weg zum südlichen Stadttor – dem Halleschen Tor498 – nehmen, um jegliches öffentliche Aufmerken zu verhindern499. Tatsächlich ereignete sich Brumbeys Wegführung lautlos, so daß weder die Nachbarn noch die sonstige Bevölkerung die Polizeiaktion wahrnahmen500. Eisenberg hatte sogar selbst auf dem Dönhoffschen Platz ausgeharrt, „um jede Bewegung zu beobachten und den Auflauf zu verhüten“501. Er erachtete die Entfernung Brumbeys als „eine wahre Wohlthat“502 für Berlin: Nun sei zu erwarten, daß sich Brumbeys Anhänger wieder auf die „Liebe zur Ordnung und zur Beobachtung der gesezlichen Verfaßung“503 besinnen würden. Für Eisenberg als Polizeipräsidenten war allein die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung entscheidend. Daher betrieb er, bar jeden theologischen Interesses, Nachforschungen über die suspekten Konventikel, die auch ohne Brumbey nach dessen Demission und vor der Wegführung weiterhin im Hause des Bäckers Hoehl und in der Wohnung des Geheimen Sekretärs Heuer abgeEntwurf II 6 § 346: „Die Gemeine muß für die Abholung der zur Einweisung erforderlichen Personen, ingleichen des neuen Pfarrers, seiner Familie und Haabseeligkeiten sorgen“. GStA PK, I. HA, Rep. 84 Abt. XVI Nr. 7 Bd. 15, Bl. 38r. 495 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 496 AaO unpag. 497 AaO unpag. Der „Dähnhofsche Platz, diese schönste und lebhafteste Gegend auf der Friedrichs-Stadt, [sei] als die Grund-Lage und der Mittel-Punct anzusehen, von wo aus sich der Creyß ferner beschreibet“, hatte Brumbey 1794 beschrieben. Brumbey, Beschreibung der Sonn- und Fest-Tage, 14 f. 498 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 499 AaO unpag. Auch die Möglichkeit, daß Brumbey Widerstand gegen seine Wegführung leisten könnte, hatte Eisenberg bedacht. In diesem Fall sollte ihm zunächst Meldung gemacht und dann sogleich die gegenübergelegene Wache zur Unterstützung gerufen werden. Wieder ist die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, die „Vermeidung aller Störung“, das leitende Handlungsmotiv. 500 AaO unpag. 501 AaO unpag. 502 AaO unpag. 503 AaO unpag.

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halten worden waren504. Heuer, der mit seiner Ehefrau zum vorübergehenden Haupt der Anhänger Brumbeys avanciert war, hatte am vergangenen Sonntag vor etwa dreißig Zuhörern, zu denen auch Barneth zählte, während einer zweistündigen, von fünf bis sieben Uhr abends dauernden Versammlung eine Rede „über die jetzige Verfolgung der rechtgläubigen Christen“505 gehalten, wobei er mit den rechtgläubigen Christen selbstverständlich die Brumbeyianer meinte. Die selbstreferentielle Zielrichtung dieser Rede galt Eisenberg als nochmaliger „Beweis der unruhigen Gesinnungen dieser Sekte“506. Wegen der offenbaren Gefährdung der öffentlichen Ordnung sah sich Eisenberg verpflichtet, Woellner über diese Versammlung und weitere ähnliche Zusammenkünfte zu informieren. Woellner, der Brumbey und dessen Gesinnungsgenossen ohnehin inzwischen längst als der Obrigkeit gefährliche Subjekte betrachtet hatte und den König durch engagiertes Verhalten zufriedenzustellen trachtete, reagierte erwartungsgemäß scharf und versprach Eisenberg „den nachdrücklichsten Beistand“507, den dieser dankbar aufgriff. Auch zukünftig gedachte der Polizeipräsident, diesen „für die öffentliche Ruhe so gefährlichen Zusammenkünfte[n]“508 mit gespannter Wachsamkeit zu begegnen. Doch nicht allein im preußischen Berlin war Eisenberg um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung besorgt; auch in den nichtpreußischen Ländern suchte er eine „Meuterei“509 zu verhindern, indem er die jeweilige Obrigkeit der Aufenthaltsorte Brumbeys von dessen Beschaffenheit zu unterrichten plante. Für Baruth hatte Eisenberg über den Polizeikommissar Voigt, der Brumbey in das sächsische Städtchen begleiten und der dortigen Obrigkeit Kenntnis von „diesem gefährlichen Schwärmer“510 geben mußte, schon das Nötige veranlaßt. Brumbeys Fahrt nach Baruth, das auf dem Wege nach seiner Geburtsstadt Dresden lag, verlief reibungslos511. Bis Mittenwalde saß er ruhig und weitgehend schweigsam in der Postkutsche. Auf die Fragen seiner Begleiter, was er zukünftig tun wolle, antwortete er mit einer Geste pathetischer Gottergebenheit: Mit der Hand gen Himmel weisend äußerte er nur, „daß überall für 504 Weder Hoehl noch Heuer gehörten zu den Unterzeichnern der Bittschreiben vom 20. Februar (GStA PK, I. HA, Rep. 47, B 4 Fasz. 27, Bl. 34r–35r) und vom 1. Mai 1794 (aaO Bl. 52r–53v). Dies unterstreicht einmal mehr, daß Brumbey eine recht zahlreiche Anhängerschaft hatte, zu der keineswegs nur diejenigen gehörten, die namentlich Widerspruch einlegten. 505 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 506 AaO unpag. 507 AaO unpag. 508 AaO unpag. 509 AaO unpag. 510 AaO unpag. 511 Dies berichtete Eisenberg dem König am 14. Mai 1796. AaO unpag.

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ihn und seine Bedürfniße gesorgt sei“512. Da ihm jedoch keine unmittelbare Hilfe zuteil wurde, verfiel Brumbey bereits in Mittenwalde in Mutlosigkeit und griff auf Unterstützung zurück, die ihm der Polizeikommissar Voigt angeboten hatte. In Baruth angekommen wurde Brumbey im Posthaus abgewiesen, fand aber Unterkunft in einem anderen Wirtshaus. Brumbey, von seiner Unschuld und Verkündigungspflicht gleichermaßen überzeugt, beschloß, dort am ersten Pfingstfeiertag zu predigen. Dieses Vorhaben werde aber wohl, hoffte Eisenberg, von der dortigen Obrigkeit vereitelt werden. In Baruth wurde offenbar, daß weder Brumbeys Himmelsgeste in der Kutsche noch seine Inanspruchnahme der Hilfe Voigts seiner tatsächlichen, gegenwärtigen ökonomischen Situation entsprachen: Eine volle Geldbörse nämlich beförderte er zutage; als er sich vor dem Verlassen der Wohnung beharrlich geweigert hatte, Geld oder Wertsachen mitzunehmen, war er also bereits vorbereitet und von der Wegführung keineswegs überrascht gewesen. Eisenberg urteilte in seinem Rapport daher generalisierend, „daß auch dies nur bloße Heucheley so wie sein ganzes Wesen war“513. Brumbeys Vermögenslage war im übrigen komfortabler als diejenige anderer Prediger seiner Stellung, da er sein Gehalt nicht unerheblich durch Veröffentlichungen etlicher Schriften aufgebessert hatte, die von seinen Anhängern begierig gekauft wurden514. Da seine 512

AaO unpag. AaO unpag. 514 Mehrere dieser Schriften waren 1797 sogar schon vergriffen. Aktenmäßige Darstellung, 79. Zu den Schriften, die Brumbey unter seinen Anhängern verbreitete und die er größtenteils selbst geschrieben hatte, hieß es polemisch: „Voll von verworrenen, dunkeln und ganz unverständlichen Ideen, abgefaßt in heilig klingenden Ausdrücken, können sie auch nichts anders als eine unglückliche Verrückung des Verstandes hervorbringen, und nur kraftlose Menschen bilden, welche die Zeit, die sie dem Staate in nützlichen Beschäftigungen opfern sollten, in Andächteley und frömmelnden Seufzern hinbringen.“ AaO 112. Besonders schien unter Brumbeys Anhängern folgende Schrift geschätzt zu sein: „Besondere Eigenschaften eines gläubigen Christen, beschrieben von Francisco Bacon, Freiherrn von Verulam, Vicegrafen von St. Alban, und Groß-Kanzler von England. Aus dem Englischen übersetzt. 1795“. AaO 113. Einige Zitate aus dieser Schrift brachte die Aktenmäßige Darstellung, 114: „Ein Christ ist ein solcher, der Dinge glaubt, die seiner Vernunft unbegreiflich sind; der auf Dinge hofft, die er niemals gesehen, und der sich um etwas bearbeitet, wovon er weiß, daß er es nicht erhalten wird.“ „Er weiß, daß er theuer in den Augen Gottes sei, ob er gleich ekelhaft ist in seinen eigenen. Er getrauet auch sogar sich nicht zu rechtfertigen in den Dingen, worinn er sich keiner Fehler bewußt ist und glaubet gleichwohl, daß er Gott angenehm sey in solchen Pflichten, die er selbst als fehlerhaft erkennen muß. Er ist oft traurig, aber allezeit fröhlich.“ Wer der Autor dieser Schrift ist, steht nicht zweifelsfrei fest. Brumbey betonte noch 1799, daß tatsächlich Bacon der Verfasser sei. Brumbey, Eigene Monita, 29. Ironisch schrieb er über seine Widersacher: „[E]s kommt den Ungläubigen gar zu unbegreiflich vor; wie ein solcher Mann seinen Ruhm so beflecken, sich in die Reihe für verrückt ausgeschriener Schwärmer und Landes-Verräther stellen, und neben seinem freymüthigen Werke de augmentis scientiarum, das voll Tiefsinn und Gelehrsamkeit ist und Epoche gemacht hat, ein solches Zeugniß des Glaubens an göttliche Wahrheit hat ablegen können. Soll dies Dummheit, soll es Rebellion 513

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Anhänger zu größeren Teilen aus nicht besonders begüterten Volksschichten stammten, verband Eisenberg den Vorwurf unangemessener finanzieller Bereicherung mit einer moralischen Anklage habgieriger Ausbeuterei. In einem Verzeichnis, das Eisenberg in einem Manuskript Brumbeys aufgefunden hatte, waren die Namen derer aufgelistet, die den Kaufpreis für den von Brumbey besorgten Druck des Manuskripts gezahlt und zudem noch einen zusätzlichen Betrag – „als Steuer in die Bibel Caße, zum Behuf des geistlichen TempelBaues“515 – gegeben hatten. Unter den Spendern waren übrigens auch der Schuhmachermeister Barneth516 und die Ehefrau des Oberkonsistorialrats Silberschlag517. Brumbeys Anhänger rekrutierten sich also keineswegs ausschließlich aus ärmeren Kreisen. Wiewohl Brumbey ohne Zwischenfälle in Baruth abgeliefert werden konnte, war es dennoch notwendig, auf etwaige Unruhen seiner Anhängerschaft zu achten. Verschiedene Brumbeyianer, die nach der Wegführung von seinem Schicksal erfahren mußten, hatten ihm nachreisen wollen, um seine Exilierung nach Baruth zu verhindern518. Ihrem exilierten Führer blieben sie, entgegen Eisenbergs am 10. Mai geäußerter Hoffnung519, treu, und noch im September 1796 traten sie schriftlich für Brumbey ein520, obwohl für sie die Verhaftung zu befürchten stand521. 7. Die Wiederkehr nach Berlin Brumbey gedachte seine bleibende Entfernung aus Berlin nicht zu akzeptieren. Zwar bereitete er sich einige Beschäftigung – er schrieb zum Beispiel eine unveröffentlichte Abhandlung über Schwärmerei522 –, es zog ihn aber nach seyn? Was ist das für ein verworrenes, arges Ideen-Gemengsel jetziger Lehrer und Gelehrten! Was würden jene großen Männer, die, bey allem gelehrten Ruhm, sich nicht Christen zu seyn schämten, sagen, wenn sie jetzt aufstehen sollten?“ AaO 30. Die „Eigene[n] Monita“ Brumbeys sind übrigens ein außerordentlich selten erhaltenes Buch. Ein vollständiges Exemplar aus den Beständen der früheren Berliner Magistratsbibliothek findet sich nur in den Historischen Sammlungen der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Karl Walter kannte nur das Exemplar der Berliner Staatsbibliothek, in dem die letzten Seiten 29 und 30 fehlen. Walter, Karl Wilhelm Brumbey, 116–123, hier 120. Seit Brumbeys Zeiten sind jene Seiten des Buches bis jetzt nicht mehr beachtet worden. 515 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 516 Im Verhör 1796 betonte Barneth gegen Ende, daß er im Vorjahr der Kirche eine Decke mit Gold geschenkt habe. Aktenmäßige Darstellung, 67. 517 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 518 AaO unpag. 519 AaO unpag. 520 So Woellner an den König am 30. September 1796. AaO unpag. 521 AaO unpag. 522 Brumbey, Eigene Monita, 29. Das war in der bisherigen Forschung unbekannt.

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wie vor in seine Berliner Heimat523. Im September 1796 wollte er um seiner Kinder willen nach Berlin kommen, jedoch gab Woellner dem König zu bedenken, ob man die Kinder nicht nach Baruth schicken könne524. Am 26. Januar 1797, acht Monate nach seiner mitternächtlichen Fortführung, tauchte Brumbey schließlich abends doch in der preußischen Königsstadt wieder auf und widersetzte sich damit der königlichen Anordnung; auch in Kursachsen wollte man ihn inzwischen nicht mehr dulden, so daß er fortwährend von Ort zu Ort fliehen mußte525. Johann Philipp Eisenberg erfuhr am nächsten Tag von dem Berliner Besucher und schrieb sogleich – eigenhändig – aufgeregt dem König eine Notiz von dieser „Frechheit“526. Er ließ Brumbey vernehmen und außerdem durch einen Polizeidiener bewachen, damit der ehemalige Prediger gehindert würde, mit seinen Anhängern Kontakt aufnehmen zu können. Noch an demselben Tag folgte von Eisenberg ein ausführlicherer, die üblichen formalen Stilregeln aufweisender Brief an den König, in dem er seine gegen Brumbey ergriffenen Maßnahmen schilderte. Der Polizeipräsident hatte Brumbey vorgeworfen, daß dessen widersetzliches Betragen „doppelt strafbar“527 sei: Als Geistlicher müsse er den Gehorsam gegen die Obrigkeit gleichermaßen lehren und leben. Diese Argumentation Eisenbergs stand in völliger Übereinstimmung mit der landrechtlichen Inkorporation der Geistlichen in den Staatszweck, mißachtete jedoch, daß Brumbey demissioniert war. Brumbey ereiferte sich ob des Vorwurfs nicht, sondern bat lediglich um Gnade, die ihm Eisenberg in Form eines Reisepasses, mit dem er die Preußischen Staaten unauffällig hätte verlassen können, zuzugestehen gedachte. Wie gewohnt zeigte sich Brumbey jedoch stur. Nur unter Zwang werde er Berlin den Rücken kehren. Daraufhin bestellte Eisenberg einen Polizeidiener zur Bewachung Brumbeys, um – wie Eisenberg bereits in der ersten Notiz an den König berichtet hatte – ein Zusammentreffen mit dessen Anhängern zu vermeiden und um zudem „alles Aufsehen zu vermeiden“528. Diese schon nahezu stereotype Wendung529 zeigt wiederum, daß dem Polizeipräsidenten allein an dem Schutz der öffentlichen Ruhe und Ordnung gelegen war.

523 Die Aktenmäßige Darstellung, 77 berichtete „einer glaublichen Sage zufolge“, daß Brumbey in Kursachsen unter den dortigen Herrnhutern neue Anhänger gefunden habe. Brumbey jedoch bestritt 1799 die Existenz von Herrnhutern in Baruth. Brumbey, Eigene Monita, 23 f. 524 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. 525 AaO unpag. 526 AaO unpag. 527 AaO unpag. 528 AaO unpag. 529 Die Wendung „alles Aufsehen“ findet sich dreimal in dem Brief.

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Eisenberg bat daher den König um den Befehl, Brumbey zur Regelung seiner häuslichen Angelegenheiten einen Aufenthalt von acht Tagen in Berlin unter polizeilicher Aufsicht zu gewähren und ihn danach mit einem Reisepaß des Landes zu verweisen. Sollte er Widerstand leisten, werde er wie im Mai des vorangegangenen Jahres in aller Stille weggeführt werden. Friedrich Wilhelm II. bestätigte auf dem Briefrand eigenhändig, daß Brumbey in acht Tagen abreisen müsse, und betonte eigens, daß er „gut observirt werden“530 solle. 8. Die letzten Jahre Die Aufenthaltserlaubnis wurde jedoch auf unbestimmte Zeit verlängert, so daß Brumbey unter polizeilicher Aufsicht im Haus seines Schwagers Böttcher verbleiben konnte531. Nach einem dreiviertel Jahr wurde die Polizei der Aufsicht leid, und er bezog wieder eine eigene, schräg gegenüber dem Dönhoffschen Platz gelegene Wohnung in der Neuen Commendanten-Straße Nr. 34532. Allein das Predigtamt und ein entsprechendes Gehalt blieben ihm weiterhin verwehrt. Als Friedrich Wilhelm II. am 16. November 1797 starb und dessen Sohn den preußischen Königsthron bestieg, erwachte in Brumbey neue Hoffnung auf ein Amt. Im Februar 1798 brachte er vor den neuen König eine Beschwerde – nicht ein Gnadengesuch! –, die aber erfolglos verlief, da der König die Bestimmungen in Brumbeys Entlassungsurkunde als verbindlich erachtete533. Erst acht Jahre später, im Februar 1806, erfuhr Brumbey eine glückende Veränderung, als der König ihm auf Vorschlag des Oberkonsistoriums die Weiterzahlung der 150 Taler umfassenden Pension gewährte, die der am 10. Februar verstorbene Oberkonsistorialrat Woltersdorff als ehemaliges Mitglied der Geistlichen Immediat-Examinationskommission bezogen hatte534. Sogar zwei frühere Widersacher hatten sich nach einer Bittschrift Brumbeys an den König535 für den ehemaligen Prediger ausgesprochen: Schultze, nunmehr Inspektor und erster Prediger an der Jerusalemskirche, bezeugte ihm, daß er sich „eines stillen und nicht im mindesten anstößigen Lebenswandels beflißen“536 habe, und der Inspektor Küster hatte dies bereits zuvor bescheinigt537. 530

GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 D, unpag. Schwartz, Karl Wilhelm Brumbey, 23–28, hier 27. 532 v. Petersheiden, Neue Anschauliche Tabellen, 20. 533 Schwartz, Die beiden Opfer, II. Teil, 120. 534 Die Kabinettsordre an das Kurmärkische Oberkonsistorium datierte vom 18. März 1806. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 132r. 535 Am 11. Februar 1806 hatte sich Brumbey bittend an Friedrich Wilhelm III. gewandt. AaO Bl. 126r. 536 Dies schrieb Schultze am 11. Februar 1806. AaO Bl. 128r. 537 Küsters Bescheinigung datierte vom 8. Februar 1806. AaO Bl. 129r. 531

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Die preußische Verwaltungsstruktur und mithin auch die Ordnung der Gehälter änderte sich jedoch durch den im Herbst 1806 ausbrechenden Krieg erheblich. Eine derartige Pension, wie sie Brumbey erhalten hatte, wurde ganz abgeschafft. Brumbeys weiteres Schicksal war durch die Fürsprache des Oberkonsistorialrats Gottfried August Ludwig Hanstein bestimmt, der im August 1808 im Oberkonsistorium eine Untersuchung zu dessen Gunsten anregte538. Da Brumbeys ganzes Verhalten lediglich zeige, daß er „dem alten dogmatischen System der lutherischen Kirche, welches wir das orthodoxe nennen, mit aller Consequenz ergeben“539 sei, schlug Hanstein vor, ihn zu begnadigen und wieder mit einem Predigtamt zu betrauen, jedoch, da es dort immer noch viele Anhänger Brumbeys gab, nicht in Berlin, sondern in einer kleinen Landgemeinde, in der er überdies keine Kollegen für Streitigkeiten hätte540. Das Kanzelverbot, das in Brumbeys Entlassungsurkunde festgeschrieben war, wurde auf Berlin beschränkt, so daß die Sektion für Kultus im Ministerium des Innern beantragen konnte, Brumbey in einer vier bis fünf Meilen von Berlin entfernten kleinen Gemeinde unterzubringen. Friedrich Wilhelm III. gab diesem Antrag in einer Kabinettsordre vom 28. August 1810 nach541. Entgegen den Vorschriften vertrat Brumbey in den folgenden Jahren gelegentlich erkrankte Prediger in Berlin, freilich ohne daß er deswegen zur Rechenschaft gezogen worden wäre542. Er weigerte sich, zum Dienst einer Landgemeinde die Stadt zu verlassen, in der er nahezu sein ganzes Leben verbracht hatte543. 538 Das gab der Propst Hanstein in einem Bericht vom 17. Oktober 1809 an. AaO Bl. 137r–142r, hier 137r. 539 AaO Bl. 140v. 540 AaO Bl. 141v–142r. 541 AaO Bl. 164r [Abschrift]. 542 Als Brumbey jedoch am Weihnachtsfest 1810 eine Predigt eines geschwächten Berliner Predigers, der an den Feiertagen zwölf Kanzelvorträge zu halten hatte und dessen Frau überdies in dieser Zeit starb, übernehmen wollte (aaO Bl. 166r), verweigerte ihm das Departement für den Kultus und öffentlichen Unterricht im Ministerium des Innern am 18. Dezember 1810 die Predigterlaubnis in Berlin. AaO Bl. 167r. Trotz seiner kargen wirtschaftlichen Verhältnisse übernahm Brumbey immer noch selbst die Druckkosten, um auch weiterhin seine Gedanken der Öffentlichkeit mitteilen zu können. 1814 erschien „Der Christliche König. Ein versuchter Entwurff “. Brumbey blieb sich treu. Zwar erwähnte er in dieser kleinen Schrift Apg 5,29 an keiner Stelle, jedoch ist seine Beschreibung des Herrschers mit den früheren Äußerungen durchaus kompatibel: „Ein König ist ein menschlicher Ober-Herr, der über Menschen und über Christen herrscht. Seine Handlungen haben in vielen Dingen eine andere Norm, als den eigenen Willen und die äußere Macht. Seine Regierung und alles sein Ansehn muß immer geradezu das wahre Christenthum handhaben, und den größten HErrn vor Augen haben und im Herzen behalten, muß drum so angewendet werden, daß dabey jeder Zeit das heilige Verhältniß bleibt und beybehalten wird, worinn Christus mit seinem erwählten Volke, wie dieses mit seinem erwählten und verordneten Könige und HErrn steht.“ AaO 9. 543 Unter dem 23. Juli 1812 berichtete das Geistliche- und Schul-Departement, daß Brumbey gegenüber einem Mitglied ihres Kollegiums mündlich geäußert habe, keine Pfarrstelle au-

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Anfang 1818 schließlich bewilligte ihm Friedrich Wilhelm III., nachdem vom Ministerium des Innern die prekäre wirtschaftliche Lage des Predigers bestätigt worden war, einen Teil der Pension eines gerade verstorbenen Garnisonpredigers, um die Brumbey gebeten hatte544. Er starb am 6. Mai 1828 – vier Tage, bevor sich seine Wegführung aus Berlin zum zweiunddreißigsten Mal jährte – im zweiundsiebzigsten Jahr stehend545. Die Zeitläufte waren längst an ihm vorübergezogen.

ßerhalb Berlins zu wünschen. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 171r [Konzept]. Seine literarische Regsamkeit hatte sich Brumbey stets bewahrt: In demselben Jahr, 1817, veröffentlichte er zur Feier des Reformationstages ein neunzehnseitiges Schriftlein mit dem frommen Titel „Drittes Evangelisch-Protestantisches Kirchen-Jubiläum des von GOTT veranstalteten Reformations-Werkes durch D. Martinum Lutherum. Gefeyert im Jahre nach Christi Geburt 1817 und geschichtlich entworfen von Carl Wilhelm Brumbey, Prediger in Berlin“. Als Verlagsorte sind Berlin und Frankfurt an der Oder genannt. Das Büchlein begann mit einem vierseitigen Gedicht, das Luthers Wirken und Wirkung bis zum Augsburger Religionsfrieden 1555 schildern wollte. AaO 3–6. In die Schilderung Luthers ist Brumbeys eigener Glaubenseifer verwoben: „Im Krieg des HErrn führt er den Streit,/Nichts seinen Muth bezwingt; / Von List und Widersetzlichkeit/Den Gegnern nichts gelingt/Die Schrift des Pabsts er kühn verbrennt: / Zu Worms ihn Muth erhitzt,/Nicht widerruft, der treu bekennt / Und dann auf Wartburg sitzt.“ AaO 4. Auf den nachfolgenden Seiten fügte Brumbey zur „Erläuterung und Ergänzung“ einige „geschichtliche Angaben“ (aaO 7) bei, die recht zuverlässig sind und deren Ton im Vergleich zu Brumbeys sonstigem Stil ungewöhnlich nüchtern ist. Bemerkenswert ist, daß der offiziell mit Berliner Kanzelverbot Belegte ganz unbefangen seine gegenwärtige Tätigkeit benannte. Kein revolutionäres Aufbegehren war damit verbunden, vielmehr schloß Brumbey – der „Prediger in Berlin“ – sein Büchlein mit einem royalen Achtzeiler. „Muth, Brüder! faßt und seyd erfreut:/Die Kirche, wie den Staat, / Des Throns und Volks Selbständigkeit,/Uns GOtt erhalten hat;/Mit Frieden und Religion / Kehr’ Landes-Wohl zurück: / ‚Der König leb’!‘ – Im Jubel-Ton’/Ruft Ihm und Allen Glück.“ AaO 19. 544 Die vom 30. Dezember 1817 datierende, von Hecker konzipierte Empfehlung des Konsistoriums findet sich GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 657, Bl. 192r. 545 Walter, Karl Wilhelm Brumbey, 116–123, hier 123. Schwartz, Die beiden Opfer, II. Teil, 122 gibt als Todesjahr fälschlich 1826 an.

L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts Woellner war nicht nur bejahrt, sondern auch alt geworden. Als Chef des Geistlichen Departements und als Verfasser des Religionsedikts hatte er aus einer Mischung von Karrierekalkül, Staatsraison und wohl auch religiöser Überzeugung in den zurückliegenden Jahren einen Kampf gegen die Aufklärung gekämpft, in dem er zunehmend dem Wirken anderer ausgesetzt war.

I. Das nahende Ende der Herrschaft Als das Ende des kranken Königs langsam nahte1, war Woellner verzweifelt um die Gunst des Monarchen und um die Reputation in der Öffentlichkeit bemüht. Am 23. September 1796 schrieb er an Friedrich Wilhelm II.2: „Ich weiß es ja doch, daß AllerHöchstDieselben mich in der guten Sache gegen die Aufklärer stets mächtig unterstützen, und mich nie verlassen werden, obgleich die Neologen und meine übrigen Feinde, dem leichtgläubigen Publicum einbilden, daß ich seit einiger Zeit, gar keinen Rückhalt mehr hätte. Ich gehe aber meinen festen Schritt fort, und verlasse mich auf Gott, und auf meinen gnädigsten König.“ Friedrich Wilhelm II. notierte beruhigend: „Der gang ist recht und den halten Sie stets nur“. Es sei eine Lüge, daß er ihn gegen „die Religion und Christen feinde“ nicht unterstützen werde. Woellner solle sich stets auf diese Unterstützung verlassen und um so fester in seinem Gang bleiben3. Zwei Tage später, am 25. September, wandte sich Woellner wiederum an den Monarchen, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren4. Der König habe durch die Versicherung, ihn gegen die „Religions Feinde“ stets kräftig zu unterstützen, „eine große Freudigkeit in meiner Seele“ erweckt. Zwar habe er niemals daran gezweifelt, allein, da sich die Gerüchte zunehmend verbreitet 1 Zu den Krankheiten des Königs vgl. Hans-Joachim Neumann, Friedrich Wilhelm II. Preußen unter den Rosenkreuzern, Berlin 1997, 177–185. 2 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 13, Bl. 9r. 3 Jedoch war Woellner längst der Gunst des Königs verlustig gegangen. An Johann Friedrich Ritz hatte er zum Beispiel am 26. Mai 1796 geschrieben: „Ach, liebster bester Freund! nehmen Sie doch immer meine Parthie ich bitte Sie. Wenn der liebe König wüste wie treu ich diene, und wie lieb ich ihn habe; Er würde nicht mehr ungnädig auf mich alten armen Mann sein.“ GStA PK, BPH, Rep. 192, Nl Ritz, Abt. A, Nr. 2275, Bl. 25r. 4 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 13, Bl. 11r–11v [Konzept].

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hätten, gestand er offenherzig, daß er zu manchen Stunden sehr niedergeschlagen gewesen sei, „ohne jedoch die Hände sincken zu lassen“. Nun sah sich Woellner genötigt, bei jeder Gelegenheit sogleich „böse und zornig“ zu werden, damit man seine bisherige Sanftmut nicht für Furchtsamkeit halten könnte. Daher erging an alle zwölf Provinzialkommissionen ein scharfes Reskript, daß sie weit strenger als bislang verfahren und keinen Neologen beim Examen „durchschlüpfen“ lassen sollten. Woellner war gewiß, daß der König dieses Verfahren nicht mißbilligen werde. Als weitere verschärfende Maßnahme plante Woellner, das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 auch in Ansbach und Bayreuth publizieren zu lassen; auch gebe er sich alle Mühe, einen geschickten polnischen Übersetzer zu finden, um es den neuen Untertanen in Südpreußen in die Hände zu geben5. Unter dem 5. Oktober 1796 ergingen dann tatsächlich ein von Gottlob Friedrich Hillmer konzipiertes und von Woellner unterschriebenes Reskript an das Konsistorium zu Ansbach sowie ein gleichlautendes Reskript an das Konsistorium zu Bayreuth6. Sie erhielten jeweils 200 Exemplare des Religionsedikts mit dem Befehl, nicht nur sich selbst danach zu richten, sondern auch darauf zu achten, daß dem Inhalt dieses Edikts von allen ihnen untergeordneten Geistlichen und Schullehrern „aufs pünktlichste nachgelebt“ werde. Bereits am 26. September hatte der König handschriftlich für die geburtstäglichen Wünsche gedankt7. Im übrigen sei es „gut“, daß die Provinzialkommissionen beizeiten wieder „aufgewekt“ würden, damit deren nötige Aufmerksamkeit nicht einschlafe. Woellners ehemals lichte Machtfülle wurde immer häufiger von hellerem Licht verdunkelt. Am 19. November 1796 klagte er Johann Friedrich Ritz seinen Kummer: Es sei „so traurig“ für ihn, „daß ich selbst in meinen Departements Geschäfften kein Gehör mehr finde“8. Anfang 1797 bangte er um seine Logenplätze im Berliner Opernhaus. Am 11. Februar erwähnte er gegenüber Hans Rudolf v. Bischoffwerder, daß er die beiden Logenplätze nicht als Bauintendant, sondern für seine eigene Person erhalten habe. Das Hofbauamt 5 AaO Bl. 11v. Am 27. Dezember 1796 erstatteten Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker dem König pflichtmäßig Bericht über die wichtigsten Verhandlungen in den unter Woellners Vorsitz gehaltenen monatlichen Konferenzen. Die Publikation und Einführung des Religionsedikts vom 9. Juli 1788 waren in den fränkischen Markgrafentümern vom Geistlichen Departement verfügt worden. Außerdem war für die neuen süd- und ostpreußischen Provinzen eine lateinische und polnische Übersetzung des Edikts angefertigt worden. GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 A, Bl. 41r–42v. Woellner setzte sich durchaus für die polnische Sprache ein. Am 25. September 1797 ersuchte er den König, dem Berliner Professor Nathan Bucki, der eine „Polnische Grammatik“ verfaßt hatte, mit einer finanziellen Gratifikation zu Hilfe zu kommen. AaO Bl. 48r. 6 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 1, Bd. 38, unpag. 7 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 13, Bl. 10r. 8 GStA PK, BPH, Rep. 192, Nl Ritz, Abt. A, Nr. 2275, Bl. 27r.

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

und die Intendantur besäßen eine eigene Loge. Ohne die pompöse Demut, die er gegenüber dem König zeigte, schloß Woellner: „Bleiben Sie mein Freund. Ich bin ganz der Ihrige“9. Am 27. Februar 1797 schrieb Woellner in dieser Sache an Friedrich Wilhelm II.10 Als der König neun Jahre zuvor von ihm den inneren neuen Bau des Opernhauses hatte ausführen lassen, hatte er Woellner für dessen kränkliche Ehefrau eine eigene Loge gegeben. Der Geheime Rat Michael Philipp Boumann, dem dieser Bau als Architekt anvertraut worden war, hatte daher Woellners Namen an die Tür der Loge schreiben lassen. Bei den vergangenen „Fêten“ aber hatte der Baron Carl Friedrich v. d. Reck, ohne dies Woellner anzukündigen, dessen Namen ausstreichen lassen. Der Verlust der Loge schmerze ihn – bekannte Woellner dem Monarchen – weniger als die Ausstreichung „meines ehrlichen Nahmens“. Jedoch die Beschwerde verlief ergebnislos, da Friedrich Wilhelm II. nicht reagierte. Auch weiterhin war Woellner gegenüber dem König mit Blick auf Boumann und das Baudepartement um die nachträgliche Anerkennung seiner Arbeit bemüht. Unter dem 25. April 1797 übermittelte er Friedrich Wilhelm II. einen Bericht Andreas Jakob Heckers über die Gefahr, in der sich die Berliner Dreifaltigkeitskirche bei dem zwei Tage zuvor über der Hauptstadt hereingebrochenen Gewitter befunden hatte11: Für einen am 23. April um fünf Uhr nachmittags stattfindenden Gottesdienst war die Vorstellung und Prüfung der Katechumenen geplant worden. Trotz des starken Regens und des aufsteigenden Gewitters hatte sich eine zahlreiche Gemeinde versammelt. Nicht nur das Parterre, sondern sogar alle drei Choremporen waren mit Zuhörern angefüllt. Hecker selbst befand sich unmittelbar vor Beginn des Gottesdienstes in der Sakristei und hatte gerade dem Kantor ein Zeichen gegeben, mit dem Orgelspiel zu beginnen, als ein heftiger Blitz „durch die ganze Kirche“12 drang. Hecker hörte ein „Gezische“, andere, die nahe bei der Kirche wohnten, hatten „einen klingenden Schall“13 vernommen. Kurz darauf folgte „ein fürchterlicher lange tönender Donner“14. Kaum war er verklungen, erhob sich in der Kirche ein Geschrei: „Feuer! Der Blitz hat die Kirche gezündet.“15 Die Besucher stürzten von den Chören herunter, und auch unten gerieten alle in Bewegung, um aus der Kirche zu flüchten. Da die Menge den dadurch aufgewirbelten Staub für 9 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 C, Bl. 23r. Erst drei Wochen zuvor, am 18. Januar 1797, hatte Woellner inständig gebeten: „O bleiben Sie nur mein Freund!“ AaO Bl. 22r. 10 AaO Bl. 24r. 11 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 13, Bd. 3, Bl. 110r. Heckers Bericht vom 24. April 1797 findet sich aaO Bl. 111r–112v. 12 AaO Bl. 111r. 13 AaO Bl. 111r–111v. 14 AaO Bl. 111v. 15 Ebd.

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Rauch hielt, verstärkte sich der Tumult noch weiter. Hecker, zu dem sich die Katechumenen weinend in die Sakristei verkrochen hatten, schickte sogleich den Kirchenknecht auf den Turm, um dort alles zu untersuchen. Andere ließ Hecker außen um die Kirche gehen, damit sie den Turm auf Schäden überprüften. Aber niemand konnte Feuer oder Rauch bemerken. Also beruhigte Hecker die Kinder und Erwachsenen, die noch verängstigt in der Kirche zurückgeblieben waren, und nach einer Viertelstunde gelang es ihm16, die „Ruhe und Ordnung“17 wiederherzustellen und den Gottesdienst beginnen zu lassen. Als Hecker die Kirche um sieben Uhr abends verlassen wollte, stürzten einige Bürger, die in der Nachbarschaft der Kirche wohnten, herein und versicherten, daß aus dem Turm ein feiner Rauch aufsteige. Der Prediger Herzberg stieg in Begleitung mehrerer Kirchenbedienter und Bürger bis in die Turmspitze hinauf, konnte jedoch keine Beschädigung feststellen. Um der äußersten Vorsicht Genüge zu tun, ließ Hecker zwei Mann Nachtwache halten. Am darauffolgenden Tag erfuhr Hecker von „mehrern glaubwürdigen“ Männern, die ganz in der Nähe der Kirche wohnten18, daß bei dem Blitz ein „Feuer Klumpen“ auf die Kirche gefallen und wahrscheinlich durch den Blitzableiter in die Erde geleitet worden sei. Der königlichen Fürsorge durch die Anlage des Blitzableiters hätten die Kirche und die zahlreichen dort versammelten Menschen ihre Rettung zu verdanken19. Aus Heckers Darstellung gehe „der unläugbare Nutzen“20 der Blitzableiter hervor, die er selbst, Woellner, während seiner Bauintendantur in Berlin zu vervielfältigen bemüht gewesen war. Nun stellte er es dem König anheim, Boumann zu befehlen, „meinem Beispiel nachzufolgen“. Der König ließ sich tatsächlich überzeugen und notierte, daß er diesen Befehl erteilen werde21. In den letzten Lebensmonaten des Königs geriet Woellner in zunehmende Resignation. Bereits am 19. März 1797 hatte Woellner in einem Brief an Bischoffwerder die vergangenen Monate resümiert22. „Dieser Winter ist überhaupt sehr unglücklich für mich gewesen, doch ohne meine Schuld, das ist Gott bekannt. Es ist doch ein großer Trost für mich, daß wenigstens Ein redlicher Mann in der Welt ist der gütig gegen mich gesinnet ist, und mich bedauert. Hätten Sie mir helfen können – O! Sie hätten es gewis gethan. Leben Sie wohl! Ich küsse Sie in Gedancken, drücke Sie an mein redlich Hertz, und bin ewig, ewig Ganz der Ihrige“. 16

Ebd. AaO Bl. 112r. 18 Ebd. 19 AaO Bl. 112v. 20 AaO Bl. 110r. 21 Ebd. 22 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 C, Bl. 26r. 17

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

Als Woellner am 29. Mai 1797 gegenüber Friedrich Wilhelm II. nachdrücklich den betagten Konsistorialrat Carl Daniel Küster in Magdeburg lobte, verband er diese Empfehlung mit einer Klage über den allgemeinen Religionszustand23: „Wollte doch Gott! daß wir viele solcher vortreflichen VolcksLehrer im Lande hätten!“ Jeder der Feldprediger in der Armee möge ein Exemplar von Küsters Soldatenkatechismus erhalten, der „wegen des populairen Vortrags bei dem gemeinen Mann von vielem Nutzen“24 sein könne. Dies sei eine treffliche Gelegenheit, „um den Aufklärern von neuen zu beweisen, wie sehr es der ernste Wille“ des Königs „ist und bleibt, die reine wahre Christl. Religion bei jeder Volcks Classe aufrecht zu erhalten“25. Der König fand Gefallen an der Idee und erließ eine entsprechende Kabinettsordre, so daß Küster die erforderliche Anzahl an Exemplaren seines Soldatenkatechismus dem Feldpropst Johann Gottfried Kletschke zur Austeilung übersenden konnte. Wiederum betonte Woellner, der dem König am 29. Juli 1797 in dieser Sache berichtete, deren Nützlichkeit für die Religion und deren Stoßkraft gegen die Aufklärer: So klein auch die Geldsumme der Druckkosten sei, „so groß kann der Nutzen sein, der dadurch unter Gottes Seegen bewircket wird, und wenigstens erhalten die Aufklärer einen neuen Beweiß“, daß der König „die gute Sache nicht verlassen, und daß sie sich in ihrem Schadenfrohen Calcul sehr betrogen haben“26. Die bange Sorge, die Woellner zunehmend ob der kommenden Jahre bedrängte, fand einmal mehr in den Schlußsätzen Ausdruck: „Gott bringe AllerHöchstDieselben in der vollkommensten Gesundheit bald wieder zu Uns! Hierum bete ich und das ganze Land.“27 Am 23. Juli 1797 meldete sich Woellner von einem vierwöchigen Urlaub, aus dem er am Vortag wieder auf seinen Posten zurückgekehrt war, beim König zurück und legte ihm den „lebhaftesten und dehmüthigsten Danck“ zu Füßen28. Verbunden war der Dank „mit den heißesten Wünschen für die baldige völlige und gäntzliche Wiederherstellung der Uns Allen so theuren Gesundheit“ des Königs. Woellner fürchtete, auch wenn er dies nicht offen aussprechen konnte, um seine eigene Zukunft: „O! wie will ich Gott für den freudigen Augenblick dancken, wenn ich den besten LandesVater in völliger Munterkeit wiedersehen werde!“ 23 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 2, Bl. 45r. Am 19. Juli 1788 hatte anläßlich von Woellners Erhebung zum Etatsminister der Konsistorialrat Küster aus Magdeburg höchst erfreut geschrieben. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 26, Bl. 62r–63v. „Nun ist es möglich: daß Preußens Schulen und Canzeln das Muster der Nationen so werden, wie es das Militair bereits ist.“ AaO Bl. 62v. Ausdrücklich lobte Küster das Religionsedikt. 24 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 B, Bd. 2, Bl. 45r. 25 Ebd. 26 AaO Bl. 46r. 27 Ebd. 28 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 C, Bl. 27r.

II. Das Ende Friedrich Wilhelms II.

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II. Das Ende Friedrich Wilhelms II. Friedrich Wilhelm II. verbrachte seine letzten Lebensjahre größtenteils in dem auf königlichen Prunk verzichtenden Marmorpalais. Außerdem hatte er die nahe Potsdam gelegene Pfaueninsel gekauft, die er mit einem Schlößchen in Gestalt einer Burgruine bewohnbar machen ließ. Der Tagesablauf des Königs war gleichmäßig29: Jeden Tag wandte er sich fünf Stunden lang – mit Ausnahme des Dienstags, wenn die Kabinettsminister Rapport erstatteten – der Arbeit zu. Zwei Stunden widmete er sich der musizierenden königlichen Kapelle. In der verbleibenden Zeit las der König französische Werke, promenierte im Park des Marmorpalais und unterredete sich mit Gästen. Auch im Neuen Garten auf der Pfaueninsel unternahm er häufig, begleitet von zwei großen Hunden, Spaziergänge. Abends besuchte er oft Aufführungen der Komischen Oper in Potsdam. Gelegentliche außerplanmäßige Kurzweil boten Galadiners und Konzerte. Die Winterzeit freilich war im Gegensatz zum Rest des Jahres von überaus üppigen Festen in Berlin geprägt. Seiner Schwiegertochter Luise, der späteren Königin, war Friedrich Wilhelm II. herzlich zugetan. In Briefen an den Kronprinzen ließ er sie häufig grüßen und nahm an ihrem Gesundheitszustand Anteil30. Als der König den Eintritt in sein 52. Lebensjahr feierte, wurde taggenau am 25. September 1795 die Herbstausstellung der Akademie der Künste und der mechanischen Wissenschaften eröffnet. In der Mitte eines der Räume der Akademie der Künste prunkte das Prachtstück: Johann Gottfried Schadows Prinzessinnengruppe als Gipsmodell. Den Auftrag zu diesem Doppelstandbild hatte der renommierte Bildhauer nach den beiden Hochzeiten der Prinzessinnen Luise und Friederike v. Mecklenburg-Strelitz am 24. und 26. Dezember 1793 erhalten und vorzüglich umgesetzt. Den König beeindruckte das Gipsmodell derart nachhaltig, daß er den Künstler mit einer Marmorausführung beauftragte. Zwei Jahre später war das Werk zur Herbstausstellung 1797 fertiggestellt31. Allein die erhoffte 29 Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich des Großen bis zu den Freiheitskriegen, Bd. 2, Leipzig 1882, 298. 30 Am 15. Oktober 1795 beglückwünschte Friedrich Wilhelm II. den Kronprinzen zur Geburt von dessen Sohn. Am nächsten Tag werde er gegen elf Uhr morgens in Berlin sein. Er bat den Kronprinzen, ihm zu sagen, zu welcher Uhrzeit er die Prinzessin werde besuchen können, um „faire la conaissance de mon cher petit fils“. GStA PK, BPH, Rep. 48, J, Nr. 50, Bl. 46r. Im März 1797 beglückwünschte er den Kronprinzen und ließ Luise herzliche Wünsche ausrichten. AaO Bl. 55r. Galant schrieb der König an Luise: „Je Vous embrasse, et je baise les belles mains de la Princesse“. AaO Bl. 48r. Dieses undatierte Schreiben liegt zwischen Briefen vom Sommer 1795 und vom Sommer 1796. 31 Günter de Bruyn, Als Poesie gut. Schicksale aus Berlins Kunstepoche 1786 bis 1807, Frankfurt a. M. 2006, 48–51.

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

Anerkennung blieb aus, da Friedrich Wilhelm II. nur wenige Wochen nach Beendigung der Ausstellung starb und sein Sohn, der nunmehrige Friedrich Wilhelm III., seinen sinnlichen Geschmack nicht goutierte32. Seit 1794 wurde der Gesundheitszustand des massiv übergewichtigen Königs zunehmend instabil. Hatten ihn bereits die Aufregungen der französischen und polnischen Feldzüge sehr mitgenommen, so waren sein ausschweifendes Leben und die ungesunde Ernährung um so schädlicher für seine Gesundheit. Auch die Wassersucht, die schon seinen Vater Friedrich Wilhelm I. aufs Sterbebett gebracht hatte, kam nun hinzu33. Im Sommer 1796 reiste der König nach Pyrmont und erhoffte von den dortigen Heilquellen eine Besserung seines desolaten Zustandes34. Tatsächlich trat die erwünschte Wirkung ein. Jedoch bereits im Frühjahr 1797 vermehrten sich die Leiden wieder. Trotz des dringenden Rates der Ärzte zu strikter Ruhe begab er sich noch einmal nach Pyrmont, um dort durch zahlreiche Feste – die Heilquellen spielten nur noch eine untergeordnete Rolle – im Kreise seiner Familie, vieler deutscher Fürsten und Prinzen sowie anderer Persönlichkeiten Ablenkung von den Schmerzen zu finden35. Die Pyrmonter Kur verschaffte dem König nur eine kurzfristige Linderung seiner Leiden, die nach der Rückkehr ins Marmorpalais in aller quälenden Heftigkeit wieder ihre angestammte Herrschaft beanspruchten36. Da er kaum noch gehen konnte, zog er sich ganz ins Palais zurück, wo er nur mit der Gräfin Lichtenau, mit Bischoffwerder und Heinrich Christian Curt Graf v. Haugwitz sowie nachmittags und abends mit einigen französischen Günstlingen Umgang pflegte37. Des Königs Gesundheit verschlechterte sich zusehends. Woellner suchte ihn am 14. September 1797 vom Nutzen einer Weinkur mit 200jährigem Wein zu überzeugen. Der König möge acht Tage lang abends beim Zubettgehen „ein gutes Spitz Glaß“38 und beim Mittagessen zwei solcher Gläser trinken. „Nichts auf der Welt ist im Stande einem sonst völlig gesunden Körper, die verlohrnen Kräffte wieder zu geben, als ein solcher Wein, darinn alles Natur Feuer 32 Heute befindet sich die Prinzessinnengruppe in Berlin als Marmorstandbild in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel und als Gipsmodell in der Friedrichswerderschen Kirche. Eine weitere Ausführung schmückt das Treppenhaus des legendären, 1997 neu eröffneten „Hotel Adlon“ am Pariser Platz. 33 Philippson, Geschichte, Bd. 2, 299. 34 Zum Sterben und zum Tod Friedrich Wilhelms II. aus medizinhistorischer Perspektive vgl. auch Neumann, Friedrich Wilhelm II., 186–203. 35 Am 16. Juli 1797 bezeugte Friedrich Wilhelm II. dem Kronprinzen brieflich seine große Freude über dessen geplante Reise nach Pyrmont. Er hoffte, daß sein Sohn und Luise bald kämen; ein Quartier hatte der König bereits organisiert. GStA PK, BPH, Rep. 48, J, Nr. 50, Bl. 59r. 36 Philippson, Geschichte, Bd. 2, 301 f. 37 AaO 302. 38 GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 C, Bl. 28r.

II. Das Ende Friedrich Wilhelms II.

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concentriret ist.“39 Der Wein würde nicht erhitzen, wenn der König vormittags viel Obst äße und nachmittags reichlich Wasser tränke. Woellner hatte auch die Gräfin Lichtenau gebeten, dem König den alten Wein als Medizin zu empfehlen. Diese „vortrefliche Frau gäbe wohl gern ihr Leben“ für die Gesundheit des Königs hin. „Ach! gnädigster liebster König! folgen Sie Uns doch! Nur auf 8 Tage zur Probe, und dann werden AllerHöchstDieselben schon von Selbst continuiren, weil die guten Folgen nicht ausbleiben werden.“40 Aber auch dieser Vorschlag nützte nichts. Am 17. September wandte sich Friedrich Wilhelm II. aus Potsdam an den Kronprinzen41. Der Brief war von fremder Hand geschrieben, nur die Unterschrift konnte der geschwächte Monarch noch eigenhändig dazusetzen. Anläßlich seines 53. Geburtstages am 25. September hielt sich der König zum letzten Mal in Berlin auf. Am 3. Oktober verbesserte sich der Zustand des Königs für wenige Tage, nachdem der Obersanitätsrat und Professor Sigismund Friedrich Hermbstädt die Behandlung übernommen und den Sauerstoffgehalt im Krankenzimmer des Königs erhöht hatte. Seit dem 10. Oktober schwanden die Kräfte zunehmend, oft war der König von Ohnmachten umfangen. Einige Male ließ Bischoffwerder die Königin und die Kinder den Vater besuchen. Auch die Schwiegertöchter erschienen. Seit Ende Oktober war der König wieder bei voller Besinnung und mußte die peinigenden Schmerzen ertragen42. Bischoffwerder blieb in der Nähe. Am 14. November schrieb er, daß er am Morgen desselben Tages bereits um acht Uhr gerufen worden war43. Der Puls des Königs werde immer schwächer. Einen Tag später notierte Bischoffwerder, daß seit der vorigen Nacht der Husten, die Atembeschwerden und die Entkräftung derart heftig zugenommen hätten, daß die Ärzte Friedrich Wilhelm II. nur noch vier Tage zu leben gäben44. Das Bewußtsein des Königs sei vollkommen klar, und der Sterbende beobachte mit großer Standhaftigkeit die Abnahme seiner Lebenskräfte. Gegen vier Uhr nachmittags am 15. November besuchten ihn seine Ehefrau und der Kronprinz45. Die letzte Nacht war sehr unruhig, da er nicht mehr schlafen konnte und die Beklemmung immer stärker zunahm. Um ein Uhr morgens stand er auf, ließ sich ankleiden und nahm auf dem Sofa ein Frühstück 39

Ebd. Ebd. Die Beschaffung des Weins stelle kein Problem dar: Woellner hielt es für möglich, daß Bischoffwerder solchen Wein besaß; sollte dies nicht zutreffen, hatte er ihm aber immerhin einen Ort genannt, an dem er 200jährigen Wein besorgen könne. 41 GStA PK, BPH, Rep. 48, J, Nr. 50, Bl. 62r. 42 Philippson, Geschichte, Bd. 2, 304. 43 GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 3, Bl. 48r. 44 AaO Bl. 49r. 45 GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 2, Bl. 8v. 40

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

zu sich. Gegen vier Uhr verlor er das Bewußtsein, das aber wiederkehrte. Nach einem Augenblick, in dem er fast erstickt wäre, hob er beide Arme empor, um leichter Atem schöpfen zu können, und sagte: „der Tod ist doch bitter!“46. Die Beklemmung und die Bewußtlosigkeit verstärkten sich. Um 8 Uhr und 58 Minuten starb er in Anwesenheit seiner Generaladjutanten, des Generalleutnants v. Bischoffwerder47 und des Obersten Friedrich Wilhelm Christian v. Zastrow, des Leibarztes Christian Gottlieb Selle, des Generalchirurgus Johannes Görke, des Geheimen Kämmerers Johann Friedrich Ritz und zweier Kammerdiener48. Die Gräfin Lichtenau hatte dem König in der Todesstunde nicht beistehen können, da sie, als sich der sehr baldige Tod ankündigte, in ihrer Wohnung mit der falschen Meldung zurückgehalten worden war, daß der König schliefe. Sie insistierte darauf, zum König zu kommen, „allein, man ließ mich nicht“. Am nächsten Tag, frühmorgens, eben als sie im Begriff war, in das Palais zu gehen, wurde ihr gemeldet, daß der König „ausgelitten“ habe. Ohnmächtig sank sie 46

Ebd. In amtlichen Schreiben ist Bischoffwerders Name meistens „Bischofswerder“ buchstabiert. 48 „Keiner seiner frommen Freunde hatte es für angemessen gehalten, während seiner langen Krankheit ihm die Tröstungen eines mystischen Glaubens zu bringen.“ So endet apodiktisch Philippson, Geschichte, Bd. 2, 304. Für die Öffentlichkeit erschienen als außerordentliche Beilage zu dem 148. Stück der Berlinischen Zeitung im Verlag der Vossischen Buchhandlung unter dem 14. Dezember 1797 Mitteilungen „Ueber die Krankheit und den Tod Sr. Majestät des Hochseligen Königs Friedrich Wilhelms II; nebst einer Erinnerung an einige der Wohlthaten, welche der verewigte König Seinem Lande erwiesen hat, und einer kurzen Nachricht von dem Regierungsantritt Sr. jetzt regierenden Majestät Friedrich Wilhelms III.“ GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 2, Bl. 7r–9v. Der König, der von Jugend auf nie ernsthaft krank gewesen sei, habe durch die Feldzüge, in denen er alle Beschwerlichkeiten mit seinem Heer teilte, gelitten. Bereits 1796 habe er eine Abnahme seiner Kräfte gefühlt und daher den Pyrmonter Brunnen genutzt. Vielleicht hätte ihn die Kunst der Ärzte gänzlich wiederhergestellt, wenn nicht am Ende des vorangegangenen Jahres der Gram über den Tod seines Sohnes Ludwig (der am 5. November 1773 geborene Prinz Friedrich Ludewig Karl war am 28. Dezember 1796 gestorben; die Akten zu dessen Trauerfeierlichkeiten und dem Leichenbegängnis finden sich GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 809, Bl. 1r–7r und 29r–131r; das Reglement für das Leichenbegängnis bestimmte, daß die Beisetzungsfeierlichkeiten am 10. Januar 1797 morgens um zehn Uhr beginnen sollten; aaO Bl. 70r–73v) und wenig später über den Tod der Königin Majestät (die am 8. November 1715 als Prinzessin v. Braunschweig-Bevern geborene Gemahlin Friedrichs II., Königin Elisabeth Christine, war am 13. Januar 1797 gestorben; die Akten zur Anordnung der Hoftrauer und zur Beisetzung finden sich GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 810, Bl. 1r–63r) seine Gesundheit sehr geschwächt hätte. Von nun an hatte seine Gesundheit sichtbar abgenommen. Auch die schöne Witterung des Frühjahrs, das der König größtenteils in dem Neuen Garten bei Potsdam verbracht hatte, stellte ihn nicht wieder her. Daher ging er nochmals zur Kur nach Pyrmont. Nun wurde aus dem Journal des Luxus und der Moden zitiert: Der König trug gewöhnlich einen kurzen englischen Überrock aus blauem Tuch, gelbe Pantalons und einen runden Hut. Morgens trank er entweder in der Allee oder in seinem Logis das Brunnenwasser. 47

III. Die Trauerfeierlichkeiten für Friedrich Wilhelm II.

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nieder. Kaum war sie wieder bei Besinnung, kündigten ihr v. Zastrow und der Major Friedrich Heinrich v. Kleist im Namen des neuen Königs Arrest an49.

III. Die Trauerfeierlichkeiten für Friedrich Wilhelm II. Am 17. November 1797 ersuchten Karl Wilhelm Graf Finck v. Finckenstein und Philipp Carl Graf v. Alvensleben das Geistliche Departement, wegen der sofortigen Abkündigung des Todes des Königs und wegen der erforderlichen Abänderung des Kirchengebets das Notwendige zu verfügen50. Woellner erhielt das Schriftstück bereits um zehn Uhr vormittags51. An demselben Tag erging ein von Woellner – als Chef des Geistlichen Departements für lutherische und katholische Angelegenheiten – und Friedrich Wilhelm v. Thulemeyer – als Chef des Geistlichen Departements für reformierte Angelegenheiten – unterschriebenes Circulare an alle Konsistorien52. Die Konsistorien sollten verfügen, daß in allen ihnen unterstehenden Kirchen der jeweiligen Provinz mit dem beigelegten Formular53, nach dem Friedrich Wilhelm II. „mit großer Leutseligkeit und Milde“ regiert und die „Glückseligkeit“54 seiner Länder von ganzem Herzen gewollt und befördert habe, der Tod des Königs von den Kanzeln herab bekanntgemacht werde. Alle öffentliche Musik, also auch die Orgel in der Kirche, sollte acht Tage lang verstummen. Das Kirchengebet sollte nach einem beigelegten Entwurf 55 eingerichtet werden56. 49 Dies berichtete die Gräfin Lichtenau am 2. November 1810, als sie an eine „Excellenz“ schrieb (GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 91, Bl. 78r–78v und 97r) und eine Beschreibung ihrer Geschichte beilegte. AaO Bl. 79r–96r, hier 84r. 50 GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 8, Bl. 1r. 51 An demselben Tag teilte Thulemeyer Woellner mit, daß er dem Hofprediger Sack aufgetragen habe, das bei dem Tod der Könige gewöhnliche Gebet zu projektieren. AaO Bl. 2r. 52 AaO Bl. 3r–3v [Konzept]. 53 Ein Exemplar des gedruckten Formulars findet sich aaO Bl. 7r–8r. Zum Bedauern „aller Rechtschaffenen im Lande“ habe sich der friedliebende, sanfte und gütige König „mitten in dem Laufe einer beglückten Regierung“ dem allgemeinen Schicksal der Menschen unterwerfen müssen. AaO Bl. 7r. Friedrich Wilhelm II. sei seit beinahe einem Jahr von einer Kränklichkeit befallen gewesen, die während der „traurigen“ Ereignisse des vergangenen Winters merklicher geworden sei und dann „mit unwiderstehlicher Gewalt“ seine sonst so feste Gesundheit zerrüttet habe. AaO Bl. 7v. Es schloß sich ein Dank an Gott an, daß er in Friedrich Wilhelm III. „einen so tröstenden Ersatz unseres Verlustes“ gebe. Ebd. Gott möge den neuen König segnen. AaO Bl. 8r. 54 AaO Bl. 7v. 55 Ein Exemplar des gedruckten Kirchengebets findet sich aaO Bl. 8v. Das Formular und das Kirchengebet gehörten als Doppelblatt zusammen. Weitere Exemplare finden sich GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 12, Bl. 1r–2v und 3r–4v und 5r–6v sowie GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 2, Bl. 31r–32v und 33r–34v. 56 GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 8, Bl. 3r.

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

Unter dem 18. November 1797 teilten Woellner und Thulemeyer dem Departement der Auswärtigen Angelegenheiten mit, daß sie das Nötige verfügt hätten57. In Berlin und Potsdam würden die Abkündigung des Todes und die Änderung des Kirchengebets58 bereits am kommenden Tag erfolgen, während dies in den anderen Städten und auf dem platten Land wegen der Kürze der Zeit erst am nächsten Sonntag geschehen könne. Nun mußte ein Termin für die Bestattungsfeierlichkeiten gefunden werden. Unter dem 22. November 1797 teilten Finckenstein, Alvensleben und Haugwitz dem Geistlichen Departement mit, daß Friedrich Wilhelm III. das Leichenbegängnis für seinen Vater auf den 15. Dezember festgesetzt habe59. Am darauffolgenden Sonntag, am 17. Dezember, sollte in Berlin und Potsdam und bald darauf auch in den Provinzen eine Leichenpredigt gehalten werden, für die das Geistliche Departement einen geeigneten Predigttext auswählen lassen sollte. Unter dem 25. November 1797 erging dann ein Circulare an alle Konsistorien60. Als Predigttext waren die Worte „Ehre, dem die Ehre gebühret“ aus Röm 13,7 zu wählen. Der Schreiber Kraatz sen. arbeitete sorgfältig und notierte fragend am 30. November, als er die Circularia zur Unterschrift vorlegte, daß darin der 15. Dezember zur Feier des Leichenbegängnisses, in den Zeitungen vom gegenwärtigen Tag jedoch von Julius Eberhard Wilhelm Ernst v. Massow der 11. Dezember angegeben sei61. Einen Tag später bestätigte Thulemeyer, daß der 11. Dezember der zutreffende Tag war62.

57 AaO Bl. 5r. Woellner selbst hatte nur geschrieben, daß „Citissime“ ein Anschreiben an das Auswärtige Departement ergehen und ihm gemeldet werden solle, daß alles nach dem Inhalt des Anschreibens vom 17. November 1797 besorgt werden würde. AaO Bl. 4r. Auch die jüdische Gemeinde in Berlin hatte Woellner beim Tod des Königs im Blick. Am 22. November schrieb er, daß „Citissime“ ein Exemplar von dem Formular der Bekanntmachung des Todes Friedrich Wilhelms II. und des abgeänderten Kirchengebets an die Obervorsteher der jüdischen Gemeinde in Berlin geschickt werden solle, damit sie davon sowohl ihrerseits als auch in den übrigen jüdischen Gemeinden im Land „nach Beschaffenheit ihres Gottesdienstes“ angemessenen Gebrauch mache. AaO Bl. 6r [Konzept]. 58 In dem gewöhnlichen Kirchengebet war die Fürbitte für das königliche Haus zukünftig mit folgendem Text einzurichten: „Fürnehmlich laß deine Barmherzigkeit groß werden über unsern Allergnädigsten König und Herrn; über die Königin seine Gemahlin; über die verwittwete Königin; über den Kronprinzen und sämmtliche Königliche Prinzen und Prinzeßinnen, und Alle, die dem Königlichen Hause anverwandt und zugethan sind.“ AaO Bl. 8v. 59 AaO Bl. 11r. 60 Woellner hatte dies am 25. November konzipiert. AaO Bl. 12r und 5r [Konzept]. 61 AaO Bl. 13r. Friedrich Wilhelm III. hatte am Abend des 28. November 1797 für das Leichenbegängnis Montag, den 11. Dezember festgelegt. GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 12, Bl. 27r. 62 GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 8, Bl. 13r.

III. Die Trauerfeierlichkeiten für Friedrich Wilhelm II.

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Das Leichenbegängnis begann morgens um zehn Uhr63 bei günstiger Witterung. Vor Beginn der Feierlichkeiten blickte die Sonne durch die Wolken hervor, und als der Leichenzug seinen Weg nahm, bewölkte sich der Himmel, doch es regnete nicht64. In dem riesigen Leichenzug ging auch Woellner mit, der zu den acht Personen gehörte, die die Reichsinsignien trugen. Er selbst trug die Preußische Ordenskette, v. Alvensleben das Kurschwert und der Großkanzler Heinrich Julius v. Goldbeck den Kurhut65. Die acht nahmen in der Kirche in zwei Viererreihen an den beiden Längsseiten des Sarges Aufstellung66. Ganz Berlin trauerte: Die Kaufmannsläden blieben am Vormittag geschlossen, und das Theater gab keine Vorstellung. Gegen zwölf Uhr mittags war das Leichenbegängnis beendet67. 63 Die gedruckte „Beschreibung des Parade-Trauer-Zimmers und Leichenbegängnisses Sr. Hochseeligen Majestät, Friedrich Wilhelms des Zweiten Königs von Preussen, so zu Berlin gehalten werden soll“ findet sich GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 9, Bl. 1r–2v. Das gedruckte, vom 3. Dezember 1797 datierende „Reglement zu dem Leichenbegängnisse Sr. Hochseeligen Majestät, Friedrich Wilhelms II. Königs von Preussen, so zu Berlin gehalten werden soll“ findet sich dreimal aaO Bl. 3r–8v sowie 9r–14v und 15r–20v. Ein weiteres gedrucktes, handschriftlich abgeändertes Exemplar findet sich aaO Bl. 21r–26v. Weitere gedruckte Exemplare finden sich GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 12, Bl. 39r–44v und 45r–50v sowie 51r–56v und GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 13 a, Bl. 1r–6v und GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 811, Bl. 2r–7v. Die von Friedrich Wilhelm III. und v. Massow unterschriebene Vorlage von Schreiberhand findet sich aaO Bl. 116r–125v. Vom 11. Dezember 1797 datierte die gedruckte „Beschreibung des feyerlichen Leichenbegängnisses König Friedrich Wilhelm des II. von Preußen“, die sogar drei erklärende Kupfertafeln enthielt. GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 12, Bl. 61r–83r und ein weiteres Exemplar GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 811, Bl. 299r–321r. Eine gedruckte „Ausführliche Nachricht von dem feierlichen Leichenbegängnisse Sr. Majestät des Hochseligen Königs Friedrich Wilhelms II von Preußen; nebst einer kurzen Beschreibung des Trauer-Paradezimmers auf dem Königl. Schlosse, und einer sehr treuen von den Verzierungen in der Domkirche“ findet sich GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 12, Bl. 7r–12r. 64 AaO Bl. 7r–12r, hier 12r. 65 AaO Bl. 76r. Andere Angaben finden sich aaO Bl. 8r. Woellner trug das Reichsinsiegel, Alvensleben den Kurhut, Goldbeck die goldene Ordenskette des Schwarzen Adlerordens. Carl August v. Struensee war als erster, der das Kurschwert trug, hinzugekommen. Unter dem 30. November 1797 hatten Finckenstein, Alvensleben und Haugwitz eine wiederum andere Reihenfolge vorgeschlagen. GStA PK, I. HA, Rep. 36, Nr. 811, Bl. 74r–74v. Woellner sollte als Letztgenannter das Kurschwert tragen. Finckenstein sollte als erster die königliche Krone tragen. 66 Eine gezeichnete Aufstellungsordnung findet sich aaO Bl. 132r und nochmals aaO Bl. 286v. Dort ist Woellner als Träger der Ordenskette verzeichnet. Der Oberst v. Zastrow und Bischoffwerder standen zu beiden Seiten des Kopfes am Sarg. Wenige Tage zuvor hatte Friedrich Wilhelm III., meldete am 21. November 1797 die Berlinische Zeitung, Bischoffwerder den Schwarzen Adlerorden verliehen. AaO Bl. 23r. Am 3. Januar 1798 wurde Bischoffwerder mit Aussetzung einer Pension entlassen. Er starb am 30. Oktober 1803. Johannes Schultze, Hans Rudolf von Bischoffwerder, in: Ders., Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte. Ausgewählte Aufsätze. Mit einem Vorwort von Wilhelm Berges, Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 13, Berlin 1964, 266–286, hier 282 f. 67 GStA PK, BPH, Rep. 48, K, Nr. 12, Bl. 7r–12r, hier 12r.

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

IV. Die beginnende Regierung Friedrich Wilhelms III. Eine Woche nach seines Förderers Tod wußte Woellner noch zu seinen Gunsten eine Kabinettsordre des königlichen Nachfolgers zu nutzen: Friedrich Wilhelm III. hatte am 23. November 1797 eine Ordre „wegen Wegschaffung der physisch und moralisch untauglichen Subjekte“68 aus dem Staatsdienst erlassen69. Alle Departements, Kammern und Regierungen wurden aufgefordert, eine Liste einzureichen, in der „in kurzem die Ursachen der physischen oder moralischen Untauglichkeit“70 der Staatsbediensteten vermerkt werden sollten. Moralisch ganz unbrauchbare Subjekte, die niedrige Interessen verfolgten oder träge seien, müßten sofort entlassen werden, während physisch ganz unbrauchbare Subjekte mit einer mäßigen Pension verabschiedet werden sollten71. Friedrich Wilhelm III. war zuversichtlich: „Wenn dieser Gang einmal recht eingeführt, so wird, wie ich hoffe und mit Gottes Hülfe, das Ganze gehörig zusammengehalten und verwaltet werden können.“72 Woellner nun, dem die Aufgabe oblag, die Kabinettsordre an die Provinzialkonsistorien weiterzuleiten, verband diesen Verwaltungsvorgang mit einer neuerlichen Ermahnung der geistlichen Behörden, im Sinne des Religionsedikts genauestens auf etwaige Lehrpflichtsverletzungen der Geistlichen zu achten. Unter dem 5. Dezember 1797 erging an alle Konsistorialpräsidenten in sämtlichen preußischen Provinzen ein Circulare, dem abschriftlich die Kabinettsordre vom 23. November beigelegt war73. Die Konsistorialpräsidenten erhielten den Befehl, alle ihnen unterstehenden geistlichen Behörden – die Superintendenten, Erzpriester und Inspektoren – mit verdoppelter Aufmerksamkeit zu ihrer Pflicht anzuhalten, damit die ihrer besonderen Aufsicht anvertrauten Prediger und Schullehrer „genauer, wie bisher an vielen Orten vielleicht nicht geschehen, dahin beobachtet werden: Ob selbige nicht nur die Religion, nach der Vorschrift des Religions-Edicts, rein und lauter lehren, sondern auch bei ihrem Amte in Kirchen und Schulen nicht nachlässig sind, dabei aber einen unsträflich moralisch guten Wandel führen, weil 68

NCC 10, Verordnungen von 1798, Nr. 2, Sp. 1529–1534. Diese an das Geheime Staatsministerium erlassene und vom Chef der Justiz dem Kammergerichtspräsidium zugefertigte Kabinettsordre vom 23. November 1797 findet sich abgedruckt als Anhang eines „Circulare, wegen gehöriger Besetzung und pflichtmäßiger Verwaltung der Staatsbedienungen, nebst Allerhöchsten Cabinetsordre vom 23sten November 1797. De Dato Berlin, den 16. Januar 1798“. AaO Sp. 1529 f. Zur Regierungszeit Friedrich Wilhelms III. vgl. Thomas Stamm-Kuhlmann, König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm III. der Melancholiker auf dem Thron, Berlin 1992, 129–581. 70 NCC 10, Verordnungen von 1798, Nr. 2, Sp. 1531. 71 Ebd. 72 AaO Sp. 1532. 73 GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 30 D, Bl. 3r–3v [es liegt hier eine nicht unterschriebene Ausfertigung vor]. 69

IV. Die beginnende Regierung Friedrich Wilhelms III.

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nach Unserer Allerhoechsten Landesherrlichen Intention alle physisch- und moralisch untaugliche Subjecte nicht ferner ein öffentliches Amt im Staate bekleiden sollen.“74 Das anbefohlene Circulare an die Inspektoren der Kurmark erging dann unter dem 23. Dezember75. Die Inspektoren sollten die ihrer Aufsicht anvertrauten Prediger, Schullehrer und Küster „genauer, als bisher an vielen Orten vielleicht nicht geschehen“, beobachten, ob sie nicht nur die Religion nach der Vorschrift des Religionsedikts lehrten, sondern auch ihrem Amt „mit Fleiß und Eifer“ vorstünden und dabei einen moralisch guten Wandel führten. Nach dem königlichen Willen sollten „alle physisch- und moralisch-untaugliche[n] Subjecte“ künftig nicht mehr ein öffentliches Amt im Staat bekleiden. Friedrich Wilhelm III. reagierte mit großem Unmut auf dieses Circulare, da er mit seiner Kabinettsordre vom 23. November nicht eine Überprüfung des Lehrvortrags der Geistlichen beabsichtigt hatte. Daher befahl er dem Oberkonsistorium am 8. Januar 1798, die Gründe anzugeben, die es bewogen hatten, in dem unter dem 23. Dezember 1797 an die Inspektoren der Kurmark erlassenen Circulare eine sich auf die Vorschriften des Religionsedikts beziehende Stelle einfließen zu lassen. Am 10. Januar 1798 antworteten Adolf Friedrich v. Scheve, Carl Franz v. Irwing, Joachim Friedrich v. Lamprecht, Wilhelm Abraham Teller, Johann Christoph Nagel, Friedrich Gedike, Johann Friedrich Zöllner sowie Andreas Jakob Hecker76 und erklärten, daß diese Stelle bereits in dem ihnen als Kurmärkischem Konsistorium unter dem Datum des 5. Dezember 1797 zugekommenen Reskript des Geistlichen Departements enthalten gewesen sei; und da sie verpflichtet waren, die Anweisungen dieses ihnen vorgesetzten Departements zu befolgen, „so haben wir nicht umhin gekonnt“77, diese Stelle in dem Circulare mit einfließen zu lassen78. Nun mußte sich Woellner vor dem König verantworten und unter dem 10. Januar 1798 sein Verhalten rechtfertigen79. Er habe, schrieb Woellner, der ein Exemplar des Religionsedikts vom 9. Juli 1788 beilegte, den Willen des Königs, daß jedermann im Dienst seine Schuldigkeit tun und seine vorgeschriebenen Amtspflichten treu und redlich erfüllen solle, bei den Predigern nicht besser zu erreichen geglaubt als mit einem Hinweis auf das Religionsedikt, das bislang ein Landesgesetz gewesen sei. Der König möge „die einzige Gnade“ haben, in dem Edikt nur die angestrichenen Stellen zu lesen und ihm dann zu befehlen, ob er 74

Ebd. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1845, Bl. 53r. Es war von v. Scheve und v. Irwing unterschrieben. 76 GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 30 D, Bl. 8r–8v. 77 AaO Bl. 8r. 78 AaO Bl. 8v. 79 AaO Bl. 2r. 75

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

in dem ihm anvertrauten „wichtigen“ Departement künftig ferner wirken solle oder ob der König „mir andere Vorschriften zu geben für gut finden mögten“. Woellner hatte in dem beigefügten Religionsedikt die Einleitung, den ersten Absatz von § 2, sowie § 7, § 8 und § 9 angestrichen80. Woellner schloß mit einem royalen Bekenntnis: „Ich bin in meinem Posten nichts weiter als der Vollstrecker der jedesmaligen Befehle meines Herrn, und diese müssen einem jedem treuen StaatsDiener stets heilig sein, weil er nach seinem Eide verbunden ist, dem Willen seines Königs auf das püncktlichste strenge zu gehorchen.“ Da Friedrich Wilhelm III. mit der Kabinettsordre vom 23. November 1797 nicht den Lehrvortrag der Geistlichen hatte beobachten wollen, maßregelte er Woellner in einer Kabinettsordre vom 12. Januar 1798 unmißverständlich81. Weniger als zwei Monate nach dem Herrscherwechsel im preußischen Königshaus begann Woellners ehemals glänzende Stellung binnen kürzester Zeit ihre letzte Strahlkraft zu verlieren.

V. Gotthilf Samuel Steinbarts Hilfsgesuch bei Friedrich Wilhelm III. Kaum war Friedrich Wilhelm II. gestorben, ersuchte Gotthilf Samuel Steinbart den neuen König um Hilfe für das Schullehrerseminar in Züllichau. Zwei besonders unangenehme Jahre lagen hinter ihm82. Als Steinbart für sein Seminar keine Hilfe mehr gewußt hatte, war ihm nur noch der Ausweg der Heuchelei in den Sinn gekommen. Am 1. Januar 1796 hatte er einen Neujahrswunsch für Woellner zu Papier gebracht83. Er wisse, daß er unter dem „vieldeutigen Namen eines Aufklärers verdächtig gemacht worden“84 sei. Verstehe man darunter einen Illuminaten oder einen politischen Demokraten, tue man ihm „äußerst unrecht“. Er sei vielmehr immer „einer der eifrigsten Royalisten“ gewesen. „Auch bin ich in Beziehung auf das Christenthum kein Aufklärer,

80 Das gedruckte Exemplar des Religionsedikts mit den seitlichen Linealanstreichungen von Rotstift findet sich aaO Bl. 4r–7v. 81 Johannes Tradt, Der Religionsprozeß gegen den Zopfschulzen (1791–1799). Ein Beitrag zur protestantischen Lehrpflicht und Lehrzucht in Brandenburg-Preußen gegen Ende des 18. Jahrhunderts, Rechtshistorische Reihe 158, Frankfurt a. M. u. a. 1997, 255. 82 Paul Schwartz, Die neumärkischen Schulen am Ausgang des 18. und am Anfang des 19. Jahrhunderts, Schriften des Vereins für Geschichte der Neumark 17, Landsberg a.W. 1905, 111–119 und Ders., Der erste Kulturkampf in Preußen um Kirche und Schule (1788–1798), MGP 58, Berlin 1925, 417–425. 83 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 35, Bl. 132r–133v. 84 AaO Bl. 132v.

V. Gotthilf Samuel Steinbarts Hilfsgesuch bei Friedrich Wilhelm III.

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wenn darunter ein Mann verstanden wird, der eine philosophische Religion statt der positiven u geoffenbarten in den Volcksunterricht einführen will.“85 Beim Vortrag der Pastoralklugheitslehre sei er sogar weiter gegangen, als es das Religionsedikt fordere86. Er hatte es seinen Zuhörern zur Pflicht gemacht, sich – sobald sie ein öffentliches Lehramt anträten – genau zu erkundigen, welcher Lehrart sich ihre Vorgänger im Amt bedient hätten und wie besonders die ortsansässigen Familienväter in ihrer Kindheit unterrichtet worden wären, und sich dann dieser Lehrart anzuschließen – selbst dann, wenn sich der Amtsvorgänger der Herrnhuter Vortragsart bedient hätte –, weil für die einfachen Menschen am Lebensabend nur diejenigen Lehrsätze erbaulich wären, mit denen sich in den früheren Jahren die ersten religiösen Empfindungen und sittlichen Gefühle verbunden hätten87. Er buhlte um Woellners Vertrauen: „Ach es drücket sehr nieder“, wenn man sich im Bewußtsein, treu und pflichtmäßig zu handeln, zurückgesetzt sehe88. Steinbart sollte seine Gelegenheit erhalten. Am 17. Februar 1796 ordnete Woellner eine Revision von dessen Seminar an. Als Revisoren wirkten Hermann Daniel Hermes und der Steinbart in Frankfurt entgegenstehende Professor Nathanael Friedrich From. Steinbart selbst war bei der vom 7. bis zum 10. März währenden Revision nicht anwesend und ließ sich von seinem Sohn Friedrich August vertreten, der ihm kurz zuvor adjungiert worden war89. Hermes und From bilanzierten, daß die Seminaristen gründlich, wenigstens vier Stunden lang pro Woche, über das Buch „Die christliche Lehre im Zusammenhang“ unterrichtet werden müßten. Binnen Jahresfrist solle dann ein Examen vorgenommen werden. Nachdem ein Jahr verstrichen war, ließ Woellner jedoch keine neue Prüfung veranstalten, sondern trug Friedrich Wilhelm II. das alte Ergebnis vor. Der König entschied, daß das Seminar aufgehoben werden solle. Unter dem 28. April 1797 erging an Steinbart die knappe Nachricht, daß er von Trinitatis an kein Geld mehr erhalten werde. Steinbart war entsetzt. Unverzüglich reiste er Mitte Mai nach Berlin, um persönlich mit dem König sprechen zu können. Nun erfuhr er auch die Gründe für die Entscheidung: Er habe zweckwidrig das Seminar mit dem Waisenhaus und dem Paedagogium vermischt. Überdies sei der Unterricht in der Religion, der den wichtigsten Teil der Bildung der zukünftigen Landschullehrer ausmache, sehr schlecht erteilt worden. Steinbart

85

Ebd. AaO Bl. 133r. 87 Ebd. 88 Ebd. 89 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 420–423. 86

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

gab noch nicht auf und schickte eine lange, jedoch vergebliche schriftliche Rechtfertigung90. Nach des alten Königs Tod suchte Steinbart nun also am 12. Dezember 1797 den Schutz des neuen Königs und klagte Woellner an91. Im Allgemeinen sei Friedrich Wilhelm III. bereits bekannt, wie Woellner alle älteren geistlichen Räte und Professoren als Gegner der neuen, von ihm projektierten Einrichtung des Kirchen- und Schulwesens betrachte und „durchaus unwürksam“ zu machen versucht habe. Ihn, Steinbart, habe dieser Druck besonders hart betroffen. Er erbat die Hilfe des Königs für eine der „gemeinnützlichsten“ Anstalten – das Schullehrerseminar in Züllichau –, die Woellner aufheben wolle und zu deren Auflösung er die Genehmigung Friedrich Wilhelms II. kurz vor dessen Abreise nach Pyrmont92 zu erlangen gewußt habe. Steinbart wollte sich noch ausführlicher äußern und wünschte, dem König als einer der ältesten Konsistorialräte eine „kurze, freymüthige Relation“93 der wichtigsten Vorgänge im Kirchenund Schulwesen vorlegen zu dürfen. Friedrich Wilhelm III. nahm die Sache ernst und verlangte vom Oberschulkollegium94 in einer Kabinettsordre vom 15. Dezember näheren Bericht über die Veränderung des Schullehrerseminars. Unverzüglich wandte sich Woellner am 18. Dezember 1797 an den König95. Vor etlichen Jahren hatte Steinbart aus dem Schulfonds jährlich 2.000 Reichstaler zu einem Schulmeisterseminar erhalten. Bei einer 1796 abgehaltenen Visitation aber hatte sich gezeigt, daß er kaum die Hälfte von diesem Geld auf eigentliche Schulmeister verwendet, sondern einen großen Teil für sein sogenannten Paedagogium verbraucht hatte, was zwar gegen die Bestimmung, jedoch wegen der vom König genehmigten Einrichtung noch zu entschuldigen war. Aber – was „das Schlimmste“ sei – die Seminaristen, die als künftige Dorfküster und Schulmeister die Kinder der Landleute in der Religion unterrichten und die große Volksmenge „zu treuen und frommen Unterthanen bilden sollen“, hatten selbst einen derart schlechten Unterricht in der Religion erhalten, daß er es vor seinem Gewissen nicht länger verantworten könne, Steinbart das Schullehrerseminar anzuvertrauen. Daher habe er dem nun verstorbenen König vorgeschlagen, das Seminar durchaus nicht aufzulösen, sondern nur nach Berlin zu verlegen und mit dem Berliner großen Seminar bei der Realschule zu vereinigen, „um es selbst näher unter Augen zu haben“. Er hatte noch geplant, unter den Invaliden der Armee taug-

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AaO 423–425. GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 34 B, Bl. 1r–1v. 92 AaO Bl. 1r. 93 AaO Bl. 1v. 94 Zum Oberschulkollegium vgl. Kapitel A.X.6.d. 95 GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 34 B, Bl. 2r–2v. 91

V. Gotthilf Samuel Steinbarts Hilfsgesuch bei Friedrich Wilhelm III.

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liche Subjekte auszusuchen und sie, damit sie eine gute Versorgung bekämen, in diesem Seminar zu Küstern und Schulmeistern ausbilden zu lassen96. Friedrich Wilhelm III. war mit dieser Antwort keineswegs zufrieden, da die Kabinettsordre vom 15. Dezember an das Oberschulkollegium und nicht an Woellner allein gerichtet gewesen war. Am 21. Dezember 1797 schrieb Woellner sich rechtfertigend an den König97. Er habe die Kabinettsordre aufgebrochen, weil bisher nach dem gewöhnlichen Gang der Geschäfte die Ordres an die Kollegien von dem jeweiligen Chef geöffnet und von diesem auch beantwortet worden seien. Friedrich Wilhelm III. hatte nun in einer Kabinettsordre vom 19. Dezember ausdrücklich befohlen, daß das Oberschulkollegium kollegialisch berichten solle. Daher werde er, Woellner, das Kollegium am folgenden Tag zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenrufen lassen. Damit der Bericht „desto unpartheyischer“ abgestattet werden möge, werde er selbst nicht anwesend sein, so daß das Kollegium „nicht géniret“ werde. Übrigens sei ihm die Klage Steinbarts nicht aus dem Kabinett übermittelt worden, wie es sonst üblich sei. Daher könne er nicht wissen, was Steinbart bei dem König gegen ihn vorgebracht habe, und sich nicht verteidigen. Am 22. Dezember schrieb dann das Oberschulkollegium an den König98. Da die Verhandlungen, welche die Auflösung des Züllichauer Seminars betrafen, nicht zu ihrer Kenntnis gelangt waren, erbaten sich die Räte für ein genaues Aktenstudium einen Aufschub von acht Tagen. Am 28. Dezember ergriffen sie wieder das Wort99, nachdem Woellner am 27. Dezember den Entwurf des Schreibens mit sämtlichen Voten erhalten hatte. Alle waren einstimmig zu der Überzeugung gekommen, daß das Seminar in Züllichau verbleiben solle. Auch Hermes und Gottlob Friedrich Hillmer hatten dieser Meinung beigepflichtet. Die neumärkische Provinz und vielleicht auch die nächsten südpreußischen Kreise bräuchten eine Anstalt in ihrer Nähe100. Die bislang nachteilige, allzu enge Verbindung mit dem Züllichauer Waisenhaus werde das Oberschulkollegium aufheben101.

96 Aus der Berliner Garnison hatte Woellner schon fünf Mann gewonnen. Von den 2.000 Reichstalern (aaO Bl. 2r), die Steinbart teils zweckwidrig verwendet hatte, könnte er 26 Invaliden im Seminar kleiden, unterrichten und ernähren und diese nach zwei Jahren mit Küsterund Schulmeisterstellen versorgen. Friedrich Wilhelm II. habe Steinbart für sein Waisenhaus und Paedagogium nicht nur 35.971 Taler geschenkt, sondern überdies erhalte Steinbart 10.000 Taler mit 500 Reichstalern jährlich aus der Dispositionskasse verzinst. AaO Bl. 2v. 97 AaO Bl. 3r. 98 AaO Bl. 4r. Es unterschrieben v. Irwing, Meierotto, Gedike, Hermes, Hillmer und Hecker. 99 AaO Bl. 5r–6r. 100 AaO Bl. 5r. 101 AaO Bl. 5v.

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

Das Berliner Seminar für Invalide blieb übrigens bestehen, nahm aber keine neuen Seminaristen mehr auf. Als das letzte Mitglied durch eine Lehrerstelle seine Versorgung gefunden hatte, löste es sich zu Ostern 1802 auf 102. Vom 24. Dezember 1797 datierte Steinbarts „Kurze Geschichte der wichtigsten Vorgänge in Kirchensachen“103, die er dem König unter demselben Datum einsandte104. In der Kabinettsresolution vom 15. Dezember hatte ihm der König erlaubt, seine Gedanken über die wichtigsten Vorgänge in Kirchen- und Schulsachen vorlegen zu dürfen. Nun versuchte Steinbart besonders die wahren Veranlassungen zu den „Mißverständnissen“105 ans Licht zu bringen, die seit mehreren Jahren beim Geistlichen Departement zwischen dem Chef und den Räten geherrscht hatten: Solange Ernst Friedemann Freiherr v. Münchhausen Chef des Geistlichen Departements gewesen war, seien alle Geschäfte „in der zweckmäßigsten Ordnung“106 geschehen. Er habe das Oberkonsistorium bei allen geistlichen Angelegenheiten zu Rate gezogen, „die Religion ward mit Ernst und Würde behandelt“, und alle Stellen seien mit den jeweils fähigsten Männern besetzt worden. Auf v. Münchhausen folgte Karl Abraham Freiherr v. Zedlitz. „Dieser Mann, von vieler Belesenheit und einem lebhaften Eifer, alles was ihm gut und gemeinnützig schien, schnell ins Werk zu setzen, fand sich durch die ruhige und bedachtsame Denkart der Oberconsistorialräthe, zu sehr genirt. Er verfügte daher vieles für sich; übereilte sich nicht selten dabey“107, und da dieses Verhalten Mißstimmigkeiten zwischen ihm und dem Kollegium hervorgerufen habe, hätten die geistlichen Räte dabei allmählich ihren Einfluß auf Kirchensachen verloren. Wenn der Propst Teller, als Zensor der theologischen Schriften, einem Autor ein Manuskript zurückgegeben habe, um es abändern zu lassen, habe der Minister dennoch durch einen weltlichen Rat die Zensur erteilt108.

102 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 451 Anm. 1. Der König gewährte Steinbart in den kommenden Jahren keineswegs jeden Wunsch. Nachdem Steinbart am 19. Februar 1802 Friedrich Wilhelm III. gebeten hatte, den Züllichauer Lehranstalten zur Erbauung eines geräumigen, massiven Schulhauses die erforderlichen Baugelder zu bewilligen, erhielt er zur Antwort, daß die alten hölzernen Gebäude wohl noch für mehrere Jahre durch Reparaturen konserviert werden könnten. GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 34 B, Bl. 7r–7v. Vier Jahre später, am 28. April 1806, erfüllte sich dann aber Steinbarts Lebenstraum, als er zum ordentlichen lutherischen Professor in der Frankfurter theologischen Fakultät ernannt wurde. Johann David Erdmann Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, IV–V, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 2 (1865, ND 1972), 746–774, hier 750. 103 GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 30 A, Bl. 2r–5r. 104 AaO Bl. 1r. 105 Ebd. 106 AaO Bl. 2v. 107 Ebd. 108 AaO Bl. 3r.

V. Gotthilf Samuel Steinbarts Hilfsgesuch bei Friedrich Wilhelm III.

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Wäre Friedrich Wilhelm bei seiner Thronbesteigung „die wahre Lage“ der kirchlichen Angelegenheiten bekanntgemacht worden, hätte er das Oberkonsistorium gewiß wieder in seine alte Autorität eingesetzt und v. Zedlitz befohlen, in Religionssachen nichts ohne Genehmigung des Kollegiums zu verfügen109. Auf diese Weise wäre bald alles zur allgemeinen Zufriedenheit wieder in seine Ordnung gebracht worden. Aber Woellner habe dem König die „würdigen“110 Männer im Oberkonsistorium, „so wie alle gelehrte Theologen“, besonders auch auf den Universitäten, als „irreligiöse und gefährliche Aufklärer“111 geschildert, und daher seien „die so äußerst niederschlagende Cabinetsordres und Rescripte“ ergangen. Dann habe der Minister zwei bekannte „Schwärmer“ Hermes und Hillmer zu seinen „Assistenten“ gerufen; die „ehrlichen guten Männer“ Theodor Carl Georg Woltersdorff und Andreas Jakob Hecker seien „als Figuranten zum Mitunterschreiben“ dazugezogen worden: In dieser „sogenannten Examinationscomission“ habe der Minister – betonte Steinbart – seine Befehle in kirchlichen und schulischen Angelegenheiten „despotisch“ ausfertigen lassen, ohne dem Oberkonsistorium oder dem Oberschulkollegium davon Kenntnis zu geben. Es sei „unglaublich“, welche „allgemeine Unordnung“ dadurch in alle Geschäfte gebracht worden sei und wie sehr „der Character der jungen Theologen durch die Heucheley, zu welcher sie sich vor der Commission erniedrigen müßen, gelitten“ habe. „Am allerempfindlichsten“ sei aber für alle „Verehrer“ des Königlichen112 Hauses „der ganz unanständige Ton“ gewesen, in dem der Minister den König in Edikten und Reskripten habe sprechen lassen. Steinbart ging in seiner Anklage gegen Woellner bis auf die Anfänge der Beziehung zwischen dem späteren Staatsminister und dem späteren König zurück. In Berlin gebe es einige „sehr verständige Männer“, die wissen wollten, daß „eine gewiße Branche oder ein höherer Grad der Maçonnerie, darin Umgang mit höhern Geistern, Universalmedicin, Goldmachen und andre übermenschliche Kenntnisse zu erlangen vorgespiegelt werden“113, ihre Mitglieder den feierlichsten Eid eines unbedingten Gehorsams gegen die Ordensoberen ableisten lasse, daß diese auswärtigen unbekannten Oberen aller Wahrscheinlichkeit nach Jesuiten seien und daß Woellner durch diese Maçonnerie Gelegenheit erhalten habe, sich an Friedrich Wilhelm „anzuschmiegen“114. 109

AaO Bl. 3v. Ebd. 111 AaO Bl. 4r. 112 Ebd. 113 AaO Bl. 4v. 114 Ebd. 110

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

So viel sei historisch gewiß, daß Woellner115 „ganz nach den Principien der römischen Kirche verfahren hat“116 und selbst „den ersten Grundsatz“ der protestantischen Kirche, durch den sie sich von dem Papsttum trenne, nämlich daß „die heilige Schriften ohne Rücksicht auf kirchliche Autorität, aus sich selbst erkläret werden müßten, infringiret hat“, indem er Steinbart verbot, weiterhin über das „Wörterbuch des Neuen Testaments“, in dem Teller „ganz eigentlich die heiligen Schriftsteller aus sich selbst erkläret hat“, Vorlesungen zu halten117.

VI. Die Beschwerden des Oberkonsistoriums über Woellner Auch das Oberkonsistorium – bestehend aus dem Vizepräsidenten v. Scheve sowie den Räten v. Irwing, Georg Ludewig Spalding118, v. Lamprecht, Teller, Nagel, Gedike, Friedrich Samuel Gottfried Sack und Zöllner – hoffte nach dem Tod Friedrich Wilhelms II. auf neue Zeiten. Bereits am 25. Dezember 1797 schrieb es an den neuen König, um seine alten Rechte wiederzuerhalten119. Seit zehn Jahren sei das Oberkonsistorium außer Stande gesetzt worden, seinen Pflichten nachzukommen, weil man es seiner besonderen Rechte beraubt habe. Um den König nicht mit der Geschichte des „Verfalls“ der ehemaligen Ordnung in den geistlichen Angelegenheiten zu behelligen, begnügten sich die Räte, nur die wichtigsten Hindernisse aufzuführen, die es ihnen, und zum Teil auch den Provinzialkonsistorien, unmöglich gemacht hätten, für „die Aufrechthaltung der Religiosität und Sittlichkeit“ in den Preußischen Staaten in einer Weise zu sorgen, die dem Oberkonsistorium angemessen gewesen wäre: Obwohl die Prüfung der Kandidaten des Predigtamtes immer zu den Hauptaufgaben der Konsistorien gezählt hatte, waren eigene Examinationskommissionen errichtet worden, denen diese Prüfung vornehmlich aufgetragen worden war. Für die ordentlichen Mitglieder des Konsistoriums bleibe nur eine öffentliche kurze Unterhaltung mit den Kandidaten übrig, die in keiner Hinsicht ausreiche, um mit ihren Grundsätzen, gelehrten Kenntnissen und praktischen Fertigkeiten bekannt zu werden. Da diese Examinationskommissionen weit mehr 115

Ebd. AaO Bl. 5r. 117 Zu diesem Verbot vgl. Kapitel A.X.6.e.cc. 118 Vom 4. Oktober 1787 datierte die Bestallung des Kandidaten Georg Ludewig Spalding als Professor für den Subrektor bei dem vereinigten Berlin- und Cöllnischen Gymnasium. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Abt. B 4, Fasz. 23 a, Bl. 29r–29v. Der Berliner Magistrat hatte ihn als Subrektor gewählt und angenommen. 119 GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 30 A, Bl. 6r–7v. 116

VI. Die Beschwerden des Oberkonsistoriums über Woellner

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auf 120 die Beibehaltung eines hergebrachten Systems als auf dasjenige sähen, wodurch „wahre Gottesverehrung und Liebe der Tugend“121 befördert werden könne, und sie zum Teil aus Mitgliedern bestünden, denen es an Kenntnis des gegenwärtigen Zustands der Wissenschaften mangele, seien viele Kandidaten zu einer „Verstellung und Heuchelei“, die den geistlichen Stand entehre und eine „nutzbare Führung“ des Predigtamtes unmöglich mache, verleitet worden, um zu einem Amt zu gelangen. Eine weitere Hauptaufgabe des Oberkonsistoriums hatte immer darin bestanden, christliche Lehrbücher zu entwerfen und einzuführen sowie die Vorschriften für die Amtsführung der Prediger auszuarbeiten. Dennoch war trotz aller pflichtgemäßen Gegenvorstellungen des Oberkonsistoriums ein Landeskatechismus eingeführt worden, der nicht nur ein sehr schlechtes Schulbuch sei, sondern auch ebensowenig eine „heilsame Religions-Erkenntniß“ wie eine „zweckmäßige Uebung der Jugend im vernünftigen Nachdenken“ befördern könne122. In vorgetäuschter Demut behaupteten die Räte abschließend: „wir sind weit entfernt, wegen dieses allen irgend Jemanden anzuklagen, oder uns auch nur über die unverschuldeten Kränkungen beschweren zu wollen“123, die das ganze Kollegium und mehrere einzelne Mitglieder124 „fast immer“ erfahren hätten, sooft sie pflichtgemäß und „aufs bescheidenste“ den Schaden vorgestellt hätten, der durch diese Unregelmäßigkeiten und willkürlichen Abänderungen einer wohlgegründeten Verfassung habe entstehen müssen. Sie baten den König, das Oberkonsistorium wieder in die Rechte einzusetzen, die ihm seiner Instruktion gemäß zustünden und die unentbehrlich seien, wenn durch das Kollegium „wahrhaft Gutes“ gewirkt und der für die Religion und Sittlichkeit entstandene Schade allmählich durch zweckmäßige Mittel wieder geheilt werden solle125. Friedrich Wilhelm III. las diese Vorstellung und ging mit der Meinung der Oberkonsistorialräte ganz konform. Unter dem 27. Dezember 1797 erhielten sie eine Kabinettsordre126. Der König wollte das Oberkonsistorium wieder befähigt wissen, die ihm obliegenden Pflichten ohne Einschränkung zu erfüllen und seinen Wirkungskreis durch zweckdienliche Tätigkeit „zur Beförderung 120

AaO Bl. 6r. AaO Bl. 6v. 122 Der Vorschrift zur Prüfung der Kandidaten, die von der Berliner Immediat-Examinationskommission selbst nicht befolgt werde und im Grunde auch nicht befolgt werden könnte und die weiter nichts als allgemeinen Spott sowie bei den Provinzialkonsistorien Verwirrung hervorgebracht habe, wollten die Unterzeichner nicht gedenken. Ebd. 123 AaO Bl. 7r. 124 Ebd. 125 AaO Bl. 7v. 126 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 4r [Abschrift]. 121

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

wahrer Religiosität und Sittlichkeit“ auszubreiten. Das Oberkonsistorium sollte seinen Geschäftsgang überall nach den Worten und dem Sinn seiner Instruktion verrichten und „alle dagegen eingeschlichene Mißbräuche“, besonders bei der Examinierung der Kandidaten, der Einführung der Lehrbücher, der Besetzung der Pfarrstellen sowie der Zensur theologischer und philosophischer Schriften zukünftig vermeiden und „mit gehöriger Behutsamkeit“ zugleich abstellen. An demselben Tag beschied Friedrich Wilhelm III. Woellner, daß er aus der abschriftlichen Anlage ersehen werde, was der König zur Wiederherstellung des durch „Instructions-wiedrige“ Neuerungen „zerrütteten Geschäfts-Ganges“ des Oberkonsistoriums an dieses Konsistorium verfügt habe127. Woellner habe nun darauf zu achten, daß der königliche Wille genau befolgt werde. Der Minister sollte also für die Revision seines eigenen Wirkens sorgen. Sogleich in der ersten Sitzung des Oberkonsistoriums im neuen Jahr, am 4. Januar 1798, berieten die Räte über die an sie ergangene Kabinettsordre. Woellner selbst wollte den Verhandlungen nicht vorstehen. Also verließ er die Sitzung und übertrug es den Räten, einen Beschluß zu fassen und ihm als dem Chef des Geistlichen Departements später Rapport zu erstatten128. Das Oberkonsistorium beschloß, an alle ihm unterstehenden Konsistorien und Regierungen sowie an das Ostpreußische Staatsministerium ein Dekret im Sinne der Kabinettsordre vom 27. Dezember 1797 zu erlassen. Unter dem 4. Januar 1798 erging dann ein von Zöllner konzipiertes und von Woellner unterschriebenes Dekret129: Da der König durch eine Kabinettsordre vom 27. Dezember 1797 erklärt hatte, daß die bisherige Verfassung der Examina aufgehoben werden solle und überhaupt „zweckmäßige Vorkehrungen zur Beförderung wahrer Religiosität und Sittlichkeit“ in Preußen getroffen werden sollten, würden demnächst die darauf zielenden Verordnungen und insbesondere auch eine ausführliche Vorschrift zur zweckmäßigen Prüfung der Kandidaten erteilt werden. Einstweilen aber wurde festgesetzt, daß es bei jeder der genannten Behörden mit den Tentamina Candidatorum pro licentia concionandi sowie mit den Tentamina und Examina pro Ministerio und der Ordination wieder ebenso wie vor der Errichtung der Examinationskommissionen gehalten und zukünftig weder von den Kandidaten noch von den aufsteigenden Predigern und Schullehrern die Unterschrift der Reverse gefordert werden solle. Die Behörden hätten bei der Bekanntmachung dieser Verfügung durch die Inspektoren allen Predigern ihrer Provinz nachdrücklich einzuschärfen, daß jeder durch seine Lehre und sein Beispiel „wahre Religiosität und Sittlichkeit“ 127

AaO (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 3r. Schwartz, Der erste Kulturkampf, 453. 129 GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 5r–6r. 128

VII. Das Ende der Geistlichen Immediat-Examinationskommission

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mit erneuertem Eifer zu befördern, die „Religionswahrheiten“ nicht zum Gegenstand „eines, Ruhe und Eintracht stöhrenden, Gezänkes“ zu machen, sich alles Spottens, Verunglimpfens und Schmähens gegen Andersdenkende zu enthalten und überhaupt allen Leichtsinn und Anstoß in seiner Amtsführung wie in seinem Privatleben sorgfältig zu vermeiden130 habe. Im Blick auf die Visitationspredigten wurde festgelegt, daß zukünftig jeder Inspektor die Texte in seiner Diözese selbst geben und die Abschrift der Predigt an das ihm vorgesetzte Konsistorium einsenden solle, damit sie von einem geistlichen Rat durchgesehen und auf dessen Vortrag hin vom Kollegium das Erforderliche verfügt werden könne. Unter dem 13. Januar 1798 erging ein entsprechendes, von Woellner unterschriebenes Circulare an alle Konsistorien131, und auch das Oberschulkollegium132 und das Oberkonsistorium133 wurden an demselben Tag beschieden. Das Geistliche Departement habe der Geistlichen Immediat-Examinationskommission im Gefolge der Kabinettsordres vom 27. Dezember 1797, vom 7. Januar 1798 und vom 11. Januar 1798 ihre eigene Aufhebung sowie die Aufhebung aller Geistlichen Provinzial-Examinationskommissionen eröffnet und sie angewiesen, dies auch den Provinzialkommissionen bekanntzumachen. Woellner unterschrieb alle diese Verfügungen, die seinem Wirken der vergangenen Jahre gänzlich entgegenstanden, blieb aber im Amt.

VII. Das Ende der Geistlichen Immediat-Examinationskommission Woellner selbst ging nicht aus seinem Amt, jedoch an die Geistliche ImmediatExaminationskommission erging am 13. Januar 1798 ein von ihm unterschriebener königlicher Spezialbefehl134. Die an demselben Tag erlassene Verfügung an die Konsistorien hatte der Immediatkommission den letzten Stoß versetzt. 130

AaO (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 5r. AaO (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 7r–8r [Konzept]. 132 AaO (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 8r–8v [Konzept]. 133 AaO (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 9r–9v [Konzept]. Unter dem 25. Januar 1798 erging ein von v. Scheve und v. Irwing unterschriebenes Circulare an alle Inspektoren der Kurmark, denen das Dekret vom 13. Januar 1798 an das Kurmärkische Oberkonsistorium bekanntgemacht wurde. GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1774, Bl. 192r–192v. 134 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 41r. Das Konzept von Schreiberhand mit einer handschriftlichen Ergänzung von Woellner die Nennung der Kabinettsordres vom 7. und 11. Januar betreffend findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 9r [Konzept]. 131

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

Die Kommission sollte nun unverzüglich den ihr unterstehenden Provinzial-Examinationskommissionen deren Aufhebung bekanntmachen. Zugleich erhielten Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker die Anweisung, den in einem ihnen auszugsweise übermittelten Schreiben des Oberkonsistoriums an das Geistliche Departement enthaltenen Bitten des Oberkonsistoriums „völliges Genüge“135 zu leisten. Dieses Schreiben des Oberkonsistoriums, von dem ein Extrakt beigelegt war, datierte vom 11. Januar 1798136. Da nach der gegenwärtigen Kabinettsordre die alte Verfassung des Examens der Kandidaten wiederhergestellt werden solle, dies aber erst „nach und nach“ und mit der „gehörigen Behutsamkeit“137 bewirkt werden könne, meinten die Oberkonsistorialräte der königlichen Absicht vorerst dadurch zu genügen, daß zunächst die Haupthindernisse eines regelmäßigen Geschäftsganges behoben würden. Vor allem sei es notwendig, daß nicht nur die Geistliche Immediatkommission, sondern auch die Examinationskommissionen in den Provinzen zukünftig nicht als besondere, von den Konsistorien auf irgendeine Weise getrennte Einrichtungen fortbestünden, sondern alle bislang von ihnen betriebenen Geschäfte wieder von den Konsistorien verwaltet würden. Außerdem bat das Oberkonsistorium darum, daß das Geistliche Departement die Immediat-Examinationskommission und die Provinzial-Examinationskommissionen anweisen solle, es zukünftig mit dem Tentamen pro licentia concionandi, mit dem Tentamen und Examen pro Ministerio und mit der Ordination wieder ebenso wie zuvor zu halten138. Sie müßten die Kandidaten, denen sie möglicherweise schon einen Termin zum Tentamen anberaumt hatten, an die entsprechenden Konsistorien verweisen und die bei der Kommission gesammelten Akten nebst dem Kommissionssiegel an die entsprechenden Konsistorien abliefern139. Wegen der Zensur erbat das Oberkonsistorium einen Auftrag an Hermes und Hillmer, daß sie unverzüglich die bei ihnen bereits zur Zensur eingegangenen Schriften an den Oberkonsistorialpräsidenten Adolf Friedrich v. Scheve zur Ernennung der jedesmaligen Zensoren einreichen und ihre über die bisherige Zensurverwaltung gesammelten Akten an das Oberkonsistorium

135 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 41r. Am 19. Januar 1798 setzten Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker ihr „vidi“ auf das Blatt. 136 AaO Bl. 42r–43r. Die Ausfertigung findet sich GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 1r–2r. 137 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 42r. 138 AaO Bl. 42v. 139 AaO Bl. 44v.

VII. Das Ende der Geistlichen Immediat-Examinationskommission

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abliefern sollten, damit die Oberkonsistorialräte in Zukunft nach dem Zensuredikt vom 19. Dezember 1788 verfahren könnten140. Die Oberkonsistorialräte erstatteten auch Woellner widerwillig entsprechenden Rapport, weil der Minister in der letzten Session gefordert hatte, daß sie sich an ihn mit einem Bericht über die Punkte wenden sollten, die sie aufgrund der Kabinettsordre zur Wiederherstellung ihrer alten Verfassung und des vormaligen Ganges ihrer Geschäfte geändert zu sehen wünschten141. Die Immediat-Examinationskommission arbeitete nun pflichtgemäß an ihrer Auflösung. Am 31. Januar 1798 wandten sich Hermes, Hillmer, Woltersdorff und Hecker an den König und meldeten, daß sie die Vorgaben des Oberkonsistoriums erfüllt hatten142. Sie legten ihr Amt als Mitglieder der Geistlichen Immediat-Examinationskommission in die Hände des Königs zurück, „in dem vesten Vertrauen zu Gott, daß er unsre geringen Arbeiten, bey welchen wir Seine Ehre und die Beförderung Seines Gnadenreichs beabsichtet haben, nicht ganz unfruchtbar und ungesegnet lassen werde“143. Als Anlagen fügten sie das Circulare an alle Provinzial-Examinationskommissionen144 sowie die Liquidation ihrer Amtsportoauslagen der beiden letzten Monate November und Dezember145 bei. Nun war die Immediat-Examinationskommission also auch finanziell beendet. Das Circulare an die Provinzial-Examinationskommissionen war unter dem 24. Januar 1798 ergangen146. Abschriftlich erhielten sie das Reskript vom 13. Januar 1798 und das Extrakt des Schreibens aus dem Oberkonsistorium vom 11. Januar 1798. Die Immediat-Examinationskommission betonte, daß, wenn eine Provinzialkommission wegen irgendeines ihr zweifelhaft scheinenden Punktes noch Rat zu suchen sich veranlaßt sehe, sie sich an das Konsistorium ihrer Provinz und durch dieses Konsistorium an das Geistliche Departement zu wenden habe, denn sie selbst, die Immediatkommission, beende durch das vorliegende Circulare alle ihre bisherigen Funktionen. Am 5. Februar 1798 übergab Hillmer, an den die dienstlichen Briefe und Pakete adressiert worden waren und der das Kommissionsarchiv verwaltet hatte147, dann als letzte Amtshandlung dem Kriegsrat Schröder zur Weiterbeförderung 140

AaO Bl. 42v–43r. Es unterschrieben v. Scheve, v. Irwing, v. Lamprecht, Teller, Gedike, Sack, Zöllner und Hecker. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 1r–2r. 142 GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 2, Bl. 44r–44v. 143 Ebd. 144 AaO Bl. 45r. 145 AaO Bl. 44v. 146 AaO Bl. 45r. 147 Diese Aufgabenverteilung hatte die Immediat-Examinationskommission am 21. Februar 1794 notiert. AaO Bl. 34r. 141

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

an das Berliner Geheime Archiv Akten, Formulare und Instruktionen für die Provinzial-Examinationskommissionen148. Die Immediat-Examinationskommission existierte nun nicht mehr. Ihrer ehemaligen Stellung als Mitglieder der Immediat-Examinationskommission verlustig gegangen suchten Hermes, Hillmer und Woltersdorff nun ihre Rolle im Oberkonsistorium auszuweiten. Am 25. Januar 1798 schrieb Woltersdorff beunruhigt an den König149, da das Reskript von vielen dem Vernehmen nach dahin ausgelegt werde, als ob Hermes, Hillmer und er selbst auch künftig von aller Teilnahme an den gemeinschaftlichen Geschäften des Oberkonsistoriums ausgeschlossen werden sollten150. Das ihm vom König angewiesene Gehalt von 300 Reichstalern aus der Dispositionskasse sei ihm freilich bei seiner Bestallung ausdrücklich bloß als ein Oberkonsistorialratsgehalt erteilt worden, ohne im Mindesten dabei der erst noch zu errichtenden Examinationskommission zu gedenken151. Wenn Friedrich Wilhelm III. nun eine Veränderung vornähme, dann würde die bisherige Verwaltung der Kommissionsgeschäfte wie ein „Verbrechen“152 angesehen werden, das eine solche Herabsetzung verdiente. Zwei Tage später schrieb auch Hermes an den König und bat, ihm Vorträge zufertigen zu lassen, damit er die ihm in seiner Bestallung auferlegten Pflichten erfüllen könnte153. Und auch Hillmer kämpfte am 28. Januar 1798 um seinen Aufgabenplatz im Oberkonsistorium154. Durch die Verfügung vom 13. Januar 1798 war er von allen denjenigen seiner bisherigen Dienstgeschäfte entbunden worden, um deretwillen der König ihn bei seiner Anstellung als Rat des Oberkonsistoriums von dem wöchentlichen Besuch der Sessionen und von den ihm sonst zukommenden Vorträgen und Arbeiten dispensiert hatte. Sein Diensteifer dränge ihn nun, den wöchentlichen Sessionen regelmäßig beizuwohnen155; auch wollte er wie die übrigen weltlichen Räte wöchentliche Vorträge und Arbeiten erhalten156. Friedrich Wilhelm III. jedoch gedachte nicht, den dreien neuen Einfluß im Oberkonsistorium zu gewähren. Unter dem 15. Februar 1798 erging an die Oberkonsistorialräte Hermes und Woltersdorff sowie an den Geheimen Rat 148

GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt XV, Nr. 3, Bl. 1r. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 13r–14r. 150 AaO (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 13r. 151 AaO (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 13v. 152 Ebd. 153 AaO (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 15r–15v. 154 AaO (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 11r–12r. 155 AaO (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 11r. 156 AaO (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 11v. 149

VIII. Die Entlassung Woellners

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Hillmer jeweils eine Resolution, die Woellner unterschreiben mußte157. Da sie gemäß der Kabinettsordre vom 14. Mai 1791 und nach der aufgrund dieser Ordre erhaltenen und von dem verstorbenen König vollzogenen Bestallung von den gewöhnlichen Sessionen und Vorträgen beim Oberkonsistorium dispensiert waren, könne diese Dispensation vom Geistlichen Departement nicht aufgehoben werden. Überdies sei das Oberkonsistorium bereits sehr zahlreich. Des Ranges sowie der Freiheiten und Prärogationen eines Oberkonsistorialrats wurden sie freilich noch nicht benommen.

VIII. Die Entlassung Woellners Durch eine Kabinettsordre vom 11. März 1798 entließ Friedrich Wilhelm III. den ohnehin nahezu völlig entmachteten Woellner; die Gründe seien dem Staatsminister hinlänglich bekannt158. Das Religionsedikt wurde freilich nicht formaljuristisch revoziert159. Bereits am 12. März 1798 schrieb Woellner verzweifelt an Friedrich Wilhelm III., der „so gerecht“ sei160: Der König habe „ein so gutes Hertz“ und erteile dennoch „mir armen alten Mann den Abschied, ohne mir die Ursache AllerHöchstDero Ungnade wissen zu lassen“. Woellner war sich, obwohl die Kabinettsordre von ihm hinlänglich bekannten Gründen sprach, keines Ver157 AaO (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 16r [Konzept an Hermes]. Diese Resolutionen hatte Hecker konzipiert. AaO Bl. 10r [Konzept]. 158 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 462 f. Woellners Nachfolger wurde der schulreformerisch erfahrene Julius Eberhard Wilhelm Ernst v. Massow, der Stettiner Regierungspräsident gewesen war. Wolfgang Neugebauer, Absolutistischer Staat und Schulwirklichkeit in Brandenburg-Preußen. Mit einer Einführung von Otto Büsch, VHK 62, Berlin / New York 1985, 201 f Anm. 148 mit weiteren Quellen- und Literaturangaben. v. Massow war als „sehr erfahrener Verwaltungspraktiker“ bekannt. Manfred Heinemann, Schule im Vorfeld der Verwaltung. Die Entwicklung der preußischen Unterrichtsverwaltung von 1771–1800, SWGB 8, Göttingen 1974, 353. Nach Woellners Erhebung zum Etatsminister hatte Massow am 9. Juli 1788 aus Stettin dem neuen Chef des Geistlichen Departements geschrieben: Sollte Woellner dereinst Stettin besuchen, möge er in Massows Haus wohnen, denn die dortigen Wirtshäuser seien sehr heruntergekommen. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 27, Bl. 30r. 159 Thomas Theisinger, Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen Religionsedikt und im System des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten aus dem Jahre 1794. Eine rechtsgeschichtlich-rechtsdogmatische Untersuchung, Diss. masch., Heidelberg 1975, 42 f. Vgl. ferner Hans-Jürgen Becker, Art. Wöllnersches Religionsedikt, in: HDRG 5 (1998), 1516– 1519. Vgl. auch Wolf-Dieter Hauschild, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 2 Reformation und Neuzeit, 3. Aufl., Gütersloh 2005, 628. Das Religionsedikt wurde von Friedrich Wilhelm III. 1797 nicht aufgehoben. Gegen Arthur Rhode, Geschichte der evangelischen Kirche im Posener Lande, Marburger Ostforschungen 4, Würzburg 1956, 132. 160 GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 104, unpag.

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gehens bewußt: „Ich rufe aber Gott zu Zeugen, daß mir mein Gewissen nichts, gar nichts strafwürdiges“ gegen den Staat und den König vorwerfe. „Verstossen mich Ew. Königl. Majestät doch nicht gantz.“ Woellner beteuerte seine Redlichkeit, die er stets in seiner Amtsführung gezeigt habe: „Ich bin arm, habe unter der vorigen Regierung niemals gesucht mich zu bereichern, und muß nun mein verschuldetes LandGuth verkaufen, um meine Creditores zu bezahlen. Wenig oder Nichts werde ich übrig behalten. Welche traurige Situation für einen unschuldigen Greiß von 66. Jahren! Soll ich der Einzige Unglückliche sein, der in der Morgen Röthe der Regierung des besten Königs um Brodt weinet?“ Er sah sich als Opfer einer Verleumdungskampagne. „Ich bin ohne Zweifel äußerst verläumdet, und unterwerfe mich gern der strengsten Untersuchung, die mich gewis Schuldlos finden wird“, und ebenso gewiß werde ihm der König dann wieder die landesväterliche Huld schenken, deren er sich niemals unwürdig machen werde.

IX. Weitere Entlassungen und Entfernungen Auch Hermes und Hillmer konnten unter des neuen Königs Herrschaft nicht mehr lange in ihren Ämtern verbleiben; die Auflösung der Immediat-Examinationskommission im Januar desselben Jahres hatte deren Entlassung bereits ahnen lassen. Unter dem 3. März 1798 schrieb der Minister Friedrich Wilhelm Graf v. d. Schulenburg-Kehnert an Friedrich Wilhelm III.161 Der König hatte ihm befohlen, mit dem Präsidenten des Oberkonsistoriums Adolf Friedrich v. Scheve und mit dem Präsidenten des Oberschulkollegiums Carl Franz v. Irwing über die Entbehrlichkeit von Hermes und Hillmer in den Kollegien Rücksprache zu halten. v. Scheve und v. Irwing hatten die Meinung vertreten, daß auf die beiden um so mehr verzichtet werden könne, als sie ohnehin für die entsprechenden Kollegien in ihren bisherigen Ämtern nichts geleistet hätten und sie auch zukünftig keinen Nutzen brächten. Entließe sie der König mit einer jährlichen Pension von 500 Reichstalern, würde es nur zweier Ordres an die Kollegien und einer Verfügung wegen der Regulierung der Pension an Schulenburg bedürfen. Da es noch ganze Landstriche und auch „einzelne Kirchen“ gab, in denen die „orthodoxen“ Meinungen von Hermes zu der Denkungsart der Allgemeinheit paßten, schlug v. Irwing vor, daß Hermes in einer solchen Gegend – etwa in Breslau – wiederum ein Predigtamt würde bekleiden können. Außerdem wollte v. Irwing, daß die jährlichen 300 Reichstaler, die Woltersdorff als 161

GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 30 A, Bl. 8r–8v.

IX. Weitere Entlassungen und Entfernungen

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Mitglied der Immediat-Examinationskommission erhalten hatte, eingezogen würden, da der Prediger in seinem Pfarramt schon über eine hinlängliche Besoldung verfügte. Unter dem 5. März 1798 wurden Hermes und Hillmer dann durch eine Kabinettsordre entlassen. Die Ordre erinnerte an die schlechten Leistungen der Räte. Und wenn sie die Mittel in Erwägung zögen, die sie angewandt hätten, um zu ihren bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt bekleideten Stellen zu gelangen und sich darin zu erhalten, könnten sie sich selbst überzeugen, daß der König keineswegs verpflichtet sei, ihnen Pensionen auszusetzen. Aus bloßem Mitleid gebe der König ihnen eine jährliche Pension von jeweils 500 Reichstalern162. Am 8. März 1798 meldete Schulenburg dann dem Oberkonsistorium, daß der König Hermes und Hillmer mit einer jährlichen Pension von 500 Reichstalern und Woltersdorff mit einer Pension von 130 Reichstalern als Räte der aufgehobenen Immediat-Examinationskommission entlassen hatte163. Die Wege von Hermes und Hillmer trennten sich nun. Hillmer, der als Jüngling in der Brüdergemeine Niesky gebildet worden war, erinnerte sich seiner Wurzeln und zog sich in die Brüdergemeine im schlesischen Neusalz zurück, wo er eine erbauliche Zeitschrift herausgab. Mit 79 Jahren starb er 1835164. Hermes blieb, obwohl seine Tochter und sein Schwiegersohn Oswald aus Potsdam nach Breslau zurückkehrten, zunächst in Berlin. Am 12. November 1807 starb er 76jährig in Kiel, wo er auch begraben wurde165. Andreas Jakob Hecker und Theodor Carl Georg Woltersdorff behielten ihre Stellen. Bis zu seinem Tod am 10. Februar 1806 wirkte Woltersdorff in der Berliner Georgengemeinde166. Wenige Tage nach der Entlassung von Hermes und Hillmer entschied sich auch vorerst das Schicksal der Gräfin Lichtenau. Am 16. März 1798, nachmittags um drei Uhr, kamen zu ihr der General Ernst Wilhelm Friedrich Philipp v. Rüchel und der Geheime Rat Friedrich August Pitschel. Pitschel las der Gräfin eine Kabinettsordre des Königs vor, nach der sie ihres Vermögens für verlustig 162

Schwartz, Der erste Kulturkampf, 462. GStA PK, I. HA, Rep. 47, Nr. 4 [Ministerial-Archiv 26.2] (Acta Die Aufhebung der Geistlichen Examinations Commission betr.), Bl. 19r–19v. 164 Georg Hoffmann, Hermann Daniel Hermes, der Günstling Wöllners. (1731–1807). Ein Lebensbild, Breslau 1914, 129. 165 Anfang 1805 war der 73jährige Hermes als Leiter des Schullehrerseminars und Professor der Theologie nach Kiel, das zu Dänemark gehörte, berufen worden. Am 31. März 1805 wandte sich Hermes an die Tübinger theologische Fakultät, um die Erteilung des theologischen Doktorgrades zu erbitten. Bereits drei Wochen später, am 23. April, kam die Fakultät seiner Bitte nach und ernannte ihn zum Doktor der Theologie. Jedoch bereits 1806, wohl schon vor Ablauf des ersten Amtsjahres, wurde Hermes in Kiel entlassen. Und bis zu diesem Zeitpunkt war er wahrscheinlich von seiner Lehrtätigkeit entbunden gewesen und hatte lediglich die Direktion des Schullehrerseminars innegehabt. AaO 138 f und 148 f. 166 Schwartz, Der erste Kulturkampf, 462. 163

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

erklärt und als Gefangene in die Burgmauern Glogaus verwiesen wurde, weil sie den König sowie den Staat betrogen hätte. Zu ihrem weiteren Unterhalt war ihr eine jährliche Leibrente von 4.000 Reichstalern festgesetzt167. Zweieinhalb Jahre mußte die Gräfin Lichtenau auf der Festung ausharren. Dann befahl Friedrich Wilhelm III. am 18. Oktober 1800 Eberhard Friedrich Christoph Ludwig v. d. Reck, die Gräfin freizulassen168. Sie durfte aber niemals nach Berlin, Charlottenburg und Potsdam kommen oder sich zeitgleich mit dem königlichen Hof an irgendeinem anderen Ort aufhalten. Außerdem durfte sie nicht ohne Erlaubnis außer Landes reisen. Die Gräfin zog nach Breslau, wo sie sich 1802 mit dem Theaterdichter Friedrich v. Holbein, der sich Fontano nannte, verheiratete. Als ihr Ehemann sie verließ, erhielt sie auf Befehl Friedrich Wilhelms III. einen Teil ihres Vermögens zurück. In ihrem letzten Lebensjahrzehnt wohnte die Gräfin Lichtenau wieder in Berlin. Dort starb sie am 9. Juni 1820169.

X. Das Ende Die ihm verbleibende Lebenszeit verbrachte Woellner auf seinem Gut in Groß Rietz bei Beeskow170. Seine finanziellen Umstände waren nicht glücklich. Und auch seine Reputation hatte er verloren171. Am 20. Dezember 1798 schrieb er von Groß Rietz aus an Friedrich Wilhelm III.172 Er unterstehe sich, dem König „nur noch Einmahl“ zu schreiben und „Fußfälligst zu bitten, nicht mehr auf 167 Das berichtete die Gräfin Lichtenau am 2. November 1810, als sie an eine „Excellenz“ schrieb (GStA PK, BPH, Rep. 48, M, Nr. 91, Bl. 78r–78v und 97r) und eine Beschreibung ihrer Geschichte beilegte. AaO Bl. 79r–96r, hier 87v–88r. 168 GStA PK, I. HA, Rep. 131, K 159, Nr. 4, Bl. 198r. 169 Alfred P. Hagemann, Wilhelmine von Lichtenau (1753–1820). Von der Mätresse zur Mäzenin, Studien zur Kunst 9, Köln u. a. 2007, 64 f. 170 „Hier verwandte er seine noch übrige Lebenszeit auf die Verbesserung oder Verschönerung seiner Besitze, auch sonst in allerley Wohlthun um sich her; wie denn auch dieses überhaupt zu seinem persönlichen Character mit soll gehört haben.“ [Wilhelm Abraham Teller,] Denkschrift auf den Herrn Staats-Minister von Wöllner, Berlin 1802, 14. Groß Rietz liegt fünf Kilometer von Beeskow – einem Städtchen im Osten Brandenburgs an der Spree – entfernt. Zwischen 1693 und 1700 war das Schloß Groß Rietz für den preußischen Landadligen Hans-Georg v. d. Marwitz, einen Hofmarschall Friedrichs I., erbaut worden. Noch heute ist das ursprüngliche Ensemble von Schloß und Park, Wirtschaftsgebäuden, Kirche und Friedhof erkennbar. Der Enkel von Hans-Georg v. d. Marwitz verkaufte das Schloß später an Woellner. 1861 kamen das Schloß und das Gut Groß Rietz wieder in den Besitz derer v. d. Marwitz. Gerd Heinrich, Berlin und Brandenburg, Handbuch der historischen Stätten Deutschlands 10, Stuttgart 1973, 209. 1945 fielen das Schloß und das Gut der Enteignung anheim. Heute gehört das Schloß der Brandenburgischen Schlössergesellschaft. 171 Euphemistisch schrieb Teller später, daß Woellner „nicht lange nach der Thronbesteigung“ Friedrich Wilhelms III. in das „Privatleben“ zurückgekehrt sei. AaO 14. 172 GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 104, unpag.

X. Das Ende

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mich armen alten Mann ungnädig zu sein“. Es werde behauptet, daß er an dem Ruin des Staatsschatzes Schuld trage, aber die Trésorzettel würden beweisen, daß in den ersten drei Jahren der Regierung Friedrich Wilhelms II., als er die Kassensachen „allein“ verwaltet hatte, fünf Millionen hineingelegt worden seien. Als der Französische Krieg begann, waren noch 52 Millionen im Trésor vorrätig, und diese wollte er „so gern retten“. In Charlottenburg sei er daher vor Friedrich Wilhelm II. auf die Knie gefallen, um ihn von diesem Krieg abzuhalten, „andere Leute aber hatten mehr Gewicht als ich“173. Auch als Mitglied „des gewesenen Rosen Creutzer Ordens“ sei er unschuldig, denn der General der Kavallerie Hans Moritz Graf v. Brühl, der Generalleutnant Hans Rudolf v. Bischoffwerder, der Etatsminister Friedrich Wilhelm v. Arnim, der Großkanzler Heinrich Julius v. Goldbeck, der Etatsminister Friedrich Leopold v. Schrötter und viele andere „lauter rechtschafne Männer“ seien auch Rosenkreuzer gewesen und müßten „auf ihre Ehre bekennen“, daß sie niemals etwas von ihm gesehen oder gehört hätten, „das gegen den Staat hätte sein können“. Woellner beteuerte nochmals174 – wie bereits am 12. März – seine Zuverlässigkeit in finanziellen Belangen. „In meinem Dienst war ich höchst uneigennützig.“ Andere hätten sich „mit Tonnen Goldes“ bereichert, er dagegen habe sich „mit meinem guten Gehalt“ begnügt und es verwendet, um eine „Wüstenei“, die sein Gut war, anzubauen und 44 Bauernfamilien – die damals am Bettelstab gegangen waren – durch seine neuen Einrichtungen Brot 173 An diese Szene hatte Woellner Ende September 1794 auch Friedrich Wilhelm II. erinnert, als dieser geschwächt aus Polen nach Berlin zurückgekehrt war. Gegen die polnischen Insurgenten hatte er nichts auszurichten vermocht. Woellner riet ihm dringend, Preußen aus dem Krieg gegen Frankreich zurückzuziehen und die ganze Kraft auf den Osten zu konzentrieren. Am 7. Oktober wandte er sich an den König, nachdem ihm am Vortag die Nachricht vom Verlust von Bromberg erreicht hatte. Ein „heroischer schneller Entschluß“, den der König „gewis“ fassen werde, sei vonnöten: Die Rheinarmee sei schnellstmöglich nach Preußen zurückzurufen. Das notwendige Geld für den nur auf eine kurze Zeit zu begrenzenden Krieg in Polen sei vorhanden, „und jeder Patriot würde den lezten Groschen aus seiner Tasche dazu hergeben. Aber der fruchtlose Krieg am Rhein kann ganz unmöglich fortgesezt werden, weil die Moïens an Geld und Menschen auf keine Weise hinreichen.“ Auf Allianzen könne nun keine Rücksicht genommen werden; auch Friedrich II. habe im Zweiten Schlesischen Krieg mit Österreich Frieden geschlossen, ohne das alliierte Frankreich davon zu unterrichten, „und niemand konnte es ihm übel nehmen“. Woellner schloß unterwürfig: Vor dem Ausmarsch am Rhein habe er 1792 in Charlottenburg kniefällig den König angefleht, den Französischen Krieg nicht einzugehen. In Frankfurt am Main habe er sein Flehen wiederholt und sich die königliche Ungnade zugezogen. „Ich komme zum dritten mahl als ein treues Thier zu den Füssen meines guten, ach! meines guten Herrn gekrochen. Und nun – sterbe ich ruhig.“ GStA PK, I. HA, Rep. 96, Nr. 222 C, Bl. 16r. Zu der außenpolitischen Situation vgl. Kapitel A.IX.2. 174 Vgl. auch Klaus Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus in Deutschland. Der Ausgangspunkt: Die Herausforderung durch die Französische Revolution. 1770–1806, Frankfurt a. M. u. a. 1973, 427.

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L. Das Ende Woellners und des Religionsedikts

zu verschaffen. Auf diese Weise habe der Staat mehr als er selbst gewonnen, „indem meine Méliorationes ihrer Natur nach, nur erst nach einer Reihe von Jahren, Nutzen bringen, und bloß mein Patriotismus hat mich arm gemacht“175. Der König werde es „einmahl, wo nicht ehender doch gewis in der frohen Ewigkeit erfahren, daß ich ein ehrlicher Mann bin, und dem Staate treu, ehrlich, und uneigennützig gedienet habe“. „Mein trauriges Schicksaal da ich kein Vermögen habe, würde doch unendlich gelindert werden“, wenn der König nicht mehr ungnädig sei, „und mein guter Nahme bei dem Publico gerettet würde“. Er werde nicht aufhören, für das Leben und die glückliche Regierung des Königs zu beten, „für meinen König, den ich armer Greiß von seiner ersten Jugend an, immer so hertzlich lieb gehabt habe“. Doch der König reagierte nicht. Ein halbes Jahr später, im Juli 1799, konzipierte Woellner in Groß Rietz einen weiteren Brief an Friedrich Wilhelm III., um die Vorlesungen über die Finanz- und Kameralwissenschaft zurückzuerhalten, die er dem verstorbenen Friedrich Wilhelm II. vier Jahre lang zu dessen Kronprinzenzeit gehalten hatte176. Durch diese „Collegia“ habe ihn der damalige Thronfolger kennengelernt und ihm sein „Vertrauen“ geschenkt. Zum Nachlesen und Repetieren hatte er die Vorlesungen für den Kronprinzen dann abschreiben müssen. Diese Manuskripte müßten sich noch – in Samt von verschiedenen Farben eingebunden – unter den nachgelassenen Papieren befinden. Da sie nun niemandem nützten, bat Woellner um deren Rückgabe „als ein schätzbares Andencken“ an den verstorbenen König, der ihn „so lieb hatte“177. Woellner fügte nachträglich hinzu, daß er über dessen Asche noch immer bittere Tränen weine. In seinem gegenwärtigen Unglück und „Kummervollen Elende“ würden ihm diese Manuskripte ein Trost sein. Es stellte sich, nachdem bei Johann Friedrich Ritz Erkundigungen eingezogen worden waren, heraus, daß sich die erbetenen Manuskripte in dem Mahagoni-Eckzimmer im Berliner Schloß befinden sollten. Nur der König freilich besaß einen Schlüssel zu diesen Schränken178. Bereits am 18. August 1799 teilte 175 Zu Woellners landwirtschaftlicher Tätigkeit vgl. Kapitel A.II. Als nach Woellners Tod dessen Ehefrau am 5. Oktober 1800 Besuch von einem ihrer Neffen erhielt, lag sie krank und an „Gemüthsunruhe“ leidend im Bett. Der Neffe schrieb am folgenden Tag: „Es war der Gedanke an die Schulden, die theils bei Lebzeiten ihres Mannes, theils nach seinem Tode, auf eine mir bekannte unvermeidliche Weise entstanden sind, der sie peinigte.“ GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 38, Fasz. 2, Bl. 1r–1v. 176 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 12, Bl. 2r [Konzept]. Nach der Ortsangabe „Groß-Rietz“ fügte der um Genauigkeit bemühte Woellner nachträglich die Präzisierung „bei Beeskow“ ein. Woellners Reinschrift des Briefes findet sich GStA PK, BPH, Rep. 48, A, Nr. 54, Bl. 1r. Zu den Kronprinzenvorträgen vgl. Kapitel A.VI. 177 Woellner hatte sich in der Ausfertigung des Briefes etwas gemäßigt. Im Konzept hatte er noch geschrieben „so sehr lieb hatte“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 12, Bl. 2r [Konzept]. 178 GStA PK, BPH, Rep. 48, A, Nr. 54, Bl. 2r.

X. Das Ende

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der Geheime Kabinettsrat Carl Friedrich v. Beyme Woellner, den er noch als „EtatsMinistre v. Woellner Excellenz“179 bezeichnete, von Charlottenburg aus auf königlichen Befehl mit, daß der König bei dessen Aufenthalt in Berlin die erbetenen Manuskripte aufsuchen werde. Dann freilich passierte lange Zeit nichts. Am 26. Februar 1800 wandte sich Woellner an den Geheimen Kabinettsrat Beyme180 und bezog sich auf das Schreiben vom 18. August 1799. Er hatte an diese Zusage unter dem 12. Januar erinnert181, aber keine Antwort erhalten. Daher fragte er Beyme, ob er es für ratsam halte, ein weiteres Mal zu schreiben. Es wäre freilich erfolgversprechender, wenn Beyme ihm „die besondere Freundschafft“ erweisen wollte, den König mündlich anzusprechen. Er wage es aber nicht, Beyme darum zu bitten. Wenige Tage später, am 2. März 1800, schrieb Beyme an Woellner182. Der König habe sich der zurückzugebenden Manuskripte durchaus erinnert, die Rückgabe sei jedoch verzögert worden, weil die Manuskripte auf dem Schloß in einem Schrank verschlossen seien, zu dem nur Friedrich Wilhelm III. selbst den Schlüssel habe. Der König habe beschlossen, den Schrank in seiner Gegenwart öffnen zu lassen, bislang aber noch keine Zeit dazu gefunden. Beyme hoffte, daß der Schrank noch vor der Abreise nach Potsdam geöffnet werden könnte. Dies geschah dann jedoch nie. Am 24. März 1800 nahm Woellner zum letzten Mal die Feder in die Hand, um an den Herrscher zu schreiben183. Er bat den König anläßlich des Todes eines Etatsministers, dessen ganzes Gehalt vakant geworden war, wiederum „Fußfällig um einige Pension“. „Sollte denn das mittleidige Hertz welches AllerHöchstDieselben noch als Cron-Printz bei Versorgung der Invaliden so ofte gegen mich geäußert, nicht endlich Erbarmen gegen einen armen Greiß fühlen, der dem Staate so lange treu gedienet, und im Dienste, wegen seines Patriotismus nichts erworben hat?“ Und weiter bat er: „Ich bin 68 Jahr alt, wie lange kann ich noch leben? und alsdenn fällt die Pension mit tausend SeegensWünschen auf meinem Sterbe Bette, wieder an Ew. Königl. Majestät zurück.“ Flehend schloß Woellner: „Wenn doch Gott endlich das Hertz meines Königs 179

GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 12, Bl. 3r. GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 104, unpag. Die Schriftzüge spiegeln Woellners Alterung wieder. Sie sind größer und fahriger als in den vorangegangenen Jahren. 181 Am 12. Januar 1800 hatte Woellner an den König geschrieben und ihn um eine Pension gebeten. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 31, Bl. 1r [Konzept]. Wiederum betonte Woellner seine Redlichkeit: Er habe uneigennützig gedient und nicht wie andere „Tonnen Geldes“ auf Unkosten des Staates erworben. Am 14. Januar hatte ihm Schulenburg geantwortet, daß Pensionsbewilligungen nicht in seinen Aufgabenbereich gehörten. AaO Bl. 7r. 182 GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 12, Bl. 4r. 183 GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 104, unpag. Woellners Schriftzüge sind nun deutlich größer als in den vorangegangenen Jahren. Woellners Konzept zu diesem Brief, ein gelbliches Stück Papier von schlechter Qualität, findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 31, Bl. 4r [Konzept]. 180

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rühren wollte!“ Jedoch alles Flehen nützte nichts. Ihm wurde beschieden, daß es „ein für allemal“ bei der schon erteilten abschlägigen Resolution verbleiben werde184. Sechs Wochen lag Woellner krank darnieder, dann endete sein irdisches Leben am 10. September 1800185. Wenige Meter von dem Kirchturm des Groß Rietzer Dorfkirchleins entfernt fand er seine letzte Ruhe186. Seine Zeit, die sich in Permanenz erklärt hatte, wich neuen Zeiten. Er starb, als das Jahrhundert der Aufklärung ging.

184 GStA PK, I. HA, Rep. 96 A, Tit. 104, unpag. Unter dem 21. August 1800 erhielt Woellner einen Brief von seinem alten Freund Blumenthal aus Micheln, der an seinem eigenen einundsiebzigsten Geburtstag zur Feder gegriffen hatte und Woellner aufzumuntern versuchte. Das Bewußtsein, dem Staat nach bester Überzeugung gedient zu haben, „steht mit dir auf – geht mit dir zu Bette, kein Neider deiner Würde lauert im Hinterhalt – kein finsters Gesicht eines launichten Königs macht dich zittern“. GStA PK, VI. HA, Nl Woellner I, Nr. 24, Bl. 39r–41v, hier 39r–39v. 185 [Teller,] Denkschrift, 14. Vgl. auch Paul Bailleu, Art. Woellner, Johann Christof, in: ADB 44 (1898), 148–158, hier 158. Das Inventarium des Nachlasses seiner Ehefrau Charlotte Amalie Woellner, aufgenommen im Februar 1802, findet sich GStA PK, VI. HA, Nl Woellner II, Nr. 30, Bl. 148r–205r. 186 In seinem Testament hatte Woellner bestimmt, daß er in Groß Rietz „auf dem runden Platz der von mir gepflanzten hohen Bäume des künftig alldort anzulegenden neuen Kirchhofs begraben zu werden“ wünsche. Johann David Erdmann Preuß, Zur Beurtheilung des Staatsministers von Wöllner, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 3 (1866, ND 1972), 65–95, hier 84. Noch heute ist in Groß Rietz Woellners und seiner Ehefrau monumentale weiße Grabplatte zu sehen.

Quellenanhang Edict, die Religions-Verfassung in den Preußischen Staaten betreffend. De Dato Potsdam, den 9. Julii 1788. Berlin, gedruckt bey George Jacob Decker und Sohn, Königl. Geheim. Ober-Hof-Buchdrucker.1 Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preussen, Marggraf zu Brandenburg, etc. etc. etc. Thun kund und fügen hiermit jedermann zu wissen, daß, nachdem Wir lange vor Unserer Thronbesteigung bereits eingesehen und bemerket haben, wie nöthig es dereinst seyn dürfte, nach dem Exempel Unserer Durchlauchtigsten Vorfahren, besonders aber Unsers in Gott ruhenden Großvaters Majestät darauf bedacht zu seyn, daß in den Preussischen Landen die Christliche Religion der Protestantischen Kirche, in ihrer alten ursprünglichen Reinigkeit und Aechtheit erhalten, und zum Theil wieder hergestellet werde, auch dem Unglauben eben so wie dem Aberglauben, mithin der Verfälschung der Grundwahrheiten des Glaubens der Christen, und der daraus entstehender [sic] Zügellosigkeit der Sitten, so viel an Uns ist, Einhalt geschehe; und dadurch zugleich Unsern getreuen Unterthanen ein überzeugender Beweis gegeben werde, wessen sie in Absicht ihrer wichtigsten Angelegenheit, nehmlich der völligen Gewissensfreyheit, der ungestörten Ruhe und Sicherheit bey ihrer einmal angenommenen Confession und dem Glauben ihrer Väter, wie auch des Schutzes gegen alle Störer ihres Gottesdienstes und ihrer kirchlichen Verfassungen, zu Uns als ihrem Landesherrn, sich zu versehen haben: Wir nach bisheriger Besorgung der dringendsten Angelegenheiten des Staates und Vollendung verschiedener2 nöthigen und nützlichen neuen Einrichtungen, nunmehro keinen fernern Anstand nehmen, an diese Unsere anderweitige wichtige Regentenpflicht ernstlich zu denken, und in gegenwärtigem Edict Unsere unveränderliche Willensmeinung über diesen Gegenstand öffentlich bekannt zu machen. Als §. 1. befehlen, wollen, und verordnen Wir demnach, daß alle drey Haupt-Confessionen der Christlichen Religion, nehmlich die Reformirte, Lutherische und Römisch-Catholische, 1 2

GStA PK, I. HA, Rep. 47, Tit. 1, Heft 33, Bl. 1r. AaO Bl. 2r.

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Quellenanhang

in ihrer bisherigen Verfassung, nach den von Unsern gottseligen Vorfahren vielfältig erlassenen Edicten und Verordnungen, in Unsern sämmtlichen Landen verbleiben, aufrecht erhalten, und geschützt werden sollen. Daneben aber §. 2. soll die den Preußischen Staaten von jeher eigenthümlich gewesene Toleranz der übrigen Secten und Religions-Partheyen, ferner aufrecht erhalten, und Niemanden der mindeste Gewissenszwang zu keiner Zeit angethan werden, so lange ein jeder ruhig als ein guter Bürger des Staates seine Pflichten erfüllet, seine jedesmalige besondere Meinung aber für sich behält, und sich sorgfältig hütet, solche nicht auszubreiten oder andere dazu zu überreden, und in ihrem Glauben irre oder wankend zu machen. Denn, da jeder Mensch für seine eigene Seele allein zu sorgen hat, so muß er hierin ganz frey handeln können, und nach Unserm Dafürhalten, hat ein jeder Christlicher Regent nur dahin zu sehen und dafür zu sorgen, das Volk in dem wahren Christenthum treu und unverfälscht durch Lehrer und Prediger unterrichten zu lassen, und mithin einem jeden die Gelegenheit zu verschaffen, selbiges zu erlernen und anzunehmen. Ob ein Unterthan nun aber diese gute ihm so reichlich dargebotene Gelegenheit zu seiner Ueberzeugung nutzen und gebrauchen will oder nicht, muß seinem eigenen Gewissen völlig frey anheim gestellet bleiben. Die in Unsern Staaten bisher öffentlich geduldeten Secten sind, ausser der jüdischen Nation, die Herrenhuter, Mennonisten und die Böhmische Brüdergemeine, welche unter Landesherrlichem Schutz ihre gottesdienstlichen Zusammenkünfte halten, und diese dem Staate unschädliche Freyheit ferner ungestört behalten sollen. In der Folge aber soll Unser geistliches Departement dafür sorgen, daß nicht andere, der Christlichen Religion und dem Staate schädliche Conventicula, unter dem Nahmen, gottesdienstlicher Versammlungen, gehalten werden, durch welches Mittel, allerley der Ruhe gefährliche Menschen und neue Lehrer, sich Anhänger und Proselyten zu machen, im Sinne haben möchten, wodurch aber die Toleranz sehr gemißbraucht werden würde. Wie Wir denn überhaupt §. 3. alles und jedes Proselytenmachen bey allen Confessionen ohne Unterschied ernstlich verbieten, und nicht wollen, daß Geistliche oder andere Leute von verschiedenen Religionspartheyen sich damit abgeben sollen, ihre eigenthümlichen Lehrsätze und besondern Meynungen in Glaubenssachen denen, die nicht von ihrem Bekenntniß sind, entweder aufzudringen, oder sie auf irgend eine Weise zur Annehmung derselben zu verleiten und zu überreden, und also die Gewissensfreyheit des andern zu beeinträchtigen. Ganz verschieden hievon ist indessen der Fall, wenn jemand aus innerer, eigener, freyer Ueberzeugung für seine Person von einer Confession zur andern übergehen will, als welches einem jeden völlig erlaubt seyn, und ihm darin kein Hinderniß in den Weg gelegt werden soll; nur ist ein solcher gehalten, dieses nicht heimlich zu thun, sondern, zur Vermeidung aller Inconvenienzen in bürgerlichen Verhältnissen, seine Religionsveränderung bey der Behörde anzuzeigen.3 §. 4. Da man auch dieses Proselytenmachen der Römisch-Catholischen Geistlichkeit von jeher Schuld gegeben hat, und anjetzt von neuem verlauten will, daß verkleidete Ca3

AaO Bl. 2v.

Quellenanhang

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tholische Priester, Mönche und verkappte Jesuiten in den Protestantischen Ländern heimlich umher schleichen, die sogenannten Ketzer zu bekehren, Wir aber dergleichen in Unserm Reiche durchaus nicht gestatten wollen; als verbieten Wir alles Ernstes dieses Proselytenmachen nicht nur ganz besonders der Catholischen Geistlichkeit in Unsern gesamten Staaten, sondern befehlen auch Unsern Oberconsistoriis, wie nicht minder Unsern übrigen Dycasteriis, desgleichen allen Unsern getreuen Vasallen und Unterthanen in allen Ständen, genau Achtung zu geben, um solche Emissarien zu entdecken, und hievon dem Geistlichen Departement zur weitern Verfügung Nachricht zu geben. §. 5. So sehr Uns das Proselytenmachen bey allen Confessionen zuwider ist, indem es allerley verdrießliche Folgen bey der Volksmenge haben kann, so angenehm ist es Uns dagegen zu sehen, daß die Geistlichkeit sowohl, als Personen weltlichen Standes, sie seyn Reformirte, Lutherische oder Römisch-Catholische Glaubensgenossen, dennoch bisher verträglich und brüderlich, in Absicht ihrer Religion, mit einander gelebt haben: Wir ermahnen sie daher, diese gute Harmonie untereinander ferner sorgfältig zu bewahren, und werden niemals entgegen seyn, wenn die verschiedenen Confessionen sich, in Absicht ihrer Kirchen und Bethäuser zu Haltung des öffentlichen Gottesdienstes, oder auf andere Weise, einander hülfliche Hand bieten, sondern es wird Uns sothane Verträglichkeit vielmehr allezeit zum besondern Wohlgefallen gereichen. §. 6. Wir verordnen zugleich, daß bey der Reformirten sowohl, als Lutherischen Kirche die alten Kirchenagenden und Lithurgien ferner beybehalten werden sollen; nur wollen Wir bey beiden Confessionen nachgeben, daß die damals noch nicht ausgebildete deutsche Sprache darin abgeändert und mehr nach dem Gebrauch der jetzigen Zeiten eingerichtet werde; desgleichen einige alte außer wesentliche Ceremonien und Gebräuche abgestellet werden, als welches Unserm Geistlichen Departement beider Protestantischen Confessionen überlassen bleibt. Dieses Unser Geistliches Departement hat aber sorgfältig dahin zu sehen, daß dabey in dem Wesentlichen des alten Lehrbegriffs einer jeden Confession keine weitere Abänderung geschehe. Dieser Befehl scheinet Uns um so nöthiger zu seyn, weil §. 7. Wir bereits einige Jahre vor Unserer Thronbesteigung mit Leidwesen bemerket haben, daß manche Geistliche der Protestantischen Kirche sich ganz zügellose Freyheiten, in Absicht des Lehrbegriffs ihrer Confession, erlauben; verschiedene wesentliche Stücke und Grundwahrheiten der Protestantischen Kirche und der Christlichen Religion überhaupt wegläugnen, und in ihrer Lehrart einen Modethon annehmen, der dem Geiste des wahren Christenthums völlig zuwider ist, und die Grundsäulen des Glaubens der Christen am Ende wankend machen würden [sic]. Man entblödet sich nicht, die elenden, längst widerlegten Irrthümer der Socinianer, Deisten, Naturalisten und anderer Secten mehr wiederum aufzuwärmen, und solche mit vieler Dreistigkeit und Unverschämtheit durch den äußerst gemißbrauchten Namen: Aufklärung, unter das Volk auszubreiten; das Ansehen der Bibel, als des geoffenbarten Wortes Gottes, immer mehr herabzuwürdigen, und diese göttliche Urkunde der Wohlfahrt des Menschengeschlechtes zu verfälschen, zu verdrehen, oder gar wegzuwerfen; den

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Glauben an die Geheimnisse der geoffenbarten Religion überhaupt, und vornehmlich an das Ge-4heimniß des Versöhnungswerks und der Genugthuung des Welterlösers den Leuten verdächtig oder doch überflüßig, mithin sie darin irre zu machen, und auf diese Weise dem Christenthum auf dem ganzen Erdboden gleichsam Hohn zu bieten. Diesem Unwesen wollen Wir nun in Unsern Landen schlechterdings um so mehr gesteuert wissen, da Wir es für eine der ersten Pflichten eines Christlichen Regenten halten, in seinen Staaten die Christliche Religion, deren Vorzug und Vortrefflichkeit längst erwiesen und außer allen Zweifel gesetzt ist, bey ihrer ganzen hohen Würde und in ihrer ursprünglichen Reinigkeit, so wie sie in der Bibel gelehret wird und nach der Ueberzeugung einer jeden Confession der Christlichen Kirche in ihren jedesmaligen Symbolischen Büchern einmal vestgesetzt ist, gegen alle Verfälschung zu schützen und aufrecht zu erhalten, damit die arme Volksmenge nicht den Vorspiegelungen der Modelehrer preiß gegeben, und dadurch den Millionen Unserer guten Unterthanen die Ruhe ihres Lebens und ihr Trost auf dem Sterbebette nicht geraubet und sie also unglücklich gemacht werden. §. 8. Als Landesherr und als alleiniger Gesetzgeber in Unsern Staaten befehlen und ordnen Wir also, daß hinführo kein Geistlicher, Prediger, oder Schullehrer der protestantischen Religion bey unausbleiblicher Cassation und nach Befinden noch härterer Strafe und Ahndung, sich der in vorigen §. 7. angezeigten oder noch mehrerer Irrthümer in so fern schuldig machen soll, daß er solche Irrthümer bey der Führung seines Amtes oder auf andere Weise öffentlich oder heimlich auszubreiten sich unterfange. Denn so wie Wir zur Wohlfahrt des Staates und zur Glückseligkeit Unserer Unterthanen die bürgerlichen Gesetze in ihrem ganzen Ansehen aufrecht erhalten müssen, und keinem Richter oder Handhaber dieser Gesetze erlauben können, an dem Inhalt derselben zu klügeln, und selbigen nach seinem Gefallen abzuändern; eben so wenig und noch viel weniger dürfen Wir zugeben, daß ein jeder Geistlicher in Religionssachen nach seinen Kopf und Gutdünken handele, und es ihm freystehen könne, die einmal in der Kirche angenommenen Grundwahrheiten des Christenthums das Volk so oder anders zu lehren, sie nach bloßem Willkühr beyzubehalten oder wegzuwerfen, die Glaubensartikel nach Belieben in ihrem wahren Lichte vorzutragen, oder seine eigenen Grillen an ihre Stelle zu setzen. Es muß vielmehr eine allgemeine Richtschnur, Norma und Regel unwandelbar fest stehen, nach welcher die Volksmenge in Glaubenssachen von ihren Lehrern treu und redlich geführet und unterrichtet werde, und diese ist in Unsern Staaten bisher die christliche Religion nach den drey Haupt-Confeßionen, nemlich der reformirten, lutherischen und römischkatholischen Kirche gewesen, bey der sich die Preussische Monarchie so lange immer wohl befunden hat, und welche allgemeine Norma selbst in dieser politischen Rücksicht, durch jene so genannten Aufklärer nach ihren unzeitigen Einfällen abändern zu lassen, Wir im mindesten nicht gemeynet sind. Ein jeder Lehrer des Christenthums in Unsern Landen, der sich zu einer von diesen drey Confeßionen bekennet, muß und soll vielmehr dasjenige lehren, was der einmal bestimmte und festgesetzte Lehrbegriff seiner jedesmaligen Religions-Parthey mit sich bringet, denn hiezu verbindet ihn sein Amt, seine Pflicht, und die Bedingung, unter welcher er in seinem besondern Posten angestellet ist. Lehret er etwas anders, so ist er schon nach bürgerlichen Gesetzen straffällig, und kann eigentlich seinen Posten nicht länger behalten. Unser ernster Wille ist daher, auf die Festhaltung dieser unabänderlichen Ordnung gerichtet, ob Wir schon den Geistlichen in Unsern Landen gleiche Gewissensfreyheit mit Unsern übrigen Unter4

AaO Bl. 3r.

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thanen gern zugestehen, und weit entfernt sind, ihnen bey ihrer innern Ueberzeugung den mindesten Zwang anzuthun. Welcher Lehrer der christlichen Religion also eine andere Ueberzeugung in Glaubenssachen hat, als ihm der Lehrbegriff seiner Confeßion vorschreibt, der kann diese Ueberzeugung auf seine Gefahr sicher behalten, denn Wir wollen Uns keine Herr-5schaft über sein Gewissen anmaßen; allein, selbst nach seinem Gewissen müßte er aufhören, ein Lehrer seiner Kirche zu seyn; er müßte ein Amt niederlegen, wozu er sich selbst aus obiger Ursache unbrauchbar und untüchtig fühlet. Denn der Lehrbegriff der Kirche muß sich nicht nach der jedesmaligen Ueberzeugung dieses oder jenes Geistlichen richten, sondern umgekehrt, oder es kann von Rechtswegen ein solcher Geistlicher nicht mehr das seyn und bleiben, wofür er sich ausgiebt. Indessen wollen Wir aus großer Vorliebe zur Gewissensfreyheit überhaupt, anjetzt insofern nachgeben, daß selbst diejenigen bereits in öffentlichem Amte stehende Geistlichen, von denen es auch bekannt seyn möchte, daß sie leider! von denen in §. 7. gemeldeten Irrthümern mehr oder weniger angesteckt sind, in ihrem Amte ruhig gelassen werden; nur muß die Vorschrift des Lehrbegriffs ihnen bey dem Unterricht ihrer Gemeinden stets heilig und unverletzbar bleiben; wenn sie hingegen hierinn Unserm landesherrlichen Befehl zuwider handeln, und diesen Lehrbegriff ihrer besondern Confeßion nicht treu und gründlich, sondern wohl gar das Gegentheil davon vortragen: so soll ein solcher vorsetzlicher Ungehorsam gegen diesen Unsern landesherrlichen Befehl mit unfehlbarer Cassation und noch härter bestraft werden. §. 9. Unser geistliches Departement, sowol der Reformirten als Lutherischen Confeßion, erhält also hiedurch den gemessensten Befehl, stets ein offenes Auge auf die gesammte Geistlichkeit in Unsern Landen zu haben, damit jeder Lehrer in Kirchen und Schulen seine Schuldigkeit thun [sic], und dasjenige, was in vorhergehenden §. 8. gesagt worden ist, auf das genaueste beobachte, und müssen bey beiden Protestantischen Confeßionen die jedesmaligen Ministres und Chefs dieses Departements Uns dafür einstehen und haften, weil Wir es ihnen auf ihr Gewissen binden, und Uns übrigens völlig auf sie verlassen, daß sie als treue Diener des Staates über die Aufrechthaltung dieses landesherrlichen Edicts, bey Vermeidung Unserer höchsten Ungnade stets wachen werden. §. 10. Dem Vorigen gemäß, befehlen Wir also den jedesmaligen Chefs der beiden geistlichen Departements so gnädig als ernstlich, ihre vornehmste Sorge dahin gerichtet seyn zu lassen, daß die Besetzung der Pfarren sowol, als auch der Lehrstühle der Gottesgelahrtheit auf Unsern Universitäten, nicht minder der Schul-Aemter durch solche Subjecte geschehe, an deren innern Ueberzeugung von dem, was sie öffentlich lehren sollen, man nicht zu zweifeln Ursache habe; alle übrige Aspiranten und Candidaten aber, die andere Grundsätze äußern, müssen und sollen davon ohne Anstand zurück gewiesen werden, als worinn Wir besagten beiden Ministres stets freye Macht und Gewalt lassen wollen. §. 11. Nachdem aus allen diesem sattsam erhellet, daß es Uns ein großer Ernst ist, die christliche Religion in Unsern Staaten aufrecht zu erhalten, und so viel in Unserm Vermögen stehet, wahre Gottesfurcht bey dem Volke zu befördern; so ermahnen Wir alle Unsere getreue Unterthanen, sich eines ordentlichen und frommen Wandels zu befleißigen, und werden 5

AaO Bl. 3v.

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Wir bey aller Gelegenheit den Mann von Religion und Tugend zu schätzen wissen, weil ein jeder Gewissenloser und böser Mensch niemals ein guter Unterthan, und noch weniger ein treuer Diener des Staates weder im Großen, noch im Kleinen seyn kann. §. 12. Da die Feyer und Heiligung der Sonn- und Festtage in verschiedenen Edicten Unserer gottseligen Vorfahren in dem Edict d. d. 17ten December 1689, und in dem Patent d. d. 24sten Junii 1693, desgleichen in dem Edict d. d. 28sten October 1711, und d. d. 10ten Februar 1715, auch in der Declaration dieses Edicts d. d. 18ten Aug. 1718 bereits anbefohlen worden ist: so sollen sothane Edicte im Ganzen betrachtet, keines-6weges aufgehoben seyn; Wir behalten Uns aber vor, durch ein besonderes Policey-Gesetz nach dem Verhältniß der gegenwärtigen Zeiten, das nähere zu verordnen und festzusetzen. §. 13. Der geistliche Stand soll von niemand verachtet und gering geschätzet oder gar verspottet werden: als welches Wir jederzeit höchst mißfällig vermerken, und dem Befinden nach nicht ungeahndet lassen werden, weil dieses nur gar zu oft einen unvermeidlichen Einfluß auf die Verachtung der Religion selbst hat. Wir werden vielmehr auf das Wohl rechtschaffener Lehrer und Prediger bey aller Gelegenheit besondere Rücksicht nehmen, und um ihnen davon sogleich einen Beweis zu geben, wollen Wir das von Unsers in Gott ruhenden Großvaters Majestät erlassene Edict d. d. 14ten October 1737 die Befreyung ihrer Kinder vom Soldatenstande betreffend, hiemit erneuern und dahin bestimmen, daß alle Prediger-Söhne überhaupt, desgleichen die Söhne der Schul-Collegen in den Städten, wo Cantons sind, wenn sie sich den Wissenschaften, oder auch den bildenden Künsten, desgleichen dem Commercio widmen, darunter begriffen seyn sollen. Wofern sie hingegen Handwerke oder eine andere Lebensart erwählen, oder aber als Studirende nichts gelernt haben, und nach dem Examine abgewiesen werden, so soll jene Befreyung wegfallen, und werden Wir das Nöthige dieserhalb an die Regimenter zu ihrer Achtung in den Cantons erlassen. §. 14. Schließlich befehlen Wir Unsern sämtlichen Dicasteriis, desgleichen allen übrigen Obrigkeiten geistlichen und weltlichen Standes in Unserm Königreiche und gesamten Staaten, ob diesem Edict mit aller Strenge und Aufmerksamkeit zu halten; Für die übrige Geistlichkeit aber und alle Unsere getreue Vasallen und Unterthanen verordnen Wir, sich in ihren jedesmaligen Verhältnissen darnach zu achten, und geschiehet dadurch Unser so ernstlicher als gnädiger Wille. Gegeben Potsdam, den 9ten Julii 1788. Friedrich Wilhelm. L.S. v. Carmer. v. Dörnberg. v. Woellner.7

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Erneuertes Censur-Edict für die Preußischen Staaten exclusive Schlesien. De Dato Berlin, den 19. December 1788. Gedruckt bey G. J. Decker und Sohn, Königl. geheim. Ober-Hofbuchdruckern.8 Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preussen etc. etc. Thun kund und fügen hierdurch jedermann zu wissen: Ob Wir gleich von den großen und mannigfaltigen Vortheilen einer gemäßigten und wohlgeordneten Preßfreyheit, zur Ausbreitung der Wissenschaften, und aller gemeinnützigen Kenntnisse, vollkommen überzeugt, und daher solche in Unsern Staaten möglichst zu begünstigen entschlossen sind, so hat doch die Erfahrung gelehrt, was für schädliche Folgen eine gänzliche Ungebundenheit der Presse hervorbringe, und wie häufig dieselbe von unbesonnenen oder gar boßhaften Schriftstellern, zur Verbreitung gemeinschädlicher praktischer Irrthümer über die wichtigsten Angelegenheiten der Menschen, zum Verderbniß der Sitten durch schlüpfrige Bilder und lockende Darstellungen des Lasters, zum hämischen Spott und boßhaften Tadel öffentlicher Anstalten und Verfügungen, wodurch in manchen nicht gnungsam [sic] unterrichteten Gemüthern, Kummer und Unzufriedenheit darüber9 erzeugt und genährt werden, und zur Befriedigung niedriger Privat-Leidenschaften, der Verläumdung, des Neides, und der Rachgier, welche die Ruhe guter und nützlicher Staatsbürger stöhren, auch ihre Achtung vor dem Publiko kränken, besonders in den sogenannten Volksschriften bisher gemißbraucht worden. Da nun also, so lange die Schriftstellerey sich nicht blos in den Händen solcher Männer befindet, denen es um Untersuchung, Prüfung, Bekanntmachung, und Ausbreitung der Wahrheit würklich zu thun ist, sondern von einem großen Theile derjenigen, die sich damit beschäftigen, als ein bloßes Gewerbe, zu Befriedigung ihrer Gewinnsucht, und Erreichung anderer Nebenabsichten betrachtet wird, dieses Gewerbe der öffentlichen Aufsicht und Leitung des Staats, zur Verhütung besorglicher Mißbräuche, nicht ganz entbehren kann, und solche Mißbräuche besonders in dem gegenwärtigen Zeitalter sehr einreissen und überhand nehmen; so haben Wir nöthig gefunden, die in Unsern Staaten bisher ergangenen Censurgesetze, insonderheit das Edikt vom 11ten May 1749. und das Circulare vom 1ten Jun. 1772. nochmals nachsehen zu lassen, solche zu erneuern, wo es nöthig, näher und zweckmäßiger zu bestimmen, und in das gegenwärtige allgemeine Censur-Edikt zusammen zu fassen. Wir wollen und verordnen also hierdurch: I. Daß alle in Unsern Landen herauszugebende Bücher und Schriften der im nachstehenden verordneten Censur zur Genehmigung vorgelegt, und ohne deren Erlaubniß weder gedruckt, noch, es sey öffentlich oder heimlich, verkauft werden sollen. 8 9

GStA PK, X. HA, Rep. 40, Nr. 1926, Bl. 3r. AaO Bl. 4r.

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II. Die Absicht der Censur ist keinesweges, eine anständige, ernsthafte, und bescheidene Untersuchung der Wahrheit zu hindern, oder sonst den Schriftstellern irgend einen unnützen und lästigen Zwang aufzulegen, sondern nur vornemlich demjenigen zu steuern, was wider die allgemeinen Grundsätze der Religion, wider den Staat, und sowohl moralischer als bürgerlicher Ordnung entgegen ist, oder zur Kränkung der persönlichen Ehre, und des guten Namens anderer abzielet.10 III. 1) Die Censur sämtlicher in Unsern Landen herauskommender theologischer und philosophischer Schriften, übertragen Wir hierdurch, in Ansehung der Churmark, Unserm hiesigen Ober-Consistorio, in Ansehung der übrigen Provinzen aber, den mit den Landes-Regierungen verbundenen Provinzial-Consistoriis. 2) Die juristischen und überhaupt alle in das Justizwesen einschlagende Schriften, sollen in Berlin, der Mittel- und Uckermark, bey dem Cammergericht, in den übrigen Provinzen aber von den Regierungen und Landes-Justiz-Collegiis censirt werden. 3) Medicinische und chirurgische Bücher und Schriften bleiben in den Provinzen, wo besondere Collegia Medico-Chyrurgica sind, diesen, sonst aber Unserm hiesigen Ober-Collegio medico zur Censur unterworfen. 4) Alle Bücher und Schriften, welche den Statum publicum des deutschen Reichs, wie auch Unsers Hauses, und die Gerechtsame Unserer Staaten angehen, nicht weniger diejenigen, welche die Rechte auswärtiger Mächte und deutscher Reichsstände betreffen, und alle in die Reichs- und Staatengeschichte einschlagende Schriften, sie mögen in Unserm Lande herauskommen und gedruckt werden, wo sie wollen, gehören, ohne Ausnahme, zur Censur Unsers Departements der auswärtigen Angelegenheiten, und müssen den von diesem jedesmal zu ernennenden Censoren vorgelegt werden. 5) Wochen- und Monatsschriften vermischten Innhalts, gelehrte Zeitungen, oeconomische Aufsätze, Romanen, Schauspiele und andere kleine Schriften, insofern solche nach ihrem Hauptinnhalt zu einer der vorstehenden Classen nicht gehören, sollen an Orten, wo Universitäten sind, von diesen, sonst aber bey dem Landes-Justiz-Collegio der Provinz censirt werden. 6) Die Censur von Gelegenheitsgedichten und Schriften, Schulprogrammen, und andern einzelnen Bogen und Blättern dieser Art, bleibt an Orten, wo keine Universität ist, dem Magistrat des Druckorts überlassen. 7) Die politische Zeitungen werden in Berlin von dem durch das auswärtige Departement bestellten Censor, in den Provinzen aber von den Landes-Collegiis, welchen die Censur bisher schon aufgetragen gewesen, noch ferner censirt.11 IV. Von vorstehender Anordnung sollen nur folgende Ausnahmen statt finden: 1) Bücher und Schriften, welche von der hiesigen Akademie der Wissenschaften, oder auch von einzelnen würklichen Mitgliedern derselben, und des damit verbundenen Collegii Medico-Chirurgici über Gegenstände derjenigen Classe, bey welcher sie angesetzt sind, oder über Materien aus der Medicin und Chirurgie, unter Vorsetzung ihres Namens, und dieses ihres Characters, zum Druck befördert werden, sind von aller 10 11

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anderweitigen Censur befreyt. Jedoch hat es, wegen der von der Akademie veranstalteten Edikten-Sammlung, bey den deshalb bisher schon getroffenen Verfügungen auch ferner sein Bewenden. 2) Bücher und Schriften, welche auf Unsern Universitäten verfertiget und gedruckt werden, sind nur der Censur derjenigen Fakultät, in welche sie einschlagen, unterworfen. Doch bleiben davon die §. III. No. 4. näher bestimmte, das Staatsrecht und die politische Geschichte betreffende Schriften ausgenommen, welche, wenn sie auch von Professoren oder andern Mitgliedern einer Universität verfertiget worden, dennoch der von Unserm auswärtigen Departement abhangenden Censur vorgelegt werden müssen. V. Schriften, welche zu einer von denjenigen Classen gehören, worüber die Censur einem ganzen Collegio vorstehendermaaßen aufgetragen ist, müssen von dem Drucker oder Verleger dem Präsidenten oder Chef des Collegii zugestellt werden. Dieser kann, wenn er die Schrift, nach ihrem sogleich in die Augen fallenden Gegenstand und Innhalt, nach der genugsam bekannten Denkart, den Grundsätzen und der Zuverläßigkeit ihres Verfassers, oder nach der darinn gewählten Methode eines strengen wissenschaftlichen, nur Sachkundigen faßlichen Vortrags, ganz unbedenklich findet, die Erlaubniß zum Druck ohne weitere Rücksprache sofort ertheilen. Findet er aber dabey einiges Bedenken, oder sonst eine genauere Prüfung des Innhalt nöthig; so muß er die Handschrift, ohne den geringsten Verzug, einem der Mitglieder des Collegii zu solchem Behuf zustellen.12 Hat dieser gegen die Bekanntmachung der Schrift nichts zu erinnern, so muß er solches dem Präsidenten anzeigen, welcher, wenn er darüber mit dem speciellen Censor einverstanden ist, ebenfalls sofort, und ohne weitern Aufenthalt, den Druck verstattet. Wenn aber der besondere Censor, entweder bey der Schrift überhaupt, oder bey einzelnen Stellen darinn, Bedenklichkeiten wider den Druck und die Bekanntmachung derselben, die durch eine mit dem Verfasser, nach den Umständen, allenfalls zu nehmende Rücksprache nicht gehoben werden können, zu finden vermeinet, so muß er solche bey der nächsten Versammlung des Collegii ordentlich vortragen, und das Collegium muß sodann entscheiden, in wie fern dergleichen Schrift zum Druck zugelassen, oder verworfen werden solle. Uebrigens müssen die Präsidenten und Chefs der Collegiorum ernstlich darauf sehen, daß die unter ihrer Direction stehende Censur der Bücher, besonders solcher, deren Erscheinung in einem gewissen bestimmten Zeitpunkt erfolgen soll, durch die Saumseligkeit, Langsamkeit, oder übertriebene Aengstlichkeit der Censoren nicht ohne Noth aufgehalten, und ein schneller lebhafter Betrieb des dem Staate nützlichen Gewerbes der Druckerey, und des Buchhandels, nicht ohne die erheblichsten Ursachen gestört oder unterbrochen werde. Dagegen müssen aber auch Drucker und Verleger dafür sorgen, daß nur leserlich geschriebene Manuscripte zur Censur vorgelegt werden; und obgleich übrigens bey Schriften, wo wegen der herannahenden Messe, oder sonst, eine vorzügliche Beschleunigung des Drucks nöthig ist, nachgegeben wird, daß die Manuscripte fernerhin auch in einzelnen Bogen zur Censur eingereicht werden können, so müssen dennoch in einem solchen Fall, mit jedem folgenden, zugleich alle vorhergehende bereits abgedruckte Bogen, dem Censor mit vorgelegt werden, und dieser muß, um alles Einschieben, und eigenmächtige Veränderungen nach der Censur, möglichst zu verhüten, die Erlaubniß zum Druck auf einen jeden solchen einzelnen Bogen bemerken. 12

AaO Bl. 5v.

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VI. Ein Schriftsteller oder Verleger, welcher bey den Verfügungen der zur Censur geordneten Behörde, oder bey der von selbiger geschehenen Verweigerung der Erlaubniß zum Druck, sich nicht beruhigen zu können vermeint, kann seine Beschwerde darüber13 a. gegen die Landes-Justiz-Collegia und Consistoria bey dem vereinigten Justiz-Departement; b. gegen die Collegia medica in den Provinzen, bey dem Ober-Collegio medico; und gegen dieses bey dem General-Directorio; c. gegen den politischen und historischen Censor, bey dem auswäritgen [sic] Departement; d. gegen einen Magistrat bey der demselben vorgesetzten Landes-Regierung, jedoch mit gehöriger Bescheidenheit, unter Beylegung des verworfenen Manuscripts, und der Resolution, über die er sich beschwert, anbringen. Diese Ober-Instanzien müssen alsdann, allenfalls nach eingezogenen Bericht der untern Behörde, endlich entscheiden: in wie fern es bey der Verfügung derselben belassen, oder der Druck der von ihr verworfenen Schrift dennoch gestattet werden solle. Bis zum Erfolg dieser Entscheidung aber müssen Verleger und Drucker mit dem Abdruck der Schrift schlechterdings Anstand nehmen. VII. Ein Verleger und Buchdrucker, welcher eine Schrift zur Censur gehörig vorgelegt, und die Genehmigung zu deren Abdruck erhalten hat, wird von aller fernern Vertretung wegen ihres Innhalts völlig frey. Dem Verfasser aber kann eine gleichmäßige vollständige Befreyung nicht zu Statten kommen; sondern, wenn sich finden sollte, daß er den Censor zu übereilen, seine Aufmerksamkeit zu hintergehen, oder sonst durch unzuläßige Mittel die Erlaubniß zum Druck zu erschleichen gewußt habe, so bleibt er deshalb, besonders bey einzelnen in einem weitläuftigen Werke vorkommenden unerlaubten Stellen, nach wie vor verantwortlich. Ist in einem solchen Falle der Verfasser nicht genannt, so muß der Verleger denselben anzeigen, und wenn er dieses nicht kann oder will, die Verantwortung an dessen Stelle übernehmen, auch sich gefallen lassen, daß nach Verhältniß der von dem Verfasser selbst verwürkten Strafe, seine Renitenz oder Unvorsichtigkeit nachdrücklich geahndet werden. Uebrigens versteht es sich von selbst, daß wenn in einer Schrift Stellen vorkommen, wodurch eine Privatperson sich für beleidigt hält, derselben, der erfolgten Censur und Erlaubniß zum Druck ohnerachtet, ihre Rechte gegen den Verfasser und Verleger vorbehalten bleiben.14 VIII. Was die gegen die Uebertretungen dieses Gesetzes zu verordnenden Strafen betrift, so setzen Wir hierdurch fest: 1) Daß jeder Buchdrucker und Verleger, welcher irgend eine Schrift drucken läßt, ohne zuvor die gesetzmäßige Erlaubniß dazu nachgesucht und erhalten zu haben, schon um deswillen, und ohne übrigens auf den Innhalt der Schrift Rücksicht zu nehmen, mit einer fiscalischen Strafe von Fünf bis Funfzig Rthlr. belegt werden sollen.

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AaO Bl. 6r. AaO Bl. 6v.

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2) Findet sich aber auch noch über dieses, daß der Innhalt der Schrift selbst unerlaubt und strafbar sey; dergestalt, daß wenn solche der Censur wäre vorgelegt worden, die Erlaubniß zum Druck nicht erfolgt seyn würde; so soll die ganze Auflage confisciret und vernichtet, der Drucker aber noch außerdem um den doppelten Betrag der verdienten Druckkosten, so wie der einländische Verleger, welcher den Druck für seine Rechnung veranstaltet hat, um den doppelten Betrag des allenfalls durch Sachkundige zu bestimmenden Ladenpreises, nach der ganzen Stärke der gemachten Auflage, fiscalisch bestraft werden. 3) Hat ein einländischer Buchdrucker eines auswärtigen Verlegers sich eines solchen Vergehens schuldig gemacht, so muß derselbe für die von dem fremden Verleger verwürkte Strafe selbst haften. 4) Ist ein einländischer Verleger und Buchdrucker darauf, daß er Schriften unerlaubten Innhalts, mit Vorbeygehung der geordneten Censur gedruckt, oder drucken lassen, schon mehr als einmal betroffen worden, so soll er, nach Bewandniß der Umstände, statt der sub No. 2. bestimmten fiscalischen Geldbuße, mit dem Verlust seines Privilegii, und der Erlaubniß zum fernern Betrieb seines Gewerbes, oder, wenn es der Verfasser selbst wäre, der den eigenen Verlag seiner Werke besorgt, mit verhältnißmäßiger Gefängniß- oder Festungsstrafe belegt werden. 5) Ein Verleger, welcher sich auf dem Titel eines ohne Censur gedruckten Buches nicht nennt, einen unrichtigen Druckort angiebt, oder doch den wahren verschweigt, erregt den Verdacht wider sich, daß er um den strafbaren Innhalt eines solchen Buches gewußt habe, und soll, wenn dieser Verdacht bey der Untersuchung nicht völlig abgelehnt werden kann, noch außer der durch die Uebertretung der Censurgesetze verwürkte Ahndung, als ein Theilnehmer an dem Vergehen des Verfassers angesehen werden.15 6) Werden in einem Manuscript, nachdem solches die Censur bereits paßirt ist, Zusätze oder Abänderungen gemacht, so muß solches von dem Drucker oder Verleger der Censur abermals vorgelegt werden. Unterbleibt dieses, oder werden die Anweisungen der Censur nicht befolgt, so wird solches dafür angesehen, als wenn die Schrift gar nicht zur Censur wäre gebracht worden. Hat hingegen der Schriftsteller selbst sein Manuscript zur Censur gebracht, solches nach erhaltener Approbation zurück genommen, und es erst hiernächst zum Druck befördert, so soll, wenn in dem gedruckten Werke anstößige Stellen sich finden, von welchen der Censor auf seine Pflicht versichert, daß sie in dem ihm vorgelegten Manuscript nicht enthalten gewesen, jedesmal genau untersucht werden, durch wessen Zuthun dergleichen Einschiebungen in das Werk gekommen sind; und derjenige, welcher sich solches hat zu Schulden kommen laßen, soll dafür mit nachdrücklichen Strafen, nach den Grundsätzen des gegenwärtigen Edicts, belegt werden. IX. Anlangend die den Censoren für ihre Mühwaltung zukommende Remuneration, so lassen Wir es dabey bewenden, daß dieselben, außer einem Exemplar der censirten Schrift, Zwey gute Groschen von jedem gedruckten Bogen, ohne Unterschied des Formats, von den Verlegern erhalten sollen. X. So viel hiernächst die auswärts gedruckten Schriften betrift, so sollen die einländischen Buchhändler dergleichen Bücher, welche gegen die in dem 2ten §pho vorgeschriebenen Grundsätze anstossen, und also in hiesigen Landen nicht würden gedruckt werden 15

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dürfen, zum hiesigen Debit schlechterdings nicht übernehmen, noch weniger solche öffentlich oder heimlich verkaufen. Ist solches gleichwohl von ihnen unwissend geschehen, so müssen sie, sobald sie von der Gesetzwidrigkeit des Innhalts Kenntniß erhalten, oder bey ihnen selbst Bedenklichkeiten darüber entstehen, mit dem Debit inne halten, und der competenten Censurbehörde, mit getreuer Angabe sämtlicher bey ihnen noch vorrätigen Exemplarien, davon Anzeige machen; welche Behörde, wenn sie den fernern Verkauf zu gestatten bedenklich findet, dafür sorgen muß, daß der ge-16sammte Vorrath der Exemplarien entweder confiscirt, und der Buchhändler wegen seiner etwanigen Auslagen entschädiget, oder daß solche sofort wiederum über die Grenze geschaft werden. Kann der einländische Buchhändler überführet werden, daß ihm der gesetzwidrige Innhalt einer solchen zum Debit übernommenen Schrift bekannt gewesen, und er dennoch den Debit derselben öffentlich oder heimlich fortgesetzt habe; so finden gegen ihn die §.8. No. 2. geordneten Strafen, nach Verhältniß der Anzahl der übernommenen Exemplarien, auch nach Bewandniß der Umstände der sub No. 4. gedachte Verlust des Privilegii Anwendung. Kann zwar dergleichen Wissenschaft nicht ausgemittelt werden, es ergiebt sich aber aus den Umständen eine schuldbare Unvorsichtigkeit des einländischen Buchhändlers, so soll derselbe, außer der Confiscation der vorrätigen Exemplarien, nach Verhältniß des Grades dieser Verschuldung, mit Zehn bis Funfzig Rthlr. fiscalischer Strafe belegt werden. Hat endlich ein einländischer Verleger dergleichen an sich unerlaubte Schrift auswärts selbst drucken lassen, um solche der hiesigen Censur zu entziehen, so soll er eben so, als wenn der Druck, mit Hintansetzung der Censur, innerhalb Landes geschehen wäre, bestraft werden. XI. Die zur Censur verordneten Behörden sind berechtigt, sobald sie von Büchern, deren Debit in hiesigen Landen nach den Grundsätzen §. II. unzuläßig ist, es mögen nun solche in- oder ausserhalb Landes gedruckt seyn, auf eine oder die andere Art Kenntniß erlangen, den fernern Verkauf derselben durch ein an alle Buchhändler erlassenes Circulare zu untersagen. Sobald dies geschehen ist, müssen die Buchhändler, bey der im vorigen Paragraphen verordneten Strafe, alles fernern Debitirens und Verbreitens solcher verbotenen Schriften sich gänzlich enthalten, und die Policey, welcher von einem solchen Verbot sofort Anzeige zu machen ist, muß auf die Befolgung desselben genau Acht haben, auch die Uebertreter der Behörde zur gesetzmäßigen Ahndung anzeigen. Eben so müssen die Vorsteher und Unternehmer von Lese-Bibliotheken und Lese-Gesellschaften der Verbreitung solcher verbotenen Bücher sich ebenfalls gänzlich enthalten; und sollen dieselben, wenn sie einem dergleichen Verbot wissent-17lich zuwider handeln, gleich den Buchhändlern, die sogenannten Herumträger aber, welche wissentlich verbotene Bücher andern zubringen, mit verhältnißmäßigem Gefängniß auf acht Tage bis sechs Wochen bestraft werden. Wir befehlen also hierdurch jedermann, besonders aber allen Buchhändlern und Buchdruckern in Unsern Landen, sich nach dem Innhalt des gegenwärtigen Edikts auf das genaueste zu achten; und tragen Unsern sämmtlichen Landes-Justiz-Collegiis und übrigen Gerichten, insonderheit aber dem Officio Fisci ausdrücklich und gemessenst auf, über einer genauen und unverbrüchlichen Befolgung desselben pflichtmäßig zu halten, auch gegen die Uebertreter mit den darinn verordneten Strafen ohne Nachsicht 16 17

AaO Bl. 7v. AaO Bl. 8r.

Quellenanhang

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und Ansehn der Person zu verfahren. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift, und beygedrucktem Innsiegel. So geschehen und gegeben Berlin, den 19. December 1788. Friedrich Wilhelm. L.S. von Carmer.18

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AaO Bl. 8v.

Quellen- und Literaturverzeichnis Die Aktentitel werden originalgetreu nach den Angaben auf den Akten selbst wiedergegeben. Alle Uneinheitlichkeiten sind daher übernommen. Die Abkürzungen in den Angaben der Sekundärliteratur folgen Siegfried M. Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, 2. Aufl., Berlin/New York 1992. Zusätzliche in der vorliegenden Darstellung gebrauchte Abkürzungen – auch im Hinblick auf die Akten – sind im Abkürzungsverzeichnis aufgeschlüsselt.

1. Quellen a) Archivalische Quellen Die angeführten archivalischen Quellen finden sich im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin. BPH, Rep. 47 König Friedrich II., Nr. 1187 Acta betr. die Ver- und Entsiegelung der von des höchstseeligen Königs Friedrich II. Maj. sowohl in Sans-Souci als in dem Schlosse zu Potsdam bewohnten Zimmer; desgleichen die dem Geheimen Rath Beyer und Kammer-Rath Woellner besonders übertragene Inventur daselbst. BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., A Jugendzeit, Nr. 54 Acta betr. die Bitte des Ministers von Wöllner, ihm die Manuskripte über seine dem verstorbenen König als Kronprinzen gehaltenen Collegia über Finanz- und Cameral-Wissenschaft zurückzugeben. BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., F Lebensumstände II Beziehungen zum geistigen Leben, Nr. 8 Briefe rosenkreuzerischen Inhalts an den Kronprinzen sp. Kg. Friedrich Wilhelm II. (unter seinem Ordensnamen Ormesus), Bd. 1. BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., F Lebensumstände II Beziehungen zum geistigen Leben, Nr. 9 Briefe von verschiedenen Personen an Hans Rudolf v. Bischoffwerder, meist mystischen und rosenkreuzerischen Inhalts. BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., J Briefwechsel, Nr. 47, Bd. 1. BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., J Briefwechsel, Nr. 50 Briefe des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preussen an seinen Sohn, den Kronprinzen Friedrich Wilhelm (III). BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., K Krankheiten, Ableben, Nachlaß, Nr. 2 Acta betr. das Absterben Königs Friedrich Wilhelm II. Maj. Bekanntmachung deßelben an die innern LandesBehoerden, Anordnung der Trauer pp und die Thronbesteigung des Königs Friedrich Wilhelm III. Maj. BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., K Krankheiten, Ableben, Nachlaß, Nr. 3 Briefe von Haugwitz, St. Patern u. Bischoffwerder an Kronprinz F. W. (III.) über die Letzte Krankheit Sr. Maj. Friedrich Wilhelm II. 1797.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., K Krankheiten, Ableben, Nachlaß, Nr. 8 Acta Wegen Abkündigung des Absterben[s] Sr. Königl. Maj. des Königes und die zu haltende Leichen Predigt. BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., K Krankheiten, Ableben, Nachlaß, Nr. 9 Programm zum Leichenbegängniss [sic] Sr. Maj. des Königs Friedrich Wilhelm II. 1797. BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., K Krankheiten, Ableben, Nachlaß, Nr. 12 Acta betr. das Leichenbegängniß Sr. Hochseel. Königs Friedrich Wilhelms II. Majestaet, die Anordnung der GedächtnißPredigten. BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., K Krankheiten, Ableben, Nachlaß, Nr. 13 a Königs Friedrich Wilhelm II Absterben. Impressa. BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., L Varia, Nr. 47. BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., M Spuria, Nr. 62 Briefe verschiedener Personen von und an den Geheimen Kämmerer Ritz. 1772–1797. BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., M Spuria, Nr. 64 Heirath mit Ritz (1782). BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., M Spuria, Nr. 80. BPH, Rep. 48 König Friedrich Wilhelm II., M Spuria, Nr. 91 Acta betr. Untersuchung gegen die Gräfin Wilhelmine von Lichtenau, geb. Enke, ihre Haft in Glogau und Wiederverheiratung mit […] Holbein. BPH, Rep. 192, Nl Johann Friedrich Ritz, Abt. A Korrespondenzen, Nr. 2275 Briefe Staatsminister von Woellner 1787–97. I. HA Geheimer Rat, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, F 2a Buchhändler- u. Drucker, Bücherwesen; Zensur, Zensoren, Zensurreglements; Geschriebene Zeitungen, Bulletins, Editionen 1585–1819, Fasz. 21 Acta betr. Bücherwesen und Zensur. 1788–1791. I. HA Geheimer Rat, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, F 2a Buchhändler- u. Drucker, Bücherwesen; Zensur, Zensoren, Zensurreglements; Geschriebene Zeitungen, Bulletins, Editionen 1585–1819, Fasz. 22 Acta wegen des Censur-Wesens in den Preußischen Staaten. I. HA Geheimer Rat, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, F 2a Buchhändler- u. Drucker, Bücherwesen; Zensur, Zensoren, Zensurreglements; Geschriebene Zeitungen, Bulletins, Editionen 1585–1819, Fasz. 24 Bücherwesen und Zensur. 1792–1793. I. HA Geheimer Rat, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, F 2a Buchhändler- u. Drucker, Bücherwesen; Zensur, Zensoren, Zensurreglements; Geschriebene Zeitungen, Bulletins, Editionen 1585–1819, Fasz. 27 Acta betr. Zensursachen. 1793–95. I. HA Geheimer Rat, Rep. 21 Brandenburgische Städte, Ämter und Kreise nebst einigen Materien betr. die innere Verwaltung der Mark, Nr. 127 Protokolle, Nr. 105 1790–1793. I. HA Geheimer Rat, Rep. 21 Brandenburgische Städte, Ämter und Kreise nebst einigen Materien betr. die innere Verwaltung der Mark, Nr. 127 Protokolle, Nr. 106 1794–1798. I. HA Geheimer Rat, Rep. 36 Hof- und Güterverwaltung, Nr. 657 Einnahme und Ausgabe der Königlichen Dispositions Gelder. Pro Trinitatis 17 86/87. I. HA Geheimer Rat, Rep. 36 Hof- und Güterverwaltung, Nr. 658 Rechnung über Einnahme und Ausgabe bey der Königlichen Dispositions-Casse. Pro Trinitatis 17 87/88. I. HA Geheimer Rat, Rep. 36 Hof- und Güterverwaltung, Nr. 659 Rechnung über Einnahme und Ausgabe bey der Königlichen Dispositions-Casse. Pro Trinitatis 17 88/89. I. HA Geheimer Rat, Rep. 36 Hof- und Güterverwaltung, Nr. 660 Rechnung über Einnahme und Ausgabe bey der Königlichen Dispositions-Casse. Pro Trinitatis 17 89/90. I. HA Geheimer Rat, Rep. 36 Hof- und Güterverwaltung, Nr. 661 Rechnung über Einnahme und Ausgabe bei der Königlichen Dispositions Casse. Pro Trinitatis 179 0/1.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

I. HA Geheimer Rat, Rep. 36 Hof- und Güterverwaltung, Nr. 662 Rechnung über Einnahme und Ausgabe bei der Königlichen Dispositions Casse. Pro Trinitatis 179½. I. HA Geheimer Rat, Rep. 36 Hof- und Güterverwaltung, Nr. 662/1 Rechnung über Einnahme und Ausgabe bei der Königlichen Dispositions Casse. Pro Trinitatis 179 2/3. I. HA Geheimer Rat, Rep. 36 Hof- und Güterverwaltung, Nr. 663 Rechnung über Einnahme und Ausgabe bey der Königlichen Dispositions Casse. Pro Trinitatis 179 4/5/6. I. HA Geheimer Rat, Rep. 36 Hof- und Güterverwaltung, Nr. 664 Königliche Dispositions-Kassen-Rechnung. 1794–1797. I. HA Geheimer Rat, Rep. 36 Hof- und Güterverwaltung, Nr. 809 Acta die Trauer und das Leichenbegängnis des Prinzen Ludewig v. Preussen 2. Sohn des Königs Maj. Frdr. Willhelms II [sic]. I. HA Geheimer Rat, Rep. 36 Hof- und Güterverwaltung, Nr. 810 Acta die Trauer der Hofstadt, und Beisetzung der Hochseelgen verwittweten Königin Maj. Elisabeth Christine. 1797. I. HA Geheimer Rat, Rep. 36 Hof- und Güterverwaltung, Nr. 811 Trauerfeierlichkeiten und Begräbnis des am 16. November 1797 verstorbenen Königs Friedrich Wilhelm II. 1797–1798. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Tit. 1, Heft 33 Acta wegen der bey Gelegenheit des Religions-Edicts de 9. Jul. 1788 bey einigen Ober-Consistorial-Räthen entstandenen Bedenken. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Tit. 1, Heft 35 Acta betr. Anweisung der lutherischen Prediger zur Führung ihres Amtes. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 1 Reskripte, Relationen, Bd. 36 Acta betr. Versorgung der Lehrer an den Kadettenhäusern und anderen Anstalten 1794–1800. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 1 Reskripte, Relationen, Bd. 38 Acta betr. Edikte, Reskripte, Relationen usw. 1795–1799. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 2 a Schulsachen 1787– 1800 [Ministerial-Archiv 17], Paket-Nummer 15555. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 4 Anstellungen beim Consistorium 1770–1793 [Ministerial-Archiv 26.1], Paket-Nummer 15565. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 4 Anstellungen beim Consistorium 1794–1798 [Ministerial-Archiv 26.2], Paket-Nummer 15566. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 5 Pfarrbesetzungen 1741–1760 [Ministerial-Archiv 32], Paket-Nummer 15571. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 5 Pfarrbesetzungen 1782–1789 [Ministerial-Archiv 36], Paket-Nummer 15575. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 5 Pfarrbesetzungen 1790–1796 [Ministerial-Archiv 37], Paket-Nummer 15576. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 5 a 1 [Ministerial-Archiv 89], Paket 3. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 8 Delicta der Geistlichen (1785–1795) [Ministerial-Archiv 105], Paket-Nummer 15662. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 8 Delicte der Geistlichen (1771–1800) [Ministerial-Archiv 106], Paket-Nummer 15663. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 16 Reformierte Religion 1750–1809 [Ministerial-Archiv 139], Paket-Nummer 15711. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 21 Conciones, Examen, Katechismus 1711. 1718–1809 [Ministerial-Archiv 161], Paket-Nummer 15730.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Tit. 23 Catholica 1669–1782, Fasz. 2 14.4.1740–9.7.1740. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Nr. 25a Secten 1788 [Ministerial-Archiv 175], Paket-Nummer 15754. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Abt. B 4 Berlin, Fasz. 23 a Akten Gymnasien zu Berlin und Cölln, 1743–1808. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Abt. B 4 Berlin, Fasz. 25 Die Besetzung der Berliner Landinspektion, 1769–1808. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Abt. B 4 Berlin, Fasz. 26 Geistliche Angelegenheiten von Berlin, 1781–1788. I. HA Geheimer Rat, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten, Abt. B 4 Berlin, Fasz. 27 Geistliche Angelegenheiten von Berlin, 1790–1799. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. I Oberschulkollegium 1787–1809, Nr. 1 Acta generalia des Königl. Ober-Schul-Collegii, die Errichtung, Einrichtung und ganze Verfassung des OberSchul-Collegii, auch dessen Fonds betreffend. Vol. I. 1787–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. I Oberschulkollegium 1787–1809, Nr. 2 Acta generalia des Königl. Ober-Schul-Departements, die Einrichtung und ganze Verfassung des Ober-SchulDepartements, auch dessen Fonds betreffend. Vol. II. 1797–1807. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 1 Acta Generalia betreffend: Einrichtungen, Verfügungen pp beziehlich auf sämtliche Königliche Landes-Universitäten. Vol. I. 1787–1794. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 2 Acta gen. des Königl. Ober-Schul-Collegii, modo Ober-Curatorii der Universitäten betreffend Einrichtungen, Verfügungen pp beziehlich auf sämmtliche Königl. Landes-Universitäten. Vol. II. 1794–1799. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 26 Acta generalia des Königl. Ober-Schul-Collegii, modo Ober-Curatorii der Universitäten. die Universität Halle betreffend. Vol. I. 1787–1791. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 27 Acta generalia des Königl. Ober-Schul-Collegii, modo Ober-Curatorii der Universitäten. die Universität Halle betreffend. Vol. II. 1791–1795. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 28 Acta generalia des Königl. Ober-Schul-Collegii, modo Ober-Curatorii der Universitaeten. die Universität Halle betreffend. Vol. III. 1796–1799. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 51 Acta des Königl. Ober-Schul-Collegii, modo Ober-Curatorii der Universitaeten, wegen des Prorectorat-Wechsels bei der Universität Halle. 1788–1807. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 52 Acta des Königlichen Ober-Schul-Collegii betreffend: die Anstellung und Dienst-Entlassung des Kanzlers der Universität Halle von Hoffmann. 1786–1791.

610

Quellen- und Literaturverzeichnis

I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 82 Acta des Königl. Ober-Schul-Collegii, betr. von Halleschen Studenten erregte Tumulte, Excesse, Händel unter sich, und Schuld-Klagen gegen erstere. Vol. I. 1789–1795. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 88 Acta des Königl. Ober-Schul-Collegii, betr. die der theologischen Fakultät zu Halle ertheilte Instruction zu ihren theologischen Vorlesungen, und deshalb entstandene Differenzien. 1794. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 140 Acta generalia des Königl. Ober-Schul-Collegii, modo Ober-Curatorii der Universitäten, von der Universität zu Frankfurth an der Oder. Vol. I. 1787–1798. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 197 Acta des Königl. Ober-Schul-Collegii, die Vorlesungen auf der Universität Frankfurth an der Oder betreffend. Vol. I. 1787–1796. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 232 Acta generalia des Königl. Ober-Schul-Collegii, modo Ober-Curatorii der Universitäten, von der Universität zu Koenigsberg in Preussen. 1788–1799 Vol. I. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 255 Acta des Königl. Ober-Schul-Collegii, die Lections-Catalogos der Universität Koenigsberg in Preussen, betr. Bd. 1 1787–1796. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 265 Die Vorlesungen auf der Universität Königsberg. Vol. I. 1787–1796 [auf der Akte ist vermerkt, daß das Aktenstück II 265, zu dem die dortigen Kabinettsordres gehören, verloren ist]. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. II Oberkuratorium der Universitäten 1787–1807, Nr. 285 Acta generalia des Königl. Ober-Schul-Collegii, modo Ober-Curatorii der Universitaeten über die Universität Duisburg. Vol. I. 1788–1803. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 1 Instruktion für die Geistliche Immediat-Examinationskommission vom 31. August 1791. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 2 Acta Generalia der Geistlichen Immediat Examinations-Commission betreffend die Errichtung derselben, ihre Einrichtung, und die Regulirung ihrer Geschäfte. 1791. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 5. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 6 betreffend die Einrichtung der AltMärkischen Provinc-Exam.Commission zu Stendal und Regulirung ihrer Geschäfte. 1793. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 7 betreffend die Geistl. Provinc-Exam.Commission zu Halberstadt und deren Geschäfte. 1793–1794.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 8 betreffend die Einrichtung der Clevischen Exam.Commission zu Wesel und Regulirung ihrer Geschäfte; desgl. die halbjährigen Berichte derselben. 1793–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 9 betreffend die Einrichtung der Geistl. Exam.Commission zu Magdeburg und deren Geschäfte. 1793–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 10 betreffend die Provinc-Exam.Commission zu Minden und deren Geschäfte. 1793– 1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 12 betreffend die Ostpreuß. Provinc-Commission zu Königsberg und deren Geschäfte. 1795–1796. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 13 betreffend die Provinc-Exam-Comission [sic] zu Frömern in Westphalen. 1794–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 14 betreffend die Einrichtung der Jährlichen Synodal-Zusammenkünfte. 1794. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 15 enthaltend Verfügungen die Beförderung der Candidaten u. Prediger betreffend. 1794–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 16 betreffend die Umständl. Anweisung für die Ev. Luth. Prediger zur Gewißenhaften und Zwekmäßigen Führung ihres Amts. d. d. Berlin d. 9. April 1794. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 17 betreffend die Tentamina der angehenden Feldprediger. 1792–1793. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 18 betreffend die Tentamina der angehenden Feldprediger. 1794–1795. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 19 betreffend die Tentamina der zu Feldpredigern vocirten Subjekte. 1796–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 20 betreffend die Tentamina der angehenden Feldprediger. 1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 21 das Beförderungswesen betreffend. enthalten Bitten, Vorschläge, Empfehlungen zu einzelnen Beförderungs- und Gehalts-Verbesserungen. 1792–1795. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 22 das Beförderungswesen betreffend. Vorschläge, Bitten, Empfehlungen u. Verfügungen

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Quellen- und Literaturverzeichnis

zu einzelnen Beförderungen u. Gehaltsverbesserungen enthaltend. 1795 – Februar 1796. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 23 betreffend das Beförderungswesen. enthaltend Vorschläge, Bitten und Beförderungen. 1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 24 betreffend Die jährlich eingeschikten Visitationspredigten sämtlicher Prediger in den Preuß. Staaten. 1791–1793. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 25 Die eingeschikten Visitations Predigten sämtlicher Prediger in den Preußischen Landen [Bd. 2 1794–1797]. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 26 Weitere Verwendung des Heidelberger Katechismus als Grundlage des Unterrichts in der reformierten Religion. Jan. 1790. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 27 Votum des Silberschlag zur Einführung des neuen Katechismus „Die ersten Gründe der christlichen Lehre“. Febr. 1790. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 28 Die Verfertigung u. Einführung des Allgem. Lehrbuchs: Die Christl. Lehre im Zusammenhange [Bd. 1 1792]. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 29 betreffend die Einführung des Allg. LandesCatechism. „Die Christl. Lehre im Zusammenhang“. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 30 Der Allgem. LandesCatechismus: die Christl. Lehre im Zusammenhang. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 31 Acta der Geistlichen Immediat-Examinations-Commission enthaltend verschiedne theils von der Commission veranlaßte, theils derselben bloß zur Nachricht und Achtung mitgetheilte Verfügungen des Königlichen OberSchulCollegii in Schul- und Universitäts-Sachen. 1792–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 32 Zensur und Verbot der Schrift von Villaume „Beleuchtung der Roennebergschen Schrift über die symbolischen Bücher“. Februar 1791 – März 1791. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 33 Vorschläge und Verfügungen betreffend das Religions- und Kirchenwesen im Ganzen, Bd. 1 1792–1793. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 34 enthaltend verschiedne Vorschläge und Anträge zu Verbesserungen im Religions- u.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Kirchenwesen; desgl. zu Abstellung verschiedner Mißbräuche u. Unordnungen im Ganzen u. Einzelnen. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 35 enthaltend verschiedne Anträge, Vorschläge Anzeigen zu Verbesserungen im Kirchenu Schulwesen. 1791–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 36 enthaltend Anzeigen, Vorschläge, und dadurch veranlaßte Verfügungen über verschiedne kirchliche Gegenstände u. Vorfälle. 1793. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 37 enthaltend die halbjährigen GeneralBerichte der Provinc-Examinat. Commission zu Halberstadt. 1793–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 38 enthaltend die halbjährigen GeneralBerichte der Provinc-Exam. Commission zu Magdeburg. 1793–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 39 enthaltend die halbjährigen GeneralBerichte der Provinc-Exam.Comission [sic] zu Minden. 1793–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 40 enthaltend die nach der Instruction d.d. 3. Febr. 1793 einzuschikenden halbjährigen GeneralBerichte der Neumärkischen Provinc-Exam-Commission zu Cüstrin. 1793–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 41 enthaltend die halbjährigen GeneralBerichte der Provinc-Exam.Commission zu Aurich in Ostfrießland. 1793–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 42 enthaltend die halbjährigen General-Berichte der Geistl. Exam.Commission zu Königsberg. 1794–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 43 enthaltend die halbjährigen General Berichte der Pommerschen Provinc-Exam.Commission zu Stettin. 1793–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 44 betreffend die halbjährigen General Berichte der Provinc-Exam-Commission zu Soest in Westphalen. 1794–1797. I. HA, Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, Abt. XV Geistliche Immediat-Examinationskommission (1791–1797), Nr. 45 enthaltend die halbjährigen General-Berichte der Westpreußischen Provinc-Exam. Commission zu Marienwerder. 1793–1797. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. V Akten von Carmers und von Goldbecks, Nr. 368 Acta die Justiz Einrichtung in den Fürstenthümern Ansbach und Bayreuth betr. 1795.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. V Akten von Carmers und von Goldbecks, Nr. 382 Acta Commissionis Generalia die Einführung der preußischen Justitz-Verfaßung in Bayreuth betreffend. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. VII Akten von Carmers und von Goldbecks, Nr. 523 Acta wegen Vertheilung der Geschäfte zwischen den Neuostpreußischen Landes-Collegia. 1797. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. VII Akten von Carmers und von Goldbecks, Nr. 525 Bd. 1 Acta des Justiz-Ministeriums betreffend: die Geistlichen Sachen in NeuOst- und SüdPreussen. 1796–1801. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. IX Akten der Gesetzkommission 1781–1808. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. X Akten des Justizministers von Carmer bzw. des Justizdepartements betr. die Gesetzgebung und Einrichtung der Justiz. 1780–1809, Nr. 130 Acta Zu fiscalischen Untersuchungs Sachen gegen den Doctorem phylosophie Heinrich Würtzer. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. X Akten des Justizministers von Carmer bzw. des Justizdepartements betr. die Gesetzgebung und Einrichtung der Justiz. 1780–1809, Nr. 141 Acta Die wider den Doctor Bahrdt et Complices, wegen einiger gegen das Religions Edict erschienener ärgerlicher Schriften, und vorhabender Stiftung einer verdächtigen Gesellschafft unter der Benennung XXII. Allerhöchst veranlaßte Fiscalische Untersuchung betreffend 1789. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. XVI Akten und Materialien zum Allgemeinen Landrecht und zur Allgemeinen Gerichtsordnung. 1780–1797, Nr. 1 Acta betreffend die Etablirung der Gesetz Commission und deren Unterhaltung, Bd. 1 1780–1781. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. XVI Akten und Materialien zum Allgemeinen Landrecht und zur Allgemeinen Gerichtsordnung. 1780–1797, Nr. 3 Acta über das Allgemeine-LandRecht, Bd. 1 Enthält die Jahrgänge 1780 bis 1784. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. XVI Akten und Materialien zum Allgemeinen Landrecht und zur Allgemeinen Gerichtsordnung. 1780–1797, Nr. 3 Acta über das Allgemeine-LandRecht, Bd. 2 Enthält die Jahrgänge 1785 bis 1787. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. XVI Akten und Materialien zum Allgemeinen Landrecht und zur Allgemeinen Gerichtsordnung. 1780–1797, Nr. 3 Acta über das Allgemeine Land-Recht, Bd. 3 Enthält die Jahrgänge 1788 und 1789. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. XVI Akten und Materialien zum Allgemeinen Landrecht und zur Allgemeinen Gerichtsordnung. 1780–1797, Nr. 3 Acta über das Allgemeine-Landrecht, Bd. 4 Enthält die Jahrgänge 1790 und 1791. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. XVI Akten und Materialien zum Allgemeinen Landrecht und zur Allgemeinen Gerichtsordnung. 1780–1797, Nr. 3 Acta über das Allgemeine Land-Recht, Bd. 5 Enthält die Jahrgänge 1792 bis 1794. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. XVI Akten und Materialien zum Allgemeinen Landrecht und zur All-

Quellen- und Literaturverzeichnis

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gemeinen Gerichtsordnung. 1780–1797, Nr. 6 Acta über das Allgemeine Land-Recht, Bd. 8 Enthält die Acten betreffend die Publikation des Allgemeinen Land-Rechts. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. XVI Akten und Materialien zum Allgemeinen Landrecht und zur Allgemeinen Gerichtsordnung. 1780–1797, Nr. 7 Materialien zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten, Bd. 1 Vorarbeiten zu dem Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuchs. Erste Sammlung. Fundamental Cabinets-Order und die ersten vorbereitenden Materialien. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. XVI Akten und Materialien zum Allgemeinen Landrecht und zur Allgemeinen Gerichtsordnung. 1780–1797, Nr. 7 Materialien zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten, Bd. 14 Materialien des Entwurfs eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten. Erster Theil. Abtheilung II. Vierte Sammlung. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. XVI Akten und Materialien zum Allgemeinen Landrecht und zur Allgemeinen Gerichtsordnung. 1780–1797, Nr. 7 Materialien zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten, Bd. 15 Materialien des Entwurfs eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten. Erster Theil. Abtheilung II. Fünfte Sammlung. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. XVI Akten und Materialien zum Allgemeinen Landrecht und zur Allgemeinen Gerichtsordnung. 1780–1797, Nr. 7 Materialien zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten, Bd. 80 Suarez Revision der Monitorum zum Entwurf des Allgemeinen Gesetzbuch’s, Beiheft 3 Abschrift von Bd. 80 Zweite und Dritte Abtheilung. I. HA, Rep. 84 Akten des Justizdepartements und der Großkanzler von Carmer und von Goldbeck, Abt. XVI Akten und Materialien zum Allgemeinen Landrecht und zur Allgemeinen Gerichtsordnung. 1780–1797, Nr. 7 Materialien zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten, Bd. 88 Materialien über die Revision des Allgemeinen-Gesetz-Buchs und die Publikation desselben als Allgemeines Land-Recht. I. HA, Rep. 94 Kleine Erwerbungen, IV, L.a. Nr. 6 Villaume’s Erklärung, betr. die Manuscripte Friedrich’s II. d.d. 1786. Sept. und des Sohnes Villaumes, Dec. 1830. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 206 A Abhandlung von den Finanzen. 1784. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 206 B, Bd. 1 Abhandlung über die Bevölckerung. Erster Band. 1784. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 206 B, Bd. 2 Abhandlung über die Bevölckerung. Zweiter Band. 1784. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 206 C Memoire über das Forstwesen und die Holzwirthschafft in der Marck Brandenburg. 1784. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 206 D Abhandlung von der Leibeigenschafft. 1785. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 206 E I. Regie. II. Characteristic. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 216 C Acta des Kabinets Friedrich Wilhelm’s II. Das Ober-Bau-Departement. 1787. 1794–1797. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 222 A Geistliche Kirchen- und Schulsachen im Allgemeinen 1786–1797.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 222 B Eigenhändige Berichte Woellners in geistlichen Angelegenheiten, Bd. 1 1788–1796. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 222 B Eigenhändige Berichte Woellners in geistlichen Angelegenheiten, Bd. 2 1787–1797. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 222 C PersonalAngelegenheiten des Ministers von Woellner 1786–1797. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 222 D Brumbey, Prediger in Berlin. 1796–1797. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 222 E Immediatberichte von Zedlitz und Woellner in Stiftsangelegenheiten 1786–1797. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 243 B Acta des Kabinets Friedrich Wilhelm’s II. Kirchen- und Schulsachen in Pommern. 1786–1796. I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (bis 1797), Nr. 244 C Acta des Kabinets Friedrich Wilhelm’s II. Kirchen-, Schul- und Stiftssachen in der Mark Brandenburg. 1787–1791. I. HA, Rep. 96 A Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (1797–1808), Tit. 27 B Cabinetspapiere betr. das Gesetz v. 20. Oct. 1798 wegen der geheimen Gesellschaften. I. HA, Rep. 96 A Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (1797–1808), Tit. 30 A Acta des Kabinets König Friedrich Wilhelms III. das Oberkonsistorium und das Oberschulkolleg 1797–1806. I. HA, Rep. 96 A Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (1797–1808), Tit. 30 D Acta des Kabinets König Friedrich Wilhelms III. Kirchliche Angelegenheiten, Generalia. 1798–1806. I. HA, Rep. 96 A Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (1797–1808), Tit. 34 B Die Lehranstalten in Züllichau. 1797–1802. I. HA, Rep. 96 A Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode (1797–1808), Tit. 104 Acta des Kabinets König Friedrich Wilhelms III. Personalien des Etatsministers v. Woellner. 1798–1800. I. HA, Rep. 96 B Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode, Minüten und Extrakte, Nr. 135. I. HA, Rep. 96 C Sammlung Itzenplitz („Die sogenannte Itzenplitzsche Sammlung“ zur Biographie Friedrichs des Großen), Nr. 10. I. HA, Rep. 96 D Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode, Deduktionen, Nr. 548–552, Nr. 550a Déclarations et conventions données & signées à Reichenbach en Silésie le 27, Juillet 1790. & ratifiées par le Roi de Prusse, ainsi que par le Roi d’Hongrie & de Bohème & garanties par les deux Puissances maritimes. I. HA, Rep. 131 Archivkabinett, K 159, Fasz. 2 Lichtenau-Korrespondenz. I. HA, Rep. 131 Archivkabinett, K 159, Fasz. 6 Lichtenau-Korrespondenz. I. HA, Rep. 131 Archivkabinett, K 159, Nr. 2 Commissions Akten über die gegen die Gräfin Lichtenau angestellte Recherche, Vol. I. I. HA, Rep. 131 Archivkabinett, K 159, Nr. 3 Commissions Akten über die wider die Gräfin Lichtenau angestellte Recherche, Vol. II. I. HA, Rep. 131 Archivkabinett, K 159, Nr. 4 Commissions Akten, über die gegen die Gr. Lichtenau angestellte recherchen, V. III. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 1 Memoire über das Forstwesen der Mark Brandenburg 14/12 1781. Concept. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 2 Abhandlung von der Bevölkerung der Preußischen Staaten vornehmlich der Mark Brandenburg. 4/2 – 8/6 1784. Concept. nebst Dankschreiben des Prinzen Friedrich Wilhelm vom 7/7 1784.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 3 Abhandlung von den Finanzen oder Staatseinkünften 17/8 – 23/10 1784. Concept. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 4 Abhandlung von der Leibeigenschaft 6–29/12 1784. Concept. nebst Eingabe der Vorpommerschen Landstände über die Aufhebung der Leibeigenschaft. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 5 leere Umschläge, aus denen die Abhandlungen selbst entnommen. 1785. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 6 Abhandlung von der Religion. 15/9 1785 Concept. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 7 Abhandlung von der Oberrechnungskammer 20/12 1785 – 5/1 1786. Concept. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 8 Abhandlung über die Fabriquen, Manufacturen u. das Commercium in den Preußischen Staaten. 6/3 1786 Concept. nebst einem Schreiben des Cabinetsraths Beyer. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 9 1) Plan zur Einrichtung u. Erbauung eines neuen großen Friedrich Wilhelm Hospitals zu Berlin 5/4 1786. Concept; 2) Gedanken über eine neue Einrichtung des Cabinets 28/4 1786. Concept. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 10 Anmerkungen über die Abhandlung von Verpflegung der Soldatenkinder 4/8 1786. Concept. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 11 2 Bogen (Nr. 3 u. 4) aus einer, wie es scheint, als Anfang zu den Vorträgen über die Finanzen verfaßten Vorlesung 1786. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 12 Bittschreiben um Rückgabe der von Herrn von Wöllner gehaltenen Vorlesungen 1799–1800. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 13 Geistliche und Schul-Angelegenheiten, Bd. 1 1786–8. Juli 1788. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 13 Geistliche und Schul-Angelegenheiten, Bd. 2 9. Juli 1788–1790. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 13 Geistliche und Schul-Angelegenheiten, Bd. 3 1791–1797. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 14 Katholische Angelegenheiten 1788–1796. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 15 Bataille mit dem Consistorio 1790–1791. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 16 Die Schrift Rönnberg’s „Über symbolische Bücher“ und die Gegenschrift von Villaume. 1790–1791. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 17 Schreiben des Hofraths Hillmer. 1788–1792. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 18 Schreiben des Professor Semler in Halle. 1788–1789. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 19 Schreiben des Kanzlers von Hoffmann und des Syndicus Dryander in Halle. 1788–1790. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 20 Schreiben von Prof. Eisfeld, Prof. Woltär und Stud. Koch in Halle. 1792. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 21 Dr. Bahrdt. 1789–1790.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 22 Schriftwechsel mit Hofrath Zimmermann und Professor Hoffmann (Wien). VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 23 Glückwunschschreiben an Woellner von Städten, Universitäten, Behörden etc. 1788. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 24 Briefwechsel des Staatsministers Woellner. Litt. A–B. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 25 Briefwechsel des Staatsministers Woellner. Litt. C–G. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 26 Briefwechsel des Staatsministers Woellner. Litt. H–K. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 27 Briefwechsel des Ministers Woellner. Litt. L–N. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 28 Briefwechsel des Ministers Woellner. Litt. O–R. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 29 Briefwechsel des Ministers Woellner. Litt. S. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 30 Briefwechsel des Ministers Woellner. Litt. T–Z. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 31. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 32 Essai sur la nécessité et l’utilité d’abolir les Communaux dans les Marches électorales de Brandebourg. 1766. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner I, Nr. 33. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 3 Konduitenlisten [verschiedener Rosenkreuzerzirkel] 1779/89. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 4 4) Bestallung Wöllners zum Oberhauptdirektor 1780. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 5 Schreiben Ordensangehöriger an die Triumviratsvorsteher des Deutschen Generalats. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 6 Berichte an die Oberhauptdirektoren des Rosenkreuzerordens. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 7 Rosenkreuzergeheimnisse. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 9 Manuskripte Wöllners. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 10 Berichte in Ordenssachen. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 12 Briefe Wöllners an die Gattin 1769–1793. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 13 Briefwechsel mit dem König 1787–1796. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 14 3 Berichte Bischoffwerders betr. Friedrich Wilhelm II. 1780. Brief an Wöllner 1792. 1 Billet von Ritz. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 16 Briefwechsel mit Herzog Friedrich August von Braunschweig (Rufus) 1777–1791. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 28 Acta enthaltend den Stammbaum, die Vocationen und Familiennachrichten des nachherigen Ministers J. C. von Wöllner. Von 1729 an.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 29 Personalia vor 1786 bis zum RegierungsAntritt Friedrich Wilhelm des II. 1750–1780. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 30 Personalia seit August 1786 bis 1797, zum Tode Friedrich Wilhelms II. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 31 Personalia nach 1797. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 32 Urkunde im Knopf des Kirchturms zu Groß Rietz 1791. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 33 Bezahlte Wechsel von Ao. 1767 bis 1800. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 38, Fasz. 2 Acta betreffd. die Auszahlung verschiedener Passiva der von Woellnerschen Erbschafts Masse. 1800 seq. VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Johann Christoph Woellner II, Nr. 39 Acta betreffend das Absterben der verwitweten Etats Ministerin von Woellner gebohrenen von Itzenplitz nebst allen was auf Ihren Testament und Nachlaß Bezug hat. 1801/1802. X. HA Brandenburg, Rep. 40, Nr. 657 Acta des Ober Consistorii betreffend die Einstellung der Erbauungsstunden in dem Hause des Prediger Brumbey zu Friedrichswerder. X. HA Brandenburg, Rep. 40, Nr. 1774 Acta generalia des Ober Consistoriums die verordnete Visitation der Kirchen und Schulen in der Kurmark betreffend, Bd. 2 1718–1825. X. HA Brandenburg, Rep. 40, Nr. 1790 Acta generalia des Ober Consistorii die Versorgung der Kandidaten mit Prediger-Stellen, und die Qualifikation derselben zu solchen Stellen betreffend. de 1673. X. HA Brandenburg, Rep. 40, Nr. 1791 Acta generalia betreffend die Vorschriften wegen des Examens der Kandidaten sowohl pro licentia concionandi als pro ministerio und wegen der Prüfung der zu berufenden Inspectoren. de 1753 bis Decbr. 1826. X. HA Brandenburg, Rep. 40, Nr. 1795 Examinations-Protokoll. X. HA Brandenburg, Rep. 40, Nr. 1808 Acta betr. Tentamen und Examen der Candidaten. X. HA Brandenburg, Rep. 40, Nr. 1812 Acta wegen der Adjunctionen auf Pfarr Stellen und der Festsetzung des Antheils des Emeritus an den Amtseinkünften. X. HA Brandenburg, Rep. 40, Nr. 1845 Acta betr. die Aufsicht über die Lehre und den Lebenswandel der Kirchen- und Schul-Bedienten und die deshalb angeordneten Conduiten Listen. 1736–1837. X. HA Brandenburg, Rep. 40, Nr. 1926 Acta gen.: die Erneuerung der Vorschriften wegen der Censur theologischer und philosophischer Schriften und das deshalb ergangene Censur Edikt betreffend, Bd. 2 1789. X. HA Brandenburg, Rep. 40, Nr. 1927 Acta gen. des Ober Consistorii die Verhandlungen bei einzelnen zur Censur gekommenen Schriften betreffend. 1789–1838.

b) Nichtarchivalische Quellen Abschrift und Erschließung der Kirchenbücher, Lieferung 2: Gesamtkirchenbuch Nr. 2 (1747–1780/97), Lieferung 3: Gesamtkirchenbuch Nr. 3 (1780/98–1803), hg. von Stefan Lindemann, Beiträge zur Geschichte der Dörfer Groß und Klein Behnitz (Havelland) 3 und 4, Potsdam 2001.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Personenregister Woellner und Friedrich Wilhelm II. sind nicht in das Register aufgenommen worden. Auch Autoren von Sekundärliteratur sowie biblische Namen sind nicht erfaßt. Bei historischen Personen, deren Vornamen nicht aktenkundig wurden, ist, soweit möglich, zur genaueren Identifizierung ihre Berufsbezeichnung oder eine andere Näherbestimmung hinzugefügt. Agricola, Friedrich Heinrich Ferdinand 287 Alvensleben, Philipp Carl Graf v. 460, 567–569 Ambrosi, Johann Baptist 144, 217 f, 223 Amelang, Karl Ludwig 124, 457 f, 505 Ammon, Christoph Friedrich 325 Apitsch, S. Lobegott 68, 516 Arnim, Friedrich Wilhelm Graf v. 589 Arnold, Christian 170 Athanasius v. Alexandrien 420 August Wilhelm, Prinz v. Preußen 48 f Augustin, Carl Friedrich 474 Augustin, Friedrich Sigismund 60 Bacon, Francis 552 Bahrdt, Carl Friedrich 38, 134, 190, 332, 405, 416–419, 421–444, 450, 506 Bahrdt, Hanchen 424 Bahrdt, Johanne Elise, geb. Volland 434 Barckhausen, Heinrich Ludwig Willibald 422 Barneth [Schuhmachermeister] 529, 531, 535–539, 543, 551, 553 Baumann, Moriz Wilhelm 71 Baumgarten, Nathanael 58 f Baumgarten, Otto Nathanael 98 Baumgarten, Siegmund Jacob 7, 63, 156 Becker, Maria Lukretia s. Hermes, Maria Lukretia Bergemann [Schuhmachergeselle] 534–536 Beuster [Kandidat der Theologie] 481 Beyer, Julius Wilhelm Heinrich v. 45 Beyme, Carl Friedrich v. 22, 233, 591 Bi(e)hahn [Küster und Schulhalter] 475 Bielke, Johann A. F. 352 Biester, Johann Erich 26, 29, 36, 39, 46–48, 229, 461, 467–469

Bischoff, Gottfried 282 Bischoffwerder, Hans Rudolf v. 15, 17, 21–23, 47, 50 f, 55, 76, 83–87, 104, 106, 254–257, 465 f, 528, 559, 561, 564–566, 569, 589 Blasche, Johann Christian 152 Blumenthal, J. W. 89, 330, 419, 592 Bobertag, Johann Gottfried 288 Börstel, Friedrich Karl v. 7 Böttcher [Geheimer Oberrechnungsrat] 548, 555 Bohn, Carl Ernst 462, 464, 466 Bolsius, Samuel 480 Boumann, Michael Philipp 75, 81, 135, 295, 560 f Brandenburg, Friedrich Wilhelm Graf v. 54 Bratring, Johann Christian Siegmund 9 Brauer, Johann Nikolaus 126 Bretschneider, August Heinrich 289 Bristol, Lord 52 Brühl, Hans Moritz Graf v. 256 f, 589 Brühl, Karl Adolph Graf v. 86 f Brumbey, Carl Wilhelm 506 f, 511–557 Brumbey, Leberecht Victor 513 Bucki, Nathan 559 Büsching, Anton Friedrich 59, 60 f, 63, 169, 173, 180, 182, 192, 196, 205, 212, 214 f, 234 f, 239, 241, 243, 249, 478 f, 513 f Burgsdorff, Christoph Gottlob v. 125 Buschius, Ch. F. 359 Cammerer [Kandidat der Theologie] 272 Carius, Andreas 290 Carl Friderich, Markgraf v. Baden 126 Carmer, Johann Heinrich Casimir Graf v. 53, 65 f, 86, 89, 96–107, 109, 119, 127,

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Personenregister

133 f, 141, 146 f, 154, 169–172, 178–180, 182, 185–188, 191–196, 414 f, 420 f, 424–427, 434, 437, 439, 441–443, 448, 451–455, 459 f, 462 f, 482–485, 487, 491, 498, 503 f, 509–511, 598, 605 Chemlin, Johann Daniel 394 Chodowiecki, Daniel 44 Cocceji, Samuel Freiherr v. 8, 97 Coners, Gerhard Julius 369, 373, 378, 399 Cube, Johann David 477 f, 517 Cuno, Dorothea Rosinna s. Woellner, Dorothea Rosinna Dalwig, Georg Ludwig v. 281 Danckelmann, Adolph Albrecht Heinrich Leopold Freiherr v. 104 f, 487 Danckelmann, Carl Ludolph Freiherr v. 9 f Decker, Georg 298 Decker, Georg(e) Jacob 23, 45, 50, 102 f, 298, 593 Dettmers, Johann Philipp Friedrich 327 f Diterich, Johann Samuel 48, 59, 62 f, 68, 71, 73, 126, 140, 169, 173, 180, 182, 192, 196, 199–201, 205 f, 212, 214 f, 223, 234 f, 239, 241, 243, 249, 340, 386 f, 478 f, 516 Dittmarsch, N. G. 351 f, 369, 378, 399 Dönhoff, Sophie Gräfin 54 Dörnberg, Wolfgang Ferdinand Freiherr v. 58, 65, 76–80, 86, 89, 102, 127, 133 f, 146 f, 154, 159, 167–170, 172, 178–180, 188 f, 191–193, 229–232, 245, 328, 455, 460, 598 Dohm, Christian Wilhelm v. 48, 139 Dohm, Johann Friedrich 357, 369, 379, 402 Dracke [Prediger] 272 Dreckmann, Bernhard Georg 92 Dreher, Samuel Wilhelm 282 Dupont [Kammerdiener] 76 Eberhard, Johann August 281 Eck, Johann 516 Edelmann, Johann Christian 36 Ehrlich, Johann Gottlieb 73 Eisenberg, Johann Philipp 141, 535, 537 f, 543, 545–555 Eisenhart, Johann Karl Friedrich v. 498 Elisabeth Christine, Prinzessin v. Braunschweig-Bevern, Gemahlin von Friedrich II., König v. Preußen 63, 102, 566 Elisabeth Christine Ulrike, Prinzessin v. Braunschweig-Wolfenbüttel, 1. Gemah-

lin von Friedrich Wilhelm II., König v. Preußen 49 Elsner, Christian Friedrich 328 Encke, Johann Elias 49 Encke, Wilhelmine s. Lichtenau, Wilhelmine Gräfin v. Eugen, Prinz v. Württemberg 256 Evers, August Gottlieb 349 f Ferdinand, Prinz v. Preußen 49 Finck v. Finckenstein, Karl Wilhelm Graf 449, 451, 455, 460, 567–569 Fischer, Heinrich Ludewig 74 Flottmann [Prediger] 488 Forcade, Isaak v. 18 Forster, Georg 330 f, 505 Franke, Johann Andreas 73 f Franke, Martin Gottfried 150 Frederking, H. G. J. 354, 356, 369, 378, 400 Friedel, Christian E. Ludwig 229 Friederica Wilhelmine Marianne Diderica, Gräfin von der Mark 49, 51 Friederike, Prinzessin v. Mecklenburg-Strelitz, Gemahlin von Friedrich Ludwig, Prinz v. Preußen 563 Friederike, Prinzessin v. Preußen 49 Friederike Luise, Prinzessin v. HessenDarmstadt, 2. Gemahlin von Friedrich Wilhelm II., König v. Preußen 49 Friedrich II. (der Große), König v. Preußen 2, 6, 9 f, 12 f, 17 f, 20, 25, 30, 35 f, 44–46, 48 f, 56, 60 f, 68 f, 76, 96 f, 99, 102 f, 135 f, 139, 142, 144, 149 f, 155, 160, 163, 170, 212, 214, 246, 254, 321, 324, 415, 497, 500 f, 513 f, 520, 525, 532, 566, 589 Friedrich August, Herzog v. BraunschweigOels 22 Friedrich Ludewig Karl, Prinz v. Preußen 566 Friedrich Wilhelm (der Große), Kurfürst v. Brandenburg 32, 71, 453 Friedrich Wilhelm I., König in Preußen 6, 8, 26, 35 f, 38, 142, 145, 149 f, 161 f, 204, 364, 453, 520, 525, 530, 564 Friedrich Wilhelm III., König v. Preußen 48 f, 52, 99, 123, 162, 512, 555–557, 564, 566, 568–572, 574–576, 579 f, 584–586, 588, 590 f Friedrich Wilhelm Moritz Alexander, Graf von der Mark 51 Friese [Prediger] 394 f

Personenregister Fritze, Johann Friedrich 219 Frohland, Johann Friedrich 397 From, Nathanael Friedrich 94, 346, 573 Frosch, Zacharias Heinrich Wilhelm 281 f Fürst und Kupferberg, Carl Joseph Maximilian Freiherr v. 98, 170 Gass, Joachim Christian 288 Gebhard, Johann Georg 456–458 Gedike, Friedrich 26, 29, 36, 38 f, 46–48, 59 f, 63 f, 71, 81, 202, 206, 212, 229, 234, 249, 253, 306 f, 328, 333, 384, 386 f, 461, 467, 478, 485, 491, 571, 578, 583 Geissler, Johann Gottfried 286 Genthe [Diakon] 221 Gerhardt, Paul 530 Gilly, David Friedrich 81 Goepel, Johann Christian Elias 475 Goldbeck, Heinrich Julius v. 8, 23, 66, 88, 140, 448, 455, 460, 466, 474, 485, 545 f, 569, 589 Goßel, Christoph August 356, 369, 373, 378, 399 Graef, Johann Hartmann Christoph 361–365, 369, 378, 403 f Gräfe, C. L. D. 70 Grell [Kandidat der Theologie] 71 f Grotius, Hugo 137 Grube, Johann Theodor 69 Grübnau, George 223 Grunow, August Christian Wilhelm 287 Hagen, Thomas Philipp Freiherr v. d. 19, 59, 64, 70–73, 81, 138, 140, 144, 171–173, 207, 213–215, 217, 219 f, 234, 238 f, 241, 243, 249, 253, 272, 306 f, 333, 338–340, 386 f, 392, 446 f, 457, 460, 478, 509, 525, 540 Hahn, Johann Friedrich 321 Hahne, Johann Jakob 289 Hamann, Johann Gotthilff 475 Hanstein, Gottfried August Ludwig 556 Hardenberg, Karl August Freiherr v. 325 Hartog, Friedrich Christian Rudolph 291 Hartwich, Johann Samuel Fürchtegott 284 Hasse, Johann Gottfried 471–473 Haugwitz, Heinrich Christian Curt Graf v. 257, 564, 568 f Hecker, Andreas Jakob 64, 73, 253, 273, 275 f, 281–292, 295–298, 306, 308, 310 f, 322 f, 342, 347 f, 365, 368, 380,

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384, 386–388, 391, 466, 479, 516, 539, 557, 560 f, 571, 575, 577, 582 f, 585, 587 Hecker, Johann Julius 58 f, 62, 212, 218, 254 Heinrich, Prinz v. Preußen 19, 21, 49, 284 Hemleben, Johann Beniamin 74 Henckel, Andreas 8 Henke, Heinrich Philipp Conrad 3, 250 Henkel, Johann Justin 326–328 Hennecke, Johann Albert 357, 367, 369, 379, 402 Hennig, Georg Erich Sigmund 360, 364 f, 369, 378, 404 Henning, Wilhelm 95 Hering, Daniel Heinrich 230 f Hering, Friedrich Wilhelm Theodor 282 Hermbstädt, Sigismund Friedrich 565 Hermes, Ernst Friedrich 360, 364 f, 369, 378, 403 f Hermes, Georg Vivienz 254 Hermes, Hermann Daniel 7, 52, 81, 88, 92, 144 f, 198, 217 f, 233, 235, 254–264, 266–268, 275 f, 282–285, 287–298, 306, 308, 310–318, 320–323, 342, 347 f, 365, 368, 377, 380, 388, 391, 393, 459 f, 462, 466, 468 f, 476, 478, 507, 539 f, 546, 559, 573, 575, 577, 582–587 Hermes, Johann Timotheus 254 Hermes, Luise Johanna Helena s. Oswald, Luise Johanna Helena Hermes, Maria Lukretia, geb. Becker 254 Herschel, Christian Friedrich 74 Hertzberg, Ewald Friedrich Graf v. 44, 54 f, 89, 449, 451, 455 Herwig, Christoph Friedrich 353, 369, 401 Herz, Henriette 139 Herzberg, Friedrich 561 Herzlieb, Christian Friedrich Karl 456 Heuer [Geheimer Sekretär] 550 f Heybruch, Heinrich 310 Heym, Johann Gottlob 385 Hildesheim, Johann Leberecht 282 Hillmer, Gottlob Friedrich 52, 81, 92 f, 218, 225–227, 233, 256 f, 259–264, 267 f, 275 f, 280 f, 283, 286, 288, 291–298, 300, 306, 310–323, 339 f, 342, 344–350, 354, 356–362, 365 f, 368, 374, 377, 379–384, 388 f, 391–393, 402, 411 f, 459 f, 463–468, 470, 472 f, 476, 478, 539 f, 559, 575, 577, 582–587

636

Personenregister

Hindenburg, Johann Christian Gottlieb 285 f Hoehl [Bäcker] 550 f Hoffmann, Carl Christoph v. 80, 329, 330 f Hohenthal, Peter v. 134, 151 Holbein, Friedrich v. 588 Home, Francis 11 Hopfensack, Theodor Heinrich 357 f, 369, 379 Hoym, Carl George Heinrich Graf v. 254, 256 Humboldt, Alexander Freiherr v. 467 Humboldt, Wilhelm Freiherr v. 467 Huulbeck, Georg Carl Christoph 476 Ihmels, U. J. 356, 369, 373, 378, 399 Ike, Christian Gotthelf 144 Ingenheim, Gräfin s. Voß, Julie v. Irwing, Carl Franz v. 9 f, 59, 65, 71, 73, 81, 140, 206, 209, 212, 219 f, 234, 253, 272, 278, 307, 327, 340, 384, 386, 392, 396, 399, 478, 571, 575, 578, 581, 583, 586 Itzenplitz, August Friederich v. 7 f, 10, 16 Itzenplitz, Charlotte Amalie Elisabeth v. s. Woellner, Charlotte Amalie Elisabeth Itzenplitz, Friedrich Wilhelm Gottfried v. 10, 18 Itzenplitz, Karoline Sophie v., geb. v. Viereck 6 f, 10 Itzenplitz, Peter Ludwig Alexander Johann Friedrich Graf v. 45 f Jänicke, Johannes 516, 529 Jani, Johann Christian 224, 285 f Janisch, Karl Friedrich 287 Johann Sigismund, Kurfürst v. Brandenburg 137, 453 Joseph II., römisch-deutscher Kaiser 54, 139 Justinian 96 Kalckstein, Ludwig Karl v. 444 Kant, Immanuel 2, 44, 92, 324, 326, 328, 340 f, 467–471 Karl, Prinz v. Sachsen (Herzog v. Kurland) 21 Karl I., Herzog v. Braunschweig-Wolfenbüttel 49 Karl VII., römisch-deutscher Kaiser 444 Katsch, Christoph v. 6, 18 Keber, Wilhelm Gottlieb 392, 394 f Keßler, J. D. 351, 369, 378, 405–408

Kircheisen, Friedrich Leopold v. 22, 233 Klappenbach [Stockmeister] 424 Klar, Christine 424 f, 444 Klein, Ernst Ferdinand 48, 100, 102 Kleist, Friedrich Heinrich v. 567 Kletschke, Johann Gottfried 277, 280 f, 283, 288, 290 f, 562 Kluge, Johann Daniel 10, 58, 65 f, 170 Knapp, Georg Christian 281, 318–320, 329, 333, 336, 347 Kober, Karl Sigismund 286 Koch, C. J. 384 f Koch, Johann Christian 224 Koch, Johann Ludewig 331 f Koehler, Carl Friedrich 291 Köppen, Daniel Joachim 225–227 Köppen, Johann Ulrich Christian 58 f Konfutius 418 Kosciuszko, Tadeusz 55 Kottmeier, Dietrich Heinrich 354, 365, 369, 378, 400 Kottmeier, Friedrich Wilhelm 355, 369, 378, 400 Kraatz [Schreiber] 568 Krause, Carolus Heinrich 291 Krause, Christian Wilhelm 79 Krupp, Wilhelm Christoph Georg Theodor 357 f, 369, 379 Kühne, Christian 282 Kühnert, Friederich Wilhelm 531–536 Küster, Carl Daniel 562 Küster, Samuel Christian 513, 518, 521, 524, 528–532, 536, 538, 545, 555 Lamprecht, Joachim Friedrich v. 59, 71 f, 206, 212, 234, 249, 307, 384, 387, 478, 571, 578, 583 Landmann, J. H. Ch. 366 f, 410 f Lange, Friedrich Conrad 208 Lange, Johann Joachim 7 Langhoff, Johann Georg 446 Lehmann [Schwägerin Carl Wilhelm Brumbeys] 548–550 Lehmann, Karl Samuel Theodor 289 Leiningen-Dachsburg, Graf v. 417 Leopold II., römisch-deutscher Kaiser 54, 448 Levin, Rahel 139 Lichtenau, Wilhelmine Gräfin v. 49, 52, 145, 255 f, 258, 261, 294, 564–567, 587 f Lipten, Heinrich Karl Jakob 229, 234, 447 Lohmeyer, F. H. 365–368, 410 f

Personenregister Loschitter, Nicolaus 95 Lüdeke, Johann Ernst 223, 234 Lütger, August Heinrich 291 Lützow, Johann Adolph Freiherr v. 22, 233 Luise, Prinzessin v. Mecklenburg-Strelitz, Gemahlin von Friedrich Wilhelm III., König v. Preußen 563 f Luise Amalie, Prinzessin v. BraunschweigWolfenbüttel, Gemahlin von August Wilhelm, Prinz v. Preußen 48 Luther, Martin 53, 198, 206, 211, 223, 226, 228, 302, 416, 418, 516, 530, 537, 557 Maria Theresia, Kaiserin 415 Marwitz, Familie v. d. 3 Marwitz, Hans-Georg v. d. 588 Masius, Gottfried Lebrecht 134, 152 Massow, Julius Eberhard Wilhelm Ernst v. 363, 568 f, 585 Mattaei [Somnambule] 52, 233, 255–259 Meierotto, Johann Heinrich Ludwig 80 f, 229, 575 Melanchthon, Philipp 53, 337 Mendelssohn, Moses 48, 102, 139 Metzger, Johann Daniel 92, 462 Mey, August 395 Meyer, Aaron 140 Meyer, Johann Christophorus 287 Meyer, Mariane 140 f Meyer, Sara s. Wulff, Sara Meyer, W. E. 411 Michaelis [Buchdrucker] 423–427, 434, 440 Michaelis, Johann Christian 222 Morus, Samuel Friedrich Nathanael 328, 338–340 Müller, Johann Petrus Andreas 134, 152 Münchhausen, Ernst Friedemann Freiherr v. 58, 61–63, 86, 155 f, 243, 321, 576 Mund, Immanuel Gottlieb Wilhelm 282 Muzel, Philipp Ludwig 328 f Mylius, August 68, 516 Nagel, Johann Christoph 59, 71 f, 206, 212, 234, 249, 253, 307, 340, 384, 386 f, 478, 571, 578 Napoleon Bonaparte 505 Nebe [Prediger] 366–368, 410 f Nehmiz, Peter Friedrich 437 Nettelbladt, Daniel 100 Nettler, Johann Ludwig 421–428, 430, 435, 437, 439, 442 f

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Neumann [Küster] 481 Nicolai, Friedrich 11, 46, 48, 317, 415, 461, 465–467 Niemeyer, August Hermann 281, 294, 314–320, 329, 333 f, 336–338, 340–344, 472 Nösselt, Johann August 281, 314 f, 318– 320, 329, 332–336, 340–344, 472 Obermeyer, Charlotte 141 Ockert [Schulmeister] 475 Oswald, Heinrich Siegmund 255–260, 263 Oswald, Johann Heinrich 255 Oswald, Luise Johanna Helena, geb. Hermes 255 Ovid 191 Pachaly, Friedrich Wilhelm 97 Pauli, Georg Jacob 230 Pauli, Joachim 102, 461 Peter I. (der Große), Zar 32 Petrenz, Christian Friedrich 71 Petri, Christian 389 Pfaff, Christoph Matthäus 117 Pfennig, Johann Christoph 352, 369, 401 Pfuel, Ernst Ludewig v. 71–73 Pfuel, Franz Wilhelm v. 73 Pfützenreuter, Daniel Gottlieb 287 Philipp I., Landgraf v. Hessen 53 Pitschel, Friedrich August 22, 233, 587 Porst, Johann 68 Pott, Degenhard 420 f, 423–427, 431–435 Prahmer, Johann Georg Wilhelm 284 Printzen, Marquard Ludwig Freiherr v. 65 Pufendorf, Samuel Freiherr v. 137 Ramm, Ludwig 78 f Raßmann, Heinrich Ernst 354, 369, 372, 378, 383, 399 Rautenstrauch, Franz Stephan 126 Rebmann, Georg Friedrich 505 Reccard, Gotthilf Christian 347, 359 Reck, Carl Friedrich Freiherr v. d. 560 Reck, Eberhard Friedrich Christoph Ludwig Freiherr v. d. 22, 66, 89, 233, 448, 451, 455, 460, 466, 588 Reil, Johann Christian 424 Reinbeck, Johann Gustav 60 Reinbeck, Otto Siegmund 309 f Reinhard, J. C. 390 f Resewitz, Friedrich Gabriel 320–322 Retzow, Wilhelm Leopold v. 481

638

Personenregister

Richard, Rudolph 285 Richardt, Johann Friederich August 282 Richter, Karl Friedrich 278, 517, 528–539, 541, 548 Riem, Andreas 171, 506 Riemschneider [Inspektor] 224 Ringeltaube, Gottlieb 369, 401 Ritz, Johann Friedrich 22, 46, 49 f, 297 f, 558 f, 566, 590 Ritz, Wilhelmine s. Lichtenau, Wilhelmine Gräfin v. Robespierre, Maximilien de 505 Rode, Bernhard 44 Roennberg, Jacob Friederich 444–448, 450, 452–454 Rosenfeld, Johann Paul Philipp 138 Rothe, Gottfried Christian 489 Rüchel, Ernst Wilhelm Friedrich Philipp v. 280, 587 Rücker, Christian Matthias Conrad 291 f Sack, August Friedrich Wilhelm 7, 58 f Sack, Friedrich Ferdinand Adolph 168 Sack, Friedrich Samuel Gottfried 54, 59, 64, 69, 71, 74, 78, 158–169, 172 f, 178, 180, 182 f, 187, 192, 197, 205 f, 212, 214, 229, 234, 253, 273, 307, 340, 384, 386 f, 478 f, 567, 578, 583 Sack, Johanna Wilhelmine, geb. Spalding 168 Sack, Karl Heinrich 168, 189, 193 Sadewasser, Christian Friedrich 59, 63 Salis, Ulysses v. 417 Sauberzweig, Johann Friedrich 70 Schadow, Johann Gottfried 51, 563 Schaeffer, Christian Ludwig 353 f, 369, 372, 378, 383, 399 Scheve, Adolf Friedrich v. 65, 140, 384, 396, 571, 578, 581–583, 586 Schewe, Christian Friedrich 349, 369, 378, 405–408 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 64, 467 Schliepstein, Friedrich Wilhelm 278 Schlies, Ernst Conrad 288 Schlomcke, Johann George 482 Schlüter, Joachim Andreas 497 Schmidt, Friedrich Wilhelm August 73 Schmieding, Johann Wilhelm 289 Schneider, Christian Wilhelm 152 Schoenberg, Gotthilf Heinrich 290 f Scholz, Emil v. 317, 390, 477

Schreve, Benjamin Heinrich Dietrich 365 f Schröder [Kriegsrat] 583 Schrötter, Friedrich Leopold Freiherr v. 8, 589 Schrötter, Karl Wilhelm Freiherr v. 474, 478 Schüler, Ludewig 279 f Schulenburg-Kehnert, Friedrich Wilhelm Graf v. d. 460, 586 f Schultze, F. L. 518, 529–539, 541, 548, 555 Schultze, Rudolph Friedrich 198, 212 Schulz, Johann Ernst 360–363, 369 Schulz, Johann Heinrich 72, 124, 190, 474, 483 f, 506–512, 540 Schulze, Christian Gotthilff 290 Schulze, Daniel Friedrich 284 Schulze, Johann Ludewig 318–320, 329, 333, 336, 341 Schustehrus [Inspektor] 394 Schwalbe, Arnold Christoph Friedrich 407 f Schweikert, Benjamin Gottfried 134, 149 Schwollmann, Christoph Gottfried 357 Seidlitz, Ferdinand Siegismund Freiherr v. 87 f Seidlitz, Friedrich Wilhelm Freiherr v. 21 Seiler, Georg Christophorus Wilhelm 289 Seiler, Georg Friedrich 325, 337, 347 Selle, Christian Gottlieb 566 Semler, Johann Salomo 89 f, 319, 330, 418, 438, 441 Seyffert, Johann Christian 351 f, 369, 378, 399 Siber, Charlotte Friederike 70 Silberschlag, Georg Christoph 285 Silberschlag, Johann Esaias 19, 59 f, 62, 64, 68, 70, 123, 148 f, 154, 170, 173, 189–191, 203, 206 f, 212, 214, 217 f, 234 f, 244, 261, 264, 266–268, 275, 285, 479, 516, 553 Sokrates 418, 497 Sommerburg, Johann Friedericus 288 Sozzini, Fausto 138, 198 Spalding, Georg Ludewig 578 Spalding, Johann Joachim 59–63, 68, 126, 140, 169, 173, 180, 182 f, 185 f, 192, 196, 205, 212, 214 f, 234–237, 239, 241, 243, 249, 460, 478 f, 481 Spalding, Johanna Wilhelmine s. Sack, Johanna Wilhelmine Spener, Johann Jakob 68 Spinoza, Baruch de 5 Stein, Christian Ludewig 140

Personenregister Steinbart, Friedrich August 573 Steinbart, Gotthilf Samuel 62–64, 68, 81, 93 f, 341, 420, 572–578 Steinen, Johann Dietrich Franz Ernst v. 357–359, 369, 379 Steinmetz, Johann Adam 59 Stilke, Jacob Traugott 480–482 Stolberg-Wernigerode, Christian Friedrich Graf zu 207 f Stoll [Kantor] 532–534 Storck, Albertine Ulrike 480 Storck, Christian Gotthilf 475, 477–480, 517, 530 Storck, Henriette Louise 480 Storck, Wilhelmine 480 Streithorst, Johann Werner 208 Struensee, Carl August v. 569 Süßmilch, Johann Peter 58 f Sulzer, Johann Georg 44 Svarez, Carl Gottlieb 48, 97, 99–103, 105 f, 112, 114, 122 f, 414, 448, 451, 453, 459, 462, 464, 466 Sybel, Johann Ludolph Florens 356–359, 369, 379, 402

639

Viereck, Karoline Sophie v. s. Itzenplitz, Karoline Sophie v. Vieweg, Friedrich 443 Villaume, Pierre 171, 445–448, 451, 453, 455 f, 505 f Voigt [Polizeikommissar] 551 f Volland, Johanne Elise s. Bahrdt, Johanne Elise Voltaire (François Marie Arouet) 45 Voß, Christian Friedrich 45, 460 Voß, Julie v. 54

Uhden, Johann Christian 136 Uhden, Johann Gustav Anastasius 287 Ulrich, Friedrich Wilhelm 289 f Unger, Johann Friedrich 6, 415, 456 f, 459

Wahl [Prediger] 341, 389–391 Wald, Samuel Gottlieb 220, 312, 347, 362–364, 378, 403 f Weber, Michael 339 Wehrkamp, Carl Friedrich 92 Weitzel, Wilhelm Ludwig 547–549 Welper, Georg Adolf 538, 545 Wentzelmann, Ernst 149 f Wenzlau, Johann Erich 349 f Werder, Hans Ernst Dietrich Freiherr v. 6, 76, 202, 375 f Wesseler, Johann Friedrich 366 f, 410 f Westphal, Georg Ehrhard 389 Wever, Arnold 514 Wiese, Wilhelm 545 Wilberg, Georg Valentin 284 Wloemer, Johann Heinrich 102 Woellner, Charlotte Amalie Elisabeth 17, 19, 45, 264, 592 Wöllner, Dorothea Rosinna, geb. Cuno 6f Wöllner, Johann Christoph (d. Ä.) 6 Wöllner, Martin Gottlieb 10 Wolff, Christian 7, 100, 117 Woltaer, Johann Christian 332 Woltersdorff, Theodor Carl Georg 217 f, 253, 260–262, 264, 266, 268, 275 f, 283–285, 287–293, 295–298, 306, 310 f, 322 f, 342, 347 f, 365, 368, 377, 380, 388, 391, 466, 472, 478, 529, 539, 555, 559, 577, 582–584, 586 f Worbs, Johann August 284 Wucherer, Georg Philipp 425, 428 Wünsch, Christian Ernst 38 Würtzer, Heinrich 176, 420, 492–506 Wulff, Sara, geb. Meyer 140 f

Vahrenkampf, Johann Friedrich 282 Veit, Dorothea 139

Zacha, Christoph 359 Zacha, M. 359, 369, 378, 398

Teller, Wilhelm Abraham 6, 8–11, 46–48, 59, 62, 68 f, 71–73, 88, 94, 126, 154– 159, 166, 169, 173, 176, 180, 182, 190, 192, 196 f, 205 f, 212, 215, 222, 234 f, 239, 241, 243, 249, 253, 307–309, 340, 384, 386, 446, 460, 478 f, 481, 485, 491, 510 f, 571, 576, 578, 583, 588 Tevenar, Johann Wilhelm v. 112, 114 Thulemeyer, Friedrich Wilhelm v. 58, 66, 328, 466, 485, 567 f Tieftrunk, Johann Heinrich 340 Titius, Johann Daniel 134, 152 Töllner, Johann Gottlieb 63 Treblin, Carl 547–549 Treuding, Johann Friedrich Gerhard 350 f, 369, 378, 405–408 Triebel, Johann Christoph Valentin v. 86–88 Troll, Kristoph Friedrich 69 Troschel, Jakob Elias 222, 234, 309 f

640

Personenregister

Zastrow, Friedrich Wilhelm Christian v. 566 f, 569 Zayzeck, v. [Leutnant] 255 f Zedlitz, Karl Abraham Freiherr v. 10, 36–39, 42 f, 46, 58, 63, 66, 68, 80, 82, 86–89, 102, 171, 231, 277 f, 321, 326, 363, 418, 576 f Zepernick, Karl Friedrich 421–428, 437, 439, 442 f

Ziegler, J. A. 7, 9, 70 Zitterland, Johann Wilhelm 359, 369, 398 Zöllner, Johann Friedrich 54, 60 f, 64, 69, 71, 73, 95, 202–206, 212, 214 f, 224, 234 f, 239, 241, 243, 249, 253, 262, 273, 277, 307, 340, 384, 386 f, 457 f, 478 f, 485, 491, 571, 578, 583