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German Pages 248 Year 2009
jürgen Lüdicke (Hrsg.) Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?
Forum der Internationalen Besteuerung
Band 35
Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht? Steuerwettbewerb · Schranken der Verfassung Revisionen des OECD-Musterabkommens Missbrauchsvorschriften · Internationale Personengesellschaften
Herausgegeben von
Prof. Dr. jürgen Lüdicke Rechtsanwalt, Steuerberater International Tax Institute Universität Harnburg mit Beiträgen von
Prof. Dr. Clemens Fuest Prof. Dr. Johanna Hey Prof. Dr. Ekkehart Reimer Dr. Arne Schnitger, CPA, LL.M. Michael Wichmann Diskussionsteilnehmer
Hans-Henning Bernhardt Prof. Dr. Dietmar Gosch Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Eckehard Schmidt und die Beitragsverfasser
2009
Verlag Dr. OttoSchmidt Köln
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrutbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 0221/9 37 38-01, Fax 0221/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-61535-2 ©2009 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck: Betz, Darmstadt Printed in Gerrnany
Vorwort Das Interdisziplinäre Zentrum für Internationales Finanz- und Steuerwesen (IIFS) der Universität Harnburg dokumentiert mit dem vorliegenden Tagungsband seine 25. Hamburger Tagung zur internationalen Besteuerung. Unter dem Generalthema "Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?" war die Tagung der Diskussion grundlegender Fragen im Bereich der Besteuerung internationaler Sachverhalte gewidmet. Der Bogen der in den Referaten und Podiumsdiskussionen angesprochenen Themen reichte von der Ausrichtung der deutschen Steuerpolitik im internationalen Vergleich über aktuelle und künftig zu erwartende DBA-Entwicklungen bis zu den allgegenwärtigen Auswirkungen des europäischen Rechts auf das deutsche internationale Steuerrecht.
Robert Heller, Staatsrat der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, geht in seinem Grußwort auf die Finanzmarktkrise, die auch das Steuerrecht und den Steuerstandort Deutschland betrifft, und auf das anstehende Konjunkturpaket ein, das neben dem Familienleistungsgesetz während der Tagung im Deutschen Bundesrat verabschiedet wurde. Clemens Fuest untersucht die Ziele der deutschen Steuerpolitik, die Mittel zu deren Durchsetzung und ihre in Zeiten des globalen Steuerwettbewerbs so wichtige Darstellung im In- und Ausland. Ekkehart Reimer stellt die Möglichkeiten des Rechtsschutzes durch den EuCH im Bereich der Besteuerung dar und befasst sich mit ihrem Verhältnis zum deutschen Verfassungsrecht. Michael Wichmann berichtet über die umfänglichen Arbeiten und zukunftsweisenden Tendenzen in der OECD zur Weiterentwicklung des auch für die deutsche DBA-Politik bedeutsamen Musterabkommens und Kommentars. Johanna Hey untersucht die immer zahlreicher werdenden nationalen Missbrauchsvorschriften im Lichte der Doppelbesteuerungsabkommen und des europäischen Gemeinschaftsrechts.
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Vorwort
Arne Seimitger stellt die durch Rechtsprechung des EuCH und des BFH veranlassten Änderungen durch das Jahresteuergesetz 2009 von Vorschriften zur beschränkten Steuerpflicht und zur DBA-Anwendung bei Personengesellschaften dar. Der vorliegende Tagungsband enthält die Referate sowie die daran anschließenden Podiumsdiskussionen zwischen Hans-Henning Bemlzardt, Dietmar Gosclz, Eckelu11·d Sclmzidt und den Referenten. Hamburg, im Mai 2009
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Prof. Dr. Jürgen Lüdicke
Grußworti
Sehr geehrter Herr Professor Lüdicke, meine Damen und Herren, ich habe das gerne übernommen, zu Ihrer 25. Tagung hier in Harnburg das Grußwort zu sprechen. Gestern noch war ich in Berlin bei der Finanzministerkonferenz, die sich darauf verständigt hatte, wegen des Konjunkturpakets den Vermittlungsausschuss anzurufen. Heute Morgen auf dem Weg zu Ihnen las ich, dass es offenbar wohl keine Mehrheit bei den Ministerpräsidenten für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses bei der Sitzung des Bundesrates geben wird. Jedenfalls meldet das n-tv unter Berufung auf Ministerpräsident Oettinger nach dem sogenannten Kanzlerfrühstück, das heute Morgen vor dem Bundesrat stattgefunden hat. Wegen der finanziellen Lastenverteilung aus dem Familienleistungsgesetz wird der Vermittlungsausschuss mit Sicherheit angerufen werden. Denn dabei geht es um die Höhe der finanziellen Beteiligung der Länder. Insoweit funktioniert der Föderalismus- und das unabhängig von A- oder B-Länderlinie; denn es geht darum, dass der Bund mehr als die Länder bezahlen soll. Dabei spielt es keine Rolle, dass z.B. Bayern in der neuen Koalition die Enthaltung als Abstimmungsvorgabe in den Bundesrat mitbringt. Gestern war auch noch eine andere interessante Sitzung am Nachmittag in Berlin, die Arbeitsgruppe "Schuldenbegrenzung" der Föderalismuskommission. Entgegen den Erwartungen mancher Teilnehmer wird weiter verhandelt - wegen der oder gegen die Finanzkrise. Manche haben vielleicht gedacht, dass man das Thema Föderalismusreform in die nächste Legislaturperiode schieben könnte. Danach sieht es derzeit nicht aus. Anfang Februar wird sich die Kommission in einer Klausurtagung mit den vielleicht doch noch umsetzbaren Themen und dem weiteren Verfahren befassen. In der Steuerpolitik haben die Entscheidungen der höchsten Gerichteich nenne nur Pendlerpauschale und Steuerhinterziehung - sicher für genug Gesprächsstoff gesorgt. 1
Das GruBwort von Staatsrat Dr. Robert Heller wurde aus organisatorischen Gründen im Anschluss an den Vortrag von Prof Dr. Clemcns Fuest (siehe S. 1 ff.) und die nachfolgende Diskussionsrunde (siehe S. 19 ff.) gehalten.
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Grugwort
In der Finanzpolitik - auch hier ein aktuelles Schlaglicht - hoffen wir, dass der Schutzschirm für die Banken die erhoffte Wirkung entfaltet. Die Länder gehen unterschiedliche Wege, z.B. Bayern löst die Probleme der Landesbank selbst; wir im Norden begeben uns mit der HSHNordbank zum Teil unter den Schutzschirm des Bundes. Wann alle Maßnahmen letztlich das Vertrauen - vor allem der Banken untereinander - wiederherstellen, kann kein noch so intelligenter Wirtschaftswissenschafter heute prognostizieren. Das wird die Praxis zeigen. Damit will ich ein paar Sätze zu den Maßnahmen für die Realwirtschaft, wie das jetzt so schön heißt, sagen, nämlich zu den Konjunkturprogrammen. Im Moment wird es als Wettlauf von guten Nachrichten wahrgenommen. Eines zeigt sich und da muss ich sicher in meiner Rolle auch in Vertretung des Finanzsenators darauf hinweisen, dass der Staat stark genug sein muss, um angemessene Rahmenbedingungen durchzusetzen. Das ist auch Gegenstand Ihrer Tagung. Auch steuerliche Rahmenbedingungen gehören dazu. Aber der Staat muss eben auch stark genug sein, und das erleben wir aktuell, um auch noch denen zu helfen, die sich in den Bilanzpressekonferenzen damit brüsten, dass sie in Deutschland keine Steuern zahlen. Deshalb darf die steuerliche Basis in Deutschland nicht entzogen werden. Diese Basis zu erhalten ist unsere Aufgabe, oder wie es oft zu hören ist: Aufgabe der Politik. Es geht dabei um ein angemessenes Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben mit dem Ziel, dass der Standort Deutschland vorankommt. Herr Bernhardt hat das in seinem Statement gut beschrieben; dazu passt der Artikel des Hamburger Abendblatts von heute, der die Überschrift trägt: "Wo in der Welt noch weiße Flecken sind, wollen wir blaue Flecken haben" - so Beiersdorf mit klarem Bekenntnis zum Standort Deutschland. Das Bekenntnis zum Standort Deutschland verlangt umsichtigen Umgang mit dem Thema Steuerbelastung der Unternehmen. Im Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket ist festzustellen, dass Konjunkturpolitik Bundesaufgabe ist. Die Länder sind zu einer wirksamen Steuerung kaum in der Lage; sie werden aber maßgeblich mitfinanzieren: 62% der Aufwendungen für das aktuelle Konjunkturprogramm zahlen Kommunen und Länder. Das war Anlass für die Finanzminister, die eingangs erwähnte Anrufung des Vermittlungsausschusses zu beschließen. Denn ob das die richtige Lastenverteilung ist, mag bezweifelt werden. Wenn man denn schon national ein Konjunkturpaket macht und die Länder sich zurückhalten, was ich für richtig halte, kann man ohne volkswirtschaftliche Theorien zu bemühen, nur einen Aspekt mal ansprechen, der so in der Öffentlichkeit
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GruBwort
meines Wissens kaum kommuniziert wird. Ein Konjunkturprogramm soll zielgenau wirken, und das kann es nur dann - mal abgesehen davon, dass wir zielgenau Steuererleichterungen ins Auge fassen können -, wenn wir die Mittel auch zielgenau für die Wirtschaft in Deutschland ausgeben können. Da ist nur ein kleines Bausteinchen, was man dabei einfach beachten muss: Wir haben im öffentlichen Bereich strenge Vergabevorschriften; d.h. also jede Ausgabe, die wir irgendwohin ausschütten, wird in der Regel über europaweite Ausschreibungen nicht unbedingt die Konjunktur in Deutschland erreichen oder beflügeln. Das mag nur ein kleiner Splitter sein, aber der häufig übersehen wird und der dazu führt, dass dann solche Programme schlichtweg keine Wirkung entfalten können. Der Vermittlungsausschuss- hier aktuell zum Familienleistungsgesetzwird wie so häufig die Verteilung der Lasten zwischen den Gebietskörperschaften zum Gegenstand haben. Die Verteilungswirkungen sind oft ausschlaggebend für die Steuerpolitik und die Steuerreformen. Aber auch das grenzüberschreitende Steuerrecht - Herr Fuest hat es in seinem Schlusswort auch nochmal angesprochen- braucht Lösungen, die die Stellung des Standorts Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen insgesamt verbessern. Dass Sie heute solche Lösungen in Harnburg erörtern, um den Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung eine fundierte Expertise zu geben, möchte ich ausdrücklich hervorheben. Wir werden konstruktiv mitwirken, um die Steuerbasis zu erhalten, weil die Unternehmen gerne in Deutschland produzieren oder ihre Dienstleistungen anbieten. Vielen Dank. Dr. Robert Heller Staatsrat der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Harnburg
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Inhaltsverzeichnis* Seite
Vorwort
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Grußwort ........ ....... ... .... ..... ..... ..... ...... ... ..... ... .... ... ...... ..... .......... ... ..... .... . VII
Prof. Dr. Clemens Fuest Centre for Business Taxation, University of Oxford
Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen? I. II. III. IV. V. VI. VII.
Steuerwettbewerb und privatwirtschaftlicher Wettbewerb .. 1 Ziele der Finanzpolitik im Steuerwettbewerb: Steuereinnahmen und andere Erträge, oder: Wo ist die Marge? 3 Steuerwettbewerb um was? Von Bankkonten und Briefkastenfirmen zu Reichen und Superreichen ........................... 5 Welche Faktoren bestimmen die Positionierung eines Landes im Steuerwettbewerb? ............................................................... 6 Finanzpolitische Instrumente, Tricks und Strategien ............ 8 Wettbewerbsumfeld Deutschlands: Von sinkenden Steuersätzen und Steueroasen ............................................................. 10 Welche steuerpolitischen Strategien verfolgt Deutschland, und ist Deutschland damit dem Steuerwettbewerb gewachsen? ................................................................................. 16
Prof. Dr. Jürgen Lüdicke (Diskussionsleitung) Rechtsanwalt, Steuerberater, International Tax Institute, Universität Harnburg
Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen? - Podiumsdiskussion - ... .... ....... ... ..... ..... ... .... ... ....... ....... ..... ...... ..... ... .
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Ausführliche Inhaltsübersichten zu Beginn der jeweiligen Beiträge.
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Inhaltsverzeichnis Seite
Prof. Dr. Ekkehart Reimer Institut für Finanz- und Steuerrecht, Universität Heidelberg
Rechtsschutz durch den EuGH: Setzt die deutsche Verfassung Schranken? I.
II. III. IV. V.
Einleitung ................................................................................. Rechtszüge zum EuCH aus verfassungsrechtlicher Sicht Materiell-verfassungsrechtliche Grenzen der negativen Integration ................................................................................ Entscheidungsfolgen ............................................................... Zusammenfassung ...................................................................
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Prof. Dr. Jürgen Lüdicke (Diskussionsleitung) Rechtsanwalt, Steuerberater, International Tax Institute, Universität Harnburg
Rechtsschutz durch den EuGH: Setzt die deutsche Verfassung Schranken? - Podiumsdiskussion - ... ....... ...... ... ..... ..... .... ..... ....... ... .. ......... .. .... ......
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Michael Wichmann Regierungsdirektor im Bundesministerium der Finanzen, Berlin
Entwicklungstendenzen der Doppelbesteuerungsabkommen - Auswirkungen der neueren Revisionen des OECD-MusterabkommensI.
II. III. IV. V.
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Einführung: Bedeutung von OECD-Musterabkommen und -kommentar .............................................................................. Internet-Server als "Internet-Blase" ....................................... "Painter-Example" (Art. 5 Abs. 1 OECD-MA) ...................... Optionale "Dienstleistungs-Betriebsstätte" (Art. 5 OECD-MA) ................................................................... Betriebsstätte durch Subunternehmer? .................................
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Inhaltsverzeichnis Seite
VI. VII. VIII. IX. X.
1 Vertreter-Betriebsstätte
2 Steuerpflichtige ...................... Einführung des "Authorized OECD Approach (AOA)" ..... Ausweitung von Art. 8 OECD-MA ........................................ Abgrenzung zwischen Art. 7 und Art. 12 OECD-MA Wirtschaftlicher Arbeitgeberbegriff (Art. 15 Abs. 2 OECD-MA) ..................................................... XI. Besteuerung von Pensionszahlungen (Art. 18 OECD-MA) . XII. Vermeidung der Doppelnichtbesteuerung ........................... XIII. Nichtdiskriminierung .............................................................. XIV. Schiedsklausel (Art. 25 Abs. 5 OECD-MA) ........................... XV. Informationsaustausch (Art. 26 OECD-MA) ......................... XVI. Real Estate Investment Vehicles (REITs) ............................... XVII. Collective Investment Vehicles (CIV): Konsultation bis 6.3.2009 ... ...... ..... ... ..... .... ............ ... .... ... .... .... ..... ........ ... ..... .. ... .... XVIII. Funktionsverlagerungen: laufende Konsultation bis 19.2.2009 .............................................................................. =
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Prof. Dr. Jürgen Lüdicke (Diskussionsleitung) Rechtsanwalt, Steuerberater, International Tax Institute, Universität Harnburg
Entwicklungstendenzen der Doppelbesteuerungsabkommen - Podiumsdiskussion - ....................................................................... 121
Prof. Dr. Johanna Hey Institut für Steuerrecht, Universität zu Köln
Nationale Missbrauchsvorschriften im Spannungsfeld von DBA- und EU-Recht I. II. III.
Einleitung ................................................................................. 137 Steuermissbrauch in grenzüberschreitenden Sachverhalten 139 Vorschriften zur Verhinderung grenzüberschreitenden Gestaltungsmissbrauchs .......................................................... 142
XIII
Inhaltsverzeichnis Seite
IV. V. VI.
Konflikte mit dem Recht der Doppelbesteuerungsabkommen ................................................................................ 145 Konflikte mit dem Europarecht .............................................. 156 Ausblick .................................................................................... 168
Prof. Dr. Jürgen Lüdicke (Diskussionsleitung) Rechtsanwalt, Steuerberater, International Tax Institute, Universität Harnburg
Nationale Missbrauchsvorschriften im Spannungsfeld von DBA- und EU-Recht -Podiumsdiskussion- ....................................................................... 171
Dr. Arne Schnitger, CPA, LL.M. Steuerberater, Berlin
Aktuelle Entwicklungen bei der beschränkten Steuerpflicht und internationalen Personengesellschaften I. Il. III. IV. V.
Einleitung .... ..... ..... ...... ... ...... .... ..... ..... .... ..... ........ ... ..... .. ... ...... .. Aufgabe der finalen Entnahmetheorie .................................. Abkommensrechtliche Beurteilung von Sondervergütungen Neuregelungen zur beschränkten Steuerpflicht ................... Zusam1nenfassung ...................................................................
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Prof. Dr. Jürgen Lüdicke (Diskussionsleitung) Rechtsanwalt, Steuerberater, International Tax Institute, Universität Harnburg
Aktuelle Entwicklungen bei der beschränkten Steuerpflicht und internationalen Personengesellschaften Podiumsdiskussion ... ..... ..... ...... ..... ..... ..... ..... .... ..... ...... ....... ... .. ... ...... .. 211
Stichwortverzeichnis ..... ..... ....... ..... ...... ... .... ...... ... ..... .......... ... .... ..... .... 225 XIV
Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen? Prof. Dr. Clemens Fuest Centre for Business Taxation, University of Oxford
Inhaltsübersicht I. Steuerwettbewerb und privatwirtschaftlicher Wettbewerb .......................... 1 II. Ziele der Finanzpolitik im Steuerwettbewerb: Steuereinnahmen und andere Erträge, oder: Wo ist die Marge? .................................
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III. Steuerwettbewerb um was? Von Bankkonten und Briefkastenfirmen zu Reichen und Superreichen ................. 5 IV. Welche Faktoren bestimmen die Positionierung
I.
eines Landes im Steuerwettbewerb? V. Finanzpolitische Instrumente, Tricks und Strategien ......................................
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VI. Wettbewerbsumfeld Deutschlands: Von sinkenden Steuersätzen und Steueroasen ........................ 10 VII. Welche steuerpolitischen Strategien verfolgt Deutschland, und ist Deutschland damit dem Steuerwettbewerb gewachsen? ........... 16
Steuerwettbewerb und privatwirtschaftlicher Wettbewerb
Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen? Eine verbreitete und durchaus sinnvolle Art, diese Frage zu beantworten, besteht darin, Steuerlasten international zu vergleichen. Dazu verwendet man Indikatoren wie tarifliche Steuersätze, Effektivsteuersätze, Modellunternehmen, Steueraufkommenszahlen und so weiter. Aber die meisten unter Ihnen kennen diese Vergleiche, deshalb will ich hier einen anderen Ansatz wählen. Ich will die Frage, ob Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen ist, aus der Perspektive 1
Fuest, Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen?
einer Analogie diskutieren. Ich will fragen, ob wir von dem, was wir über den Wettbewerb unter Unternehmen wissen oder zu wissen glauben, etwas darüber lernen können, wie Deutschland oder andere Länder im Steuerwettbewerb dastehen.1 Wenn man derartige Vergleiche zieht, muss man sorgfältig darauf achten, dass man die Grenzen der Analogiebildung nicht unter den Tisch fallen lässt. Zwischen Staaten und Unternehmen gibt es gewaltige Unterschiede. Aus ökonomischer Sicht besteht der wichtigste Unterschied darin, dass die Regierung eines Landes in erster Linie Leistungen bereitstellt oder zumindest bereitstellen sollte, die an privaten Märkten nicht oder nicht in hinreichendem Ausmaß angeboten werden. Deshalb ist beispielsweise die Aussage, dass der Wettbewerb der Steuerpolitiken ökonomisch vorteilhaft sei, weil auch der privatwirtschaftliehe Wettbewerb im Allgemeinen gute Ergebnisse hervorbringt, nicht sehr überzeugend2, ohne notwendigerweise vom Ergebnis her falsch zu sein. Trotz der Unterschiede zwischen privatwirtschaftlichem Wettbewerb und dem Steuer- und Standortwettbewerb zwischen Staaten gibt es aber auch viele Gemeinsamkeiten, und sowohl aus den Unterschieden als auch den Gemeinsamkeiten kann man meines Erachtens etwas lernen. Beginnen möchte ich mit den Zielen, die ein Land im Steuerwettbewerb verfolgt: Ein Unternehmen möchte Gewinne machen, aber was ist das Ziel einer ganzen Volkswirtschaft?
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In der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung ist die Analogiebildung zwischen privatwirtschaftlichem Wettbewerb und Wettbewerb unter Staaten nicht neu, siehe hierzu etwa Oates, Tax Competition: Is what's good for the private goose also good for the public gander? National Tax Journal Vol. 39 (1986), 341-348. Eine detaillierte Analyse dieses Arguments bietet Sinn, The selection principle and market failure in systems competition, Journal of Public Economics Vol. 66 (1997), 247-274. Für einen Überblick über die Literatur zu Wohlfahrtswirkungen des Steuerwettbewerbs siehe etwa Fuest/Huber/Mintz, Capital Mobility and Tax Competition, Foundations and Trends in Microeconomics, Vol. 1, Hanover/USA 2005, S. 1-62.
Fuest, Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen?
II.
Ziele der Finanzpolitik im Steuerwettbewerb: Steuereinnahmen und andere Erträge, oder: Wo ist die Marge?
Die übliche Antwort auf die Frage nach Zielen eines Landes im Steuerwettbewerb lautet: Es geht darum, für die Ansiedlung von Investitionen und Arbeitsplätzen zu sorgen. Oder: es geht darum zu verhindern, dass Steuersubstrat ins Ausland abfließt. Das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Bei Unternehmen würden wir vermutlich nicht argumentieren, dass es allein darum geht, möglichst viele Kunden zu gewinnen. Wenn die Marge oder der Deckungsbeitrag zu gering ist, lohnt es sich nicht, neue Kunden zu gewinnen. Was ist aus der Sicht eines Landes der Deckungsbeitrag, den das Land erzielt, wenn ein Unternehmen in diesem Land investiert? Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Beispiel
Ein ausländisches Unternehmen investiert in Deutschland und stellt einen Arbeitnehmer ein, der einen Lohn in Höhe von 1 000 € erzielt. Das Unternehmen produziert für den Export und erzielt einen Umsatz in Höhe von 2000 €. Kosten für eine Büromiete betragen 200 €, Buchhaltung, Steuererklärung und sonstige Administration erledigt ein Steuerberaterbüro für ebenfalls 200 €. Es verbleibt ein Gewinn von 600 €. Das Unternehmen zahlt Ertragsteuern in Höhe von 200 €. Existiert in diesem Beispiel eine positive Marge oder ein Deckungsbeitrag für das "Unternehmen" Deutschland? Kann man sagen, dass die Ansiedlung ein Erfolg ist? Zunächst könnte man annehmen, dass die Ansiedlung ein Erfolg ist, weil ein Arbeitsplatz geschaffen wurde. Entsteht hier eine Marge? Wenn der Arbeitnehmer etwas anderes im Wert von 1000 € hätte produzieren können, entsteht hier keine Marge. Ähnliches gilt für die Beschäftigung des Steuerberaterbüros und die Anmietung des Büros. Nehmen wir an, das Büro hätte auch anders verwendet werden können, der Steuerberater hat auch genug zu tun, aber der Arbeitnehmer würde in einem anderen Job nur 900 € verdienen. Hier entsteht eine Marge von 100 €. Wie verhält es sich mit dem öffentlichen Sektor? Ob die Investition sich aus der Sicht des öffentlichen Sektors gelohnt hat, hängt davon ab,
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F11est, Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen?
welcher Zusammenhang zwischen der Ansiedlung des Unternehmens und den Kosten des öffentlichen Sektors besteht. Dabei ist es nötig, zwischen fixen und variablen Kosten zu unterscheiden. Variable Kosten bedeuten hier, dass dem öffentlichen Sektor Kosten entstehen, die nicht entstanden wären, wenn das Unternehmen in einem anderen Land oder gar nicht investiert hätte. Grundsätzlich könnten derartige Kosten dem Unternehmen durch Gebühren angelastet werden. Das mag nicht immer praktikabel sein, letztlich dürfte der nicht durch Gebühren gedeckte Anteil der direkt zurechenbaren Kosten aber klein sein. Anders verhält es sich mit den Fixkosten, die der öffentliche Sektor hat. Viele öffentliche Leistungen - von der Straßenbeleuchtung über die Garantie von Ordnung und Sicherheit durch die Polizei bis hin zur Landesverteidigung - sind durch Kostenstrukturen mit hohem Fixkostenanteil charakterisiert. In unserem Beispiel erzielt der öffentliche Sektor einen Deckungsbeitrag in Höhe von 200 €. Wir wissen, dass ein Deckungsbeitrag in einem Unternehmen noch kein Gewinn ist. Deckungsbeiträge sind unbedingt erforderlich, damit ein Unternehmen langfristig überleben kann, denn die Fixkosten müssen ebenfalls finanziert werden. Was ist der volkswirtschaftliche Deckungsbeitrag, der durch die Ansiedlung des Unternehmens erwirtschaftet worden ist: Er beträgt 300 €. 200 € Gewinnsteuern und 100 € zusätzliches Arbeitseinkommen. Hier wird unter anderem deutlich, dass ein Land unterschiedliche Schwerpunkte in seiner Politik verfolgen kann: Es kann das Ziel im V ordergrund stehen, "Margen" in Form hoher Einkünfte immobiler Faktoren (Arbeit, Immobilien) zu erreichen, es kann auch eher darum gehen, "Margen" in Form von Steueraufkommen zu erzielen. In beiden Fällen handelt es sich um Ziele, die aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll sind. Unterschiedliche Länder gewichten diese Ziele unterschiedlich. Welche sonstigen Schlussfolgerungen erlauben diese Überlegungen für die Position eines Landes im Steuerwettbewerb? Offenbar handelt es sich, was den öffentlichen Sektor angeht, um ein Geschäft mit hohem FixkostenanteiL Ein derartiges Geschäft ist anfällig für aggressiven Preiswettbewerb. Die Führung eines Unternehmens mit einer derartigen Kostenstruktur muss sich Gedanken dazu machen, wie man einen derartigen Preiswettbewerb verhindert. Wir werden darauf noch zu-
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Fuest, Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen?
rückkommen. Bevor wir das tun, ist es sinnvoll, sich die Kundschaft noch etwas genauer anzusehen.
111. Steuerwettbewerb um was? Von Bankkonten und Briefkastenfirmen zu Reichen und Superreichen Im Steuerwettbewerb geht es nicht allein darum, Investitionen und Arbeitsplätze zu attrahieren. Es gibt eine Reihe anderer wirtschaftlicher Aktivitäten, die im Steuerwettbewerb ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Das sind zum einen spezielle Aktivitäten oder Teile von Unternehmen. So sind manche Länder sehr darum bemüht, Aktivitäten im Bereich Forschung und Entwicklung oder Unternehmens-Hauptquartiere zu attrahieren. Damit ist offenbar die Hoffnung verbunden, hoch qualifizierte Arbeitsplätze im Land zu haben und damit weniger anfällig für Wettbewerb im Bereich niedriger qualifizierter Arbeit zu sein. Es gibt darüber hinaus einen Steuerwettbewerb um Personen mit besonderer Qualifikation, beispielsweise um Spezialisten in den Bereichen Informationstechnologie oder Finanzierung, um Manager, Unternehmer oder allgemein Talente und hoch qualifizierte Arbeitnehmer. Die Motivation, derartige Aktivitäten ins Land zu holen, wurde im vorangehenden Abschnitt bereits diskutiert. Nun gibt es auch Länder, die ihre Steuerpolitik eher darauf ausrichten, Dinge wie Bankkonten und Briefkastenfirmen zu attrahieren. Das sind die berühmt-berüchtigten Steueroasen. Hier liegt das Interesse der betreffenden Länder wohl weniger darin Ertragsteuern zu erheben, sondern vielleicht im Erheben von Gebühren und der Schaffung von Arbeitsplätzen für Rechtsanwälte und andere Verwalter. Darüber hinaus kann man Steuerpolitiken beobachten, die offenbar darauf ausgerichtet sind, Reiche oder ,Supen·eiche' ins Land zu holen. Auch hier stellt sich die Frage, was ein Land eigentlich davon hat, wenn es von Popstars, erfolgreichen Sportlern oder anderen Menschen mit sehr hohen Einkommen als Wohnsitz gewählt wird, diese dort aber keine oder nur geringe Einkommensteuern zahlen. Eine mögliche Antwort lautet, dass die Präsenz dieser Superreichen andere Aktivitäten anzieht, die Steueraufkommen produzieren oder Arbeitseinkommen steigern. Es ist auch denkbar, dass die von diesen Menschen entrichteten Einkommensteuern zwar gemessen an ihrem Einkommen ver-
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Fuest, Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen?
schwindend gering sind, absolut gesehen aber immer noch so hoch, dass es sich lohnt, sie im Land zu haben. Eine weitere Form von Steuerwettbewerb schließlich bezieht sich auf das sogenannte Steuersubstrat Dem liegt die in vielen Bereichen sicherlich zutreffende Vorstellung zu Grunde, dass steuerliche Bemessungsgrundlagen losgelöst von realwirtschaftlicher Aktivität mobil sind, beispielsweise durch Transferpreise, Finanzierungsbeziehungen und andere Gestaltungen, mögen sie nun steuerlich oder nicht-steuerlich motiviert sein.
IV. Welche Faktoren bestimmen die Positionierung eines Landes im Steuerwettbewerb? Zunächst gibt eine Vielzahl natürlicher Gegebenheiten wie etwa die geographische Lage, das Klima, das Vorhandensein oder das Fehlen von Bodenschätzen und anderen natürlichen Ressourcen, die einem Land zu einer besseren oder schlechteren Position im Steuer- und Standortwettbewerb verhelfen. Dann sind kulturelle Aspekte wichtig, vor allem die Sprache. Aus empirischen Analysen grenzüberschreitender Kapitalströme ist bekannt, dass eine gemeinsame Sprache allein ein wichtiger Faktor zur Erklärung von grenzüberschreitenden Investitionen sein kann. Eine Strategie, sich als Niedrigsteuerstandort zu profilieren und ausländische Investitionen zu attrahieren, wird einem Land mit weit verbreiteter oder leicht erlernbarer Sprache mehr nützen als einem Land, dessen Sprache eine Barriere darstellt. Irland ist dafür sicherlich ein gutes Beispiel. Natürliche Gegebenheiten und kulturelle Aspekte sind auch für die Wettbewerbspositionen von Unternehmen wichtig, aber vermutlich sind diese Aspekte für Unternehmen leichter veränderbar, denn Unternehmen können ihren geographischen Standort wechseln, und sie können ihre Mitarbeiter in Englischkurse schicken, sie in anderen Bereichen weiterbilden und Mitarbeiter aus anderen Kulturkreisen einstellen. Darüber hinaus sind Faktoren wie Rechtssicherheit, eine gute Infrastruktur und eine funktionierende öffentliche Verwaltung Faktoren, die ein Land als Investitionsstandort attraktiv machen und es diesem Land ähnlich wie natürliche Vorteile erlauben, höhere Steuern zu erheben.
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Fuest, Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen?
Für die Positionierung im Steuerwettbewerb sind außerdem die Größe eines Landes und der wirtschaftliche Entwicklungsstand wichtig. Es ist empirisch gut belegt, dass große Länder sich eher als Hochsteuerländer positionieren. Das hat zwei Gründe. Zum einen bieten große Länder große Absatzmärkte. Für viele Firmen spielt eine räumliche Nähe zu den großen Absatzmärkten eine wichtige Rolle. Große Länder können dies nutzen und einen Teil der Agglomerationsrenten durch Steuern abschöpfen. Zum anderen ist in diesen Ländern der Anteil der grenzüberschreitend mobilen wirtschaftlichen Aktivität an der Gesamtwirtschaft vergleichsweise klein. Mobilität spielt als Faktor in der Steuerpolitik eine geringere Rolle. Steuersenkungen sind für diese Länder weniger interessant, weil sie stets bedeuten, dass erhebliches Steueraufkommen durch die Entlastung ohnehin vorhandener wirtschaftlicher Aktivität verloren geht, während relativ wenig hinzugewonnen wird. Bei kleinen Ländern ist das umgekehrt. Eine ähnliche Wirkung hat das Niveau wirtschaftlicher Entwicklung. Länder, in denen hoch entwickelte, ertragstarke Unternehmen ansässig sind, werden ungern ihre Steuern senken, weil die Mindereinnahmen aus der Entlastung dessen, was schon vorhanden ist, groß sind. Länder mit niedrigem Entwicklungsniveau sind in einer anderen Lage. Ein Land, das keine nennenswerten Unternehmen hat, verliert kein Steueraufkommen, wenn es seine Steuern senkt. Daher ist eine Niedrigsteuerpolitik für ein solches Land mit deutlich geringeren Kosten verbunden. Die Ähnlichkeiten zur Wettbewerbssituation von Unternehmen liegen auf der Hand. Von welchen Unternehmen kann man eine aggressive Preispolitik erwarten? Sicherlich weniger von etablierten Unternehmen, sondern vor allem von Unternehmen, die neu in einen Markt eingetreten sind. Sie erleiden keine Umsatzeinbußen, wenn sie niedrige Preise verlangen, denn sie haben noch keinen großen Umsatz. Sie müssen schon deshalb niedrige Preise verlangen, weil sie andernfalls zu wenig Nachfrager dazu bewegen können, die Unannehmlichkeit und das Risiko eines Anbieterwechsels auf sich zu nehmen. Dass etablierte Unternehmen sich anders verhalten als Neuankömmlinge, bedeutet dabei nicht, dass eine der beiden Gruppen eine schlechte oder irrationale Preispolitik verfolgt. Die Unterschiede erklären sich aus der jeweils unterschiedlichen Position, in der die Unternehmen sich befinden.
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Fuest, Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen?
V.
Finanzpolitische Instrumente, Tricks und Strategien
Welche Instrumente und Strategien stehen einem Land bzw. den steuerpolitischen Entscheidungsträgern zur Verfügung. Bislang haben wir in erster Linie darüber gesprochen, dass ein Land sich als Hochoder Niedrigsteuerland positionieren kann. Tatsächlich ist das Instrumentarium im Steuerwettbewerb deutlich umfangreicher. Das am Ende des vorangehenden Abschnitts beschriebene Problem großer und etablierter Wirtschaftsstandorte, dass eine Steuersenkung zwar neue Kunden anziehen kann, gleichzeitig aber das von vorhandenen Firmen erhobene Steueraufkommen senkt, kann im Prinzip durch Preisdifferenzierung überwunden werden. Neue Firmen können mit speziellen steuerlichen Regimes angelockt werden, ähnlich wie Unternehmen neuen Kunden besondere Konditionen anbieten, um im Wettbewerb um diese Kunden mithalten zu können. Preisdifferenzierung gibt es nicht nur zwischen Neu- und Altkunden, sondern auch zwischen verschiedenen Kundengruppen, beispielsweise Kunden mit unterschiedlicher Preiselastizität der Nachfrage. Im Steuerwettbewerb ist diese Preisdifferenzierung weit verbreitet. So gibt schon in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Fülle spezieller steuerlicher Regimes, die etwa zwischen heimischen und ausländischen Unternehmen oder den eigenen Staatsbürgern und zugezogenen Ausländern unterscheiden. Ein Beispiel ist das sog. Non-Dom-Regime in Großbritannien, das Ausländer, die nach Großbritannien ziehen, von der Verpflichtung befreit, ihr außerhalb von Großbritannien erzieltes Einkommen in Großbritannien zu versteuern. Preisdifferenzierung trifft auch unterschiedliche ökonomische Aktivitäten. So gibt es etwa Vergünstigungen für Forschung und Entwicklung oder für Finanzierungszentren. Von ökonomischer und juristischer Seite werden derartige Vergünstigungen im Steuerrecht oft als schädlich und irrational gebrandmarkt. Für manche Vergünstigungen mag das auch zutreffen. Man sollte dabei aber nicht zu weit gehen. Solche Vergünstigungen generell als schädlich darzustellen, ist ebenso naiv wie die Behauptung, ein Unternehmen, das Preisdifferenzierung betreibe, schade sich selbst. Das Gegenteil ist der Fall. Eine andere Strategie, die Unternehmen verfolgen, um im Wettbewerb bestehen zu können, ist die der Differenzierung gegenüber den Wett-
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Fuest, Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen?
bewerbern. Anders sein, nicht austauschbar sein, schützt vor Wettbewerbsdruck Wie bei Unternehmen gibt es auch bei Ländern sehr unterschiedliche Differenzierungsstrategien. Eine solche Strategie ist die Nischenstrategie. Dabei konzentriert man sich darauf, für bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten besonders günstige steuerliche Bedingungen zu schaffen. Ein Beispiel für eine solche Strategie ist die Positionierung eines Landes als Standort für die Zentralen multinationaler Unternehmen. Dazu gehört eine Freistellung von Dividenden aus dem Ausland, eine großzügige Regelung im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung (CFC-Legislation), die Möglichkeit der Verrechnung von Auslandsverlusten mit inländischen Gewinnen, entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen und vieles mehr. Eine andere Form der Differenzierung ist der Versuch, eine Marke zu etablieren. Das ist für Unternehmen vielleicht einfacher als für Länder im Steuer- und Standortwettbewerb. Aber Marken gibt es auch im Steuer- und Standortwettbewerb.3 Es ist vorteilhaft, wenn man eine besondere Reputation hat, etwa den Ruf, eine im Zweifel wirtschaftsfreundliche Steuerpolitik zu verfolgen. Damit eng verwandt ist die Strategie, eine Reputation dafür aufzubauen, eine besonders verlässliche und konstante Steuerpolitik zu verfolgen. Auch das kann für Differenzierung gegenüber Wettbewerbern sorgen. Zum Aufbau und zur Pflege einer Marke gehört es auch, über Positionen in Rankings nachzudenken und darauf zu reagieren. Es gehört auch dazu, sich an konzeptionellen Debatten über Indikatoren zu beteiligen. Ist Deutschland ein Hoch- oder ein Niedrigsteuerland? Deutsche Regierungen haben immer wieder versucht, der These entgegenzutreten, Deutschland sei ein Hochsteuerland. Statistische Quoten, etwa die Steuerquote, kann man verändern, ohne die Unwahrheit zu sagen, indem man beispielsweise Kindergeld nicht als staatlichen Transfer verbucht, der durch Steuern finanziert werden muss, sondern als Steuererstattung. Dann ist es so, dass die durch die Steuerquote gemessene Steuerlast um so geringer wird, je höher das Kindergeld ist. Natürlich gehören zu den steuerpolitischen Instrumenten auch Dinge wie moralische Appelle an Steuerzahler oder andere Regierungen, aber auch Drohungen und Sanktionen. So wird beispielsweise erheblicher Druck auf Länder ausgeübt, die sich als Steueroasen positionieren oder
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Siehe hierzu Konmd, Mobile tax base as a global common, International Tax and Publir Finanre Vol. 15 (2008), 395-414.
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Fuest, Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen?
differenzierende steuerliche Regimes wie etwa Steuervorteile für Holdinggesellschaften bieten. Es ist auch üblich, Ländern mit niedrigen Steuern vorzuwerfen, eine Dumping-Strategie zu verfolgen. Bei privaten Unternehmen dient Dumping dazu, Wettbebwerber aus dem Markt zu verdrängen. Das ist schon im privatwirtschaftliehen Wettbewerb nicht ganz einfach. Bei Ländern erscheint diese Strategie noch weniger Erfolg versprechend.4 Dann gehört zur steuerpolitischen Strategie auch, darüber nachzudenken, wie die anderen Wettbewerber auf eigenes Handeln reagieren werden. Eine Strategie ist die, davon auszugehen, dass die anderen Wettbewerber sich unabhängig von der eigenen Politik positionieren werden. Eine andere Strategie würde darin bestehen anzunehmen, dass man durch die eigene Steuerpolitik die Steuerpolitik anderer Länder verändert. Dass man beispielsweise durch eigene Steuersenkungen einen Steuersenkungswettlauf auslösen kann, sich also gewissermaßen als Trendsetter sieht. Es gibt auch Vorschläge, dass die nationale Steuerpolitik sich auf eine gewisse Anpassung im Steuerwettbewerb festlegen sollte, also beispielsweise den Steuersatz stets am OECDDurchschnitt anpassen sollte. Welche Strategien wer im Steuerwettbewerb verfolgt, und welche Strategie klug oder unklug ist, all dies wird in der steuerpolitische Diskussion bislang eher am Rande erörtert, und auch die finanzwissenschaftliche Theorie ist hier noch nicht sehr weit entwickelt.
VI. Wettbewerbsumfeld Deutschlands: Von sinkenden Steuersätzen und Steueroasen Um die Wettbewerbssituation eines Unternehmens einzuschätzen, ist es unerlässlich, sich mit dem Wettbewerbsumfeld zu beschäftigen. Das gilt auch, wenn es um die Frage geht, wie ein Land im Steuerwettbewerb positioniert ist. Zu den markantesten Kennzeichen der Entwicklung des Steuerwettbewerbs gehört sicherlich der Rückgang der Steuersätze. Abbildung 1 illustriert die Entwicklung des durchschnitt-
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Eine ausführliche Diskussion dieses Problems bietet Krause-Junk, Preisdumping und Steuerwettbewerb- wie weit reicht die Parallele?, Finanzarchiv N.F. Bd. 56 (1999), 86-103.
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liehen tariflichen Steuersatzes auf Unternehmensgewinne in der Europäischen Union seit 1982. Abbildung 1 Durchschnittliche tarifliche Steuerbelastung von Unternehmensgewinnen EU 151982-2008
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Quelle: Institute for Fiscal Studies, KPMG
Während der durchschnittliche Steuersatz zu Beginn der achtziger Jahre noch bei über 45 Prozent lag, ist er mittlerweile auf deutlich unter 30 Prozent gefallen, und es scheint wenig dafür zu sprechen, dass dieser Trend sich in den nächsten Jahren ändern wird. Außerhalb der EU ist die Entwicklung ähnlich. Wie verhält es sich mit den Unterschieden zwischen den EU-Mitgliedstaaten? Abbildung 2 zeigt, dass die Varianz der Steuersätze ebenfalls zurückgegangen ist. Gleichwohl sind die verbleibenden Steuersatzdifferenzen mit gut 20 Prozentpunkten zwischen dem Land mit der höchsten tariflichen Belastung (Belgien, 34%) und dem mit der niedrigsten (Irland, 12,5%) noch immer erheblich.
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Abbildung 2 Varianz der tariflichen Steuerbelastung von Unternehmensgewinnen in der EU 151982-2008 0.025 - . - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - ,
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Quelle: Eigene Berechnungen
Das sinkende durchschnittliche Niveau der Steuersätze und die abnehmende Streuung legen die Schlussfolgerung nahe, dass der Steuerwettbewerb sehr intensiv ist. Dieses Bild relativiert sich, wenn man die Entwicklung des Steueraufkommens betrachtet. Abbildung 3 illustriert, wie der Anteil der Unternehmensbesteuerung am Gesamtsteueraufkommen sich in der Europäischen Union entwickelt hat. Abbildung 3 Anteil der Steuern auf Unternehmensgewinne am Gesamtsteueraufkommen in der EU 15 9.5 9 8.5 8 7.5 7 6.5
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Es zeigt sich, dass dieser Anteil im EU-Durchschnitt gestiegen ist. Das ist insofern überraschend, als die sinkenden Steuersätze eher erwarten lassen, dass das Steueraufkommen sinkt. Hinter der Entwicklung im EU-Durchschnitts verbergen sich allerdings recht unterschiedliche Trends in einzelnen Ländern. In den großen EU-Ländern, die in den letzten Jahren eher hohe Steuersätze hatten, hat das Aufkommen aus der Unternehmensbesteuerung sich eher konstant entwickelt, oder es hat leicht an Gewicht verloren, wie Abbildung 4 für Deutschland, Frankreich und Italien zeigt. Abbildung 4
Anteil der Steuern auf Unternehmensgewinne am Gesamtsteueraufkommen 1980-2007
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1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006
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Fra nkreich
....... Deutschland
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Italien
Quelle: OECD
In em1gen anderen, eher kleineren EU-Ländern ist das Gegenteil zu verzeichnen, wie Abbildung 5 illustriert.
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Abbildung 5 Anteil der Unternehmensteuern am Gesamtsteueraufkommen 19802007 14
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