Wissens- und Universitätsstadt Wien: Eine Entwicklungsgeschichte seit 1945 9783737003995, 9783847103998, 9783847003991


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Wissens- und Universitätsstadt Wien: Eine Entwicklungsgeschichte seit 1945
 9783737003995, 9783847103998, 9783847003991

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Zeitgeschichte im Kontext

Band 10

Herausgegeben von Oliver Rathkolb

Die Bände dieser Reihe sind peer-reviewed.

Hubert Christian Ehalt / Oliver Rathkolb (Hg.)

Wissens- und Universitätsstadt Wien Eine Entwicklungsgeschichte seit 1945

Unter Mitarbeit von Theodor Venus, Elisabeth Heimann und Susanne Strobl

V& R unipress Vienna University Press

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0399-8 ISBN 978-3-8470-0399-1 (E-Book) Veröffentlichungen der Vienna University Press erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Rektorats der Universität Wien und in Zusammenarbeit und mit Förderung der Wiener Vorlesungen, des Dialogforums der Stadt Wien. Ó 2015, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: »Franzens-Ring«, Vorstadtseite. D¦pos¦, Zeichnung von L.E. Petrovits, Farbholzschnitt von F.W. Bader, Wien 1875, Montage mit Rathaus, Parlament und Universität (Original im Eigentum von Oliver Rathkolb) Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Hubert Christian Ehalt Wien und die Wissenschaft

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Oliver Rathkolb Universitäten in Wien nach 1945 – 1965. Zwischen Rückbruch, Wiederaufbau und der Suche nach Internationalität . . . . . . . . . . . .

23

Studieren in Wien Oliver Rathkolb Studieren in Wien ab 1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

Manfried Welan Student in Wien 1955 – 1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

Die 1960er Jahre Interviews mit Erhard Busek, Wolfgang Greisenegger, Franz Römer und Peter Skalicky . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

Die 2000er Jahre Bernhard J. K. Beham Zwischen Mathematik und Geschichte

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

Suleika Mundschitz Studieren in Wien, 2005 – 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

6

Inhalt

Forschen in und mit der Stadt Wien Oliver Rathkolb Wien am Weg zur Wissenschaftsregion in den 1970er und 1980er Jahren

91

Die 1960er Jahre Interviews mit Arnold Schmidt und Georg Winckler . . . . . . . . . . . .

99

Wolf Frühauf Einleitung zu Hertha Firnberg: Die Wissenschaft in der modernen Welt . 107 Hertha Firnberg Die Wissenschaft in der modernen Welt

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Die 1970er Jahre Interviews mit Wolf Frühauf, Arnold Schmidt, Kurt Komarek und Manfried Welan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Karl R. Wernhart Zur Kooperation zwischen Universität und Stadt Wien. Die 625-Jahr-Feier der Universität Wien und die Entstehung des Universitätscampus – Retrospektive und Zukunftsperspektiven

. . . . . 147

Die 1980er Jahre Interviews mit Arnold Schmidt, Kurt Komarek, Georg Winckler, Manfried Welan, Herbert Matis, Wolfgang Greisenegger, Wolf Frühauf und Peter Skalicky . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Die 1990er Jahre Interviews mit Leopold März, Wolf Frühauf und Kurt Komarek . . . . . . 195 Universitäts- und forschungspolitischer Paradigmenwechsel am Beginn des 21. Jahrhunderts Hubert Christian Ehalt und Oliver Rathkolb Zäsuren, Gründungen, neue Entwicklungen

. . . . . . . . . . . . . . . . 213

Interviews mit Arnold Schmidt, Georg Winckler, Herbert Matis und Ewald Nowotny . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

Inhalt

7

Drei Fallstudien zur Wechselwirkung zwischen Stadtverwaltung und Universität Wien Hubert Christian Ehalt Forschungsförderung der Kulturabteilung der Stadt Wien – exzellenzorientiert, innovativ, alternativ, kompensatorisch . . . . . . . . 239 Herta Nagl-Docekal Ein Wiener Philosophieprojekt in internationalem Kontext . . . . . . . . 243 Michael Mitterauer Austauschbeziehungen und Vermittlungssysteme. Aktualitätsbezogene Wissenschaft in urbanem Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Brigitte Rollett Die Stadt Wien und das Fach Psychologie an der Universität Wien: Geschichte einer Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Universitäten in Wien aus der Perspektive von Politikern und Politikerinnen Interview mit Michael Häupl – Neugierde auf die Ursachen, Lust an der Lösung von Problemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Andreas Mailath-Pokorny Die Wissenschafts- und Forschungsstadt Wien: eine Erfolgsentwicklung auf gutem Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Renate Brauner Zeit für ein neues Selbstbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Alexander Van der Bellen Politik in Universitäten: Some anecdotal evidence . . . . . . . . . . . . . 303 Interview mit Sepp Rieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Franz Mrkvicka Wien die Wissenschaftsstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Interview mit Erhard Busek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

8

Inhalt

Universitäten und die Stadt Wien aus der Perspektive von RektorInnen 2014 Michael Häupl Universitätsstadt Wien – Campus und Prater . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Hubert Christian Ehalt Die Universitäts- und Hochschulstadt Wien Christoph Badelt WU (Wirtschaftsuniversität Wien)

. . . . . . . . . . . . . . . . 355

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

Gerald Bast Universität für angewandte Kunst Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Eva Blimlinger Akademie der bildenden Künste Wien Heinz W. Engl Universität Wien

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

Martin H. Gerzabek Universität für Bodenkultur Wien (BOKU Wien) . . . . . . . . . . . . . . 365 Sonja Hammerschmid Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) . . . . . . . 367 Werner Hasitschka Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) . . . . . . . . 369 Michael Heritsch FHWien der WKW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Helmut Holzinger Fachhochschule des bfi Wien

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373

Maria-Regina Knecht Webster Vienna Private University

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

Arthur Mettinger FH Campus Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

9

Inhalt

Franz Patay Konservatorium Wien Privatuniversität (KONSuni) . . . . . . . . . . . . 379 Ruth Petz Pädagogische Hochschule Wien (PH Wien) . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Alfred Pritz Sigmund Freud Privatuniversität (SFU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Fritz Schmöllebeck Fachhochschule Technikum Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Wolfgang Schütz Medizinische Universität Wien (MedUni Wien) Sabine Seidler Technische Universität Wien (TU Wien)

. . . . . . . . . . . . . . 387

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

Axel Jungwirth Ferdinand Porsche Fern-Fachhochschule (FernFH)

. . . . . . . . . . . . 391

Karl Wöber MODUL University Vienna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Alexander Zirkler Lauder Business School (LBS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395

Zeittafel Wissens- und Universitätsstadt Wien. Gründungen, Zäsuren, Aufbrüche . 399 Liste der Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 Biografien der AutorInnen, Herausgeber und InterviewpartnerInnen

. . 423

Einleitung

In den letzten drei Jahrzehnten ist Wien im Hinblick auf universitäre Strukturen und Leistungen und ein kompetitives, wissens- und wissenschaftsfreundliches Klima zu einer Wissenschafts- und Forschungsstadt geworden. Diese Entwicklung dokumentiert sich in zahlreichen Gründungen, statistischen (Wachstums-) Daten, einem klaren Bekenntnis zu wissenschaftlicher Exzellenz und Wettbewerb und in einer wissenschaftsfreundlichen Haltung der Bürgerinnen und Bürger. Diese Entwicklung ist den Universitäten, der Stadtverwaltung und den Forscherinnen und Forschern selbst zu danken. Die Geschichte der Universitäts- und Wissenschaftsstadt hat grob gesehen drei Phasen: Eine Phase der Kontinuität nach 1945, in der auch die Involvierung der Universitäten in das NS-Regime wenig bis gar nicht reflektiert wurde. Die Beziehungen zwischen der Wiener Stadtverwaltung und den Universitäten waren kühl, distanziert und durch geringes gegenseitiges Interesse geprägt. In einer zweiten Phase zwischen 1965 und 1985 erfolgte eine wechselseitige Öffnung und Annäherung. Man begann einander zu sehen und zu akzeptieren. Man war bereit, zu den eingeschliffenen, durch Vorurteile geprägten Wahrnehmungen des jeweils anderen auf Distanz zu gehen. Die Stadt Wien dotierte 1965 anlässlich des 600-Jahr-Jubiläums der Universität Wien die Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien zur Unterstützung von Forschungsprojekten von Wiener Universitäten. Die inhaltliche und rechtliche Öffnung und Neuorientierung der Universität(en) in der Ära Kreisky machte aus der Ordinarienuniversität (unter den Talaren der Mief von tausend Jahren) eine erneuerungsbereite Institution – nicht mehr nur für die höheren Töchter und Söhne – mit dem Willen zu Reform und Modernität. In der dritten Phase der Entwicklung ging die Beziehung, in der es bereits Akzeptanz und gegenseitiges Interesse gab, immer dynamischer in gut koordinierte Zusammenarbeit über, die nicht nur durch Förderung der Universitäten durch die Stadt, sondern durch gemeinsames Gestalten geprägt ist. In diesem erfolgreichen Miteinander verliert die Universität ihr Praxis- und die Stadt ihr Theoriedefizit. Man begegnet einander auf Augenhöhe.

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Einleitung

Im Frühjahr 1987 veranstaltete die Kulturabteilung der Stadt Wien eine Enquete zum Thema »Wien, die Stadt und die Wissenschaft«. Im Vorfeld der Veranstaltung wurden alle Aktivitäten und Kooperationen, die es seitens der Stadt in Richtung Universitäten und Wissenschaft gab, erhoben. Der Erfolg des Festvortrages gab den Impuls für die »Wiener Vorlesungen«, die im Mai 1987 starteten. Bürgermeister Dr. Helmuth Zilk begann etwa zeitgleich, die Rektoren (damals nur Männer) zu einem Meinungsaustausch einzuladen. Der Erfolg dieser Initiative hat bewirkt, dass daraus ein Jour fixe wurde, der mit dazu beigetragen hat, dass die Hauptakteure auf beiden Seiten einander mit Vertrauen, gegenseitiger Wertschätzung und mit einem Bewusstsein der gesellschaftlichen Bedeutung ihres Zusammenwirkens begegnen. In den 1990er Jahren und Anfang des 21. Jahrhunderts dynamisierte sich die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und der Stadtverwaltung. Die Stadt gründete in den Jahren 1997, 1998, 1999, 2000 und 2011 fünf Wissenschaftsförderungsfonds, die ständige Brücken zwischen den Universitäten und der Stadtverwaltung bilden. Die erfolgreichen Stadttechnologien arbeiten eng mit Universitätsinstituten zusammen und seit 2006 hat Wien eine FTI(Forschung, Technologie, Innovation)-Strategie entwickelt und beschlossen. Die vorliegende Anthologie ist der Versuch, erstmals auf Basis von Interviews und von Beiträgen von Akteuren aus Wissenschaft und Politik die Entwicklung der Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen der Stadt Wien und den hier ansässigen Universitäten seit 1945 zu dokumentieren und offen sowie kritisch zu analysieren. Ehemalige Rektoren wurden ebenso befragt wie hochrangige Wissenschaftsfunktionäre und PolitikerInnen, um einen durchaus auch subjektiven Blick – ausgehend von den eigenen Studienerfahrungen in Wien – festzuhalten und zum Ausgangspunkt intensiverer Reflexionen und Bewertungen zu machen. Dieser Band wird von den Herausgebern bewusst als ein offener Reader zu einer modernen Wissenschaftszeitgeschichte verstanden, als Beginn einer intensiveren Beschäftigung mit dem Phänomen, dass sich Stadt und Universitäten in Wien erst langsam und abwartend zu engeren Kooperationen bereitgefunden haben. Zwar scheint die Etablierung der Hochschuljubiläumsstiftung 1965 durch die Stadt Wien anlässlich des 600-Jahres-Jubiläums der Universität Wien und des 150-jährigen Bestehens der Technischen Universität ein markanter Wendepunkt dieser freundlichen Distanz gewesen zu sein, aber wie die nachfolgenden Beiträge zeigen werden, ist es erst Ende der 1980er und in den 1990er Jahren gelungen, die Interaktionen und Wechselwirkungen, die zu einer Wissenschaftsregion führen können, auf verschiedenen Ebenen nachhaltig zu intensivieren. Natürlich bedarf dieses komplexe Kapitel der Beziehungen zwischen der Stadtverwaltung in Wien und den Universitäten noch einer wesentlich umfas-

Einleitung

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senderen Erforschung, die dieser Band auch in dem bewussten Bekenntnis zu seiner Lückenhaftigkeit anregen soll. Trotzdem ist es den Beiträgerinnen und Beiträgern gelungen, eine erste reflexive Bestandsaufnahme dieser komplexen Interaktionsgeschichte zu entwickeln, die durch eine eigens recherchierte Zeittafel 1945 – 2014 »Wien wird wieder Wissenschaftsstadt« ergänzt wird. Diese wurde von den Herausgebern unter Mithilfe von Angelika Lantzberg, Susanne Strobl, Elisabeth Heimann und Theodor Venus anhand von Primärquellen und Sekundärliteraur zusammengestellt. Die Herausgeber danken dem Verlag V& R unipress in Göttingen, insbesondere der Geschäftsführerin Susanne Franzkeit sowie Frau Anke Moseberg und Frau Ruth Vachek, für die trotz des Zeitdrucks und der Arbeitsintensität ausgezeichnete Kooperation. Besonders hervorgehoben soll die Mitarbeit von Theodor Venus werden, der die meisten Interviews durchgeführt hat, und die Unterstützung durch Elisabeth Heimann in der hektischen Endproduktionsphase. Große Wertschätzung verdienen die Autorinnen und Autoren dieses Buches, die durch Ihre Artikel bzw. teilweise umfassend überarbeiteten Interviews ein kaum in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit nachhaltig diskutiertes Themenfeld neu ausgelotet und damit wertvolle Analysen, Fakten und Thesen zur weiteren Bearbeitung und Diskussion erschlossen haben. Wien, im Jänner 2015 Hubert Christian Ehalt

Oliver Rathkolb

Hubert Christian Ehalt

Wien und die Wissenschaft

Auf der Suche nach den Stärken der Wiener Wissensbasis stoßt man geradewegs auf die gut funktionierende Verbindung zwischen der Wiener Stadtverwaltung und den gegenwärtig zwanzig Wiener Universitäten, Privatuniversitäten und Fachhochschulen. An den hohen Schulen Wiens sind etwa 190.000 Studentinnen und Studenten inskribiert. Wien ist die größte Universitätsstadt im deutschsprachigen Raum. Das universitäre Leben der Stadt entfaltet sich zwischen zwei Campusgeländen, die die Symbiose zwischen Stadt und Universitäten deutlich sichtbar machen: der Campus Altes Allgemeines Krankenhaus, den die Stadt Wien der Universität Wien für die Geisteswissenschaften geschenkt hat (eröffnet im Oktober 1998) und der neue, 2013 eröffnete Campus der Wirtschaftsuniversität Wien nächst dem Prater. Beide Campus-Gelände vermitteln das Flair der Lebenskulturstadt – Wien wurde im Mercer-Ranking fünfmal in Folge zur Stadt mit der höchsten Lebensqualität gewählt; sie vermitteln nicht nur einen sympathischen und gut organisierten Studienort, sondern auch einen internationalen Treffpunkt, der Facetten der alten Residenzstadt, des Roten Wien, der »vergessenen Stadt in einer Nische des Eisernen Vorhangs« und der aktuell boomenden Wissens-, Wissenschafts- und Kunststadt zusammenführt. Diese Facetten haben alle – historisch, funktional, kulturell und ästhetisch – miteinander zu tun. Ihr »Crossover« bewirkt, dass sich in Wien soziale und künstlerische Innovationen von gestern mit jenen von heute treffen. Das vielfach kommunizierte Bild der »gemütlichen Stadt« – immer mehr eine PR-Aktivität in einem superschnellen und kompetitiven Ambiente – regt jedenfalls eine inspirierende Ambivalenz an, in der und durch die aufblitzt, dass das Schöpferische Entfaltungszeit braucht. Kreativität gedeiht auch »an den Rändern«. Frederic Morton hat bei den Wiener Vorlesungen 1990 einen Vortrag gehalten, der das fokussiert hat: Das provinzielle Wien, Geheimquelle des schöpferischen Wiens. Die ausgezeichnete produktive und expeditive Beziehung zwischen der Stadt und den Universitäten ist etwa 30 Jahre alt. Auf der Seite der Stadt wurde sie von Bürgermeister Helmut

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Zilk und Bürgermeister Michael Häupl, von den für Kultur und Wissenschaft verantwortlichen StadträtInnen Franz Mrkvicka, Ursula Pasterk, Peter Marboe, Bernhard Görg, Andreas Mailath-Pokorny und von den FinanzstadträtInnen Hans Mayr, Brigitte Ederer, Sepp Rieder und Renate Brauner uneingeschränkt gefördert. Auch die Direktoren der Magistratsverwaltung Josef Bandion (u. a. geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Boltzmann Gesellschaft), Ernst Theimer (u. a. Universitätsratsvorsitzender der Wirtschaftsuniversität) und Erich Hechtner (Vorstandsmitglied dreier Wissenschaftsförderungsfonds der Stadt Wien für Universitäten und für die Österreichische Akademie der Wissenschaften) haben die Wissenschaftsstadt mit Überzeugung unterstützt. Auf der Seite der Universitäten begegneten der Stadt Wien mit zahlreichen RektorInnen Persönlichkeiten, die an der neuen Partnerschaft sehr interessiert waren. Wilhelm Holczabek (Rektor der Universität Wien von 1985 bis 1989) unterzeichnete mit dem damaligen Bürgermeister Helmut Zilk den Schenkungsvertrag, durch den die Universität Wien Eigentümerin des Areals des Alten Allgemeinen Krankenhauses wurde. Rektor Alfred Ebenbauer war der Wegbereiter der Öffnung der Universität(en) hin zur Stadt. Er vertrat dabei vorrangig nicht nur die Partialinteressen der Universität Wien und der anderen Universitäten, er dachte und handelte als Citoyen und hatte stets eine kultur- und wissenschaftspolitische Perspektive, in der die Zusammenarbeit, besser das Zusammenwirken von Stadt und Universitäten einen besonderen Stellenwert genoss. In den 1990er Jahren des 20. Jahrhunderts, im Zuge der Umgestaltung des Alten Allgemeinen Krankenhauses in einen Universitätscampus, wuchsen die Stadt Wien und die Universität Wien mit der Bewältigung der Aufgabe, die alten Kliniken zu einem gleichermaßen modernen, funktionalen und für die ForscherInnen und StudentInnen auch wohnlichen Gebäudekomplex zu machen, zusammen. Die stadtplanerische Aufgabe bestand in der Gestaltung eines Begegnungsfeldes zwischen urbaner und universitärer Öffentlichkeit. Der Campus AAKH hat sich in den 17 Jahren seines Bestehens zu einer urbanen Schnittstelle zwischen der Stadt und den Universitäten entwickelt. Viele Persönlichkeiten haben an dem Gelingen dieses Projektes mitgewirkt. An vorderster Stelle sind die Namen von Alfred Ebenbauer, Wolfgang Greisenegger, der zum Zeitpunkt der Eröffnung des Campus Rektor war, und des langjährigen Dekans der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, Franz Römer, zu nennen. Die Rektoren Georg Winckler und Heinz Engl haben die Zusammenarbeit mit der Stadt Wien ambitioniert und erfolgreich weitergeführt und vertieft. Die Stadt Wien erkannte in zahlreichen Gesprächen, die seit Anfang der 1990er Jahre in wachsender Häufigkeit zwischen MitarbeiterInnen der Stadt Wien und solchen der Universitäten stattfanden, dass die Universitäten nicht nur budgetäre Last für einen schwer wägbaren wissenschaftlichen Erfolg für die

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Bundesverwaltung sind. Bis Mitte der 1980er Jahre reagierte die Stadt Wien, wenn von Agenda des Bundes die Rede war, mit einem wenig interessierten Achselzucken, mit einer abweisenden Reflexantwort: »Dafür ist der Bund zuständig«. Es gab wohl seit 1965 die von der Stadt Wien für Forschungen der Universität Wien ins Leben gerufene Hochschuljubiläumsstiftung und die Förderungen der Kulturabteilung der Stadt Wien für Wissenschaft und Forschung in Gestalt von Stipendien, Preisen und Projektförderungen. Das sicherte eine gewisse distanzierte, aber eher kühle Wertschätzung der Stadt durch die Universitäten, die diese Unterstützungen als zu gering qualifizierten. Aber im Großen und Ganzen fühlte sich die Stadtverwaltung von den Budgetproblemen der Universitäten nicht betroffen.

Eine Erfolgsgeschichte Anfang der 1990er Jahre wurde auch Österreich von den Ideen und Diskussionen über das so genannte »Wissensmanagement« erreicht, das in den Folgejahren die Gestaltung einer neuen Wissenschafts(förderungs)politik entscheidend prägen sollte. Der Hauptsatz des Wissensmanagements lautet, dass die Teilung des Wissens (durch Kommunikation, Teamwork, Vernetzung) seine Verdoppelung bedeutet. Es wurde erkannt und postuliert, dass nicht nur Individuen informiert oder nicht informiert, intelligent oder nicht intelligent sein können, sondern auch Institutionen. Es galt also, Institutionen fit für den Wettbewerb um Standortvorteile und in internationalen Rankings zu machen. Rasch wurde klar, dass Wissen und Wissenschaft – Humanressourcen, Knowhow und Exzellenz – jene Vorteile verschaffen, die im Standortwettbewerb entscheidend sind. Es gab wohl schon vorher anwendungsorientierte Forschung, die durch den Fonds der gewerblichen Wirtschaft gefördert wurde. Ein Bewusstsein über die wissenschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung anwendungsorientierter Forschung entstand jedoch erst mit dem raketenhaften Aufstieg der Life Sciences. Die Wiener Erfolgsgeschichte der »Lebenswissenschaften« dokumentiert sich im »Campus Vienna Biocenter«, der exzellente Forschungseinrichtungen im Bereich der Biowissenschaften und anwendungsorientierte industrielle Forschungsinstitutionen und Unternehmen zu einem Cluster zusammenschließt. Gegründet wurde das Biocenter im Stadtteil St. Marx im Jahr 1988 mit der Ansiedlung des Forschungsinstitutes für Molekulare Pathologie (IMP). Mit dem Erfolg anwendungsorientierter Forschung erwachte – über die Hochschätzung der in Wien so bedeutenden Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften hinaus – noch ein weiteres substantielles Interesse der Stadt für die Wissenschaft. Die Stadtpolitik erkannte, dass Wissenschaft und eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und industrieller Anwendung ein

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Modernisierungsimpuls sein kann; war doch die Wirtschaft in Wien, der ehemaligen Residenz- und Luxuskonsumhauptstadt mit ihrem Primat in den Kleinund Mittelunternehmungen, immer eher rückständig, traditionsgeleitet und innovationsfeindlich. Die Stadt konnte also hoffen, mit der Kooperation mit innovativer Wissenschaft auch die Wirtschaft innovationsfreundlicher und damit zukunftsfähiger zu machen. So war der Boden für eine neue fruchtbare Begegnung von Wissenschaft, Wirtschaft und urbaner Kultur seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre vorbereitet. Seit 1986 lud der Wiener Bürgermeister die Rektoren (damals nur Männer) der Wiener Universitäten und Hochschulen zu einem regelmäßigen Meinungsaustausch ein. Im April 1987 veranstaltete die Kulturabteilung der Stadt Wien ein Symposium zum Thema »Wien – die Stadt und die Wissenschaft«. Vorausgegangen war dieser Tagung eine Erhebung aller Wissenschaftsbezüge, aller Forschungen im Bereich des Magistrates und aller Forschungskooperationen zwischen der Stadt Wien und universitären Einrichtungen. Die Ergebnisse dieser Erhebung zeigten, dass es schon damals, vor fast 28 Jahren, eine ergebnisreiche Zusammenarbeit vor allem im Bereich technischer Fachabteilungen der Stadt Wien gab. Den Festvortrag des Symposiums hielt der international renommierte Soziologe Ren¦ König über die Bedeutung, die Wissenschaft für Wien haben könnte. König gab der Stadtpolitik damals einen Ratschlag: sie möge ihre Universitäten einnisten. Ren¦ König, der Wien als Gastprofessor und als polyglotter hochgebildeter Mann sehr gut kannte, meinte damit, dass die Stadt, die eine historische Karriere als Haupt-, Residenz-, Luxuskonsum- und Kunststadt hinter sich hatte, anstreben sollte, eine Universitätsstadt und eine intellektuelle Stadt zu werden. Die Universitäten, die in der höfischen »Hauptstadt der Gegenreformation« immer etwas Fremdes, »Exterritoriales« an sich hatten, sollten – so Ren¦ König damals – Keimzellen einer lebendigen, innovativen, studentenoffenen Stadt werden. Die Stadt Wien hat diesen Rat Königs ernst genommen. Das Ende des OstWest-Konfliktes, der Fall des Eisernen Vorhangs, der Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft und die Osterweiterung der EU sind Wien dabei entgegen gekommen. Die Stadt hat jedenfalls in den 10er Jahren des 21. Jahrhunderts in ihrer neuen Bedeutung einer gleichermaßen großen und wichtigen wissenschaftlich-universitären Drehscheibe die Rolle einer Universitätsstadt eigenständig, aktiv, selbstbewusst und erfolgreich eingenommen. Der Erfolg, den der Vortrag von Ren¦ König vor einem großen Publikum vor allem als ein Impuls für viele angeregte und anregende Gespräche hatte, inspirierte die Gründung der »Wiener Vorlesungen«, einer gleichermaßen wissenschaftlich fundierten wie kritischen Auseinandersetzung mit aktuellen Themen. Die Wiener Vorlesungen, deren Programmierung von Beginn im Mai 1987 bei

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mir lag, waren als Stadtgespräche im Rathaus geplant. Das Rathaus – sonst Ort kommunalpolitischer Willensbildung, von Stadtpolitik und von Stadtverwaltung – sollte sich regelmäßig für Bürgerinnen und Bürger öffnen, um Vorträge bedeutender Wissenschafterinnen und Wissenschafter zu hören und zu diskutieren. Die Idee war – übrigens ähnlich wie beim CollÀge de France – wissenschaftliche Diskurse zu einem wesentlichen und Impuls gebenden Teil öffentlicher Diskurse zu machen. Wissenschaft sollte aus einer randständigen in eine zentrale Position in der Öffentlichkeit gerückt werden.

Binnenstrukturen Die Strukturen der Stadtverwaltung waren bis in die 1980er Jahre hierarchisch orientiert. Die Dienstklassen und die vertikale Struktur waren das Wichtige und Entscheidende. Beförderungen und Ernennungen wurden in der MitarbeiterInnenzeitung und im Amtsblatt – unter Nennung des Geburtsdatums, was heute nicht mehr politisch korrekt ist – penibel dokumentiert. Die Begriffe »Querschnittsmaterie«, »abteilungsübergreifend«, »Projekt« und »projektbezogen« bürgerten sich erst in den 1990er Jahren ein. Die Stadtverwaltung, das waren die Magistratsabteilungen. Von der Bevölkerung wurde die Stadtverwaltung, die »Gemeinde Wien«, die »Gmoa« als Behörde wahrgenommen; eine strenge Autorität, die sich nicht immer an den Wünschen und Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orientierte. Die Arbeit der Gemeinde und bei der Gemeinde war bis in die 1980er Jahre qualitätvoll, verlässlich, aber mehr an den Akten als an den Menschen orientiert. Die Akten wurden nach ihrem Abschluss und vor ihrer Ablage noch zusammengenäht. Es gab innerhalb dieser Stadtverwaltung große Leistungen und große Persönlichkeiten auf der beamteten und auf der politischen Ebene. Das waren Persönlichkeiten mit Bildung und Autorität, die bisweilen dem Typus eines patrimonial-patriarchalen Charakters entsprachen. Die Beamtinnen und Beamten der Gemeindeverwaltung hatten bis Mitte der 1990er Jahre – ähnlich wie jene der Verwaltung der k. u. k. Monarchie – eine Dienstklassenmentalität, die der vertikalen Gesamtstruktur entsprach. Wie in der Armee gab es noch das dienstklassenbezogene Du-Wort – »Du Herr Major«, »Du Herr Senatsrat«. Die Beförderung in die Dienstklasse VIII (Amtstitel Senatsrat) war die Anerkennung der Vollwertigkeit. Im Selbstverständnis der dienstklassenorientierten Institution war die Dienstklasse VIII symbolischer Ausdruck »dazu zu gehören«. Die Universität war in dieser Hinsicht nicht viel anders. Ein bedeutender Gelehrter seines Faches – als scharfer, manchmal untergriffiger Zyniker bekannt – kommentierte die Habilitation, den Erwerb der Lehrbefugnis, als die »akademische Menschwerdung«. Als Senatsrat und als

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Hubert Christian Ehalt

Universitätsdozent hatte man die Hürde zu einer Karriere in der Stadtverwaltung bzw. an der Universität genommen. Zur Ehrenrettung der Universität möchte ich dazu auch eine andere Geschichte erzählen: Wendelin Schmidt-Dengler (1942 – 2008) gratulierte mir zu meiner Habilitation mit den gleichermaßen freundlichen und kollegialen Worten: »Jetzt bist du dabei, die Habilitation ist die letzte Hürde, die du in der akademischen Welt aus eigener Kraft nehmen kannst! Auf weitere gute Zusammenarbeit«. Das Rathaus war bis in die 1990er Jahre merkbar und sichtbar eine Behörde, deren Schwellen man nicht freiwillig, und schon gar nicht gerne überschritt. Die Bewachung der Eingänge durch die Rathauswache machte die Grenze zwischen amtlicher und urbaner Öffentlichkeit sinnfällig deutlich. Jenseits dieser Grenze regierte ein Amt, das traditions- und amtsbewusst geleitet wurde nach der dreifaltigen Maxime: »Des (das) woa (war) scho (schon) imma (immer) so…«, Wo würden wir hinkommen, wenn wir die Traditionen durchbrächen (»wo kummat ma do hin?«), und was und wer könnte eine Durchbrechung legitimieren? »Do kennt jo jeda kumma«. Die Universität der 1960er und 1970er Jahre war der Stadtverwaltung im Hinblick auf manche Strukturmerkmale ähnlich. Nach außen war sie abgeschottet. Bis zur Aufhebung der Studiengebühren und der Öffnung der Universität für bildungsferne Schichten in der Ära Kreisky war sie eine bürgerlichkonservative Institution. Das Selbstbild ihrer ProtagonistInnen war die Gestaltung einer elitebewussten Bildungseinrichtung für die höheren Söhne und Töchter. Grundsätzlich war die Universität offen, tatsächlich waren es im Regelfall nur (vor allem männliche) Akademikerkinder, die die Universität besuchten. Die Universitätsrampe der Alma Mater hatte für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, die dort nicht studiert hatten und dort nicht ihren Arbeitsplatz hatten, etwas Abweisendes. Es wäre wohl kaum jemandem eingefallen, die Schwelle der »heiligen Bildungshallen« aus Interesse und Neugierde am Universitären zu überschreiten. Bildung und Universität waren bis weit in die 1970er Jahre stärker an Autorität an der und von der »Lehrkanzel« orientiert; sie waren nicht ein freier Ort »herrschaftsfreier« Neugierde. Joseph II. hatte in seinen Hirtenbriefen Beamte gefordert, deren Handeln sich an der Sache und an den Argumenten und nicht am Dienstrang orientieren sollte. Der Weg zu einem herrschaftsfreien Diskurs, wie ihn Jürgen Habermas für die Wissenschaft, für an Wahrheit orientierte Erkenntnis forderte, war auch in Wien sehr steinig. An der Wiener Universität der 1950er und 1960er Jahre begegneten sich der Herr Professor (im Regelfall ein Mann), der Herr Assistent, der Herr Doktor (im Regelfall auch ein Mann) und der Student, der Herr Kollege (ebenfalls männ-

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lich). Professor, Doktor und Kollege waren Standeswelten, die Lichtjahre voneinander trennten. Obwohl ja alle AkteurInnen an der Universität KollegInnen waren, wäre es ein grober Normenverstoß gewesen, wenn der Student zu dem Assistenten »Herr Kollege« gesagt hätte. Die Anrede des Professors als »Kollege« von einem / einer Angehörigen der Studentenschaft wäre als größte Frechheit gewertet worden. Den Frauen wurde nicht selten von den Professoren empfohlen, sich »ihren« Doktor oder Magister am »Standesamt zu erwerben«. Der Vergleich der Verhaltensregeln der Universität mit jenen der Stadt zeigt viele Parallelitäten auf. Die Beziehungen an der Universität waren auch nach dem Zweiten Weltkrieg patriarchalisch-patrimonial, dem feudalen Prinzip nicht unähnlich, bisweilen theokratisch. Die »Ordinarien«, die Meister ihres Faches, trafen die Entscheidung für »ihren« Assistenten, für den Kollegen/die Kollegin, die sie zu habilitieren beabsichtigten, im Regelfall unter Ausschluss einer demokratischen Diskussion. Es gab allerdings auch in ihrem Verhalten und in ihrer Haltung demokratisch orientierte Ausnahmeerscheinungen – fair, klar, im besten Sinn kollegial. Ähnlich war es in der Stadtverwaltung, die auf vertikal orientierte hierarchische Beziehungen und nicht auf projektbezogene Arbeit und Teamwork setzte. Entscheidende Änderungen, die im Bereich der Stadt die KundInnen und im Bereich der Universitäten die StudentInnen in den Mittelpunkt rückten, zeichneten sich in der Stadt und an der Universität seit den 1990er Jahren ab. Im Bereich der Stadtverwaltung waren es die Evaluierung der Strukturen durch externe Consulter, im Bereich der Universitäten war es die Managementaufgabe, aus dem Bereich des ehemaligen Allgemeinen Krankenhauses einen Universitäts-Campus zu gestalten. Sowohl die Stadt als auch die Universität(en) »lernten« am Ende des 20. Jahrhunderts ihre Zukunftsaufgaben.

Status quo und Perspektive Die Stadtverwaltung und die Universitäten haben sich in den letzten 20 Jahren von einem hierarchischen, an Dienstklassen und Titeln orientierten Handeln verabschiedet. In beiden Institutionen stehen heute die »KundInnen« – BürgerInnen und StudentInnen – und die hervorragende Leistung im Mittelpunkt. Als ForscherIn muss man exzellent publizieren in Zeitschriften mit hohem Impact Factor. Von den UniversitätslehrerInnen wird hervorragende Lehre erwartet. Die Stadtverwaltung überprüft konsequent, welche Aufgaben und Leistungen besser im Magistrat oder in auf Wettbewerb und ökonomischen Erfolg orientierten wirtschaftlichen Unternehmungen erbracht werden können. In beiden Institutionen sind Leistungs- und Ergebnisorientierung, Wirtschaftlichkeit und Anwendbarkeit wichtig. Selbst große und traditionsreiche Forschungsinstitutionen verstehen ihre Forschungen als »anwendungsoffen« und

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Hubert Christian Ehalt

sehen die Unterschiede zwischen Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung als weniger gravierend an. Die Zusammenarbeit zwischen städtischen Einrichtungen und Universitätsinstituten bei Forschungsprojekten wird daher stets einfacher, friktionsfreier und erfolgreicher. Der vorliegende Band zeigt anhand von Texten und Interviews leitender AkteurInnen die Auseinandersetzung, die Kooperation und das Zusammenwachsen zweier großer Institutionen. Stadt und Universitäten haben in den letzten Jahrzehnten eine höchst erfolgreiche Form gefunden, zum Nutzen der Forschung und der Studentinnen und Studenten und zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger zusammenzuarbeiten.

Oliver Rathkolb

Universitäten in Wien nach 1945 – 1965. Zwischen Rückbruch, Wiederaufbau und der Suche nach Internationalität

In der Universitätsgeschichte meist marginalisiert ist die Tatsache, dass es Studentinnen und Studenten waren, die ersten Aktivitäten zur Wiederaufnahme eines Universitätsbetriebes nach der Befreiung Wiens setzten, wie der spätere Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, Hans Tuppy, ein Spitzenchemiker, der auch für den Nobelpreis nominiert worden war. Tatsächlich agierte aber bereits seit 15. April – zwei Tage nach der Befreiung Wiens durch die Rote Armee – eine Gruppe von Professoren und Studierenden, die den Professor für Alte Geschichte, Josef Keil, zum provisorischen Rektor akklamierte. Dieser berief am 25. April eine allgemeine Hochschulversammlung aller politisch nicht als NSDAP-Funktionäre belasteten ordentlichen und außerordentlichen Professoren sowie Vertreter der Privatdozenten ein, die in weiterer Folge auf der Basis des Reichsgesetzes, betreffend die Organisation der akademischen Behörden aus 1873 initiativ wurden und den Rektor wählten. Einfache NSDAPMitglieder waren nicht von der Wahl ausgeschlossen. Am 2. Mai bestätigte Staatssekretär Ernst Fischer diese Wahl1. Damit wurde die revolutionäre Phase beendet, in der anfangs Studentinnen und Studenten um den höchst aktiven Kurt Schubert, den späteren Ordinarius für Judaistik dominierten2 ; die Abhängigkeit der Universität Wien vom Staat war wieder hergestellt – mit einem Rückgriff auf altbewährte traditionelle Regelungen und Hierarchien. Eine Gruppe von politisch nicht während des Nationalsozialismus hervorgetretenen Universitätslehrern setzte sogar einen revolutionären Akt durch die Wahl des 1 Sascha Ferz, Ewige Universitätsreform. Das Organisationsrecht der österreichischen Universitäten von den theresianischen Reformen bis zum UOG 1993, Frankfurt/Main 2000, 324. Der erste Teil dieses Kapitels beruht auf einer stark überarbeiteten Fassung meines Beitrags »Die Universität Wien und die ›Hohe Politik‹ 1945 bis 1955«, in: Margarete Grandner, Gernot Heiss, Oliver Rathkolb (Hrsg.): Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955. Wien 2005, 38 – 45. In diesem Buch finden sich zahlreiche vertiefende Beiträge zur Geschichte der Universität Wien nach 1945. 2 Kurt Schubert, Die Wiedereröffnung der Universität Wien im Mai 1945, Wiener Universitätsreden NF 1, Wien 1991.

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Juristen Ludwig Adamovich zum Rektor am 25. April 1945 – zwei Tage vor der Proklamation der Provisorischen Staatsregierung Renner, die letztlich ebenfalls als revolutionärer Akt zu interpretieren ist. Adamovich selbst entsprach primär dem Bild des Universitätsprofessors vor 1938. Geboren 1890 war er als Universitätsprofessor in Prag, Graz und Wien tätig und bekleidete unter dem Schuschnigg-Regime vor dem »Anschluss« 1938 auch kurzzeitig das Amt des Justizministers und war eher monarchistisch eingestellt. Er galt als vorsichtiger Kritiker der Auflösung der demokratischen Strukturen, obwohl er sich letztlich geräuschlos in das autoritäre System einfügte und in seinen Publikationen den Eindruck erweckte, als gäbe es diesen radikalen Einschnitt nicht. Die Zielrichtung war klar : Durch eine Stärkung der konservativ-katholischen Kräfte an den Hochschulen sollten die traditionell starken konservativdeutschnationalen Kräfte und die ehemaligen Nationalsozialisten bzw. rechten Deutschnationalen zurückgedrängt werden. Dass diese Zielvorgabe mangels »Ersatzelitenpolitik« (beispielsweise durch eine rasche Integration von vertriebenen WissenschaftlerInnen oder externen jüngeren Lehrkräften) von vornherein scheitern musste, erkannte der für die Hochschulen zuständige kommunistische Staatssekretär Ernst Fischer selbst gegen Ende seiner Amtszeit: »[…] dass man auf der einen Seite die Hochschulen ernsthaft von dem Nazigeist säubern, auf der anderen Seite aber trachten muss, dass das österreichische Kulturleben einen möglichst geringen Schaden erleide«3. So konzentrierte er seine politischen Appelle auf einen Elitenwechsel an der Philosophischen Fakultät, an der »letztlich auch Weltanschauung unterrichtet werde«, während hingegen an den medizinischen und technischen Fakultäten »gegenüber ehemaligen Naziprofessoren, wenn sie nicht besonders belastet sind, in gewisser Weise großzügig« vorgegangen werden sollte (Stumpf 1997: 258). Die Studierenden waren aber nach diesen semi-revolutionären Entwicklungen rasch wieder in kontrollierter Unterordnung eingereiht worden, wobei sogar ohne Vorbehalte auf ein Gesetz aus der Zeit der Kanzlerdiktatur Schuschniggs zurückgegriffen wurde, das Hochschulermächtigungsgesetz, nachdem mit 28. Mai 1945 alle reichsdeutschen Gesetze, Verordnungen und Erlässe in diesem Bereich aufgehoben worden waren4. Noch 1955 wurde dieses Gesetz aus 1935 als »Höhepunkt der Hochschulverwaltung« bezeichnet, wobei nicht erwähnt wurde, dass Studierende sich einer »staatsfreundlichen« Hochschulerziehung zu unterziehen und Hochschullehrer dafür zu sorgen hatten, dass sich die Eltern

3 zitiert nach Robert Stumpf, Ernst Fischer als Staatssekretär für ›Volksaufklärung, Unterricht und Erziehung und Kulturangelegenheiten‹ (1945): Versuch einer politischen Biographie unter struktur- und institutionengeschichtlichen Gesichtspunkten, Diplomarbeit, Universität Wien 1997, 258. 4 Ferz, Ewige Universitätsreform, 325.

Universitäten in Wien nach 1945 – 1955

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der StudentInnen »nicht staatsfeindlich« betätigten. Eine moderne studentische Selbstverwaltung sah anders aus. Dieser klare autoritäre Rückbruch wurde aber von heftigen Auseinandersetzungen mit Neonazistischen Vorfällen überlagert. Während des Wahlkampfes war es zu Kontroversen auf Universitätsboden gekommen, da mit offen nationalsozialistisch und deutschnational unterlegter Polemik Wahlveranstaltungen gestört wurden. Eine Gegendemonstration am Wahltag, organisiert vom Landesverband Wien ehemals politisch verfolgter Antifaschisten, führte kurzfristig sogar zur Sperre des Universitätsgebäudes durch den Rektor, die aber in der Folge vom Unterrichtsministerium wieder aufgehoben wurde. Unmittelbar nach den Vorfällen veranlasste Unterrichtsminister Felix Hurdes, selbst überlebender Konzentrationslagerhäftling, eine neuerliche Überprüfung der Studierenden hinsichtlich ihrer NS-Vergangenheit, wobei auch alle Offiziere der ehemaligen deutschen Wehrmacht hinsichtlich ihrer politischen Vergangenheit befragt wurden5. Die Wahlbeteiligung war aber mit 77 Prozent der Wahlberechtigten sehr hoch gewesen. Österreichweit hatte die ÖVP-nahe Freie Österreichische Studentenschaft bei 82 Prozent Wahlbeteiligung drei Viertel der Stimmen erreicht, der VSStÖ 22 Prozent und die Kommunisten drei Prozent. Die Beziehungen zur Stadt Wien, mit einem sozialdemokratischen Bürgermeister, Theodor Körner, und einem Kommunistischen Kulturstadtrat, Viktor Matejka, blieben aber aufgrund des konservativen Rückbruches auf Professorenebene sowie Auseinandersetzungen über die Entnazifizierungspolitik der Universität Wien gespannt. Eher engagierte sich die Stadt bei der Koordinierung des Wiederaufbaus – das Universitätsgebäude hatte mehr als 20 Bombentreffer erhalten und ein Teil der juridischen Fakultät war völlig zerstört worden und bei der Etablierung einer Gegenuniversität, dem Institut für Wissenschaft und Kunst, das im Jänner 1946 eröffnet wurde. 1947 begann eine erste konkrete Förderungsschiene der Stadt Wien zugunsten von Universitätsangehörigen im Rahmen der Stiftung zur Förderung auf den Gebieten Musik, Literatur, Bildhauerei, Graphik und angewandte Kunst, Architektur, Kunsthandwerk und Wissenschaft und Volksbildung durch Vergabe jährlicher Preise (je 5.000 Schilling). Preisträger im Bereich Wissenschaften waren 1947 – 1950: Leopold Wenger, Lise Meitner, Richard Pittioni, Friedrich Heer, Georg Wagner, Charles Gulick und Leopold Schönbauer. In den folgenden Jahren engagierte sich die Stadt vor allem bei dem Versuch, ausgehend von den Erfahrungen von Exilanten in Großbritannien eine staatliche Forschungsförderungsinstitution zu etablieren, wie die von Bürgermiester Theodor Körner eröffnete »Enquete über die Lage des wissenschaftlichen Lebens in Österreich« im Festsaal des Rathauses am 14. 11. 1948« beweist. Die nach dieser Tagung 5 Arbeiter-Zeitung, 7. Dezember 1946.

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veröffentlichte Denkschrift mündete 1949 in dem »Entwurf eines Bundesgesetzes über den Österreichischen Forschungsrat«. Seit 1950 wurden auch die konkreten finanziellen Förderungsmaßnahmen deutlich erhöht und auf den Bereich von wissenschaftlichen Publikationen ausgeweitet – mit einem jährlichen Gesamtbetrag von 250.000 Schilling an den »Notring der wissenschaftlichen Gesellschaft Österreichs«, der bis 1960 auf 380.000 Schilling erhöht wurde. Ab 1955 wurden überdies finanzielle Zuschüsse für internationale wissenschaftliche Großveranstaltungen und Gastvorträge zur Verfügung gestellt: So für »Gastvorträge ausländischer Gelehrter in Wien« 270.000 Schilling. Weitere alljährliche Einzelförderungen gingen an mehrere wissenschaftliche Institute (z. B. die Akademie der Wissenschaften, aber auch die Arbeitsgemeinschaft für die Geschichte der österreichischen Widerstandsbewegung und die Theodor-Körner-Stiftung). Das Volumen der Wissenschaftsförderung der Stadt Wien betrug Anfang der 1960er Jahre rund 1 Million Schilling und wurde bis 1964 verdoppelt, darunter Förderungen für ausgewählte Forschungsexpeditionen. Die Schaffung des »Dr. Adolf Schärf-Stipendienfonds«, der mit 1 Million Schilling dotiert wurde, und eines »Dr. Adolf SchärfFonds zur Förderung der Wissenschaft« sollten die Einzelförderung sowohl im Stipendienbereich für Studierende als auch für ForscherInnen erhöhen. Dazu kommt auch ab den 1960er Jahren ein erhöhter Investitionszuschuss der Stadt für den Bau von StudentInnen-Wohnheimen. Im Rahmen der 1960 gegründeten ausseruniversitären Ludwig Boltzmann Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung engagierte sich die Stadt Wien ab 1965 intensiv – so bei der Errichtung einer neue wissenschaftliche Forschungsstätte in Wien. Vor 1967 hatte die LBG vom Bund jährlich rund 6 Millionen Schilling Jahresbudget erhalten, die ab 1967 aber aus politischen Gründen – die LBG galt als SPÖ-nah – von der ÖVP Regierung unter Bundeskanzler Klaus eingestellt wurde. Die Stadt Wien rettete die Boltzmann-Gesellschaft mit einer Erstzsubvention von 1,5 Millionen Schilling.6 Höhepunkt der forschungsrelevanten Förderungspolitik war aber die Errichtung Hochschuljubiläumsstiftung der Gemeinde Wien am 6. März 1965 anläßlich des 600-jährigen Bestandes der Universität Wien und des 150-jährigen Bestehens der Technischen Universität. Seit 1965 wurden über 2.000 wissenschaftliche Projekte in einem Gesamtausmaß von rund 165 Millionen Schilling (rund 11,99 Millionen Euro) gefördert.

6 Rupert Pichler, Michael Stampfer, Reinhold Hofer, Forschung, Geld und Politik. Die staatliche Forschungsförderung in Österreich 1945 – 2005, Innsbruck-Wien-Bozen 2007, 192.

Studieren in Wien

Oliver Rathkolb

Studieren in Wien ab 1955

In den folgenden Erinnerungen an die Studienzeit liegt der Schwerpunkt der Reflexion im ersten Teil auf den nach wie vor autoritären Strukturen der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und einer den Universitätsalltag dominierenden primär männlichen Professorenschaft bis weit in die 1960 Jahre hinein. Gleichzeitig boten aber diese starren Strukturen bei entsprechender Lernorganisation relativ viel Zeit für zusätzliche Aktivitäten und Bildungsangebote. Internationalität war nur punktuell spürbar, innerhalb der Studierenden dominierten Österreicher und Österreicherinnen. Hatte der AusländerInnenanteil (auch aufgrund der Nachwirkungen der Flüchtlingswellen des Zweiten Weltkrieges) 1955/56 noch 23 % betragen, war er bereits 1980/81 auf 10 % gesunken – nach einem Zwischenhoch von 27 % 1960/1961.1 Dieser Wert hielt bis in die 1990er Jahre hinein. Heute sind es wieder rund 25 %, die aber auch neue Herausforderungen an die Wissenschaftspolitik stellen. Der Hochschulbeauftragte der Stadt Wien, Alexander Van der Bellen, wies ebenfalls 2014 darauf hin, dass am Hochschulstandort Wien jeder Vierte der rund 190.000 Studierenden eine ausländische Staatsbürgerschaft hat (meist aus Deutschland und Südosteuropa).2 Gleichzeitig fordert Van der Bellen eine stärkere Internationalisierung durch konkrete strategische Konzepte, um Studierende aus der ganzen Welt nach Wien zu holen und hier auch besser und nachhaltiger zu integrieren. Insgesamt gesehen hat sich die Zahl der Studierenden in Österreich seit 1955/ 1956 (19.124) verzehnfacht mit 217.543 StudentInnen 1992/1993, wobei vor allem die Phase ab 1969 mit einem Ausgangswert von 51.000 Studierenden eine Beschleunigung mit sich brachte – mit einem Höhepunkt gegen 1985 und einer langsamen Verflachung der Zuwächse. Auch der Anteil an Frauen nahm deutlich zu: von 20 % auf 45 % 1993/94. Hingegen blieb die Zahl der tatsächlichen AbsolventInnen hinter dem Anstieg an Zugängen zurück – 1955/56 2.970 Absol1 Istv‚n Bessenyei, Josef Melchior, Die Hochschulpolitik in Österreich und Ungarn 1945 – 1995. Modernisierungsmuster im Vergleich, Frankfurt/Main 1996, 28. 2 Kurier, 8.7. 2014.

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ventInnen, 1992/93 11.942 AbsolventInnen. Letztlich bedeutet dies aber, dass trotz der hohen Zugangszahlen nur relativ wenige (gerechnet auf die Gesamtjahrgangsbevölkerung) in den 1990er Jahren tatsächlich fertig studiert haben – und Österreich damit auch international weit hinter vergleichbaren Staaten landete.3 Verlassen wir die statistische Analyse, zeigt sich in dem politischen Kontext durchaus ein interessantes Bild. In einer Broschüre der Österreichischen Hochschülerschaft 2005 anlässlich des sechzigjährigen Bestehens der ÖH4 wurde eine sehr treffende Kapiteleinteilung entwickelt, die die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen gut beschreibt. Während die Rekonstruktionsphase nach 1945 vor allem durch den Wiederaufbau und der Einführung demokratischer Wahlmöglichkeiten der StudentInnenvertretung geprägt war, stand bereits in den 1950er Jahren die soziale Lage und das Thema von Studiengebühren im Fokus der hochschulpolitischen Debatte und des Interesses. Obwohl es keine vergleichbare heftige StudentInnenbewegung wie in Paris oder Berlin um 1968 gegeben hat, so artikulierte sich doch der breitere Protest gegen die autoritären Arbeits- und Forschungsbedingungen an der Universität – mit besonderem Fokus auf Wien. Wie bereits 1946 war der Auslöser von Massendemonstrationen die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit: 1946 waren es NS-Revisionisten während des Hochschülerschaftswahlkampfes an der Universität Wien, 1962 – 1965 sollten wiederholte antisemitische Aussagen eines Professors an der Hochschule für Welthandel, Taras Borodajkewycz, letztlich zu Demonstrationen führen, bei denen ein ehemaliger Widerstandskämpfer, Ernst Kirchweger, von einem schlagenden Burschenschaftler niedergeschlagen wurde und an seinen Verletzungen verstarb. Zwar blieb es 1968 – abgesehen von der aktionistischen Intervention von Günter Brus, Otto Muehl, Peter Weibel und Oswald Wiener im Hörsaal 1 des Neuen Institutsgebäudes unter dem Titel »Kunst und Revolution« – an der Oberfläche der Universitäten ruhig. Tatsächlich wurde aber bereits damals am Rande immer wieder die Mitbestimmung der StudententInnen gefordert, die dann tatsächlich mit dem UOG 75 auch realisiert wurde und einen totalen Tabubruch mit bisherigen Entscheidungsprozessen darstellte. Die Abschaffung von Studiengebühren (Hochschultaxen) sollte im Sinne der ideologischen Ziele der SPÖ-Alleinregierung Kreisky bereits 1970 den freien und gleichen Zugang zu den Universitäten gewährleisten. 3 Ibid, 30. 4 Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (Hrsg.), ÖH-60 Jahre (Red. Christian Burckner u. a.), Wien 2006. Vgl. auch für die frühe Nachkriegsentwicklung, Christian H. Stifter, Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration. US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Neuorientierung österreichischer Wissenschaft 1941 – 1955, Wien 2014.

Studieren in Wien ab 1955

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Ebenso intensiv wurde auch ab 1970 die soziale und politische Lage von Studentinnen und Studenten mit sozialwissenschaftlichen Methoden erstmals erforscht und in den politischen Entscheidungsprozess eingespielt5. Studien von Marina Fischer-Kowalski und Eva Cyba dokumentierten überdies, das besonders politisch aktive StudentInnen durchaus auch zu jenen gehörten, die ein klares Studienziel hatten und auch ihr Studium abschlossen6, d. h. das genaue Gegenteil von dem repräsentierten, das in der Öffentlichkeit von den politisch aktiven Studierenden gerne gezeichnet wurde. Die 1980er Jahre wiederum waren von Neuen Sozialen Bewegungen mit Schwergewicht auf der Umweltbewegung geprägt, die bereits in den späten 1970er Jahren in der Anti-Atomkraftbewegung erfolgreich aktiv gewesen war, wohingegen die 1990er Jahre eine stärkere Individualisierung auch bei den StudentInnen mit sich brachte. Rückblickend wurde das UOG 1975 als Folge eines breiteren Wertwandels in der westeuropäischen und österreichischen Gesellschaft klassifiziert.7 Gleichzeitig entwickelten sich aber neue Machthierarchien im Mittelbau bzw. den StudentInnenvertretungen, und die Abhängigkeit vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung wurde nur sehr gering reduziert. Gleichzeitig sank die Wahlbeteiligung an den Hochschülerschaftswahlen stetig. Ein wesentlicher Erfolg der gesamtpolitischen Entwicklung war sicherlich der deutlich höhere Frauenanteil bei den Studierenden, mit dem Problemfeld, dass die Dominanz von Männern in der Professorenschaft andauerte und nur langsam reduziert wurde. Langzeitanalysen von 2009 und 2011 dokumentieren aber, dass die soziale Durchmischung der Universitäten nach einem Schub in den 1970er und 1980er Jahren »steckengeblieben« ist8 : Der Anteil von StudentInnen aus niedrigen sozialen Schichten zwischen 1989 und 2011, die an Universitäten oder Fachhochschulen studierten, ist von 26 % auf 18 % gesunken. Gestiegen ist der Anteil mit Eltern aus mittleren sozialen Schichten – von 28 % auf 30 %. Eine deutliche Steigerung von 28 % auf 34 % aber erfuhr der Anteil von StudentInnen aus gehobenen Schichten.

5 Vgl. dazu die Zusammenfassung von drei Studien in Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hrsg.), Politisches Interesse und Engagement von Studenten in Österreich. Materialien aus den Jahren 1970 bis 1974, Wien 1975. 6 Eva Cyba und Marina Fischer-Kowalski, Politische Einstellungen und Aktivitäten von Studenten, Wien 1974. 7 Romana-Maria Rautner, Die österreichische Universität im Kontext des Wertewandels. Eine Analyse des UOG 1975, MA-These Politikwissenschaft, Universität Wien 2013, 84 f. 8 http://ww2.sozialerhebung.at/Ergebnisse/PDF/Studierenden_Sozialerhebung_2011_BAND_ 2_Studierende.pdfsowie der Standard, 14. September 2012.

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Bundesanstalt Statistik Austria: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bildung_und_kultur/formales_bildungswesen/universitaeten_studium/

Studieren in Wien ab 1955

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Das UOG 2002 der ÖVP-FPÖ-Koalition wiederum stellt eine Art Nachziehverfahren bezüglich der Auswirkungen der Europäische Integration Österreichs ab 1995 und der Folgen der 2. Globalisierung und Digitalen Revolution sowie dem Neoliberalen Paradigma dar. Während formal die demokratische Partizipation deutlich reduziert wurde und die Entscheidungsmacht des Rektorats sowie auf Fakultätsebene der DekanInnen bzw. ProfessorInnen erhöht wurde, stieg der Grad an Autonomie der Universitäten. Eigenverantwortung und Leistungsorientierung waren Leitmotive, die auch an die Studierenden weiter kommuniziert wurden. Aber letztlich blieb die Budgetvollmacht ausschließlich bei dem jeweils zuständigen Ministerium, und auch alle Universitätsgebäude blieben im Bundeseigentum mit entsprechend negativen Budgetbelastungen. Die Anpassung der Studienprogramme an den europäischen Bildungsraum (Bologna-Prozess) sollte die internationale Mobilität der Studierenden erhöhen, mit entsprechenden Anpassungsproblemen in der Umstellungsphase. Gleichzeitig wird auf informelle Art und Weise doch wieder – beispielsweise an der Universität Wien – eine demokratische Partizipation der StudentInnen und des Mittelbaus im Rahmen der universitären Realverfassung eingeführt. Ein Weg, der noch viel Potential hat. Für die Stadt Wien ist die Steigerung des Wissenschaftsstandortes ein enormer ökonomischer Faktor geworden, wie eine Studie aus 2011 im Auftrag des Hochschulbeauftragten der Stadt Wien, Alexander Van der Bellen zeigte: Studierende und Angestellte der neun Universitäten, fünf Fachhochschulen und vier Privatuniversitäten in Wien gaben 2011 2,29 Milliarden Euro aus.9 1,76 Milliarden Euro davon sind Konsumausgaben der rund 186.000 StudentInnen10. Diesem Betrag stehen 18 Millionen Euro der Stadt Wien für die Fachhochschulen 2010 – 2013 gegenüber und im Budget 2013 8,3 Millionen Euro für die Förderung von Wissenschaft und Forschung, ein Beitrag der 2014 auf 7.017.000 Millionen Euro gekürzt wurde. Im Budget-Voranschlag 2015 wurde aber eine deutliche Steigerung auf 10.967.000 Millionen Euro beschlossen.11

9 Der Standard, 29. November2013. Siehe die Studie unter http://medienportal.univie.ac.at/ uploads/tx_ttmedienportal/files/Universitaet-und_Stadt-Studie.pdf. 10 »Ein Student, der in Wien lebt, gibt hier 182 Euro für Essen aus, 45 Euro für Kleidung, 58 Euro für öffentliche Verkehrsmittel oder Auto, 30 Euro für Kommunikation, 83 Euro für Freizeit. 105 Euro fallen in andere Kategorien«, Der Standard, 29. November 2013. 11 https://www.wien.gv.at/finanzen/budget/va15/pdf/10.pdf, 80.

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Oliver Rathkolb

Bundesanstalt Statistik Austria: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bildung_und_kultur/formales_bildungswesen/universitaeten_studium/

Studieren in Wien ab 1955

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Die folgenden Beiträge reflektieren schlaglichtartig die Innensicht von StudentInnen: Nach Schilderungen der Studienzeit in den späten 1950er und 1960er Jahren (Manfried Welan, Erhard Busek, Wolfgang Greisenegger, Franz Römer und Peter Skalicky) wird in zwei abschließenden Beiträgen von Bernhard Johann Karl Beham und Suleika Mundschitz in diesem Kapitel der Alltag der Studierenden anhand von zwei Einzelbeispielen rekonstruiert, in denen auch die Änderungen der Lebens-, Arbeits- und Freizeitverhältnisse seit dem Jahr 2000 in Wien eine Rolle spielen.

Manfried Welan

Student in Wien 1955 – 1960

Ein Weg ins Freie Im Jahre 1955 war Wien noch eine vom Krieg getroffene und gezeichnete Stadt. Viele Gebäude waren grau und schwarz. Es gab viel Staub und viel Ruß. In der Inneren Stadt war immer November. Sie lag in einer schwärzlich-rötlichen Dauerdämmerung. Aber sie war von einer Vornehmheit, die verloren gegangen ist. Der Film »Der dritte Mann« bringt mir einen Teil meiner Kindheit in die Erinnerung. Reinhold Schneiders Buch »Winter in Wien« macht mir Teile meiner Studienzeit lebendig. Es handelt von der Inneren Stadt und vom Inneren der Stadt. Ich lernte beide während meines Jus-Studiums näher kennen. Aber wir haben Glück gehabt. 1955 hatten wir endlich den Staatsvertrag mit den vier Besatzungsmächten abschließen können. Jahrelang war darum gerungen worden, und ich hatte nicht mehr geglaubt, dass er je zustande kommen würde. Am 15. Mai 1955 rief Außenminister Leopold Figl vom Schloss Belvedere in die Welt hinaus: »Österreich ist frei!«. Er hatte diese Worte schon 1945 bei der Regierungserklärung im Nationalrat gerufen. Manche sprachen von der »Befreiung der Befreiten«. Ich jubelte mit vielen im Belvederegarten und freute mich. Am Abend war ein Verkehrsstau, die Leute feierten auf dem Rathausplatz und auf dem Stalinplatz (jetzt Schwarzenbergplatz). Zur selben Zeit hatte ich die Matura bestanden und war auch frei geworden. Ich hatte mich für die Freiheit des Studiums entschieden. Wirklich gejubelt wurde in Wien ja nicht über die Staatspolitik, sondern über die Wiedereröffnung von Burg und Oper am 14. Oktober und am 5. November. Das waren die wahren Staatsakte und gleichsam, die »Krönung« des Wiederaufbaus! Die Musik- und Theaterstadt Wien machte mobil. Burgtheater und Staatsoper erstrahlten neu in Glanz und Gloria und das Publikum jubelte. Das war die Kultur der Kunst. Das Theater war das Leitmedium und das fand jetzt in den alten, aber völlig neuen schönen festen Häusern statt.

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Manfried Welan

Auf der anderen Seite der Ringstraße stand die Universität grau und vernachlässigt da. Über ein Viertel ihres Baubestandes und fast dreiviertel der Dacheindeckung waren durch Bombentreffer zerstört worden. Sie wurde aber nicht so wiederhergestellt und erneuert wie Burg und Oper. Das war die Kultur der Wissenschaft. Hier waren Traditionen der Vernachlässigung, nicht Glanz und Gloria. Die Universität war nie ein Leitmedium. Und so ist es geblieben.

Kaiser Franz Joseph auf der Juristenstiege und der Siegfriedskopf in der Aula Ich hatte besondere Vorstellungen vom »Renaissancepalast der Bildung«. Aber dieser Palast sah aus wie ein heruntergekommenes Museum. Dort sollte ich studieren? Was wollte ich überhaupt studieren? Ein Bekannter meines Vaters riet mir, Jus zu studieren: »Wenn du nicht weißt, was du studieren sollst, dann studier’ Jus!« Er überzeugte mich, dass diese Entscheidung nichts Endgültiges sei. Das Jus-Studium ziele auf eine besondere Art erweiterter Matura ab und steigere die Allgemeinbildung. Es sei vielseitig und öffne dadurch viele Wege zu verschiedenen Berufen. Auch Freunde, die schon Jus studierten, drängten mich dazu und schließlich waren meine Eltern froh, wenn ich ein »anständiges« Studium wählte. Meine Familie hatte keine Beziehung zur Juristerei. Auch das Gymnasium hatte mich nicht mit dem Recht in Beziehung gebracht. Wir lasen nicht Gaius, sondern Gaius Julius Cäsar. Im Ganzen gesehen lasen wir zu viel Cäsar und zu wenig Cicero. Als ich das erste Mal die Juristenstiege auf der Universität betreten wollte, war ich durch die übermenschliche Steinfigur des Kaiser Franz Joseph irritiert. Wie ein Gott stand er da. Die über zwei Meter hohe kolossale Statue aus Marmor wirkte auf mich bedrückend und bedrohlich. Warum stand sie hier? Ausgerechnet auf der Juristenstiege? Hunderte Male stieg ich im Laufe des Studiums zu Kaiser Franz Joseph hinauf: Ich war ein Student Franz Josephs. Einige Jahrzehnte später amtierte ich Hunderte Male im Festsaal der Universität für Bodenkultur vor dem großen Bild Franz Josephs. Ich war ein Professor und Rektor Franz Josephs geworden. Der Figur war im Kriege – die Universität war durch alliierte Luftangriffe schwer getroffen worden – der Kopf abgebrochen worden. Er wurde aber schon 1945 der Figur wieder aufgesetzt. Das war gleichsam ein Symbol für die Fortsetzung der Monarchie. Franz Joseph konnte sich auf seine Juristen verlassen. Jurist sein bedeutete in der Monarchie viel, und die vielen Juristen bedeuteten

Student in Wien 1955 – 1960

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Franz Joseph viel. Die österreichische Verwaltung war durch das Juristenmonopol in den hohen Positionen charakterisiert. Die Verwaltungskultur wie die politische Kultur waren lange Zeit eine Juristenkultur. Die Monarchie der josephinischen Mandarine wurde eine Republik der franziskojosephinischen Mandarine. Das Zeitalter der Manager war noch fern. Das Recht Franz Josephs wurde das Recht der Republik und ist es zum Teil noch jetzt. Das ehrwürdige Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch 1811 (ABGB) gilt noch heute, zur Zeit meines Studiums galt auch noch das Strafgesetz 1803, und die dazu gehörenden Prozessgesetze waren Blüten der franziskojosephinischen Rechtskultur. Viele Bereiche des Verfassungsrechts, vor allem rechtsstaatliche Einrichtungen, und große Teile des Verwaltungsrechts stammten aus der konstitutionellen Monarchie. Noch als Professor trug ich sie vor, zB das Forstgesetz 1852. Form und Inhalt unseres Studiums waren von der Monarchie geprägt. Die Studienordnung war wie die vom Unterrichtsminister Franz Josephs Graf Leo Thun-Hohenstein entworfene und das zu studierende Recht war zu großen Teilen Recht aus der Zeit Franz Josephs. Unsere Lehrer waren – von Ausnahmen abgesehen – auch aus dieser Zeit. Sie waren mit der Monarchie verbunden und wenn einer von ihnen den Raum betrat und zu sprechen begann, wurde man daran erinnert. Die juridische Fakultät war vom Atem und den Stimmen des 19. Jahrhunderts durchzogen. Es herrschte eine Atmosphäre der Tradition und eine heute unvorstellbare Hierarchie der Professoren. Ihre Macht im Rahmen der Universität war groß. Jeder Professor war Monarch in seinem Bereich. Nicht einmal Dozenten und Assistenten, deren es nur wenige gab, hatten Mitwirkungsrechte. In manchen Hörsälen gab es »Lehrkanzeln« aus Holz unter einer Art Baldachin. Dort standen die Professoren und dozierten von oben herab. Durch solche Einrichtungen und durch solche Professoren wurde die Monarchie auch im Kleinen fortgesetzt. Frontalvorlesungen waren die Regel. Man musste das nachbeten, was die Lehrer sagten. Es war nicht üblich, die Vortragenden zu unterbrechen, um Fragen zu stellen, und wir stellten auch nachher selten Fragen. Nur wenige gingen in Sprechstunden der Professoren. Die meisten ließen sich buchstäblich alles gefallen, auch wenn es ihnen nicht gefallen hat. Sie besuchten in der Regel ja auch nicht die Vorlesungen der Professoren, sondern die von diesen manchmal so genannten »Schwindelschulen«, die Rechtskurse. Wir Studierenden waren untereinander per Sie, das Du-Wort war relativ selten, außer bei Mitgliedern von Vereinen oder aufgrund gemeinsamer Gymnasialzeit. Pärchen gab es nur wenige. Die zukünftigen Juristinnen und Juristen waren korrekt, die Damen teilweise sogar elegant gekleidet, viele trugen Anzüge mit Krawatten. Sneakers ersetzten noch lange nicht »anständige Schuhe«. Wir waren alles andere als eine »Turn-

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patschen- und Jeans Generation« heute zieht man sich bewusst nicht mehr schön an, damals wollte man bewusst nett ausschauen.

Der Siegfriedskopf in der Aula Unter den Studierenden herrschte eine kollegiale Atmosphäre. Wir halfen einander, wo und wie wir konnten und lernten vor den Prüfungen miteinander in kleinen Gruppen. Hier wurden die Fragen und Eigenheiten der Prüfer eingebracht, besprochen und ausgetauscht. Diese Kollegialität war das Menschlichste am damaligen Jusstudium. Unsere Hilfsbereitschaft machte Anfängern Immatrikulation und Inskription und den Prüfungskandidaten die Prüfungen leichter und gerne half ich, dem so geholfen worden war, in der Zukunft auch den Neuen. Viele von uns aßen in den Mensen; ich aß besonders gerne in der Nationalbibliothek Augsburger mit gerösteten Erdäpfeln, eine Speise, die in Vergessenheit geraten ist, oder in der WÖK in der Schottengasse (heute Billa). Mehrere Kollegen gingen mit mir zum Trzeniewski in der Dorotheergasse, wobei eine Kollegin behauptete, den Trzeniewski Brötchen ihre schlanke Figur zu verdanken. Ein Brötchen kostete 50 Groschen, wie mir ein aus Sri Lanka stammender Angestellter unlängst bestätigte; heute kostet es 1,10 Euro. Man kann noch immer mit Trzeniewski-Brötchen abnehmen. Das Studium dauerte wie vor dem Krieg acht Semester. Der erste, zwei Semester dauernde Studienabschnitt, der sogenannte »Rechtshistorische«, begann mit einer »Einführung in Grundbegriffe des Rechtes und des Staates«, die vier Stunden, und einer »Einführung in die Philosophie und Gesellschaftslehre«, die zwei Stunden umfasste. Zusätzlich zu diesen sechs Semesterwochenstunden einführender Lehrveranstaltungen waren 35 Stunden über Römisches Recht, Kirchenrecht, Deutsches Recht sowie Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte zu inskribieren. Der zweite, sogenannte »Judizielle« Studienabschnitt, dauerte drei Semester und umfasste Österreichisches Bürgerliches Recht, Handels- und Wechselrecht, Zivilgerichtliches Verfahren, Straf- und Strafprozessrecht im Ausmaß von 49 Semesterwochenstunden. Dazu kamen noch drei Stunden internationales Privat- und Strafrecht und zwei Stunden Kriminologie. Der ebenfalls drei Semester umfassende »Staatswissenschaftliche« Studienabschnitt bestand aus 34 Stunden Staatslehre und Österreichischem Verfassungsrecht, Verwaltungslehre und Österreichischem Verwaltungsrecht, Verwaltungsverfahren und -gerichtsbarkeit, Sozialrecht, Völkerrecht und Rechtsphilosophie. Dazu waren 25 Stunden aus Volkswirtschaftslehre und Volkswirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Finanzwissenschaften und Finanzrecht, Statistik, sowie drei

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Stunden neuere Geschichte zu inskribieren. Wahlpflichtfächer waren Agrargesetzgebung, ausländisches Recht und vergleichende Rechtswissenschaft, Staatsrechnungswissenschaft, gerichtliche Medizin, schließlich forensische Psychiatrie, die insgesamt sechs Stunden umfassten. Ich habe mich oft gefragt, ob mein Studium überhaupt ein Studium war, wie man es sich vorstellt. War es nicht ein »Potemkinsches Studium«? Ein »Als ObStudium«? Warum? Es war ein universitäres Papiergebäude bestehend aus Inskriptionen und Zeugnissen. Nur wenige Semesterwochenstunden, wie etwa Pflichtübungen, verlangten wirkliche Anwesenheit. An- und Abtesturen waren kein wirkliches Problem. Sie wurden fast immer gegeben, auch wenn einen der Professor nicht kannte. Wir lernten logisch denken und reden, das Wesentliche vom Unwesentlichen, das Wichtige vom Unwichtigen unterscheiden, überhaupt unter-scheiden. Wir lernten analytisch und analogisch Denken und das Legale bis hin zum Illegalen zu verstehen »was geht noch?« »was geht nicht mehr!« »es kommt drauf an!« sagte einer unserer Lehrer immer wieder. Im Übrigen wurde selbst bei der Planung der Lehrveranstaltungen an der Fakultät mit Rücksicht auf die Zeiten der Rechtskurse vorgegangen. Sonst wäre vielleicht die Anwesenheit zu schwer gewesen. Es gab keine Pflicht zu wissenschaftlicher Tätigkeit oder zum Besuch von Seminaren. Es war für viele ein Fernstudium, das auf die Ablegung bestimmter Prüfungen abzielte und so ohne Absicht geradezu auf Berufstätige abgestellt war. Das Studium war auf Mündlichkeit abgestellt. »Reden« und wieder reden, aber nicht widersprechen! Das war die Regel. Es gab zwar Ausnahmen, aber keinen wirklichen Widerspruch. Ein charakteristisches Element war der Umstand, dass das öffentlich-rechtliche Studium in Wirklichkeit privat verlief. Es war ein »Privatstudium«. Fast alle Studierenden besuchten die außeruniversitären Kurse, in denen der Stoff des Studiums von außeruniversitären Lehrern gepaukt wurde. Diese Rechtskurse waren private Schulen, in denen in Ausübung der Unterrichtsfreiheit der Prüfungsstoff des Jusstudiums durch private Lehrer vermittelt wurde. Der »Kurs der Kurse« war nicht nur ideell, sondern auch materiell hoch; man musste für sie und auch für die zur Verfügung gestellten Skripten ein Vielfaches der Studiengebühren bezahlen. Insgesamt gesehen war das aber »ökonomischer« als der Besuch von Lehrveranstaltungen an der Universität, da die Kurse sehr konkret auf die Prüfungen vorbereiteten. Die Vortragenden waren in der Regel hochqualifizierte Fachleute und gute Pädagogen mit einem Blick auf das Wesentliche. Das Wesentliche waren letztlich für die Studierenden Staatsprüfungen und Rigorosen und die dabei gestellten Fragen.

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Ein Grund für den hohen »Kurs der Kurse« lag auch darin, dass wir unsere Prüfer nur zum Teil kannten. Die vielen Praktiker, die prüften, kannten wir nicht. Und weil wir nicht alle in alle Vorlesungen gingen, kannten wir nicht einmal alle Professoren. Die Anonymität der Prüfer entsprach der Anonymität der Studenten. Es gab Ausnahmen, insbesondere in den höheren Semestern. Aber im Allgemeinen war das Verhältnis zwischen Professoren und Studierenden »distanziert«. Das war österreichische Tradition, auch in anderen Studien. Die Unbekanntheit der Prüfer und Prüfungskommissionen war eine Eigenheit unseres Studiums.

Studienabschluss und Prüfungen Im Wesentlichen gab es also nur 6 große Prüfungen, nämlich die drei Staatsprüfungen und die drei Rigorosen. De facto waren es nur 4, bzw. 3 Prüfungen, da ja 2 in der Regel zwei Mal denselben Stoff betrafen. Da man die Prüfungen in der Regel erst nach ein bis zwei Jahren Vorbereitungszeit ablegen konnte, bewirkte das eine große Freiheit im Studium, aber unmittelbar vor den Prüfungen einen heute unvorstellbaren großen Druck. Sehr vereinfacht gab es für den Regelstudenten insgesamt 36 Monate »Freiheit« und 12 Monate »Druck«. Der großen Freiheit verdanke ich meine Belesenheit und das Kennenlernen vieler Menschen und Gelegenheiten in sehr unterschiedlichen Bereichen. Dem großen Druck verdanke ich eine mir später oft zugutegekommene nervliche Robustheit. Wenn mir eine Materie zu sehr auf die Nerven ging und ekelhaft wurde, dachte ich daran, wer aller Jus studiert hatte: Johann Wolfgang von Goethe, Franz Grillparzer, Adalbert Stifter, Kurt Tucholsky, Franz Kafka, ach ja, und um mit ihm zu sprechen, »ich nährte mich in den zwei Monaten vor einer Prüfung unter reichlicher Mitnahme der Nerven geistig förmlich von Holzmehl!«. Die Zeit unmittelbar vor der Prüfung wurde zur psychischen Qual. Das bewirkte aber auch eine besondere Vorbereitung unsererseits. Wir präparierten uns an Hand der Skripten und der gesammelten Prüfungsfragen und trainierten in kleinen Gruppen etwa zwei Monate intensiv. Bei jeder großen Prüfung waren mehrere große Fächer mündlich zu absolvieren. Wenn man die Prüfer nicht kannte und sie sich nicht vorstellten, musste man aus der Fragestellung das Fach erraten, was manchmal nicht leicht war. In mancher Weise studierte ich anders als meine Kolleginnen und Kollegen. So besorgte ich mir für das Studium die Skripten mehrerer Rechtskurse. Dadurch blieb ich auf den jeweils etwas anders bearbeiteten und wiedergegebenen Prüfungsstoff neugierig und lernte verschiedene Sichtweisen kennen. Die oft

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trockene Materie konnte ich so mehrere Male ohne Überdruss durcharbeiten. Als Jus-Student musste man ja oft wiederholen. Ich war auf das Wiederkäuerdasein schon durch meine langjährige Tätigkeit als Nachhilfelehrer vorbereitet. Der Stoff für die jeweilige Prüfung machte einige Kilo aus. Wenn man sie in Taschen richtig verteilte, war ein längerer Gang mit ihnen ein spezielles Bodybuilding. Im Übrigen studierte ich nicht nur zuhause und in Bibliotheken, sondern die meiste Zeit in Kaffeehäusern. So lernte ich die von Stefan Zweig sogenannte »universitas vitae« in ihren verschiedenen Erscheinungsformen und Ausstattungen kennen. Meist begann ich im »Caf¦ Attach¦« in der Argentinierstraße auf der Wieden. Ich war erstaunt, als ich zu Ende meines Studiums den früheren Außenminister der Sowjetunion Wladislav Molotow an einem Nebentisch Zeitungen lesen sah. Er wurde vom Ober mit »Guten Morgen, Herr von Molotow!« begrüßt und lächelte daraufhin ein wenig. Er war nach seinem Ausscheiden als Außenminister ständiger Vertreter der UdSSR in der 1958 errichteten IAEO (International Atomic Energy Organisation) geworden. Reinhold Schneider hat die Entwicklung charakterisiert: »Statt der Kaiser residiert die Atombehörde in Wien«. Ich blieb in jedem Kaffeehaus ein, zwei Stunden und zog dann mit Sack und Pack, sprich mit meinen Büchern und Skripten, zum nächsten Kaffeehaus weiter, vom »Caf¦ Attach¦« meist zum »Caf¦ Hauswirth« in der Nähe der Paulanerkirche. Beide Kaffeehäuser existieren schon lange nicht mehr, sondern sind China-Restaurants geworden. Die andere Variante meiner Gänge ging vom Caf¦ Attach¦ über den Stalinplatz, seit 1956 wieder Schwarzenbergplatz, am Heldendenkmal der Roten Armee vorbei zum Caf¦ Schwarzenberg. Damals konnte ich noch den russischen Text an der Kolonade des Denkmals lesen: »Ewiger Ruhm den Helden der Roten Armee, die gefallen sind im Kampf gegen die deutsch-faschistischen Landräuber für die Freiheit und Unabhängigkeit der Völker Europas.« Jetzt kann ichs nicht mehr lesen, aber ich habe mir den Text gemerkt. Es waren rund 20.000 Soldaten der aus vielen Völkern zusammengesetzten Sowjetarmee, die für die Befreiung Österreichs vom Nazifaschismus in der Schlacht von Wien gefallen sind. Sie dürfen nicht vergessen werden. Die Wiener haben »primitiviert« und das Denkmal zum »Russendenkmal« und zum »Erbsendenkmal« gemacht. Zuhause stellte ich vor dem Schlafengehen mein Magnetophon an und hörte dann im Schlafen die Texte des Lernstoffes ab die ich sukzessive auf Band gesprochen hatte. Unsere Nachbarin hörte mich durch die Wand und lobte mich von Zeit zu Zeit wegen meines Lernfleißes. Ich ließ sie bei diesem Glauben und stellte das Gerät auf »Zimmerlautstärke« ein. Psychologen behaupteten schon damals, dass man sich Texte im Schlafe zwar nicht merke, aber doch nachher beim Durchlesen leichter im Gedächtnis behält. Ich hatte zum Stoff der jewei-

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ligen Prüfungsgegenstände im Hintergrund Beethovensymphonien aufgenommen, mehrmals die Eroica, um in »heroische« Stimmung zu kommen. In der schönen Jahreszeit ging ich mit meinen Unterlagen in die Park- und Gartenanlagen Wiens. Dabei suchte ich bald für die einzelnen Materien bestimmte Stellen aus. So war das Belvedere für mich durch seine Ordnung mit dem ABGB verwandt, während die Ausrichtung des Schwarzenberggartens und auch sein vieles, ständig in Entwicklung befindliches Unkraut, dem Verwaltungsrecht näher stand. Heute noch erinnere ich mich bei Spaziergängen durch den Belvederegarten bei einzelnen Stellen an den jeweiligen Abschnitt des Bürgerlichen Rechts und die entsprechenden Paragraphen des ABGB, die ich dort studiert habe. Im Verwaltungsrecht, mit dem ich im Schwarzenberggarten unterwegs war, verbinde ich bestimmte Baumgruppen mit bestimmten Materien. So weiß ich, dass ich im oberen Teil des Gartens Forstrecht und Wasserrecht lernte. Den Ausdruck Umweltrecht gab es damals noch nicht. Verfassungsrecht lernte ich gerne im Burggarten vor dem Palmenhaus. Die Inschrift auf der Hofburg: »His aedibus adhaeret concors populorum amor« (An diesen Bauten hängt die einmütige Liebe der Völker) brachte mich zum Nachdenken. Welche Völker waren wann freiwillig einmütig Liebende? Auf dem Heldenplatz sah ich das Staatsrecht in Architektur : Die Inschrift auf dem äußeren Burgtor »Justitia Regnorum Fundamentum« war und ist für mich der inoffizielle Artikel 1 einer österreichischen Verfassung, die über alle Regime hinweg gilt. Die Architektur entspricht augenfällig der alten Gewaltenteilung: Ballhausplatz – Verwaltung, Parlament – Gesetzgebung, Justizpalast – Gerichtsbarkeit und schließlich sind Rathaus, Universität und Burgtheater der bauliche Ausdruck für die territoriale, die akademische und die kulturelle Selbstverwaltung. Solange es Prüfungen, welcher Art auch immer, geben wird, sind sie für Prüflinge das Wichtigste. Da alle großen Prüfungen mündlich waren, waren für uns die Fragen und Eigenheiten der Prüfer das Wichtigste. Daher hörten viele den öffentlichen Prüfungen zu und manche waren »Spione« der Rechtskurse bei den einzelnen Prüfern. Es gab Sammlungen von Prüfungsfragen, die man durcharbeiten musste. Da die Vervielfältigung technisch damals noch auf dem Niveau des Kohlepapiers war, war der Besitz solcher Fragensammlungen Goldes wert. Viele zahlten auch dafür. Man kannte die Prüfer zwar nicht persönlich, aber man kannte ihre Fragen. Ihre Namen waren mit ihren geläufigen Fragen verbunden, die jeweils ergänzt und auf den neuesten Stand gebracht wurden. Diese Namen- und Fragenverzeichnisse waren für viele das wichtigste im Studium. Denn mit diesen Listen konnte man mit einiger List das ganze Studium hinter sich bringen.

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Das Beste am Studium und seine Schwächen Das Beste an unserem Studium war die große Freiheit, wie ich sie weder vorher noch nachher so erlebt habe. Dieses große Geschenk der Universität und der Fakultät im Besonderen werde ich nie vergessen. Es war ein goldenes Interim zwischen dem Zwang von Familie und Schule und dem Zwang des Berufslebens. Es war eine Freiheit der Zeit. Ich lernte meine Gegen- und Nebenwelten kennen, die Poesie, wie es die Romantiker nannten, Literatur, Gesellschaft, Natur. Damals habe ich Freiheit ganz groß und existentiell erlebt. Sie war der Raum für eine Fülle von Möglichkeiten und Gelegenheiten, das Leben und die Welt kennenzulernen und damit sich selbst. Das Zweitbeste am Studium war die historische Orientierung. Wie die Lehrpläne der höheren Schulen in unserer Gymnasialzeit, so war auch das JusStudium geschichtlich aufgebaut. Das machte Sinn. Denn der Lehrstoff wurde gewissermaßen in der Entwicklung des Wissens vermittelt, eine Entwicklung, die mit dem Entstehen und Vergehen der Kultur in Europa verbunden war. Wir erhielten einen Überblick über das Ganze und über die Fülle der Rechtsmaterien. So wie wir als Maturanten, vereinfacht gesagt, das Wissen der Zeit hatten, so hatten wir als absolvierte Juristen das Wissen über das Recht unserer Zeit und das Wissen über seine Herkunft und seine historischen und kirchlichen Parallelen? Was waren Schwächen des Studiums? Die Texte wurden nicht hinterfragt. Es wurden Rechtstexte von der Antike bis zur modernen Zeit auf hohem Niveau gelehrt, traktiert und geprüft, aber Wissenschaftsgeschichte und –Theorien, Rechtstheorie und Methodenlehre und alles, was dazu gehört, kamen zu kurz. Wenn man wollte, konnte man sich das alles aneignen, aber die meisten wollten das ja gar nicht. Damit ist ein zweiter Mangel unseres Jus-Studiums aufgezeigt. Es wurde »Rechtswissenschaft ohne Gesellschaft« betrieben und vermittelt. Die gesellschaftliche Wirklichkeit wurde zwar teilweise durch ökonomische, historische und Kriminologische Elemente näher gebracht und das Recht so belichtet. Aber im Großen und Ganzen war die gesellschaftliche Wirklichkeit ausgeklammert. Kurz: Es wurde der Text gelehrt und studiert, aber der Kontext ignoriert. Das Recht wurde tradiert, das Gesellschaftliche wurde nicht reflektiert. Die historische Bedingtheit wurde zu wenig als gesellschaftliche Bedingtheit bewusst gemacht. Das musste man sich schon selber bewusst machen. Der Satz, mit dem Eugen Ehrlich (1862 – 1922) sein Hauptwerk »Grundlegung der Soziologie des Rechts« (1913), überschreibt, war in unserem Jus-Studium unbekannt. Er war nicht an der Universität und schon gar nicht in den Rechtskursen zu hören oder zu lesen:

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»Der Schwerpunkt der Rechtsentwicklung liegt auch in unserer Zeit wie zu allen Zeiten, weder in der Gesetzgebung, noch in der Jurisprudenz noch in der Rechtsprechung, sondern in der Gesellschaft selbst«.

Im Übrigen wurde in unserem Studium auch nicht die »Reine Rechtslehre« im Sinne Hans Kelsens vermittelt, sondern eine traditionelle Rechtslehre im Sinne der Herrschaft der Texte und der herkömmlichen juristischen Interpretation. Dabei kamen die Theorien der Professoren nicht zu kurz. Wir mussten viele Rechtstexte auswendig lernen und daher auch die rechtswissenschaftlichen Texte, die unsere Professoren verfasst hatten. So kann ich heute noch eine der wichtigsten Einteilungen des Rechts nach dem genialen Hans Karl Wolff wiedergeben: »Recht im objektiven Sinn ist das dem Souverän im Rahmen seiner Souveränität Zusinnbare«. Recht im subjektiven Sinn:« Ist ein Verhalten, an dem jemand ein Interesse hat, Pflicht, und ist es eben wegen dieses Interesses Pflicht, dann hat derjenige, in dessen Interesse es Pflicht ist, ein Recht im subjektiven Sinn.«

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Interviews mit Erhard Busek, Wolfgang Greisenegger, Franz Römer und Peter Skalicky

Interview mit Vizekanzler a. D. Dr. Erhard Busek F: Vielleicht beginnen wir damit, wie Sie als Student die Universität und Ihre Stellung zur Stadt erlebt haben? Ich nehme an, Ihr Studium fällt zum Teil in die 1960er Jahre? Busek: Ja, ich habe 1959 begonnen, zu studieren. Als ein in Wien geborener und hier lebender Student gab es keine spezielle Wahrnehmung von Wien als Universitätsstadt, da man in die Stadt selbst integriert war. Die Universität hat es eben gegeben. Ein besonderes Studentenleben in dem Sinn gab es damals für einen integrierten Wiener wie mich nicht. Man war in seinen Kreisen drinnen, und dazu gehörten ganz selbstverständlich auch Nichtstudierende. Ich persönlich hatte insofern noch eine besonderen Zugang zum studentischen Leben, da ich in der Katholischen Hochschulgemeinde aktiv war. Das wirklich Interessante für mich waren die Studenten aus den anderen Bundesländern, die in eigenen Gemeinschaften organisiert waren, im Falle der KHG nach Diözesen unterteilt. Und eigentlich habe ich auf diesem Wege die Vielfalt Österreichs kennengelernt, wenn, neben vielen kulturellen Dingen, z. B. die Steirer ein Sterzoder die Oberösterreicher ein Speckessen veranstaltet haben. Dabei wurden einem auch die Rolle Wiens bewusst und auch die Schwierigkeiten der Studenten aus den Bundesländern, hier in Wien in das großstädtische Umfeld integriert zu werden. Dabei waren die Studentenheime, die von einzelnen Bundesländern unterhalten wurden, sicher sehr hilfreich, wobei Wien als Stadt damals nicht den Ruf hatte, besonders offen für Studierende von außerhalb zu sein. Eine Ausländerfrage in dem Sinne gab es aber damals noch nicht. Es gab zwar einen gewissen Anteil an ausländischen Studenten an der Musikuniversität, der war aber sicherlich nicht gravierend. F: Und ein studentisches Leben an der Universität selbst, im Rahmen der Hochschülerschaft, kulturelle Angebote oder Ähnliches – gab es so etwas?

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Busek: Natürlich gab es so etwas im Rahmen der KHG, sie erstreckten sich aber eher auf geistig-kulturelle Angebote. Das war aber nichts spezifisch Wienerisches, Angebote der Stadtverwaltung spielten dabei keine Rolle. F: Als Wiener haben Sie, davon gehe ich jetzt aus, als Student im elterlichen Haushalt gelebt? Busek: Ja, das ist richtig, darüber hinaus aber auch in anderen Gemeinschaften wie der Pfarre, in der Hochschulgemeinde und allem, was da vorgelagert war. Das hatte aber auch nichts Wienspezifisches an sich. F: Und wie hat man als Studierender die Universität und die Universitätsstrukturen, die ja noch hierarchisch waren, wahrgenommen? Busek: Ich sage Ihnen ganz offen: Gar nicht, da ich als Werkstudent während des gesamten Studiums nebenbei gearbeitet habe. Damit verbunden war natürlich eine ganz andere Einstellung: Wie kann ich möglichst rasch fertig werden und wie komme ich in einem vertretbaren Zeitrahmen damit zurecht? Das einzige, woran ich damals meiner Erinnerung nach teilnahm, waren Demonstrationen, die durchgeführt wurden, um ein höheres Universitätsbudget zu erreichen. Diese waren eher für als gegen den damaligen Unterrichtsminister Drimmel gerichtet, quasi gegen den Rest der Regierung, in der Drimmel mit dieser Forderung auf Widerstand gestoßen ist. Aber verglichen mit den heutigen Demonstrationen waren das damals sehr gescheite Aktionen. Ich kann mich auch noch erinnern, dass wir einmal im Rahmen einer dieser Demonstrationen die Zufahrt des finnischen Ministerpräsidenten Kekkonen samt Polizeieskorte zum Bundeskanzleramt verhindert bzw. verzögert haben. F: War die Misere der damaligen Universitäten tatsächlich so groß? Busek: Da muss ich Ihnen ganz offen sagen: Na selbstverständlich waren sie unterausgestattet. Aber das war damals kein besonderer Aufreger. Ich studierte Jus, und auch wir sind damals im Hörsaal 33 auf dem Boden, in Fensternischen oder sonst wo gesessen, hatten ebenfalls unsere Probleme, einen Platz in den vorgeschriebenen Seminaren zu bekommen und dergleichen mehr. Aber wir hatten damals eine andere Einstellung. Es war noch Nachkriegszeit, und von daher waren wir vom Elternhaus und der übrigen Umgebung her noch auf Knappheit eingestellt. Es war nicht angenehm, aber auch kein Gegenstand besonderer Empörung. Man hat eben versucht, damit zurechtzukommen. F: Es war also noch kein rebellischer Geist an den Universitäten vorhanden?

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Busek: Es war insofern kein rebellischer Geist, da wir registrieren mussten, dass es jedes Jahr ein bisschen besser wurde, vielleicht nicht direkt an den Universitäten, deren Budget schon damals knapp war, aber die Grundbefindlichkeit des Lebens an sich. Wir hatten noch nicht das Problem, wo wir in den Semesterferien hinreisen würden, weil wir uns das ohnehin nicht hätten leisten können. Diejenigen, die ganz tapfer waren, sind vielleicht mit dem Auto doch irgendwo hingefahren, aber das war vom Aufwand her im Vergleich eher als bescheiden zu bezeichnen.

Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Greisenegger Das Maß an Freiheit, das die Universität in den zu Ende gehenden 1950er Jahren dem Hörer anbot, musste der Maturant erst wahrnehmen und zu nutzen lernen. Als Quereinsteiger, der eine schwere Krankheit eben erst überwunden hatte und deshalb dem Rhythmus des Studienjahres nicht folgen konnte, hörte ich germanistische, historische, philosophische und psychologische Vorlesungen bei Heintel, Kainz, Gabriel, Rohracher und beobachtete den pointenreichen öffentlichen akademischen Diskurs, den sie, getrennt durch Tag und Stunde miteinander führten. Der Altgermanist Höfler faszinierte durch seinen freien Vortrag und den Wissensfundus über den er verfügte. Erst zwei Semester später entdeckte ich Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte bei meinen Streifzügen durch die Hörsäle. Es war mir selbstverständlich, viele dieser Vorlesungen auch zu kolloquieren. Dieses Studium war nicht auf einen schnellen Abschluss hin ausgerichtet, ließ aber einen Fundus entstehen, aus dem ich lange schöpfen konnte. Diese Erfahrung der Freiheit, das Studium individuell zu gestalten, hat mich als akademischer Lehrer geprägt. (Meine Vorlesungen im Auditorium Maximum habe ich aus Prinzip mündlich geprüft und dabei so manches gelernt.) Ab 1962 war ich zuerst als wissenschaftliche Hilfskraft, später als Universitätsassistent am Institut für Theaterwissenschaft tätig. Die Lehrbefugnis für das Gesamtfach erhielt ich 1977. 1981/82 folgte eine Gastprofessur an der Ludwig Maximilian Universität München. Die Bestellung zum außerordentlichen Universitätsprofessor erfolgte 1982, die Berufung zum Ordinarius 1986. In den 1960er und 1970er Jahren, in späterer Zeit – immer seltener – blieb es für mich von Bedeutung, die künstlerische und journalistische Praxis als Korrektiv nicht ganz aus den Augen zu verlieren, da für mich die Erfahrung, dass theoriegestützte Praxis und Praxis fundierte Theorie einander – im Idealfall – ergänzen sollten. Diese Erfahrung sollte sich auch auf universitätspolitischer Ebene bestätigen. Als der rechtliche Rahmen der Universität und die Reform der

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alten Philosophischen Fakultät diskutiert wurde, gehörte ich einer kleinen Gruppe von ›Mittelbauern‹ an, die man zwar mitreden, aber nicht mit(be) stimmen lassen konnte. Die Teilung, aus der die Grund- und integrativwissenschaftliche Fakultät hervorging, sollte im letzten Moment mit guten Argumenten verhindert werden, wurde aber von Ministerin Firnberg barsch abgewiesen: an Änderungen des Teilungskonzeptes hätte man früher denken können. Die Grund- und integrativwissenschaftliche Fakultät, die dieser Teilung der alten Philosophischen Fakultät ihre Struktur und ihren Namen verdankte, war ein interessantes Konglomerat, das nicht mehr als zehn Institute umfasste, aber die größte Zahl an Studenten im Vergleich mit den anderen Fakultäten zum Doktorat führen sollte. Es ergab sich durchaus nicht, um mit Nestroy zu sprechen, ein ›unzusammenhängender Zusammenhang‹, sondern immer neu die Notwendigkeit über Fachgrenzen hinaus Aufgaben, Probleme und Bedürfnisse von Forschung und Lehre plausibel zu machen, sie zu übersetzen. Diese nach der Teilung des Jahres 1975 gewachsene Struktur der Fakultät ermöglichte eine selbstverständliche Einbindung in den Organismus der Universität. Fakultäten waren nicht nur Verwaltungseinheiten, in denen die einzelnen Organe zur Zusammenarbeit nicht nur angeregt, sondern veranlasst wurden. Es waren selbstbewusste ›Körperschaften‹, die das Ganze der Fakultät und der Universität nicht aus den Augen verloren. Dekane und Rektoren fanden in ihnen ein durchaus machtbewusstes, aber meist loyales Gegenüber, das freilich für sich beanspruchen konnte, rechtzeitig informiert zu werden, um eine Meinungsbildung im Vorlauf erreichen zu können. Die Gliederung der Universität durch eine Vielzahl kleiner, gleichberechtigter Einheiten (nicht zuletzt in den Naturwissenschaften), schuf eine neue Machtbalance, die dem Rektorat neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnete. Der Großbetrieb Universität erhielt dadurch die Möglichkeit, auf interne und externe Herausforderungen schnell und sachbestimmt zu reagieren, etwa durch budgetäre Umschichtungen. Andererseits war und ist die Universität eine Hohe Schule der Demokratie. Dieser Aspekt wurde in letzter Zeit immer weniger in die Diskussion einbezogen. Manche Foren, die an der Universität im Laufe der Zeit entstanden, sind freilich allzu sehr vom guten Willen, ihnen ihr Ohr zu leihen, abhängig.

Interview mit em. o. Univ.-Prof. Dr. Franz Römer F: Als ich mir Ihre Vita ansah, da sind mir zwei Fakten ins Auge gestoßen. Zum einen gilt es als Ihr Verdienst, den Fokus Ihres Fachs, der Klassischen Philologie, stärker in die Gegenwart hin geöffnet zu haben, also in Richtung Neolatinistik. Dann empfand ich das Thema Ihrer Dissertation über die Geographie Europas

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im Werk des älteren Plinius als ein Traumthema. Darf ich Sie fragen: Kam der Themenvorschlag von Ihnen? Römer : Teils – teils. Es spielte natürlich in den Interessensbereich meines Betreuers hinein, das war Rudolf Hanslik – sie sehen ihn übrigens hier auf diesem Porträt (Anm.: Das Bild befindet sich im damaligen Büro Römers) – bei dem alle studiert haben, die bis vor kurzem hier unterrichtet haben. Von dieser Schülergeneration bin ich eigentlich schon wieder der letzte Aktive oder besser : Bis vor kurzem war ich das (Anm.: Professor Römer emeritierte 2011); Hanslik selbst emeritierte bereits 1977, damals noch mit 70 Jahren. Die Erweiterung des Fokus in unserem Fach geht eigentlich auf ihn zurück, nur wurde sie erst von mir und meinen Kollegen realisiert. Es ist auch so, dass man sich zwar mit frühneuzeitlichem Latein schon immer beschäftigt hat, aber nicht schwerpunktmäßig. In der Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg war die Klassische Philologie aber, was die Latinistik betrifft, auf die antike Latinität konzentriert. Man weiß aber, dass Latein nicht nur in der Antike verwendet wurde, sondern bis ins 19. Jahrhundert und bis 1850 auch Staatssprache in Ungarn war. Dass sie das im Vatikan jetzt noch ist, ist ein bekannter Zusatzaspekt. Es stellte sich also die Frage, was soll Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung sein? Das ist beim Griechischen relativ eindeutig, da haben wir einerseits die Gräzistik und meinen damit die Antike, und andererseits die Byzantinistik, die eben mittelalterliches und frühneuzeitliches Griechisch betrifft, wobei es auf dem letzteren Gebiet wieder Diskussionen gibt, wo die Byzantinistik beginnt usw. Aber da will ich mich nicht einmischen. Sprache und kultureller Hintergrund haben sich so sehr geändert, dass das fast an allen Universitäten getrennte Bereiche sind. In Wien wurde die Byzantinistik so richtig durch Herbert Hunger entwickelt. In der Latinistik ist es so, dass sich jeder, der sich mit dem Mittelalter und vor allem der Neuzeit beschäftigte, natürlich auch immer mit Latein beschäftigen musste, weil ja alle theologischen, historischen und fachwissenschaftlichen Texte lateinisch sind. Aber man hat sich nicht mit der Literatur dieser Epochen beschäftigt, hat also Latein gewissermaßen als Fachsprache verwendet, aber keine lateinische Philologie betrieben, jedenfalls nicht vordergründig. Es hat zwar immer wieder, in Wien schon um 1900, Wissenschaftler gegeben, die sich mit Humanistenlatein beschäftigt haben, aber es war immer stark im Hintergrund. Hanslik selbst war nicht nur Latinist für die klassische Zeit, sein Spezialgebiet war hier vor allem Augusteische Literatur und die frühe Kaiserzeit und deren Geschichtsschreibung, daneben aber war er immer schon sehr an den Kirchenvätern interessiert, er war ja u. a. Obmann der Kirchenväterkommission. Und er erkannte, dass die Latinistik, wenn dieses Fach Zukunft haben soll, über

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die Antike hinaus greifen müsse. Den ersten Schritt in diese Richtung setzte er organisatorisch selbst, indem er sich ein Jahr vor seiner Emeritierung die Venia von Klassischer Philologie auf Klassische Philologie, Spät- und Mittellatein erweitern ließ. Diese Venia habe ich von ihm geerbt und habe sie auch eine Zeit lang für Habilitationen vergeben, bis wir erkannten, dass auch diese Einschränkung bereits überholt war, weil man auch Mittel- und Neulatein haben sollte. Denn die Spätantike kann man bereits als eigene Periode sehen, die aber je nach wissenschaftlichem Ansatz manchmal noch der Antike, von anderen aber bereits dem Mittelalter zugerechnet wird. Manfred Fuhrmann etwa setzt den Bruch im 3. Jahrhundert an, sodass Spätantike und Mittelalter schon zusammen gehören. Und wenn ich die Forschungsentwicklung beobachte, so dürfte das auch stimmen. D. h., der eine große Bereich wäre eben die antike Latinität bis zum 3. Jahrhundert, das ist die Zeit der Soldatenkaiser, wo sich im Bereich der Literatur nicht sehr viel tat. Danach haben sich für die Latinität die kulturellen Voraussetzungen stark geändert, sie wurde die Sprache der Kirche und der Schulen, das sind schon die Vorboten des Mittelalters. Und – machen wir es kurz – teilweise noch durch die von Hanslik geleistete Vorarbeit, teils durch Entwicklungen, die ich steuern konnte, ist jetzt die Einteilung der Professuren so, dass es natürlich die Klassische Latinistik gibt und eine Lehrkanzel, die sich ausschließlich mit ihr beschäftigt, eine zweite Lehrkanzel, die sich auf Spät- und Mittellatein konzentriert. Als Hanslik emeritierte, habe ich seine Lehrkanzel übernommen, während ein anderer Schüler Hansliks, Kurt Smolak, die für Spätund Mittellatein erhielt, zunächst als ao. später als reguläre Professur. Ich habe das Fach dann – das war nicht einmal in Hansliks Intention – auch noch auf Neulatein erweitert, wobei man mit einiger Kenntnis der Klassischen Antike leichter Neulatein machen kann, vielleicht mit Ausnahme gewisser Bereiche wie etwa der Theologie, weil die Humanisten sich ja wieder bewusst an der Antike orientiert haben, während Mittellatein fast ein eigenes Fach geworden ist. F: Ist diese Abgrenzung zeitlich ident mit der geschichtlichen Periodisierung? Römer : Nicht ganz. Das ist lokal unterschiedlich. In Italien fängt es schon im 14. Jahrhundert mit Petrarca an, Petrarca und Boccaccio. Manche meinen sogar mit Dante, aber das halte ich für sehr früh, während es im Norden um 100 Jahre länger dauerte. Die erste wirkliche Größe dort war Erasmus. Die Entwicklung des Humanismus setzte in Italien zwischen 1330/40 ein, hingegen im Norden erst Ende des 15. Jahrhunderts. Das war in jedem Land etwas anders. F: Und ist damit auch schon der Anfang für eine akademische Disziplin geboren?

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Römer : Zunächst gab es nur eine allgemeine kulturell-geistige Bewegung, die alles, was Literatur und Wissenschaft betraf, nach ihrem Verhältnis zur Antike beurteilte. Eine Wissenschaft, die sich explizit mit dem Humanismus beschäftigte, entstand erst im 19. Jahrhundert, und hier sticht der große Pionier Jacob Burckhardt mit seiner Studie über die Kultur in Italien heraus. Das ist der Startschuss für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der humanistischen Kultur. F: Und sehen Sie Burckhardt eher als Historiker oder auch als Philologen? Römer : Er ist beides, wenngleich er nicht primär Philologe war, das hätte ihn auch überfordert. Aber er hat für die Philologie sicherlich den Startschuss gegeben. F: Und wann etablierte sich dann die Philologie, z. B. in Wien? Römer : Eine neulateinische Philologie als Fach hat es überhaupt erst in der jüngsten Gegenwart gegeben. F: Und als Klassische Philologie? Römer : Als Klassische Philologie im Sinne einer Beschäftigung mit der antiken Latinität gibt es sie, seit es in Europa Universitäten gibt. Formal konnte sie sich erst 1848 etablieren, als die Universität neu gegründet wurde. Da wurden erst Seminare und später dann die Institute gegründet, aber als Beschäftigung mit der Antike hat es sie natürlich, wie ich sagte, schon Jahrhunderte davor gegeben. F: Nein, ich meinte, als eigenständiges akademisches Fach. Römer : Da könnte man ruhig sagen: Seitdem es akademische Fächer gibt, wobei ich jetzt nachdenken müsste – seit wann gibt es akademische Fächer?! F: Ich bin auch nicht besonders mit der Frühgeschichte der Universität vertraut. Aber waren nicht die Jurisprudenz und die Theologie die ersten akademischen Fächer? Römer : Das ist, wenn Sie das interessiert, ein wenig anders. Die mittelalterliche Universität hatte drei eigentliche Fakultäten, Fakultäten nota bene, das sind die zwei genannten, die Theologie und die Jurisprudenz, und die Medizin. F: Ja, die Medizin habe ich in meiner Aufzählung vergessen.

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Römer : Ja, das sind also die drei historischen Fakultäten, die schon Faust studiert hatte, während die philosophische damals noch ein Vorstudienlehrgang war, den jeder machen musste. Es gab ja damals noch kein Gymnasium, sodass jeder zuerst das Bakkalaureat, oder wie immer man das nennen will, machen musste, das Artisterium, die sieben freien Künste. Erst danach konnte man, und die wenigsten blieben so lange an der Universität, an einer der drei genannten Fakultäten studieren. Diese philosophische Eingangsphase war also ursprünglich etwas Niederrangiges. In Wien hat sich an diesem Zustand erst 1848 wirklich etwas geändert, in Berlin hingegen unter dem Einfluss Humboldts schon 1810, während es in Wien aufgrund des Einflusses von Metternich bis 1848 tatsächlich noch das Artisterium gab, danach studierte man eine der drei hohen Fakultäten. 1848 kam es dann zur Errichtung einer eigenen »Philosophischen« Fakultät, d. h. für Geistes- und Naturwissenschaften. Diese bestand bis nach dem Zweiten Weltkrieg, erst danach kam es zu einer starken Aufsplitterung. F: Haben sich neben den Medizinern, von denen das ja bekannt ist, 1848 auch Vertreter anderer Wissenschaften aktiv an der demokratischen Bewegung beteiligt? Römer : Dass die Medizin hier eine herausragende Rolle gespielt hat, könnte ich jetzt nicht bestätigen. Ich kenne das zu wenig, würde aber meinen, dass die Unzufriedenheit an der Universität mit dem Metternich’schen System ziemlich allgemein war. Nach 1848 hat sich dann aber gerade die neue Fakultät rasant entwickelt, und es entstanden Seminare und Fächer im heutigen Sinn. Mit der antiken Literatur aber hat man sich, um noch einmal auf Ihre Ausgangsfrage zurückzukommen, mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung natürlich, in den karolingischen Klosterschulen genauso beschäftigt wie an den frühesten Universitäten. F: In der Klassischen Philologie stellt sich, ich erkenne das ja auch an Ihrer Bibliothek, die Frage der Kooperation mit anderen Fächern, etwa mit der Geschichtswissenschaft. Römer : Ja natürlich. Es gibt Fächer, das sind vor allem die großen Neuphilologien, wo man innerhalb des Faches noch differenzieren kann und muss, und es gibt die mehr integrierenden Fächer : In der Anglistik haben wir zum einen die Sprach- zum anderen die Literaturwissenschaftler, in der Germanistik das alte und das neue Fach und daneben womöglich noch Germanische Altertumskunde. Bei den Etruskologen, ich wähle bewusst ein Extrembeispiel, würde es hingegen niemandem einfallen, fachintern weiter zu differenzieren. Aber auch

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der Klassische Philologe muss Sprache und Literatur insgesamt überblicken und einiges Hintergrundwissen in Kultur und Geschichte haben. Sonst ist es nicht sinnvoll, abgesehen davon, dass es auch vom Praktischen, der Lehrkanzel usw., nicht zu machen wäre. Aber sehr wohl gibt es Schwerpunktsetzungen: Als ich noch studierte, lag dieser wesentlich stärker im Sprachlichen, während er heute viel stärker in der Literaturwissenschaft bis hin zur Literaturtheorie liegt, die nicht die Klassischen Philologen, sondern die Komparatisten entwickelt haben, ohne die es aber auch bei uns nicht mehr geht. Es existieren auch regional bis heute gewisse Unterschiede: In Osteuropa ist man etwas konservativer, dort interessiert immer noch der sprachliche Aspekt viele Fachkollegen am meisten, während der literarische Aspekt eher im Hintergrund steht. Das hängt natürlich auch mit den historischen Gegebenheiten und den zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln zusammen, aber auch mit den Interessenschwerpunkten. Was mir auch wichtig war, ist, dass an dieser, der geisteswissenschaftlichen Fakultät, wo doch eine starke Konkurrenz zwischen den Disziplinen herrscht, klar ist, wofür eine Lehrkanzel steht, damit man nicht etwa Slawistik 1 – 4 hat, sondern dass jede Lehrkanzel auf ihre Schwerpunkte hin definiert ist. Der Inhaber kann ruhig, sollte sogar, ein breiteres Profil haben, aber ein Schwerpunkt muss da sein. Wir haben, um das zu wiederholen, bei uns diese Abgrenzung vorgenommen: Eine Lehrkanzel ist für die klassische Latinistik, eine für Spätund Mittellatein und eine für Neulatein unter Einbeziehung der klassischen Latinistik verantwortlich. Der Startschuss dazu kam schon von Rudolf Hanslik, ein Mann von erstaunlichem Weitblick, der leider zu früh verstarb. Das wird in Österreich allgemein anerkannt, vor allem Innsbruck hat dank der Initiative des jetzigen Ministers Töchterle sehr viel getan und erreicht. Es gibt dort sogar ein eigenes Ludwig-Boltzmann-Institut für Neulatein, das es in Wien zur Zeit nicht gibt. Es wird aber anerkannt, dass die Initiative zur Einbeziehung von Neulatein von Wien ausging. F: Kehren wir vielleicht zu unserem Ausgangsthema, die Beziehungen Universität – Stadt Wien zurück. Darf ich daran vielleicht eine persönliche Frage anknüpfen: Ihre Dissertation erhielt, außer dass Sie sub auspiciis promovierten, auch den damals erst kurz zuvor gestifteten Preis der Stadt Wien. Hat Sie das damals überrascht, dass man gerade diese Dissertation auserkoren hat? Römer : Zwei Dinge waren damals ausschlaggebend: Promotionen im besonderen Rahmen gab es immer schon, schon in der Kaiserzeit, wenngleich sie nicht immer in demselben feierlichen Rahmen durchgeführt wurden. In den 1960er Jahren war es so, dass Sub-auspiciis-Promotionen zwei bis dreimal im Jahr stattgefunden haben und man, damit verknüpft, einen Assistentenposten an der Universität in Aussicht hatte; es war, glaube ich, keine gesetzliche Garantie dafür

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gegeben, aber de facto waren die Chancen, einen solchen zu bekommen, in diesem Fall sehr gut, und man konnte damit eine wissenschaftliche Karriere starten. Die Stadt Wien hat damals für Sub-auspiciis-Promoventen eine Art Festessen in Anwesenheit der Eltern, der Stadträte und des Bürgermeisters veranstaltet, davon kam man später aber wieder ab. Es war jedenfalls eine wunderschöne Sache. In der Zwischenzeit bekommen Sub-auspiciis-Promoventen nur mehr ein Stipendium oder einen Geldpreis, aber jedenfalls keine Anstellung, und das Festessen im Rathaus gibt es heute auch nicht mehr. Und das zweite, das ich jetzt fast zu sehr mit dieser Feier kombiniert hätte, ist, dass ich danach auch noch einen Preis der Stadt Wien für die Dissertation bekommen habe. Die Dissertation musste dabei aber von jemand anderem eingereicht werden, in meinem Fall war dies Hanslik. Wie weit dies mit sub auspiciis verbunden war, weiß ich nicht. Ich glaube eher nicht; es musste meines Erachtens extra angesucht werden. Aber die Tatsache, dass die Dissertation eben sub auspiciis angenommen wurde, war sicherlich mit ein Grund für die spätere Preisverleihung. Das war damals mein erster Kontakt zu offiziellen Vertretern der Stadt Wien. Ich musste dafür, wie ich mich erinnere, extra aus England, wo ich mich im Rahmen eines Forschungsaufenthalts befand, nach Wien kommen. Damals lag zwischen den Rigorosen und meiner Promotion fast ein halbes Jahr, und diesen Zeitraum habe ich für den erwähnten Aufenthalt in England genützt. Dort konnte ich mit Hilfe eines Stipendiums an der Katalogisierung der AugustinusHandschriften, die dann später im Druck erschienen ist, mitarbeiten. F: Wie hat sich Wien damals für einen Studierenden bzw. Jungakademiker dargeboten? Waren damals die Nachwirkungen der Notzeit nach dem Kriege noch irgendwie spürbar, oder war es schon eine Stadt im Aufbruch? Römer : Ich habe 1961 zu studieren begonnen. Damals waren die ärgsten Folgen des Krieges natürlich schon weitgehend beseitigt, allerdings nicht hundertprozentig. So etwa gab es das Neue Institutsgebäude noch nicht, und manches musste noch in Ausweichquartierwohnungen stattfinden. Aber das betraf mein Fach nicht. Unser Institut war damals noch kleiner, dort, wo bis vor kurzem die Sprachwissenschaft untergebracht war ; es war vielleicht manchmal etwas eng. Aber mit Wien insgesamt kann ich das eigentlich schwer in einen logischen Zusammenhang bringen. Ich bin wahrscheinlich nicht die richtige Person, um hierüber vergleichende Auskünfte zu geben, da ich das Glück hatte, in Wien geboren zu sein und in Wien studiert zu haben. Ich musste mich also bis zum Ende meines Studiums nicht um ein Quartier kümmern, da ich im Elternhaus wohnen konnte. Daher wären die sich damit in Zusammenhang ergebenden

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Fragen vermutlich leichter und besser von jemandem zu beurteilen und zu beantworten, der von außerhalb nach Wien zum Studium kam. Natürlich machte man sich, und tut dies auch heute noch, Gedanken darüber. Es hat damals wie heute gegolten, dass Wien, das ist jetzt subjektiv, was ich sage, als Universitätsstadt ein recht günstiger Kompromiss ist. Inwiefern? Da gibt es die kleinen, wenn ich das respektlos so sagen darf, »Nur-Universitätsstädte« wie Tübingen usw. Dort ist natürlich ein sehr konzentrierter Studienbetrieb möglich und alles auf die Universität ausgerichtet. Rundherum hat man nicht allzu viel an Angebot, was sowohl ein Vor- als auch ein Nachteil sein kann. Und dann gibt es die Riesenstädte, wie z. B. London, wo sich jemand, der von auswärts kommt, schwer zurechtfindet, wo womöglich sogar die Sicherheit ein Problem ist. Aber selbst in Berlin ist der Ort, an dem sich die Humboldt-Universität befindet, am Abend ein toter Stadtteil. Eine Universität von doch beträchtlicher Größe, wie es in Wien der Fall ist, die sich aber inmitten des städtischen und kulturellen Lebens befindet, so etwas wird man in dieser Konstellation anderswo selten finden. Zwischen den genannten Extremen scheint mir Wien ein idealer Kompromiss zu sein, wo man mehr die Vor- als die Nachteile einer Großstadt hat. Das müssten Leute, die von anderswoher kommen, eigentlich noch mehr zu schätzen wissen. F: Und wenn man jetzt die Betrachtungsebene enger ansetzt und von der Stadt als universitäres Umfeld einmal absieht: wie haben Sie da die Universität am Ende Ihres Studiums und am Beginn Ihrer akademischen Laufbahn wahrgenommen? Römer : Wenn man das Ganze erfolgreich durchläuft, dann sieht man es auch positiv. In der Zeit, als ich studierte, gab es etwa das Problem des Massenstudiums noch nicht. Viel mehr, als dass es den Vorstellungen, die ich damals mitbrachte, entsprochen hat, kann ich dazu eigentlich nicht sagen. Was ich dazu sagen könnte, wären die Beobachtungen, die ich später über die Entwicklung danach machen konnte. Für junge Wissenschaftler etwa hat sich schon einiges geändert, zum Vor- und Nachteil. Damals musste man in erster Linie eine gute Dissertation abgeliefert haben, und es musste auf universitärem Boden eine geeignete Stelle frei sein. Große Projekte gab es hingegen damals nur sehr wenige, es gab zwar noch daneben die Akademie, dennoch waren auf meinem Gebiet etwa nur wenige Plätze verfügbar. Wenn einer auch noch so gut war, und es war keine Assistentenstelle unbesetzt, so war es sehr schwer an der Universität eine Stelle zu erlangen. Das änderte sich aber just in der Zeit, als ich fertig wurde, so um 1970 herum: Damals kam ja, infolge der steigenden Studentenzahlen, die große Postenvermehrung, die fast zu plötzlich kam, denn das erwies sich dann für die nächste Generation von Wissenschaftlern wieder als Nachteil. Aber Ende

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der 1960er, Anfang der 1970er Jahre war es mit Leistung relativ leicht, einmal einen wissenschaftlichen Posten zu bekommen. Und für den, der einmal drinnen war, gab es dann, so möchte ich sagen, doch auch eine bessere Entwicklungsmöglichkeit als heute, weil man zuerst einmal einige Jahre Schonfrist hatte. Natürlich musste man dann den Beweis erbringen, dass man wissenschaftlich zu etwas imstande war, man musste sich qualifizieren, aber es war nicht dieser unmittelbare Konkurrenz- und Leistungsdruck, der heute vorherrschend ist. Man hatte einige Jahre Zeit, um sich zu entwickeln. Es gab natürlich auch die soziale Komponente, wo manche in ein dauerndes Universitätsdasein übernommen wurden, die sich nicht so ganz bewährt hatten, es war die Qualitätskontrolle gegenüber heute vielleicht noch zu schwach – das muss man schon zugeben. Aber es war nicht von Anfang an die Nervenschlacht, die man jungen Leuten heute zumutet, was ja auch leistungshemmend wirken kann. F: Sie haben die Akademie der Wissenschaften erwähnt, da hake ich vielleicht noch nach. Wie war das Verhältnis zwischen der Universität und der Akademie in Ihrer Disziplin? Römer : Da war die Kooperation immer sehr eng, allerdings konzentriert auf die christliche Latinität, etwa im Bereich der Edition der Kirchenväter. Leiter war damals Hanslik. Für diese Kommission habe ich ja auch während meines Aufenthalts in England gearbeitet. Einige Monate lang war ich dort auch als Hilfskraft angestellt. Die Kooperation war also eine sehr enge, auch deshalb, weil die Obmänner der Kommissionen fast durchwegs Universitätsprofessoren waren. Die Akademie hat einfach die Möglichkeiten gehabt, wissenschaftliche Projekte in größerer Zahl und in weiterem Umfang durchzuführen. Das, was heute durch den FWF oder andere Institutionen im selben oder noch größerem Umfang ermöglicht wird, war damals, zumindest für die Geisteswissenschaften, fast nur über die Akademie zu erreichen. Mit dem FWF irgendwie vergleichbare Institutionen gab es ja damals nur sehr rudimentär, etwa in Gestalt des Notrings, und der war mehr für Druckanliegen zuständig als für große Forschungsförderung. Auf unserem Gebiet bestand also nie Konkurrenz, sondern beide Einrichtungen ergänzten einander. Gute Leute, die nicht an der Universität bleiben konnten, erhielten ihre zweite Chance damals im Rahmen der Akademie. Im Fachbereich hat sich an dieser Konstellation seither eigentlich nicht sehr viel geändert. Nur im gesamten institutionellen Bereich schon einiges, aber da kommen wir in den Bereich der Hochschulpolitik. Eine Zeitlang hat die Politik versucht, die Akademie zu einer Art Kontrollorgan über die Universität zu machen, und es gab eine Phase, wo diverse universitäre Entscheidungen von Akademiegutachten abhängig gemacht wurden, das war um das Jahr 2000, wo die Politik, fast wie im Ostblock, die Akademie als eine Art übergeordnete Instanz und die Universität

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als eine Art bessere Ausbildungsstätte betrachtete. Das änderte sich aber schnell wieder, offenbar unter finanziellem Druck. Im Moment (Anm.: Anfang 2012) scheint es eher so, als ob die Akademie durch die Politik wieder in finanzielle Bedrängnis kommen würde. Da ist die Rede von 300 Mitarbeitern, die angeblich nicht mehr weiter beschäftigt werden sollen – das ist ja schlimmer als bei uns. Also Akademie und Universitäten sollten sich idealerweise ergänzen: Die Akademie hat den Vorteil, dass sie sich voll auf die Forschung konzentrieren kann, das ist ja der Sinn dieser Institution. Dafür scheint mir die Universität mit ihren vielfältigen Aufgaben in Lehre und Forschung gegenüber Angriffen auf ihr Budget eher gefeit zu sein als die Akademie.

Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Peter Skalicky F: Meine erste Frage ist, wie Sie mit Blick auf Ihre Studentenzeit, dieses Verhältnis zwischen Stadt, Gemeinde und Universität gesehen haben. Wie verhielt sich die städtische Öffentlichkeit, die Stadt, hier also nicht nur als Stadtverwaltung verstanden, sondern die Stadt allgemein zu den Universitäten? Ich kann mich z. B. erinnern, dass, als ich Gymnasiast war, die Universitäten etwas sehr Ehrwürdiges, Extramurales, Exterritoriales an sich gehabt haben. Wien war keine Universitätsstadt. Skalicky : Richtig. F: Die Universitäten waren in einer Sonderstellung. Aber wie hat sich für Sie diese Beziehung zwischen der Technischen Universität und der Stadtverwaltung dargestellt? Skalicky : Also zunächst ist das richtig. Ich habe in den 1960er Jahren, Anfang der 1960er Jahre, hier studiert und habe Wien nicht als Studentenstadt wahrgenommen. Dazu muss man aber sagen, die Technische Hochschule, wie sie damals noch hieß, befand sich auch nicht eingereiht unter den ehrwürdigen Universitäten. Sie hatte ein anderes Selbstverständnis: sie war eine technische Hochschule. Dass das universitären Charakter hatte, war der Universität Wien auch stets ein Dorn im Auge. Durch das UOG 1975 unter Firnberg wurde die Technische Hochschule dann zur Technischen Universität erhoben. Damals sagten die Professoren der Universität Wien lautstark, dass sie eigentlich dagegen seien und die Technische Hochschule habe das nur betrieben, damit deren Professoren endlich Universitätsprofessoren werden. Das war aber überhaupt

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nicht wahr ; der einzige wirkliche Vorteil war, dass endlich der Hof gepflastert wurde, denn dieser war bis dahin ungepflastert und sobald es regnete, versanken wir im Morast. Der zweite war – außen am Mittelrisalit des Gebäudes steht ja noch immer Technische Hochschule (seit der Gründung 1815) – und das bleibt auch so, wenigstens habe ich mir das geschworen, zumindest solange ich etwas zu reden habe: denn das ist keine Universität, sondern eine Technische Hochschule. Sie hatte auch nicht die klassischen Fakultäten, die eine Universität hat. Auch die Studenten dieser Universität hatten nicht das universitäre Selbstverständnis, manche der Professoren waren sehr stolz darauf, dass Sie Dr. phil. waren und nicht Dr. der technischen Wissenschaften und die haben schon ein wenig von dem Flair des Exterritorialen, des Besonderen verbreitet. F: Also es war so etwas wie eine Superfachschule für Superbegabte junge Techniker? Skalicky : Ja, und es war damals auch so, ein wenig wie bei der ETH Zürich. Das Studium galt als lang und schwer, und es war irgendwie schon eine Art Mutprobe. Das hielt weibliche Hörer eher fern, obwohl es ein paar gegeben hat, es sind inzwischen in vielen Fächern einige mehr geworden. Jedenfalls haben wir als Studenten die Einbettung in die Stadt Wien nicht wirklich wahrgenommen, mit Ausnahme vielleicht, dass wir als Studenten z. B. verbilligte Eintrittskarten, Studentenkarten am Gänsehäufel erhielten. Etwas Ähnliches dürfte es damals auch schon bei den Bundesmuseen gegeben haben. Und noch etwas war ganz wichtig: man bekam eine ermäßigte oder sogar eine Freifahrkarte bei den städtischen Verkehrsmitteln für die Linie von zu Hause zur Hochschule. Das hatte zur Folge, dass sehr viele Technikhörer auch Astronomie an der Universität Wien studiert haben, weil sie, um zum Observatorium am Türkenschanzpark zu gelangen, eine Netzkarte beantragen konnten. Und auf der anderen Seite zum Atominstitut. Das war aber auch schon alles. Die spezielle Atmosphäre einer Studentenstadt, vergleichbar etwa Paris, habe ich damals in Wien nicht so erlebt. F: Und in welchen Zeitraum fiel Ihr Studium? Skalicky : Anfang der 1960er Jahre. Ich habe 1959 maturiert, 1963 habe ich die Diplomarbeit abgeschlossen. Dazu kommt ja auch, dass der Diplomingenieur damals kein akademischer Grad, sondern eine Standesbezeichnung war. Mein Vater, der auf seinen Diplomingenieurstitel immer sehr stolz war, war dann sehr angetan darüber, als der Diplomingenieur auch als akademischer Grad anerkannt wurde. F: Das Ritual des akademischen Wesens, gab es da noch die Inskription?

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Skalicky : Selbstverständlich gab es die noch. Das Ritual der Promotionsfeier war sehr sehr pragmatisch. Für die Inskription gab es einen sogenannten Hauptkatalog, und man mußte mit dem Studienbuch zur Inskriptionsstelle gehen, ich besitze meines auch heute noch, dort saßen Beamte mit Ärmelschoner, die bestätigten, dass man das nächste Studienjahr belegt hatte. Diese Bestätigung einzuholen war jedes Mal eine Tortur, denn die Studenten standen in langen Schlangen an, die bis zum Karlsplatz hinausreichten. Ich erinnere mich noch, dass ich mir damals dachte, die könnten das auch besser organisieren. Manchmal erschien einer dieser Beamten mit dem typischen schwarzen Arbeitsmantel und befahl: lassen Sie doch den Gang frei, was soll denn hier passieren, wenn ein Professor oder gar der Rektor vorbei muss. Ich sagte mir damals: sollte ich es jemals zum Professor oder gar Rektor bringen, würde ich diese unzumutbaren Zustände bei der Inskription abschaffen. Dazu kamen noch sogenannte An- und Abtesturen, d. h. wenn man eine Vorlesung besuchte, mußte man am Beginn und am Ende des Semesters hingehen, um diese einzuholen. Die Idee dahinter war, dass der Professor sonst hätte sagen können: Sie habe ich aber nie in meiner Vorlesung gesehen und dann die Abtestur verweigern hätte können, sodass man nicht zur Prüfung hätte antreten können. Das war in meiner Studienzeit aber schon delegiert, meist machte das eine Sekretärin, die manchmal auch entgegenkommend war. F: Es gab ja auch noch Studiengeld. Skalicky : Ja, sowohl Studiengeld als auch Prüfungstaxen waren zu entrichten, die in Summe nicht einmal so wenig waren. In Vergleich zu manchen Einkommen der Eltern, nehmen wir eine Kriegerwitwe, war das ziemlich viel Geld. F: Wenn ich mir jetzt die Stadtverwaltung ansehe, die ich ja von innen kenne, dann arbeiten da in den meisten Abteilungen sehr gute Fachleute und es bestehen viele Wissenschaftskooperationen, z. B. im Bereich der Wasserwirtschaft, der Umweltpolitik gibt es sehr gute Kooperationen mit der Wissenschaft; oft arbeiten in den Abteilungen sehr vife Leute, die auch in der Wissenschaft durchaus reüssieren hätten können. Ich glaube daher, dass das auch zu den Bürgern durchgedrungen ist, dass die Verwaltung in guten Händen ist. Wie war denn aus Ihrer Erinnerung dieses Image der Verwaltung der Stadt bei den Bürgern? Skalicky : Diesbezüglich kann ich mich leider nicht an besondere, eigene Wahrnehmungen erinnern. Das hat sich, glaube ich erst durch Professor Rudolf Wurzer geändert, der die Studienrichtung Raumplanung initiiert hat und eine Zeitlang auch Stadtrat und sogar Rektor war, ich glaube sogar, dass er ein Jahr

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lang überlappend beide Funktionen zugleich ausfüllte. Er kam im schwarzen Dienstauto, das aber nicht der Universität, sondern der Stadt gehörte, und führte ein sehr strenges Regiment. Dadurch rückte erst die Stadt ins Blickfeld. Das zweite, was die Stadt ins Blickfeld rückte, waren die Ludwig-Boltzmann-Institute. Wir waren davon insofern betroffen, da das Ludwig-Boltzmann-Institut für Festkörperphysik eines der größten und teuersten dieser Institute war. F: Die Gründung der Institute erfolgte doch Anfang der 1960er Jahre. Skalicky : Nein, das war etwas später. F: Die Gründung der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft erfolgte bereits Anfang der 1960er Jahre, die der Institute dann aber erst einige Jahre später. Skalicky : Das ist richtig. Aber das größte Institut beim Apollo-Kino hatte einen sehr guten Ruf, da sie gute Sachen machten. Sie brachten in Bezug auf die Forschung einen Modernitätsschub. Sonst war die Stadt wissenschaftspolitisch nicht wirklich sichtbar. F: Gab es Rituale, für die die Gemeinde verantwortlich war, die die Universität erreicht haben? Inzwischen gibt es auf diesem Feld der Begegnung sehr viel: Empfänge für ausländische und erstsemestrige Studierende. Die Stadt versucht, die Tore aufzumachen. Gab es so etwas damals nicht? Skalicky : Aus meiner Wahrnehmung kann ich über derartige Aktivitäten nichts berichten. F: Aber Preise gab es, wie Sie bereits angedeutet haben. Das war schon in den 1970er Jahren. Damals gab es Wissenschaftspreise, die meiner Erinnerung nach parallel zu den Innitzer-Preisen vergeben wurden, den Wissenschaftspreis der Stadt Wien. Dann auch noch die mit den Namen Körner- und Renner verbundenen Preise. Skalicky : Woran ich mich außerdem noch erinnere, das war der Versuch, eine Kooperation zwischen Hochschule und Lehrlingsausbildungsstätten, Berufsschulen, z. B. jener in der Argentinierstraße, einzuleiten. Ich kann mich noch erinnern, dass ich in diesem Zusammenhang dem damaligen Bundespräsidenten, er muss wohl Adolf Schärf gewesen sein, eine Gasentladung in einem evakuierten Rohr vorgeführt habe. Und es gab erste zaghafte Versuche seitens der Stadt zu Kooperationen, z. B. durch Einrichtung von Labors. Man muss in diesem Zusammenhang sagen, dass die Technische Hochschule, was die materielle

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Ausstattung betraf, zu jener Zeit weit hinter ihrer Zeit zurücklag. Das Mobiliar in den Laboratorien, in denen wir damals arbeiteten, um die Viskosität von Dieseloder Salatöl zu bestimmen, stammte damals noch aus k.u.k. Dampftischlereien und die ganze Ausstattung war relativ primitiv. Aber es begann ein Boom bei den Studentenzahlen, und es gab große Vorlesungen, die in den Fächern Mathematik und Physik mussten bereits übertragen werden. Ein studentisches Leben aber hat sich damals noch nicht wirklich entwickelt. Etwas anderes waren natürlich die Studentenverbindungen, die aber meines Wissens auch keine Berührung zur Stadt hatten. F: Das heißt, studentisches Leben scheint sich also erst, beeinflusst durch andere Bewegungen, in den 1970er Jahren bemerkbar gemacht zu haben. Skalicky : Ja, das würde ich auch so sehen. Wichtig war das Jahr 1965. Damals hatte die TH ihre 165-Jahrfeier, die TH hat, gemeinsam mit den Studenten, einen Fackelzug am Ring veranstaltet. Aus Anlass des Jubiläums gab es auch eine Vortragsreihe (diese Vorträge wurden später in einem guten Sammelband zusammengefasst); da traten auch Gäste aus dem Ausland auf, wie Professor Hans Sedlmayr aus München, und es wurde auch bereits Technikkritik geäußert, es ging um Umweltverschmutzung und die Einführung moderner Funktechnologien – manche dieser Vorträge sind auch heute noch durchaus lesenswert und aktuell. F: Damals wurde ja auch die Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien gegründet. Ich glaube, man kann sie als das erste explizite Bekenntnis der Stadt im Hinblick auf die Universitäten sehen. Sie war von Beginn an für Universitätsangehörige zugänglich. Skalicky : Ja, und ich kann mich daran erinnern, dass bereits in den ersten Jahren ihres Bestehens mehrere Angehörige der Technischen Hochschule von der Stiftung entweder ein Projekt oder einen Preis bekommen haben. Ich glaube, zunächst gab es nur Preise und später dann auch Projektförderungen. Angefangen hat es mit Preisen. Damals fiel mir schon auf, dass die Stadt die Hochschulen wahrnimmt. F: Sonst herrscht ja in der Erinnerung aber auf der einen Seite doch noch das Bild einer konservativen Universität, deren Zugang nur für Kinder aus Bildungsfamilien privilegiert offen stand, und auf der anderen Seite eine »rote« Stadtverwaltung, oder? Im Bereich der Technischen Hochschule war das vielleicht, aber das wäre eine Frage, damals schon ein wenig anders; für die Technik stimmt diese Polarität vielleicht ein bisschen weniger.

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Skalicky : Nach meiner Wahrnehmung eigentlich nicht; die soziale Trennung spielte hier immer eine etwas geringere Rolle. Hier war es eher so, dass die regionale Herkunft, also nach Bundesländern, unter den Studenten eine gewisse Rolle gespielt hat. Die Herkunft nach dem Elternhaus, also das Sozialprestige der Eltern, spielte nach meinen Beobachtungen nur eine untergeordnete Rolle. Bei den älteren Professoren vielleicht schon, bei der Studentenpopulation dagegen kaum. F: Trifft es dann auch auf Wien zu, was Pierre Bourdieu in Bezug auf die Zuschreibung von kulturellem Geschmack auf gewisse soziale Schichten beschreibt, also Opern werden eher von der A-Schicht bevorzugt, während Operetten eher von den darunter liegenden Schichten goutiert werden? Skalicky : Das hat meiner Wahrnehmung nach deswegen eine untergeordnete Rolle gespielt, weil ein Studium an der Technischen Hochschule nicht in erster Linie als Bildung verstanden wurde, sondern als Ausbildung von hoher Qualität. Der Bildungsaspekt war der, dass man besonders im 1. Studienabschnitt mit Mathematik, Mechanik, Grundlagenphysik »erschlagen« wurde. Das wurde als sehr wichtig angesehen, aber traditioneller Weise war es in Österreich so, das ging über Wien hinaus, dass die Naturwissenschaften nicht als Teil der Kultur angesehen wurden, das hat das Image eines »social climbers« gehabt. Ich kann mich, um es noch einmal zu sagen, erinnern, dass bei den Studenten der soziale background keine große Rolle spielte. Die Zugehörigkeit zu Studentenverbindungen hatte schon eine Bedeutung. Allerdings bereits wesentlich weniger, als das noch nach dem Ersten Weltkrieg der Fall war. Mein Vater hat mir erzählt, damals sei es fast gefährlich gewesen. Beispielsweise fand der studentische Corso vor dem Hauptgebäude statt und wenn man rote oder grüne Zettel verteilte, so konnte es am Nachmittag zu Gewalttätigkeiten zwischen einzelnen Fraktionen kommen. Die Zugehörigkeit zu Studentenverbindungen spielte schon noch eine Rolle, aber keine dominante. Ich habe hier auch nie polit-clans gespürt, die ich als besonders hinderlich gesehen hätte. F: Jetzt habe ich den Eindruck, dass alle, die informiert sind, sehr gut wissen, was es da alles gibt. Unzufriedenheit im Einzelnen gibt es vor allem in Bezug auf die Förderungen zwar da und dort noch immer, aber es würde niemand mehr lächeln, sondern es hat sich eine Beziehung zwischen Stadt und Universität etabliert. Wann hat das begonnen und durch wen wurde es begonnen? Skalicky : Eigentlich hat es in meiner Wahrnehmung mit Hubert Christian Ehalt als Wissenschaftsreferenten begonnen, weil man in der Hochschule plötzlich wahrgenommen hat, dass es in der Stadtverwaltung Intellektuelle gibt. Davor

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wurde die Stadt, stark vergröbernd ausgedrückt, als Betreiberin der Straßenbahn, der Gas- und Wasserwerke und von Gemeindebauten wahrgenommen. Dass es dort jemand gibt, der sich traut, kulturwissenschaftliche Aussagen auf akademischem Boden zu machen, hat viele Leute verblüfft. Ich habe als Student gerne Ballveranstaltungen besucht, da konnte man als Student viele hübsche Mädchen kennen lernen. Ich hab damals Schuhe durchgetanzt. Und wurde dafür von meinem Vater mit einem gebrauchten Frack ausgestattet und im Innenfutter dieses Fracks war eingenäht: geschneidert vom k.u.k.-Hofschneider für den Sultan von Konstantinopel. Unter anderem besuchte ich auch den »Concordia-Ball«, der auch von zahlreichen Rektoren österreichischer Hochschulen besucht wurde, darunter auch der damalige Rektor der TH. Und ich hatte den Eindruck, dass die dort wohlgelitten waren. Da kam der Bürgermeister, der sich mit den Rektoren unterhielt. Das fand damals im Rathaus statt, ich glaube auch heute findet der Ball noch im Rathaus statt. F: Wissen Sie noch, welcher Bürgermeister das damals war? Skalicky : Es müsste Felix Slavik gewesen sein. Ich habe diesen Ball ein- oder zweimal besucht. Später glaube ich mich dann an ein Gespräch mit den österreichischen Rektoren zu erinnern. Und bei einer der Rektorenkonferenzen, die jeweils in einer anderen Universitätsstadt stattfanden, kam dann der Bürgermeister, nein, ich glaube es waren Stadträte, die teilnahmen und dann gab es meiner Erinnerung nach auch eine Einladung ins Rathaus. Und das hat irgendwie einen positiven Überraschungseffekt ausgelöst. Während in den anderen Landeshauptstädten eine viel viel engere Beziehung bestand, so war das beiderseitige Verhältnis in Wien doch eher ein wechselseitiges Ignorieren, nicht unfreundlich, aber es gab keine wirkliche Beziehung.

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Bernhard J. K. Beham

Zwischen Mathematik und Geschichte

Montagmorgen. Der Wecker läutet. Es ist kurz vor 7 Uhr. Schnell raus aus dem Bett, Zähneputzen und dann geht’s mit U-Bahn und Straßenbahn zur ersten Vorlesung am Institut für Mathematik. Als ich kurz vor 7.30 Uhr in den großen Hörsaal des Instituts ging, war ich überrascht: Alle Sitzplätze waren bereits besetzt und auch auf den Treppen war kaum ein Plätzchen frei. Irgendwie konnte ich mich dann noch auf einem Treppenansatz dazuzwängen und ich schwor mir sogleich, dass ich am nächsten Morgen früher kommen werde. Nach einer Stunde »Lineare Algebra I« bei Prof. Harald Rindler wartete die zweite große Einführungsvorlesung »Analysis I« bei Prof. Hans-Christian Reichel auf uns. Dazu hieß es den Hörsaal wechseln, und so zog die Karawane geschlossen einen Stock höher. Nach einer weiteren Stunde war mein erster Tag an der Universität Wien bereits kurz vor 10 Uhr wieder Geschichte. Ich freue mich über den noch »jungen« Herbsttag und schlenderte zu Fuß zurück ins Studentenheim in der Neudeggergasse. Mein Klassenkamerad und Freund Christoph sowie die übrigen HeimbewohnerInnen schliefen noch, während ich die soeben gehörten Definitionen und Theoreme bei einem Frühstück mit einem Stück Brot aus der Bäckerei meines Vaters zu verdauen versuchte.

Die Wahl des Studiums/Studienortes und der erste Kontakt mit der Institution Universität Neben Mathematik hatte ich noch Geschichte inskribiert; beides auf Lehramt, obwohl von Seiten der Medien mit Hinblick auf die vermeintliche »LehrerSchwämme« immer wieder davon abgeraten wurde. Mein Entschluss stand aber schon seit längerem fest: Bereits im Gymnasium »trainierte« ich vor den Schularbeiten mit meinen Freunden und freute mich mit ihnen, wenn unser gemeinsames lernen schließlich »Früchte« trug. Aufgrund dieser Nachhilfestunden und meiner guten Mathematiknoten, wurde mir schnell klar, dass ich

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Mathematik studieren möchte. Als zweites Fach stand für mich nur Geschichte zur Wahl. Schon seit frühester Jugend war ich von den Lebenswelten der Ägypter, Griechen und Römer fasziniert. Im Gymnasium kam dann ein steigendes Interesse an den revolutionären Befreiungsbewegungen der 1950er/ 1960er Jahre hinzu. Als Studienort wählte ich Wien, obwohl mir alle meine Gymnasiallehrer rieten in Salzburg zu studieren. Salzburg kam aber für mich ob seiner Größe und wohl auch ob der Nähe zu meinem Heimatort nie in Frage. Viel mehr lockte mich die Bundeshauptstadt Wien. Abgesehen von meinem Interesse an der Kunst und Architektur der Jahrhundertwende hatte ich aber zu Wien keinen wirklichen Bezug. Mit Ausnahme einer »Wien-Woche« in der Unterstufe, in der wir »Landkinder« die Hauptstadt erkundeten, bin ich vor Studienbeginn nie in Wien gewesen; auch hatten wir keine Verwandten in Wien. Nach der Absolvierung des 8-monatigen Präsenzdienstes und der danach wiederentdeckten Freiheit fuhren fünf meiner Schulfreunde und ich bereits im Morgengrauen im August 2000 mit dem Zug von Oberösterreich nach Wien. Gemeinsam traten wir im Rahmen der Inskription erstmals in Kontakt mit der Institution Universität und gelangten dank des Portiers zur Studienabteilung. Vor den Türen herrschte eine verschlafene Stimmung vor, obwohl es schon kurz vor 11 Uhr war. Von den aus den Medien bekannten Schlangen von Studierenden, die alljährlich im Oktober gezeigt werden, keine Spur. Stattdessen warteten vor uns nur zwei Mädels vor einer der Türen und wir stellten uns geschlossen dahinter an. Die Inskription verlief schnell und unkompliziert, obwohl wir alle die benötigten Stempelmarken für den Studierendenausweis nicht dabei hatten. Doch die Dame meinte, dass wäre kein großes Problem und erklärte, wie wir zur nächsten Trafik gelangten, wo wir die Marken kaufen können. Während sie unsere Anträge weiterbearbeitete, liefen wir schnell zur Trafik, die Uhr und die Abfahrtszeit unseres Zuges nach Oberösterreich immer im Auge. Neben den Stempelmarken und nur auf die letzte Ziffer unterschiedlichen Matrikelnummern verbinde ich mit der Inskription noch eine kleine Enttäuschung: Mein gutes Maturzeugnis wurde von Seiten der Sachbearbeiterin nicht wirklich beachtet, sondern einfach »nur« zur Kenntnis genommen. Nach einem kurzen Zwischenstopp bei einem Wiener Würstelstand gings mit der grünen Studienbuchmappe, dem ersten Studienblatt sowie dem orangefärbigen Studentenausweis wieder zurück in die Provinz.

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»Wiener Wohnen« und oberösterreichische Wochenenden Der letzte Sommer vor Beginn des Studiums verflog, und Anfang September war noch immer nicht ganz klar, wo man(n) in Wien wohnen sollte. Nur ein Mitschüler konnte auf eine elterliche Wohnung in Wien zurückgreifen. Weshalb wir anderen nach einem Zimmer in einer WG oder in einem Studentenheim Ausschau hielten. Meine Freunde und ich wählten in einer »Last-Minute-Aktion« das letztere und teilten uns auf zwei Heime, die in Gehdistanz zueinander lagen auf: »Neudeggerheim« und »Lerchenfelderheim«. Am Sonntagnachmittag vor Studienbeginn zog ich ins Studentenheim ein und lernte am ersten Abend gleich jene Leute kennen, mit denen ich heute noch gerne bei einem Gläschen Wein plaudere! Während zuvor mein Freundeskreis auf die Umgebung von Ried im Innkreis beschränkt war, wurde er durch das Heimleben internationaler. Ganz nebenbei verbesserte sich dadurch mein Schulenglisch, ich lernte andere Ess- und Trinkkulturen kennen, zeigte den neuen Freunden meine oberösterreichische Heimat und in den Sommerferien besuchte ich meine Freunde in deren Heimatländern. Neben den ausländischen Studierenden waren natürlich auch viele andere Studierende aus den Bundesländern vertreten. Nachdem niemand wirklich jemanden kannte, waren wir alle sehr kontaktfreudig, und im Rahmen von Heimparties wurde dies zusätzlich intensiviert. Nebenbei war auch der alljährliche Ball der Oberösterreicher in Wien ein Fixpunkt für uns. Unsere Stammlokale lagen vornehmlich im Umkreis des Studentenheims und noch heute zieht es mich immer wieder dorthin: Cafe Lange, Cafe Merkur/Tunnel sowie Pizzeria Verdi. Ja, und weil wir gerade beim Essen sind: in die Mensen der Universität zog es uns alle nicht hin. Vielmehr experimentierten wir selbst und versuchten uns zunächst an Spaghetti mit Tomatensauce. Die ersten selbst gekochten Nudeln wurden nicht ob ihres Geschmacks sondern aus purem Hunger verspeist. Nach zwei Wochen war das Gericht bereits dahingehend verfeinert worden, dass es wirklich schmeckte und auch Freunden problemlos serviert werden konnte. Nach dieser Spaghetti-Endlos-Schleife ging das experimentieren weiter : man/ frau schaute was die anderen so kochten und blätterte gelegentlich in dem von zu Hause mitgebrachten Kochbuch. Während die Frage des Kochens gleich zu Beginn in Angriff genommen wurde, wurde die Waschmaschine im Keller des Heims erst nach 1 12 Jahren ausprobiert. Fast jede Woche ging es deshalb mit einem großen Rucksack voller Schmutzwäsche zurück nach Oberösterreich. Und es ist mir heute noch unerklärlich, warum ich mir das Geschleppe und meiner Mutter das Wäschewaschen und Bügeln am Wochenende antat. Aber irgendwann hatte ich wohl genug geschleppt, und Rayko zeigte mir, wie man die Waschmaschine bedient und borgte mir überdies auch seinen Wäscheständer. Das aus Oberösterreich mitgenom-

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mene Bügeleisen wurde aber in all den Studienjahren nie aus seiner Verpackung entnommen. Nicht nur wegen des Wäschewaschens zog es mich jedes Wochenende zurück nach Oberösterreich. Vielmehr verdiente ich mir meinen Wiener Lebensunterhalt durch die Arbeit in der Bäckerei meines Vaters. Dadurch »ersparte« ich mir die üblichen StudentenInnenjobs wie Flyer austeilen, kellnern oder arbeiten bei einem Catering-Anbieter. Gleichzeitig »profitierten« auch meine Freunde im Heim vom Backstubendienst, da ich jeden Sonntagabend mit einer Tasche voller Brot zurück nach Wien kam und diese im Heim verteilte.

Intersdisziplinäres »Scheinesammeln« zwischen Geschichte und Mathematik Obwohl mir immer wieder attestiert wurde (und auch heute noch wird!), dass die Kombination aus Mathematik und Geschichte ungewöhnlich sei, kenne ich mindestens 10 Personen aus meinem erweiterten Freundeskreis, die dieselbe Studienwahl getroffen haben. Im Laufe meines Studiums lernte ich, dass die Wahl der Studienrichtung sich sowohl in der Organisation des Studienplans als auch im sozialen Gefüge widerspiegelt. Der Aufbau des Studienplans für Mathematik war von Beginn an klar vorgegeben. Nach dem Besuch der Lehrveranstaltung »Analysis I« musste eben Analysis II und III besucht werden. Die entsprechenden einführenden Lehrveranstaltungen wurden jeweils nur einmal angeboten. Ganz im Gegensatz bot das Studium der Geschichte von Beginn an Freiräume für individuelle Interessen und Schwerpunktsetzungen. Wie in der Mathematik herrschte auch hier ein aufsteigendes Prinzip vor, dass sich aus Proseminaren und Seminaren in Verbindung mit Überblicksvorlesungen zu den einzelnen Epochen der Weltgeschichte zusammensetzte. Doch anders als in der Mathematik boten mehrere ProfessorInnen Lehrveranstaltung zu den entsprechenden »Scheinen« an, wodurch sich bereits eine »Wahlfreiheit« ergab. Diese »Wahlfreiheit« hatte aber auch seinen Preis, den Preis des Vorlesungsverzeichnisses. Dieses lag im »Jonas-Reindl« beim Kuppitsch-Stand in einer großen Box bereit und ging zu Beginn eines jeden Semesters wie die warmen Semmeln weg. Bereits nach 3 oder 4 Semestern wurde der Druck des VO-Verzeichnisses zu Gunsten eines Online-Vorlesungsverzeichnisses eingestellt. Die alten Bände stehen heute als Erinnerung irgendwo in einem Regal bei meinen Eltern in Oberösterreich. Zusätzlich erwarb man/frau aber noch das »Kommentierte Vorlesungsverzeichnis«, welches von der Studienrichtungsvertretung Geschichte separat herausgegeben wurde. Darin wurden dann die

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Lehrveranstaltungstitel »entschlüsselt« und inhaltliche Informationen präsentiert, wodurch die Wahl für die jeweiligen LVerleichtert wurde. Nun ja, für mich galt die soeben angesprochene »Wahlfreiheit« nur zum Teil. Zunächst schränkte mein mathematischer »Stundenplan« die Auswahl der LV aus Geschichte ein. Überdies hielt ich mir Freitag über all die Studienjahre frei, damit ich schon früher nach Oberösterreich abreisen konnte, um in der Bäckerei zu arbeiten. Während zu Beginn des Mathematikstudiums alle meine Vorlesungen und Proseminare sich nur auf drei verschiedene Räume im Gebäude in der Strudelhofgasse verteilten, waren die Lehrveranstaltungen aus Geschichte auf Hauptgebäude, NIG sowie Uni-Campus auf dem Gelände des Alten AKH verstreut. Im Vorlesungsverzeichnis waren zwar Raumpläne abgedruckt, aber in den einzelnen Gebäuden fehlte ein Leitsystem; insbesondere im Hauptgebäude am Ring. So stellte sich auch die Suche nach dem Hörsaal 41, der nebenbei bemerkt als einer der größten des Hauses, ja nicht so schwer zu finden sein müsste, anfangs als nicht ganz einfach dar. Man(n) fragte sich auf den Gängen durch und schließlich fand man den »41er« doch. Die Hörsäle in denen die Einführungsvorlesungen aus Geschichte gelesen wurden, waren alle total überfüllt. Und im Gegensatz zur Mathematik, wo sich die Reihen irgendwann lichteten, blieb der Zustrom in der Geschichte konstant hoch. Auch in Bezug auf das Lernen erkenne ich rückblickend gesehen disziplinbedingte Unterschiede: Ganz zu meiner Verwunderung wurden auch auf der Universität in den Proseminaren aus Mathematik Hausübungsaufgaben gestellt. Diese waren zum Teil sehr knifflig, wodurch man/frau sich schnell zu Lerngruppen zusammenschloss und auf Bibliothekstischen oder in WG-Küchentischen über die Aufgaben gemeinsam brütete. Dadurch wurden die Kontakte intensiviert, man/frau wurde schnell ein Teil einer Gruppe und auch in den Hörsälen hatte man nach einigen Wochen seinen »fixen« Platz gefunden. Anders als in Mathematik kristallisierte sich im Rahmen des Geschichtestudiums keine »Lerngruppe« heraus. Man(n) besuchte daher die Vorlesungen vornehmlich isoliert und kam erst im Rahmen der Proseminare wirklich in Kontakt mit den StudienkollegInnen und SeniorenstudenInnen, die am Mathematikinstitut nicht anzutreffen waren. Auch im Hinblick auf den Modus mit dem die benötigten »Scheine« erworben werden konnten bestanden Unterschiede. Während in Mathematik im 1. Studienabschnitt alle Klausuren schriftlich und im 2. Abschnitt dann durchwegs mündlich waren, herrschte in Geschichte stets ein Mix aus mündlichen oder schriftlichen Prüfungen vor ; dazu kamen noch die Proseminar- und Seminararbeiten. Diese Arbeiten verfasste ich während meiner ersten beiden Semester in den EDV-Räumen im 1. Stock des NIG, da ich keinen eigenen PC hatte. Um in den ersten Stock zu gelangen nahm ich immer den alten Pater-Noster-Aufzug, nicht aus Faulheit, sondern eher aus sentimental-stilistischen Gründen. Leider

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war die Suche nach einem freien PC mit unter sehr schwierig, und oft kehrte ich auch unverrichteter Dinge wieder ins Heim zurück. Deshalb wurde der Wunsch nach einem eigenen PC immer größer. Mit den Ersparnissen aus der Arbeit in der Bäckerei kaufte ich schließlich im Anschluss an die ersten Sommerferien meinen ersten eigenen PC. Zu den Prüfungszeiten herrschte im Heim eine Art »Lernklausur« vor. Alle waren intensiv beim Lernen und gemeinsam machte man »Lernpausen« in der Gemeinschaftsküche, wo man sich bei Tee/Kaffee und einem kurzen Tratsch von der Prüfungsangst abzulenken versuchte. Ich schrieb oft ganze Nächte an meinen Seminararbeiten. Gelegentlich wurden diese »Marathon-Schreibphasen« durch ein »Schnellbier« mit Rayko in seinem Stammlokal »Hexenkeller« unterbrochen, um dann wieder bis in den Morgen weiterzuarbeiten. Oft denke ich noch an meine erste Prüfung, die ich an der Universität Wien ablegte bzw. was passiert wäre, wenn ich sie nicht bestanden hätte. Hätte ich die Prüfung beim 1. Nebentermin wiederholt? Hätte ich die Studienrichtung gewechselt? Oder hätte ich gar meine Studienpläne in den Sand gesetzt? Die Option der Übernahme der elterlichen Bäckerei stand ja immer im Raum. Meine 1. Klausur (»Lineare Algebra I«) fand am Freitag vor den Semesterferien statt, weshalb ich mit gepacktem Rucksack zur Klausur erschien. Die Prüfung bestand aus zwei Teilen: zunächst war eine schriftliche Klausur zu schreiben, ehe man mündlich geprüft wurde. Dabei wurde jedes Beispiel der schriftlichen Klausur ad hoc von Prüfern im Hörsaal kontrolliert und wenn alle Beispiele fertig waren, reihte man sich in die Warteschlange zur mündlichen Prüfung im Seminarraum ein. Ich erhielt insgesamt ein »Gut« und eilte dann sogleich zur nächsten Telefonzelle um meiner Mutter die positive Nachricht zu übermitteln; ein Handy legte ich mir erst im Laufe des zweiten Semesters zu.

Den Magister-Titel in Sichtweite: Diplomarbeit und 5-Monate Kuba Im Frühjahr 2000 fuhr ich noch während meines Präsenzdienstes zur Großdemonstration gegen Schwarz/Blau nach Wien. Die Einsparungspolitik der neuen Regierungskoalition sah auch Studiengebühren vor. In den ersten beiden Semestern wurde zwar auf der Universität und in den Medien heftig über die Einführung der Studiengebühren diskutiert, aber der Hochschulzugang blieb fürs erste noch gebührenfrei. Dann kamen die Studiengebühren und ich als klassischer Mittelständler konnte auf keine Befreiung hoffen. Ich versuchte im Gegenzug dazu möglichst schnell mein Studium abzuschließen und entschied mich deshalb gegen ein Erasmus-Auslandssemester. Eine Entscheidung, die ich heute trotz mehrer Studien- und Forschungsaufenthalte im Ausland noch immer sehr bedauere. Dennoch besuchte ich nicht nur die vom Studienplan vorge-

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schriebenen Lehrveranstaltungen, sondern belegte auch weiterhin zusätzlich Vorlesungen und Seminare. So belegte ich in Mathematik »Zahlentheorie« (inklusive des zugehörigen Proseminars) und in Geschichte die interdisziplinären Seminare von Prof. Hubert Christian Ehalt. Darin wurde mir die Freiheit gegeben, mich mit Fragen zur Kunst und Alltagskultur mit Fokus auf die 1960er Jahre zu beschäftigen. In Blockveranstaltungen, in denen jede/r TeilnehmerIn über seine Seminararbeit referierte, wurde in der Runde diskutiert, und man/frau erhielt so neue Blickwinkel auf die eigenen Forschungsfragen. Darüber hinaus fanden diese Blockveranstaltungen auf »ex-universitären-Gebiet« statt – meistens auf der Sophienalpe – wodurch eine entspannte Grundstimmung geschaffen wurde. Solange man/frau das Ende des Studiums nicht in Sichtweite hat und »nur« mit dem Sammeln, der für den Studienplan benötigen »Scheine« beschäftigt ist, lebt es sich als Studierender sehr leicht: Monate der relativen Freiheit werden unterbrochen von Wochen der »Lernklausuren« und der anschließenden Ferien. Doch sobald sich der Studienabschluss abzeichnet, verfliegt all die Leichtigkeit des Studierens. Plötzlich kommen Gedanken über die berufliche Zukunft ins Spiel, und man diskutiert mit StudienkollegInnen bei welchen Professor/welcher Professorin man die Diplomarbeit schreiben soll. Nach den Seminaren bei Prof. Gerhard Drekonja und der Teilnahme an der von ihm organisierten Exkursion nach Kuba stand für mich fest, dass ich wohl bei ihm zu einem Thema zur Geschichte Lateinamerikas schreiben werde. Doch es sollte anders kommen. Bei der Inskription schrieb ich ohne besonderes Nachdenken über mein 1. Fach bzw. 2. Fach als Lehramtskandidat in den beiden dafür vorgesehenen Zeilen zunächst Mathematik und anschließend Geschichte hin. Damit hatte ich aber auch die Entscheidung getroffen in Mathematik meine Diplomarbeit zu schreiben, wie mir erst gegen Ende des Studiums bewusst wurde. Ein Studienwechsel kam für mich nie in Frage, und so versuchte ich nun unter diesen geänderten Vorzeichen meine beiden Studieninteressen Mathematik und Geschichte zu verbinden. In dieser Phase des Suchens nach einem geeigneten Thema, erinnerte ich mich an eine von Prof. Karl Sigmund kuratierte Ausstellung zum Exodus der Wiener MathematikerInnen ab 1938, die ich im Arkadenhof der Universität Wien interessiert besucht hatte. Sogleich ging ich zur Bibliothek und bestellte neben den zugehörigen Ausstellungskatalog auch noch mehrere mathematischhistorische Arbeiten. Nach diesem kurzen »reinschnuppern« nahm ich per Email Kontakt zu Prof. Sigmund auf. Eine Woche später trafen wir einander und nach 30 Minuten verließ ich mit einem Packerl von rund 30 Briefen von Otto Schreier an Karl Menger sein Büro. Laut Prof. Sigmund sollte ich mir diese Briefe mal ansehen, und wenn ich Interesse daran hätte, könnte ich ja eine Biographie Otto Schreiers (1901 – 1929) verfassen. Schrittweise wurde ich durch das Lesen

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der Briefe, der darin präsentierten mathematischen Problemstellungen und den kurzen persönlich-biographischen Notizen, immer mehr vom Themenkreis der Geschichte der Mathematik in den Bann gezogen. Neben der Rekonstruktion von Schreiers Leben, wollte ich auch sein mathematisches Werk in einer allgemein-verständlichen Weise kurz präsentieren. Aber genau in diesem Bereich, der für mich den Kern der Diplomarbeit darstellte, stieß ich auf Schwierigkeiten. Durch ein zufälliges Zusammentreffen mit Prof. Karl Auinger, der gerade eine Vorlesung zur Gruppentheorie vorbereitete, konnten diese Probleme schließlich gelöst werden. Mit dem Studienende in Sichtweite und dem Plan, anschließend für einige Monate ein Praktikum an der Catedra Humboldt in Havanna zu absolvieren, ging gegen Ende des Sommersemesters 2005 auch der Auszug aus dem Studentenheim einher. Während meine ehemaligen SchulkollegInnen bereits nach einigen Semestern aus den Studentenheimen auszogen waren, blieb ich über all die Jahre ein glückliches »Heimkind«. Fast sentimental ging ich in den Wochen vor dem Auszug durch die nun schon sehr vertrauten Gassen des 7. und 8. Bezirks. Meinen letzten Sommer als Student verbrachte ich in Oberösterreich bei meinen Eltern. Dort machte ich mich an den Feinschliff der Diplomarbeit und bereitete mich in Ruhe auf die kommende Diplomprüfung vor. Während der Ferien fuhr ich einige Male kurz für einen Tag nach Wien, um einige Formalitäten rund um die Diplomprüfung (Einreichen der Diplomarbeit, Anmeldung zur Prüfung,…) zu klären. Nachdem ich an einem Freitag im Herbst 2005 erfolgreich meine Diplomprüfung abgelegt hatte, flog ich am Sonntag nach Havanna, um mein Praktikum an der Catedra Humboldt anzutreten. Als ich im Frühjahr 2006 nach Wien zurückkehrte, schrieb ich mich für ein Doktorrat zur Geschichte der Mathematik ein. Meine Liebe zu Lateinamerika blieb weiterhin bestehen, und so sammelte ich als »treuer« Seminarist bis zur Emeritierung von Prof. Drekonja brav weiter »Scheine«.

Vom Doktorand zum Unterrichtspraktikanten und externen Lektor Während ich in Havanna eine Überblicksvorlesung zur Europäischen Geschichte für kubanische GermanistikstudentInnen abhielt, nahm ich als Doktorand in Wien wieder auf der anderen Seite des Lektorenpults Platz. Als einer von zehn internationalen »KollegiatsassistentInnen« hatte ich das Privileg im Initiativkolleg »Naturwissenschaften im historischen Kontext« Teil des ersten strukturierten und interdisziplinären Doktorratsstudiums der Universität Wien zu sein. Durch die damit verbundene Anstellung an der Universität Wien konnte ich mich in den folgenden sechs Semestern voll und ganz auf meine Dissertation

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konzentrieren. Dabei wurden meine Studien zum Wiener Mathematiker Karl Menger (1902 – 1985) und seine ersten Arbeiten zum Kurven- und Dimensionsbegriff von Prof. Karl Sigmund und Prof. Friedrich Stadler begleitet. Im Februar 2007 sichtete ich dank eines »KWA-Stipendiums« der Universität Wien erstmals den äußerst umfangreichen Nachlass Karl Mengers an der Duke University, North Carolina (USA). Mittels des bestehenden Austauschprogramms der Universität Wien mit Duke, konnte ich im Wintersemester 2007/2008 meine Recherchearbeit zu Menger fortführen und als Vollzeitstudent Einblicke in den nordamerikanischen Unialltag gewinnen. Aufgrund der Fülle des vorhandenen Quellenmaterials zeichnete sich ab, dass meine Dissertation nicht in sechs Semestern abgeschlossen werden konnte. Nachdem sich auch an der Universität Wien keine weiteren Anstellungsoptionen eröffneten und mir der Weg über Stipendien zu ungewiss erschien, trat ich im September 2009 mein Unterrichtspraktikum an einem Wiener Gymnasium an. Neben der Unterrichtstätigkeit fand ich allerdings nur kaum Zeit für meine Studien zu Menger. Deshalb waren zum Leidwesen meiner Freundin die Sommerferien für die Finalisierung der Dissertation reserviert. Zwar wurde durch den Wechsel in die Schule mein Arbeitstempo verlangsamt, aber gleichzeitig ergaben sich dadurch auch wichtige Reflexionsphasen, die zur Schärfung meiner Dissertationsziele beitrugen und die ich im Nachhinein nicht missen möchte. Seit meiner Promotion im Jänner 2013 versuche ich den Spagat zwischen Schule und Forschung mittels Teilnahme an internationalen Fachtagungen und Publikationen zu überwinden. Als im März 2014 meine Dissertation mit dem »Doc.Award« der Universität Wien prämiert wurde, war bereits unser Sohn unter den ersten Gratulanten. Im Wintersemester 2014/15 hielt ich als externer Lektor eine Lehrveranstaltung zur Geschichte der Mathematik am Institut für Mathematik der Universität Wien ab. Wodurch der Kreis fürs erste geschlossen wurde.

Suleika Mundschitz

Studieren in Wien, 2005 – 2012

Wien wird jedes Jahr von Tausenden von Studierenden aus aller Herren Länder gestürmt, die Universitäten sind teilweise überbelegt und viele Studiengänge dem regen Ansturm kaum mehr gewachsen. Dies liegt meiner Erfahrung jedoch nicht, wie so oft behauptet, an den oft als Bildungsflüchtlinge betitelten Studierenden, welche dem Numerus Clausus der Nachbarländer zu entkommen suchen, sondern vor allem an dem ausgezeichneten Ruf der Wiener Unis, sowie der Tatsache, daß Wien zum wiederholten Male zu der Stadt mit der höchsten Lebensqualität weltweit gewählt wurde. Der Entschluss in Wien zu studieren fällt also leicht. Nicht jedoch die Wahl der Universität, dank einer verwirrenden Vielzahl an Angeboten von ähnlichen Studiengängen und Kombinationsmöglichkeiten. Hierbei konkurrieren viele Unis miteinander und jeder wird ein unterschiedliches Maß an Prestige beigemessen. Die Wahl der Universität beruht also oft nicht nur auf der Zusage oder eines möglichen positiv bestandenen Aufnahmeverfahrens und Aufnahmeprüfung, sondern auch dem persönlichen Geschmack und Gewichtung. Für mich persönlich stand schon von klein auf fest, daß ich Kunst auf der Akademie der Bildenden Künste studieren wollte. Da mein persönliches Credo »Keine Geschichte ohne Kunst, keine Kunst ohne Geschichte« lautet, war die Wahl meines zweiten Studienfaches bereits im Vorhinein entschieden. Die Erfahrungen, welche ich als Kind eines freischaffenden Künstlers und einer Kunsthistorikerin machte, bestärkten mich zwar in meinem Entschluss zu studieren, ich entschied mich jedoch bewusst für eine Sicherheitsvariante, indem ich beides auf Lehramt studierte, um im Falle dessen, sollte mir im künstlerischen oder akademischen Bereich kein Erfolg beschieden sein, stets einen relativ gesicherten Broterwerb ausüben zu können.

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Studienbeginn Der Umstieg von der Schule zum Unialltag ist eine einschneidende Veränderung, mit welcher Freude, Stress, Aufregung, Verwirrung, ungewohnter bürokratischer Aufwand und zwingende Selbstdisziplinierung einhergeht. Sich selbstständig in einer bis dahin nur vage bekannten Welt zurechtzufinden, interne Spielregeln, ungeschriebene Gesetze und die richtigen Informationen zu filtern und implementieren, sowie das beginnende erste Semester ohne die konkreten Vorgaben eines schulischen Stundenplans zu koordinieren, stellte für mich anfangs eine große Herausforderung dar. Die Tatsache, daß zu Beginn meines ersten Semesters die Umstellung auf rein elektronische Anmeldung zu Kursen und Vorlesungen via Internet mittels eines persönlichen Studierendenkontos eingeführt wurde und das System teilweise noch nicht ausgereift war, erschwerten meine anfänglichen Versuche, mich versiert durch den KursDschungel zu kämpfen. Doch hat man diese Startschwierigkeiten erst einmal überwunden und sich mit einem Lageplan bewaffnet, um jedem zu signalisieren, daß man ein Frischling ist, in den weitläufigen ehrwürdigen Gemäuern zurechtgefunden, warten die Universitäten mit ihrem ganzen Zauber auf. Meine erste Semesterwoche war eine Art Offenbarung für mich. Ich fühlte mich endlich angekommen. Ich konnte, durfte und sollte mich ausschließlich und vor allem vertiefend mit dem beschäftigen, was ich schon immer tun wollte. Theoretisieren, lesen, analysieren, lesen, vertiefen, lesen, vieles in Frage stellen, Wissen in mir anhäufen. Mir wurden viele neue Sichtweisen eröffnet, und ich saugte begierig und enthusiastisch alles in mich auf. Doch der ersten Euphorie folgte die Ernüchterung sogleich auf dem Fuße.

Online – Anmeldung und Curricula – Änderungen Die Anmeldung zu verpflichtenden Lehrveranstaltungen sollte zwar durch das Online System erleichtert und gerechter verteilt werden, glich während meines Studiums jedoch eher einer Lotterie. Um das Studium in der festgelegten Studienzeit von 9 Semestern absolvieren zu können, ist es unerlässlich, mehrere Lehrveranstaltungen oder Vorlesungen pro Semester und Studiengang zu besuchen. Leider war mir dies des öfteren nicht möglich, so dass mich dieser Umstand nicht nur viele Nerven und mein Vertrauen in bürokratische Sinnhaftigkeit, sondern vor allem wertvolle Zeit kostete. Die Herausforderung bei der Erstellung des persönlichen Stundenplans war nicht nur die Koordination der Lehrveranstaltungen zweier unterschiedlicher Universitäten, sondern überhaupt einen Platz zu ergattern. Das hieß, sobald das

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System freigeschalten war, musste man sich zu allem anmelden, sei es Seminar, Vorlesung, Kurs oder Übung, was man im gesamten Studium noch zu absolvieren hatte und hoffen, einen Fixplatz oder zumindest einen Platzierung auf der Warteliste unter den ersten 10 zugewiesen zu bekommen. Zwei Semester lang konnte ich an der Universität Wien keinerlei Vorlesung oder Lehrveranstaltung besuchen, trotz beharrlichen Insistierens und mehrmaligen persönlichen Vorsprechens bei Professoren und offiziellen Stellen. Obwohl ich meinen Stundenplan komplett an den Geschichts-Lehrveranstaltungen orientierte, geriet ich auch in den folgenden Semestern in die Zwangslage, zu wenige Lehrveranstaltungen besuchen zu können, um das Studium innerhalb der vorgesehenen Studienzeit abzuschließen. Auf der Akademie konnte ich, da unser Institut eine überschaubare Zahl von Studierenden beherbergte, zwar stets Kurse absolvieren, doch stellten sich hier Probleme anderer Art. Viele der für alle Studierenden festgeschriebenen Seminare waren als achtstündige Blockveranstaltungen vorgesehen und überschnitten sich somit mit vielen anderen Lehrveranstaltungen. Innerhalb des Institutes war dies durchaus händelbar, nicht jedoch in Kombination mit den Lehrveranstaltungen auf der Hauptuni. Eine grundlegende Umgestaltung der Studieninhalte führte nicht nur zu einer allgemeinen Verwirrung und auf Wochen hin ausgebuchten Terminen bei den StudienberaterInnen. Das vorgesehene Anrechnungsmodell berücksichtigte nur einen Teil der der bereits absolvierten Lehrveranstaltungen, so daß nicht alle Studierenden in den neuen Lehrplan überstellt wurden, einige Kurse nicht anrechenbar waren und weitere zusätzlich absolviert werden mussten. Dies war für uns Betroffene zwar äußerst ärgerlich, das neue Curriculum mit stärkerer Ausrichtung auf theoretische Inhalte erwies sich aber als positive Überraschung.

Studieninhalte, interne Gewichtungen und Hierarchien Die Vermittlung, Aufbereitung und Prüfung von studienrelevanten Inhalten wurde an beiden Universitäten sehr unterschiedlich gehandhabt. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, stellten sich die Anforderungen an die Studierenden der Universität Wien relativ strikt, mit wenig Ermessensspielraum und einem hohen Maß an Disziplin dar. Die meisten Seminare wurden in Form eines Frontalvortrags und Lesehausübungen abgehalten. Darüber hinaus wurden Referate und Seminararbeiten angefertigt, sowie abschließende mündliche und schriftliche Prüfungen am Ende des Semesters. Nur selten wurden im Zuge des Seminars vertiefende Diskussionen geführt, in welchen sich die Studierenden eigenständig einbringen

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konnten. Diese Kurse waren natürlich die beliebtesten und die Wartelisten für Seminare bei den entsprechenden ProfessorInnen entsprechend lang. Viele der ProfessorInnen sprachen uns Studierende mit Herr oder Frau Kollegin an, was vor allem zu Beginn des Studiums recht eigentümlich anmutete, da die Distanz zwischen den Lehrenden und Studierenden häufig doch recht groß war. Auf dem Institut für das künstlerische Lehramt sowie der Akademie herrschte hingegen eine größtenteils ungezwungene und lockere Arbeitsatmosphäre. Die Lehrenden und Studierenden waren per Du und sprachen sich gegenseitig mit dem Vornamen an. Der Fokus lag vor allem auf der gemeinsamen Erarbeitung von Inhalten und kritischem Hinterfragen. Seminararbeiten oder schriftliche Prüfungen wurden nur in den seltensten Fällen verlangt. Die Notenvergabe erfolgte meist aufgrund der Mitarbeit während des Semesters, der gehaltenen Referate, Hausübungen und praktischen Arbeiten, sowie mündlichen Abschlussprüfungen. Das Institut für das künstlerische Lehramt (IKL) umfasste nur eine relativ kleine Gruppe von Studierenden, so dass sich alle untereinander gut kannten und größtenteils auch befreundet waren, im Gegensatz zur Hauptuni. Dort traf ich äußerst selten Kommilitonen wieder, die Kommunikation unter den StudentInnen beschränkte sich meist auf das Nötigste und ich knüpfte nur wenige private Kontakte. Hierarchien gab es nicht nur zwischen dem persönlichen Maß an Prestige der jeweiligen Universitäten und Instituten, sondern vor allem unter den Studierenden selbst. Ich wurde oft mit dem Vorwurf konfrontiert, ein Lehramtsstudium sei bei weitem nicht so viel wert, wie das reine Diplomstudium, obwohl das Studium weitgehend gleich aufgebaut ist und ebenfalls mit Diplom und einem Magistertitel abschließt. Hinzu kamen viele subjektive Abstufungen zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften, Medizin sowie Jus. Die Konkurrenz unter den Studierenden nahm mit der Umstellung des Geschichtsstudiums auf das Bachelor- und Mastersystem weiter zu. Da wir eine gewisse Frist zugebilligt bekamen, das begonnene Studium als Diplomstudium abzuschließen und nicht sofort zwangsumgestellt wurden, blickten zu Beginn viele Kommilitonen auf die Bachelor-Studierenden herab. Mir scheint, diese Hierarchisierung nivelliere sich jedoch langsam. Ich empfand die Tatsache, an zwei verschiedenen Universitäten mit unterschiedlichen Vermittlungszugängen und Gewichtungen von Inhalten zu studieren als äußerst positiv, da ich so alle Vorteile für mich herausziehen konnte. Sowohl korrektes wissenschaftliches Arbeiten, als auch freies Sprechen, kritisches und selbstständiges Arbeiten, sowie das Bearbeiten von konkreten Anforderungen und ein breit gestreutes aber, so hoffe ich, fundiertes Wissen.

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Lernen und feiern Wer fleissig studiert, darf auch feiern. Es gibt zahlreiche Lokale und Orte im öffentlichen Raum, welche hauptsächlich von StudentInnen bevölkert werden, sowie eigens Studentenparties mit ermässigtem Eintritt oder Getränkespecials. Meiner Erfahrung nach werden diese Parties allerdings eher von Studierenden der ersten Semester frequentiert, ich konnte solchen Parties nur partiell etwas abgewinnen. Mein Freundeskreis besteht zum größten Teil aus (ehemaligen) Studierenden. Häufig, auch allein aus Kostengründen, veranstalteten wir daher Home-Parties. So würfelten sich stets Leute aus den verschiedensten Studienrichtungen zusammen, da jeder Eingeladene nicht nur alkoholische Getränke, sondern auch Freunde und Bekannte mit anschleppte. Zwar fand sich stets ein Grund, sich nach Unischluss auf ein Achterl Weiß zu verabreden um sich von dem gar so stressigen Tag zu erholen, doch mit zunehmenden Semestern versuchte ich zusehends, dies auf das Wochenende zu verlagern, da solche spontanen Verabredungen meist bis tief in die Nacht andauerten. Meine Priorität war nun eben das Studium. Das Wochenende entschädigte oft genug für eine disziplinierte Woche. Im Sommer zieht vor allem das Museumsquartier viele Studierende an. Dort wird in der Sonne gleichermaßen gelernt, gechillt und gefeiert. Ich verbrachte bei Sonnenschein beinahe jede freie Minute zwischen und nach den Kursen dort. Natürlich mit dem Vorsatz, brav zu lernen. Dieser Vorsatz war allerdings regelmäßig zum Scheitern verurteilt, da man dort stets Freunde traf und sich nur allzu gern gegenseitig vom konzentrierten Lernen abhielt. Wollte ich tatsächlich produktiv sein, musste ich mich stets in die Bibliothek setzen oder in den eigenen vier Wänden arbeiten. Denn im Caf¦, im Park, Bad oder sonst einem öffentlichen Ort war die Gefahr zu groß, abgelenkt zu werden, anschließend zu versumpfen und erst im Morgengrauen mit leerem Geldbeutel den Heimweg anzutreten. Diese Feierei muss aber auch finanziert werden. Deshalb kommt kaum ein Studierender an Studentenjobs, mehr oder minder rentabel, vorbei. Mein Stundenplan und ausgeprägtes Schlafbedürfnis ließen es allerdings nicht zu, unter der Woche zu arbeiten, also musste ich am Wochenende mein studentisches Zubrot verdienen. Der Job begleitete mich während meines gesamten Studiums, ich gab ihn erst auf, als ich mit meiner Diplomarbeit begann.

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Studierendenproteste Ein wichtiges Moment während meiner Studienzeit stellen sicherlich die Studierendenproteste von 2009/2010 dar. Begonnen als eine kleine Besprechung im IKL schlug der Protest immer höhere Wellen und erfasste schließlich nicht nur die gesamte Akademie; im Zuge der Solidarisierungsbekundungen schlossen sich auch weitere österreichische und viele europäische Universitäten an, wodurch sich die Debatten zu den größten Bildungsprotesten seit 1968 ausweiteten. Zwischenzeitlich beteiligten sich international über 300.000 Studierende, Lehrende und zahlreiche solidarisierte Personen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Ursprünglich waren von einigen Kommilitonen Arbeitsgruppen gegründet worden, um Kundgebungen im IKL zu organisieren. Alle Studierenden sollten über die im Bologna-Prozess festgelegten Änderungen bezüglich der Studienausrichtungen, Abschlüsse und geplanten Zugangsbeschränkungen informiert werden und ein formeller Einspruch gegen die Umsetzung dieser neuer Richtlinien auf der Akademie formuliert werden. Dank des intensiven Einsatzes der Arbeitsgruppen engagierten und solidarisierten sich immer mehr Studierende und auch Lehrende der Akademie. Lehrveranstaltungen, welche anfangs boykottiert wurden, wurden offiziell abgesagt, um allen Studierenden zu ermöglichen, an der Besetzung der Aula, den täglichen Vollversammlungen und Aktionen der Arbeitsgruppen teilzunehmen. Mit dem Slogan »Uni brennt« schloss sich dank des von den Arbeitsgruppen ausgearbeiteten engen Netzwerkes auch die »Hauptuni« an und die ersten offiziellen Protestmärsche wurden organisiert. Am ersten dieser Märsche rund um den Ring beteiligten sich über 30.000 Studierende und Lehrende. Dies rief schließlich auch internationale Aufmerksamkeit und mediale Berichterstattung hervor. Die ständige Besetzung der Aula sowie des Audimax, die Organisation des Protestes, zahlreiche Aktionen und die Verhandlungen mit Rektoren, Dekanen und Regierungsvertretern verlangte den Arbeitsgruppen viel Disziplin ab, vor allem da die Protestierenden immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen hatten. Nur wenige Studierende beteiligten sich nicht an den Protesten und versuchten mit dem Slogan »Studieren statt Blockieren« die Demonstrationen und anhaltenden Protesten einzudämmen. Nachdem sich die Besetzung der Universitäten wochenlang mit teils nur mässig erzielten Erfolgen hinzog und das Audimax schließlich polizeilich zwangsgeräumt wurde, begann das Interesse bzw. die aktive Beteiligung vieler Studierender abzuflauen. Dies lag vor allem auch daran, dass viele fürchteten, keine Abschlussnoten für die zuvor belegten Seminare zu erhalten und das Semester zu verlieren. An der Universität Wien

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wurde von einigen Professoren durchgesetzt, dass die Studierenden nur dann ihre Note erhielten, wenn sie wieder regelmäßig die Seminare besuchten und regelkonform schriftliche Arbeiten verfassten und Prüfungen ablegten. Auf der Akademie hatten sich hingegen alle Lehrenden mit den Studierenden solidarisiert. Der Nachweis der aktiven Beteiligung an den Protesten ersetzte größtenteils die Prüfungen.

Ein kurzes Fazit Das Vorurteil Studierende hätten ja immer so viel Freizeit, kann ich selbst zwar nicht bestätigen, muss aber zustimmen, dass man als Studentin viele Freiheiten genießt und ich diese im Grunde erst rückblickend wirklich zu würdigen weiß. Während des Studiums muss man sich zwar mit einigen Einschränkungen, vor allem finanzieller Art, arrangieren, dennoch würde ich immer wieder ein Studium beginnen, es war eine wirklich tolle Zeit. Man trifft viele unterschiedliche Charaktere, erlebt ständig Neues und Aufregendes, lernt, sich Herausforderungen zu stellen und sie zu bewältigen – wenn man das Studium ernst nimmt und es nicht aus reinen Prestigegründen zum Erwerb eines akademischen Grades betreibt. Mich hat das Studium trotz mancher Widrigkeiten und Herausforderungen nachhaltig geprägt und positiv geformt. Zumindest behaupten dies meine Freunde. »Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug wie als zuvor.« Mit diesem Satz im Hinterkopf bin ich sehr froh, mich für ein künstlerisches und historisches Studium entschieden zu haben. Ich habe diesen Entschluss nie bereut, ganz im Gegenteil.

Forschen in und mit der Stadt Wien

Oliver Rathkolb

Wien am Weg zur Wissenschaftsregion in den 1970er und 1980er Jahren

Bernd Schilcher hat das »Krebsübel der österreichischen Hochschule« seit 1945 mit »ihrer Isolierung« erklärt: »Isolierung unter den Fachdisziplinen, Isolierung gegenüber neuen wissenschaftlichen Strömungen, Isolierung gegenüber der Gesellschaft, Isolierung gegenüber weltanschaulichen Pluralismus«.1 1945 sollte daher keineswegs als »Wendejahr« Neuanfänge signalisieren, sondern wurde der Beginn des Wiederaufbaus konservativer Strukturen mit dominanten autoritären Elementen. So war es kein Zufall, dass gerade im geisteswissenschaftlichen Bereich alle internationalen Trends spurlos an den österreichischen Universitäten in Wien, Graz und Innsbruck vorüberzugehen schienen. Spätestens bei der in Österreich kaum spürbaren 1968er Studentenbewegung wurde sowohl bei jungen ÖVP-nahen, katholischen StudentenaktivistInnen, als auch bei den sozialistischen StudentenInnen, die eine Minderheit darstellten, der Unwillen und der Druck in Richtung Reformen immer konkreter. Bereits in der Alleinregierung der ÖVP unter Bundeskanzler Josef Klaus wurden zumindest erste Schritte in Richtung einer seitens der Unterrichtsverwaltung initiierten Reform gesetzt (»Rat für Hochschulfragen«, bestehend aus Politikern, Beamten, Professoren, Assistenten und Studenten, zur Erarbeitung der Grundlagen einer Hochschulreform). Die Planungsfeindlichkeit der Ära Heinrich Drimmel wurde aufgegeben und erstmals eine Akademikerbedarfsanalyse durchgeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es seitens des Unterrichtsministeriums nur eine Gesetzesinitiative gegeben, das Studienbeihilfengesetz aus 1963. Das angebliche Hochschulorganisationsgesetz 1955 hatte nur verstreute k.u.k. Erlässe bzw. Verordnungen zusammengefasst bzw. neu verlautbart. Im universitären Infrastrukturbereich wurden durch den Erlass der Hochschulstudiengesetze, die Einführung des Forschungsförderungsfonds, die Verdoppelung der Forschungsausgaben und vor allem die Gründung der Universitäten 1 Bernd Schilcher : Hochschulen. In: Erika Weinzierl, Kurt Skalnik (Hrsg.), Österreich. Die Zweite Republik. Styria Verlag, Graz, 1972, 366.

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Salzburg, Linz und Klagenfurt wichtige und nachhaltige Maßnahmen gesetzt, die in den 1970er Jahren voll wirksam wurden. Gerade im Universitätsbereich, der bisher fast völlig ohne Mitwirkungsmöglichkeit der SPÖ – abgesehen von parlamentarischen Kooperationen bei Gesetzesvorhaben – geblieben war, sollte eines der umfassendsten Reformvorhaben in der Zeit der Alleinregierungen unter SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky gestartet werden. Bereits in der Oppositionszeit war unter der Leitung des SPÖ-Klubsekretärs Heinz Fischer, der sich u. a. in einer Studentenbewegung gegen einen antisemitisch-rassistisch agierenden Professor an der Hochschule für Welthandel, Taras Borodajkewicz, öffentlich bemerkbar gemacht hatte, ein Hochschulkonzept erarbeitet worden – unter Mitwirkungen einiger weniger Hochschulprofessoren und sozialistischer Studenten. Kreisky selbst hatte aber als SPÖ-Parteivorsitzender immer wieder auch in der Oppositionszeit bewusst Kontakt zu katholischen Studentenverbindungen und zum CV gesucht, um eine breitere Basis für seine Projekte zu gewinnen. Bereits in der ersten Phase der Alleinregierung wurde von der sozialistischen Minderheitsregierung ein neues Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung gegründet und damit erstmals in der Geschichte der Universitäten die klassische Nabelschnur zur Unterrichtsverwaltung gekappt. Hertha Firnberg, die übrigens ursprünglich den Arbeitskreis für das »Humanprogramm« geleitet hatte, übernahm die Führung dieses neuen Ressorts. Binnen kurzer Zeit wurde von einer Sechser-Arbeitsgruppe ein Entwurf für ein Universitätsorganisationsgesetz (UOG) ausgearbeitet, der ab 1971 zur Diskussion stand. Das UOG selbst wurde aber erst am 11. April 1975 vom Nationalrat beschlossen, und sollte vor allem eine Öffnung und Demokratisierung der Universitäten garantieren. Besonders heftig diskutiert war die Drittelparität zwischen Universitätsprofessoren, »Mittelbau« und Studenten, die die Demokratie in die Entscheidungsprozesse der Universität – bis hin zu Berufungs- und Habilitationsverfahren – bringen und für mehr Objektivität sorgen sollte. Die gesellschaftliche Brisanz des UOGs zeigt sich auch daran, dass es zu den am längsten beratenen Gesetzen in der Zweiten Republik gehört2. Gleichzeitig wurde durch Begleitmaßnahmen wie die Abschaffung der Hochschultaxen, die Etablierung von neuen Universitäten in Linz und Klagenfurt eine Erweiterung der Zugangsmöglichkeit aus möglichst allen Schichten der Gesellschaft angestrebt. Ebenso wie im Bereich Justiz wurde auch hier ein Nachholverfahren in Gang gesetzt – begleitet von punktuell langfristigen Reformbestrebungen, die durchaus noch in der Gegenwart spürbar sind. Grundsätzlich sollte aber eine starke Position des neu gegründeten Ministeriums selbst 2 Raoul F. Kneucker, Das Universitäts-Organisationsgesetz 1975: Die gesetzgebenden Kräfte. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft (9) 1980, 262.

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gewährleistet bleiben. In der gegenwärtigen Reform der Reform-Phase hingegen dominieren Elemente von zumindest teilweiser Dezentralisierung der Universitäten im Sinne von Stärkung der Autonomie universitärer Organe, Deregulierung der zahlreichen Kommissionen und Verstärkung von Evaluierungen verschiedenster Art. Die Stadt Wien setzte in der Phase der Alleinregierungen von Bundeskanzler Klaus (1966 – 1970) und Kreisky (1970 – 1983) ihre Politik der Förderung von Stipendien und der Auszeichnung arrivierter WissenschaftlerInnen fort, die 1965 mit der Errichtung der Hochschulstiftung der Gemeinde Wien anlässlich der historischen Jubiläen der Universität Wien und der Technischen Universität einen Höhepunkt gefunden hatte. Die Subventionierung außeruniversitärer Einrichtungen wurde intensiviert, zum Beispiel durch die Gründung eines Instituts für Stadtforschung mit einem Kapital von 10 Millionen Schilling (Subvention 1978: 9 Millionen Schilling). Auch die finanzielle Förderung der Boltzmann Gesellschaft wurde ausgeweitet. An dieser Stelle muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass 1968 ein Boltzmann-Institut gegründet wurde, das der ehemalige NS-Psychiater Heinrich Gross leitete, der ab 1944 aktiv an Euthanasie-Verbrechen an Kindern in der Klinik am Spiegelgrund beteiligt war und der Präparate der Verbrechensopfer für seine weiteren Forschungen an diesem neuen Institut verwendete. 2001 entschuldigte sich der damals neue Präsident der Ludwig Boltzmann-Gesellschaft, Christian Konrad, bei den NS-Opfern und forderte »die Aufarbeitung der Rolle der Wissenschaft in der Zeit des Nationalsozialismus und der Verbrechen, die unter dem Vorwand der Forschung begangen wurden«.3 Die Etablierung eines eigenen Wissenschaftsministeriums unter der Führung der sozialdemokratischen Politikerin Hertha Firnberg förderte wohl auch die Bereitschaft der Dotierung der Wiener Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien im Gesamtumfang von 3,6 Millionen Schilling durch Bürgermeister Felix Slavik (1981: 7,6 Millionen Schilling). 1971 wurde auch erstmals eine Gastprofessur in Erinnerung an Erwin Schrödinger gewidmet. Dies sollte Bestandteil einer engeren Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften werden – mit einer Gesamtjahresförderung ab 1973/1974 von 750.000 Schilling. 1974 wurde auch eine Leistungsschau der Philosophischen Fakultät der Universität Wien mit 600.000 Schilling unterstützt. 1979 wurde mit Helmut Zilk ein höchst aktiver Quereinsteiger in die Politik zum Stadtrat für Kultur und Bürgerdienst bestellt. Bereits 1980 konnten erstmals entsprechende Großprojekte umgesetzt werden, zuerst im Kulturbereich mit der Kooperation zur Umgestaltung des Messepalastes in ein Kultur- und Kommu3 Der Standard, 27. Juni 2001. Siehe auch Trautl Brandstaller, Oliver Lehmann, In den Fängen des Dr. Gross. Das misshandelte Leben des Friedrich Zawrel, Czernin, Wien 2001.

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nikationszentrum (Museumsquartier). Der Wiener Gesundheitsstadtrat Alois Stacher eröffnete das Serologische Institut in der Universitätshautklink des AKH. Das Institut wurde neu eingerichtet. 60 Prozent der Gesamtkosten von 80,1 Millionen. Schilling wurden von der Stadt getragen. Für den Restbetrag kam der Bund auf. 1980 erhöhte auch der Wiener Gemeinderat die Förderungsmittel für die Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien um 100 Prozent. Aber erst 1986/1987 wurde eine grundsätzliche Analyse der möglichen Kooperationen zwischen Magistratsabteilungen und Instituten der Wiener Universitäten durchgeführt und eine Neuorientierung der Interaktionen bei einem Symposion im Wiener Rathaus zum Thema »Wien – die Stadt und die Wissenschaft« diskutiert. Der renommierte Soziologe und Herausgeber der »Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie« Ren¦ König empfahl der Stadt Wien, wie bereits erwähnt, »die Universitäten einzunisten«. Ein erster Schritt in diese Richtung war die Etablierung der Wiener Vorlesungen, die am 6. Mai 1987 von Bundespräsident i. R. Dr. Rudolf Kirchschläger mit einem Referat zum Thema »Was ist das Gemeinsame? Möglichkeiten und Grenzen des Miteinander« begonnen wurde. In einer Veranstaltungsreihe »Stadtwerkstatt« der Magistratsdirektion und der Verwaltungsakademie wurde erstmals abteilungsübergreifend zwischen MitarbeiterInnern der Stadtverwaltung und WissenschaftlerInnen diskutiert. Den absoluten Höhepunkt der Zusammenarbeit sollten zwei Ereignisse im Jahre 1988 sein: Die Schenkung des Geländes des Alten AKHs, die am 7. Dezember 1988 durch Bürgermeister Helmut Zilk und Rektor Wilhelm Holczabek mit einem Notariatsakt besiegelt wurde. Im selben Jahr wurde das Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) im 3. Wiener Bezirk am Areal der Dr.-Bohr-Gasse eröffnet. In weiterer Folge wurde diese Institutsgründung der Nukleus für den Campus Vienna Biocenter (dem räumlichen Zusammenschluss verschiedener akademischer und industrieller Forschungseinrichtungen im Areal der Dr. Bohr-Gasse).4 In den folgenden Beiträgen werden die Hintergründe und Langzeitfolgen dieser letztlich intensiven Kooperation zwischen der Stadt Wien und den Wiener Universitäten mit Schwerpunkt auf die Universität Wien genauer analysiert und auch im Kontext der Entwicklung der internationalen und nationalen Forschungsstrategien in den 1970er und 1980er bis in die 1990er Jahre diskutiert. Das UOG 93 sollte auf diesem Weg nur einen Zwischenschritt darstellen, bot aber den Rektoren mehr – auch finanzielle – Gestaltungsmöglichkeiten und erste Kompetenzen in Richtung Autonomie. Besonders prägend für den Bildungssektor war vor allem das Fachhochschulengesetz 1993.Wie der ehemalige Leiter 4 Siehe dazu umfassend Maria Wirth, Der Campus Vienna Biocenter. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung für den Life Sciences-Standort Wien, Innsbruck-Wien-Bozen 2013.

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der Hochschulsektion 1986 – 2005, Sigurd Höllinger, aber 2014 festhielt, fehlt eine »gesamtsystematische Ordnung der Hochschuleinrichtungen«.5

5 Der Standard, 23. Juni 2014.

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Interviews mit Arnold Schmidt und Georg Winckler

Interview mit em. o. Univ.-Prof. Dr. Arnold Schmidt F: Beginnen wir das Gespräch mit Ihrem beruflichen Werdegang; in welchem Zusammenhang stand Ihre Laufbahn mit der Stadt Wien als Stadt oder im Speziellen mit der Universität Wien? Arnold Schmidt: Ich bin in Wien geboren und – mit Ausnahme von zwei Jahren – während des Krieges hier aufgewachsen. Den größten Teil meiner Volksschulzeit habe ich in Wien verbracht und hier auch das Realgymnasium im 21. Bezirk besucht, damals das einzige Gymnasium auf der linken Donauseite. Es war für mich das nächstgelegene Gymnasium, wobei mein täglicher Schulweg mehr als eine Dreiviertelstunde betrug. Dort habe ich auch die Matura abgelegt und begann anschließend das Studium der Physik an der Universität Wien. 1962 promovierte ich mit einer Arbeit über Festkörperphysik. Danach war ich kurz am ersten Ludwig-Boltzmann-Institut beschäftigt, das von Karl Michael Koch geleitet wurde, der soeben die Boltzmann-Gesellschaft gegründet hatte. Koch war ein äußerst interessanter, durchaus faszinierender Mann, der aus allen möglichen Gründen bald danach zur »Unperson« wurde. Ich habe also bei ihm promoviert und war gleichzeitig daran beteiligt, dieses sich damals in der Kopernikusgasse befindliche Institut aufzubauen. Das Institut war in einem Gebäude untergebracht, in dem sich vorher und später wieder eine Volksschule befand. Von allen Boltzmann-Instituten war es das einzige, welches jemals über ein eigenes Gebäude und einen eigenen Mitarbeiterstab verfügte. Diese Faktoren und vor allen Dingen auch aufgrund der Tatsache, dass dieses Institut als die Wiege der österreichischen Halbleiterphysik gilt, begründen den außerordentlich hohen Stellenwert, den dieses Institut später einnahm. Fast alle österreichischen Halbleiterphysiker, die in den letzten Jahrzehnten zu hohem Ansehen gelangten, haben hier ihr Studium absolviert. Hierbei sind besonders Helmut Heinrich in Linz, Günther Bauer, jetzt auch in Linz, und Erich Gornik, inzwischen Professor an der TU Wien, sowie viele andere hervorzuheben. Ohne die

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tatkräftige Unterstützung der Stadt Wien wäre es nie zur Gründung dieses Instituts gekommen. Obwohl sich der Charakter der Boltzmann-Gesellschaft nach dieser ersten Gründung dramatisch änderte und dieses Institut zu einem Leftover der Gründungsära degradiert wurde, konnte es unter seinem neuen Leiter Karlheinz Seeger, ein Professor aus Deutschland, der das Institut ausgezeichnet führte, zunächst überleben und bis zu dessen Emeritierung weiter bestehen. Danach wurde es allerdings geschlossen. Bis zur Neugründung der BoltzmannGesellschaft blieb das Ludwig Boltzmann Institut für Festkörperphysik in seiner Struktur und Relevanz außergewöhnlich leistungsfähig. F: Wie weit reichen die Wurzeln des Instituts genau zurück? Schmidt: Wenn ich mich richtig erinnere, wurde es vermutlich 1962 gegründet und vom damaligen Bundespräsidenten Jonas eröffnet. Jonas war zuvor Wiener Bürgermeister gewesen, sodass hier die Verbindung mit der Stadt Wien deutlich wird. Generell kann man sagen, dass das Institut eine in einem sozialdemokratischen Geflecht eingebettete Einrichtung war : auf der einen Seite die verstaatlichte Industrie, auf der anderen Seite z. T. die Stadt Wien, zusammengehalten durch die persönlichen Beziehungen, die dieser außergewöhnliche Mann, Karl Michael Koch, aufbaute, sich aber letzten Endes mit allen zerstritt, u. a. mit Hertha Firnberg, noch sehr lange lebte, allerdings nirgends mehr Erwähnung, geschweige denn Anerkennung fand. F: Er kam also mit der eigenen Partei nicht zurecht. Schmidt: Kann man so sagen, er kam mit allen möglichen nicht zurecht. Meine eigene Karriere begann auch damit, dass er mich fristlos entlassen hat, was ich ihm heute überhaupt nicht übel nehme, denn das war für mich der unmittelbare Anlass ins Ausland zu gehen. Wäre ich nicht entlassen worden, hätte ich vermutlich eine zu der Zeit recht übliche österreichische wissenschaftliche Karriere gemacht, vom Vertrags- zum angestellten Assistenten. Irgendwann hätte ich mich habilitiert, mit der Hoffnung gelegentlich höher zu steigen. So aber wurde ich also entlassen und mit mir auch Helmut Heinrich, später äußerst erfolgreicher Professor in Linz. Wir waren beide gleich alt und mussten uns nun um eine neue Tätigkeit umsehen, wobei jedem von uns sowohl eine ausländische Offerte als auch das Angebot vorlag, unter Kochs Nachfolger Seeger weiterzuarbeiten. Heinrich nahm es, nach kurzem Auslandsaufenthalt, auch an, ich hingegen wollte mich dem neuen Gebiet der Laserforschung zuwenden und musste schon deshalb ins Ausland gehen. Aus privaten Gründen, meine Frau ist dort geboren, schwebte mir hierbei England vor. Ich schrieb an zwei Leute, die beide auf diesem Gebiet forschten; beide Wissenschaftler ar-

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beiteten in London, und tatsächlich erhielt ich auch Angebote von beiden. Der eine antwortete, ich könne gerne nach London kommen, er sei aber eben nach Belfast übersiedelt, der andere antwortete im gleichen Sinne, mit dem Unterschied, dass er inzwischen nach York gegangen war. Ich habe daraufhin York auf der Landkarte gesucht und entschied mich für York. So kam ich nach York, und das war der Einstieg in meine Karriere, denn so bin ich Laserphysiker geworden. Und das bin ich Zeit meines Lebens, also bis zu meiner Emeritierung, geblieben. F: In York gab es also ein Universitätsinstitut auf Ihrem Interessensgebiet? Schmidt: In York gab es eine neue Universität, die unter dem Labour-Premier Harold Wilson gegründet wurde. Damals gab es Wellen von Neugründungen, nicht nur in England (z. B. die University of Sussex), sondern in ganz Europa, etwa auch in Deutschland (Konstanz). Die Universität wurde in einem Park mit einem viktorianischen Schlösschen angesiedelt. York hatte den Charme einer mittelalterlichen Stadt, sehr nordenglisch und sehr provinziell – für mich als Wiener ein sehr fremdes Territorium. In diese andere Welt kam ich also, an eine Universität mit einem neuen Physikdepartment. Und diese andere Welt sollte für meine weitere berufliche Entwicklung sehr bedeutsam werden. F: Wie würden Sie denn die Unterschiede der Forschungsbedingungen in Wien charakterisieren? Schmidt: Die wissenschaftliche Welt in Wien war damals recht ärmlich sowohl was die Finanzierung betraf, als auch bezüglich des intellektuellen Lebens. Karl Michael Koch war nicht eben ein ernsthafter Lehrer für Festkörperphysik – im Unterschied zu seinem Nachfolger Seeger –, der aber auf meinem Interessensgebiet nicht gearbeitet hatte. In York war man auf der Höhe der Zeit, man war infolge der guten Finanzierung sehr gut ausgestattet, was ich anfangs mit aufrichtigem Staunen wahrnahm. Die gesamte Struktur war anders organisiert: York war autonom, was die Anschaffung der erforderlichen Geräte betraf, also eine Universität mit einer professionellen Verwaltung; in Wien dagegen beruhte die Beschaffung noch nahezu gänzlich auf der privaten Initiative des einzelnen Forschers. Allerdings litt ich einen Großteil der Zeit, die ich dort verbrachte – es waren rund fünf Jahre, von 1965 bis 1971 –, an einer rheumatischen Erkrankung, die ich schon von Wien mitgebracht und die sich dort, vermutlich wegen des feuchten Klimas, verschlimmert hatte. Als es mir gesundheitlich wieder besser ging, begann ich mich für einen Wechsel in die USA zu interessieren. Es gelang mir, für diesen Zweck ein englisches Stipendium von World Comcast zu erhalten,

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das mir erlaubte, die USA zu bereisen. Ich besuchte eine Reihe von Universitäten, wie z. B. Columbia, Cornell, Stanford, Berkeley. In Berkeley an der University of California gefiel es mir so gut, dass ich mir wünschte, dort zu leben und zu arbeiten. Und es gelang mir auch, von dieser Universität ein kleines Stipendium zu erlangen, sodass ich von Herbst 1971 bis Herbst 1975 am Physics Department von Berkeley als Research Fellow, später als Research Associate arbeiten konnte. Dabei verbrachte ich dort die ganze Zeit in der Gruppe eines etwas gleichaltrigen Manns; Yuen-Ron Shen, der ursprünglich aus China kam. Seine Familie stammte aus Nordchina, floh aber vor den Kommunisten nach Taiwan, wo er auch aufwuchs. Er ging dann in die USA, wo er in Stanford sein MS und anschließend ein PhD an der Harvard University erwarb. Danach wurde er Assistant Professor in Berkeley. Er war und ist ein ganz hervorragender Wissenschaftler. Bei ihm begann meine eigentliche wissenschaftliche Tätigkeit. Als ich zu ihm kam, hatte er soeben »tenure« bekommen, d. h. eine fixe Stelle, und war auf dem Forschungsgebiet der nicht linearen Optik, für das ich mich interessierte, rege tätig. Ich bin mit ihm auch heute noch freundschaftlich verbunden, und er war auch an meinem Institut hier in Wien als Gastprofessor tätig.

Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Georg Winckler F: Wie haben Sie die Beziehung zwischen Stadt und Universität erlebt, auch schon bevor Sie in wichtigen gestalterischen Funktionen der Universität tätig geworden sind? Wie war 1964 aus der Wahrnehmung eines jungen Mannes dieses Verhältnis zwischen Universität und der Stadt, vermutlich nicht so wie in anderen Universitätsstädten – Wien hat da ja eine spezifische Kultur oder NichtKultur. Winckler : Zunächst muss ich insofern ein bisschen ausholen, als ich meine Kindheitsjahre in der Obersteiermark, in Schladming, verbracht habe, wo ich auch die Volksschule besuchte. Dann lebte ich bei meinem Vater, der aus beruflichen Gründen nach Deutschland ging. Dort in der Nähe von Frankfurt machte ich mein Abitur. Anschließend bin ich dann nach Amerika gegangen und habe in Princeton studiert. Ich bin hauptsächlich deshalb zurückgekommen, weil meine Mutter, die aus einer sudetendeutschen Familie stammt, immer sehr enge Beziehungen zu Wien hatte – der Bruder meiner Mutter war hier in Wien beruflich erfolgreich und war außerdem auch mein Patenonkel. Ich hatte ursprünglich auch nicht die Absicht, in Wien zu bleiben, sondern wollte wieder in die große weite Welt zu ziehen, weil ich Österreich nicht als Land sah, das einem jungen Wissenschaftler besondere Chancen eröffnete. In Deutschland etwa gab

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es wegen des Wirtschaftswunders damals mehr Karrieremöglichkeiten. So habe ich mich nach Abschluss meines Studiums etwa im INSEAD (Institut Europ¦en d’Administration des Affaires) beworben, wurde auch angenommen, ich bin aber nicht hingegangen. Ich wollte also danach einige Jahre in Wien zubringen, aber eigentlich nicht allzu viele. F: Und wie lange waren Sie nach der Matura in den USA? Winckler : Etwa zwei Jahre. Und wenn ich über die ersten Erlebnisse, die ich von Wien hatte, nachdenke, so haben sie mich erinnert an John Irving, der ja Mitte der 1960er Jahre ein Jahr in Wien am Institute for European Studies studierte. Er erlebte Wien zwiespältig, so wie auch ich es erlebte, nämlich einerseits als interessante Stadt voller historischer Bezüge, die man anderswo nicht mitbekam, und die sehr gegenwärtig waren. Andererseits war aber Wien mit einem melancholischen Touch verbunden. Viele Häuser hatten eine historische Substanz, waren jedoch infolge Beschädigungen aus dem Kriege herunter gekommen. Man konnte sehen, dass nahezu 50 Jahre lang nicht in die Substanz von Häusern und Wohnungen investiert wurde. Dennoch gab es gleichzeitig illusionäre Ansprüche, gewissermassen weiterhin der Mittelpunkt der Welt zu sein. Dabei übersieht man, dass wenn man etwa aus der Umgebung von Frankfurt kam oder in Princeton lebte, Wien eher als eine Stadt in Randlage empfunden wurde, während die Wiener aber meinten, sie wären noch das Zentrum. Ich hatte schon den Eindruck, dass man hier nicht mitbekommen hat, was zwischenzeitlich international passierte. F: Woran kann das gelegen haben? Winckler : Ich glaube, dass Wien eben eine in sich geschlossene Gesellschaft war. Ich habe damals auch die Universität als sehr auf sich bezogen erlebt, zwar durchaus mit Qualität, die ich ihr nicht absprechen möchte, aber eben sehr auf sich bezogen, und sich selbst geradezu genügend. Es fehlte die Offenheit, die man eigentlich von einer Stadt mit dieser Vergangenheit erwarten durfte. Man erlebte auch wenig Offenheit, die Zukunft zu gestalten. Ich kann mich gut erinnern, dass ich Ende der 1960er Jahre am Rande irgendeiner Veranstaltung die Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem damaligen Bundeskanzler Josef Klaus fand. Und sein Hinweis, wie wichtig es wäre, von Zeit zu Zeit Exerzitien zu machen oder seine Anmerkung, wie gewissermaßen großartig dieses Österreich war, hinterließ in mir den Eindruck, dass hier doch eine provinzielle Ausrichtung herrsche. Es sind eher zwiespältige Gefühle, die ich mit diesen Jahren verbinde. Ich muss andererseits aber sagen, dass es mir sehr gefallen hat, dass die Universität Wien im Zentrum der Stadt war, im Unterschied zu Princeton, wo

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man mit dem Bus oder Zug eine Anreisezeit von ca. einer Stunde nach New York City hatte. Auch das Kulturgeschehen in Wien war damals durchaus bereits reichhaltig genug, was ich als sehr anregend empfand. Es gab hier auch bereits eine Anzahl moderner Theater – so besuchte ich damals etwa eine Zeit lang jede der von Stella Kadmon inszenierten Uraufführungen im Theater der Courage am Franz-Josefs-Kai. Die Beziehung der Universität zur Stadt Wien habe ich nicht wirklich wahrgenommen, weder als problematisch, noch habe ich sie sonst wie erlebt. Wohin man Kontakt hatte, und das war auch in meinen ersten Assistentenjahren so, waren in erster Linie Stellen und Einrichtungen des Bundes. Die Stadt Wien war für die Universität etwas Externes und nicht wirklich von Bedeutung. Ich bin dann allerdings, wie es meine ursprüngliche Absicht war, nach Frankreich gegangen und habe dort ein bis zwei Jahre gearbeitet, u. a. im Bereich Unternehmensplanung etc. F: Planification? Winckler : Ja, ich habe die planification kennengelernt. Das hat mich damals interessiert. Darüber hinaus waren die Franzosen damals, was die Anwendung von Computerprogrammen anbelangte, sehr weit, weiter als im deutschsprachigen Raum, was vielleicht mit der planification zusammenhing. Die Entscheidung, wieder hierher zurückzukehren, hatte zwei Gründe: Der erste Grund war, dass meine Frau, die aus Kärnten stammt, wieder hierher zurückkehren wollte, weil sie Wien liebt. Und der zweite Grund war der, dass ich glaubte, hier an der Universität bestimmte intellektuelle Freiräume vorzufinden, die ich außerhalb der Universität nicht zu finden erwartete. F: Die Promotion war in Wien? Winckler : Ja, die war in Wien, aber das war vor meinem Frankreich-Aufenthalt. Die Eindrücke aus den 1960er Jahren in Wien waren also gemischt. Was mich sicherlich in Wien gehalten hat, war, dass in den 1970er Jahren eine Art Aufbruchstimmung entstanden ist. Ich habe an der Universität viele Kollegen kennengelernt, die »like-minded« die Wissenschaft modernisieren wollten. Ich könnte da jetzt viele Namen nennen. Ich war damals ganz einfach überrascht, mich hier in einer Generation zu befinden, die vorhatte, aus dieser Selbstbezogenheit und aus dieser sehr rückwärts gerichteten Orientierung in eine Vorwärtsrichtung zu gehen. Für mich war damals sicherlich auch die Person Bruno Kreiskys faszinierend, von dem ich den Eindruck hatte, der versteht die internationalen Dimensionen der Politik. Das war vorher nicht der Fall.

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F: Vielleicht noch zur damaligen internen Struktur der Universität. Wie war in Ihrer Erinnerung nach damals die Beziehung zwischen den Fakultäten und den Instituten? Gab es das schon oder war die Universität ganz zersplittert? Winckler : Na ja, die Universität – das waren vor allem die Institute, die eigentlichen Eigentümer der Universität. Dort spielte sich die Kommunikation ab. Die Institute hatten auch ein Wir-Gefühl, »Wir« kämpfen für oder gegen jenes. Und ich muss sagen, einer der Gründe, warum die Universität für mich interessant wurde, waren die Berufungen: Erich Streissler kam 1968, in dem Jahr, als ich mein Doktorat machte, und Personen wie er haben neue Orientierungen gebracht, die ich als interessant empfunden habe. F: Bei wem haben Sie Ihre Disseration geschrieben? Winckler : Noch bei Theodor Pütz, wobei ich auch mit Weber guten Kontakt hatte. Was ich sehr wohl auch wahrgenommen habe, war die Fakultät, damals allerdings nur die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät. Es gab auch in den rechtswissenschaftlichen Fächern viele, die eine gute, moderne, zukunftsorientierte Universität wollten. Das ging sogar soweit, dass wir, die Assistenten dieser Fakultäten, miteinander Fußball spielten. Über die Fakultät hinaus gab es eigentlich keinen Kontakt. Den Rektor habe ich nur als repräsentative Figur wahrgenommen, der die Promotionsrede halten durfte. Es war klar, dass, wenn man am Institut etwas ändern wollte, dann der Dialogpartner immer nur das Ministerium war.

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Einleitung zu Hertha Firnberg: Die Wissenschaft in der modernen Welt

Um die im Folgenden wiedergegebene Rede von Frau Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Hertha Firnberg aus dem Jahre 1971 richtig »einordnen« zu können, sollten die – damaligen – zeithistorischen Bezüge und Bedingungen (1970/1971) mitgedacht werden: Die 1960er Jahre waren zweifelsohne Zeiten des Aufbruchs, neuer Herausforderungen in Gesellschaft und Staat, Wirtschaft und Wissenschaft, der Jugend- und Studentenproteste weltweit (siehe »68er-Bewegung«) und schließlich des Aufbruchs zu neuen Strukturen, insbesondere was Forschung und Technologie sowie das Bildungswesen mit den »Hohen Schulen« betraf. Es darf daran erinnert werden, dass in den 1960er Jahren »das Weltall erobert wurde«, 1969 der erste Mensch den Mond betrat, die Entwicklung von Computer und Informationstechnologie so richtig einsetzte, die friedliche Nutzung der Kernenergie die Hoffnung auf Lösung bei der Energieversorgung indizierte, in der Medizin die ersten Transplantationen durchgeführt wurden, und vieles mehr, das diese Epoche zu kennzeichnen vermag. In weiten Teilen der Welt Forschung als wesentliche Grundlage für Gesellschaft, Wirtschaft und Staat sowie wissenschaftsbegründetes Sein erkannt wurde, mit »mehr Demokratie wagen« als Teil dieses Aufbruchs. Österreich war zu mindestens, was Wissenschaft, Forschung sowie Hochschulen betraf ohne Frage damals (noch) »anders«: Österreich war, was Forschungsausgaben und Forschungsplanung betraf tatsächlich ein »Schlusslicht« im europäischen Konzert geworden. Der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt (BIP) – international als Indikator für die Forschungsleistung eines Staates angesehen – betrug beispielsweise (je nach Rechnungsart) bloß 0,3 bzw. 0,6 Prozent, ein Wert, wie er auch in Entwicklungsländern verzeichnet wurde. Die öffentlichen »Notrufe«, Wehklagen und Demonstrationen über Unterdotierung der Universitäten und Hochschulen sowie der Forschungsförderung, über Raum- und Personalproblem der Wissenschaftseinrichtungen, der Universitäten und Hochschulen sowie über das Zurückbleiben der Wissenschaften ganz allgemein, insbesondere einzelner Disziplinen, hinter der internationalen Entwicklung, waren unüberhörbar und

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unübersehbar. Dies alles war historisch konservativ-restaurativen Strukturen der Wissenschaften und Hochschulen, den Folgen zweier Weltkriege sowie einer Vernachlässigung dieser Bereiche in den zurückliegenden Jahrzehnten durch die dafür zuständige Politik geschuldet. Eine bereits sehr umfangreiche zeithistorische Aufarbeitung mit zahlreichen Publikationen vermag dies näher darzustellen. Die Forschungspolitik war in Österreich kurz gesagt durch ein »Nicht-Vorhandensein« gekennzeichnet, im Kompetenzkatalog der Bundesregierung waren Elemente einer dafür notwendigen Regierungspolitik, wenn überhaupt vorhanden, damals auf mehrere Ministerien aufgeteilt und ohne jede Koordination. Eine staatliche (gesamtösterreichische) Forschungskonzeption, wie sie damals schon in den allermeisten europäischen Ländern bzw. entwickelten Industriestaaten Selbstverständlichkeit war, fehlte wie auch vieles andere für Wissenschaft und Forschung mit vergleichbarem internationalen Standard. Diese Defizite in Österreich erkennend erklärte Bruno Kreisky als neu bestellter Bundeskanzler bereits in seiner ersten Regierungserklärung am 27. April 1970 vor dem Nationalrat die »Wissenschaftspolitik als zentrales Anliegen der Bundesregierung« und kündigte in diesem Zusammenhang die Errichtung eines eigenen, für Wissenschaft und Forschung, Universitäten und Hochschulen zuständigen Bundesministeriums an: »… Aus all diesen Gründen (Anmerkung: siehe oben) wird die Bundesregierung – zahlreichen internationalen Beispielen folgend – dem Hohen Haus in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen, der unter anderem die Schaffung eines eigenen Wissenschaftsministeriums zum Ziel hat….« Man sollte sich in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, dass Österreich damals einer der letzten Staaten ohne eigene Regierungsstelle, einem speziellen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, war. Nach parlamentarischer Beratung und Beschlussfassung trat Ende Juli 1970 das Bundesgesetz über die Errichtung eines Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung in Kraft. Dr. Hertha Firnberg, langjährige, auch mit Wissenschafts-, Forschungs- und Bildungsfragen befasste Abgeordnete zum Nationalrat wurde zum Bundesminister für Wissenschaft und Forschung (Anmerkung: die »weibliche« Form der »Bundesministerin« gab es damals noch nicht) bestellt und konnte ab Herbst 1970 mit der Organisation und dem Aufbau dieses neuen Ministeriums und damit mit einer gesamtösterreichischen Regierungspolitik zu Wissenschaft, Forschung und Entwicklung beginnen. Gleichzeitig war sie auch bemüht, wo immer sie konnte, insbesondere in zahlreichen Referaten, Reden, Publikationen, u. a.m. die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung, der Universitäten und Hochschulen sowie einer staatlichen Forschungspolitik mit im internationalen Maßstab vergleichbarer Forschungsförderung zu betonen, dafür zu werben und in der Regierungspolitik sich dafür »stark zu machen«.

Einleitung zu Hertha Firnberg: Die Wissenschaft in der modernen Welt

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In ihren Reden und Publikationen, wie auch exemplarisch in der nachstehend abgedruckten Rede von Hertha Firnberg vom 15. März 1971 vor dem Institut für Gesellschaftspolitik, finden sich daher die die Regierungspolitik damals bestimmenden Elemente, wie die allgemeine Bedeutung der »Wissenschaft in der modernen Welt«, der »Verwissenschaftlichung« und wissenschaftlichen Begründung aller Lebensbereiche, die Verantwortung der Wissenschaften für die Zukunft und Gesellschaft, der wissenschaftlichen und sozialen Verantwortung angesichts der damals schon erkennbaren Entwicklungen in der Welt, die daraus resultierende Situation für Österreich und schließlich die Aufgaben und Vorhaben der Regierungspolitik und damit Ihres Ministeriums. Wie auch aus der Rede erkennbar, war eines der zentralen Themen damals die Frage der »Freiheit und Planung der Wissenschaft«, die sich insbesondere mit dem von konservativer Seite heftig vorgebrachten Argument der »Freiheit der Wissenschaften« auseinanderzusetzen hatte, und womit die Notwendigkeit einer planvollen Gestaltung der wissenschaftlichen Entwicklung, die Forderung nach mehr Transparenz, wissenschaftlichen Programmen und Leitlinien als »Eingriff in den Freiheitsraum der Wissenschaften« denunziert und bekämpft wurden. Dies traf u. a. auch auf die Frage der Einrichtung von gezielt zu fördernden Forschungsschwerpunkten und Forschungsprogrammen zu – wie sie damals bereits weitverbreitet im Ausland waren und heute ganz allgemein selbstverständlich sind. Wie dies Firnberg auch zum Ausdruck brachte, wurde die 1970/71 durchgeführte Prüfung der österreichischen Forschungspolitik durch die OECD (»Wissenschaftspolitik in Österreich – OECD-Prüfbericht und OECD-Bericht über die Konfrontationssitzung 1970, Wien 1971«) als besonderer »Glücksfall« angesehen, nämlich eine von außen kommende internationale Experten Analyse und Beratung gerade zu jenem Zeitpunkt zu erhalten, wo die Bundesregierung die Wissenschaftspolitik zu einem zentralen Anliegen gemacht hatte und die Initiierung einer Forschungspolitik in Österreich überhaupt erstmals Gegenstand wurde. Daher wurde die OECD-Prüfung als ein »Anschub« in der Wissenschafts- und Forschungspolitik, die anfangs mühsam zu erreichen war, aber letztlich erfolgreich angegangen werden konnte, angesehen. Die Erarbeitung einer (umfassenden mittelfristigen) Österreichischen Forschungskonzeption, wie es auch von der OECD empfohlen und auch unterstützt wurde, war demnach eine der ersten zentralen Aufgaben für das neue Ministerium. Firnberg weist in ihrer Rede auch auf ein Projektteam hin, das zur Erarbeitung der Forschungskonzeption eingesetzt wurde. An dem Diskussions- und Beratungsprozess waren alle am Forschungsgeschehen in Österreich Interessierte – man würde heute wohl den Begriff des »Steakholders« verwenden – beteiligt. In vorsichtiger Form – weil man der Arbeit des Projektteams und dem Diskussionsprozess nicht »vorgreifen« wollte – definiert Firnberg in ihrer Rede

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bereits die Grundlinien der künftigen Forschungspolitik: »Die Forschungspolitik hat sich an allgemeinen gesellschafts- und staatspolitischen Zielsetzungen und den Zielsetzungen in den einzelnen Sachpolitiken – Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik und Kulturpolitik – zu orientieren«, wie auch die Zielsetzung eine wesentlichen Verbesserung der Organisation und Förderung der Forschung, einer besseren Kommunikation zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung, einer engeren Kooperation von Wissenschaft, Staat und Wirtschaft, sowie einer verbesserten Koordination der Forschungsprojekte und Institutionen auf der Agenda standen. Zielsetzungen, wie sie heute selbstverständlich erscheinen, aber damals Gegenstand vehementer, auch kontraversieller Diskussionen waren. Wie in der Regierungserklärung angekündigt, war neben der allgemeinen Reform der Situation von Wissenschaft und Forschung in Österreich, aber auch als Teil derselben, die Hochschulreform eines der wichtigsten Anliegen der neuen Ministerschaft. Mit dem Hinweis auf den ersten Diskussionsentwurf für ein neues Universitätsorganisationsgesetz, als geradezu dem »Flaggschiff« der Hochschulreform der 1970er Jahre, gibt Firnberg in ihrer Rede auch einen programmatischen Aufriss der Problemstellungen wie der zu bewältigenden Aufgaben: Angesichts der damals heiß umstrittenen »Drittelparität« (= Mitbestimmung aller an der Universität Tätigen: Professoren/innen, Mittelbau und Studierende) macht Firnberg klar, »dass die Zeit für den Abbau autoritärer Strukturen überreif ist und demokratischen Formen weichen muss…« und »die Zeit für die Demokratisierung dieses letzten patriarchalischen Herrschaftsbereiches gekommen ist…« Ebenso sehr musste auch »Transparenz« bei den Entscheidungen akademischer Organe, insbesondere bei Habilitations- und Berufungsverfahren angemahnt werden. Zum richtigen Verständnis dieser Zielsetzungen muss man sich lediglich an die damals noch vorherrschenden Strukturen und »Machtverhältnisse« an den Hohen Schulen erinnern, die bekanntlich maßgeblich für die Studentenproteste der 1960er und 1970er Jahre gewesen waren. Aber auch die Dringlichkeit und Lösung anstehender quantitativer Probleme der Universitäten und Hochschulen werden deutlich gemacht: Etwa die Bewältigung des »Studentenstromes« und damit auch des Raumbedarfs der Universitäten, der, damals schon erkannt und auch im Zusammenhang mit der Entwicklung verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, eine Verdoppelung der den Universitäten zur Verfügung stehend Nutzflächen erfordern würde, verbesserte finanzielle Ausstattung ebenso wie eine wesentliche Aufstockung des Universitätspersonals (Lehrende, Forschende, sonstiges Personal), dem dann in den folgenden Jahren mit umfangreichen Investitionen in Sach- und Personalressourcen entsprochen wurde.

Einleitung zu Hertha Firnberg: Die Wissenschaft in der modernen Welt

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Wie dies auch in der Rede zum Ausdruck kommt, war es Firnberg stets wichtig auch – mit den Worten der Zeit – den humanen Ansatz von Wissenschaft und Forschung zu betonen: »… der Vereinigung von humanem Standpunkt und rationaler Methodik…«

Hertha Firnberg

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Im gesellschaftlichen und besonders im wirtschaftlichen Leben, das bis vor Kurzem noch im Wesentlichen auf empirisch gefundene und durch die Tradition überlieferte Techniken und Praktiken gegründet war, dringen heute von allen Seiten theoretisch fundierte Verfahren und Betrachtungsweisen ein. Die »Verwissenschaftlichung« unseres Lebens in allen Bereichen ist das charakteristische Phänomen der 2. Hälfte unseres Jahrhunderts. Am unmittelbarsten ist dieser Trend in der Industrie zu erkennen, in der die wissenschaftsgeborenen Zweige in raschem Vordringen sind, und das Entstehen und Vordringen der »Wissensindustrien« (jener Zweige, die Ideen und Informationen erzeugen und verteilen) geht in rasantem Tempo vor sich. Vor allem die Erkenntnis, dass Wissenschaft und Forschung einen wesentlichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten, hat die Regierungen veranlasst, wissenschaftliche Aktivitäten kräftig zu fördern. Aber auch in anderen Bereichen sind die Änderungen durch das Eindringen wissenschaftlicher Denkweisen und Ergebnisse beträchtlich: etwa auf medizinischem Gebiet in der Bekämpfung der Infektionskrankheiten, mit allen Konsequenzen einer verlängerten Lebenserwartung, veränderte Altersstrukturen in entwickelten Ländern, Bevölkerungsexplosion in Entwicklungsländern oder bei der Beeinflussung des Wirtschafsablaufes durch vorherberechnete dosierte staatliche Maßnahmen, die jedenfalls ausreichen, um Krisen klassischer Art zu vermeiden, um nur zwei Beispiele unter einer unüberschaubaren Vielfalt zu nennen. Die Wandlung zur Bildungswirtschaft und Bildungsgesellschaft hin wird durch eindrucksvolle Zahlen illustriert, wie etwa, dass 90 % aller Naturwissenschaftler und Techniker, die je gelebt und gearbeitet haben, unsere Zeitgenossen sind, oder dass im letzten Vierteljahrhundert ungefähr ebenso viele gedruckte Bücher – etwa 30 Millionen! – erschienen sind, wie in dem

1 Rede, 15. 3. 1971, Institut für Gesellschaftspolitik. Die Herausgeber danken Sektionschef Dr. Wolf Frühauf für das Originalmanuskript.

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halben Jahrtausend seit Gutenbergs Erfindung (1450 – 1950). Die Wissenschaft war stets ein dynamisches Element, ein Motor im menschlichen Dasein. Nicht immer waren daher ihre Ergebnisse »gesellschaftskonform«, sondern in einer Zeit, die auf die Erhaltung der gegebenen Ordnung ausgerichtet war, revolutionär, und unerwünscht. Galileis, unsterbliches Wort: »Und sie bewegt sich doch« ist für die Haltung der Gesellschaft wie der Forscher langer Jahrhunderte Symbol. Selbst während des aufgeklärten Absolutismus – einer Epoche relativer Wissenschaftsfreudigkeit – war der vom Staat erwartete Nutzen das entscheidende – und sehr einseitige – Kriterium, das die Einstellung zur Wissenschaft geleitet hat. Die Befassung mit Wissenschaftspolitik ist daher – wie ich kürzlich in einem Referat betonte – ein relativ junges Phänomen und noch weit entfernt davon, in das gesellschaftliche Bewusstsein als Problemkreis hoher sozialer Relevanz aufgenommen zu sein. Doch dürfte Übereinstimmung darüber herrschen, dass die Aufgabe der modernen Wissenschaftspolitik darin besteht, die potentiellen Kräfte der Wissenschaft für den gesellschaftlichen Fortschritt freizumachen, dessen Kriterien in der Humanisierung der menschlichen Existenz zu suchen sind. Die Aussage darf nicht in dem Sinne missverstanden werden, dass die wesentlichen Antriebe für die heutige Wissenschaftsentwicklung etwa humaner oder altruistischer Art sind. Kriegsrüstung, Machtpolitik, Prestigedenken und Gewinnstreben sind entscheidende Faktoren bei der raschen Umsetzung wissenschaftlicher Kenntnisse und Erkenntnisse in technische Errungenschaften. Wir wissen, dass die Nutzung der Kernenergie wie die Nutzung des Weltraumes für die Nachrichtenverbindungen, für Wetterbeobachtungen und für die Feststellung von Bodenschätzen mittels Satelliten – weniger friedlichen Bestrebungen zu danken sind, dass es sich dabei vielmehr um Nebenergebnisse einer primär von strategischen Erwägungen geleiteten Entwicklungen handelt. Diese Tatsache ist keineswegs ein unveränderliches Naturgesetz, sondern muss in die Zielsetzung gesellschaftsrelevanter Veränderungen einbezogen werden, umso mehr, als trotz des rasanten Tempos der wissenschaftlich-technischen Entwicklung, nicht zu übersehen ist, dass diese Entwicklung keinesfalls optimal ist. Dies bezieht sowohl auf die Relation, die zwischen den für friedliche Zwecke verwertbaren Ergebnissen zum gesamten Aufwand besteht, wie auch auf die offenkundigen Missverhältnisse, die zwischen sozialen Präferenzen und den Bedürfnissen offenbar wird, denen durch eine derart gestaltete Wissenschaftspolitik entsprochen wird. In letzterer Feststellung sind auch die unmittelbaren Akteure eingeschlossen: die wissenschaftlich gebildeten und wissenschaftlich tätigen Menschen, die Art ihrer Ausbildung, ihre berufliche Verwendung, die

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Förderung ihrer Betätigung und die Beeinflussung der Wahl ihrer Laufbahn und ihrer Arbeitsrichtung. Die Wissenschaftsentwicklung Österreichs ist naturgemäß nicht durch militärische Gesichtspunkte oder außenpolitische Prestigeerwägungen geformt, sondern unser Problem liegt darin, in einer von derartigen Kräften bestimmten Welt als kleiner Staat zu leben und zu überleben. Eine zweite, aber nicht minder bedeutsame unserer österreichischen spezifischen Wissenschaftsproblematik liegt und lag darin, dass eine permanente Auseinandersetzung über Wesen und Gestaltung der Österreichischen Wissenschaftspolitik zwischen konservativen und progressiven Kreisen im Gange ist. Kennzeichen der Kontrast-Positionen sind einerseits das Festhalten an überkommenen Leitbildern für Lehre und Forschung, worüber auch eine moderne Ausdrucksweise nicht hinwegzutäuschen vermag und eine mehr oder minder naive utilitaristische Grundhaltung, die, bei aller Reverenz, dem Ideal der Wissenschaft erwiesen wird, diese in der Praxis vornehmlich nur wegen der Vorteile, die sie als Triebfehler des wirtschaftlichen Wettbewerbes zu bieten verspricht, gelten lässt. Andererseits die Bereitschaft, im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse den eigenen Standpunkt kritisch zu überprüfen, die Übereinstimmung der gesellschaftlichen Organisation mit den sich aus der Wissenschaft ergebenden Resultaten herbeizuführen und das Prinzip, die Wissenschaft als Quelle für soziale Wohlfahrt und kulturelle Werte anzusehen.

Freiheit und Planung der Wissenschaft Die skizzierten gegensätzlichen Standpunkte manifestieren sich besonders deutlich im Konflikt, der sich über die Frage der »Freiheit der Wissenschaft« ständig entzündet. Die Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre ist in Österreich erst seit knapp einem Jahrhundert im Staatsgrundgesetz verankert. Seither hat es Zeitabschnitte gegeben, in denen dieser Grundsatz – ohne wesentliche Proteste der Betroffenen! – verletzt worden ist. Nicht unter Unbehagen und Zweifel an der Motivation müssen daher die Einwände betrachtet werden, die jedes Mal, wenn von der Notwendigkeit einer planvollen Gestaltung der wissenschaftlichen Arbeit oder wissenschaftlichen Leitlinien die Rede ist, von konservativen Seite dahin kommen, dass damit die Freiheit und mit ihr die schöpferische Potenz der Wissenschaft in Gefahr gebracht werden. Jedes Planungsmodell, ja jeder planerische Vorschlag, jede Bemühung, Forschungsprojekte als Entscheidungshilfen durch gezielte Förderungen anzuregen

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und zu lenken, jede konzeptive Überlegung zur Erzielung von bestimmten Schwerpunkten wird als »Eingriff in den Freiheitsraum der Wissenschaft« vehement diskriminiert und denunziert. In der Tat ist diese Besorgnis mit ein Vorwand, um die Verteilung der für die Wissenschaft von den Parlamenten bereit gestellten Mittel und vor allem die Auswirkungen dieser Verteilung auf den wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und – allgemeinen – sozialen Fortschritt im Dunkeln zu lassen, Einblicke zu verhindern, »unter sich«, unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu agieren. Denn jeder Plan – jedes Konzept – besteht darin, Ziele zu definieren. Wenn es darüber hinaus noch Angaben über die notwendigen Hilfsmittel und über Termine enthält, so wird der Plan zu einem operativen Instrument, das durch Vergleich von Ist- und Sollzuständen die Kontrolle – und auch natürlich damit die Selbstkontrolle – über die ausgeübte Tätigkeit gestattet. Dafür setzen sich begreiflicherweise in erster Linie jene gesellschaftlichen Kräfte ein, deren erklärte Absicht es ist, die wissenschaftliche Betätigung in möglichste Übereinstimmung mit dem öffentlichen Interesse zu bringen und zu halten. Sie kommen damit aber auch in doppelter Hinsicht den Bedürfnissen der Wissenschaft entgegen. Einmal dem äußeren, materiellen, denn die Bewilligung der für die Wissenschaft und ihrer Entfaltung notwendigen Mittel durch das Parlament wird umso eher erfolgen, je einsichtiger und zwingender die Absichten und die Aussichten der wissenschaftlichen Tätigkeit dargelegt werden, je mehr in dieser Hinsicht an überzeugenden Argumenten in der unvermeidlichen Auseinandersetzung über die Aufteilung der Haushaltsmittel vorgebracht werden kann, je stärker der Konsens der Öffentlichkeit ist. Zum anderen entspricht aber planvolles Vorgehen gerade dem Wesen der wissenschaftlichen Arbeit, das ja nicht in einem zufälligen Erhaschen von neuen Einsichten und Kenntnissen, sondern in ihrem methodischen Erwerb besteht. Auch der heutige Wissenschaftsbetrieb in dem Teamwork, d. h. das geordnete Zusammenwirken oft großer Gruppen vorherrscht, fordert rationelle Organisation, d. h. Planung. Aus diesen Gründen tendieren auch jene Wissenschaften die weltanschaulich dem konservativen Lager zuneigen, in zunehmendem Maße dazu, die Planung der wissenschaftlichen Tätigkeit zu bejahen.

Wissenschaftliche und soziale Verantwortung Ein weiteres Moment, das die Wissenschaftler mit dem progressiven Lager in Verbindung bringt, ist das zunehmende Gefühl für die soziale Verantwortung, die mit der Ausübung einer wissenschaftlichen Tätigkeit verbunden ist. Fanden vor dem Zweiten Weltkrieg Persönlichkeiten wie Bertrand RUSSEL

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und Albert EINSTEIN, die mit und durch ihr wissenschaftliches Ansehen für mehr Gerechtigkeit und vor allem für Aufrechterhaltung des Friedens zu wirken suchten, nur vereinzelte und zögernde Nachahmer, so hat der Zweite Weltkrieg und namentlich die unleugbar als reines Produkt der Wissenschaft in die Welt getretene Atombombe die Gewissen gründlich wachgerüttelt. Seither ist in weiteren Wellen, die um die Erde gezogen sind, eine Vertiefung und Erweiterung der Bereitschaft der Wissenschaftler zu politischem und sozialem Engagement erfolgt. Die Probleme der Automation, die Möglichkeiten der Manipulation der Menschen, die weitgehenden Möglichkeiten soziopsychologischer Beeinflussungen, der Schock über das bereits vorhandene Ausmaß der Zerstörung unserer Umwelt, der Grundelemente menschlichen Daseins, und nicht zuletzt die Orwellische Apokalypse einer technologisch – wissenschaftlichen, computergesteuerten Herrschaft durch Manipulation haben diese Reaktion ausgelöst und damit als Katalysator zu einer engeren Verbindung zwischen Wissenschaft und den gesellschaftlichen progressiven Kräften gewirkt.

Wissenschaft und Forschung in Österreich In Österreich hat sich diese Entwicklung bisher schwächer als in den meisten anderen Ländern bemerkbar gemacht. Dies ist in hohem Maße historisch bedingt, vor allem dem Umstand zuzuschreiben, dass die Wissenschaftspolitik bis in die jüngste Zeit – von ganz kurzen Perioden am Beginn der Ersten wie der Zweiten Republik abgesehen – die entscheidende Domäne der Konservativen war. Wie nachteilig sich das für dieses Land ausgewirkt hat, geht aus den Untersuchungen hervor, die die OECD zur Wissenschaftspolitik Österreichs angestellt hat. Somit sind die Schritte, die eine progressive österreichische Wissenschaftspolitik zu setzen hat, weitgehend vorgezeichnet: »das Dringendste zu erledigen und auf das Wichtigste nicht zu vergessen.« Die Problematik liegt in der hier angedeuteten Verschränkung von kurzfristig – teilweise unmittelbar – sich auswirkenden Entscheidungen und jenen, die erst in späterer Folge sichtbar zum Tragen kommen, die aber typisch für jede Politik ist und nur in der Wissenschaftspolitik besondere Züge besitzt. Komplexe Probleme stehen im Bereich der Hochschulen an. Hier bietet der der Öffentlichkeit übergebene Diskussionsentwurf für ein neues Universitätsorganisationsgesetz nun ausgiebig Gelegenheit, den eigenen Standpunkt präzise zu definieren. Wie immer man zur streitigen »Drittelparität« stehen mag, es kann keinen

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Zweifel darüber geben, dass die Zeit für den Abbau autoritärer Strukturen überreif ist und demokratischen Formen weichen muss, in der die Durchsetzung der Autorität auf Grund des persönlichen Ansehens und der wissenschaftlichen Leistung und nicht allein Kraft des verliehenen Amts erfolgt. Die Zeit für die Demokratisierung dieses letzten patriarchalischen Herrschaftsbereiches ist gekommen! Von größter Bedeutung ist es, dass rechtzeitig die notwendigen Vorkehrungen für die Bewältigung des Studentenstromes getroffen werden, der auf die Hochschulen zukommt. In dieser Frage scheiden sich die Geister. Die einen meinen, dass die zu erwartende Steigerung der Zahl der ausgebildeten Akademiker nicht zu vertreten sei; die anderen, zu welchen ich auch zähle, meinen hingegen, dass die Gesellschaft von morgen – die Bildungsgesellschaft – sehr wohl eine vermehrte Zahl von Akademikern benötigen wird. Darüber hinaus aber ist das Recht auf Bildung, der subjektiven Begabung adäquate Entfaltung der Persönlichkeit unabdingbares Menschenrecht. Allerdings werden die inneren Proportionen unter den Absolventen der einzelnen Studienrichtungen so beschaffen sein müssen, dass sie den gesellschaftlichen Erfordernissen entsprechen. Durch zwei Mittel kann dies erreicht werden: erstens durch eine, schon zeitgerecht in der Mittelschule einsetzende Studienberatung, zweitens durch eine solche Gestaltung der Studienpläne und Organisation des Lehrbetriebes, dass der Abschluss des Studiums in der gesetzlich dafür vorgesehenen Dauer, (bei der erforderlichen Begabung und dem unerlässlichen Fleiß) doch für eine wesentlich größere Zahl von Studierenden möglich ist, als heute. Vorsichtige Schätzungen über den erforderlichen Raumbedarf der Hochschulen zeigen, dass binnen einem Jahrzehnt die derzeit verfügbare Nutzfläche etwa verdoppelt werden müsste. Dies deutet darauf hin, dass man, um diesen Bedarf befriedigen zu können, andere als die traditionellen Wege wird beschreiten müssen. Vor allem aber wird eine weitgehende Änderung im bisherigen Habilitationsund Berufungsverfahren Platz greifen müssen, um eine gesunde Entwicklung des Hochschulwesens sicherzustellen; wenn irgendwo in unserem Gesellschaftssystem, dann ist hier Transparenz Gebot der Stunde! Die derzeitige persönliche Bindung des Dozenten an den an der Habilitation beteiligten Professor statt in bloß sachlicher Hinsicht an die Abteilung, an der er zu lehren hat, war im besonderen auch Gegenstand der Kritik der OECD. In der Tat bringt dieses System die Gefahr einer Monopolisierung der Meinungen mit sich, die im Gegensatz zu den vom Gesetz garantierten Freiheitsraum der Lehre und dem sachlichen Gebot der Vertretung der verschiedenen Lehrmeinungen an den Hochschulen steht. Es ist unerlässlich, eine grundlegende Reform herbeizuführen, um die personelle Erneuerung und Ergänzung

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der Hochschullehrerschaft in einer Weise zu ermöglichen, die den modernen Anforderungen und den internationalen Normen entspricht. Hier ist auch die entscheidende Schlüsselstellung, um das Unterrichtssystem den Erfordernissen einer weltoffenen und dem Stand der Wissenschaft gemäßen Entwicklung anzupassen, das derzeit noch – wie die OECD zustimmend zitiert: » … eines der konservativsten Bestandteile der Gesellschaft ist; es bietet in vieler Hinsicht ein Spiegelbild der politischen und sozialen Verhältnisse einer entfernten Vergangenheit. In den österreichischen Schulen und Universitäten nimmt die Diskussion nur einen verhältnismäßig kleinen, einen viel zu kleinen Raum ein. In der Tat, das Auswendiglernen ist auf unseren Schulen nicht ausgestorben … Man kann daher sagen, dass in der österreichischen Erziehung die Berufung auf die Autoritäten eine größere Rolle spielt als das Argument und die Diskussion, und die Vermittlung von Tatsachen-Wissen mehr als die Schulung in Methoden und im selbstständigen Denken«. (Bildungsplanung in Österreich. Erziehung, Planung und Wirtschaftswachstum 1965 – 1969, S 277 – 278.) Davon kann man auch die Größe der Aufgabe ermessen, die vor uns liegt! Der wichtigste Teil der wissenschaftlichen Aktivität besteht nicht in der Bewahrung und im Weitergeben von vorhandenem, sondern in der Erwerbung von neuem Wissen und neuer Einsicht: in der Forschung. Viel zu lange ist in Österreich die Forschung auf Sparflamme gesetzt gewesen wie Prof. Grum sagte, »zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel…« eine »chronische Unterernährung«… Der Aufwand für F& E ist in den letzten Jahren zwar etwas rascher gewachsen als das nominelle BIP – Österreich liegt damit aber immer noch unter dem Niveau vergleichbarer westlicher Industriestaaten. (seit 1967) F & E 54 %, BIP 40 % 1967 – dem letzten Jahr, für das eine internationale Erhebung der F & E Ausgaben vorliegt – lag Österreich mit 8,5 US Dollar F & E-Ausgaben/Kopf der Bevölkerung mit Italien und Dänemark an letzter Stelle der OECD-Industriestaaten. Gemessen am Bruttonationalprodukt gab Österreich 0,6 %, Italien und Dänemark 0,7 % aus. Die F & E-Ausgaben vergleichbarer kleinerer Industriestaaten schwanken zwischen 0,9 % (Belgien) und 2,3 % (Niederlande). Manche glauben, dass man alles, was auf diesem Gebiete nachzuholen ist, durch die Förderung subjektiver Aktivitäten über die beiden im Jahre 1967 gesetzlich begründeten Fonds (Anmerkung: Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und Fonds der gewerblichen Wirtschaft) erreichen kann. Man brauche nur diese dazu materiell auszustatten. Diese Ansicht kann ich nicht teilen. Unbestritten ist die Bedeutung der Fonds und die Notwendigkeit ihrer zunehmenden besseren Dotierung, ich selbst habe diesen Standpunkt immer wieder vertreten. Aber was darüber hinaus benötigt

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wird, ist mehr : Nämlich nach einer Situationsanalyse eine in Forschungskonzepten niedergelegte klare Vorstellung über die in der Forschung anzustrebenden Ziele, über die zur Erreichung dieser Ziele notwendigen Maßnahmen, die hierfür benötigten personellen sowie materiellen Mittel und der Nachweis, dass die Erreichung der gesteckten Ziele mit unseren Mitteln tatsächlich möglich ist und unsere Stellung im internationalen Wettbewerb stärken wird. Die Forschungs-Sektion meines Ministeriums versucht, dieses Problem vorerst von zwei Seiten aus anzupacken: Einerseits durch Erarbeitung einzelner Konzepte auf überschaubaren konkreten Gebieten wie etwa die Ermittlung des Bedarfs an elektronischer Datenverarbeitung im wissenschaftlich-akademischen Bereich in den nächsten Jahren und dessen optimale technische und wirtschaftliche Deckung, die Ausarbeitung eines mittelfristigen Arbeitskonzepts für die Hochspannungsforschung in Österreich, durch die eine wesentlich verbesserte Ausnützung der vorhandenen teuren Anlagen gesichert werden soll, die Aufstellung von Forschungskonzepten für die beiden größten außeruniversitären Forschungsorganisationen in Österreich, nämlich der Studiengesellschaft für Atomenergie und der Bundesversuchs- und Forschungsanstalt Arsenal, und durch eine Reihe ähnlich gearteter Einzeluntersuchungen. Eine Reihe von Untersuchungen über Problemstellungen, die für die Einsicht und Beurteilung der Wissenschafts- und Forschungssituation unabdingbar sind sowie Voraussetzung für gezielte Maßnahmen, werden als Forschungsaufträge vergeben, so etwa über die in Österreich vorhandenen Strukturen oder eine Untersuchung über die Ursachen des brain-drain, jene größte Vergeudung, die Österreich sich leistet: Den Gratisexport des Begabtenpotenitals. Es ist nämlich keineswegs so, dass konzeptive Forschungsförderung sich auf naturwissenschaftlich-technologische Aspekte begrenzen kann, sondern soziale und humane, bildungs- und kulturpolitische wie gesellschaftspolitische Bereiche, sind, wenn auch in einem geringeren Ausmaß, einzubeziehen. In diesem Sinn versucht die Forschungssektion die Verfassung einer alle Bereiche der Forschung umfassenden mittelfristigen österreichischen Forschungs-Konzeption. Mit dieser Aufgabe ist ein eigenes Projektteam befasst, dass bisher die Analyse des gegenwärtigen Zustandes, die Zielsetzungen und die Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele diskutiert hat und das, darauf aufbauend, auch ein längerfristiges Programm für die finanziellen Erfordernisse erarbeiten wird. Es darf damit gerechnet werden, dass dieses Projekt-Team seine Arbeit noch vor dem Sommer dieses Jahres beendet haben wird. Ohne endgültigen Aussagen dieses Projektteams, das von Experten der OECD unterstützt wird, damit vorzugreifen, kann festgestellt werden, dass, um ein ausreichendes Maß an Forschungstätigkeit in Österreich zu erreichen, zu der Projektförderung durch die Fonds Forschungsschwerpunkte treten müssen, die ein wesentlich neues Element in der österreichischen Forschungspolitik dar-

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stellen und deren Etablierung einen staatlichen Willensakt zur Voraussetzung haben. Wesentliche Verbesserungen müssen in der Organisationen der Forschung erzielt werden. Dazu zählt insbesondere die Herbeiführung einer besseren Kommunikation zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung, eine engere Kooperation von Wissenschaft, Staat und Wirtschaft, eine verbesserte Koordination der Forschungsprojekte und Institutionen. Eines der Mittel dazu wird eine umfassende Forschungsdokumentation bilden, die auf der Grundlage eines betriebswirtschaftlichen Kontensystems der Forschungsinstitutionen sowohl den Soll-Ist-Vergleich der Vorhaben wie einer Evidenz über die Gesamtheit aller Vorhaben gestattet wird. Dieses Instrument wird zweifellos auch einen günstigen Einfluss auf die Erhöhung der Effizienz der Forschung ausüben. Wir schließen hier an die Empfehlungen des OECD Wissenschaftsprüfungsberichtes an: Der OECD-Bericht schließt: »Ein umfassendes Konzept der künftigen Möglichkeiten, das geeignet ist, verschiedene Hindernisse zu überwinden, die einem besseren gegenseitigen Verständnis und der engeren Planung und Koordination der Forschungs- und Entwicklungsprogramme entgegenstehen, könnte dazu beitragen, die Kluft zwischen den Wünschen und potentiellen Bedürfnissen der Volkswirtschaft – ich füge hinzu: und der Gesellschaft – einerseits und den zu mobilisierenden Ressourcen andererseits zu überbrücken.«

Meines Erachtens ist es als besonderer Glücksfall anzusehen, dass gerade zu einem Zeitpunkt, in dem die Bundesregierung die Wissenschaftspolitik zu einem zentralen Anliegen gemacht hat, die OECD sich mit der speziellen wissenschaftspolitischen Problematik in Österreich auseinandergesetzt hat. Eine Analyse dieser Art, ausgeführt mit größter Sorgfalt und reicher internationaler Erfahrung, ist schon deswegen sehr wertvoll, weil sie objektiv und frei von partiellen Interessen verfasst wurde, weil sie auch nicht der Gefahr einer, man könnte sagen, österreichischen »Betriebsblindheit« ausgesetzt ist. Unsere Aufgabe ist es, die Rahmenempfehlungen der OECD mit den konkreten und detaillierten Analysen und Schlussfolgerungen und letzten Endes Maßnahmen zu füllen. Als Allgemeine Zielsetzungen sind als vorläufige Formulierung – folgende Grundsätze deponiert: Die Forschungspolitik hat sich in allgemeinem gesellschafts- und staatspolitischen Zielsetzungen und den Zielsetzungen in den einzelnen Sachbereichspolitiken – Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik und Kulturpolitik – zu orientieren. Sie ist integrierender Teil der einzelnen Sachbereichspolitiken und Instrument zur Erreichung ihrer Zielsetzungen:

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Wirtschaftspolitische Zielsetzungen Wirtschaftswachstum, Preisstabilität, ausgeglichene Handels- und Zahlungsbilanz, Vollbeschäftigung. Sozialpolitische Zielsetzungen Volksgesundheit, Altersfürsorge, günstige Umweltbedingungen, Vermeidung von Armut, chancengleiche Regionalstruktur. Kulturpolitische Zielsetzungen Erhöhung des Bildungs- und Forschungsniveaus verbunden mit einer breiten Streuung, Bereitschaft zum Lernen, Aufgeschlossenheit gegenüber dem Neuen, Toleranz, Interesse am wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Geschehen, Bereitschaft zum Engagement.

Die Zukunft der Wissenschaft Eine Voraussage darüber, zu welchen Errungenschaften die Einzelwissenschaften künftig gelangen werden, ist Gegenstand vieler Spekulationen, deren Sicherheitsgrad problematisch bleibt, Hypothesen und Vermutungen zwar, aber nicht ohne Rückwirkung auf die reale Entwicklung. Im grossen gesehen jedoch ist eine genauere Vorstellung über die künftige Entwicklung möglich; sie gestattet die Aussage, dass die unmittelbaren Auswirkungen der Wissenschaft auf unser Dasein sich progressiv vergrößern, und dass sie vielleicht sogar eine neue Qualität gewinnen werden. An zwei Beispielen sei dies angedeutet. Einmal lassen es die enormen Fortschritte der Biochemie erwarten, dass man nicht nur Einblick in den Ablauf einzelner Lebensvorgänge erlangt, sondern dass in absehbarer Zeit das Wesen des Lebens selbst verstanden werden wird. – Zum zweiten bieten die Computer bisher nicht vorhandene Möglichkeiten zur Analyse komplexer Systeme – insbesondere auch gesellschaftlicher – und gestatten es damit, den Umkreis, in welchem rationelle Entscheidungen in sozialem Bereich getroffen werden können, ungemein zu erweitern. Dieser letztere Hinweis bedarf aber in zweierlei Hinsicht einer Ergänzung. So wichtig die Anregungen auch sind, die auf die Gesellschaftswissenschaften von der Naturwissenschaften ausgeübt werden, so bedeutungsvoll auch die Hilfe ist, die den Sozialwissenschaften durch die nun verfügbaren technischen Mittel

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erwiesen wird, so wenig sind die Gesellschaftswissenschaften als bloße Fortsetzung oder identer Teile der Naturwissenschaften anzusehen. Die technischen Mittel können die Inhalte dieser Wissenschaften nicht ersetzen oder bestimmen: Ökonomie und Soziometrie sind nicht Ökonomie und Soziologie. Die Wissenschaft liefert (oder ist imstande zu liefern) die Alternativen, die für Entscheidungen offen stehen, aber nicht die Kriterien für die Auswahl: sie ist Entscheidungshilfe, nicht Entscheidung. Hier handelt es sich im weiten Maße um willenspolitische Willensakte. Die Rolle der Politik nimmt in der durch die Wissenschaften in Umbruch begriffenen Welt zu. Sie wird aber nur dann zu befriedigenden Resultaten führen, wenn sie auf der Vereinigung von humanem Standpunkt mit rationaler Methodik beruht.

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Interviews mit Wolf Frühauf, Arnold Schmidt, Kurt Komarek und Manfried Welan

Interview mit Sektionschef i. R. Dr. Wolf Frühauf F: Könnten Sie erste Beispiele der Zusammenarbeit zwischen dem neu gegründeten Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung mit der Stadt Wien und der Universität Wien geben? Frühauf: Die erste wirkliche Kooperation betraf die Standortplanung im Sternwartepark 1972, die ja bekanntlich damit geendet hat, dass es uns nicht erlaubt wurde, an dieser Stelle zu bauen, obwohl rundherum die diversen Cottage-Genossenschaften bauen durften. Die Bürger und Anrainer dort wollten offenbar nicht durch Studenten gestört werden. Von Bundesseite her war die Sternwarte Bundesareal, die Sternwarte war in der zweiten Hälfte des 19. Jh. errichtet worden. Damals gab es an jener Stelle einen Park, weitab vom Zentrum der Stadt, das Areal rundherum war noch weitgehend grün und von der Stadtentwicklung nicht betroffen, denn eine Sternwarte braucht den dunklen Abendhimmel. Pläne des Ministeriums für dieses Gebiet waren schon in den 1960er Jahren entwickelt worden – im Rahmen einer Randverbauung sollte dort die Zoologie angesiedelt werden, die bis zu diesem Zeitpunkt im 2. Stock des Hauptgebäudes der Universität, oberhalb der Juristen untergebracht war. Insgesamt gesehen gab es in den 1970er Jahren einen Finanzminister, Hannes Androsch, der Wissenschaftsverständnis gehabt hat. Wissenschaftsminister Hertha Firnberg und Androsch konnten bekanntlich sehr gut miteinander. Androsch hat viel dazu beigetragen, dass der ungeheure Nachholbedarf verringert wurde – wir hatten in den frühen 1970er Jahren im Budget jährliche Steigerungsraten von 20 % und darüber, und durch mehrere Jahre bekamen wir 500 neue Planstellen. Es war eine gute Zeit, und es war auch die passende Gesinnung da – man wollte etwas bewegen, und zwar schnell. Zum Beispiel zur Behebung der Raumnot der seinerzeitigen Hochschule für Welthandel, jetzt: Wirtschaftsuniversität. Gemeinsam mit den Sozialpartnern wurde damals die Idee entwickelt, am

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Interviews

Franz-Josephs-Bahnhof zu bauen. Bei diesem Bauprojekt hat man auch mit der Stadt Wien eine sehr gute Zusammenarbeit gefunden, wobei in diesem Zusammenhang auch Räumlichkeiten für die Zoologie geschaffen wurden. Mit diesem Projekt war auch einer der Grundsteine dafür gelegt, dass auch die Stadt Wien begann, verstärkt die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung zu erkennen.

Interview mit em. o. Univ.-Prof. Dr. Arnold Schmidt F: Wie waren die Rahmenbedingungen für junge ForscherInnen Mitte der 1970er Jahre? Schmidt: 1975 kehrten wir, meine Frau und ich mit unseren beiden Kindern, die in Berkeley geboren wurden, nach Österreich zurück. Hier konnte ich auf Einladung meines Freundes Hans Pötzl, der inzwischen Professor geworden war, eine Assistentenstellen bekommen. Er war ein außergewöhnlicher Mann, der leider viel zu früh gestorben ist. Sein Institut fand genügend Platz in einem neuen, sehr angenehmen Institutsgebäude. Er bot mir einen Assistentenstelle an. Zudem sicherte er mir neben der vollkommenen Freiheit in der Forschung auch ausreichend Räumlichkeiten zu. Bedingung war aber, dass ich mich selbst um Geld und alles andere kümmern müsste. Ich nahm dieses sehr großzügige Angebot an und war damit also Assistent, praktisch aber ohne Verpflichtungen gegenüber dem Institut, kümmerte mich um die Finanzierung – sie kam größtenteils vom FWF, außerdem vom Jubiläumsfonds der Nationalbank und auch immer wieder von der Universität – und konnte auf diese Weise dort ein Forschungsteam für nicht lineare Optik und Quantenelektronik aufbauen. Ich habe vor allem auf dem Gebiet der ultrakurzen Impulse gearbeitet. Die Laser lassen sich nämlich dazu bringen, das abgestrahlte Licht anstatt kontinuierlich in Form von kurzen Impulsen abzugeben. Dieses Gebiet, dass sich aus sehr kleinen Anfängen entwickelte, ist nach wie vor von zunehmend wachsender großer wissenschaftlicher und technischer Bedeutung. F: Sie erwähnten ihre Rückkehr nach Österreich. Hielten Sie während Ihres langjährigen Auslandsaufenthalts die Kontakte zu Österreich aufrecht? Schmidt: Ja, die Kontakte bestanden die ganze Zeit über. F: Die Rückberufung war also kein Zufall und ihre Leistungen im Ausland waren hierzulande bekannt?

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Schmidt: Ja, wir waren zwar zehn Jahre aus Österreich weg, ich hatte aber immer die Absicht, nach Wien zurückzukehren, es war nur eine Frage der Zeit, wann dies geschehen würde. Sowohl die Forschungstätigkeit im Ausland als auch die Rückkehr waren in meiner Lebensplanung vorgesehen. Ersteres war ja auch eigentlich der Grund, der zu meiner Entlassung durch Koch geführt hat. Die Rückkehr war insofern leicht, da ich keine hohen Ansprüche stellte und mich mit einem Assistentenposten in einer freundlichen Atmosphäre zufriedengab. Natürlich war damit die Absicht verknüpft, mich zu habilitieren. In der Zwischenzeit hatte sich an den Universitäten sehr viel verändert, es herrschte ein ganz anderer Geist, es gab ordentliche Wissenschaftler und auch das nötige Geld. Wobei ich die Verhältnisse in keiner Weise generalisieren möchte, also dass vorher alles schlecht und dann alles blühend war. Ich spreche also nur von meinem engen Forschungsmilieu. Ich war bei meiner Rückkehr 37 Jahre alt: Genau die richtige Zeit, um sich zu habilitieren und eine Gruppe aufzubauen. Ich war das auch aus den USA so gewohnt, und die Tatsache, dass ich eine Tabula rasa vorfand, empfand ich nicht als belastend. Dazu kam eine wichtige Neuerung, nämlich die Gründung des Forschungsförderungsfonds. Das war ein ganz einschneidendes Ereignis. Man kann nicht sagen, dass dies ein Zufall war, wenngleich es in der Politik immer so zufällige Komponenten gibt. Dieser Fonds hat sich im Laufe der Jahre immer besser entwickelt. Er hatte allerdings auch einen günstigen Start, und zwar dadurch, dass ihm in Gestalt von Hans Tuppy ein Präsident vorstand, der auch – im Gegensatz zu Präsidenten anderer Bereiche der Universität – zuvor die Welt von außen gesehen hatte – er verbrachte nämlich einen längeren Zeitraum in England. In dieser Beziehung, also was Kontakte zur Außenwelt betrifft, waren die Naturwissenschaften früher dran als andere Disziplinen und verfügen vermutlich auch heute noch über bessere Kontakte. Hier fand praktisch beginnend mit 1945 ein kontinuierlicher Prozess der Internationalisierung statt, und das ohne Unterstützung einer ordentlichen Forschungspolitik, die es damals nämlich noch gar nicht gab. In Österreich wurden in der damaligen Zeit internationale Naturwissenschaftler gesucht, und mit diesen Wissenschaftlern konnte dann auch der internationale Geist nach Österreich diffundieren. Dazu kam, dass der FWF auch eine neue Organisation war, deren Gründung übrigens eine Debatte vorausgegangen waren, in deren Verlauf u. a. die Akademie der Wissenschaften sich zu Wort meldete und argumentierte, die für den Fonds vorgesehenen Mittel würden ihr ohnedies unzureichendes Budget beschneiden. Wenn aber der Akademie die Aufgabe der Forschungsförderung übertragen worden wäre, so hätte sich meiner Überzeugung nach der Fonds nicht annähernd so gut entwickeln können. Nicht, weil die Akademie so unge-

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eignet gewesen wäre, sondern weil die alte Struktur viele Restriktionen auferlegt hätte, die beim FWF von vornherein fehlten. Aber auch beim FWF gab es anfangs Probleme, die dann im Laufe der Jahre beseitigt werden konnten. Ich denke etwa an das frühe Begutachtungsverfahren, das, nach heutigen Maßstäben, dieses Wort nicht verdienen würde. Oder beispielsweise das Thema der Befangenheit, die in weiten Kreisen des akademischen Lebens kein Thema war und außerhalb der Universität oft heute noch kein Thema ist, wurde problematisiert und von Jahr zu Jahr verbessert. In meiner Zeit wurde schließlich ein explizites Verbot, österreichische Gutachter zu verwenden, statuiert. Als ich mir das überlegte, habe ich dabei durchaus mögliche politische Widerstände einkalkuliert, so dass ich diese Neuerung nicht in einem Zug, sondern schrittweise eingeführt habe. Ich schätze, dass dieses Problem in der Mitte meiner Amtszeit (Anm.: um 1998) erledigt war. Es gab dann nur noch Ausnahmen für bestimmte Spezialgebiete, und die Entscheidung für die fallweise Verwendung inländischer Gutachter war bzw. blieb schlussendlich Chefsache. Das andere war die Anregung, Forschungsanträge auf Englisch zu verfassen. Das war etwas, was insbesondere die Naturwissenschaftler, die es schon lange gewohnt waren, Forschungsergebnisse englisch zu publizieren, seit langem ärgerte und die in ihren Anträgen oft Probleme hatten, nach neuen Begriffen zu suchen, für die es zwar englische, nicht aber deutsche Bezeichnungen gab. Es gab dafür in meiner Erinnerung nur ein ostdeutsches technisches Lexikon, in dem man in diesem Fall nachsehen konnte. Bei ihnen rannte man mit der Regel, nur noch englische Anträge zu verwenden, also offene Türen ein. Gewisse Widerstände kamen meiner Meinung nach gelegentlich von einem deutschen Gutachter, einem Chemiker, der meinte, dass die gemeinsame Muttersprache, die wir doch hätten, hochgehalten werden müsse. Aber auch diese Einwände waren vorübergehender Natur. Dass der Fonds diese ganzen Sachen gemacht und sozusagen promoviert hat, ist ein enormes Verdienst, wobei es vermutlich kein Zufall ist, dass auch die Präsidenten des Fonds, sowohl Tuppy als auch Komarek und Rauch, ein entsprechendes Format hatten. Auch unter Rauch, der zwar nur eine Periode Präsident war, wurde eine Reihe von Neuerungen eingeführt. Dann kam schon meine Zeit als Präsident, wobei ich vielleicht erwähnen muss, dass ich zugleich mit meiner Bestellung auch bewusst den Ausstieg aus der aktiven Forschung vollzog. Mein Institut stand zu diesem Zeitpunkt bereits auf festen Beinen, hat sehr viele gute Leute hervorgebracht. So kam ich also in die Forschungspolitik, die mich zwar schon immer interessiert hatte, in der ich aber bisher nicht tätig gewesen war, mit Ausnahme vielleicht von meiner Zeit in der Christian-Doppler-Gesellschaft.

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F: Möchten Sie vielleicht auch zu diesem Aspekt ihrer Tätigkeit etwas sagen? Schmidt: Es hat sich eigentlich dadurch ergeben, dass ich, obzwar ohne großes technisches Verständnis, immer sehr an Anwendungsmöglichkeiten interessiert war. Ich besitze selbst nur ein einziges Patent, und auch das ist schon ziemlich alt. Ich bin zu einem Zeitpunkt in die Wirtschaft gekommen, als die verstaatlichte Industrie nach der Intertrading-Affäre neu strukturiert und der Aufsichtsrat neu besetzt wurde. Irgendwer hatte in diesem Zusammenhang die Idee, man müsste in diesem Aufsichtsrat, in dem u. a. Hollweger, Industrielle wie der Generaldirektor der Plansee-Werke, ferner Tessmar-Pfohl, ein Grazer Industrieller und andere, g’standene Wirtschaftler vertreten waren, auch Wissenschaftler platzieren. Und als Wissenschaftler befand ich mich dort in einer für mich sehr fremden Welt, wie umgekehrt vermutlich auch ich von den anderen als etwas Exotisches angesehen wurde. Ich fragte mich natürlich, was denn meine Aufgabe in diesem Gremium sein könnte, und überlegte mir – das Wort Wissensgesellschaft war damals noch nicht erfunden –, wie man eine vernünftige Querverbindung zwischen guten Gruppen an den Universitäten, von denen ich überzeugt war, dass es sie gibt, und der verstaatlichten Industrie herstellen könnte. Ich trug diesen Gedanken dem damaligen Generaldirektor der ÖIAG, Hugo M. Sekyra, vor, mit dem ich mich sehr gut verstand und der diese Idee grundsätzlich gut fand, mich aber bat, meine Gedanken dazu mit entsprechenden Vorschlägen zu Papier zu bringen. Man muss dazu sagen, dass es schon vorher Förderungen aus der verstaatlichten Industrie an einzelne Wissenschaftler bzw. Institute gab, die nützliche Forschungsergebnisse lieferten, wie z. B. an die Montanistik in Leoben, aber auch an andere, aber nur punktuell. Ich habe ihm versprochen, dass wir für die Christian Doppler-Gesellschaft nicht mehr Geld brauchen würden, als wie schon bisher zur Verfügung gestellt wurde, nur dass die Förderung systematisiert werden sollte. F: Hatte die Doppler-Gesellschaft auch andere Finanziers? Schmidt: Nein, anfangs nur die Verstaatlichte Industrie, wobei genau genommen ein Teil des Budgets von der Zentrale und ein Teil von den einzelnen Konzernfirmen aufgebracht wurde, die sich dahingehend verständigen mussten. Als die verstaatlichte Industrie (aber das war bereits nach meiner Zeit), dann gänzlich aufgelöst wurde, blieben einige Firmen weiterhin Mitglieder in dem Förderverein. Und so entstand die jetzige Struktur, die verhältnismäßig weit weg ist von dem, was wir damals gemacht haben. In diesem Bereich habe ich mich einige Zeit lang engagiert, und dann wurde von Kurt Komarek das Ansinnen an mich herangetragen, ob ich nicht Präsident des FWF werden möchte, wobei er gleichzeitig aber auf die Unvereinbarkeit

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beider Funktionen verwiesen hat. Das war nachvollziehbar, und ich legte meine Funktion bei der Doppler-Gesellschaft noch vor meiner Bestellung als FWFPräsident zurück. F: Darf ich Sie in diesem Zusammenhang, weil Sie oben Ihr frühes Interesse für Forschungsprojekte erwähnten, offen fragen: Waren Sie zu irgendeinem Zeitpunkt an einem Wechsel in die Politik interessiert? Schmidt: Nein. Aber es hat mich auch nie jemand direkt gefragt. Ich bin so auch nie in die Versuchung gekommen, Ja zu sagen. Meiner Selbsteinschätzung nach wäre ich dafür vermutlich, im Gegensatz zu meiner Tätigkeit als Fondspräsident, auch ziemlich ungeeignet gewesen. Und mein Amt als Fondspräsident hat mir auch immer große Freude bereitet.

Interview mit Rektor i. R. em. Univ.-Prof. Dr. Kurt Komarek F: Welche Möglichkeiten boten sich für Rückkehrer in der österreichischen Forschung in den späten 1960er Jahren? Komarek: Vielleicht einleitend nur ein paar Bemerkungen als Rahmen: Ich bin im Jahr 1966 aus den USA zurückgekommen. Ich war 11 Jahre, von 1955 bis 1966, in den Vereinigten Staaten und dort zuletzt bereits full professor in tenure, das entspricht einer Pragmatisierung hierzulande. Ich war einer der ersten Rückkehrer, die vom damaligen Unterrichtsminister Piffl-Percˇevic´ nach Wien zurückgeholt wurden. Meiner Rückkehr gingen einjährige Verhandlungen voraus. Damals begannen auch hier unruhige Zeiten, und es gab Probleme mit den Studenten und keine funktionierende Gesprächsbasis; daraufhin kam es zur Einrichtung des Kontaktkomitees, des ersten gemischten paritätischen Komitees von Studenten und Professoren gemeinsam. Man suchte dafür einen Vorsitzenden, und sie haben mich für diese Funktion gewählt in der Annahme, dass jemand, der aus den USA kam und dort anders mit Studenten umgegangen ist, es auch hier besser machen könne. F: Zumal ja in den USA damals auch nicht gerade Ruhe herrschte an den Universitäten. Komarek: Nein, auch nicht, aber an meiner Universität, der New York University, spielte die Studentenbewegung keine Rolle. Zuletzt war ich dort sogar Mitglied des Akademischen Senats, was insofern eine Besonderheit war, als ich nach wie vor österreichischer Staatsbürger war.

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Als ich nach meiner Rückkehr 1974/75 zum Dekan der Philosophischen Fakultät ernannt wurde, war ich, glaube ich, der letzte Dekan der Universität Wien vor deren Teilung, danach wurde ich nahtlos Prärektor – 1976/77. 1977 – 1979 war ich Rektor und Vorsitzender der österreichischen Rektorenkonferenz und Mitglied des permanenten Komitees der europäischen Rektorenkonferenz, 1979 – 1980 dann Prorektor und 1982 – 1991 Präsident des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Es war die Zeit der Umsetzung der UOG-Reform, die ja Mitbestimmungsrechte für den Mittelbau (Assistenten) und die Studenten vorsah, und ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, vor jeder Sitzung des Akademischen Senats mit jeder dieser beiden Gruppen Einzelgespräche zu führen. Bei diesen Gesprächen lernte ich übrigens auch den heutigen Wiener Bürgermeister Michael Häupl kennen, der damals ja Vorsitzender des VSSTÖ war und als solcher an den Sitzungen des Senats teilnahm. Ich habe mich damals, besonders während meiner Funktionszeit als Rektor, auch bemüht, die Beziehungen zwischen der Stadt Wien und der Universität zu verbessern. Denn diese waren bis dahin großteils von Distanz geprägt, was meiner Ansicht nach zum überwiegenden Teil Schuld der Universität war, weil die Universität eine sehr konservative Position eingenommen hat. Die Stadt bzw. der Bürgermeister hingegen waren bekanntermaßen immer von der SPÖ bestimmt. Ich habe mich sehr um eine Verbesserung bemüht. Gelegenheit dazu bot mir meine jahrelange Tätigkeit im Rahmen der Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien, wo ich über einen sehr langen Zeitraum Vorsitzender des Entscheidungsgremiums war, das über die Förderung der Naturwissenschaften zu befinden hatte. Es stand dabei keine große Summe an Vergabemitteln zur Verfügung, da das Stiftungskapital damals 50 Millionen Schilling betrug, wovon die Zinsen für kleinere Projekte zur Verfügung standen. Amtsführende Stadträtin, zu deren Ressort die Stiftung gehörte, war Gertrude Fröhlich-Sandner, die, da ihr 50 Millionen Schilling als eine geringfügige Summe erschienen, das Stiftungskapital in einem Jahr verteilen wollte. Damit wäre die Hochschuljubiläumsstiftung aber ohne Kapital dagestanden. Dagegen habe ich mich zur Wehr gesetzt, weil ich wusste, dass man auch mit kleinen Geldbeträgen nützliche wissenschaftliche Arbeiten stimulieren kann, etwa im Bereich der Biologie. Ich wandte mich daraufhin an den damaligen Vizebürgermeister Erhard Busek und schilderte ihm das Problem und erhielt daraufhin prompt meine erste politische Lektion erteilt. Er hörte sich mein Anliegen an, sicherte mir sofort seine Unterstützung zu und stellte auch einen Antrag auf Erhöhung der Stiftungsmittel – prompt wurde der von der Mehrheit niedergestimmt, weil er von der ÖVP kam. Ich zog für mich daraus den Schluss, Wünsche künftig nur mehr an die Mehrheitsfraktion zu richten: Ich kannte auch den damaligen Magis-

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tratsdirektor Bandion und trug ihm ebenfalls das Problem vor. Er versprach, sich für mein Anliegen einzusetzen, rief mich dann auch – ich glaube sogar schon am nächsten Tag – um 7.30 Uhr in der Früh an und fragte mich, ob ich Zeit hätte. Wir gingen gemeinsam zum Finanzstadtrat Mayr, dem ich ebenfalls mein Anliegen vortrug. Das Gespräch dauerte kaum mehr als eine Viertelstunde und das Resultat war, dass das Stiftungskapital von 50 auf 100 Millionen Schilling verdoppelt wurde. F: Könnten Sie vielleicht als Angehöriger der Vergabekommission noch etwas näher auf die Kriterien bei der Vergabe der Mittel durch die Hochschuljubiläumsstiftung eingehen? Wurde dabei etwa auch Bedacht genommen auf Interessen der Stadt Wien? Komarek: Die Vergabekommission bestand, mich als Obmann eingeschlossen, nur aus drei Leuten, neben mir Professor Hermann Michel und Professor Otto Hittmair, der auch Präsident der Akademie war. Die im Rahmen der Projektförderung verteilten Beträge waren relativ klein, lagen bei 30.000 – 50.000 Schilling. Man konnte damit aber beispielsweise zahlreiche Projekte unterstützen. Ich erinnere mich beispielsweise an mehrere Projektförderungen, die die Biologin Marianne Popp, heute Professorin an der Universität und Mitglied der Akademie der Wissenschaften, damals noch als Studentin erhielt, die ihr die Durchführung kleinerer, aber sehr nützlicher Projekte gestatteten. Damit konnte man etwa über den Sommer die Qualität von Bächen in und um Wien herum untersuchen. Die Vergabekommission war nach den Statuten nicht verpflichtet, bei der Mittelvergabe auf einen expliziten Wien-Bezug zu achten. Natürlich mussten die Anträge wissenschaftlich begründet sein, wir hatten hier vollkommen freie Hand, und es kam nie zu einer Intervention seitens der Stadt, wogegen ich mich auch sehr gewehrt hätte. Ich möchte an dieser Stelle vielleicht erwähnen, dass einmal Bundespräsident Rudolf Kirchschläger anlässlich eines Staatsbesuches des bulgarischen Staatspräsidenten Todor Schiwkow an mich die Frage richtete, ob wir Schiwkow nicht das Ehrendoktorat der Universität verleihen könnten. Das kam für mich überhaupt nicht in Frage, und ich antwortete ihm, wir würden diese Anregung sehr gerne prüfen, ersuchen aber um Vorlage seiner wissenschaftlichen Arbeiten. Wir haben daraufhin nichts mehr davon gehört. Ich ersinne mich auch noch einer anderen Intervention in dieser Richtung: ORFGeneralintendant Gerd Bacher ließ seinen Sekretär bei uns anrufen, ob wir dem Verlobten seiner Tochter das Biologiestudium ermöglichen könnten, für das damals in der BRD der Numerus clausus galt. Ich beschied dem Anrufer, dass, wenn Bacher etwas wolle, er sich dann schon selbst bemühen müsste. Auch diese Geschichte verlief daraufhin im Sande.

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Einige Zeit später folgte dann Leopold Gratz als Bürgermeister, mit dem ich ebenfalls in Kontakt kam, weil ich ihm vorschlug, die unter summa cum laude promovierten Absolventen zu einem Mittagessen einzuladen. Das wurde später auch bei in Wien stattfindenden Konferenzen üblich, für deren Teilnehmer die Stadt jeweils ein Abendessen gab. Gratz nahm daran jedes Mal persönlich teil. Und so lockerten sich allmählich die gespannten Beziehungen zwischen der Universität und der Stadt Wien. Was mich auch persönlich an Gratz ansprach, war, dass er, der, meinem Eindruck nach, ein eher scheuer Mensch war, mir erzählte, welch großen Spaß es ihm bereite, dass er, wenn er sich in New York aufhält, um Mitternacht eine Buchhandlung aufsuchen könne. Aus all diesen Gründen fragte mich Bandion nach einer gewissen Zeit, ob ich das Silberne Ehrenzeichen der Stadt Wien annehmen würde. Ich antwortete ihm: »Herr Magistratsdirektor, das Silberne nehme ich nicht!« Ich erhielt daraufhin das große Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien, dessen Verleihung üblicherweise in einem feierlichen Rahmen erfolgt. Bei der Verleihung anwesend waren aber nur drei Personen: Nur Bandion, meine Frau und ich nahmen an der Feier teil. Ich vermute, dass Gratz den Kreis damals deshalb so klein hielt, weil er Angst vor der Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg hatte. 1983 erhielt ich dann auch noch den Preis der Stadt Wien für Wissenschaft und gehörte in der Folge von 1986 bis 1988 auch dem Gremium an, das über die Vergabe dieses Preises zu entscheiden hatte. Eine für die Universität sehr heikle Situation ergab sich anlässlich der Entführung des Industriellen Palmers, in die ja bekanntlich zwei Studenten involviert waren. Da die Universität dadurch sehr rasch in eine Diskussion hätte geraten können, die ihren Ruf hätte beschädigen können, entschloss ich mich spontan zu einer Pressekonferenz, um dem die Spitze zu nehmen. Es gelang auch, die Universität in dieser kritischen Situation aus jeder Diskussion herauszuhalten. Einige Zeit danach, es war schon nach dem Prozess, fragte mich die Professorin der Theaterwissenschaften Dietrich, ob sie einem der Verurteilten ein Buch ins Gefängnis schicken dürfe. Ich lehnte das ab, weil ich – es liefen damals ja in der BRD noch die Ermittlungen gegen die RAF – befürchtete, es könnten auf diesem Wege möglicherweise Kassiber geschmuggelt werden. Ich erinnere mich noch an eine andere Sache, die ebenfalls einen Bezug zur Stadt Wien hat. Es haben an der Universität Wien immer im Sommer die Wiener Universitätskurse stattgefunden, damals geleitet von Univ.-Prof. Gabriel und einem zweiten Professor. Es war während meiner Amtszeit als Rektor, als ich plötzlich den Antrag auf Erhöhung der Vergütung für die beiden Verantwortlichen für diese sechswöchigen Kurse auf den Tisch bekam. Nachforschungen ergaben, dass sich die beiden in ihren Gehaltsforderungen hinauflizitiert hatten. Es handelte sich um sehr beträchtliche Summen, was mich veranlasste, die beiden sofort abzuberufen – ich konnte schließlich Professor Kurt Schubert

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dafür gewinnen, diese Aufgabe für einen Bruchteil der Entschädigung zu übernehmen, das seine Vorgänger beansprucht hatten. F: Wie würden Sie aus Ihrer Erinnerung als Rückkehrer aus den USA die damalige Situation der Naturwissenschaften in Österreich beurteilen und wie hat sich diese Situation in der längeren Zeitperspektive verändert? Komarek: Das ist eine Frage, auf die ich sehr gerne eingehe. Ich hatte damals, 1966, Berufungszusagen von 12 Millionen Schillig zur Anschaffung verschiedener Geräte, was damals ein schöner Betrag war. Denn die apparative Ausstattung der Universitäten war zu diesem Zeitpunkt besonders im Bereich der Naturwissenschaften eher als traurig zu bezeichnen. Ich war schon in Wien, aber die zugesagten Mittel kamen nicht bzw. es wurde mir gesagt, sie würden nur nach Maßgabe des Budgets ausbezahlt. Ich war darüber sehr indigniert, weil ich zur selben Zeit einen Anruf von meiner früheren Universität in den USA bekam, in dem man mir versprach: »If you come back, we will double your salary.« Ich antwortete darauf wütend: »If you offered me two thousand dollars more, then I would have stayed, but now I have signed.« Ich habe mich dann schon geärgert, denn jeder meiner Absolventen bekam später mehr Gehalt als ich als Professor. Als dies Piffl-Percˇenvic´, dem dies vom Dekan zugetragen wurde, zu Ohren kam, hat er in vorbildlicher Weise darauf reagiert, in einer Stellungnahme schrieb er : »Versprechungen, die in Treu und Glauben gegeben wurden, sind zu erfüllen!« Daraufhin wurden die mir zugesagten Mittel zur Verfügung gestellt. Aber um auf Ihre Frage hinsichtlich der Verhältnisse in den USA und in Österreich zurückzukommen. Obwohl sich in dieser Beziehung in Österreich einiges zum Besseren verändert hat, ist es doch noch immer so, dass man in den USA als junger Wissenschaftler – ist man erst einmal promoviert – mehr Freiheit in der Forschung hat. Es hat sich diese Ungleichheit hier durch die verschiedenen Preise und Scholarships geändert, aber die Einstellung in den USA zur academia ist doch eine andere als bei uns. F: Und wie würden Sie diese andere Einstellung umschreiben? Komarek: Österreich ist noch immer ein Land, das sehr großen Wert legt auf Titel und Positionen. Ich habe einmal spaßeshalber im Rahmen der Universität, als die Diskussion auf das Thema des Ehrentitels Professor kam, der ja fast inflationär verliehen wird, geäußert, dass das Problem sich sehr leicht lösen lassen würde, wenn man jedem Österreicher schon bei der Geburt den Titel Professor verleihen würde und nur dem, der ihn verdient, diesen Titel aberkennt. Österreich ist schon nach wie vor ein titelsüchtiges Land, und Änderungen vollziehen sich nur sehr langsam.

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Was die Forschungsförderung betrifft, so muss ich allerdings sagen, dass sich die Situation sehr verbessert hat, wobei dem »Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung« ein sehr wesentliches Verdienst zufällt. Ergänzend zu erwähnen ist auch die Tätigkeit eines im Ministerium angesiedelten eigenen Fonds zur Anschaffung von Großgeräten. Außerdem ist es heute für junge interessierte Wissenschaftler schon sehr viel leichter, für einige Zeit ins Ausland zu gehen. Eine bedeutende Verbesserung in dieser Hinsicht brachte die Einführung der Erwin-Schrödinger-Stipendien, um die sich vor allem Arnold Schmidt besondere Verdienste erwarb, die während meiner Zeit als FWF-Präsident installiert wurden, wobei im Durchschnitt 50 % der Stipendiaten in die USA gehen. F: Während Ihrer langen aktiven Zeit in verschiedenen Funktionen hat sich ja das Bild von Wien als Universitätsstadt etabliert. Wie würden Sie in diesem Zusammenhang die Wahrnehmung der Naturwissenschaften beschreiben? Besteht hier noch immer Nachholbedarf ? Komarek: Ich würde sagen: eher im Gegenteil. Es hat sich schon in meiner Funktionsperiode als FWF-Präsident mehr und mehr als Problem gezeigt, dass man anscheinend vergisst, dass die Universitäten auch einen kulturellen Auftrag zu erfüllen haben. Dieser Auftrag ruht ja in hohem Maße auf den Schultern der Geisteswissenschaften. Dieses Problem stellt sich gegenwärtig auch in der Akademie der Wissenschaften, wo ständig reformiert wird, wobei meiner Meinung nach die geisteswissenschaftlichen Fächer ein wenig unter die Räder kommen. Ich habe mich im Rahmen des FWF daher sehr bemüht, dass die Förderung der geisteswissenschaftlichen Fächer im Hinblick auf diesen kulturellen Auftrag, den sie, wie bereits gesagt, nach meiner Meinung zu erfüllen haben, nicht nachhinkt. Ich habe diese Ansicht auch in meiner Tätigkeit in meinen verschiedenen Funktionen im Rahmen der »Österreichischen Forschungsgesellschaft« vertreten, wo ich von 1979 bis 1999 bzw. von 1995 – 1999 als Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats tätig war. Die Mittel, die der ÖFG zur Verfügung stehen, stammen übrigens meines Wissens nach zum größten Teil von der Stadt, wobei hier mit relativ kleinen Mitteln durch Druckbeiträge, Förderungen zur Teilnahme an wissenschaftlichen Konferenzen doch relativ viel bewirkt wird. Also ich glaube, man muss schon sehr darauf achten, dass die Dominanz der Naturwissenschaften, und hier insbesondere der angewandten Forschung, nicht zu groß wird. In der Diskussion kommt dem Aspekt des wirtschaftlichen Ertrags meiner Meinung nach zu großes Gewicht zu. Ich verfechte dagegen die Auffassung, dass man der Grundlagenforschung auch die notwendige Aufmerksamkeit widmen sollte, die nun einmal ein gewisses Vertrauen voraussetzt und den Wissenschaftlern die Möglichkeit des Denkens einräumt.

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F: Kann ich Ihre Aussage dahingehend interpretieren, dass Sie immer auch ein Verfechter der Autonomie der einzelnen Wissenschaften waren? Komarek: Absolut. Ich darf noch einmal auf die Diskussionen verweisen, die wir darüber in der Christian-Doppler-Gesellschaft geführt haben. Diese drehten sich immer wieder auch um die Bewahrung der Autonomie des Forschers. F: Ist diese Auffassung bei Ihnen vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Erfahrungen in den USA gewachsen? Komarek: Es ist vielleicht an und für sich ganz interessant, zu erwähnen, dass zu der Zeit, als ich in den USA an der Universität lehrte, die Praxis die war, dass die Bezahlung meines Gehalts am Institute for Metallurgy and Material Science durch die Universität für neun Monate erfolgte. Für die restlichen drei Monate musste man irgendwelche Projekte an Land ziehen. Ich weiß nicht, ob das heute auch noch gängige Praxis ist. Einmal landete ich sogar einen Erfolg, als mir die New York Times auf ihrer Frontpage Gelegenheit für eine Stellungnahme einräumte, wie man auf dem Mond Sauerstoff erzeugen könnte. Ich erhielt beispielsweise Mittel von der IAEO, hatte aber zu den Firmen keinen direkten Kontakt, da sich meine damaligen Forschungen vor allem im Bereich der Grundlagenforschung bewegten. Und damit war ich auch hier in Wien beschäftigt. Ich habe zwar auch in Österreich frühzeitig Erfahrungen bezüglich der Zusammenarbeit mit der Industrie gemacht, da ich als Student über das Chemische Institut in Kontakt mit den Treibacher Chemischen Werken stand, wo ich auch meine erste Anstellung fand. Dann kehrte ich zurück an die Technische Universität; von dort wollte ich unbedingt weg und hatte schon einen Vertrag in der Tasche, um drei Jahre an die Bandung-Universität nach Indonesien zu gehen. Da traf ich zufällig meinen Doktorvater Nowotny auf der Straße, der mich fragte, ob ich nicht in die USA gehen wolle. Ich sagte sofort zu und kam so nach New York, besuchte dort ein halbes Jahr verschiedene Firmen und erhielt dreißig Angebote und nahm das schlechteste, weil es von einer Universität in New York kam. Ich hatte an der Universität immer eine sehr, sehr gute Beziehung zu meinen Studenten, von denen viele später bei IBM landeten, einer der renommiertesten Firmen der USA. F: Ist aber trotz des stark gestiegenen Ansehens, das die Naturwissenschaften aufgrund ihrer Leistungen genießen, das Interesse bei möglichen Studenten noch immer gering? Komarek: Dasselbe Problem haben ja aber doch auch die Naturwissenschaften an der Universität, nur die Biologie bildet hierbei eine Ausnahme. Die Zahl der

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Studierenden bleibt seit Längerem konstant. Das Hauptproblem dabei scheint mir die Mathematik zu sein, insbesondere für die Studienrichtungen an der TU. Das logische Denken bedeutet ja für diese Studierenden harte Arbeit, wenn man es ernsthaft betreibt, und ist für viele der Studierenden ein Problem, etwa im Vergleich mit Fächern wie der Publizistik oder der Theaterwissenschaft. Die Wurzeln des Problems liegen in unserem Schulsystem. Ich habe mich seinerzeit mit einer Äußerung vor Landesschulinspektoren unbeliebt gemacht, als ich meinte, die Gymnasien vermittelten nicht mehr das, was sie vermitteln sollten, nämlich Bildung. Wirkliche Bildung bedeutet eine Vernetzung der Fächer.

Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Manfried Welan F: Welche Auswirkungen hatte das Universitätsorganisationsgesetz 1975? Welan: Ich verdanke der Universitätsreform von 1975 meine Wahl zum Rektor. Ich war damals der jüngste Professor und habe, da ich Personalvertreter für die Assistenten war und mich als Gewerkschafter auch eingesetzt habe, dadurch eine Mehrheit in dem 130 Köpfe zählenden Universitätskollegium bekommen. Ich war in Bezug auf das Gesetz einerseits überrascht, welch starke Mitbestimmung dieses Gesetz gebracht hatte, andererseits hatte die Universität keine Entscheidungs-, sondern nur Mitwirkungsrechte. Es war in etwa so, als würde man ein Bezirkspolizeikommissariat demokratisieren, d. h., die Entscheidungen wurden natürlich auch weiterhin vom Ministerium getroffen. Das war meines Erachtens ein Fehler an dieser Reform. Aber sie hat eines gebracht – abgesehen davon, dass die Professoren ein wenig von ihrer früheren Stellung und damit vom »Charme des Amtes«, wie ich es nannte, verloren hatten. Die Reform hatte also den Vorteil, dass die alte Ordinarien-Universität zu Grabe getragen wurde. Aber dann wurde die Demokratisierung in gewisser Weise zur Fadisierung, weil niemand mehr an der Mitwirkung interessiert war. Die Studenten, aber auch die Professoren verloren das Interesse an den Sitzungen. Sehr angesprochen wurden dagegen die Assistenten, die ihr auch nachtrauern, denen man allerdings auch in dieser Reform seitens der Politik zu wenige Aufstiegsmöglichkeiten gegeben hat. Das sehe ich als Problem – man hätte gleichzeitig zur Reform auch ein Dienstrecht verabschieden müssen, was aber erst unter Wissenschaftsminister Tuppy passiert ist. Man hätte den Assistenten schon damals eine klare Aufstiegsperspektive von der Aufnahme bis zur definitiven Anstellung in Verbindung mit einer gewissen Freiheit in Bezug auf die Forschung eröffnen müssen. Ich bin übrigens ein Gegner der Habilitation. Auf der BOKU haben wir versucht, das so zu har-

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monisieren, dass ein Drittel der Dienstzeit Lehre, ein Drittel Forschung, ein Drittel der Zeit für Verwaltungsaktivitäten aufgewendet wird. Und im Wesentlichen ist uns das auch gelungen. Um auf Ihre Frage nach dem Paukenschlag in Bezug auf die Universitätsbauten zurückzukommen. Ich glaube, deshalb schrieb ich einmal irgendwo, dass die Bauwirtschaft Hochschulpolitik betreibt und dass, wenn es mit der Konjunktur bergab ging, wir große Aufträge bekamen. Die Logik dahinter waren also nicht planerische Überlegungen, sondern die Konjunkturlage. Die Universität für Bodenkultur bekam beispielsweise das Rosshaus, als gerade die Stahlkrise virulent war. Das Haus an der Peter–Jordan-Straße 82 musste später aufgrund von Asbestproblemen abgerissen und durch ein neues ersetzt werden. Außerdem hätte eine riesige Vermehrung des wissenschaftlichen Personals kommen sollen, weil man ja die Weiterbildung der Universität als eine zweite Hauptaufgabe neben der wissenschaftlichen Berufsvorbildung betrachtete. Das ist aber bis heute nicht geschehen. Es gibt bis heute keine systematische, kontinuierliche Weiterbildung. Das geschieht immer nur ad hoc. Daher bekommen bei uns Alumni, die jetzt eine gewisse Rolle spielen, bei weitem nicht jene Aufmerksamkeit wie etwa in den USA, wo die Absolventen ihrer Universität, sagen wir jährlich, 10.000 Dollar geben. Bei uns ist das nicht vorstellbar, aber immerhin gibt es jetzt auch hier gewisse Ansätze, die Verbindung mit den Universitäten nach Beendigung des Studiums aufrecht zu erhalten. Ein anderes Problem der Reform war, dass sich nicht alle Institute an der Reform gleichmäßig beteiligt haben. Einige Institute haben sich einer Burg gleich eingeigelt. Diese Haltung hat die Wirtschaft zum Teil ausgenützt, die an gewisse Institute, es betrifft dies vor allem einige Naturwissenschaften, finanziell höher dotierte Forschungsaufträge vergeben haben. Bei uns betraf dies vor allem die Biotechnologie. Das hat sich dann besonders in der von Tuppy eingeleiteten Reform gezeigt, da diese den Instituten eine Teilrechtsfähigkeit zubilligte.

Interview mit Sektionschef i. R. Dr. Wolf Frühauf F: Wie entwickelte sich das Verhältnis zwischen Bund und der Stadt Wien bei der Finanzierung der Universitäten? Frühauf: Wenn man zunächst einmal die gesamtösterreichische Befindlichkeit hernimmt, so stand nach 1945 zunächst das Problem des Überlebens im Mittelpunkt. Überleben und Wiederaufbau, wo es möglich war. Universitäten und Wissenschaft hatten dabei eine geringe Bedeutung – abgesehen einmal davon, dass Wien und Österreich zur Wissenschaft und zur Technik ohnedies immer ein distanziertes Verhältnis hatten. Man erinnere sich nur an den Spruch von

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Wien als Stadt der Geiger und Tänzer. Wir waren nie ein Industrieland – aber das muss ich jetzt nicht weiter ausführen. Und in Wien war es speziell noch so, dass die Stadtverwaltung zunächst vor allem darauf bedacht sein musste, die wichtigsten Grundbedürfnisse zu erfüllen, also Wohnen, Verkehr, Versorgung. Später kam auch die Kultur hinzu, wobei es in Bezug auf das Kultur- und Kunstverständnis in Wien ja nur eine kleine Schicht gibt, die der Kultur, speziell der progressiven Kultur, Verständnis und Interesse entgegenbringt; also, es war kein wirklicher Tiefgang in der Bevölkerung vorhanden, auch viele der Künstlerfiguren lebten am Existenzminimum. Ausgenommen von dieser Entwicklung waren der Wiederaufbau von kulturellen Wahrzeichen wie Stephansdom, Burgtheater und Staatsoper. Das sind so die symbolischen Marksteine im kulturellen Wiederaufbau. Überdies sagte man noch: Wissenschaft und Universitäten, das ist ja Bundessache. Dann gab es (um) 1955 den ersten Beschluss von Franz Jonas-Heinrich Drimmel über den Neubau der AKH-Universitätskliniken. Das war der erste Anstoß von der Stadtverwaltung in Bezug auf ein leichtes Zugehen auf die Wissenschaft. Von Bundesseite wurden zunächst einmal nur die Kriegsschäden mehr oder weniger behoben. Hierbei muss man sich in Erinnerung rufen, dass in der Ersten Republik kein einziger Universitätsbau und meiner Erinnerung nach nur eine einzige Mittelschule neu errichtet wurde. F: Zurück zum Neubaubeschluss für das AKH – war das also eine Art Wendepunkt? Frühauf: Es gibt auch andere. Der Bund hat als einen ersten der neuen Universitätsbauten das NIG neu errichtet. Das wurde im Jahre 1961 eröffnet. Ich bin als neugieriger Schüler noch in der Bauphase auf dem Dach, wo jetzt die Mensa ist, herumgestiegen. Die Bundesländer, welche noch keine Universitäten hatten, haben allerdings zuerst Ansprüche angemeldet, weil sie auch eigene Universitäten haben wollten. Es gab dazu verschiedene Initiativen, in Linz zwischen Heinrich Gleissner und Ernst Koref, in Salzburg stand der Restaurationsgedanke, der Wunsch nach einer Wiederbelebung der katholischen Universität, die 1806 abgeschafft worden war, im Vordergrund. Innsbruck nahm eine Sonderstellung ein, da man dort zunächst nichts »brauchte«, außer dass dann 1970 die Universität die neue Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur erhalten hat. Auch wenn manchmal gelästert wird: Na ja, die Länder haben »den Knopf zum Mantel« gegeben – aber immerhin: Die Länder haben viel geleistet, in Linz z. B. wurde der Hochschulfonds gegründet; einen solchen gibt es, glaube ich, auch in Tirol. In Wien gab es diesbezüglich vorerst eigentlich nichts, denn Wien hatte bereits »seine« fünf Universitäten und »seine« drei Akademien, zu deren Erhalt die Stadt Wien nichts beitragen musste.

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Aber zurück zu unserem Kernthema. Der Beschluss zur Errichtung des Neuen AKH 1955 war vorerst nur ein Grundsatzbeschluss, so wie es in der Politik manchmal geschieht – es ist eine gute Schlagzeile, die Umsetzung verzögert sich manchmal. Über die Nachnutzung des Alten AKH bestanden keine bestimmten Vorstellungen, eine mögliche Übernahme durch die Universität Wien wurde aber in die Überlegungen mit einbezogen. Das Alte AKH, ich habe mich berufsbedingt sehr eingehend damit beschäftigt, hatte eine Gemengelage von zwei Drittel Gemeinde Wien und einem Drittel Bund. Sie können das heute noch erkennen: Dort, wo es restauriert wurde, war es im Gemeindebesitz – ich werde ihnen auch noch erzählen warum – und dort, wo es jetzt viel später restauriert wird bzw. wurde ist der Bund Eigentümer. F: Der Narrenturm ist in Bundbesitz? Frühauf: Ja, auch die Zahnklinik gehört zum Bund, ebenso wie der gesamte Bereich des Van-Swieten-Traktes. Und wenn man jetzt noch beim Beispiel AKH bleibt, so zeigt sich, dass sich eine Hinwendung der Stadt Wien zur Wissenschaft erst relativ spät, in den 1970er Jahren, ergeben hat. Man muss aber vielleicht die Einrichtung von Fonds zur Wissenschaftsförderung durch die Stadt erwähnen, der erste, die Hochschuljubiläumsstiftung, wurde 1965 anlässlich der 600-JahrFeier der Universität Wien ins Leben gerufen, später folgten weitere derartige Stiftungen für andere Universitäten. Und ich erinnere mich, dass Jonas in seiner Rede bei der Festveranstaltung zur 600-Jahr-Feier in der Stadthalle, an der ich als Student teilnahm, das Versprechen erneuert hatte, das Gelände des Alten AKH später einmal der Universität zur Verfügung zu stellen. Es war aber nur eine Zusage, eine schöne Geste, wenn Sie so wollen. Danach war es das vorerst. Denn gebaut wurden vom Neuen AKH in den 1960er Jahren zunächst einmal nur die drei Schwesternhäuser in der Lazarettgasse. Um wieder auf das Alte AKH zurückzukommen, es gab ja mehrere Überlegungen für einen Neubau des AKH als großes Wiener Spital. Eine der Überlegungen im 19. Jahrhundert war, das AKH am Wilhelminenberg zu bauen. Dagegen waren aber die Professoren, die dann mit ihren »Kutschen« durch den Arbeiterbezirk Ottakring hätten durchfahren müssen. Zurück zur Gegenwart und zum Neuen AKH: Es wurde also der Platz freigemacht für einen – damals war das von architektonischer Seite State of the Art – großen »Breitfußbau« mit zwei Bettentürmen. In den 1960er Jahren revolutionär, wenn auch heute für viele nicht der ideale Zustand für ein Krankenhaus. Ich habe, lange Zeit war ich auf der Bundesseite Koordinator für die Fertigstellung und Übersiedlung ins neue Haus, immer gesagt: Das ist eine »GesundheitsMaschine«, kein Sanatorium. Ich habe selbst schon dort behandelt werden dürfen und muss sagen, die Betreuung und Behandlung ist ausgezeichnet. Es

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funktioniert. Wenn man heute einen Flugzeugträger beherrschen kann, kann man auch das AKH beherrschen. Man geht ja nicht in dieses Krankenhaus, um dort für lange Zeit behandelt zu werden, wie beispielsweise in ein Sanatorium, denn die Rehabilitation findet dann ohnedies woanders statt. Mit dem Neuen AKH hat sich, würde ich sagen, zwischen Bund und Stadt Wien eine sehr gute Zusammenarbeit ergeben. Zunächst einmal war es aber so, dass wir nur den Rohbau bemerkt haben. Dann war der AKH-Skandal, dessen Details ja bekannt sind, damit hatten wir zunächst als Wissenschaftsministerium auch nicht viel zu tun. Androsch war zwar da ein wenig involviert (manche waren sogar böse, dass Firnberg dabei so wenig in Anspruch genommen wurde), aber wir hatten ja mit dem Rohbau zunächst wenig zu tun, denn das gehörte letztlich zum Aufgabenbereich der Stadt Wien. Eigentlich ist es ja so, dass das ganze AKH im Grunde Eigentum bzw. im Kompetenzbereich der Stadt Wien ist bzw. liegt; die medizinische Komponente dagegen unter die Verantwortung der Universität bzw. jetzt der Medizinuniversität gestellt wurde bzw. wird. Ich muss sagen, dass, auch wenn es für Wien eine Versorgungsfrage war, sich bei dieser Gelegenheit auch etwas in der Medizingeschichte und im Medizinbewusstsein gewandelt hat. Es war eine großartige Sache, was damals von Seiten der beiden Gebietskörperschaften investiert wurde: Es wurden, das muss man sich einmal vorstellen, viele Jahre hindurch jährlich von beiden Seiten jeweils 2 Milliarden Schilling investiert. Ich übergehe jetzt die Baugeschichte bis etwa 1982. Im Zuge des AKHSkandals kam es dann über Vorschlag von VOEST-Generaldirektor Apfalter zur Errichtung der VAMED, denn es stellte sich die Frage, wer eine derartige Großbaustelle in Österreich koordinieren könne. Es gab ja lange Zeit geringen Baufortschritt, bis dann nach einem Vieraugen-Gespräch von Kreisky und Apfalter Letzterer erklärte, »dass man in der ganzen Welt Stahlwerke baue und aufgrund dessen sicherlich auch genügend Expertise für ein solches Großprojekt habe.« So bekam die VOEST den Zuschlag, die dann wiederum die VAMED beauftragte. Schlussendlich bekam man auf diese Weise die Probleme langsam in den Griff. Wir hatten dann auch bundesseitig eine Baukommission, außerdem gab es Koordinationsbeauftragte der Fakultät. Hier muss man übrigens einen, dem man in diesem Zusammenhang wirklich ein Denkmal setzen sollte, besonders hervorheben, und zwar den Wiener Gesundheitsstadtrat Stacher, der, als es in der Planung, die man bislang den Professoren überlassen hatte, kritisch wurde und die Errichtung – wie bisher – von Doppelkliniken drohte, entschieden eingriff. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch zu erwähnen, dass es in den 1980er Jahren auf dem Gebiet der Medizintechnik zu einem wirklichen Entwicklungsschub kam.

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F: Das heißt, die Medizin wurde damals durch die Technologieentwicklung verändert? Frühauf: Ja, sehr stark sogar. Und Stacher gehörte zu jenen, die damals sagten: Doppelkliniken sind nicht mehr State of the Art, überall auf der Welt setzt sich das Departmentsystem durch. Stacher wurde dabei auch von den damals jungen Leuten aus dem Mittelbau, zu denen Reinhard Krepler und eine Reihe anderer gehörten, in seiner Anregung unterstützt, die Universität solle sich doch mit einer Neuordnung ihrer Organisation und Struktur beschäftigen. Im UOG sind ja die Mediziner die einzigen gewesen, die von der Mitbestimmung mehr oder weniger ausgenommen worden waren, das haben wir 1975, wenn man so will, nicht »derhoben«. Denn damals wurde argumentiert: Wenn der Arzt nicht die volle Verantwortung hat, also am Krankenbett, »dann könne es keine Mitbestimmung darüber geben, ob der Blinddarm links oder rechts liegt.« So musste für die Mitbestimmung allen Universitätsangehörigen für die medizinischen Fakultäten im UOG 75 auf Studienbereiche abgemildert werden, sonst hätten wir es gar nicht durchgebracht. Denn die Einführung der universitären Mitbestimmung war ein ziemlicher Kraftakt, das sollte man rückblickend nicht unterschätzen. Wir konnten also Anfang der 1980er Jahre im AKH eine Umplanung auf das Department-System vornehmen, was anfänglich mit großer Skepsis gesehen wurde. Ich sagte damals: »Freunde, die medizinischen Tätigkeiten bleiben ja gleich, das einzige, was sich dadurch verändert, sind die Hierarchien.« Statt damals zwei hatten wir dann z.B in der Inneren Medizin vier Kliniken mit jeweils mehreren Departments. Und langsam setzte sich auch die Überzeugung durch, dass ein Professor nicht alles können kann, er aber Primarverantwortung für ein klinisches Department haben soll. F: Und da gab es keinen Aufschrei? Frühauf: Das durchzusetzen, bedurfte natürlich einer langen Diskussion. Wir sind dann später auch ausgeschwärmt nach Graz und Innsbruck, um auch dort, unter Verweis auf Wien, einen Haltungswandel herbeizuführen. Das alles hat sehr lange gedauert, und die entsprechenden Gesetze sind in Wahrheit erst 1989 gekommen. Und es hat sich damals gerade gut ergeben, dass viele der großen »alten Herren« in die Emeritierung gekommen sind – es wurde also ein wirklicher Generationensprung vollzogen. Die Jüngeren, wie etwa Professor Ernst Wollner, fanden sich viel leichter mit der neuen Rolle eines Vorstandes einer speziellen klinischen Abteilung ab. Doch das sei nur am Rande gesagt. Ein wesentliches Element in den 1970er Jahren war, dass Hertha Firnberg sehr viel zur Popularisierung von Wissenschaft überhaupt beigetragen hat. Wenn ich

Die 1970er Jahre

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ihre damaligen Reden, so durchlese, muss ich sagen, dass einem heute manches banal vorkommt, aber dennoch musste man den Leuten den Zweck und Nutzen von Wissenschaft klarmachen, wofür Wissenschaft gut ist. Zurück zum Neuen AKH. Als sich die Fertigstellung des AKH abzeichnete, wurde die Frage erneut aktuell, was mit dem alten Gelände geschehen soll. Der Bund mit seinem Drittelanteil hatte sich in dieser Frage nicht geäußert, das gehörte damals noch zur Abteilung Bundeshochbau, und die war zu dem Zeitpunkt noch mit der Frage der Erneuerung der alten Zahnklinik beschäftigt, die ursprünglich mit dem AKH-Neubau zusammen hätte errichtet werden sollen, wofür die Stadt Wien aber ihre Mitwirkung verweigerte. Es war schon der Neubau des AKH mit der dafür notwendigen Infrastruktur eine »Gemengelage«, wo wir als Vertreter des Bundes zusehen mussten, die Bundesinteressen bestmöglich durchzusetzen; ich bin mir damals oft wie ein Grenzgänger zwischen Minister Busek und Stadtrat Mayr vorgekommen: Auf der einen Seite der Bund (BMWF und BM Finanzen) und die Stadt Wien und auf der anderen Seite natürlich das von Mayr geführte und ebenfalls involvierte Finanzressort. Im Zusammenhang mit der Errichtung des Neuen AKH sind für das freiwerdende AKH an die Stadtregierung eine große Zahl an unterschiedlichen Wünschen herangetragen worden, die aber allesamt nicht umzusetzen oder zu befriedigen waren: Es gab die Idee, Teile des Alten AKH abzureißen und an deren Stelle Wohnbauten zu errichten; andere hatten die Vision eines Hallenbades, die dritten forderten die Errichtung eines Pensionistenheimes und dergleichen Wünsche mehr. Mayr hat das sehr früh erkannt und verstanden, dass man da anders taktieren muss – darin war er ja bekanntlich großartig – und solchermaßen wurde die Schenkung des gemeindeeigenen Teiles des Alten AKH in Erwägung genommen. Und ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass auch er es war, der für den Beginn einer Technologieansiedlungspolitik in Wien steht, wie z. B. das Biozentrum zeigt.

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Zur Kooperation zwischen Universität und Stadt Wien. Die 625-Jahr-Feier der Universität Wien und die Entstehung des Universitätscampus – Retrospektive und Zukunftsperspektiven

Im Rahmen dieser von Hubert Christian Ehalt und Oliver Rathkolb1 betreuten Publikation sollen im Hinblick auf das künftige Jubiläum anlässlich des 650jährigen Bestehens der Universität Wien im Jahre 2015 die Beziehungen zwischen der Universität und der Stadt Wien beleuchtet und sogenannte »Schlüsselereignisse« und »Schlüsselthemen« aufgezeigt und dargestellt werden. Solche »Schlüsselereignisse« waren sicherlich das 625-Jahr-Jubiläum unserer Universität sowie die Schenkung des Alten Allgemeinen Krankenhauses (ohne Bundesanteil) durch die Stadt Wien an die Universität als Erweiterungsgebiet – heute Universitätscampus2. Mit beiden Ereignissen war ich als gewählter Rektor der Jahre 1989 – 91 befasst und möchte sie hier aus meiner Sicht auf Grund der von mir während meiner Amtszeit geführten Tagebücher und Kommissionsmitschriften (Protokolle) darstellen3. Es zeigt sich, dass sowohl von der Universitätsführung (Rektor, Direktion, Dekane, Mittelbau- und Studentenvertreter) als auch von Seiten der Stadt Wien (Bürgermeister Dr. Helmut Zilk, Vizebürgermeister Hans Mayr, Stadträte) stets eine Kooperation gegeben war, die ein von Impulsen getragenes Verständnis der beiden Partner für die Anliegen des jeweilig anderen auszeichnete. Schon der Gründungsurkunde der Universität Wien, dem Stiftungsbrief vom 12. März 1365, ausgestellt von Herzog Rudolf IV. und seinen Brüdern Albrecht III. und Leopold III., ist zu entnehmen, dass die Schaffung der Universität »zu˚ besunder wirdigkait und erhöhung des egenanten unsers landes ze Oesterreich 1 Hubert Christian Ehalt u. Oliver Rathkolb, Brief vom 19. Mai 2010, Wien. 2 Vgl. Publikationsserie »Uni Präsent« 1990. 625 Jahre Universität Wien (5 Hefte mit thematischen Schwerpunkten). Red. Kurt Mühlberger, Gerhard Tschugguel und Susanne Winkler, Wien 1990; vgl. Wilhelm Holczabek, Bis zum Schenkungsvertrag. In: Alfred Ebenbauer, Wolfgang Greisenegger, Kurt Mühlberger (Hg.), Architektur als Transformation, Universitätscampus Wien, Bd. 2. , Wien 1998, S. IX. 3 Karl R. Wernhart, Tagebücher der Prä-, Rektors- und Prorektorszeit, Protokolle der Senatskommissionen (Handschriftliche persönliche Notizen, aufbewahrt im Privatarchiv Wernhart), Okt. 1988 bis Juni 1994.

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und unserr stat ze Wienne« gereicht. Sie soll nach dem Vorbild der altehrwürdigen Universitäten von Athen, Rom und Paris erfolgen. Ein »quartier latin« in unmittelbarer Nähe der Herzogsburg, im Stiftbrief »phaffenstat« genannt, war geplant, also ein Campus innerhalb der Mauern der Stadt Wien, rund um die Minoritenkirche. Diese Idee eines Universitätscampus konnte erst im Jahre 1987, also fast 625 Jahre später, durch das Geschenk des Alten AKH-Gebäudes an der Alserstraße der Stadt Wien an die Universität unter dem Rektorat von Wilhelm Holczabek (1985 – 1989) verwirklicht werden4. Eine zweite Urkunde von Wichtigkeit aus der Gründungsphase vom 12. April 1365 – also einen Monat später – richtet sich besonders an die Stadt Wien, vertreten »durch Bürgermeister, Stadtrichter und Bürgerschaft«, betreffend ihr Verhältnis zur Universität. Darin wird hervorgehoben, welchen »großen Nutzen […] der Stadt durch die Errichtung einer ›universitas doctorum, magistrorum et studencium […] et studium generale‹ in Wien erwächst«. Die Vertreter der Stadt sollen geloben »in aufrichtiger Zuneigung« die Universität und ihre Mitglieder zu fördern und zu schützen sowie »alle Privilegien, Freiheiten und Immunitäten, die ihr der Landesfürst erteilt, zu achten«5. Ob diese »Gedanken den Bürgern damals tatsächlich vorschwebten, erscheint uns heute als fragwürdig; sie entsprechen jedenfalls einer literarischen Tradition«, meint Kurt Mühlberger6. Trotz Kooperationsauftrag zwischen Stadt und Universität seit der Gründung im 14. Jahrhundert herrschte doch eher eine »konfliktbeladene Harmonie«, wie dies Kurt Mühlberger7 charakterisierte. Der studentische Alltag mit den Bürgern und ansässigen Handwerkern konnte auf Grund des engen »Zusammenschlusses der Bewohner einer Universitätsstadt mit zahlreichen meist jugendlichen Scholaren nicht friktionsfrei verlaufen. […] Das studentische Leben und Treiben in der Stadt war wohl kaum ausschließlich vom Studienfleiß erfüllt«. Kurt Mühlberger8 führte auf Grund seiner Recherchen verschiedene Konfliktsituationen an, wie u. a. den »Schusterkrieg«, die Auseinandersetzung mit den städtischen Wachen oder die Belagerung des Landesfürsten aus Frustration über die Lebens- und Studienbedingungen oder auch den sogenannten »Fleischhauerkrieg«, ferner 4 Vgl. Holczabek, 1998, S. IX. 5 Kurt Mühlberger, Die Gründung der Universität Wien. In: Uni Präsent, Bd. Historische Spuren. Wien 1990, S. 14,16 – 18; vgl. auch ders., Die Universität Wien. Kurzer Blicke auf eine lange Geschichte. Wien 1996, S. 8 – 10, 14. 6 Kurt Mühlberger, Universität und Stadt im 14. und 15. Jahrhundert am Beispiel Wiens. Wesentliche Grundlagen und ausgewählte Szenen einer »konfliktbeladenen Harmonie«. In: Kurt Mühlberger u. Meta Niederkorn-Bruck (Hg.), Die Universität Wien im Konzert europäischer Bildungszentren, 14.–16. Jahrhundert. Wien 2010, S. 53 – 83, bes. 59 f.; vgl. auch Paul Uiblein, Die Universität im Mittelalter. (= Schriftenreihe des Universitätsarchives, Bd. 11) Universität Wien, Wien 1999. 7 Mühlberger, 2010, S. 53, 56 – 59, 68 – 70, 71 – 72. 8 Mühlberger, 2010, S. 74 – 77.

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Zusammenstöße mit Weinhauerknechten und den außerordentlichen Konflikt im »Bellum latinum« der Jahre 1513 – 1514, der möglicherweise durch die Verpflichtung der Scholaren der Artes, ein ›Cingulum‹ zu tragen, ausgelöst wurde. Dieser einfache Gürtel sollte die Studenten von den Graduierten unterscheiden und wurde als Symbol eines niederen sozialen Ranges als Schmach empfunden. Die Wechselbeziehungen zwischen Universität und Stadt dieser frühen Jahre lassen vermuten, dass zwar die Stadt von den Studenten wirtschaftlich profitierte, aber die Bürger Wiens »zur Ausbildung des universitären Gelehrtenstandes im Spätmittelalter so gut wie nichts, zum Geistesleben der Hohen Schule wenig beigetragen« haben, wenn auch zahlreiche Wiener an den Universitäten Norditaliens (Padua, Bologna) studierten9. Eine positive Entwicklung des Schulund Bildungswesens setzte erst allmählich ein und manifestierte sich im Universitätsviertel beim Stubentor und im Collegium ducale. Aus dem Stiftungsbrief der Universität Wien und der Bedeutung der geschaffenen Lehranstalt für die Gesellschaft lässt sich – trotz der Turbulenzen zwischen Bürgern und Stadtverwaltung auf der einen und den autonomen Behörden der Alma Mater Rudolphina mit ihren Studierenden auf der anderen Seite – ein Auftrag zur Zusammenarbeit sehr wohl erkennen. Die Kooperation zieht sich als klare Linie durch die Jahrhunderte und stellt damit einen »roten Faden« bis zur Gegenwart dar. Die Stadt und die Universität Wien wie auch die anderen Hohen Schulen (heute auch Universitäten) sind zu einer gemeinsamen Entwicklung bestimmt und dadurch zur Zusammenarbeit verpflichtet. Ende der 1980er Jahre traten Ereignisse ein, die eine Kooperation zwischen der Stadt und der Universität Wien neuerlich beeinflussten und verstärkten. Die Suche nach Erweiterungsmöglichkeiten für die Universität begann schon unter den Rektoren Albin Lesky (1963/64) und Karl Fellinger (1964/65, 600-JahrFeier). Damals wurden bereits mit Bürgermeister Franz Jonas und der Stadtverwaltung Gespräche in diese Richtung geführt. Es wurde allerdings von Seiten der Stadt Wien nur ein Gebäudetausch in Betracht gezogen. 1965 sah die sogenannte »Purr-Studie der Universität Wien« als künftige »einzige Expansionsmöglichkeit« nach Schaffung eines neuen Allgemeinen Krankenhauses die Nachbesiedlung des alten Gebietes durch Folgebezug von Universitätsinstituten.10

9 Mühlberger, 2010, S. 79; vgl. Heinrich Koller, Stadt und Universität im Spätmittelalter. In: Erich Maschke u. Jürgen Sydow (Hg.), Stadt und Universität im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Stadt in der Geschichte. Veröffentlichungen des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung 3, Sigmaringen 1977, S. 22. 10 Wolf Frühauf, Wie es zum Universitätscampus kam. In: Alfred Ebenbauer, Wolfgang Greisenegger, Kurt Mühlberger (Hg.), Historie und Geist, Universitätscampus Wien, Bd. 1. Wien 1998, S. 1 – 3.

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Wilhelm Holczabek11 schreibt: »Es war für mich, in meiner Amtszeit als Rektor der Universität Wien, eine Sternstunde, als mir der Vizebürgermeister der Stadt Wien, Hans Mayr, am 14. Jänner 1987 mitteilte, dass die Gemeinde Wien beabsichtige, den in ihrem Besitz befindlichen Teil des Alten Allgemeinen Krankenhauses der Universität zu s c h e n k e n. Es war ebenso eine Sternstunde für die Universität Wien, denn nun konnte sie hoffen (a) den Großteil ihrer Raumsorgen zu verlieren, (b) eine in sich geschlossene, nächst ihrem Hauptgebäude am Ring gelegene neue Heimstätte für Lehre und Forschung zu finden und (c) mithelfen zu können, einen historischen Gebäudekomplex, in dem Medizin-Weltgeschichte geschrieben worden ist, in einer anderen Verwendung für die Zukunft zu bewahren. Die Universität begrüßte auch die von der Gemeinde Wien, vom Bezirk und der Bürgerinitiative ›Gartenstadt Altes AKH‹ erhobene Forderung, die in diesem Areal gelegenen Grünanlagen (550 Bäume!) zu erhalten und nach Tunlichkeit zu vermehren. Ebenso identifizierte sie sich mit dem gleichzeitig vorgebrachten Wunsch, den revitalisierten und neu adaptierten Gebäudekomplex, einen Universitätscampus bildend, den Bewohnern, nicht nur des 9. Bezirkes, zugänglich zu machen.« Am 31. Mai 1988 wurde nach eingehenden Diskussionen und Rückfragen in den Universitätsgremien wie im Verwaltungszentrum der Stadt Wien im Rathaus der Schenkungsvertrag vom Akademischen Senat genehmigt, denn die Übernahme eines »Jahrhundertgeschenks« musste auch gründlich vorbereitet, überprüft und alle rechtlichen Folgemöglichkeiten berücksichtigend abgeklärt sein. Am 7. Dezember gleichen Jahres wurde der Vertrag von Bürgermeister Dr. Helmut Zilk und dem amtierenden Rektor Wilhelm Holczabek unterzeichnet12. Bürgermeister und Vizebürgermeister wurden als Dank zu »Ehrenbürgern« (Civis academicus honoris causa) der Wiener Universität durch den Akademischen Senat und Rektor ernannt. Die Tradition der Ehrenbürgerwürde reicht in die älteste Geschichte der Universität Wien zurück; schon im 15. Jahrhundert lassen sich Eintragungen in den Matrikeln für akademische Ehrenbürger nachweisen13. Dieser universitäre Ehrentitel hat beiden Geehrten große persönliche Freude und der Universität Wien hohe Anerkennung gebracht. Als Laudator für Helmut Zilk weiß ich, wie sehr er über diese höchste Auszeichnung unserer Alma Mater beglückt und gerührt war14. Mein persönlicher Kontakt zum geehrten Bürgermeister rührte schon aus meiner Schulzeit her – was auch in die Laudatio einfloss –, als nämlich Helmut Zilk als junger Professor für »Pädagogik 11 Holczabek, 1998, S. IX. 12 vgl. Holczabek, 1998, S. IX, u. Karl R. Wernhart, Tagebuch des Prärektors (1988 – 89). 13 Franz Gall, Alma Mater Rudolphina 1365 – 1965, Wien 1965, S. 108 f.; Gertrud Regner, Protokoll und Akademische Tradition. Akademische Feiern, Ehrungen und Symbole der Universität Wien 1365 – 2005, Wien 2006, S. 62 f. 14 Wernhart, Tagebuch des Prärektors (1991 – 94).

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und Schulpraxis« in der Lehrerbildungsanstalt Wien (1010, Hegelgasse 12) uns als sogenannte »Kandidaten« unterrichtete und auf die Schullaufbahn als Lehrer vorbereitete. In meine Amtsperiode als Rektor von 1989 bis 1991 fielen einerseits die (a) Nachbesiedlung und Nutzung des Alten AKH als Campus und andererseits (b) die 625-Jahr-Feier der Universität Wien; beide Ereignisse sollten und mussten aus Terminnähe verknüpft werden. (a) Für die vorbereitenden Arbeiten betreffend den Umbau und die Adaption des ehemaligen Spitalsgebietes der Stadt Wien als neues Campus-Gelände für die damals noch so bezeichnete »Geisteswissenschaftliche Fakultät« und deren Studienrichtungen wurde eine Senatskommission »Altes AKH« (Beirat) eingerichtet, geleitet vom jeweiligen Rektor15, bei der wesentliche Weichenstellungen vorgenommen und wichtige Entscheidungen getroffen wurden. Es war notwendig, sowohl interne als auch externe Organisationsformen zu finden, die der Universität als neuen Inhaber und Bauträger dienen sollten. Eine Bauträgergesellschaft wurde ausgewählt, ein Controlling eingerichtet und zur Umsetzung der Vorhaben wurde eine Koordinationsstelle geschaffen, um die Zusammenarbeit zwischen den Universitätsinstituten, die dort einziehen sollten, der Stadt Wien und der Bezirksvorstehung zu organisieren. Durch Fakultäts- und Senatsbeschlüsse konnten die angemieteten Institutsräumlichkeiten in der Folge abgesiedelt und in den neu adaptierten Gebäuden rund um die Höfe des AKH untergebracht werden. Durch die Öffnung der gesamten Anlage am Tage und im ersten Hof bei Tag und Nacht wurde für die Bevölkerung ein neuer Lebensraum mit Infrastruktur von Einkaufsmöglichkeiten, Gaststätten und Erholungsräumen (Kinderspielplatz) geschaffen. Auf Grund der Öffnung für die Bevölkerung mussten mehrere Zugänge (Torpassagen) zum ersten Hof geschaffen werden, um die Durchlässigkeit zu gewährleisten. Diese Passagen wurden mit Namen von bedeutenden Gelehrten benannt und mit Kurzbiographien versehen. Es sei noch darauf verwiesen, dass die Grünflächen durch Abtragung restlicher Baueinrichtungen aus der Zwischenkriegszeit sowie der ehemaligen Zubauten an Spitalsanlagen vermehrt wurden. Der alte Baumbestand konnte nicht nur erhalten, sondern durch neue junge Bäume sogar vermehrt werden. Eine Aufwertung erfuhr die Grünanlage des Campus durch die Errichtung neuer Denkmäler (z. B. japanischer Steingarten) und die Reaktivierung des ehemaligen jüdischen Gebetshauses – aus dem das Kraftstromumspanngerät entfernt wurde – als Gedenkstätte für die während der Zeit von 1938 bis 1945 vertriebene und ermordete geistige Intelligenz. Der Republik Österreich und der Stadt Wien ist für die 15 Karl R. Wernhart, Auf dem Weg zum Campus. Erinnerungen eines »Zwischenrektors« an Visionen und Realisierungen. In: Alfred Ebenbauer, Wolfgang Greisenegger, Kurt Mühlberger (Hg.), Historie und Geist. Universitätscampus, Bd. 1, Wien 1998, S. 57 – 60.

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Unterstützung bzw. Übernahme der Bau- und Renovierungskosten als Starthilfe zu danken16. Auf Grund der umsichtigen und verantwortungsbewussten Nutzung des Universitätscampus konnte die Lebensqualität im Bereich Umwelt nicht nur für die Lehrenden und Studierenden verbessert werden, sondern ebenso auch für die Bewohner des 8. und 9. Gemeindebezirkes der Stadt Wien. Es wurde damit ein weiterer Grünbereich mit Erholungsfaktor im Herzen der Millionenstadt Wien geschaffen, was allen Bürgern der Stadt und den Gästen zugute kommt, die den Campus als neuen Besichtigungsschwerpunkt im Besuchsprogramm für Wien einplanen können. Als Beispiel der Nutzung des Parkund Anlagengeländes seien die sehr stimmungsvollen Adventmärkte in der Vorweihnachtszeit oder die gut besuchten Gartenrestaurants im Sommer im ersten Hof angeführt. Der amtierende Rektor des Jahres 1998, Wolfgang Greisenegger, hielt bei der Eröffnung des Campus fest: »Die Umwandlung des Alten Allgemeinen Krankenhauses in den Universitätscampus Wien, das Entstehen einer grünen Oase der Stille im Zentrum einer Millionenstadt, wurde durch die Schenkung der Stadt Wien an die Universität, durch die Zusammenarbeit von Bund und Stadt und durch den Mut möglich, neue Wege zu suchen und dann auch zu gehen. Die Barrierewirkung der alten Krankenhausmauern wurde überwunden, der erste Hof mit seinem lichten Park, seinen Denkmälern und kulturhistorisch bedeutenden Bauten wurde von Gastronomen, einem Supermarkt, Buchhandlungen, verschiedenen Geschäften und Büros besiedelt, in den Höfen zwei bis neun zogen Institute der Geisteswissenschaftlichen Fakultät und verschiedene universitäre Einrichtungen ein, beide Zonen werden zueinander aber auch zur umgebenden Stadt offen sein, werden einander ergänzen, einander fördern im Sinne einer gesellschaftsoffenen Universität. […] Es liegt nun an den Nutzern, vor allem aber an der Universität, daraus eine zukunftszugewandte Forschungsund Lehrstätte von besonderer Qualität zu machen, einen stadt- und weltoffenen Kulturbezirk, der zum Flanieren, zum Einkaufen und zum Regenerieren einlädt.«17 16 Vgl. Alfred Ebenbauer, Wolfgang Greisenegger, Kurt Mühlberger (Hg.), Universitätscampus Wien, Bd. 1: Historie und Geist, Bd. 2: Architektur als Transformation (Aufsatzsammlung). Wien 1998. – besondere Aufsätze darin: Richard Fischer, Das große Märchen vom Universitätscampus der Universität Wien (Koordinationsstelle); Matthias Rand, Von der Idee zur Realität, Controlling; Herwig Friesinger u. Franz Römer, Die Geisteswissenschaftliche Fakultät am Universitätscampus und die Darstellung der Institute; Interuniversitäre Koordinationsstelle für Frauenforschung Wien; Hugo Potyka, Planung und Leitprogramm; Johannes Zeininger, Die Hinzufügungen; Sepp Frank u. Rudolf Zabrana, Das Konzept urbaner Nutzung im Alten Allgemeinen Krankenhaus. 17 Wolfgang Greisenegger, Wort des Rektors. In: Alfred Ebenbauer, Wolfgang Greisenegger, Kurt Mühlberger (Hg.), Architektur als Transformation, Universitätscampus Wien, Bd. 2. Wien 1998, S. VII, VIII.

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(b) Wie schon erwähnt, bestand eine inhaltliche Konvergenz im Terminablauf zwischen den damals aktuellen in Planung befindlichen Umbauarbeiten des von der Stadt an die Universität geschenkten Campusgebietes und dem Jubeljahr des 625-jährigen Bestehens der Universität. Beide inhaltlichen Schwerpunkte beziehen sich also auf das positive Verhältnis von Stadt und Universität Wien. Vom 7. bis 18. Mai des Jahres 1990 wurde das Universitätsjubiläum begangen. Die Zielrichtung bestand nicht in einer Selbstverherrlichung der Alma Mater, sondern im Start einer Öffentlichkeitsoffensive, einer Leistungsschau der Wiener Universität für die Bevölkerung der Stadt, des Umlandes sowie der Nachbargebiete, der eben nach der Wende wieder leichter zugänglichen Länder Tschechien, Slowakei und Ungarn. Nach meiner Meinung als amtierender Rektor und ebenso der des Akademischen Senates war die Zeit gekommen, die Leistungen und damit die Bedeutung der Universität Wien darzustellen und der Öffentlichkeit im weitesten Sinne bekannt zu machen. Dabei sollte sowohl die Kooperation mit der Stadt Wien und den Magistratsstellen betont werden, aber auch mit den wieder ins Zentrum gerückten Nachbarländern eine Schwerpunktsetzung für eine Mitteleuropa-Perspektive entstehen, d. h., die Zusammenarbeit mit Partneruniversitäten sollte neue Impulse erfahren. In diesem Sinne wurde dieses Universitätsjubiläum als eine »Leistungsschau in Verbindung mit Öffentlichkeitsarbeit« konzipiert18. In der relativ kurzen Vorbereitungszeit wurde durch eine eigens eingerichtete Senatskommission19 mit paritätischer Besetzung von Professoren, Mittelbau, Studierenden und Verwaltungsvertretern – an der Spitze der sehr engagierte damalige Universitätsdirektor Hofrat Dipl.-Ing. Dr. Franz Skacel – ein Konzept zur Präsentation der Universität Wien erarbeitet. Das Ergebnis bestand einerseits in der Darstellung und Erklärung vorhandener Universitätseinrichtungen in kritischer Selbstdarstellung und andererseits in einer Ausstellung über Forschungsprojekte der Universität Wien in der Volkshalle des Wiener Rathauses. Auf Grund der guten Kontakte zu Bürgermeister und Landeshauptmann Prof. Dr. Helmut Zilk – siehe vorher – wie auch aus seiner Zuneigung zur Universität konnte die Volkshalle als Ausstellungsfläche genutzt werden. Die Universität Wien dokumentierte ihre Verbundenheit mit dem Land und der Stadt dadurch, dass sie, statt sich in Jubelfeiern zu ergehen, ihre Tore öffnete und die Bevölkerung und die künftigen Studentengenerationen über Aufbau, Studium und Forschungsleistungen informierte. Meiner Ansicht nach hat die Universität ein »humanorientiertes 18 Karl R. Wernhart, Begrüßung und Bericht über seine Amtszeit als Rektor (1989/90 – 1990/ 91). In: Die feierliche Inauguration des Rektors der Universität Wien für die Studienjahre 1991/92 und 1992/93 Alfred Ebenbauer (= Wiener Universitätsreden, N.F., Bd. 2), Wien 1992, S. 6 – 17, bes. S. 13 – 15. 19 Akten der Senatskommission »625«. In: Archiv Wernhart, Tagebuch des Rektorates, Jahr 1992, S. 13 f.

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Wissenschaftsverständnis« zu vertreten und damit den Menschen und seine Anliegen, Aufgaben und Leistungen wie auch seine Nöte in den Vordergrund der Forschung20 zu stellen. Alle Fakultäten – damals acht inklusive Medizin – legten Berichte über Forschungsvorhaben vor. Neun Forschungsfelder der Medizinischen Fakultät – diese Fakultät ist heute eine eigenständige Universität – zeigten vor allem die Leistungen für die Bevölkerung (wie u. a. »das neue Wiener Kunstherz« oder »neue funktionelle Rehabilitation für chronisch Kranke und Behinderte« oder auch Informationen über »Knochenmarktransplantationen«). Die sozialen, politischen als auch juridischen Probleme und Fragestellungen, die die österreichische Gesellschaft betreffen, wurden von der Sozialwissenschaftlichen, Grund- und Integrativwissenschaftlichen, Juridischen und Theologischen Fakultät anhand ausgewählter Beispiele behandelt. Darunter fanden sich die Thematik der »Gastarbeiter« als ein »Leben in zwei Gesellschaften« oder »Seelsorgliche Kommunikation« im Handlungsfeld des Krankenhauses oder das »Österreichische Sozialversicherungsrecht« und die »Altenforschung«. Die Formal- und Naturwissenschaftliche Fakultät hat das breite Spektrum von der Experimentalphysik, betreffend die »Umweltforschung« (Luftverschmutzung), über die Festkörperphysik (elektrisch leitende Kunststoffe, Halbleitermaterialien usw.) und »anthropogene Klimaänderungen« bis hin zu der »Zustandsbehebung des Wienerwaldes« an Fallbeispielen aufgezeigt. Die Geisteswissenschaften ließen anhand der Frühgeschichtsforschung (»neue Forschungswege«) und anhand der Analyse »illustrierter Handschriften« aus der Österreichischen Nationalbibliothek ihren Forschungskanon anklingen. Die Pädagogik und die Psychologie stellten die Bedeutung von »Spiel im Schulalltag« in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen21. Mit der Präsentation dieser Forschungsprojekte in der Volkshalle des Wiener Rathauses wurde nicht nur die Verbindung zur Stadt Wien und zu ihrer Umwelt aufgezeigt, sondern auch die Bedeutung der Universität Wien für die Bevölkerung unserer Millionenstadt im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen, gesundheitlichen und auch spirituellen Bereich unterstrichen. Während der Präsentationszeit in den beiden Jubiläumswochen im Monat Mai des Jahres 1990 wurde auf Anregung der Vorbereitungskommission eine Laserinstallation errichtet: Der Laserstrahl nahm seinen Ausgang vom Rathaus (Balkon am Mittelturm) und wurde dann durch einen Spiegel vor dem Burgtheater im rechten Winkel so umgeleitet, dass er das Universitätshauptgebäude 20 Uni Präsent 1990. 625 Jahre Universität Wien (Organisation, Aufbau und Gliederung). Wien 1990, bes. S. 1, Vorwort des Rektors; Uni Präsent 1990. 625 Jahre Universität Wien (Forschungsprojekte, wissenschaftliche Leistungsschau), Wien 1990, bes. S.1, Vorwort des Rektors. 21 Uni Präsent (Forschungsprojekte), Wien 1990, S. 22 – 24, 24 – 26, 12 – 14, 4 – 6, 30 – 32, 38 – 43, 44 – 69, 6 – 9, 70 – 71.

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traf. Auch damit sollte die Verbundenheit der beiden Institutionen zum Ausdruck gebracht und bekräftigt werden22. Diese Lichtinstallation war täglich abends und in der Nacht sichtbar, wurde vielfach bewundert und erregte in der Festwochenzeit große Aufmerksamkeit. Die Öffentlichkeitsarbeit der Universität Wien bestand auch darin, der Bevölkerung die Schwellenangst zu nehmen und sie zu einem Besuch der Universität zu animieren. Dafür wurden die Repräsentationsräumlichkeiten im Hauptgebäude am Ring für eine Informationsveranstaltung zugänglich gemacht; der Lehrbetrieb an der Universität wurde dadurch nicht gestört. Vortragsreihen im Hauptgebäude am Ring, zu den Forschungsprojekten im Rathaus und abendliche Konzerte der Universitätsphilharmonie von Klassik bis Jazz und Swing waren für die besuchende Bevölkerung bestimmt. Auf einem Rundgang durch das Hauptgebäude erhielten die Besucher Informationen zu unterschiedlichen Themen und Schwerpunkten, beginnend mit der Aula, in der die Rektorentafeln, Ehrentafeln und die Namenstafeln der Nobelpreisträger der Universität Wien zu sehen sind. Der Siegfriedskopf – ein ewiger politischer Zankapfel – wurde durch eine Abdeckung mit Sitzbank zum Verschwinden gebracht und nebenbei eine kleine Cafeteria temporär eingerichtet. Man konnte nun in den Arkadenhof wandern und die Denkmäler berühmter Gelehrter betrachten, zu denen eine spezielle Publikation die Person, ihre Leistungen und das Denkmal an sich (Büsten und Epitaphe) erklärte23. Über die Feststiege, auch »Philosophenstiege« genannt, gelangte man nach oben. Auf dieser Doppelstiege mit Mittelabsatz wurde eine kleine Schau der drei Nachfolgefakultäten der Philosophie (Grund- und Integrativwissenschaftliche, Geisteswissenschaftliche und Naturwissenschaftliche Fakultät) präsentiert, die von den drei Dekanen Wolfgang Greisenegger, Alfred Ebenbauer und Wolfgang Kubelka organisiert worden war. Sie zeigte die jeweiligen fachlichen Schwerpunkte der Forschung und Studienrichtungen auf. Durch den Vorraum im ersten Stock und die Garderobe, wo anhand von Tabellen und Tafeln die Organisation und die Struktur der Universität, ihrer Fakultäten und Kurien in übersichtlicher Art aufgezeigt wurde24, gelangte man in den Senatssaal. In diesem historischen Raum war eine sehr gefällige und informative Ausstellung über die Gründungsphase der Universität Wien anhand von Originalurkunden und -dokumenten, Objekten (Zepter, Ketten und Talare) und Modellen eingerichtet worden, für die unser Archivar – heute Hofrat und Universitätsdozent – Kurt

22 Karl R. Wernhart, Tagebuch des Rektors, Montag u. Dienstag, 7. u. 8. Mai 1990. Die Laserinstallation war bis Ende der Veranstaltung (18. Mai 1990) jeden Abend sichtbar gewesen. 23 Thomas Maisel, Die Denkmäler im Arkadenhof der Universität Wien. Biographische Skizzen (= Kopfprojekte, Uni Präsent 1990, 625 Jahre Universität Wien), Wien 1990, 35 S. 24 Gerhard Tschugguel (Hg.), Uni Präsent, 625 Jahre Universität Wien, Wien 1990.

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Mühlberger die Gestaltung und Publikation25 übernommen hatte. Der Große Festsaal wirkte durch sein beeindruckendes Erscheinungsbild für sich selbst. In diesem fanden abends Konzerte und Vorträge statt. Im Kleinen Festsaal wurde der »Vertriebenen Intelligenz« gedacht, der Universitätsangehörigen, die durch Deportation, Vernichtung oder Emigration in den Jahren 1938 bis 1945 der Wiener Universität und damit Österreich verloren gegangen sind. Die dazugehörende Publikation26 erfuhr sogar eine zweite Auflage. In der Garderobe Ost vor dem Kleinen Festsaal war ein Sonderpostamt eingerichtet, wo die Sondermarke für die zwei jubilierenden Universitäten Wiens (Universität Wien 625 Jahre und Technische Universität Wien 175 Jahre) ausgegeben und der Sonderstempel erteilt wurde. Eine Ausstellung von Briefmarken mit österreichischen Gelehrten und Universitäten schloss den Rundgang ab. Über die sogenannte »Juristenstiege« gelangte man wieder in die Aula. Für die Rundgänge im Hauptgebäude und in der Volkshalle des Rathauses wurde eine Publikationsserie von fünf großformatigen Heften zu moderaten Preisen als Informationsträger für Studierende und Besucher angeboten27. Noch Jahre danach wurden Exemplare nachgefragt. Inzwischen sind die sehr informativen Hefte vergriffen. Mit den verschiedenen Ausstellungen und den Begleitpublikationen konnte durch die Öffnung der Universität in Kooperation mit der Stadt Wien – besonders mit der Rathausadministration – eine Vertiefung und Verständlichmachung der Bedeutung und der Aufgaben wissenschaftlicher Forschung und Lehre für die Bevölkerung Wiens erreicht werden. Dies wird auch durch eine Repräsentativbefragung und Medienanalyse vor und nach dem Universitätsjubiläum bestätigt. Diese von dem Publizistik- und Kommunikationswissenschafter Maximilian Gottschlich und seinem Team28 vorgelegte Endanalyse, die anhand von Interviews und Presseauswertungen über das »Image der Universität Wien« erstellt und im Februar 1991 vorgelegt wurde, zeigt auf, dass vor den Jubiläumswochen vor allem die Leistungen der Medizinischen Fakultät – heute eine eigene Universität – im Bereich der Gesundheitsbetreuung der Wiener Bevölkerung inklusive der Unterstützung durch die Apotheken hohen Bekanntheitsgrad auf25 Kurt Mühlberger, Die Anfänge der Universität Wien. Sonderausstellung im Senatssaal der Universität Wien (= Uni Präsent, Historische Spuren, 625 Jahre Universität Wien), Wien 1990. 26 ebd., Dokumentation. Vertriebene Intelligenz 1938. Der Verlust geistiger und menschlicher Potenz an der Universität Wien von 1938 bis 1945 (= Uni Präsent. 625 Jahre Universität Wien), Wien 1990, 2. Aufl., Wien 1993. 27 Uni Präsent. Serie von fünf Publikationen in unterschiedlichen Farben, mit insgesamt 330 Seiten Umfang. 28 Maximilian Gottschlich, Das Image der »Universität Wien«. Repräsentativbefragung und Medienanalyse, Wien 1991. Mitarbeiterteam: Univ.-Prof. Dr. Fritz Karmasin, Leiter des Gallup-Institutes, u. der damalige Pressesprecher des Rektors Dr. Karl Obermair.

Zur Kooperation zwischen Universität und Stadt Wien

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wies. Dies galt auch für die Juridische Fakultät auf Grund des hohen Bedeutungsgrades des öffentlichen Verwaltungsapparates, der richterlichen und prozessualen Verfahren, der advokativen Rechtshilfe und der Notare, die bei jeder bedeutenden Entscheidung im Leben jedes einzelnen Bürgers auftreten29. Die Daten nach den Jubiläumswochen, fußend auf einem Auswertungsfaktor von 1,1 Millionen Menschen, brachten zum Ausdruck, dass ca. 30 % der Bevölkerung die Universitätsfeierlichkeiten wahrgenommen haben; also ca. 1/3 der Bevölkerung Wiens und etwas geringer im Umland außerhalb der Bundeshauptstadt30. Am einprägsamsten erwies sich die Vorstellung der Jubiläumsbriefmarke (47 %), gefolgt von der wissenschaftlichen Leistungsschau in der Volkshalle des Rathauses (23 %). Im Mittelfeld finden sich die Eröffnungsveranstaltung, die ökumenische Andacht im Stephansdom (Grab Rudolf IV., dem Stifter) und die Konzertveranstaltungen (19 – 20 %). Im unteren Bereich (15 %) landeten die Informationen über die Fakultäten und Kurien und die Dokumente der Ausstellung über die Gründungsgeschichte und die »vertriebene Intelligenz«31. Ein positiver Nebeneffekt der 625-Jahr-Feier und der Entwicklung sowie Realisierung des Universitätscampus im Alten AKH war die Errichtung eines Außeninstituts an der Universität Wien, das dem Rektor für die Ausrichtung der Universitätspolitik unterstellt wurde und bis heute besteht. Dieses Außeninstitut verfügt über eine Pressestelle und ferner über Planstellen für die Öffentlichkeitsarbeit und für das kooperative Zusammenwirken mit den Partneruniversitäten im Westen und vor allem mit den in das Herz Mitteleuropas zurückgekehrten Staaten und deren Universitätsstätten. So wurden u. a. in diesen Jahren auch neue Partnerschaftsabkommen mit der Comenius-Universität Bratislava und der Masaryk-Universität Brünn abgeschlossen32. Dieses wissenschaftliche Netzwerk an Forschungs- und Lehrkooperationen wird durch die Zusammenarbeit der Stadt Wien mit den Nachbarstädten in Mittel- und Osteuropa ergänzt. Voraussetzung für eine gelingende Außenpolitik der Universität Wien ist ihre öffentlich-rechtliche Position. Der bekannte Jurist Prof. Dr. Günther Winkler33 betonte in Bezug auf die damalige Rechtsposition der Universität, dass die »Universität als juristische Person des öffentlichen Rechts in Lehre, Rechtsprechung und Gesetzgebung« über Unabhängigkeit, Freiraum und damit über eine eigene Budgethoheit und auch autonome Entscheidungen in Personalangele29 Vgl. Maximilian Gottschlich, Fritz Karmasin, Karl Obermair, Erster Zwischenbericht. Das »Image der Universität Wien« Stand Juni 1989, Wien 1989, bes. S. 13 ff. u. 17 ff. 30 Gottschlich, 1991, S. 69, 70. 31 Gottschlich, 1991, S. 70, 218 ff. 32 Wernhart, 1992, S. 12, 14, 15. 33 Günther Winkler, Die Rechtspersönlichkeit der Universitäten (= Forschungen aus Staat und Recht, Bd. 80), Wien–New York 1988, S. 378, 393, 428.

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Karl R. Wernhart

genheiten verfügen müsste und nicht bei »teilrechtsfähigen« Verwaltungseinheiten ihre Zukunft fristen sollte. Sie müsse damit immer noch um »ihr rechtlich-autonomes Überleben« kämpfen. Daher sei es endlich Zeit, meinte Günther Winkler34, die »Universitäten aus ihrer problematischen Lage herauszuführen und ihnen nicht nur im Umfang ihrer selbständigen Wirkungsbereiche volle Rechtsfähigkeit einzuräumen, sondern überhaupt ihre Selbständigkeit im öffentlich-rechtlichen Bereich anzuerkennen. […] Das sollte sogar angesichts mancher Mitbestimmungsrechte, die jenseits von Sachverstand, Erfahrungswissen, Betroffenheit und individueller Verantwortung eingerichtet sind, vor allem für den Wirtschaftsbereich und für den wissenschaftlichen Forschungsbereich kaum ein großes Wagnis sein. Es müsste genügen, die Mitbestimmung in den technisch-wirtschaftlichen und fachlich-wissenschaftlichen Bereichen universitärer Selbstverwaltung auf eine bloße Kontrollfunktion teils qualitativ, teils aber bloß quantitativ zu beschränken.« Die geforderte Vollrechtsfähigkeit in wirtschaftlich-budgetären und administrativen Belangen wie auch bei Personalentscheidungen ist inzwischen durch das neue Universitätsgesetz 2002 voll erfüllt.35 Der gegenwärtige Bürgermeister der Stadt Wien, Dr. Michael Häupl, hat im Rahmen des rot-grünen Koalitionsabkommens Universitätsprofessor Alexander Van der Bellen als Sonderbeauftragten der Stadt Wien für Universitäts- und Wissenschaftsangelegenheiten installiert. Dies ist ein weiterer bedeutender Schritt in Richtung der Vernetzung von Stadt und Universität. Die Stadt, ihre Leitung und Verwaltung sollte mit Stolz auf ihre Universitäten und Fachhochschulen blicken. Der Theorie- und Methodenfluss von der Universität und den anderen Hochschuleinrichtungen zur Stadt muss mit einem Maß an Verlangen nach Praxis und Gesellschaftsorientiertheit – von der Stadt ausgehend – kombiniert werden. Die Institutionen müssen in aller Offenheit unter wissenschaftlich fundierten Auspizien die anfallenden Probleme sondieren, die daraus folgenden Zielsetzungen gemeinsam erarbeiten und die notwendigen Aktivitäten setzen. So zeichnen sich aus der dargestellten Retrospektive auch Zukunftsperspektiven für eine positive Wechselbeziehung zwischen der Stadt und ihren Universitäten ab. Diese wurde nicht nur bereits in den Gründungsakten postuliert, sondern stellt heute mehr denn je eine zentrale Achse in einer dialogisch geführten Kooperation dar.

34 Winkler, 1988, S. 426. 35 Bettina Perthold-Stoitzner (Hg.) Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002-UG)., 2. Aufl. Wien 2009, bes. § 4, Rechtsform: »Die Universitäten sind juristische Personen des öffentlichen Rechts«.

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Interviews mit Arnold Schmidt, Kurt Komarek, Georg Winckler, Manfried Welan, Herbert Matis, Wolfgang Greisenegger, Wolf Frühauf und Peter Skalicky

Interview mit em. o. Univ.-Prof. Dr. Arnold Schmidt F: Ihre Leistungen als Präsident des FWF sind heute ja allgemein anerkannt. Insbesondere auch ihre Initiative in Bezug auf besondere Forschungsprogramme des FWF. Wollen Sie sich dazu vielleicht äußern? Schmidt: Was das Schrödinger-Stipendium betrifft, so muss ich dazu wahrscheinlich nicht so viel sagen, weil es dazu auch eine Reihe von Veröffentlichungen gibt. Die Idee zur Entstehung des Start- und des Wittgenstein-Programms habe ich in meiner Dankesrede anlässlich der Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens ausführlich dargestellt. Dass meine Idee, den Start- und Wittgensteinpreis ins Leben zu rufen, so »eingeschlagen« hat und diese beiden Programme aus der österreichischen Forschungsförderungslandschaft nicht mehr wegzudenken sind, freut mich sehr. Sie genießen darüber hinaus auch im Ausland ein großes Prestige. Das Schrödinger-Programm entstand knapp nach meiner Rückkehr aus den USA noch während der Ministerzeit von Hertha Firnberg, die ich bereits aus ihrer Zeit in der Arbeiterkammer gut kannte. Dann kam es zu einer Regierungsumbildung, und Heinz Fischer wurde Bundesminister für Wissenschaft und Forschung. Er lud einige Wochen nach Amtsantritt eine Runde zu sich ein, Beamte seines Ministeriums und ein paar seiner alten Freunde – wir sind gleich alt und kennen einander seit langem –, um mit uns über wünschenswerte neue Initiativen seines Ministeriums zu diskutieren. Was ich dort genau vorbrachte, weiß ich nicht mehr. Aber es gibt einen Brief, in dem ich zusammenfasste, was ich mir damals vorstellte, so auch in Bezug auf das Schrödinger-Stipendium, einschließlich des Namens. Wobei ich als Alternative für die Namensgebung auch den Namen eines damals noch lebenden bedeutenden, österreichischen Kernphysikers Victor Weisskopf erwähnte. Außerdem schlug ich vor, dem FWF die Vergabe zu übertragen und nicht dem Ministerium. Er ging darauf ein, und meine nächste Aufgabe war es, diese Vorstellungen auch Komarek, den ich vom Sehen kannte, zu unterbreiten. Dieser

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war anfangs skeptisch, sogar ein wenig misstrauisch. Diese Zurückhaltung legte er aber sehr bald ab. In der Folge nahm ich auch an jenen Sitzungen teil, die die Richtlinien für die Organisation und Durchführung dieses Programms ausarbeiten sollten. Neben Komarek und mir nahmen auch Raoul Kneucker und ein Beamter teil, der für die Stipendienvergabe im Ministerium zuständig war und der sich bitter über die Provinzialität der Studenten beklagte, die dazu führte, dass zum Jahresende viele Stipendien übrig blieben. Natürlich gab es unter den Studenten schon immer einige, die den Drang verspürten, Auslandserfahrungen zu machen: Es waren generell die Unternehmungslustigeren, die nicht Angepassten, die vermuteten, der Institutschef würde ihnen nicht den nächsten freiwerdenden Assistentenposten geben – und es blieb ihnen daher nur das Ausland. Das Schrödinger-Programm war von Anfang an ein Erfolg, allerdings nie besonders überlaufen, obwohl es seitens des Fonds die Regel gab, dass es dafür nie an Geld fehlen dürfe. Junge Leute wollen, und können vor allem nicht warten, insbesondere wenn sie schon eine Zusage einer ausländischen Universität haben, die vielleicht an eine Beihilfe von österreichischer Seite geknüpft war. Wenn man sich die Biographien von Leuten ansieht, die später wissenschaftliche Karriere machten, so finden sich unter ihnen zahlreiche Schrödinger-Stipendiaten. Als ich Präsident des FWF wurde, war es bereits ein gut eingespieltes Programm. Was noch etwas holprig ging, waren die unter meinem Vorgänger Rauch in Anlehnung an die deutschen SFBs (Anm.: Sonderforschungsbereiche) geschaffenen Spezialforschungsbereiche. Dieses Programm hatte einige Geburtsfehler, die repariert werden mussten. Unter Rauch waren auch die Lise-MeitnerStipendien eingeführt worden, die ebenfalls ein paar »Häutungen« durchmachen mussten. Bei Letzterem gab es deutlich strengere Auswahlbedingungen als für Schrödinger-Stipendien. Die Kandidaten mussten wissenschaftlich bereits besonders gut ausgewiesen sein. Auf Fischer folgte Tuppy als Wissenschaftsminister und diesem Busek. Ich wurde Präsident des FWF gegen Ende von Buseks Amtszeit. Ich erinnere mich an mehrere Besprechungen mit ihm, die durchaus positiv verliefen und auch nach meinem Geschmack waren. Aber unsere Überlappung währte nur kurz. Denn Busek hatte die Idee, wenn schon große Koalition, dann sollte man wenigstens Ministerien tauschen. Und so übernahm seinen Ministerposten schließlich Rudolf Scholten, den ich vorher noch nicht kannte. Auch er hatte anfangs das Interesse, die Wünsche an sein Ministerium kennenzulernen. Er lud mehrfach kleine Runden zu sich nach Hause ein. Insbesondere erinnere mich da an einen Abend, an dem u. a. der Molekularbiologe Günther Kreil teilnahm. Dabei kam die Idee auf, sehr produktive Wissenschaftler von der quasi kontinuierlichen Antragsstellung zu entlasten.

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F: In die 1970er und 1980er Jahre fiel ja auch die rasante Entwicklung der Universitäten sowohl in Bezug auf die Studierendenzahlen als auch des wissenschaftlichen Personals, die Vielfalt der Disziplinen und das äußere, räumliche Wachstum der Universitäten und Hochschulen. Wie sehen Sie diese Veränderungen, die sozusagen schon allein das äußere Gesicht der Universität veränderten? Ich nenne hier bewusst auch die Architektur, die Standortplanung und -findung. Und welche Rolle hat dabei möglicherweise die Stadt Wien gespielt? Schmidt: Die Stadt Wien hat die Universität traditionell seit alters her ignoriert, wobei natürlich auch die Zuständigkeit des Bundes für die Universitäten eine Rolle spielt. Dazu kommt sicherlich auch ein politisches Motiv. Die alte Sozialdemokratie, ich meine die bis 1934, war in gewissem Sinne eine Koalition zwischen einer organisierten Arbeiterschaft und bürgerlichen oder kleinbürgerlichen linken Intellektuellen. Das waren auf der einen Seite Victor und Friedrich Adler, Otto Bauer und andere und auf der anderen Seite die aus der Arbeiterschaft stammenden Gewerkschaftler, die beide zusammen die Führungsfunktionen wahrnahmen. Der intellektuelle Teil hatte einen hohen jüdischen Anteil, der aufgrund der politischen Ereignisse 1934 und 1938, zuerst zurückgedrängt, dann vertrieben und ausgerottet und nach 1945 nicht kompensiert werden konnte. So ergab sich eine Konstellation, die ich für die gesamte Universitätsund Wissenschaftspolitik der 2. Republik als ganz zentral erachte: alle Bereiche des öffentlichen Lebens wurden unter den beiden großen Parteien proporzmäßig aufgeteilt. Die einzige Ausnahme bildete der Universitäts- und der Wissenschaftsbereich. Die Sozialdemokratie gab diese von vornherein auf, ohne dafür irgendeine Gegenleistung zu erhalten. Sie sah sie nicht als »ihre« Bereiche an. In diesen gab es somit eine Kontinuität des Austrofaschismus. Die Sozialdemokratie nach 1945 störte dieser Umstand aber offenbar keineswegs. F: Wobei die Sozialdemokratie im Bereich der wirtschaftlichen Intelligenz auch auf das Reservoir der braun gefärbten technokratischen Intelligenz zurückgriff. Schmidt: Ja, sicher. Dass der BSA zu meiner Zeit als Student – ich war Mitglied einer linken Studentenorganisation – gelegentlich als BSSA verspottet wurde, war nicht so ganz falsch. Das hat sich mit der Zeit natürlich geändert. Die Abstinenz der Sozialdemokraten bezüglich des Forschungs- und des Universitätsbereichs hatte in späteren Jahren sogar einen gewissen Vorteil, weil es den Proporz hier eben nicht gab. Aber für die Gemeinde Wien waren diese Bereiche Jahrzehnte lang No-NoBereiche, mit denen man nichts zu tun haben wollte. Und der erste RathausSpitzenpolitiker, unter dem hier ein gewisser Wandel eintrat, war Vizebürger-

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meister Mayr. Eine gewisse frühe Ausnahme stellte Theodor Körner dar. Unmittelbar nach 1945 kamen einige jüdische Intellektuelle zurück. Die, die der KPÖ angehörten, folgten überwiegend einem Parteiauftrag. Ihr Glaube und Ziel war es, den Sozialismus im eigenen Lande aufzubauen. In erster Linie fällt mir der Chemiker Engelbert Broda ein, weiters Theodor Prager, Nationalökonom, der später als Ratgeber für Hertha Firnberg eine große Rolle spielte, der Nationalökonom Kurt Rothschild und einige andere. Gemeinsam war ihnen, dass sie aus den Ländern ihrer Emigration Vorstellungen mitbrachten, wie moderne Wissenschaft zu organisieren sei. Sie wollten unter anderen einen österreichischen Forschungsrat gründen und waren die ersten, die dieses Thema überhaupt hier zu Lande zur Sprache brachten. 1948 organisierten sie eine große Konferenz zum Thema Österreichische Forschungspolitik. Diese stand aber bemerkenswerter Weise nicht unter der Patronanz des für Wissenschaft zuständigen Unterrichtsministers, sondern unter der Schirmherrschaft von Theodor Körner, damals Bürgermeister der Stadt Wien. Jedenfalls gedieh diese 1948er-Initiative ziemlich weit, fiel dann aber dem Kalten Krieg zum Opfer, denn unter den Initiatoren befanden sich viele Kommunisten, zu denen damals eben keine Kontakte unterhalten werden durften. Zur Gründung eines österreichischen Forschungsrats kam es erst 1968, also zwei Jahrzehnte später.

Interview mit Rektor i. R. em. Univ.-Prof. Dr. Kurt Komarek F: Wie hat sich die Forschungsförderung für die Christian-Doppler-Gesellschaft in den 1980er Jahren entwickelt? Komarek: Eine weitere Funktion, die vielleicht für Sie von Interesse ist, war meine Aktivität im Rahmen der Christian-Doppler-Gesellschaft, deren Direktorium ich von 1988 bis 1995 angehörte. Die Aktivität der Gesellschaft wurde jahrelang von der VOEST finanziell unterstützt, ein Umstand, der vor allem dem Wirken von Professor Arnold Schmidt zu verdanken ist, dem es gelang, den Generaldirektor der VOEST, Hugo Michael Sekyra, dafür zu interessieren. Die VOEST stellte der Gesellschaft zu Beginn 30 Millionen Schilling zur Verfügung und die Sitzungen des Direktoriums der Doppler-Gesellschaft fanden jahrelang auch am Sitz der ÖIAG in der Kantgasse statt. Heute wird die Doppler-Gesellschaft ja aus Mitteln des Wirtschaftsministeriums finanziert, wobei Wirtschaft und Staat jeweils die Hälfte der Mittel aufbringen. Die Gesellschaft bemühte sich sehr um die Förderung der Beziehungen zwischen Hochschulen und der Industrie, ein Anliegen, das, wie ich zugebe, in mir anfangs eine erhebliche Skepsis hervorgerufen hat. Ich habe meine Skepsis aber im Laufe der Zeit abgelegt, denn

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die Antragstellung hinsichtlich Förderungen im Rahmen der Gesellschaft setzte eine enge Kooperation zwischen den Unternehmen und der Wissenschaft voraus. Es mussten nicht nur die beiden Partner bei der Vorbereitung der Anträge eng zusammenarbeiten, wir haben im Kuratorium auch stets darauf geachtet, dass ein gewisser Anteil des beantragten Budgets für den betreffenden Wissenschaftler reserviert wurde. Eine bloße Konsulententätigkeit war für uns nicht ausreichend, um Fördermittel zu vergeben. Mir erschien dieses Modell der Forschungskooperation, das sich im Rahmen der Doppler-Gesellschaft entwickelte, als so bedeutend, dass ich es auch auf europäischer Ebene, sowohl im Rahmen der »European Science Foundation« in Straßburg, deren Direktorium ich jahrelang angehörte, als auch in Brüssel als vorbildlich vorgestellt habe. Eine weitere Funktion, die ich ziemlich lange einnahm, nämlich 22 Jahre – von 1980 bis 2002 –, war die eines Mitglieds im Advisory Board der Webster University, deren Sitz sich in den 1980er Jahren in der Marokkanergasse befand; später wurde er an einen Standort jenseits der Donau verlegt. Ich habe mich während meiner Funktionsdauer immer um eine engere Zusammenarbeit zwischen den Wiener Universitäten und der Webster University eingesetzt. Dabei ging es insbesondere um eine Verbesserung der Beziehungen zur Wirtschaftsuniversität. Die Webster University, unter deren Studierenden sich sehr viele Osteuropäer befanden, vornehmlich aus begüterten Familien, wurde alle drei Jahre einer Prüfung durch ein Accreditation Committee in Bezug auf die Qualität ihres Lehrangebots unterzogen, was nicht bei allen Privatuniversitäten der Fall war. Webster bot vor allem im Bereich Business Administration Ausbildungsgänge an, die, wenn man sie mit einer anderen akademischen Ausbildung kombinierte, eine sehr vorteilhafte berufliche Startposition ermöglichten. Aber auch für unsere Wissenschaftler bot die Tätigkeit als Lehrende an dieser Universität interessante Erfahrungen; ich erinnere mich etwa an den Politologen Peter Gerlich, der dort unterrichtete. Die Universität dankte mir am Ende meiner dortigen Tätigkeit mit einer Auszeichnung.

Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Georg Winckler F: Welche Rolle spielte Bürgermeister Helmut Zilk bei der Neugestaltung der Beziehungen zwischen der Stadt Wien und der Universität Wien? Winckler : Man muss vielleicht vorsichtig sein, wenn man die Gewichte richtig setzen will. Ich kannte Bandion, der allerdings, glaube ich, mit Zilk nicht immer auf bestem Fuße stand. Bei irgendeinem dieser Gespräche redeten wir über das Alte AKH. Und es gab dann eine Delegation der Universität Wien – das war am

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Beginn des Rektorats Holczabek –, aus der drei Personen ausgesucht wurden, zwei davon sind leider schon gestorben, und zwar Stockinger, ein Mediziner, der Geograph Fischer und ich. Wir drei suchten also Bandion 1987 in dessen Büro auf, das wie jenes des Bürgermeisters ebenfalls etwas versteckt gelegen war. Auch er verfügte über ein riesiges Büro. Wir äußerten unser Interesse an einer Nachnutzung des AKH. Ich kann mich noch gut an seine Fragen erinnern – nicht sehr zahlreich, aber sehr relevant, so in der Art »Na könn’ ma das euch überhaupt geben?!«. Und ich wies damals darauf hin, dass die Universitäten unter Minister Tuppy teilrechtsfähig geworden sind und damit eine Schenkung möglich wäre. Bandion wollte das gleich mit größeren Grundstücksaktionen zwischen Stadt und Bund insgesamt verbinden, und in diesem Zusammenhang kann ich mich an ein Gespräch mit Zilk erinnern, in dem er diese Idee unterstützte. Dabei darf man nicht vergessen, das Besondere am Uni-Campus ist, dass es dann als Geschenk an die Uni kam, ohne dass der Bund dafür Gegengeschenke leisten musste. Das war eine Initialzündung. Die Uni wollte damals mit der Gemeinde in Kontakt kommen. Ich glaube nicht, dass es zwischen Holczabek und Zilk eine besondere Gesprächsbasis gab. Wir waren jedenfalls ausgesandt, um mit Bandion die Frage Campus im Alten AKH einmal zu sondieren. F: Und vielleicht hat da auch der Vizebürgermeister Mayr eine Rolle gespielt? Winckler : Ich persönlich hatte als Ökonom einen sehr guten Kontakt zu Mayr, weil ich damals im Wirtschaftspolitischen Beirat von Finanzstadtrat Mayr saß – ich weiß nicht, wie ich zu der Ehre kam, in dieses Gremium berufen zu werden – und hatte dann von 1977 (oder 1978) bis 1981/82 ein von der Nationalbank finanziertes, aber von der Gemeinde Wien unterstütztes Projekt über Wien als Finanzplatz. Daher also der Kontakt zu Mayr. Es kann sein, dass die CampusTransaktion über Vizebürgermeister Mayr und Magistratsdirektor Bandion lief. F: Mayr sagt man ja auch nach, er habe eine Antenne für die Wissenschaft gehabt. Winckler : Mayr war sehr interessiert. Ich kann mich im Rahmen des Wirtschaftspolitischen Beirats an eine Reihe von Gesprächen erinnern, in der sein Interesse an einer Strahlkraft Wiens über die Landesgrenzen hinaus deutlich wurde. F: Wenn ich vielleicht zurückkommen darf auf das engere Verhältnis Stadt – Stadtverwaltung – Universität. Wann haben Sie das erste Mal festgestellt, dass es hier doch ein engeres Beziehungsgeflecht gibt?

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Winckler : Ich habe 1978 die Professur bekommen und kann mich gut erinnern, dass ich in diesem Raum hier – im Rektorat – meinen Amtseid ableistete. Damals war Komarek Rektor. Vermutlich wegen meines internationalen Hintergrunds rief er mich wenig später an und fragte, ob ich nicht Auslandsreferent der Universität Wien werden wolle. Ich war ein bisschen überrascht, habe das dann aber auch gemacht, allerdings nur kurz, weil Komarek bald darauf abtrat und Platzgummer als sein Nachfolger vieles gerne alleine machen wollte und ich dann erst wieder unter Rektor Plaschka diese Aufgabe de facto übernahm. Deswegen sage ich immer, dass ich erst 1981 diese Aufgabe übernommen habe. In diesem Zusammenhang habe ich die Wechselwirkungen zwischen der Universität zur Stadt schon sehr deutlich realisiert – natürlich hat man schon als Student die Stadt in vielfacher Beziehung rezipiert (Wohnungssuche, Straßenbahnen usw.), aber als Auslandsreferent der Universität Wien bei Themen wie der Unterbringung von Gastwissenschaftlern oder der Unterbringung von ausländischen Studenten im Rahmen von Studienprogrammen. Ich habe die Stadt nicht als störend empfunden, allerdings auch nicht als hilfreich. Und da gab es dann auch noch diese Begebenheit, es fällt in die Jahre 1983/84. Tuppy war schon Rektor. Dieser nahm meine Dienste als Auslandsreferent gerne in Anspruch. So kann ich mich erinnern – es war sein erstes Jahr als Rektor –, dass die Karls-Universität Prag ihre Fühler ausstreckte, um ein Partnerschaftsabkommen mit der Universität Wien abzuschließen. Es war klar, dass die Stadt Prag auf diesem Weg auch ein engeres Verhältnis zur Stadt Wien suchte. Deswegen kam es zu einem Gespräch zwischen Leopold Gratz und Hans Tuppy. Dieses Gespräch muss 1983 oder 1984 stattgefunden haben. Ich kann mich erinnern, dass mich Tuppy, weil es sich bei Prag um Ausland handelte und mich mit ihm auch ein freundschaftliches Verhältnis verband, bat mitzukommen. Es war dies für mich insofern ein Erlebnis, als man, um zum Bürgermeister zu gelangen, verschiedene Räume durchschreiten musste; es war ein Eckzimmer, in dem der Bürgermeister residierte, das Zimmer war riesengroß, ich würde meinen, doppelt so groß wie dieses Zimmer hier. Man saß am hinteren Ende und der Tee wurde uns von einem Mann in Handschuhen serviert. Ich glaube, es waren sogar weiße, alles war »comme il faut«, und das Gespräch plätscherte so dahin. Gratz schien weder sonderlich engagiert noch interessiert, während Tuppy bei dieser Gelegenheit darauf hinwies, dass es doch günstig wäre, wenn man die U-Bahnstation vor der Universität nicht nur Schottentor benennen würde – zumal auch eine Verwechslung mit der Haltestelle Schottenring ansonsten möglich wäre –, sondern ob man nicht den Namen Universität hinzufügen könne. Und hier bemerkte Gratz, dass da ja jeder kommen und solche Wünsche äußern könne. Tuppy war nachher etwas konsterniert über diese Reaktion, aber das war’s. Die Szene hinterließ bei mir den Eindruck, dass sich das Rathaus in seinem klassizistischen Stil nicht eben durch eine große Dynamik auszeichnete und dass die Universität

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an der Rathausspitze unter ferner liefen gesehen wurde. Heute wird die Universität bei der U-Bahnstation Schottentor mitgenannt.

Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Manfried Welan F: Welche Reformen betrafen nach dem UOG 75 die Universität? Welan: Damit kommen wir bereits zur Busek’schen Reform, die die Merkwürdigkeit hatte, dass sie nicht konsequent war, aber doch Elemente der früheren, so etwa die Mitbestimmung, mitnahm, diese aber mit einer gewissen Autonomie zu verbinden suchte, die die Spitze und damit das Zentrum gestärkt hat. Der frühere Rektor wurde mit einem Mal quasi Minister, und das Ministerium konnte nur als Finanzier über die Verträge (Leistungsvereinbarung usw.), die aber erst später entstanden, Einfluss nehmen. Diese Ansätze, die durch die späteren Minister (unter Elisabeth Gehrer) noch verstärkt wurden, gab es also schon unter Erhard Busek. Ich glaub aber, dass das wichtigste Ergebnis der Busek’schen Hochschulpolitik die Gründung der Fachhochschulen sowie die Gründung der Privatuniversitäten war. Damit entstand in diesem tertiären oder quartären Bildungssektor etwas gänzlich Neues. Natürlich bestand und besteht hierbei die Tendenz, dass diese Bildungsinstitute teilweise Aufgaben der Universitäten übernehmen oder zumindest in ihrer Struktur eine Entwicklung in Richtung Universität anstreben. Das hat sich ja auch schon in der Bundesrepublik gezeigt, wo diese Einrichtungen schon viel früher errichtet wurden. F: Erkennen Sie solche Tendenzen in Österreich? Welan: Ja, ich glaube schon, das reicht von dem Bestreben, nicht in der rein berufsorientierten Lehre verhaftet zu sein, sondern Wissenschaft betreiben zu wollen, bis zu den Äußerlichkeiten, etwa wie Abschlüsse gefeiert werden, mit Talaren usw. Ich war nie gegen die Fachhochschulen und habe diese immer als Ergänzung zu den Universitäten gesehen. Dies gilt übrigens auch für meine Nachfolger : Ein Beispiel wäre etwa Professor März, der sogar Vorsitzender des Fachhochschulkuratoriums ist. Vielfach funktioniert ja auch die Ankoppelung der Fachhochschulen an die Universitäten, wie das ja auch hinsichtlich der Bodenkultur der Fall ist, wo mehrere Fachschulen ›vorgeschaltet‹ sind. Außerdem kann man über diese Institutionen auch Geldgeber mobilisieren, die unter Umständen den Universitäten ansonsten keine Mittel zur Verfügung stellen

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würden. Dass oft dennoch nur der Staat im weiteren Sinne (Bund oder Länder) als Finanzier übrig bleibt, ist eine Folge unseres Steuersystems, das für großzügige Spenden an die wissenschaftlichen Einrichtungen zu wenig Freiräume bietet, wobei allerdings die Möglichkeiten heute wieder etwas besser sind als vorher. Dazu kommt, dass hierzulande größere Zuwendungen seitens der Wirtschaft keine Tradition haben, und es fehlt natürlich auch an einem größeren Kreis, der solche Spenden überhaupt aufzubringen vermag. Andererseits trifft es zu, dass Österreich im Klein-Klein sehr gut ist. Ich habe das einmal so formuliert: Der Artikel 1 der österreichischen Bundesverfassung lautet: Österreich ist klein, Artikel 2: Small is beautiful. Ich glaube auch, dass meine Vorstellung, in Wien einmal eine zentrale Universität zu haben, in Widerspruch steht zu dieser Weltmeister-Kleinheit. Das würde nichts bringen, weil die Leute ihr Heil zu sehr im Individuellen suchen. Irgendwann könnte es vielleicht allerdings einmal dazukommen. Ich will dazu aber vielleicht noch einiges sagen: Es gab und gibt in Wien außeruniversitäre Stellen, wie z. B. das Institut für Wissenschaft und Kunst oder das Institut für die Wissenschaft vom Menschen. Ich habe mich für alle diese Institute damals im Rahmen meines Konzepts von der »Wissenschaftsstadt Wien« interessiert und mir überlegt, wie man diese vielleicht stärker zusammenfassen könnte. Ich bin dann davon aber abgekommen, als ich sah, dass dort überall ehrgeizige Leute sitzen, die mit Hingabe an den Aufgaben dieses Kleininstitutes arbeiten. Ich weiß das beispielsweise aus meiner Tätigkeit im Rahmen des Demokratiezentrums oder des Instituts für Konfliktforschung. Da wird überall improvisiert, man rettet sich, so wie die Universitätsinstitute auch, von einem Jahr zum anderen, dennoch oder trotzdem wird relativ viel geleistet. Wäre das ein großer Verbund, dann könnte noch deutlich mehr geleistet werden. Bei den Universitäten gibt es heute eine Tendenz zur Zentralisierung, sie sind zwar dezentralisiert gegenüber dem Ministerium, eine Zentralisierung geht aber vom Rektor aus. Ich hatte als Rektor zwar eine Sekretärin, viele von mir zu bearbeitende Agenden wie Forschungsförderung, internationale Agenden haben aber auf mein Ersuchen hin Kollegen übernommen, wobei sie 90 % und ich 10 % der Arbeit erledigt haben. Nur die Öffentlichkeitsarbeit habe ich mir allein vorbehalten, weil es nicht von Vorteil ist, wenn diese Aufgabe von mehreren wahrgenommen wird. Jetzt hingegen sind die meisten dieser Aufgaben professionalisiert, wofür hunderte, nicht wissenschaftliche MitarbeiterInnen in der Zentrale angesiedelt sind – hierbei stellt sich allerdings schon die Frage, welches Interesse diese für die wissenschaftliche Forschung an der Basis, also an den Instituten, haben. Ist nicht deren Beweggrund, wie in jeder Bürokratie, in erster Linie eher in einem gewissen Eigeninteresse zu vermuten, also darauf zu achten, dass es ihnen gut geht, dass sie dort bleiben können, als zu sehen, was könnte ich für die For-

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schung tun? Ein Beispiel: Ich lese diese und jene Zeitschrift, um mich zu informieren, wo gibt es neue Wissenschaftszweige – z. B. bezogen auf die BOKU: An der ETH Zürich gibt es seit kurzem neue Disziplinen, und zwar Landschaftsgenetik oder Synthetische Biologie. In dieser Funktion muss man immer Augen und Ohren offen halten, um die eigene Universität international nicht ins Hintertreffen geraten zu lassen. Ich habe aber den Eindruck, dass dies nur an der Basis geschieht und hier wiederum vor allem individualistisch. F: Darf man das als Plädoyer für eine stärkere Vernetzung verstehen? Welan: Ja, es kommt aber noch etwas dazu, nämlich, dass ich auch ein Befürworter der Aufnahme von Ideen von der Wissenschaft durch die Politik bin, wie das Zilk auch offen zugegeben und auch Hubert Christian Ehalt immer wieder praktiziert hat. Denn ich sehe auch jede der 70 Magistratsabteilungen in Wien als eine Werkbank der 70 Universitätsinstitute an, zwar mit einem anderen Gesicht gewissermaßen, aber dennoch auf wissenschaftlicher Grundlage. In diesem Punkt bin ich sehr beeinflusst von Otto Neurath. Und das, was in Wien möglich wäre, und das, was zumindest bis auf weiteres als wissenschaftlich gesichert erscheint, zumindest aufgenommen, verfolgt und weiterentwickelt wird, ist auch eine Aufgabe von den Magistratsabteilungen. Das betrachte ich als die große Chance der Stadt Wien. F: Hier möchte ich eine historische Frage stellen. Warum, glauben Sie, ist die außerhalb der Universitäten eigentlich gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen einigen Wissenschaften und der Sozialdemokratie nach 1945 doch weitgehend abgebrochen? Welan: Das hat, etwas vereinfacht, zwei Gründe: Erstens: Die Emigranten hat man bewusst und massiv seitens der Regierung nicht zurückgeholt. Und zweitens war die Regierung doch auf Jahre hinaus koalitionär, wobei der Unterricht und damit die Wissenschaft ›schwarz‹ waren, und damit für das »Rote Wien« von vornherein eine Horrorvorstellung waren, und umgekehrt gleichzeitig in Wien die ›schwarzen‹ Universitäten personell stark vom katholischen Bereich dominiert waren – schrittweise wurden auch Nazis wieder angestellt (an der BOKU eher weniger), was die gegenseitige Ablehnung ebenfalls verstärkte. Und wer hat’s damals natürlich schwer gehabt: die Sozialwissenschaften etwa. Ich nenne hier u. a. den Sozialphilosophen Ernst Topitsch, der wusste, dass er als Positivist keine Chance hatte, jemals Ordinarius zu werden. Das gilt natürlich auch für andere »linke« Wissenschaftler, die in einer ›schwarzen‹ Hochschulpolitik keine Chance hatten. Man wusste aber auch, dass ein Hans Kelsen nicht zurückkommen würde, weil er Angst vor den Sowjets hatte. In manchen Bereichen konnten

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frühere Nazis wieder leichter Fuß fassen als Wissenschaftler, die der Sozialdemokratie nahegestanden hatten. Dies gilt gerade für die Sozialwissenschaften, die lange Zeit gar nicht existierten. Die Politikwissenschaften wurden erst 1970 mit zwei mickrigen Instituten begründet, die Soziologie hat der ehemalige Sekretär Ignaz Seipels geführt, der sehr kritische August Maria Knoll, und nicht einmal ein Friedrich Heer, der ein CV-ler, ein Mitglied einer katholische Studentenverbindung bzw. des Cartellverbandes war, konnte Ordinarius für Geschichte werden. F: Aber wenn man genau hinsieht, rissen die Kontakte zwischen den Emigranten und Österreich nach 1945 doch nicht so ganz ab oder? Welan: Das stimmt schon, Viktor Matejka hat einiges gemacht. Aber so wenig wie heute die Beamten die Augen und Ohren der Uni sind, so wenig waren es damals die Beamten im Unterrichtsministerium. F: Wobei der erste Unterrichtsminister Ernst Fischer hieß. Welan: Ja, und sein Unterstaatssekretär Karl Lugmayer. Die haben zwar schon geschaut – Lugmayer hat bei uns übrigens die Gärungstechnik als neues Studium eingeführt – aber zu wenig. Ernst Fischer war vielleicht zu sehr überwältigt von seinem eigenen Austriazismus. In dem Buch »Österreich – geistige Provinz« handelt ein Kapitel davon, wie die Universitäten wieder in Gang zu bringen sind. Einige Sozialwissenschaftler sind später im Ford-Institut, dem späteren Institut für Höhere Studien, untergekommen, und ich erinnere mich auch an einen in den USA bekannten Historiker, der zurückkam, hier aber einen vergleichsweise schlechten Dienstvertrag angeboten bekam. Es ist mir erst später so richtig bewusst geworden, dass das Jahr 1938 ein riesiger Bruch war, der nie geschlossen werden konnte. D. h., es war ein Verlust an Intellektualität, der auch durch Zuwanderung nicht wieder ausgeglichen werden konnte. Das jüdische Wien ist 1938 vertrieben oder ermordet worden. Mir fällt da spontan z. B. Hermann Broch ein, mit dem ich mich näher beschäftigt habe, den damals ja noch niemand kannte. Überhaupt scheint mir, dass den Geisteswissenschaften in Wien durch ihre enge Verbindung mit der Kunst ein besonderer Stellenwert zukommt, und ich hoffe daher, dass auch Häupl und Ehalt geeignete Nachfolger haben werden, die diese Chance erkennen. Denn eine einseitige Orientierung auf die Wirtschaft hin erschiene mir nicht vorteilhaft. Für mich war das Wien des Fin de SiÀcle auch während meiner politischen Aktivität eine Grundlage, und ich bedaure, dass es auf diesem Gebiet keine etwa mit dem Buch von William Johnston oder Carl Schorske vergleichbare Werke gibt, die Überblicke liefern. Die österreichischen

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Historiker sind leider zu detailverliebt. Schorske war für Busek damals übrigens der Anstoß zur Gründung des Instituts für Kulturwissenschaften. Zu dieser Motivation kam bei Busek eine gewisse Skepsis gegenüber den Universitätsleuten, die im Übrigen auch bei allen anderen Wissenschaftsministern feststellbar war, auch wenn sie vorher selber Assistenten gewesen waren. Ich habe das in meinen ersten Begegnungen auch bei Hertha Firnberg festgestellt, die gegenüber der Hochschule für Bodenkultur gewisse Vorbehalte hatte, weil sie ihr als zu »schwarz« galt, obwohl ich dort einer der wenigen Professoren war, der Mitglied der ÖVP war. Sie wollte auch die subventionierte Landwirtschaft nicht – sie wäre daher heute vermutlich auch gegen die hohen Agrarsubventionen in der EU. Sie war dann aber begeistert von der angewandten Mikrobiologie, Ultrastrukturforschung, Nanotechnologie. Das war für sie die wahre Universität, dorthin sollten wir uns entwickeln; daher war sie auch aufgeschlossen für die Errichtung der Komplexe in der Muthgasse und in Tulln. Sie hatte aber ausgeprägte Vorbehalte gegen die ›alten Grünen‹ – die einen konservativ, die anderen rechts –, sie wollte aber auch nicht die ›neuen Grünen‹, also etwa Studienrichtungen wie Landschaftsökologie. Sie meinte, dass das eine Modesache wäre. Ich wagte darauf zu sagen: »Frau Bundesminister, Sie waren ja selbst in der Modebranche tätig« – sie arbeitete vorher für eine Modezeitschrift – was sie aber ohnedies als ironische Kritik verstand. Ich konnte mich mit ihr über diese Dinge unterhalten, und es bestand damals die Überlegung, dass man Design als Disziplin in Wien ansiedelt, um an die Tradition der Wiener Werkstätten anzuschließen. Das ist dann aber im Sand verlaufen. Was sie aber bejahte, war alles rund um die Kulturtechnik wie Wasserwirtschaft und Elektrizität, und noch viel stärker war ihr Interesse für Biotechnologie, die sie vermutlich im Kontext der Bekämpfung des Hungers sah. Als Rektor und auch als Präsident der Rektorenkonferenz hatte ich erkannt, dass die Stadt Wien ungeheure Chancen in den Universitäten und auch in den anderen wissenschaftlichen Einrichtungen hat. Das habe ich dann noch verstärkt erlebt, als ich dann in der Wiener Politik fast zehn Jahre lang tätig war, allerdings mit einer anderen Konstellation, als sie heute besteht. D. h., ich konnte als nicht amtsführender Stadtrat sehr viel beobachten und erkennen – mehr, als wenn ich amtsführender Stadtrat gewesen wäre. So habe ich das Schlagwort »Wissenschaftsstadt Wien« und auch das sogenannte »Goldene Wiener Hirn« wiederholt gebraucht, vor allem die »Wissenschaftsstadt Wien« – zunächst (nur) als empirischen Befund, der dann von manchen Leuten, auch Politikern, aufgenommen, und dann später auch mit verschiedenen Hinweisen versehen wurde. Wer waren meine Gesprächspartner? In der ersten Zeit, noch während ich Rektor der BOKU war, hatte ich Helmut Zilk kennengelernt, und er war als Kulturstadtrat sehr interessiert an einem Aufbau und Ausbau der Beziehungen.

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Vorher hatte es nur individuelle und persönliche Beziehungen gegeben, aber er meinte, man müsse das institutionalisieren. Als er dann Bürgermeister wurde, war es dann schwieriger, mit ihm das Gespräch zu führen, weil er hunderte Probleme gleichzeitig zu behandeln hatte und natürlich manche Dinge wichtiger waren für die jeweilige politische Situation. Aber ich konnte dann Stadtrat Häupl besonders ansprechen (der dann auch später als Bürgermeister die von Zilk begonnenen Initiativen weiter fortführte) – übrigens unabhängig davon, dass ich als »Schwarzer« agierte und damit zur »roten« Stadtregierung in einem inneren Widerspruch stand. Von der Empirie zur Bewusstseinsschaffung – das war mein Anliegen. Ich habe dazu mindestens 15 Veranstaltungen mit dem Titel »Wissenschaftsstadt Wien«, die auch eine gewisse Resonanz hatten, abgehalten; wobei Opposition in Wien noch immer heißt, Vorschläge zu machen, die dann von der im Rathaus regierenden SPÖ übernommen werden. D. h., man hat eine gewisse Melancholie zu überwinden und dann die Frustration der stetigen Wiederholung, aber man kann dann im Nachhinein doch eine gewisse Resonanz erkennen. In puncto Wien war es sicherlich interessant, dass man die ›alte Stadtmauer‹, ich will nicht sagen den ›Eisernen Vorhang‹, zwischen dem ›roten‹ Wien und der ›schwarzen‹ akademischen Elite (ohne ÖVP-Mitglied zu sein) überwinden musste und auch überwunden hat, was ohnedies personell geschah – Dank des Duumvirats – und das ist sicher als Glücksfall anzusehen – Scholz und Ehalt, wobei beide von mir viele Anregungen bekommen haben, die aus der Busek-Ära stammten. Busek hat diese Pro-Wien-Veranstaltungen eingeführt, wo man das machte, was jetzt die »Wiener Vorlesungen« sind, und eine Liste mit den Vortragenden dieser Reihe konnte ich an Scholz und Ehalt übergeben, aber dann hat sich das Projekt doch verselbstständigt. Ich glaube, ein großer Schritt zur Intensivierung der Beziehungen war die Schenkung des Alten AKH an die Universität Wien. Der damalige Rektor Holczabek, der damals mit mir bei diesem Schenkungsakt teilnahm, äußerte sich skeptisch dahingehend: »Na, ob das nicht ein Danaergeschenk ist, ob wir das zusammenbringen, ob das nicht zu groß ist?!« Auch der damalige Vizebürgermeister und Finanzstadtrat Mayr ist darüber nicht ganz so begeistert gewesen wie Zilk. Er dachte damals vielleicht an japanische Investoren, die für dieses riesige Areal, das ja einer Stadt gleicht, womöglich Milliarden geboten hätten. Es ist vielleicht an dieser Stelle auch interessant zu erwähnen, dass dies 1356 der Ort war, – damals außerhalb der Stadtmauer gelegen –, an dem ursprünglich die Universität Wien hätte errichtet werden sollen, wobei die Dimensionen der damaligen Universität zur heutigen – damals bestand sie ja nur aus drei Leuten – natürlich nicht vergleichbar sind. Mir stand damals der Professor für Städteplanung zur Seite, der mir übrigens bestätigte, dass es in Wien niemals eine rationale, systematische Universitäts-

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planung bei der Auswahl und dem Ausbau von Standorten gegeben hat, sondern es wurde immer, auf Wienerisch gesagt, »zitzerlweise« Planung betrieben. Ich habe in diesem Zusammenhang das Schlagwort von der »Tradition der Vernachlässigung« geprägt. Meine Theorie in diesem Punkt besteht darin, dass in der Revolution von 1848 die damalige Bürokratie und Politik ein derartiges Gefahrenpotenzial im Sinne der Kritik und Aufklärung gesehen hat, dass man in den Jahrzehnten danach die Hochschulen immer nach dem Prinzip »zum Sterben zuviel – zum Leben zuwenig« behandelt hat. Und diese Tradition der Vernachlässigung, man kann darüber natürlich streiten, inwieweit ich da Recht habe, habe ich sowohl in der Ersten als auch in der Zweiten Republik selbst noch in der Ära Firnberg fortbestehen gesehen, wobei Firnberg zumindest als Persönlichkeit sehr engagiert war, die aber über kein großes Budget verfügte. Und mit diesem Budget, mit dem man auch eine größere Zahl an Leuten mit geringer Bezahlung an die Universität bindet, wurschtelt man dann halt weiter. Und in diesem Punkt habe ich erkannt, dass die Stadt Wien eine gewisse Gegenbewegung zustande bringen muss, und hier habe ich in Hubert Christian Ehalt einen Beamten gefunden, der mit Gold nicht aufzuwiegen war bzw. ist. Es hat weder vor ihm noch wird es – wie ich fürchte – nach ihm einen Beamten geben, der ein derartiges Engagement für das wissenschaftliche Umfeld aufbringt, und ich schließe da auch die Akademie der Wissenschaften mit ein. Und, wenn ich in die Zukunft blicke, so bin ich überzeugt, dass das heute noch immer bestimmende Wien-Bild von Wien als Musikstadt einmal von dem der »Wissenschaftsstadt Wien« ersetzt oder ergänzt werden könnte. Das wäre natürlich am schönsten auch durch die Musik- bzw. Kunstuniversitäten Wiens mit ihren wissenschaftlichen Fakultäten zu verwirklichen, weil dort das Sinnliche noch dazukommt, was bei der traditionellen Universität vielleicht weniger der Fall ist. F: Steht Ihre Ansicht eines Mangels an langfristiger Standortplanung aber nicht in einem gewissen Widerspruch zur Tatsache, dass fast alle Hochschulen und Universitäten seit Mitte den 1970er Jahre sowohl baulich als auch von den Studentenzahlen her eine starke Ausgestaltung und Expansion erfahren haben? Welan: Hier ist ein großes Problem, das auch sehr österreichisch ist, zu bedenken, nämlich die Zuständigkeitsverteilung. Man könnte lange darüber streiten, ob es nicht besser wäre, die Universitäten zu »verländern«, zumindest in Wien, damit könnte man eine gewisse Verbesserung zumindest auf diesem Gebiet erreichen. Ich möchte dazu als Beispiel die Universität für Bodenkultur anführen, über die ich natürlich am besten Bescheid weiß, die in zwei Krankhäusern und in einem Wirtshaus untergebracht war. Erst in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten wurde die Erweiterung auf dem Areal in der Muthgasse ge-

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plant. Davor aber war alles, was auf der Türkenschanze, also dem ursprünglichen Standort, zur Verfügung stand, reine Improvisation. Diese Standorte kamen rein zufällig zustande. Später wurde z.B dann auch noch die ehemalige Jeritza-Villa genutzt. Als sich die Möglichkeit für den neuen Standort eröffnete, habe ich daran zuerst gar nicht geglaubt, aber Nein habe ich dann dazu natürlich auch nicht gesagt. F: Darf ich in diesem Zusammenhang auf die seinerzeitige Bürgerinitiative (Sternwartepark) zu sprechen kommen? Welan: Das war damals nicht tragisch, weil der damalige Bürgermeister Felix Slavik in dieser Frage mit dem damaligen Rektor Professor Günther Winkler kooperierte, daher war diese Bürgerinitiative zwar etwas Neues, das sich aber meines Erachtens nicht störend auf die sich anbahnende Kooperation zwischen Universität und der Stadt Wien ausgewirkt hat. Slavik musste ja damals bekanntlich zurücktreten, und Gratz als sein Nachfolger hat in dieser Frage mehr Flexibilität gezeigt. Meine Universität war an diesem Streit nicht beteiligt, obwohl der Sternwartepark als Standort zur BOKU natürlich dazu gepasst hätte, aber es war eben Sache der Universität. Und dort gab es zwei Richtungen: Die eine, die bereits ökologisch orientiert war, dass man das öffnen soll, und die andere, die sich dann durchsetzte, dass man, um die Wissenschaft nicht zu »stören«, wie man sich ausdrückte, an diesem Ort nichts macht und somit die Geschlossenheit aufrecht erhält. Wir haben ja das Glück, dass wir neben der Universität für Bodenkultur den herrlichen Türkenschanzpark haben, der im vorigen Jahrhundert, unterstützt von dieser herrlichen Cottage-Gesellschaft und der Fürstin Metternich, viele Pflanzungen und Bäume bekommen hat, sodass das für die Universität für Bodenkultur ein kostenloses, von der Stadt Wien durch die Gartenverwaltung gepflegtes Ambiente ist, und es gibt eigene Landgärten, in denen die Bäume der verschiedenen Regionen stehen. Das ist ein wirklicher Glücksfall. Man kann die Studenten hinunterschicken, sie können dort sogar campieren, ja selbst Lehrveranstaltungen können dort durchgeführt werden. Es ist dies also sicherlich die am schönsten gelegene Universität Wiens. Der Ausbau, der dann in der Muthgasse vor sich ging, zeigt im Übrigen auch das, was ich vorhin bereits erwähnt habe: Man bekam durch Zufall diese Flächen und diese Räume von der Bundesgebäudeverwaltung, hat aber nicht versucht, z. B. das direkt neben uns in der Hardeggerstraße befindliche Pensionistenheim für uns zu gewinnen. Mit einigem politischen Nachdruck hätten wir diesen Bereich an der Türkenschanze sicherlich durchsetzen können. Die Container in der Borkowskigasse, die während meines Rektorats Ende 1992 – 1993 aufgrund der Renovierungen am Hauptgebäude notwendigerweise aufgebaut wurden

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und, da sie aus Holz sind, langsam hässlich werden, stehen noch immer – ein Provisorium, das möglicherweise noch das nächste Jahrzehnt wird überdauern müssen. Eine Zeitlang beherbergten diese Container auch die früher im Exnerhaus, dem ehemaligen Krankenhaus der Wiener Kaufmannschaft, untergebrachte Bibliothek.

Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Herbert Matis F: Wie sehen Sie die historische Entwicklung des Verhältnisses zwischen der Hochschule für Welthandel bzw. der Wirtschaftsuniversität und der Stadt Wien? Matis: Generell ist, soweit ich mich zurückerinnern kann – das ist etwa bis 1966, seit ich an der Hochschule für Welthandel und dann an der Wirtschaftsuniversität in verschiedenen Funktionen tätig war, u. a. als Professorenverbandsvorsitzender, Angehöriger des Rektoratskollegiums und letzten Endes Rektor – mein Eindruck, dass zu Beginn die Beziehungen nicht sehr ausgeprägt waren. Es gab am Anfang meiner Tätigkeit de facto fast keine Berührungspunkte. Das hat sich dann schon entschieden verändert, und das führe ich auf die Persönlichkeit von zwei Bürgermeistern zurück: Zum einen ist das Helmut Zilk und zum anderen auch Michael Häupl, die beide doch ein gänzlich anderes Verhältnis zur Wissenschaft an sich und auch ein großes persönliches Interesse, was am Standort Wien an den Universitäten passiert, gezeigt haben, und die eigentlich auch die Rolle der Universitäten im Verbund der Stadt sehr positiv interpretiert haben. Das war nicht immer so, denn früher hat man Studenten als potenzielle Unruheherde und Demonstranten gesehen. Das hat sich seither signifikant verändert und auch seinen Niederschlag in beachtlichen Zuwendungen gefunden. Das drückt sich etwa aus in verschiedenen Jubiläumsstiftungen; eine solche besteht auch zugunsten der Wirtschaftsuniversität. Diese wurde 1998 aus Anlass des 100-Jahr-Jubiläums der Hochschule für Welthandel eingerichtet und besteht bis heute. Aus den Mitteln dieser Stiftung werden wissenschaftliche Projekte mit WienBezug prämiiert bzw. überhaupt erst möglich gemacht. Dabei handelt es sich zum größten Teil um Pilotprojekte, aus denen dann größere Projekte hervorgehen sollen. D. h., die Stadt leistet hier dadurch gerade in der Startphase, in der es oft schwierig ist, die Mittel dafür bereit zu bekommen, eine beachtliche Unterstützung. Und das läuft jetzt schon seit einer Reihe von Jahren. Ich selbst vertrete die Stadt Wien, also nicht die Wirtschaftsuniversität, schon seit einigen Jahren in dem Gremium, in dem über die Projektanträge entschieden wird, und kann sagen, dass es sehr herzeigbare Arbeiten sind, die auf diese

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Weise gefördert werden. Diese Arbeiten weisen einen Wien-Bezug auf, wie es auch in den Richtlinien vorgesehen ist. Langjährige enge Beziehungen bestehen auch mit dem Leiter der Wissenschaftsabteilung der Stadt Wien Professor Ehalt, nicht zuletzt in Verbindung mit den »Wiener Vorlesungen«, zu denen auch immer wieder Vertreter der Wirtschaftsuniversität eingeladen wurden. Seine Abteilung ist auch bei einer ganzen Reihe von Veranstaltungen Kooperationen eingegangen. Außerdem konnte ich auch im Rahmen meiner Tätigkeit in der Akademie der Wissenschaften beobachten, dass mit der Kulturabteilung der Stadt Wien sehr intensive Kontakte bestehen: Beispielsweise Symposien, etwa im Bereich der Musikwissenschaft, die in Verbindung mit konzertanten Aufführungen abgehalten wurden – das wäre ohne Unterstützung der Stadt Wien nicht in dieser Form möglich gewesen. Ich halte das für eine wesentlich neue »klimatische« Situation, die jetzt schon 25 Jahre lang anhält. Sicherlich ist das ausbaubar. In anderen Bundesländern gibt es eine andere Situation: In Graz etwa besteht seit jeher eine enge Beziehung zwischen Stadt, Land und Universität. Wien hat hier nachgezogen und damit eine neue Qualität erreicht. F: Würden Sie sagen, dass es eine eher abrupte Änderung im Verhältnis zur Wirtschaftsuniversität gab? Matis: Ja, durchaus, ich habe das schon so empfunden. Es gab zwar auch schon zu früheren Bürgermeistern ein gutes Verhältnis, aber es war augenfällig, wie sich das Verhältnis unter den beiden genannten Bürgermeistern verändert hat. Ich würde hier durchaus von einem Kurswechsel sprechen. Eine vorher existierende Distanz hat sich letztlich in eine sehr positive Beziehung umgekehrt. Ich führe diese Änderung insbesondere auch auf das persönliche Engagement und die grundsätzliche Haltung zur Wissenschaft bei Häupl und Zilk zurück. Zilk hatte vermutlich auch durch seine vorherige Funktion eine besondere Beziehung zur Wissenschaft (Anm: Kulturstadtrat unter Leopold Gratz 1979 – 83, Bundesminister für Unterricht 1983/84). Und auch Bürgermeister Häupl bekennt sich zur Wissenschaft, aus der er ja kommt. Ich bin im persönlichen Gespräch mit ihm immer wieder erstaunt, in wie vielen Disziplinen er bewandert ist. Er liest offenbar sehr viel und glänzt auch immer wieder mit Zitaten. Das ist, glaube ich, in der Politik nicht sehr häufig. F: Auf die Sozialdemokratische Partei oder andere Personen würden Sie das nicht ausdehnen wollen? Matis: Na ja, ich habe dazu meine eigene Meinung. Ich bedaure es sehr, dass der Bildungsgedanke in der Arbeiterbewegung, sofern man von einer solchen noch

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sprechen kann, eigentlich nicht mehr die Bedeutung hat, die ihm dort früher zukam. Das war früher einmal ein ganz stark emanzipatorisches Anliegen. Wenn man weiß, dass Otto Bauer und auch andere extra dahingehend Publikationen verfasst haben, weil man Bildung wirklich mit Emanzipation und der geistigen Befreiung der Arbeiterschaft verbunden hat. Diese Bildungstradition ist irgendwo abhanden gekommen. Durch die erzwungene Emigration kam es auf diesem Gebiet ohne Zweifel zu einem tiefen Einschnitt. Dadurch sind unwiederbringliche Verluste entstanden. F: Hätte es die Möglichkeit gegeben, diese Tradition nach 1945 wieder aufzunehmen? Matis: Ich glaube schon, aber es war dieser Gedanke vordergründig nach 1945 nicht mehr so ein großes Anliegen, wie es in der Zwischenkriegszeit der Fall gewesen war. Und auch die Volkshochschulen, die damals solche Funktionen wahrgenommen haben, sind heute zu Institutionen geworden, die Bastelkurse oder allenfalls noch Fremdsprachenerwerb anbieten. Dieses emanzipatorische Momentum ist sozusagen abhanden gekommen, was grundsätzlich zu bedauern ist. F: Zur Beziehung zwischen Sozialdemokratie und den in der Volksbildung tätigen Wissenschaftlern, von denen viele nicht oder nur am Rande der Universität tätig waren – war das nicht als Frontstellung zur Universität zu sehen? Matis: Mag sein, dass man hier eine eigene Gegenkultur aufzubauen versucht hat, aber selbst wenn es so war, finde ich diese Spannung sehr positiv. Ich werde nie die Worte von Franz Jonas vergessen, als ich – das war damals noch üblich, wenn man Professor wurde – ihm einen Antrittsbesuch abstattete und er, der ja gewissermaßen noch aus dieser Tradition kam, mir sozusagen als einen Auftrag mitgab, er würde sich sehr wünschen, dass diese Verbindung wieder auflebt. Und ich habe dem eigentlich auch zu entsprechen versucht und war immer wieder sehr bemüht, wenn sich die Gelegenheit zu Vorträgen ergab, dieses Verhältnis zu verbreitern. Was ja für einen Wirtschafts- und Sozialhistoriker naheliegend ist. Aber im Großen und Ganzen ist dies doch ganz anders verlaufen als in der Zwischenkriegszeit. F: Haben sich in der Sozialdemokratie nach 1945 nicht auch anders gelagerte Eliten herausgebildet und und hat sich damit nicht auch ein veränderter Bildungsbegriff entwickelt, der möglicherweise auch zu einer positiveren Einstellung gegenüber der Wirtschaftsuniversität beigetragen hat?

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Matis: Sicherlich hat sich da auch ein Einstellungswandel vollzogen, und die Punzierungen der Absolventen sind damit ungleich erschwert worden. Es spiegelt der universitäre Bereich heute, trotz der nach wie vor bestehenden Defizite, was Studierende aus Arbeiter- und Bauernfamilien betrifft, vielleicht die soziale Struktur wesentlich besser wider als früher. Ich bin auch immer wieder positiv überrascht über das doch sehr hohe Ausbildungsniveau auch von Bauern oder Handwerkern in Österreich. Auf der anderen Seite hat man natürlich eine zunehmende Schar an »neuen« Analphabeten, die beim Lesen oder im Rechnen oft Schwierigkeiten haben und bei denen es oft an Interesse für den Bildungserwerb fehlt. Hier liegt sicherlich auch ein Versagen der Politik und der Medien vor, die diese Schicht mit »Brot und Spielen« versorgen, und es stellt sich manchmal die Frage, wodurch sich öffentlich-rechtliche von rein kommerziellen Sendern noch unterscheiden. Ich kritisiere in diesem Zusammenhang auch, dass im öffentlich-rechtlichen ORF anspruchsvolle Programme oft sehr spät platziert werden. F: Da hätte sich Zilk als früherer Fernsehmann im Grabe umgedreht. Matis: Das denke ich schon. Gerade auf diesem Gebiet hat er sich, glaube ich, positiv von vielen anderen abgehoben. F: Zilk hat ja, meines Wissens nach, als Bürgermeister auch die gesamte Öffentlichkeitsarbeit der Stadt – etwa den Presse- und Informationsdienst – auf eine neue Basis gestellt. Matis: Wien hat ja darüber hinaus auch als Universitätsstandort beachtliche Vorteile. Es verfügt über ein ausgezeichnetes Verkehrsnetz – es gibt kaum eine andere Großstadt in Europa, in der wie in Wien praktisch jeder Ort mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist. Ein effizientes Verkehrssystem, Sicherheit und Bildungsangebote sind ein entscheidender Standortvorteil. Das trifft aber auf die gesamte Infrastruktur in Wien zu. F: Das führt uns zu dem neuen Standort der Wirtschaftsuniversität, die ja auch verkehrsmäßig gut angebunden sein wird. Matis: Absolut. Es geht heute auch gar nicht mehr, eine Universität auf die grüne Wiese zu setzen. Wir haben in Zentraleuropa nun einmal in der Regel nicht jene Campus-Universitäten, wie es sie in den USA oder z. T. in Großbritannien gibt. Und damit sind die Studenten normale Mitbewohner der Stadt und deshalb auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, damit sie die Ausbildungsstätten errei-

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chen können. Umso wichtiger ist natürlich, dass der Standort diese Merkmale aufweist. F: Und wie sieht es mit der Zukunft des derzeitigen Universitätszentrums aus? Matis: Ich gehe davon aus, dass es von Einrichtungen der Universität mit ihrem unermesslichen Hunger nach zusätzlichen Räumlichkeiten besiedelt werden wird. Wir sind ja auch schon jetzt umgeben von verschiedenen Universitätsinstituten, namentlich aus den Naturwissenschaften. Der neue Standort der Wirtschaftsuniversität im Prater hat einen gewissen Charme, weil wirklich alle Institute an einem Ort konzentriert sind; letztlich ist es auch ein architektonisches Signal, dass man in einem öffentlichen Wettbewerb auch hervorragende Architekten herangezogen hat, die abgesehen von der Funktionalität versuchen, Baudenkmäler für die Zukunft zu setzen. Ich bin übrigens erstaunt, dass, wenn man den jetzigen Standort betrachtet, jene Bauteile, die gar nicht als universitäre Einrichtungen geplant waren, eigentlich die qualitativ besten Merkmale aufweisen: Das eine war ein Magazin der Bundeswirtschaftskammer, das andere ein Postgebäude, die beide nur adaptiert worden sind. Es ist also nicht unbedingt ein Nachteil, wenn man Gebäude adaptiert, anstatt einen Neubau zu errichten. F: Das frühere WU-Gebäude stammt ja aus den 1980er Jahren. Da hat man noch völlig anders gebaut. Matis: Wobei es allerdings damals bereits absehbar war, dass das Konzept hinsichtlich der Klimatisierung Probleme bereiten wird. Glaspaläste galten zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon wieder als überholt. Es gibt eben immer einen time-lag zwischen Planung und Fertigstellung. Unser großes Problem war schon damals, dass wir auf das alte Gebäude beim Währingerpark, das an die Universität Wien als Nutzer gegangen ist, verzichten mussten, obwohl es in der ursprünglichen Planung inkludiert war. Damit war das Gebäude von Anfang an zu klein konzipiert. F: Und wer traf damals diese Entscheidung? Matis: Das war damals sicherlich das Ministerium gemeinsam mit dem Verein zur Förderung der Hochschule für Welthandel, dem ja dieses Gebäude gehörte und der es an die Universität Wien vermietete. Über die genauen Abläufe bin ich aber nicht informiert. F: Und das alte Gebäude gehört auch heute noch dem Trägerverein?

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Matis: So ist es. Ich will das aber nicht weiter hinterfragen. Es wurde das ja schon seinerzeit kommentiert. Es gibt übrigens auch eine Diplomarbeit, die bei Professor Grün in den 1980er Jahren verfasst wurde, über die Errichtung des Standorts, an dem wir uns jetzt noch befinden. Hochschulbauten sind immer sehr sensibel, weil sie ja doch als Standorte für Jahrzehnte gedacht sind und auch auf die gesamte Umgebung gravierende Auswirkungen haben, wie z. B. auf die Gastronomie, den angrenzenden Wohnungsmarkt usw. F: Darum ist es ja auch wesentlich, wie solche Standortentscheidungen getroffen werden. Matis: Ich bin auch der Meinung, dass die Stadt bei diesen Entscheidungen schon in die Planungsphase viel stärker einbezogen werden sollte, weil für sie ja auch Folgekosten entstehen. F: Und wie fielen solche Entscheidungen in der Vergangenheit? Wurden diese auch öffentlich, etwa auf politischer Ebene, im Parlament diskutiert? Matis: Ich kann mich nicht erinnern, dass darüber jemals eine politische Debatte stattgefunden hätte. Ich bedaure überhaupt, dass alle universitären Angelegenheiten viel zu selten in den Plenarsitzungen oder in Ausschüssen diskutiert wurden und werden. Die Wissenschaftssprecher sind zwar meistens sehr bemüht, haben aber in den eigenen Reihen meist nicht das notwendige Gewicht, wie in anderen Bereichen, etwa Soziales, was verständlich ist. Trotzdem ist es bedauerlich, wie wenig Aufmerksamkeit diesem gesellschaftspolitisch so wichtigen Bereich geschenkt wird, obwohl Sonntagsreden ja oft das Gegenteil behaupten. Die Zukunftsfragen werden nicht zuletzt hier entschieden, wobei man eigentlich das Bildungssystem insgesamt betrachten muss, weil schließlich eines auf dem anderen aufbaut. Wenn man nur einen Stein herausnimmt, passt das ganze System nicht mehr zusammen. Obzwar sich Wien hier sehr bemüht, so wäre auch diesbezüglich manches verbesserungsfähig, und genau das müsste im Rahmen einer breiten Bildungsdebatte diskutiert werden. Was auch auffällig ist, dass die Hauptschulen, die am Land eigentlich noch immer gut funktionieren, hier in Wien eigentlich verkommen und Sonderschulcharakter angenommen haben. Die Universität ist nur der letzte Baustein an der Spitze des Systems. Zentrale Probleme, wie beispielsweise die Frage der Integrationspolitik, sind von dem Ganzen nicht zu trennen. Auch die Wissenschaft muss einerseits auf diese Probleme hinweisen, andererseits wäre ein engerer Schulterschluss zwischen den Schulen und Universitäten erforderlich. Ein schönes Beispiel dafür ist etwa die Einrichtung eines Labors für Schulkinder in der Bohrgasse (Anm: Biotechnik-Zentrum im 3.

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Bezirk), in dem bereits Kinder Gensequenzierungen vornehmen können und so ihr Interesse geweckt wird und Hemmschwellen beseitigt werden. Ich finde auch die Veranstaltungen der Kinderuni hervorragend. Es gab eine Wissenschaftsministerin – ich will den Namen nicht nennten –, die meinte: »Und dafür habts ihr Geld?!« Ich finde das eine der schlimmsten Aussagen überhaupt. Es zeigt den Mangel an Verständnis dafür, wie sehr das Ganze verzahnt ist, nämlich dass aus diesen Kindern die Wissenschaftler von morgen werden, dass auf diese Weise Interesse geweckt wird, und zwar zum Teil auch bei den Eltern, die vielleicht sogar zum ersten Mal eine Universität betreten. Ich finde das sehr sehr positiv. Unter den Teilnehmern befinden sich übrigens auch sehr viele Immigranten mit ihren Kindern. Ich halte das für eine sehr vernünftige Maßnahme, die übrigens auch von der Stadt Wien unterstützt wird. F: Und wie sehen Sie hier die Wissenschaftskommunikation in Form von Bereitstellung von Wissen, das über Medien transportierbar ist und damit gegenüber der Politik Agenda Setting betreibt? Matis: Das Kapitel Wissenschaftsjournalismus ist ein eigenes. Ich finde, dass vieles, was unter diesem Titel kommuniziert wird, in Wahrheit bezahlte Anzeigen sind. Der Impuls geht oftmals von der Wissenschaft aus, die dabei die Rolle des Auftraggebers einnimmt. Ich würde mir aber von Journalisten wünschen, dass sie gesellschaftliche Probleme an die Wissenschaft herantragen, die Wünsche der Gesellschaft formulieren. Es ist auch eine Holschuld der Medien und nicht bloß eine Bringschuld der Wissenschaftler. Ich möchte dazu vielleicht auf die britischen »Royal Commissions« verweisen, die die Aufgabe haben, bei Problemen, die an sie herangetragen werden, diskursiv zu beraten und sich zu einer gemeinsamen Lösung durchzuringen. Hingegen greift man bei uns gerne auf ›Hausexperten‹ zurück, deren Haltung man entweder schon erahnen kann oder denen man das erwünschte Ergebnis von Beginn an deutlich signalisiert. Das ist erstens wissenschaftlich unseriös und zweitens kontraproduktiv. Das ist nicht das, was die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft sein müsste. Hier ließe sich sehr viel verbessern. Und vielleicht könnte auch die Stadt hier stärker umdenken. Historisch gesehen haben solche Expertenrunden übrigens immer wieder wertvolle Arbeit geleistet, wenn ich etwa an die Kommissionen unter Josef Klaus (Koren-Plan) oder die bekannte Expertenrunde unter Bruno Kreisky denke. Heute vermisse ich sehr stark, dass uns Visionen abhanden gekommen sind. Dabei darf man sich, wenn man solche Expertenrunden schafft, natürlich nicht auf parteinahe Experten beschränken, sondern problemorientiert nach Experten suchen, egal welcher Couleur. Ich glaube, der österreichischen Innenpolitik täte es sehr gut, wieder einmal ein bisschen visionären Schwung hineinzubringen. Wohin wollen wir, dass sich unsere Gesellschaft entwickelt? Wo sind die

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Probleme? Wo liegen unsere Defizite – wo unsere Vorteile? Einiges wird immer bruchstückhaft in die Diskussion geworfen. Beispiel: Thema Zuwanderung. Wir wissen alle, wir brauchen Zuwanderung. Dass das auch qualitative Merkmale hat, zeigt ja auch das Beispiel anderer Länder. Bei uns wird dieses Thema entweder politisch vereinnahmt oder in einer sinnlosen Diskussion zerpflückt, statt dieses Problem vielleicht einmal in einer Expertenrunde zu diskutieren. Und die Rolle der Politik, Vorschläge umzusetzen, käme gleich danach. Wir hätten dabei nicht nur Vorbilder in anderen Ländern, sondern auch in der eigenen Geschichte, meistens verbunden mit einer Aufbruchsstimmung. Ich glaube auch, dass wir immer noch von den Reformen der 1970er Jahre profitieren. F: Wir sind damit wieder bei den Störungen oder vielleicht besser bei dem Nichtwahrnehmen-Wollen der Wissenschaft durch die Politik. Matis: Ich glaube, dass die Wissenschaft in Österreich, entgegen aller Beteuerungen seitens der Politik, nicht die ihr zukommende Aufmerksamkeit erfährt, obwohl das Gegenteil immer betont wird. Das hat man etwa am Beispiel der Abschaffung der Studiengebühren gesehen. Da wurde nicht thematisiert, wem die Studiengebühren zugutekommen, wer kompensatorische Maßnahmen gibt. Dabei könnte man diese, wie es in Italien geschieht, auch als Steuerungsinstrument einsetzen, wo für bestimmte Studien nicht nur keine Studiengebühren zu entrichten sind, sondern Studenten, die sich für bestimmte Richtungen entscheiden, sogar noch etwas bezahlt wird. Bei uns hingegen wurde es in einer Weise tabuisiert, ohne die Probleme der Studienzahlen und des offenen Hochschulzugangs irgendwie anzugehen. Ich sage immer, es ist keine Kunst, eine Eliteuniversität zu schaffen, wenn man der Universität die Mittel dafür in die Hand gibt. Selbstverständlich müsste das regelmäßig evaluiert werden, ob es auch funktioniert, wobei ich dazu sage, dass wir nie die Situation haben werden wie an der Harvard-Universität, die über ein unvergleichlich größeres Vermögen verfügt als mehrere österreichische Universitäten zusammengenommen. Das ist auch gar nicht erforderlich. Notwendig wäre es indes, Rahmenbedingungen für die Universität zu definieren, und hier fehlt es mir an Verantwortungsgefühl in der Politik. Ein anderes Desiderat sind die Doktorandenprogramme. Unsere wissenschaftliche Zukunft wird sehr davon abhängen, dass man qualitativ hochwertige Programme schafft, was einzelne Universitäten allein gar nicht leisten können. Da wird es auch Vernetzungen, z. B. zwischen Bodenkultur und Veterinärmedizin, naturwissenschaftlichen Fakultäten und Medizinuniversitäten, WU und TU, AIST und ÖAW sowie Boltzmann-Instituten, geben müssen, und zwar in Hinsicht auf thematische Schwerpunkte im Rahmen konkreter Forschungsprogramme. Ohne Forschung wird es künftig keinen Ph.D. mehr geben. Bei uns

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war man es als Akademiker früher gewohnt, auf der Visitenkarte einen Doktor stehen zu haben. Aber das ändert sich rapide. Heute macht fast kein Jurist mehr ein Doktorat, und die Zeiten sind längst vorbei, als man dumme Argumente gegen den Magistertitel hören konnte, wie z. B., dass Verwechslungsgefahr mit einem Pharmazeuten bestehen würde. Wenn der Erwerb des Titels Ph.D. gleichzeitig an die Absolvierung von Forschungsprogrammen gebunden ist, dann wäre auch die Habilitation entbehrlich. Allerdings müssen hierfür die Rahmenbedingungen entsprechend definiert sein. Ich halte aber gar nichts von einem ›Schmalspurdoktorat‹, wie es von manchen vorgeschlagen wird.

Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Greisenegger Die Stadt und ihre Universität I. Lebendige Vielfalt universitärer Forschung lässt sich nicht in das Prokrustesbett vorgegebener Budgetansätze pressen. So geht mancher guter wissenschaftlicher Ansatz verloren, manche kleinere Untersuchung bleibt unpubliziert. Hier springt oft und oft der Leiter der Wissenschaftsabteilung der Stadt Wien Universitätsprofessor Obersenatsrat Dr. Hubert Christian Ehalt ein, der ideenreiche und durchsetzungsfreudige Bundesgenosse der Wissenschaft, der nicht bloß verwaltet, sondern mit großem Elan gestaltet. Seine Wiener Vorlesungen – und eine ganze Reihe weiterer Initiativen und Publikationen – haben die Wiener Forschungslandschaft verändert. Ehalt, Mitglied der Professorenkurie der Universität Wien, ist offen für Projekte einzelner Forscher und kleinerer Forschungsgruppen, die bei anderen Förderungseinrichtungen, etwa wegen der geringen Dimension des Projektes, durch den Rost der Bürokratie fallen würden. Sein Werk sind vor allem die Wiener Vorlesungen, ein seit Jahren äußerst erfolgreicher Versuch Wissenschaft – in größerem, ja großem Rahmen – zur Sprache zu bringen. Ehalt ist es überdies gelungen verschiedene Institutionen, wie die Österreichische Akademie der Wissenschaften, als weiteren Partner zu gewinnen, das heißt, ein Netzwerk für die Wissenschaft zu knöpfen, das sich als durchaus belastbar erweist. Im Sinne einer bewussten gesellschaftlichen Öffnung der Universität wurde in den 1990er Jahren mit Vizebürgermeister Ludwig erfolgreich versucht, ein Programm der Zusammenarbeit zwischen der Universität Wien und dem Verband österreichischer Volkshochschulen zu entwickeln, das endgültig die alte – nicht zuletzt politisch basierte – Rivalität der Institutionen, ein Relikt der Zwischenkriegszeit, überwinden sollte.

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II. Ein bedeutendes Ereignis in der Geschichte der Universität Wien bildete die Schenkung des Areals des Alten Allgemeinen Krankenhauses mit seinen denkmalgeschützten Gebäuden und parkähnlichen Freiflächen in den Höfen mit zum Teil altem Baumbestand, durch die Gemeinde Wien an die Universität. Die Donation kam nicht ganz unerwartet. Denn schon 1965 hatte der Akademische Senat anlässlich der 600-Jahr-Feier der Universität bei der Stadt Wien eine Schenkung des Areals angeregt. Bürgermeister Franz Jonas zeigte sich zwar nicht zu einer Schenkung aber zu einem Tausch mit im Bundesbesitz befindlichen Liegenschaften bereit. Die Republik zeigte damals aber wenig Interesse an Kompensationsgeschäften und hatte so die wohlfeile Gelegenheit der Universität aus budgetären Gründen nicht absagen zu müssen. Inzwischen war das Neue Allgemeine Krankenhaus längst bezogen, die Gebäude des Alten Allgemeinen Krankenhauses zeigten immer deutlicher Symptome des Verfalls. Verschiedene Bürgerbewegungen entwickelten Nutzungskonzepte, die die Stadt Wien in Zugzwang zu bringen drohten. So wurde von Seiten der Stadt eine Schenkung des Areals mit allen dort befindlichen Bauwerken beschlossen. Die Universität konnte zwar das Geschenk entgegennehmen, sah sich aber vor die Aufgabe gestellt, den Bau eigenverantwortlich zu betreiben, ohne budgetrechtlich auf sicherem Boden zu stehen. Es wurde schließlich eine Konstruktion gefunden, die es erlaubte, dass die Universität als verantwortlicher Bauherr auftritt und einen hohen Kredit aufnimmt. Der Schenkungsvertrag, der schließlich zwischen der Gemeinde Wien und der Universität abgeschlossen wurde, trägt das Datum 7. Dezember 1988 und die Unterschriften von Bürgermeister Dr. Helmut Zilk und des Rektors der Universität, des Gerichtsmediziners Dr. Wilhelm Holczabek. Die Adaptierung der zum Teil baufälligen und modernen baupolizeilichen Anforderungen widersprechenden Gebäude wurde in weniger als zehnjähriger Planungs- und Umbauzeit, trotz beschränkter Mittel, trotz diverser Auflagen, von einem vierköpfigen Architektenteam unter der kollegialen Leitung von Ernst M. Kopper mit Sparsamkeit und im Ergebnis aber großzügig und solide durch fünfzehn Institute der geisteswissenschaftlichen Fakultät besiedelt. Die Übergabe der Gebäude erfolgte in einem Festakt am 13. Oktober 1998. Kaum zehn Gehminuten vom Hauptgebäude am Ring entfernt bietet der Campus für fünfzehn Fachbereiche der geisteswissenschaftlichen Fakultät und für diverse interfakultäre Einrichtungen Platz. Im ersten Hof mit seiner verkehrsarmen Straße, die den Hof umrundet, ist ein Park entstanden in dem sich mehrere Gaststätten, Cafes, aber auch ein Kindergarten angesiedelt haben. Der Campus lebt, nicht nur an warmen Sommertagen, und ist auch von den Umwohnern ganz selbstverständlich als Naherholungsgebiet angenommen worden, ganz im Sinne der Planung. Inzwischen wurde im Hof II ein modernes Hörsaalgebäude errichtet, das zum Teil in das Terrain versenkt wurde und sich

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derart in das Ensemble des 18. Jahrhunderts vorbildlich einpasst. Der Campus ist offen zur Stadt und bleibt doch eine – pulsierende – Ruhezone.

Interview mit Sektionschef i. R. Dr. Wolf Frühauf F: Wie hat sich im Detail die Schenkung des Alten AKH an die Universität Wien entwickelt? Frühauf: Mayr hat damals in der Diskussion um das Alte AKH also erkannt, dass die vielfachen unterschiedlichen Wünsche und Vorstellungen zur Nachnutzung des Alten AKH nach Freiwerden des Areals sich nicht verwirklichen lassen und letzlich nur zusätzliche finanzielle Forderungen an die Stadt bedeuten würden. Daraufhin sagte er : »Gut, wir schenken mit Auflagen zugunsten öffentlicher Nutzung das Alte AKH der Universität!« Nur, damals war die Universität nicht mit der von heute vergleichbar. Sie war nur eingeschränkt teilrechtsfähig, und zwar hinsichtlich dessen, was sie entgegennehmen durfte. Wir im Ministerium hatten wiederum Probleme mit dem Bundeshochbau – viele Bauvorhaben haben sehr lange gebraucht: Ich erinnere mich etwa an das Juridicum, dessen Neubau von Anfang bis etwa Ende der 1970er Jahre andauerte. Der Bundeshochbau litt zudem permanent unter Geldnot, weshalb nacheinander verschiedene Instrumente, wie z. B. Baurechtsträger eingeführt wurden. Aber auch die waren für den Bund mit seinen Finanzierungskapazitäten bald am Ende. Da wir häufig kurzfristig Raum für Institute oder bei Neuberufungen beschaffen mussten, wurde schon früh, in den 1960er Jahren, mit Mietverträgen gearbeitet – bei uns im Haus ist in Wahrheit die Idee der Bundesimmobiliengesellschaft, BIG, d. h. Erhaltung und Neubau von Bundesimmobilien in Mietwege, »geboren« worden. Man hat also z. B. Wohnungen angemietet und dort Institute untergebracht, wie etwa das Pädagogik-Institut in der Garnison- oder das Zeitgeschichte-Institut in der Rotenhausgasse. Für uns war die Vorstellung, dass das Alte AKH im Falle einer Schenkung durch die Stadt an den Bund in die Kompetenz des Bundeshochbaus kommen könnte, ein Alptraum, weil dies einen Stillstand auf lange Zeit bedeutet hätte. Da haben wir – wenn ich wir sage, meine ich meinen Abteilungsleiter MR Franz Loicht und mich als Sektionsleiter, im BMWF zuständig für Investionen und Raumbeschaffung für Universitäten und Hochschulen – gesagt, dass wir uns etwas anderes einfallen lassen müssen. Und im Zuge dieser Überlegungen entwickelten wir die Idee einer Schenkung nicht an den Bund als Rechtsträger der Universität, sondern direkt an die Universität Wien. Das war nach der damaligen Rechtslage möglich, die Universität durfte solche Schenkungen entgegennehmen. In der Konsequenz dieser Lösung tauchte dann als nächstes natürlich die

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Frage auf: Und was macht man mit einem solchen Geschenk? Als Ministerium haben wir dann beschlossen, dass wir eine Struktur aufbauen müssen, die die Universität in die Lage versetzt, den Gebäudekomplex zu übernehmen. Professionelle Strukturen wie ÖRAG als Verwalter, Bauträger usw. gab es ja bereits. Trotzdem war es mühsam, die Vertreter der Universität Wien, also zu dem Zeitpunkt war das der Akademische Senat, zu überzeugen, dass das die richtige Vorgangsweise sei. Wir boten damals den hochangesehenen Senator und Professor der Universität, Walther Kastner, der das Vertrauen der Universität hatte, Günther Winkler und vielleicht noch den einen oder anderen auf, um die Universität von dieser Lösung zu überzeugen. In der Sitzung des Akademischen Senats haben wir Folgendes gesagt: »Wir machen euch den Vorschlag, dass ihr Eigentümer des Alten AKH werdet; wir, der Bund, müssen für euch, der Universität, Raum beschaffen. Ihr, (dann) als Eigentümer, vermietet diesen Raum an uns, und wir wiederum stellen euch anschließend diesen Raum zur Verfügung. Dazu stellen wir einen Bauträger ein usw.« Das sah zunächst alles sehr kompliziert aus, hat sich aber hervorragend bewährt. Wir haben das damals auf einer privatwirtschaftlichen Schiene ablaufen lassen, obwohl es im Bund damals noch nicht so aktuell war, von Privatwirtschaft zu reden. Wir haben das, ohne uns nachträglich allzu sehr loben zu wollen, glaube ich – wie das Ergebnis zeigt – ganz gut umgesetzt. Wir haben einen Wettbewerb mit der Stadt Wien ausgeschrieben, und es wurden Kommissionen zur Realisierung eingesetzt. Wir haben auch die Verhandlungen mit der Stadt Wien geführt. Wir haben ausgehandelt: Schenkung durch die Stadt Wien an die Universität. Die Stadt Wien hat im Gegenzug Forderungen an den Beschenkten, also an die Universität, gestellt, nämlich ein Wegekreuz offen zu lassen und eine öffentliche Nutzung zu gewährleisten. Wir sind außerdem zu der Übereinkunft gekommen, dass im 1. Hof auch kommerzielle »Dinge« zugelassen werden – es sollte nämlich auch ein »Magnet« für die Nahversorgung hineinkommen. Ursprünglich bestand zudem die Überlegung, eine Garage hereinzubringen, bis wir dann aber das Konzept einer autofreien Zone entwickelten. Die gärtnerische Betreuung, das haben wir ebenfalls vereinbart, wiederum fiel in den Aufgabenbereich der Stadt Wien und des Stadtgartenamts. Wir haben das damals also alles ver- bzw. ausgehandelt, und es ist, glaube ich, insgesamt gut geworden – ich jedenfalls freue mich immer wieder, wenn ich durch das Alte AKH gehe. Das war also ein Projekt, mit dem die Stadt Wien ihre freundliche Haltung gegenüber der Wissenschaft unter Beweis gestellt hat. Eine andere Gelegenheit gab es im Jahr 1985. Der damalige Vizebürgermeister und Finanzstadtrat Mayr wendete sich mit folgendem Angebot/Anliegen/Ansinnen an den damaligen Wissenschaftsminister Heinz Fischer, Sektionschef Rozsenich und ich nahmen übrigens an dieser Besprechung ebenfalls teil: »Für den Fall, dass der Bund zur

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Schaffung zweier neuer Lehrkanzeln und Professuren für Biotechnologie und des Weiteren zu einer Verlegung zweier schon bestehender Institute bereit wäre, könnte man in der Dr.-Bohrgasse ein Institut für biologische Wissenschaften einrichten, und dann würde sich Boehringer Ingelheim, damals noch mit Genentech, hier ansiedeln, woraus sich in der Folge etwas Herzeigbares entwickeln könnte.« F: War damals die Privatindustrie die treibende Kraft? Frühauf: Boehringer Ingelheim war damals mit Genentech gemeinsam an die Stadt Wien herangetreten, weil sie auf der Suche nach einem Forschungsstandort war. Wien lag in unmittelbarer Nähe zum in Österreich bestehenden Firmensitz, hatte eine gute Forschungsinfrastruktur, und daher wollte Boehringer Ingelheim ihren Forschungsstandort in Wien ausbauen. Uns kam auch zugute, dass es bei Boehringer bereits einige Österreicher gab, die mitgeholfen haben. Damals begann ein Aufbruch in die Mikrobiologie, könnte man generell sagen. In den USA und anderen Staaten war dieser schon früher erfolgt, bei uns erst in den 1980er Jahren. Boehringer plante hier die Errichtung eines Forschungsinstituts für molekulare Pathologie, und zwar in Kooperation mit einer universitären Forschungseinrichtung. Mayr nun bot uns, da er wusste, dass wir immer unterdotiert waren, ein Areal in der Dr.-Bohrgasse zum symbolischen Preis von 1 Schilling an und schlug auch gleichzeitig einen Bauträger vor. Die Verhandlungen für die Ansiedlung und die Institutserrichtung fanden statt, und Minister Tuppy konnte an einem der letzten Tage seiner Amtstätigkeit noch schnell die Verträge für die Errichtung des Biozentrums, und zwar den Universitätsteil in der Dr.-Bohrgasse, unterzeichnen. Und deshalb kann Tuppy auch mit Recht die Errichtung des Biozentrums für sich in Anspruch nehmen. Das waren seine Verdienste, auch wenn wir ihn dazu motivieren konnten, seine Unterschrift darunterzusetzen. Ein Wort noch zur Standortplanung: Wien hatte sich bis dahin – weder in den 1950er noch in den 1960er Jahren – kaum Gedanken darüber gemacht, wo Wissenschaft standortmäßig angesiedelt werden könnte. Lange Zeit hindurch kann man sogar von einem ausgesprochenen Antagonismus (Bund: schwarz, Wien: rot) sprechen, den man immer wieder feststellen konnte. Erst seit den 1970er Jahren waren Kooperationen leichter möglich. Ich nenne dazu ein Beispiel: Auf der Schmelz, einem Bundesgrund, haben wir das Universitätssportzentrum. Aus heutiger Sicht, aber da liegen 40 – 50 Jahre dazwischen, wäre es vielleicht gescheiter gewesen, wenn man das Universitätssportzentrum im Prater neben den Stadionsportplätzen angesiedelt hätte. Damals allerdings lag das Pratergelände sozusagen am Ende der Welt, heute, durch die Anbindung an die U-Bahn und durch die neue Wirtschaftsuniversität sieht die Lage ganz an-

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ders aus. Wien hat eigentlich erst in den 1970er Jahren begonnen, entlang der Verkehrsachsen zu denken und zu planen. Wir haben damals auch mit der Stadt Wien eine Studie durchgeführt, hinsichtlich künftiger Hochschulstandorte in Wien.

Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Peter Skalicky F: Wann genau vertieften sich die Kooperationen der Technischen Universität mit der Stadt Wien? Skalicky : Es blieb mir in Erinnerung, dass der Bürgermeister bei sub auspiciisPromotionen den Bundespräsidenten, die Rektoren der jeweiligen Universitäten, die Kandidaten und den jeweiligen Promotor einlud. Das blieb mir in Erinnerung und zwar auch deshalb, weil bei einem dieser Treffen, das in die Amtszeit von Zilk fiel, die Kandidaten den Bundespräsidenten, den Bürgermeister und die drei beteiligten Rektoren eine halbe Stunde warten ließen, mit der Begründung, es sei schwer einen Parkplatz zu finden. Das blieb allerdings ein Einzelfall. Und ich erinnere mich auch noch an eine Äußerung von Häupl, die sinngemäß so lautete: Na ja, die Stadt Wien hat es natürlich schwer, denn es gibt fünf Universitäten in Wien, wenn wir denen die gleiche Zuneigung angedeihen lassen wollen, so wird das für Wien ziemlich teuer. F: Es kommt ja dabei immer auch auf die handelnden Personen an, und Zilk, der 1984 Bürgermeister wurde, war ja intellektuell an den Universitäten durchaus interessiert? Hat man auf Universitätsseite auch Vizebürgermeister Hans Mayr wahrgenommen? Skalicky : Mehrfach. Also erstens im Zusammenhang mit den Aspang-Gründen. Damals konnte man die Handschrift von Vizebürgermeister Mayr erkennen. Diese Gründe haben übrigens eine interessante Geschichte, die auch mit der Stadt zusammenhängt. Sie wurden ich glaube im Jahre 1916 von der Stadt der Industriellenvereinigung mit der Auflage geschenkt, darauf spätestens zwei Jahre nach Kriegsende eine Maschinenbaufakultät zu errichten; sie haben aber nicht gesagt, nach welchem Krieg. Das ist bis heute nicht passiert. Inzwischen sind sie in den Besitz der BIG übergegangen. Und Mayr, der zeitweise einen Golfplatz dort zu errichten plante, hat mit uns darüber verhandelt. Ich habe ihm damals gesagt, wir hätten nichts dagegen, wir hätten aber die Absicht, dieses Areal einmal zu bebauen. Das hat aber nicht funktioniert. Und das zweite war,

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dass Mayr vorgeschlagen hat, wie wäre es, wenn die Technische Universität einmal etwas macht, was auch der Stadt Wien wirklich zugute komme, z. B. eine bessere wärmetechnische Ausstattung der Gemeindebauten. Das würde auch den Wert dieser Wohnungen erhöhen. Ich glaube, er hat ja ursprünglich einen einschlägigen Beruf, Elektrotechniker, erlernt. Er hat sich wirklich für den Ausbau dieser Beziehungen engagiert, und zwar durchaus auch von der praktischen Seite her. Ich möchte aber unterstreichen, dass dabei nicht so sehr das Geld eine bedeutende Rolle spielte. Die steirischen Rektoren sagten einmal im Scherz, sie würden einmal einen unbemannten VWBus über den Semmering schicken, um zu sehen, ob dort auch Leben existiert. Das war die Einstellung der Steiermark zu den Wiener Hochschulen. Vielleicht könnte man hier eine Analogie zu dem lange Zeit bestehenden Verhältnis zwischen der Stadt und den Wiener Hochschulen sehen. Da kamen aber dann plötzlich ein paar Stadtpolitiker, zu denen auch du lieber Hubert Christian Ehalt gehörst, die sich plötzlich interessiert daran zeigten, was auf den Hochschulen und Universitäten passiert. Ich kann mich erinnern, dass er eine Besprechung bei Siemens angeregt hat, an der ich und zwei Dekane teilnahmen, wo es um elektrische Energieversorgung, Wärmedämmungen usw. in städtischen Bauten ging. Er meinte, die Industrie und die Technische Hochschule könnten sich diese Probleme zu einem gemeinsamen Thema machen. F: Gab es ein public-private-partnership-Projekt wie das Biocenter auch für die TU? Skalicky : Nein, eigentlich nicht. Das ist dann alles auf die BIG übertragen worden. Es hat schon ein Projekt gegeben, aber das hat alles nicht funktioniert. Wir wollten nicht auf der Platte, sondern dahinter, zwischen dem Austria Center und der Autobahnüberbauung, wollten wir ebenfalls eine Maschinenbau-Fakultät bauen. Das Projekt war schon relativ weit gediehen, es gab sogar einen Architektenwettbewerb, der ein architektonisch-städtebaulich sehr interessantes Projekt ergab, aber das hat dann alles nicht funktioniert. Und der Maschinenbau ist ja nicht so wahnsinnig mit Studierenden überlaufen, dass die Gefahr des Zusperrens wegen zu hoher Studentenzahlen bestand. Von den Schlüsselereignissen ist natürlich das Biocenter das absolute Highlight, das bis heute zurecht als Vorbild für eine private-public-partnershipModell gehandelt wird, vor allem die Perutz-Labors sind eine tolle Geschichte. Das Biocenter ist auch im europäischen Maßstab ein absolutes Vorzeigeprojekt. F: Und umgekehrt: gab es Chancen und verpasste Gelegenheiten, also Ideen, die kurz vor der Realisierung gescheitert sind?

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Skalicky : Da war diese ewige Geschichte mit der Maschinenbau-Fakultät auf den Aspang-Gründen, der Donaucity oder auf ähnlichen Gründen, wie der SiemensCity usw. Das funktionierte nie wirklich, ua. wegen überzogener Forderungen, die aus dem Haus gekommen sind. Dabei wäre es sicher sinnvoll gewesen, das nicht nur über die BIG zu spielen, sondern wenn das mit der Stadt direkt verhandelt worden wäre. Und wo es auch tatsächlich Berührungen gibt, und das ist auch sehr erfreulich, das sind diese Projekte der Wirtschaftskammer Wien, die leider zuwenig dotiert sind. Hier kommen verschiedene Projekte, Verkehrs-, Energie- und bautechnische Projekte, zustande, die diese Leute, die es interessiert, gerne tun, wenngleich sich die finanziellen Mittel in sehr bescheidenem Rahmen halten. F: Und gibt es auch eine Zusammenarbeit zwischen den der Stadt (Wiener Holding) gehörigen Firmen, z. B. Wiener Linien usw. und der TU? Skalicky : Ja, die aber vom Volumen her sicherlich noch ausbaufähig wäre, z. B. im Zusammenhang mit den neuen Straßenbahnen, Ergonomie hat eine Rolle gespielt, die Stromversorgung, intelligent power grids, Verkehrsplanung usw. In der Verkehrsplanung spielt sicher Knoflacher eine Rolle, der mit seinen Ideen den meisten Leuten sicher furchtbar auf die Nerven geht.

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Interviews mit Leopold März, Wolf Frühauf und Kurt Komarek

Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Leopold März F: Das Projekt soll der Frage der Beziehungen zwischen der Universität bzw. den Universitäten und der Stadt Wien nachgehen und in diesem breiten Spektrum ist auch erwünscht, dass die Gesprächspartner u. a. erzählen, inwieweit sie in ihrer Biographie solche Einflüsse wahrgenommen haben. März: Dann will ich doch ein Einleitungsstatement machen, und zwar ein spontanes: Wenn ich meine universitäre Lebensgeschichte sozusagen Revue passieren lasse, so blicke ich nach einem Studienbeginn im Jahre 1963 auf 47 Jahre akademischer Erfahrungen zurück. Mein Weg führte mich dabei auch ins Ausland, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass der zwei Jahre dauernde Auslandsaufenthalt sehr stimulierend, befruchtend war, im Hinblick auf das, was ich danach getan habe. Das hat sich durchaus konkret niedergeschlagen. Der zweite Aspekt ist, dass ich im Zuge meiner Laufbahn alle Stufen der Universität und damit auch die in diesen 47 Jahren oft veränderten Rahmenbedingungen hinter mich gebracht habe bzw. die ich durchlebt, ich möchte sagen, immer bewusster erlebt habe. Ich mache an dieser Stelle einen Sprung und möchte, weil hier auch von sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen die Rede ist, darauf hinweisen, dass in diesem Zusammenhang auch einige Dinge sehr wichtig und prägend waren. Da wäre zu erwähnen, dass, als ich 1963 zu studieren begann, sehr viele Studenten damals aus Ungarn kamen, und zwar als Folge des Jahres 1956. Das hat schon etwas an Interaktion gebracht. Das markanteste Erlebnis in diesem Zusammenhang – es wird in Ihrem Fragenkatalog auch die Migrationsfrage angesprochen – habe ich, nachdem ich 1992 zum Rektor gewählt wurde, 1993 erlebt, als ich dieses Amt angetreten habe. Meine Wahl fiel in jene Zeit, kurz nachdem der »Eiserne Vorhang« gefallen war. Damals war vieles in Verände-

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rung, im Aufbau sozusagen, und ich habe, kraft meines damaligen Amtes, sehr viele Wechselwirkungen, vor allem aus dem Donauraum, Mittel- und Südosteuropa, erlebt, die auf mich bis heute Nachwirkungen haben, institutionell und persönlich gesehen, obwohl ich schon lange nicht mehr Rektor bin. F: Sie sind der Erste, der das von sich aus angesprochen hat. März: Das hat zum einen schon auch etwas mit mir persönlich zu tun. Meine Großeltern sind aus Böhmen eingewandert, viele würden das nicht so bezeichnen, ich tue das schon. Es war schon eine Migration, wiewohl damals keine Grenzen zwischen Böhmen und Wien bestanden. Zum anderen stammt meine Frau aus Kroatien, sie hat volksdeutsche Wurzeln, die Familie hat daher, wie Sie sich denken können, ein entsprechendes Schicksal hinter sich. Ein solcher Familienhintergrund von zeitgeschichtlicher Relevanz macht aufmerksam, wodurch ich auch als naturwissenschaftlich-technisch Gebildeter einen starken Zug zur Zeitgeschichte bekommen habe. D.h., ich habe diese Zeitgeschichte, die sich in den Jahren nach 1989 bis hin zum Jugoslawien-Krieg abgespielt hat, sehr sehr bewusst erlebt und weiß ganz genau, welche langfristigen Wirkungen sich daraus ergeben. Es ist ja keine Frage, dass die europäische Entwicklung in diesem Kontext zu sehen ist. Europa besteht eben nicht nur aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien – das vergisst man halt manchmal. Damit ist ja ebenso die Frage des Zuzugs der »neuen« EU-Länder verbunden; die Stimmung oder besser Stimmungsmache in der Bevölkerung ist – die Kronen-Zeitung ist nicht weit von uns – geprägt von der Vorstellung, die Arbeitskräfte sollen bei uns hackeln, im Übrigen aber dort bleiben, von wo sie herkommen – das geht einem alles im Kopf herum. Wenn man aber vor dem Hintergrund eines sich einigenden und sich öffnenden Europas diese Berufslaufbahn, die ich hatte, anschaut, und da spielt das Rektorat eine Rolle, weil es keine rein wissenschaftliche Berufslaufbahn ist, dann fragen Sie sich natürlich, in welchem Stimmungskontext wir uns bewegen. Mir wurde etwa am Anfang meines Rektorats gesagt, ich solle mich nicht nach Osteuropa orientieren, sondern nach Westen, denn dort könne man etwas lernen. Diese Art der Primitivisierung der Situation habe ich nie akzeptiert. F: Welches Interesse und welche Beziehungen haben Sie in diesen Jahren in Ihren Begegnungen mit osteuropäischen Wissenschaftlern, den wissenschaftlichen Institutionen und auch Studierenden aus diesen Ländern feststellen können? März: Aus meiner beruflichen Situation heraus ergaben sich logischerweise vor allem Beziehungen auf institutioneller Ebene. Aufgrund meines persönlichen

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Hintergrunds habe ich dabei vielleicht ein besonderes Verständnis für Mentalitäten und Verhaltensweisen mitgebracht, auch die Vorgeschichten dürfen dabei nicht übersehen werden. Mir war bei diesen Kontakten sehr daran gelegen zu erfahren, wie wir gemeinsam die organisatorischen und strukturellen Stärken dieser Institutionen heben können, die sie befähigen, selbst inhaltliche Stärken zu entwickeln. Wobei man immer bedenken sollte, dass in den westeuropäischen Ländern die Rolle und Bedeutung der Universität für die Stabilität einer freien und demokratischen Gesellschaft nie so dramatisch gesehen wurde, wie dies in Mittel-, Ost- und Südosteuropa der Fall war. Denn was wird denn als Erstes im Falle von diktatorischen Verhältnissen geschlossen: die Medien und die Universitäten. F: Bei uns ging diese Erfahrung verloren, weil sie in den letzten Jahrzehnten einfach kein Problem dargestellt hat, davor zuletzt vermutlich im Faschismus und davor vielleicht im Neoabsolutismus und nach der Niederschlagung der Revolution 1848. März: Vielen Leuten bei uns ist das vermutlich nicht mehr bewusst und ebenso wenig in den USA. Obwohl dort die Studentenunruhen von 1968 noch gar nicht so lange zurückliegen. Wenn man dagegen beispielsweise nach Ungarn fährt und das Gebäude der Universität von Mosonmagyarûv‚r betritt, so sieht man dort ein Denkmal für die Studenten, die dort im Verlauf des Aufstands von 1956 gefallen sind. F: Wobei das für viele junge Studenten vermutlich auch sehr lange zurückliegt. März: Für mich dagegen scheint es noch nicht so lange zurückliegend, dass man z. B., wenn man von Wien nach Hegyeshalom fuhr, erst Stacheldraht-Verhaue passieren musste. Jetzt hingegen gehen die Leute zum Zahnarzt nach Mosonmagyarûv‚r oder Sopron und passieren die Grenze, ohne den Pass herzeigen zu müssen. Es war in jenen Jahren keineswegs einfach, Wissenschaftlerkollegen aus diesen Ländern nach Wien zu holen. Ich erinnere mich, dass ich vor 1989 in solchen Fällen, wenn man einen ungarischen Kollegen für ein oder zwei Tage nach Wien zu holen gedachte, auch schon einmal vorher mit Vertretern des Zentralkomitees verhandeln musste, unter welchen Umständen und Bedingungen dies geschehen könne. Wobei dies oft an eine Begleitperson als Bedingung einer Zustimmung geknüpft war. F: Waren ungarische Naturwissenschaftler oder solche aus anderen Staaten damals sehr politisch und galten dann nach der Wende vielleicht sogar als belastet?

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März.: Nicht unbedingt. Am ehesten galt dies vermutlich für Naturwissenschaftler in der ehemaligen DDR, wo viele neu um die Erhaltung ihrer Stellen ansuchen mussten. Sonst würde ich sagen, politisch belastet nur insofern, als sie in ihrem Aktionsradius nicht frei waren, und zwar grundsätzlich nicht, unabhängig von ihrer politischen Einstellung. Das habe ich alles selbst erlebt, und natürlich bleibt etwas von dieser Haltung noch lange in den Köpfen. Am dramatischsten stellte sich dieser Übergang sicherlich in Post-Jugoslawien dar, wo der Bruch in den Institutionen, bis hin zu materiellen Zerstörungen, besonders tief war und wo es auch eine sehr namhafte wissenschaftliche Diaspora gab. Hier stellte sich für uns die Aufgabe oder Herausforderung in besonderem Maße, Dinge unter neuen politischen und materiellen Rahmenbedingungen zu entwickeln und aufzubauen, und zwar nicht schulmeisterlich, sondern kooperativ. Das war schon eine große Herausforderung. F: Wo war denn diese Wissenschaftler-Emigration besonders ausgeprägt? März: Ich glaube, dass insbesondere aus Serbien sehr viele Wissenschaftler weggegangen sind, ebenso aus Kroatien, aber sicherlich weniger als aus Slowenien. Das hat sicherlich auch mit einer vordergründig besseren wirtschaftlichen Situation zu tun. Aus Serbien dagegen sind, nach meinen Informationen, aus der Altersgruppe der gut ausgebildeten 20 – 30-Jährigen zigtausende in Richtung Kanada und Australien ausgewandert. Es sind auch Wissenschaftler aus diesen Staaten nach Österreich gekommen, mancher von ihnen vielleicht in der Absicht, einen zunächst auf ein bis zwei Jahre angelegten Aufenthalt dann weiter zu verlängern. Auch an der BOKU gab es solche Fälle, und einigen von ihnen musste ich sagen: Liebe Dame, lieber Herr, Sie werden hier viel lernen können, aber sie werden dringender zu Hause gebraucht und sollten sehen, wie Sie Ihrer Heimat wieder auf die Beine helfen können. Und ich habe in diesen Fällen versucht, meine Kontakte in diese Staaten zu nutzen, um ihnen eine geeignete Position zu verschaffen. F: Konnten österreichische Naturwissenschaftler auch umgekehrt von ihren Wissenschaftlerkollegen etwas lernen, in wissenschaftlicher Hinsicht oder etwa, wie man an bestimmte Dinge herangeht? März: Ich glaube schon, dass man, wenn man Augen und Ohren aufsperrt, etwas lernen kann, wiewohl ich sagen würde, dass das eher im Bereich des sozialen und kulturellen Lernens angesiedelt sein würde. Man lernt etwa, dass man mit wenigem durchaus mehr erreichen kann, also die banale Tatsache, dass man nicht immer aus dem Vollen schöpfen muss. Ferner, dass Eigeninitiative wichtig ist, und vor allem, dass das Setzen auf junge Leute sehr viel bringt. Denn unter den

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Wissenschaftlern, die hier gemeint sind, waren viele, die ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Ruhe und eine geringes Maß an Flexibilität auszeichnete und die Reformen und Veränderungen ablehnten. Daneben gab es aber die jüngere Generation, die uns bewies, dass man trotz widriger Umstände etwas bewegen kann. Sie waren zweifellos oft durch zu niedrige finanzielle, materielle oder technische Ausstattung in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, aber in gewissen Disziplinen wie der Mathematik, Physik oder Chemie konnte auch die Ära des Kommunismus diese Tradition nicht unterbrechen, und es sind auf diesen Gebieten aus diesen Ländern sehr sehr gute Leute gekommen. In den angewandten Fächern sind eher die Praktiker an den Universitäten dieser Länder gewesen; das ist zum Teil bis heute der Fall, wie etwa in den Agrarwissenschaften, die sich bei uns in den letzten Jahrzehnten sehr stark theoretisiert, »vernaturwissenschaftlicht« haben. Für diese oft landwirtschaftlich klein strukturierten Länder hat diese Praxisorientierung durchaus Vorteile. Die bei uns eingeschlagene Richtung hat zweifellos ihre Vorteile, etwa wenn man an die Nutzung nachwachsender Rohstoffe denkt, macht aber eine völlig neue Form der Kommunikation zwischen Wissenschaft und dem wirtschaftlichen und praktischen Umfeld vonnöten.

Interview mit Sektionschef i. R. Dr. Wolf Frühauf F: Welche zentralen Schwerpunkte prägten die Forschungsinfrastruktur der 1990er Jahre? Frühauf: Ich kann mich noch erinnern, dass in den 1980er Jahren Finanzstadtrat Mayr uns das Gelände des Schlachthofs St. Marx für die Veterinärmedizinische Universität zur Verbauung anbot. Nun hat aber das Bautenministerium zu diesem Zeitpunkt schon die Pläne für eine Ansiedlung im 21. Bezirk fertig gehabt, und das konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Aber mit dem Biotechnikzentrum, das wir anstelle dessen dort errichteten, hatten wir einen Nukleus, der in der Folge ständig erweitert wurde. Und jetzt konnten wir auch etwas für die Stadt Wien tun, indem wir nämlich in den 1990er Jahren das Impulsprogramm Biotechnologie auflegten. Ich war damals für die Medizinund Biotechnologieforschung im Ministerium zuständig und habe mit dem damaligen Technologiesektionsleiter im Wirtschaftsministerium, dieses Programm zum Erstaunen vieler, die raunten: »Ein Roter und ein Schwarzer – können die zusammenarbeiten?!«, entwickelt. Er hatte von seinem Ministerium aus das Geld, wir dagegen den »Rohstoff«, die Wissenschaftler. Wir holten damals die heutige Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität als Programmleiterin für die Administration dieses Programms zu uns mit ins Boot.

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Interview mit Rektor i. R. em. Univ.-Prof. Dr. Kurt Komarek F: Welche internationalen Projekte stärkten Wien als Wissenschaftsstandort? Komarek: Zum Beispiel IIASA, International Institute for Applied Systems Analysis. Beim IIASA war ich von 1991 bis Ende 2009 tätig, zunächst als Mitglied des Councils, dann von 1997 – 1998 als stv. Vorsitzender des Councils und danach als Vorsitzender. Ich war der erste nicht russische Vorsitzende des IIASACouncils. Das IIASA war ja eine Einrichtung aus der Zeit des Kalten Krieges, und der Mann, der sich um das IIASA wirklich große Verdienste erworben hat, war der damalige österreichische Botschafter in Moskau Walter Wodak. Ihm ist es gelungen, das Institut nach Österreich zu bringen und das Schloss Laxenburg, als Sitz des IIASA, einer vernünftigen Verwendung zuzuführen. Fünf ost- und sieben westeuropäische Staaten hielten sich als Gründungsmitglieder die Waage, wobei die Council-Mitglieder »non-governmental« sein mussten. Diese Konstruktion wurde deshalb gewählt, weil sich unter den osteuropäischen Staaten die DDR und unter den westeuropäischen die Bundesrepublik befand und Letztere ja die DDR nicht anerkannte. Ich habe mich auch in dieser Funktion sehr für Österreich eingesetzt, vertrat aber die Auffassung, Österreich als Gastland müsse sich da zurückhalten. Wir haben jedoch einmal errechnet, dass überschlagsmäßig rd. 70 – 80 % der von den IIASA-Trägerländern kommenden Beiträge in Österreich verblieben.

Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Leopold März F: Damit nähern wir uns bereits einer der Kernfragen des Projekts, nämlich der Interaktion zwischen der Universität und der Stadt Wien. Wahrscheinlich gehört die Universität für Bodenkultur zu denjenigen Universitäten, die sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten am stärksten diversifiziert hat. März: Das sehe ich genauso. Was die Interaktion am Standort betrifft, so befinden wir uns hier an einer Stelle, wo man diese Interaktion mit der Stadt am deutlichsten sieht. Der Bereich, der sich aus der Palette der universitären Disziplinen und Fächer so entwickelt hat, wie er jetzt dasteht – vor etwas mehr als 20 Jahren hat es diesen Standort ja gar nicht gegeben –, konnte sich entwickeln, weil dies auch von der Stadt wahrgenommen wurde, die diesen Standort als einen »asset« betrachtet und auch so behandelt hat. Das wiederum hat mit den handelnden Personen zu tun: Man kann das ruhig offen sagen, dass mit dem jetzigen

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Bürgermeister eine ganz andere Form der Kommunikation möglich wurde, als das vorher der Fall war. Denn ich kann mir nicht vorstellen oder besser, ich kann mich nicht daran erinnern, dass es jemals einen intensiven Kontakt unserer Universität mit einem der Vorgänger von Michael Häupl gegeben hat. Natürlich hat das auch etwas mit seiner eigenen fachlichen Vergangenheit und Kompetenz zu tun – er kommt ja selbst aus der Biologie –, hat aber sicherlich ebenso mit seiner Persönlichkeit zu tun. Das ist auch eine persönliche Erfahrung aus meiner Rektoratszeit. Ein kleiner Einschub: Ich war ja lange Jahre – insgesamt waren es, glaube ich, 18 Jahre – in den ORF-Gremien vertreten, davon 2,5 Jahre lang als Vorsitzender (eine eher unglückliche Zeit), und in dieser Zeit war Häupl auch als Umweltstadtrat Mitglied des Kuratoriums. In diesen Jahren konnte ich ihn kennenlernen. Und als dann das UOG 93 in Kraft trat, das ja einen Universitätsbeirat als Schnittstelle zwischen Universität und Gesellschaft vorgesehen hat, habe ich um einen Termin bei ihm gebeten und ihn eingeladen, als Vertreter der Gebietskörperschaften in den Universitätsbeirat einzutreten. Er hat zugesagt, denn ich erklärte ihm damals, ich wollte ihn und nicht irgendeinen von der Stadt nominierten Vertreter im Universitätsbeirat – ich wollte damals keinen weisungsgebundenen Beamten haben. Er nahm diese Einladung gerne an, hat sich auch eingebracht; er ist dann aber kurz danach in die Funktion des Bürgermeisters gewechselt. Mir lag aber auch viel daran, und als er eine oder zwei Sitzungen ausließ, bot ich ihm an, die nächste Sitzung in seinem Büro abzuhalten. Seit dieser Zeit hat es eine sehr direkte und gute Beziehung zwischen dem Bürgermeister und uns, auch mit mir persönlich, gegeben. F: Welche konkreten Wechselwirkungen haben sich daraus ergeben? März: Das machte sich auf zwei Ebenen bemerkbar. Es ist sicherlich auf der einen Ebene mehr Aufmerksamkeit der Stadt Wien gegenüber der BOKU entstanden und vielleicht ein höheres Maß an Offenheit. Die BOKU ist, das kann man ja offen aussprechen, bis Mitte oder Ende der 1970er Jahre sehr stark der Agrarpolitik und damit auch parteipolitisch zugeordnet worden, wobei ich nicht beurteilen will, ob diese Zuordnung zu Recht erfolgte – das zu tun, steht mir nicht zu. Es hat dann eine Politik der Öffnung, sowohl der politischen als auch kommunikativen, stattgefunden. Manfried Welan etwa, der von 1977 bis 1981 als Rektor amtierte, vertrat immer die Meinung, eine Universität müsse sich veröffentlichen, womit er meinte, ihre Arbeit und Nützlichkeit der Öffentlichkeit vor-/darstellen. Das führte letzten Endes dazu, dass die Akzeptanz der BOKU auch auf der sozialdemokratischen Seite sehr stark gewachsen ist. Die frühere Ablehnung und Punzierung, wir seien sozusagen die akademischen Agrarier – dieses Stigma konnte also beseitigt werden. Das war zweifellos das Verdienst von

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Manfried Welan. Das führte zu einem Interesse der Stadt an dieser Universität, verbunden mit einer gewissen Offenheit für Weiterentwicklungen etwa an diesem Standort. Die zweite Ebene, die ich gemeint habe, ist die politische und administrative Verantwortung der Stadtverwaltung gegenüber den Universitäten, die insgesamt stark zugenommen hat. Damit ist die Stadt heute viel stärker an den Universitäten präsent als früher. Auch materiell, durch Gründung von Stiftungen z. B.; anlässlich der 100–Jahr-Feier der WU hat sie dieses Engagement u. a. unter Beweis gestellt. F: Die Entscheidung für den Standort Muthgasse, fiel die auch in Häupls Amtszeit? März: Nein, die erfolgte schon vorher, 1990, und es war im Wesentlichen eine Entscheidung der Stadt Wien. Die Gebäude, etwa das an der Heiligenstädter Lände, wurden privatwirtschaftlich errichtet, und zwar von der PORR – natürlich gibt es auch hier eine Beziehung zur Stadt Wien; aber nachdem diese beiden Gebäude schon errichtet waren, hat sich die Stadt Wien sehr stark für die Entwicklung dieses Standorts eingesetzt. Und das wird auch in der Zukunft weitergehen – es wird so etwas wie ein Vienna Biotechnology Park entstehen, in dem sich neben der BOKU noch weitere Firmen, es sind ja heute schon welche hier, in den nächsten Jahren am Standort ansiedeln werden. Hier kommt auch Professor Tuppy, der viel für den Standort wie für die Biotechnologie in Wien insgesamt getan hat, ein besonderes Verdienst zu. Tuppy selbst ist ja Biochemiker und hat sehr früh durch seine eigenen Forschungsarbeiten, die man als Vorfeldforschung für die Biotechnik bezeichnen kann, auf sich aufmerksam gemacht, und zwar auf höchstem Niveau. Er hat aber schon sehr früh begonnen, Förderungsinstrumentarien zu etablieren, die Gründung des FWF geht ja auf ihn zurück. Von der Förderungspolitik her hat er ein gnadenloses Bekenntnis zur Unabhängigkeit und Qualität propagiert. Das reicht bis in die 1970er Jahre zurück. Außerdem hat Tuppy den Übergang zur, heute würde man sagen, translationalen Forschung, d. h. den Übergang in die industrielle Relevanz, sehr stark betrieben, und auch das Ernst-BoehringerInstitut für Arzneimittelforschung geht auf ihn zurück. Dorthin sind dann seine ersten Dissertanten gegangen. Die Verknüpfung zwischen universitärer Grundlagenforschung und der industriellen Umsetzung wurde sehr stark von ihm initiiert und stimuliert. F: Und war das von nachhaltiger Wirkung auf die BOKU?

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März: Ja, jedenfalls, uns gäbe es sicher nicht ohne Tuppys Leistung. Ich habe darauf auch in meiner Laudatio anlässlich der Verleihung des Ehrendoktorats an ihn hingewiesen. F: Sie haben die frühere große Distanz zur Stadt, auch im Wissenschaftsbild der BOKU, angesprochen. Hat sich diese Distanz, ich meine jetzt auf wissenschaftspraktischer Ebene, verringert, gibt es hier inzwischen Berührungspunkte? März: Wien ist heute ein wichtiger Standort der biotechnologischen Forschung, und zwar auch über Wien hinaus bis Orth an der Donau – dort bei Baxter sind ja 80 % des wissenschaftlichen Personals Absolventen von hier – d. h., es gibt diese Biotechnologie-Meile etwa von Krems bis Orth. Offensichtliche Interaktionen mit der Stadt gibt es sicherlich auf dem Gebiet des Umweltschutzes, im Bereich der Wasser- und Abwasserwirtschaft, die ja eine kommunale Herausforderung erster Ordnung ist, es gibt sie aber auch im gesamten Agrarbereich, wenn man daran denkt, dass die Stadt durch ihre verschiedenen Unternehmen in Bereich Forstwirtschaft und anderen Landwirtschaftszweigen aktiv ist. Der Forstdirektor der Stadt Wien ist Absolvent dieses Hauses, mit ihm gibt es natürlich Beziehungen aller Art. Ferner wären die Aufgaben der Landschaftsplanung und -gestaltung, der Gartenbau und die Landschaftsarchitektur zu erwähnen, all das ist für eine urbane Umgebung natürlich enorm wichtig. F: Ist das auch etwas, was auf Häupl zurückgeht? März: Nein, das sehe ich als eine Evolution, die nicht zuletzt mit dem Werdegang dieser Universität zu tun hat. Diese hat sich ja von einer reinen agrar- und forstwirtschaftlichen Einrichtung durch die Einbeziehung der Kulturtechniken, wie z. B. der Wasserwirtschaft, deren Anfänge ja ebenfalls schon auf die 1920er und 1930er Jahre zurückgehen, weiterentwickelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam dann der Bereich Biotechnik und außerdem die Landschaftsplanung dazu. Letztere ist inzwischen ja auch schon mehr als ein Vierteljahrhundert alt und hat ebenfalls sehr viele Wechselwirkungen mit der Stadt möglich gemacht. F: Sie haben ja, wenn ich aus dem Fernster auf das Gebäude gegenüber blicke, ein grünes Logo, vor 20 Jahren hätte dieses aufgrund der damals noch stark agrarischen Prägung in brauner Farbe gestaltet sein müssen. März: Vor 80 Jahren hätte man ein braunes Logo anderer Art angebracht, denn damals war die BOKU eine Nazifestung, bis in die Anfänge meiner eigenen akademischen Laufbahn hinein. An der BOKU haben die illegalen Nazis schon in

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den 1920er Jahren, etwa im Rahmen der nationalen Korporationen, sehr stark an Boden gewonnen. Es gibt ein Foto, wo sie oben an der Türkenschanze vor dem Gregor-Mendel-Haus mit Hakenkreuzarmbinden stehen. Und später, nach dem »Anschluß« 1938, wurde auch personalpolitisch gewütet, Leute sind eliminiert worden. Das wurde allerdings erst unter Welan wissenschaftlich aufgearbeitet. F: Hat es im Zusammenhang mit dem Jahr 1938 auch einen Verlust an Wissenschaftlern an der BOKU gegeben, vertriebene Wissenschaftler, die nicht mehr zurückgekommen sind? März: Ja, wobei ich nicht glaube, dass sich darunter viele jüdische Wissenschaftler befanden. An meinem Institut war ein jüdischer Wissenschaftler, Simon Zeisel, als bekannter organischer Chemiker tätig, gewisse Dinge werden bis heute nach seinen Rezepturen gemacht – und er wurde für lange Zeit aus den Annalen eliminiert. Die Nachwirkungen der NS-Zeit reichten bis in die 1960er Jahre und waren auch noch in meiner Studienzeit wahrnehmbar : Der RFS (Ring Freiheitlicher Studenten) war an der BOKU sehr stark, schlagende Studenten hielten Veranstaltungen ab, und selbst während des Rektorats von Welan gab es noch heftige Auseinandersetzungen zwischen dem RFS und Studierenden, die sich nach dem Muster der Basisgruppen organisierten. Auch in der Professorenschaft hielt sich dieses Gedankengut noch lange in den Köpfen, ehe die Biologie und die Zeit hier einen Wandel geschaffen haben. Heute ist hier von dieser Vergangenheit nichts mehr zu spüren, und das ist, glaube ich, mit ein Teil der Erfolgsgeschichte der BOKU, weil diese Vergangenheit früher bis in die Personalentscheidung hinein eine Rolle gespielt hat. F: Von einigen meiner Gesprächspartner wurde das Problem der mangelnden Standortplanung angesprochen, so etwa äußerte Professor Welan Kritik an einem fehlenden Standortkonzept und äußerte die Vision einer zentralen Universität. März: Letztere findet auch einen Anhänger in Professor Tuppy. F: Wie sehen Sie die Standortentwicklung aufgrund ihrer jahrzehntelangen Erfahrungen aus dem Blickfeld der BOKU? März: Ich glaube schon, dass die Stadt damit etwas zu tun hat oder gehabt hätte. Ich glaube vor allem, dass wir jetzt an der Schwelle zu einer konkreten Standortpolitik stehen. Es gibt zum ersten Mal so etwas wie ein Standortkonzept für den Bereich Muthgasse, das zeigt, dass sich die Stadt Wien darüber Gedanken macht, wie es hier weitergehen soll. Man sollte aber noch ergänzen, dass sich

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nicht nur die Stadt Wien bzw. ihr vorgelagerte bzw. nahestehende Organisationen Gedanken machen, auf Seiten der ÖVP hat sich vor allem der Döblinger Gemeinderat Gerhard Pfeifer ebenfalls sehr stark betätigt und vielleicht sogar einige wichtige Anstöße geliefert, ohne die die Entwicklung hier nicht so gelaufen wäre, wie sie tatsächlich war. Aber die Stadt Wien, das zeigen auch die Beispiele Wirtschaftsuniversität und Technische Universität, wird in der Standortpolitik initiativer. Man muss mit den vorhandenen Standorten zurechtkommen, aber im Rahmen dieser Standorte Entwicklungsperspektiven und Schwerpunkte erkennen lassen. Das ist etwa an der Türkenschanze sehr schwer. Ich sage immer : Dort können Sie nicht einmal mehr eine Hundehütte hinbauen. F: Welche Standorte der BOKU gibt es außer der Türkenschanzstraße und Muthgasse? März: Es gibt außerdem noch den Standort Tulln. Dort befindet sich ein großes interuniversitäres Institut für Agrarbiotechnologie, das 1994 errichtet wurde und derzeit durch ein im Ausbau begriffenes Universitätsforschungszentrum (gemeinsam durch BOKU und Austrian Institute of Technology) erweitert wird. Wenn man sich das dort vor Ort ansieht, werden Sie darüber staunen, welche Dimensionen sich hier entwickeln. Manche sehen das mit gemischten Gefühlen, ich sehe das aber lockerer : Warum soll eine Universität nicht an zwei Standorten existieren? Es gibt in den USA Universitäten, die drei »Campi« haben, ebenso die schwedische Agraruniversität. F: Und stellt da die Interaktion nicht ein gewisses Problem dar? März: Man muss strukturell freilich daraus Konsequenzen ziehen. Wir kennen das Problem schon aus den Beziehungen zum alten Standort Türkenschanze. Man überlegt es sich zehnmal, bevor jemand an den jeweils anderen Standort fährt. F: Auf dieses Problem hat auch Arnold Schmidt hingewiesen, der dafür plädiert, verwandte Institute möglichst in räumlicher Nähe anzusiedeln. März: Das ist grundsätzlich richtig, nur in der Umsetzung in der Praxis oft schwierig. Denn oft fehlt es an entsprechendem Raum, und auch wirtschaftlich ist eine solche Lösung oft nicht einfach. Letztlich ist es eine Frage der Finanzierung, und hier ist weniger die Stadt als der Bund gefordert. Tuppy hat, das wäre interessant zu diskutieren, von einer Art Holding, einer Standortuniversität gesprochen, ein Modell, das es in Dänemark gibt. Nur hatte die dortige

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Regierung wesentlich mehr budgetären Spielraum als bei uns, da sie Budgetüberschüsse erwirtschaftet hat, die sie dann in den Ausbau der Universitäten investieren konnte. Und für die Zusammenlegung der drei bisherigen Standorte der Kopenhagener Universität zu einer zentralen Universität hat man finanzielle Incentives gegeben. Bei uns würde man in der gegenwärtigen Situation jedwede Form der Arrondierung, der Zusammenführung im Universitätsbereich sofort als Versuch der Einsparung interpretieren. F: Das heißt, es ist aktuell ebenso schwierig, finanzielle Mittel loszueisen. Wie kann dann eine vernünftige Diskussion darüber geführt werden, wo vernünftige Einsparungen durch Kooperationen und andere Maßnahmen möglich sind? März: Die Frage stellt sich nicht, wo Einsparungen möglich sind, sondern wie kann das eingesetzte Geld besser seine Wirkung erzielen? F: Sie haben die rasanten Veränderungen im gesamten Bereich Biotechnologie im Zusammenhang mit der Errichtung neuer Universitätsstandorte angesprochen. Ich glaube nicht, dass diese Tatsache dem Großteil der Österreicher in ähnlicher Weise bekannt oder bewusst ist, wie etwa das steirische Autocluster. Wie würden Sie die Problematik der Interaktion zwischen Universität und Wissensgesellschaft sehen? März: Es gibt zwei Dinge, die man dazu sagen kann. Das eine ist die Kommunikation via Medien. Wenn man zurückblickt, so hat es so etwas wie den Wissenschaftsjournalismus vor 30 Jahren noch nicht gegeben. Dann gab es einige Pioniere. Heute haben sie auf diesem Gebiet durchaus beachtliche Leute. Die Qualitätsmedien, die diesem Bereich größere Aufmerksamkeit widmen, erzielen aber nicht jene Breitenwirkung, die man sich wünschen würde. F: Ist es schwierig hier, Themen zu platzieren? März: Das Problem liegt nicht nur bei den Wissenschaftsredakteuren, es hat auch mit der Kommunikationsschwierigkeit der Wissenschaftler zu tun. Es hat lange Zeit das Denken vorgeherrscht: Es geht niemanden etwas an, was wir machen. Diese Einstellungen ändern sich nur längerfristig. Man könnte noch weiter in der Geschichte zurückgehen, als ein Vorgänger von Kaiser Franz Joseph sagte: Ich brauche keine Genies, sondern tüchtige Beamte. Umgekehrt ist es auch ein Problem der Politik, denn wie Manfried Welan zeigen konnte, wurde das Kapitel Wissenschaft erst seit den 1970er Jahren als Punkt in die Regierungserklärungen aufgenommen.

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F: Was vermutlich auch mit der Errichtung eines eigenen Wissenschaftsministeriums zu tun hatte. März: Das ist sicherlich richtig, aber selbst dann wurde dieses Thema nur kurz angeschnitten, während Wissenschaft und Forschung heute öffentliche Themen sind, die aber z. T. nur »sonntagsredenartig« vorkommen. Das zeigt sich etwa in der Frage der Weigerung der Anhebung der Budgetmittel. Da gibt es schon eine sehr konsequente Inkonsequenz der Regierung. Öffentliche Perzeption und Journalismus haben sicherlich miteinander zu tun, aber hier liegen noch Aufgaben vor uns. Information ist eine Bring- ebenso wie eine Holschuld. Leider kann sich die scientific community davon nicht ausnehmen. Wir tun da sicherlich zu wenig. F: Herbert Matis hat in diesem Zusammenhang Vorschläge für eine Verwissenschaftlichung bzw. Versachlichung der Politik unterbreitet und das Vorbild der britischen Royal Commissions als ein solches Modell erwähnt. März: Ja, aber da müsste sich die Politik fundamental ändern. Denn dabei werden die besten Experten ausgewählt, die Politik nimmt keinen Einfluss auf die Beratungen der Experten, deren Empfehlungen dann auch Gewicht haben. Die Kleinräumigkeit Österreichs bedeutet allerdings, dass die in solchen Kommissionen agierenden Personen der Politik näher sind, als dies vielleicht in einem großen Land der Fall ist. Voraussetzung wäre zum einen, den Experten ein hohes Maß an Unabhängigkeit zuzugestehen, ebenso wie, dass diese dies akzeptieren. Leider sind wir in vielerlei Hinsicht noch immer ein Volk von Untertanen. Ich habe leider beobachtet, dass Kollegen gegen die Universitätsautonomie damit argumentiert haben, dass es dann leichter sei, den Minoritenplatz für alles verantwortlich zu machen, und dass man durch gute Beziehungen ohnedies viel erreichen könne. Das habe ich selbst von ehemaligen Rektoren gehört. Das ist in Wirklichkeit eine Unkultur ersten Ausmaßes, wobei ich zugestehe, dass ich selbst ein begnadeter Intervenierer war. Ich habe das System selbst ausgenützt, aber das heißt nicht, dass das deswegen ein gutes System ist. F: Um so einen Wissenschaftsdialog anzustoßen – könnten da die Medien eine positive Rolle spielen? März: Ja, absolut, insbesondere der ORF und die Qualitätsmedien wären dazu imstande. Es waren ja auch die Medien, die die ORF-Reform nach 1964 eingeleitet haben. Also müssten sie auch so etwas bewegen können. Und vor allen Dingen jetzt, wo sie noch mächtiger sind als damals.

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F: Ich wollte Sie noch einmal auf ihre frühe wissenschaftliche Laufbahn ansprechen, als Sie aus dem Ausland nach Österreich zurückkehrten, wobei Sie dieser Zeit, die Sie im Ausland verbrachten, einen sehr hohen Stellenwert eingeräumt haben. März: Tatsache war, dass ich vorher an einem Institut gearbeitet hatte, an dem damals eine zeitgemäße Forschung nicht existierte. Es gab zwar einzelne Leute mit Ambitionen, die aber nicht die Kraft und vielleicht auch nicht den Willen hatten, sich selbst für eine Veränderung struktureller Gegebenheiten genügend einzusetzen. Als ich nach zweijährigem Aufenthalt in den USA zurückkam, habe ich natürlich viele Dinge erkannt, die zu ändern waren, damit es besser wird, und ich habe versucht, diese Änderungen anzugehen. Und vielleicht war ich für diese Aufgabe auch der richtige Mann. Vielleicht war ich also geeigneter dafür, für gute Rahmenbedingungen zu sorgen. Und ich habe das auch getan. Ich habe Projekte beantragt und konnte damit Infrastruktur schaffen, es konnten Leute angestellt, andere stimuliert werden. Das ging natürlich nicht von heute auf morgen. Von meiner Rückkehr aus den USA 1974 an dauerte es so an die zehn bis zwölf Jahre, bis man sagen konnte, es kommt etwas Herzeigbares heraus. Denn dass man der Beste ist zwischen Hütteldorf und Hacking – das wäre zu wenig. Das vermutlich Wichtigste aber war, dass ich versucht habe auf diesem sich entwickelnden Arbeitsgebiet mit den Topleuten in der Welt Beziehungen herzustellen, sie hierher zu bringen und umgekehrt, unsere Leute dorthin zu bringen, wo internationale Topforschung geleistet wird, und die an diesen Orten einige Wochen oder Monate verbringen konnten. Es folgten Einladungen an solche Spitzen-Universitäten – das war primär in der ersten Hälfte der 1980er Jahre, riss aber auch danach nie ab –, an denen unsere Leute tätig waren, denn es ist wesentlich, nicht nur zu erfahren, was, sondern auch wie methodisch gearbeitet wird, also unter welchen Bedingungen bzw. in welchen Strukturen. Dieses Umfeld an internationalen Topleuten hat ungeheuer viel gebracht. Heute sind umgekehrt viele Leute dankbar, wenn man sie nach Wien einlädt, weil hier eine herzeigbare Situation ist. Oft wird erstaunt geäußert, dass man in Europa selten so gute Bedingungen für Forschung, in puncto Multifunktionalität und sowohl im Fachlichen als auch im infrastrukturellen Sinne, vorfindet wie hier. Der Bereich in der Muthgasse hat instrumentell eine besondere Dimension. Wir haben beispielweise gerade neue Professoren berufen, darunter eine Professorin aus Deutschland, die gesagt hat, dass sie hier im Vergleich zu ihrer früheren Arbeitsstätte bessere Arbeitsmöglichkeiten hat. Ich bin stolz, zu dieser Entwicklung etwas beigetragen zu haben. In diesem Bereich vollzieht sich der Generationswechsel alle zehn Jahre, es ist heute also bereits die »Enkel-Generation« an Forschern tätig, und das Ganze hat eine Eigendynamik entfaltet,

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deren positive Nachwirkungen noch sicherlich einige Zeit zu spüren sein werden. F: Sie haben bisher kaum die Problematik Universitätsreformen und Beziehungen zu Wissenschaftsministern angesprochen. Möchten Sie sich dazu äußern? März: Na ja, ich bin ja als Student und später Mittelbauangehöriger nach dem UOG 1975 gewesen, das in vieler Hinsicht etwas gebracht hat. Der große politische Fehler damals war, und diesen Fehler machen Teile der Sozialdemokratie heute noch, dass sie die Reform als monumentales Werk sehen, dass keiner Veränderung bedarf. Diese Einschätzung hört man heute noch von vielen Leuten. Das war es natürlich nicht; es war wichtig, aber es hätte einer Weiterentwicklung bedurft. Vielleicht hätte man die Probleme und die öffentliche Diskussion mit dem UOG 2002 nicht gehabt, hätte man das Gesetz damals kontinuierlich weiterentwickelt. Das UOG 1993 hätte eigentlich schon das große Werk in Richtung Universitätsautonomie sein können, was aber politisch nicht durchsetzbar war. So wurde es ein Zwischenschritt, dessen Wirkung man aber nicht unterschätzen soll, weil es, ich war ja Betroffener davon, zum ersten Mal den Rektor zum Leiter der Universität machte und nicht bloß zum Repräsentanten. Substantielle Entscheidungen wie Berufungen konnten nun erstmals innerhalb der Universität getroffen werden. Die UOG-Reform 2002, die ich persönlich sehr stark betrieben habe – ich war von Universitätsseite her vielleicht der massivste Betreiber dieser Reform – war bei allen Diskussionen ein folgerichtiger Schritt, nur wurde im Zuge der Umsetzung vieles von den dafür Zuständigen falsch gemacht, sowohl im Ministerium als auch an den Universitäten. Im Ministerium gibt es noch immer die unstillbare Sehnsucht, bis ins operative Detail hineinregieren zu wollen. Manche Beamte können sich nicht davon befreien, dass sie sozusagen nur noch eine Holding-Rolle spielen. An der Universität, und zwar nicht nur an einer, sondern an vielen, passierte der Riesenfehler, dass die Gruppenparitäten betreffend die Einrichtung von Kommissionen usw. nicht mehr vorhanden waren – die selbstverständliche Konsequenz daraus, auch über die Professorenschaft hinaus andere Teile des wissenschaftlichen Lehrkörpers und alle, die engagiert etwas zur Reform beitragen wollten, zur Mitwirkung einzuladen, eine solche Einladung wurde im Gefolge der Verabschiedung des UOG 2002 fast nirgends ausgesprochen. Das war ein Grundfehler, der, ehrlich gesagt, weder mir noch Welan passiert wäre. Uns war bewusst, dass man eine kulturelle Kontinuität im Miteinander, das beispielsweise an der BOKU und auch anderswo sehr gut etabliert war, gebraucht hätte. Und diese Kultur hat man eigentlich nicht massiv weiterbetrieben.

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Interviews

F: Und welche negativen Folgen hatte das? März: Polarisierungen und eine resignative Grundstimmung – außer im Mittelbau, von dessen Unterstützung ich während meiner Rektoratszeit sehr profitiert habe. Die Professoren hatten ja infolge ihrer vielfältigen Verpflichtungen oft nicht die Zeit für Dinge, und im Mittelbau, der ja auch zahlenmäßig viel stärker ist, fanden sich oft mehr Leute, die bereit waren sich hinzusetzen, Konzepte zu erarbeiten, Vorschläge zu machen, in Gesprächsrunden zu diskutieren. Und das waren nicht nur die Gremial-Profis. F: Wirkt diese resignative Grundstimmung auch heute noch nach? März: Sie ist nicht mehr so stark wie noch vor ein paar Jahren, aber sie ist trotzdem noch merkbar und auch der Kollektivvertrag hat sie nicht gerade verbessert, sondern eher zur Demotivierung beigetragen, wenn ich mir einzelne Fälle in ihrer gehaltlichen Behandlung ansehe.

Universitäts- und forschungspolitischer Paradigmenwechsel am Beginn des 21. Jahrhunderts

Hubert Christian Ehalt und Oliver Rathkolb

Zäsuren, Gründungen, neue Entwicklungen

Seit der Eröffnung des Universitätscampus im Oktober 1998 trägt die neue Wissens- und Wissenschaftspartnerschaft zwischen den Universitäten und Wien reiche Früchte. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wurde die Arbeit der seit 1997 gegründeten Forschungsförderungsfonds wirksam. Die erfolgreiche Forschungsförderung, die die Fonds seit ihren Gründungen gestalteten, war die Voraussetzung dafür, dass diese Förderungseinrichtungen, die zunächst nur auf eine Dauer von zehn Jahren dotiert worden waren, durch umfangreiche Neudotierungen gesichert wurden – eine Förderung aus den Erträgen des Fondskapitals war seither möglich. Im Jahr 2002 wurden, wie unten ausführlicher dargestellt, der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) gegründet, dessen Verdienst es ist, Exzellenzfelder der in Wien situierten Forschung – insbesondere in den Bereichen der Life Sciences und der Mathematik – durch die Förderung von Forschungsprojekten und Stiftungsgastprofessuren zu unterstützen. Seit 2008 fördert der WWTF aus Mitteln der Geschäftsgruppen Kultur und Wissenschaft und jener für Finanzen auch Calls im Bereich der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften. Von Herbst 2006 bis Herbst 2007 fand mit vier Panels zur Situation der Stärken und Schwächen wissenschaftlicher Forschung insbesondere angewandter Forschung, Technologie und Innovation ein von der Stadt kuratierter FTI-Prozess statt, aus dem die Formulierung einer FTI-Strategie erwuchs. Wien hatte somit einige Jahre vor der Bundesverwaltung, in deren Kompetenz Wissenschaft, Forschung und Universitäten liegen, eine eigenständige FTI-Strategie. Die Nachfolge-Strategie »Wien denkt Zukunft – Innovatives Wien 2020« wird seit Herbst 2014 bis Ende 2015 erarbeitet. Sie wird in einem großen Austauschprozess zwischen Expertinnen und Experten sowie Bürgerinnen und Bürgern entstehen. Auch für die Universitäten begann im 21. Jahrhundert aus rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen eine neue Ära. Die Institutionen formierten sich mit starken mit Kompetenzen ausgestatteten Rektoraten, mit verpflichtenden Evaluierungen und Zielvereinbarungen, mit einer sichtba-

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Hubert Christian Ehalt und Oliver Rathkolb

ren Arbeit an der Corporate Identity, mit der Zielsetzung, kompromisslos Stärken zu stärken, mit professioneller Medienarbeit, in ihren Strukturen und Mentalitäten neu. Der Bologna-Prozess hat die Universitäten und das universitäre Leben geprägt. Das Wort Bologna meint im Europa-Diskurs nicht mehr vorrangig die Renaissancestadt mit ihren Arkadengängen, sondern die Gestaltung einer neuen Bildungsstruktur – ein universitäres Bildungssystem, das davon ausgeht, – dass Studieninhalte und Curricula Potentiale der Vereinheitlichung beinhalten, – dass das zusammenwachsende Europa mobile Menschen braucht, die als EuropäerInnen genauso gut und gern in Helsinki, in Dublin, in Sevilla, in Paris, in Palermo, in Saloniki, in Warschau oder in Wien arbeiten können und wollen, – dass Studienschritte ohne bürokratischen Aufwand angerechnet werden können, – dass Mobilität und Offenheit gleichermaßen im Denken und in der Fähigkeit, an unterschiedlichen Orten des Kontinents glücklich und erfolgreich sein zu können, gefördert werden. In vieler Hinsicht war der Bologna-Prozess erfolgreich. Es wird jedoch auch erkannt, dass es darauf ankommt, Teilentwicklungen in stärkerem Maß demokratisch zu legitimieren, die Studienarchitektur nicht nur auf ökonomische Inhalte und Module zu fokussieren und einen umfassenden Bildungsbegriff nicht aufzugeben, der Interdisziplinarität, Ethikdiskurse und soziale und kreative Innovation, die nicht nur an profitträchtiger Anwendung orientiert ist, ermöglicht. Ein Perspektivenwechsel in dieser Zeit beginnt mit dem heftig diskutierten Grünbuch zur Österreichischen Forschungspolitik 19991, das noch für große Aufregung seitens der technisch-naturwissenschaftlichen Fächer, die sich benachteiligt fühlten, sorgte. In weiterer Folge sollte aber der technisch-naturwissenschaftliche Sektor eine deutlich wichtigere Position in den Forschungsstrategien einnehmen.2 Auch die darin postulierte Nachwuchs- und Frauenförderung in Wissenschaft und Forschung traf nicht auf ungeteilte Zustimmung. In der nachfolgenden ÖVP-FPÖ Koalition wurde das Grünbuch entsorgt. Mit dem Rat für Forschung- und Technologieentwicklung sowie dem UOG 2002 entstanden neue Strukturen, die in der Novelle zum Forschungsförderungsgesetz 2004 gipfelten. Während der FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) unabhängig blieb, wurden die Technologie-Impulse-Gesellschaft 1 http://www.iue.tuwien.ac.at/ulv/bmwv/Gruenbuch_000127_files/gruenbuch.pdf. 2 http://www.iue.tuwien.ac.at/ulv/forschung_991013.html.

Wien Tourismus

Die Kreativagentur der Stadt Wien

departure

ZIT

Das Wiener System der Wissenschafts- und Forschungsförderung im Jahr 2015 Wissenschaftsbericht der Stadt Wien (seit 2003)

Wiener Vorlesungen, Science, Wissenschaftskompass, Wiener Forschungsfeste, Forschen & Entdecken, etc.

Fachhochschul-Förderung

Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die Universität für Bodenkultur (seit 2011)

Viktor Frankl-Fonds der Stadt Wien zur Förderung einer sinnorientierten humanistischen Psychotherapie (seit 1999)

Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die Wirtschaftsuniversität Wien (seit 1998)

Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die Österreichische Akademie der Wissenschaften (seit 1997)

Medizinisch-wissenschaftlicher Fonds des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien (seit 1978)

Die Technologieagentur der Stadt Wien

Schnittstellen tts

Fonds und Stiftungen Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien (seit 1965)

Fonds der Stadt Wien für innovative interdisziplinäre Krebsforschung (seit 2000)

Wissenschaft, Stadtverwaltung, Öffentlichkeit

Wissenschafts-, Forschungs- und Universitätsstadt Wien

betreut von MA 23

FÜR EINE SMART CITY

seit 2006 FTI Strategie seit 2014 INNOVATIVES WIEN 2020

WWTF Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds

Wissenschaft – Wirtschaft – Kultur

Wien Museum, Wienbibliothek im Rathaus, Wiener Stadt- und Landesarchiv, Jüdisches Museum, Mozarthaus

Das Gedächtnis der Stadt. Kritik, Auseinandersetzung, Ordnungssysteme

Förderung wichtiger Forschungsinstitutionen und Projekte in Wien

Wissenschaftsförderung durch die Kulturabteilung der Stadt Wien

Wissenschaftsbasierte Arbeit in der Wiener Stadtverwaltung – Fachabteilungen und Unternehmen

Das Wiener System der Wissenschafts- und Forschungsförderung

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Hubert Christian Ehalt und Oliver Rathkolb

(TIG), der Forschungsförderungsfonds für Gewerbliche Wirtschaft (FFF), das Büro für Internationale Technologiekooperation (BIT) und die Austrian Space Agency (ASA) in der neu errichteten Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) zusammengefasst, um bessere Koordinierung der wirtschaftlich-technisch orientierten Förderungsprogramme des Bundes zu gewährleisten3. Gleichzeitig ist es gelungen, die Forschungsquote bis 2002 auf 2 % und bis 2005 auf 2,5 % zu steigern. Auch im Einflussbereich der Stadt Wien wurden neue Initiativen gesetzt wie die Gründung des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF), der 2001 als private, gemeinnützige Fördereinrichtung für Forschungsvorhaben im Raum Wien entstand. Die Finanzierung erfolgt zu 2/3 über eine Privatstiftung zur Verwaltung von Anteilsrechten einer Bankenstiftung (aus den ehemaligen Anteilen der Stadt Wien an der in der Bank Austria aufgegangenen Zentralsparkasse der Stadt Wien) und zu 1/3 aus Mitteln der Stadt Wien. Seit 2002 wurden rund 100 Millionen Euro an Fördermitteln auf der Basis evaluierter und kompetitiver Bewerbungsverfahren vergeben4. 2006 folgte jedoch eine politische Entscheidung durch die ÖVP-FPÖ-Koalition, die das von der Stadt Wien auch aktiv mitgetragene Projekt einer »Exzellenzuniversität« nicht im Raum Wien (St. Marx oder Aspern waren als etwaige Standorte in Diskussion) ansiedelte, sondern nach Niederösterreich vergab, und zwar an den Standort der ehemaligen Landesnervenklinik in Maria Gugging bei Klosterneuburg. Damals traten drei prominenente Protagonisten dieses Projekts aus dem Gründungsteam aus, der Physiker Anton Zeilinger (und heutige Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sowie der Chemiker und spätere Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Peter Schuster und der Physiker und frühere Präsident des FWFs Arnold Schmidt.5 Zeilinger war es auch gewesen, der 2002 beim Forum Alpbach erstmals diese Idee einer Exzellenzuniversität formuliert hatte. Insgesamt wurde für das »Institute of Technology – Austria« (Ista) für die ersten zehn Jahre ein Budget von 571,5 Millionen Euro in Aussicht gestellt, davon 455 Millionen Euro an Betriebskosten, die aus Bundes-, Landes- und Drittmitteln finanziert werden sollten. Schmidt und Zeilinger sind heute wieder im IST Austria aktiv. Die Stadt Wien intensivierte aber weiter ihre Wissenschaftsförderungen, sodass heute mit Stand Jänner 2015 beispielsweise der Campus Vienna Biocenter – mit Instituten der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien – insgesamt über 18 Millionen Euro für die Umsetzung der »Vision 2020« erhalten 3 Vgl dazu Pichler/Stampfer/Hofer, Forschung, Geld, Politik, 329 – 336. 4 https://forschung.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/forschung_nachwuchs/Pr%C3 %A4 sentationen_ppt_pdf/; WWTF_Drittmitteltag_Uni_Wien_Nov_2014.pdf. 5 http://www.wienerzeitung.at/meinungen/analysen/109264_Der-muehselige-Weg-zur-Exzellenz.html.

Zäsuren, Gründungen, neue Entwicklungen

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wird: »Der Campus Vienna Biocenter ist mittlerweile Österreichs größter Standort für Biowissenschaften mit über 1.400 WissenschafterInnen aus über 40 Ländern. 2010 wurde ein neuer Standort des Austrian Institute of Technology (AIT) in der Muthgasse eröffnet, an dem vor allem im Bereich Bio-Nanotechnologie geforscht wird«.6 Eine Reihe von anderen finanziellen Kooperationen und Förderungen sind in der Zeittafel am Ende des Bandes angeführt. Die folgenden Interviews bieten Hintergrundinformationen über einige dieser Aktivitäten, die das Engagement und die Zielsetzungen der Stadtpolitik in Richtung aktiver Wissenschaftsförderung als »Wien – Stadt des Wissens« aus der Sicht einzelner Universitäten konkretisieren.

6 OTS0067 5 II 0588 DSW00, Do, 08. Jän 2015.

Interviews mit Arnold Schmidt, Georg Winckler, Herbert Matis und Ewald Nowotny

Interview mit em. o. Univ.-Prof. Dr. Arnold Schmidt Schmidt: Zur Frage Wissenschaftsstandort Wien. Da ist eine ganze Menge passiert: Da ist einmal die Rolle des Bundes. Was immer man da kritisieren kann, fest steht, dass die Ausgaben für die Wissenschaft kontinuierlich gestiegen sind, sodass die heutige Situation unvergleichlich besser ist als, sagen wir mal, vor zwanzig Jahren. Aber es gab nie eine »planerische« Politik, was allerdings auch den Vorteil hatte, dass man dementsprechend auch keine »planerischen« Fehler gemacht hat. Ein großes Manko aber war zweifellos, dass sich niemand Gedanken über die Lokalisierung der neuen Institute machte. Die Tatsache, dass heute jeder Wiener Gemeindebezirk ein Stückchen Universität hat, und dieser Prozess hält noch an, ist nachteilig. Trotzdem nehme ich derzeit regen Anteil am Aufbau des IST Austria in Klosterneuburg, wobei ich die relativ große Entfernung zu Wien nach wie vor nicht für optimal halte. F: Hat Wien zu wenig getan, um das IST Austria zu bekommen? Schmidt: Die Sache liegt etwas komplizierter, und es ließe sich eine lange Liste von Schuldzuweisungen erstellen. Ich war an der Planung dieses Zentrums von Anfang an in verschiedenen Funktionen beteiligt. Ich kenne sowohl Anton Zeilinger als auch Haim Harari, der jetzt eine zentrale Rolle spielt, seit vielen Jahren. In der ersten Phase gelang es Anton Zeilinger bravourös, Politiker aller Couleurs für die Idee einer Eliteuniversität zu gewinnen. Was dann aber passierte, war, dass das Projekt von der Politik gänzlich vereinnahmt wurde. Und ob Häupl dem ernstlich gegensteuern hätte können, müsste man politische Insider fragen. Tatsache ist, dass Wolfgang Schüssel und Elisabeth Gehrer das Kuratorium so besetzen wollten, dass es eine eindeutige parteipolitische Schlagseite aufgewiesen hätte. Es kam zu langanhaltenden öffentlichen Protesten. Eine Zeitlang schien ein schöner Traum ausgeträumt, bis Bundeskanzler Schüssel wieder eingriff und auf einer Fortführung bestand. Es gelang schließ-

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lich, drei international anerkannte Persönlichkeiten – Haim Harari, Präsident des Weizmann Instituts, Olaf Kübler, Präsident der ETH Zürich und Hubert Markl, vormals DFG-Präsident und Präsident der Max-Planck-Gesellschaft – für das Projekt Exzellenzuniversität zu gewinnen. Sie legten einen höchst eindrucksvollen Bericht vor der meiner Meinung nach zu den besten forschungspolitischen Dokumenten der Zweiten Republik zählt. Die im Bericht dargelegten Vorschläge wurden quasi zur Blaupause für den Aufbau des Instituts. Der äußerst problematische Gesetzesentwurf wurde, nicht ohne den zu erwartenden Widerstand, auf Basis dieses Berichts geändert. So konnte mit dem Aufbau des Instituts begonnen werden, der sich in jeder Beziehung sehen lassen kann. Man hat, glaube ich, ein nur kurzfristig offenes Zeitfenster gut genützt. Eine politische Vorgabe war von vornherein nicht verhandelbar, nämlich der Standort Gugging. Damit habe auch ich mich letztlich abgefunden, weil ich der Meinung war, dass so eine Chance nicht so bald wiederkommen würde. Mein Wunsch an die Stadt wäre es die historisch entstandene Verstreuung von Universitätseinrichtungen über weite Teile der Stadt nolens volens zu akzeptieren, aber mit großer Konsequenz universitäre Neu- und Zubauten an ausgewählten Standorten zu konzentrieren, die auch über ausreichend Platz für weiteren Zuzug verfügen. Ich denke, dass das Stadterweiterungsgebiet in Aspern in vielfacher Hinsicht dafür sehr geeignet wäre. Leider hat in Erdberg eine ähnliche Chance für eine große Expansion durch die Ansiedlung nicht wissenschaftlich orientierter Einrichtungen ein rasches Ende gefunden. Aber immerhin gab es dort Tür an Tür eine größere Anzahl von erfolgreichen molekularbiologischen Instituten verschiedener Universitäten und der ÖAW, die fruchtbar zusammen arbeiten. F: Meinen Sie, dass hier eine engere Kooperation von Bund und Stadt Wien erforderlich wäre? Schmidt: Sicher, das wäre enorm wichtig. F: Sie plädieren im Rahmen einer solchen Lösung für eine Durchmischung? Schmidt: Lebendige Interaktion mit Wissenschaftlern des gleichen Fachgebiet und zunehmende mit fachfremden sind von allergrößter Bedeutung. Wissenschaftler, die zusammenarbeiten wollen, tun dies heute schon in der selbstversändlichsten Weise über Kontinente hinweg, besonders seit es E-Mail usw. gibt. Was sich aber durch moderne Kommunikationsmittel nicht ersetzen lässt, ist, dass Leute, ohne dass sie einen Termin vereinbaren müssen, spontan zusammentreffen, sei es in der Cafeteria oder sonst wo, und sich dabei den letzten »Tratsch« erzählen. »Informal Communication«, war und ist aber in der Wis-

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senschaft äußerst wichtig. Allerdings funktioniert sie nur, wenn die Begegnungen fußläufig erfolgen können. F: Wie sehen Sie die Bedeutung des internationalen Ansehens der Universitäten? Schmidt: Vor Jahren begann in Deutschland eine Debatte über die Zahl und die Qualität seiner zahlreichen Universitäten, in der Forderungen nach einer Verringerung der Anzahl und eine Steigerung der Qualität laut wurden. Naheliegender Weise wurden die USA zum Vergleich herangezogen. Beschränkt man sich auf Universitäten im engeren Wortsinn, also auf Institutionen, die PhDs verleihen, dann gibt es etwa 500, was auch noch immer eine stattliche Zahl ist. Wenn in der europäischen Debatte die amerikanischen Universitäten als Vorbild hingestellt werden, dann meint man aber in Wahrheit lediglich eine Handvoll. Wenn man großzügig ist, würden etwa 50 von diesen 500 als Vorzeigeuniversitäten gelten können. Legt man strengere Kriterien an, kommt man vielleicht auf ein bis zwei Dutzend mit den üblichen Verdächtigen, wie Yale, Harvard, Berkeley, Stanford usw. Auffällig ist die starke räumliche Konzentration dieser Vorzeigeuniversitäten auf gewisse Regionen und auf wenige urbane Zentren. Städte wie Boston und die Bay Area verfügen im Umkreis von wenigen Kilometern über eine größere Anzahl ausgezeichneter Universitäten, zu denen noch solche kommen, die hier weniger bekannt sind, wie etwa die Brandeis im Raum Boston oder die San Francisco University in der Bay Area. Und diese wenigen Zentren in einem im Übrigen sehr großen Land sind die Punkte, in denen sich die Zukunft abspielt. Im Raum Boston etwa gibt es viele neue Industrien, und zwar nicht etwa deshalb, weil das jemand geplant hätte. Und dasselbe gilt für die Bay Area. Nur ein kleiner Teil der Universitätsabgänger, auch solche von Format, bleibt in der Wissenschaft, der Rest macht etwas anderes. Auch hier in Europa bzw. in der Europäischen Union, die ja bevölkerungsmäßig durch die Erweiterung mittlerweile die USA überflügelt hat, wären solche Zentren notwendig. In Großbritannien wäre das beispielsweise Cambridge, das sich über einen längeren Zeitraum hinweg als unbestrittenes Zentrum für die Naturwissenschaften herausgebildet hat. In Deutschland werden sich solche Zentren im Zuge der gegenwärtig laufenden Exzellenz-Initiative herausbilden. Wo diese sein werden, steht allerdings noch nicht genau fest. Wenn man das auf Österreich umlegt, dann steht uns entsprechend dem Verhältnis der Einwohnerzahlen ein solches Zentrum zu. Das kann, ohne gegenüber anderen Universitätsstädten herablassend wirken zu wollen, letztlich doch nur im Raum Wien sein. Deswegen wird man natürlich keine der anderen Universitäten auflösen, aber nur Wien hat eine Chance, in diese Liga aufzusteigen. Das ist ein sehr ehrgeziges Ziel, aber meines Erachtens durchaus erreichbar.

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F: Und ist das jetzt vor dem Hintergrund der Europäischen Union noch als österreichisch oder eher als transnational zu denken? Schmidt: Europäisch zu denken, bedeutet sich bewusst zu sein, dass wir eine Region in Europa sind. Aber wenn wir nicht ausstrahlen nach Bratislava und Brünn, dann haben wir weniger geleistet als wir sollten. Prag und Budapest sind in Bezug auf die Standortfrage selbstverständlich als ernste Konkurrenten zu sehen. F: An eine Kooperation lässt sich da nicht denken? Schmidt: An Kooperation sollte man schon denken. Aber das hat nicht Toppriorität. Man muss sich darauf konzentrieren, dass dieses Ding optimal wächst, dann hat es auch eine entsprechende Ausstrahlungskraft. Kooperationen ergeben sich ohnedies immer, man sollte sich aber nicht von vornherein darin verlieren. F: Sehen Sie diesbezüglich Chancen, dafür auch Gelder der EU für die Realisierung zu erhalten? Schmidt: Also man muss so etwas politisch natürlich wollen und alles dafür tun, dass dieser Platz gut wächst. Und der Phantasie, Gelder dafür aufzutreiben, sind dabei natürlich keine Grenzen gesetzt. Aber Kooperationen sich etwa virtuell vorzustellen, halte ich aus verschiedenen Gründen für keine gute Idee. F: Wie sehen Sie die Zukunft der zahlreichen wissenschaftlichen Institute, die es in Wien und anderen Orten außerhalb des Verbands der Universitäten gibt? Sollte man die vernetzen oder wie sieht es von der Forschungspolitik her aus? Schmidt: Also die einzige Vernetzung, an die ich glaube, ist die auf dem Niveau der aktiven Wissenschaftler. Ich bin aber ein Gegner jeglicher Vernetzung etwa auf der Ebene von Universitäten, also gegen die Vernetzung auf der Ebene der Administration, aber für jede Vernetzung auf personeller Ebene, wo jeder von beiden weiß, dass der jeweils andere ein für ihn nützliches Wissen hat. Ich würde nie versuchen, da über den Kopf dieser vielen kleinen Gruppen und Institute hinweg etwas zu machen und sie, nur weil sie klein sind, in irgendeiner Form beschneiden zu wollen. Man sollte nur nachsehen, was sie eigentlich machen, und dann entscheiden, welchen gibt man Geld und welchen nicht. Aber alle organisatorischen Anstrengungen auf diesem Gebiet sind mir absolut suspekt. Ich glaube sehr stark an die Selbstorganisation der Wissenschaftler – mein anarchistisches Herz, wenn Sie so wollen.

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Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Georg Winckler F: Welche Rolle spielte die Entwicklung des Finanzplatzes Wien nach 1989 für die Universitäten? Winckler : Der Finanzplatz Wien – das war ein großes Thema. Und das ist auch durch zehn bis fünfzehn Studien dokumentiert, die in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht wurden. F: Ich darf auf den Wirtschaftspolitischen Beirat zurückkommen. Hatte das eine Tradition, dass Universitätslehrer dort mitwirken, oder entstand das erst in den 1980er Jahren? Winckler : Das war bereits Ende der 1970er Jahre, aber über die Wurzeln dieses Beirats ist mir leider nichts bekannt. Die Einladung zur Teilnahme kam für mich damals völlig unerwartet, und ich habe zugesagt, weil mich das Thema Finanzplatz interessierte. Es kann allerdings sein, dass das über die Nationalbank lief, wo ja sowohl Thomas Lachs wie auch Heinz Kienzl an dem Thema interessiert waren. F: D.h. der Jubiläumsfonds der Nationalbank spielte hier eine Rolle. Kienzl war ja an der Wissenschaft sehr interessiert, und unter ihm hat auch die Förderung der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung eine große Rolle gespielt. Winckler : Ich kann mich erinnern, dass mir Kienzl damals sehr deutlich vermittelte, dass er den Ausbau des Finanzplatzes Wien für eine tolle Idee hält, nur dürfe dadurch die Hartwährungspolitik nicht gefährdet werden. Denn es hätte ja als Folge des Ausbaus des Finanzplatzes zu spekulativen Kapitalbewegungen kommen und dadurch die Hartwährungspolitik beeinträchtigt werden können. Das wollte er jedenfalls nicht. Insofern weiß ich nicht, ob Kienzl und Vizebürgermeister Mayr in dieser Frage sich auf einer einheitlichen Linie befanden. Denn Mayr war die Hartwährungspolitik nicht so wichtig im Verhältnis zur Wertschöpfung, die mit dem Ausbau eines Finanzplatzes damit möglicherweise verknüpft gewesen wäre. F: Ich wollte Sie jetzt nach Ihrer Einschätzung als Wirtschaftswissenschaftler fragen: Was waren die Gründe für dieses Näherkommen von Universität und Stadt? Die Distanz im Falle Wien war vielleicht etwas größer als international, aber vermutlich gab es diese Distanz auch anderswo. Wo liegen die gesellschaftsgeschichtlichen Gründe für dieses Zusammenrücken, und zwar spezifisch in Wien?

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Winckler : Ich möchte vielleicht drei Gründe nennen. Der erste ist sicher, dass auch in Wien seit den 1960er Jahren ein deutlicher Trend von der Industrie- zur Wissensgesellschaft stattgefunden hat. Wenn man in den 1960er und 1970er Jahren in der Früh durch Wien ging, erlebte man die Stadt noch sehr als traditionelle Industriestadt, z. B. anhand der Fahrgäste in den Straßenbahnen usw. Wissensintensive Produktionen wurden aber schrittweise immer wichtiger – das war ein allgemeiner Trend, den man auch an anderen Plätzen der Welt sehen konnte und der die Städte näher mit den Universitäten zusammen rücken ließ. Einen zweiten Punkt würde ich schon darin sehen, dass die Universitäten selbst auch zunehmend begriffen hatten, dass sie nicht nur Einrichtungen des Bundes sind. Es ist meine Hoffnung, dass die Finanzierungsquellen der Universität etwas stärker auch in Richtung Land Wien gehen. Es gibt jetzt z. B. bereits den Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds, und ich freue mich auch, dass ich dort seit sieben/acht Jahren im Vorstand vertreten bin. Und dort sieht man, dass es ein beiderseitiges Bemühen gibt. Es haben sich neue Formen der Kooperationen entwickelt, wozu auch die unter Alfred Ebenbauer entstandene Initiative, die Universität geht in die Volkshochschulen, zu zählen ist, eine Schiene, über die Weiterbildung betrieben wird. Die Universität macht diese Form der Weiterbildung ja durchaus aus Eigeninteresse, weil sie so schon im Vorfeld zur Anreicherung der Stadt mit Wissen beiträgt – das heißt, auch die Universität ist sich des regionalen Umfelds bewusster geworden. Der dritte Punkt, auf den hinzuweisen wäre, ist der, dass die Universitäten insgesamt gewachsen sind, in Bezug auf die Zahl der Beschäftigten, das Budget, über das sie verfügen, und die Zahl der Studierenden. Dadurch wurde einfach ihr »Gewicht« größer. In den 1960er Jahren waren es vielleicht 20.000 Studierende, heute sind es 80.000. Selbst wenn man die Größe der Stadt Wien in Betracht zieht, hat die Bedeutung der Universität Wien zugenommen. Es ist, zusammenfassend gesagt, der Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft, es ist das stärkere Herausfinden von Kooperationen und dann einfach das Wachstum der Universität. F: Daran anknüpfend eine Frage: Sie haben ja auch als Präsident der Europäischen Rektorenvereinigung einen sehr guten Einblick in zahlreiche andere Universitätsstädte. Wenn man jetzt Wien im internationalen Vergleich sieht – wo liegen dann Ihrer Ansicht nach die Stärken dieser Beziehung oder gibt es andere best practices, wo sich das hinentwickeln könnte? Winckler : Ich glaube, dass in den wirklich großen Metropolen wie London, Berlin oder anderen Städten diese Beziehung nicht so eng ist. Was ich aber festgestellt habe, ist, dass in Städten mit einer Größe von 500.000 – 1.000.000

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Einwohnern eine sehr enge Partnerschaft entstanden ist. Und hier könnte ich auch Beispiele nennen: in Schweden etwa Göteborg, in England Birmingham, Manchester usw., in denen sich eine sehr enge Partnerschaft entwickelt hat, da die Universitäten dort als Motor der regionalen Innovation angesehen werden und die Universität gleichzeitig auch bereit ist, sich dem regionalen gesellschaftlichen Profil anzupassen. In Wien ist das nicht so ausgeprägt. Die Universität passt sich dem Produktionsprofil, dem Kulturbetrieb nicht so sehr an. Im Gegenzug ist auch von Seiten der Stadt und deren Einrichtungen her nicht zu sehen, dass die Universitäten mit ihren Mitarbeitern als eine Quelle der regionalen Innovation erkannt werden. Es gibt in Europa da und dort sehr enge Partnerschaften, und es wäre schon meine Hoffnung, dass sich das in Wien noch ein wenig entwickelt. F: Ich möchte daraus eine Frage entwickeln. Aus meiner Sicht ist dieses wechselseitige Interesse ja ungeheuer gewachsen. Das Interesse der Stadt an den Universitäten ist ganz, ganz deutlich und umgekehrt auch. Was steht denn da in Wien im Wege, was ist da noch ein Hindernis? Gibt es da etwa noch historischwirksame Barrieren, die einer weiteren Verbesserung – der eingeschlagene Weg ist aus meiner Sicht ja wunderbar – entgegenstehen? Winckler : Ich will es einmal so sagen: So wie ich die Universität in den 1960er und 1970er Jahren wahrgenommen habe, gab es damals auf der einen Seite das »Rote Wien« und auf der anderen Seite die bürgerlich-katholische Universität, und wenn ich jetzt an manche Altrektoren denke, dann weiß ich, dass z. B. die Mitgliedschaft im CV ein wichtiges Kriterium der Rektorwahl war. Dieses Kapitel ist zu Ende. Diese Ära ist aus meiner Sicht, mit Rektor Ebenbauer zu Ende gegangen. Das könnte man auch von der Bürgermeisterseite her sehen. Dort sind nicht mehr Repräsentanten des alten »Roten Wien«. Da gibt es keine Barriere mehr, diese ist inzwischen eingeebnet. Was ich stärker als Barriere erlebe, ist, dass sich die Universität Wien heute als eine europäische Universität begreifen muss, die stark in den europäischen Forschungs- und Bildungsprogrammen, ERASMUS z. B., und EU-Rahmenprogrammen aufgestellt ist. Deswegen auch mein besonderes Engagement auf europäischer Ebene, um zu signalisieren: Die Universität Wien ist auch eine europäische Universität und nicht eine auf sich selbst bezogene vor allem österreichische Universität, als die ich sie vor einigen Jahrzehnten kennenlernte. Die Universität muss auch stärker eine in der Region verankerte Universität werden. Was steht hier noch im Weg? Vor allem: die Bundespolitik begreift die Universität manchmal zu sehr als ein Instrument ihrer Politik. Wenn ich leitenden Beamten in einem Ministerium mitteile, dass es zum Ziel der Universität Wien gehört, in europäischen Programmen stark zu sein, und zugleich stärker in der

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regionalen Vernetzung engagiert zu sein, dann höre ich, dass all das ein Privatvergnügen der Universität sei. Dort sieht man nur das, was die Universität zu den bundespolitischen Zielen beiträgt. Ich kenne Universitäten z. B. in der Schweiz die Universität Zürich oder die Universität Basel, da sieht man, dass durch die Kantonsfinanzierung, gleichzeitig durch die Bundesfinanzierung und eine Finanzierung über europäische Programme, an denen die schweizerischen Universitäten teilnehmen, eine ganz andere Aufstellung der Universität möglich ist. Ohne die Rolle der Bundespolitik zu gering zu bewerten, meine ich, dass es manchmal besser wäre, wenn mehr die europäische und mehr die regionale Politik eine Rolle in der Universitätspolitik spielen würden. F: Abschließend eine Frage zu den Ritualen der Universität der 1960er Jahre, zum inneruniversitären Beziehungsgefüge und dem Entwicklungsprozess: Wie hat sich Folgendes gestaltet: Beziehungen zwischen Studentinnen und Studenten und Professor/Innen – das rituelle Gebäude. Was sind Ihre Einschätzungen der großen Entwicklungslinien des rituellen, alltagsbezogenen Zusammenhangs? Winckler : Dazu vielleicht nur zwei kurze Anmerkungen. Der eine Punkt ist: Die Universität muss aus meiner Sicht auch symbolisch begriffen werden. Zur Unterstreichung der Symbolik der Universität sind akademische Riten notwendig. Aus meiner Sicht, und hier sehe ich mich durchaus auch in Nachfolge von Ebenbauer, ist es zu bestimmten Gelegenheiten wichtig, dass der Rektor bzw. die Rektorin den Talar anzieht. Diese Nüchternheit, die eingemahnt wurde durch die 68er-Generation, die an deutschen Universitäten zu erleben ist – der Dekan kommt im Pullover, um eine Ehrendoktoratsverleihung vorzunehmen –, ist aus meiner Sicht nicht gut. Die Universität hat eine alte Geschichte, sie hat eine lange Tradition, und das sollte man auch zeigen. Der zweite Punkt: Mir ist es erst im Laufe der Jahre bewusst geworden, wie wichtig beispielsweise das Hauptgebäude als Symbol der Universität ist. Ich glaube, es war ein Fehler mancher Vorgänger, dass sie nicht das Hauptgebäude stärker in den Vordergrund stellten. Ein wesentliches Anliegen meinerseits war, dass das Hauptgebäude modernisiert wird hinsichtlich der Gestaltung, der Aula, des Innenhofs, den Stiegenaufgängen usw. Man soll wahrnehmen, dass das Hauptgebäude im 21. Jahrhundert angelangt ist. Die Aula war ja so gestaltet, in puncto Siegfrieds-Kopf, Beleuchtung, Portiersloge etc., als sei sie aus der Zwischenkriegszeit noch nicht hinausgekommen. D. h., mit Hilfe der Modernisierung des traditionsreichen Hauptgebäudes soll eine bessere Identifikationsmöglichkeit geschaffen werden.

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Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Herbert Matis F: Welche Rolle fiele der Stadt Wien bei dieser doch sehr wesentlichen Neupositionierung der Universitäten zu, und haben Österreichs Universitäten die Chancen im Zusammenhang mit EU-Beitritt und Ostöffnung genutzt? Matis: Banken und Wirtschaft haben die Chancen der wirtschaftlichen Neuorientierung sicher genutzt, bei den Universitäten würde ich die Frage mit »Jein« beantworten. Bei den Studienprogrammen hat man, im Besonderen die Wirtschaftsuniversität, darauf Rücksicht genommen, etwa bei dem Fides-Programm, und wir haben heute einen sehr hohen Anteil an Studierenden aus den östlichen Nachbarstaaten, etwa aus Bratislava, die jeden Tag einpendeln. Umgekehrt sind die Kontakte weniger intensiv ; es ist ein bisschen eine Einbahnstraße, und die Kontakte etwa auf wissenschaftlicher Ebene, die etwa im Bereich der Wirtschaftswissenschaften oder auch in unserem Fach, also Wirtschafts- und Sozialgeschichte, zu Beginn geknüpft wurden und die sehr intensiv waren, z. B. zu den Tschechen, Slowaken und Ungarn, haben sich leider wieder sehr abgeschwächt. Warum das so ist? Wenn unsere früheren Partner eine Westorientierung anstreben, sind sie dann gleich weiter gegangen? Wien war nur eine Zwischenstation – inzwischen wurden Kontakte beispielsweise zu englischen Universitäten aufgebaut. Wir haben es nicht verstanden, uns dauerhaft als Partner zu positionieren; wie gesagt, diese Beziehungen haben sich leider sehr reduziert/sind zurückgegangen/eingeschlafen. F: Bedauern Sie das? Matis: Ich bedaure das schon, vor allen Dingen auch deswegen, weil es zum einen auf Seiten der Studierenden ebenso nur in einer Richtung verläuft, es also auch hier eine Einbahnstraße gibt, und zum anderen, weil man bedenken muss, dass diese Staaten auch in Zukunft wichtige Märkte für Österreich sein werden. Und auch für die wissenschaftlichen Kontakte wäre eine Zusammenarbeit/der Austausch sehr, sehr wichtig. Es bestehen zwar durchaus weiterhin Kooperationen, aber die Chancen sind, glaube ich, nicht optimal genutzt worden. Ich sehe auch die Einsparungen bei den österreichischen Kulturinstituten in diesen Ländern mit großem Bedauern und frage mich, ob wohl die diplomatischen Vertretungen in diesen Ländern in einem vereinten Europa noch die früheren Funktionen haben; natürlich sind sie auch weiter für bestimmte Aufgaben notwendig. Wäre es aber nicht besser, stärker in die Kultureinrichtungen zu investieren? Es ist zwar einiges geschehen, ich möchte hier beispielhaft nur die Anstrengungen von Erhard Busek oder Emil Brix erwähnen, aber es hätte ruhig mehr sein können.

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F: Und was könnte seitens der Stadt Wien in diesem Zusammenhang für die Zukunft geschehen? Matis: Ich würde sagen, die Stadt ist auf dem richtigen Weg. Mir gefällt, dass etwa im Rahmen der Wiener Vorlesungen immer wieder auch internationale Leute eingeladen werden. Allerdings wird die so oft diskutierte Öffnung der Universität hin zu einem breiteren Publikum, eine an sich lobenswerte Initiative, doch zu wenig von einer breiten Bevölkerung mitgetragen. Auch sonst sind viele Initiativen an die Person von Hubert Christian Ehalt geknüpft, und ich will gar nicht an die Nachfolge Ehalts denken. Vieles wird dann davon abhängen, wer der nächste Bürgermeister sein wird und welches Engagement er/sie und der Kulturstadtrat in dieser Hinsicht in das Amt mitbringen werden.

Interview mit o. Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny F: Was ist das Besondere an einer Großstadtuniversität? Nowotny : Das Problem, das ich sehe, ist, dass die Universität Wien schon aufgrund ihrer Größe natürlich nicht so prägend sein kann, weil sie in einer Vielzahl von Einzelbereichen aktiv ist. Eine Großstadtuniversität hat es immer schwerer, als Universität selber prägend zu sein, im Unterschied zu einer Universität in einer kleineren Stadt, die gleichzeitig auch prägend für das Stadtleben ist. Des Weiteren ist es so, dass eine Großstadtuniversität immer auch mit dem Begriff Massenuniversität konfrontiert ist, weil es einige Studienrichtungen gibt, die besonders überlaufen sind. Die besonderen administrativen Probleme, die sich in diesem Zusammenhang für die Universität ergeben, habe ich im Laufe meiner Tätigkeit an der Wirtschaftsuniversität, insbesondere in meiner Funktion als Vizerektor, selbst erfahren müssen. In meiner politischen Tätigkeit als Nationalrat richtete sich mein Interesse vor allem auf die wirtschaftspolitischen Aspekte der Universitäten, nämlich als Innovationselement. Es gibt einen Bereich, auf den ich in diesem Zusammenhang stolz bin, in dem es mir gelungen ist, ein Gentechnikgesetz so zu gestalten, dass eine Forschung auf diesem Gebiet in Österreich weiterhin ermöglicht wurde, obwohl sie zunächst gefährdet war. Ich habe bis heute noch Verbindungen mit den entsprechenden Forschungseinrichtungen und den wirtschaftlichen Unternehmungen. Erst letzte Woche war ich z. B. zu Besuch bei Professor Penninger am Institut für Molekulare Biotechnologie – das halte ich für eine wirkliche Erfolgsstory. Hier ist es gelungen, durch eine Verbindung von Stadt, Wissenschaftsmi-

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nisterium und der Universität einen Forschungsschwerpunkt zu etablieren, der sich international sehen lässt. Die besonderen Leistungen liegen dabei auf der Seite der Stadt Wien; hier ist im Besonderen die damalige Finanzstadträtin Brigitte Ederer zu erwähnen, die dieses Biotechnikzentrum im 3. Bezirk sehr massiv gefördert hat. Auf der politischen Seite war Professor Tuppy, der auch aus der Biochemie kommt, eine der treibenden Kräfte. Aber auch auf Seiten der Universität bestand die Bereitschaft, die damit verbundene Chance wirklich zu nutzen. Auch das ist für mich ein wirklich gutes Beispiel für eine Erfolgsgeschichte und sollte auch noch stärker ausgebaut werden. Bei den Geisteswissenschaften gibt es allerdings schon einzelne problematische Disziplinen, Stichwort Publizistik oder auch Psychologie, wo es die enorm hohen Studierendenzahlen aus meiner Sicht unmöglich machen, ein qualitativ hochwertiges Lehrveranstaltungsprogramm anzubieten. Es gibt also im Rahmen der Universität eine absolute Diskrepanz zwischen den interessanten, hochwertigen und auch international absolut kompetitiven Bereichen, das sind die angewandten Naturwissenschaften, und anderen Bereichen, die Opfer eines Massenansturms von Studierenden geworden sind, und in denen es auch wenig Sinn hätte, diese auszubauen, weil dafür kein entsprechender Bedarf auf dem Job-Markt besteht. Ich halte es daher auch für richtig, dass sich die Stadt Wien auf jene Bereiche konzentriert, die letztlich eine ökonomisch sinnvolle Perspektive bieten, und glaube nicht, dass es Aufgabe der Stadt Wien sein kann, generelle Verfehlungen der Hochschulpolitik auszubügeln. Diese Probleme können nur auf bundesgesetzlicher Ebene eine Regelung erfahren. Ich halte Studienbeschränkungen, wie sie etwa für das Publizistikstudium jetzt eingeführt wurden, für absolut richtig, weil ich glaube, dass, wenn ich hier stärkere Ansprüche bei der Aufnahme stelle, in Wirklichkeit die Zahl der Absolventen und Absolventinnen schlussendlich steigt. Das heißt nicht, dass ich weniger für diese Studenten mache, sondern dass ich einer geringeren Zahl ein ordentliches Studium ermöglichen möchte. Es hat sich eigentlich überall gezeigt, dass es wesentlich ist, die Zahl der Absolventen im Verhältnis zu den Studierendenzahlen zu erhöhen. Und diese wird durch solche Maßnahmen wahrscheinlich eher zu steigern sein. Diesen Problemen sieht sich natürlich eine große Universität, wie es die Wiener ist, in besonderem Maße ausgesetzt. Es gilt dies aber ebenso für die Wirtschaftsuniversität. Und ich sehe eigentlich nur die Einführung von De-facto-Zugangsbeschränkungen als einzige Möglichkeit, auf diese Herausforderungen adäquat zu reagieren, um für jene, die die Universität als qualifiziert betrachtet, dann auch entsprechend gute Studienbedingen bieten zu können. Ich möchte auch noch hinzufügen, dass ich das auch als Akt der sozialen Gerechtigkeit sehe. Ich habe als Hochschullehrer immer die Meinung vertreten, dass die Leistung das einzige

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Kriterium sein darf. Denn nur so haben begabte Studentinnen und Studenten aus sozial benachteiligten Milieus eine Chance, sich entsprechend zu bewähren und entsprechende Berufsmöglichkeiten zu erlangen. Wenn ich das Leistungskriterium zurückschraube, dann bleibt als Selektionsmechanismus nur noch die Frage von Beziehungen und sozialen Netzwerken, und da sind Angehörige höherer Schichten immer deutlich im Vorteil. Daher war meine Ansicht, die ich auch praktisch als Universitätslehrer umgesetzt habe, immer die, einen strikten Leistungsaspekt als Chance für Begabte, um sich durchzusetzen, zu verfolgen. F: Bevor ich Sie bitte, vielleicht noch genauer auf die von Ihnen angesprochene Forschungsförderung der Stadt Wien einzugehen, eine Frage: Wie sehen Sie die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Wirtschaftsuniversität und der Stadt Wien. Wie hat sich dieses Verhältnis entwickelt? Nowotny : Die Stadt Wien war mit der Wirtschaftsuniversität seit langem schon organisatorisch dadurch verbunden, da sie durch den Magistratsdirektor im Kuratorium der Universität vertreten war. Ferner gibt es ein eigenes Förderungsprogramm der Stadt Wien für die WU. Beides zeigt eine Bereitschaft der Stadt, am Gedeihen der WU mitzuwirken, und auch in der Diskussion um einen neuen Standort hat die Stadt ihr Interesse an der WU erneut unter Beweis gestellt. Ohne aktive Mitwirkung wäre dieser ja, denkt man etwa nur an die Verkehrsinfrastruktur, gar nicht möglich gewesen. F: Das ist jetzt das Bild der Gegenwart. Aber wie steht bzw. stand es mit den Beziehungen, wenn man etwa einige Jahrzehnte zurückgeht und an die lange Zeit doch deutlich konservativ geprägter Personalpolitik denkt? Nowotny : Ich glaube, dass man in dieser Beziehung schon differenzieren muss. Wenn man etwa die Volkswirtschaftslehre betrachtet, so kam es im Unterschied zu älteren, durch die Entwicklung der Wissenschaft überholten Schulen mit der Berufung von Stephan Koren in den 1970er Jahren doch zu einem markanten Modernisierungsschub. Ich selber wäre ohne die Hilfe Stephan Korens nicht an die WU gekommen, denn er wollte mich an seinem Lehrstuhl haben, und zwar ganz bewusst mit der Idee, dass man frischen Wind hineinbringen müsse. Aber richtig ist, dass die alte Hochschule für Welthandel schon den Ruf hatte, einerseits politisch doch sehr rechts zu stehen und andererseits mit diesem Konzept der Ganzheitslehre ein bisschen sektiererisch zu sein. (Das war z. B. ein Grund, warum ich ursprünglich als Student nicht dorthin gegangen bin.) Und diese Faktoren haben natürlich auch das politische Verhältnis zwischen der Stadt Wien und der Hochschule negativ beeinflusst. Inzwischen hat sich das

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Verhältnis aber total gewandelt – heute ist es geprägt von einer völligen Offenheit und eher als technokratisch zu bezeichnen. Meiner Ansicht nach war es u. a. Stephan Koren, der zu dieser Annäherung wesentlich beigetragen hat; er war zwar an der Universität wenig präsent, sein Einfluss reichte aber durchaus sehr weit. Sein Agieren war nicht mehr geprägt von dieser Politik der Hausberufungen, die lediglich dazu geführt hätten, dass immer wieder Leute mit denselben Ansichten geholt worden wären. Er selbst wurde ja als Externer aus Innsbruck berufen, er unterlag also selbst keiner Hausberufung und war massiv geprägt durch das Institut für Wirtschaftsforschung. Und dieser Ansatz hat damals großen Einfluss auf die Volkswirte gezeigt und sich dann auch bei den Betriebswirten durchgesetzt. Dazu kamen die zunehmend häufigeren Berufungen aus dem Ausland, die sich ebenfalls als dynamisches Element erwiesen; so etwa die Berufung von Hans Robert Hansen, der doch eine ganz andere, neue Welt und Sichtweise hereingebracht hat – Christoph Badelt hat diesen Weg dann konsequent fortgeführt. Als ich an die Universität kam, war von dieser Distanz zwischen WU und Stadt Wien kaum mehr etwas festzustellen. F: Sie erwähnten ein Förderprogramm der Stadt Wien zugunsten der Wirtschaftsuniversität. Könnten Sie dieses etwas genauer vorstellen? Nowotny : Es gibt eine Stiftung der Stadt Wien zugunsten der Wirtschaftsuniversität und aus den Erträgen dieser Stiftung werden Forschungsprojekte finanziert. F: Das wäre also eine zur Hochschuljubiläumsstiftung analoge Einrichtung? Nowotny : Ja, es ist eine exakt analoge Einrichtung zu dieser Stiftung. Ich gehöre dem Kuratorium dieser Stiftung noch immer an. Die Wirtschaftsuniversität hat seinerzeit den, wie ich glaube, richtigen Beschluss gefasst, die Mittel dieser Stiftung ausschließlich zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu verwenden. Es ist leider an Massenuniversitäten so, dass der wissenschaftliche Nachwuchs stark mit der Lehre beschäftigt ist und dass aus diesem Grund ein Auslandsaufenthalt oftmals die einzige Möglichkeit darstellt, sich auch auf die Forschung konzentrieren können. Die Stiftung bietet jungen Wissenschaftlern die Finanzierung von Forschungsprojekten an, die mit Auslandsaufenthalten verbunden sind, um in diesem Rahmen ausschließlich und konzentriert arbeiten zu können.

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F: Ich würde noch einmal gerne zurückkommen auf die Wissenschaftsförderung der Stadt Wien, die Sie speziell im Bereich der Biotechnologie angesprochen haben. Gibt es solche Initiativen aber vielleicht auch in anderen Bereichen? Nowotny : Von meiner gegenwärtigen Wirkungsstätte aus fällt mir hier natürlich in erster Linie die Schaffung des Campus an der Stelle, wo sich früher das AKH befand, ein. Das halte ich für eine unglaubliche Kulturleistung, weil es gelungen ist, einen zentrumsnahen Campus zu errichten, für den ich eigentlich weltweit keinen Vergleich kenne. Da hat die Stadt sicherlich eine großartige Leistung erbracht. Es gibt sicherlich auch noch andere Bereiche, über die ich im Detail nicht informiert bin. Daneben ist natürlich die historisch gewachsene Beziehung zur Medizin zu nennen, die durch das AKH eine besonders enge und auch kostspielige ist, die jetzt allerdings die Medizinische Universität betrifft, aber historisch vielleicht die zentrale Verbindung zur Stadt überhaupt war. Was für die österreichische Wissenschaftsförderung jedoch bemerkenswert ist, ist der Umstand, dass es, relativ gesehen, nicht oder nur im Ansatz gelungen ist, einen Übergang zur angewandten Forschung aufzubauen. Hier zeigt sich insbesondere die Universität Wien, zumindest aus der Außenperspektive betrachtet, als stark theoretisch orientiert im Gegensatz etwa zu Universitäten wie der Bodenkultur, in der auch der angewandte Bereich immer eine führende Rolle eingenommen hat. Meines Erachtens ist aber gerade für Österreich die Übertragung der angewandten Forschung in den wirtschaftlichen Bereich eine zentrale Herausforderung. Das ist aus meiner Sicht bislang unzureichend gelungen, hängt allerdings teilweise auch damit zusammen, dass es nach wie vor auf beiden Seiten Vorbehalte bezüglich der Zusammenarbeit gibt: Zum einen befürchtet die Universität eine Einschränkung der wissenschaftlichen Freiheit, zum anderen vertreten die Unternehmen vielleicht die Ansicht, dass die Universität zu wenig organisiert und wenig vertragstreu ist, um derartige Forschung umzusetzen. Daher sind jene Beispiele, die das Gegenteil beweisen, von besonderer Bedeutung, weil sie Vorbildwirkung haben. Und dazu zählt etwa der Bereich der Biotechnologie, aber auch in weiten Teilen der Bereich der Pharmazie, wo man ebenfalls einige sehr positive Beispiele nennen könnte. Daraus ergeben sich für Österreich enorme Standortvorteile. Und das ist etwas, was man meiner Meinung nach noch sehr viel stärker ausbauen sollte und was vielleicht auf Seiten der Universität die Bereitschaft erhöhen würde, verstärkt angewandte Forschung zu machen. In einigen Bereichen geschieht dies auch schon, in anderen scheint mir dies noch mit Misstrauen beobachtet zu werden. Wien hätte eine enorme Chance, wie etwa Boston auch ein Zentrum für angewandte Forschung zu werden, insbesondere, wenn man daran denkt, dass es im deutschsprachigen Raum wenig Vergleichbares gibt. München hat diese

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Chance aufgrund einer nicht glücklichen Gesetzgebungslage nicht wirklich nutzen können. Wien weist sowohl eine hohe Forschungsinfrastruktur als auch eine hohe Lebensqualität auf. Freilich gilt es auch dabei, gewisse Schwerpunkte zu setzen. Ohne jetzt jemandem zu nahe treten zu wollen, aber wenn ich daran denke, wie viele Studierende die Theologie hat und analog dazu in welcher Höhe Geldmittel für diesen Bereich vergeben werden, so ist das vielleicht, vor allem in Relation zu anderen Bereichen gesehen, eine etwas problematische Angelegenheit. F: Es gibt Wissenschaftler, die davor warnen, das Verhältnis allzu stark in Richtung auf angewandte Forschung und zulasten der Grundlagenforschung zu verschieben. Und dann stellt natürlich die Forschungsorganisation an sich ein Problem dar, denn die Bildung von Forschungsclustern ist vielleicht etwas, womit Wissenschaftler in gewissen Disziplinen zu wenig Erfahrung haben und was sie sich vielleicht auch nicht zutrauen. Nowotny : Na ja, man muss sehen, dass Österreich ein kleines Land mit begrenzten Ressourcen ist. Wir können nicht in allen Bereichen forschen, in denen kreativ geforscht wird. D. h., man wird wohl, anders als in der Lehre, Schwerpunkte auf gewisse Forschungsbereiche setzen müssen, anders wird es nicht gehen, wenn man mithalten will. Es müssen daher auch Organisationsstrukturen gefunden werden, die internationalen Spitzenbereichen entsprechen. Das gilt auch für die Grundlagenforschung. Man wird also unvermeidlich eine gewisse Auswahl treffen müssen, was natürlich auch ein manchmal schmerzhafter Prozess sein kann, weil solche Entwicklungen mit gewachsenen historischen Leistungen in Konflikt geraten können. Auch selbst eine große Universität wie die Wiener Universität wird sich dieser Tatsache — la longue nicht verschließen können. Des Weiteren muss man erkennen, dass jetzt mit der neuen Ausbildungsstruktur der Ruf einer Universität heute maßgeblich von der Ausbildungs- und Forschungsqualität des Master- und Ph.D.-Studiums abhängt, und auch hier wird es wiederum notwendig sein, eine gewisse Auswahl zu treffen. Es wird sicherlich nicht sinnvoll sein, dass jeder Professor sein eigenes Masterprogramm entwickelt und es dadurch eine große Zahl solcher Kleinprogramme gibt, wenn ich mich international profilieren will. Das setzt Entscheidungsstrukturen voraus, die das universitäre Gesamtinteresse gegenüber den vielfältigen Einzelinteressen vertreten können. Es scheint mir gerade bei einer so großen und in sich so heterogenen Universität wie der in Wien sehr schwierig zu sein, solche Gesamtinteressen wirkungsvoll zu vertreten. In Frankreich haben manche Universitäten auf dieses Problem mit der Aufspaltung in kleinere Einheiten reagiert. Das würde ich nicht empfehlen, weil mir persönlich der Gedanke einer über-

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geordneten Gemeinschaft doch sehr gut gefällt. Aber andererseits ergibt sich doch, speziell für ein Rektorat, die Notwendigkeit, sehr viel klarere Schwerpunkte und damit eine Profilierung der Universität möglich machen zu müssen. F: Sie waren in Ihrer Zeit als Abgeordneter auch mit der Wissenschaftspolitik befasst, wobei unter Wissenschaftlern oft die Ansicht vorherrscht, dass dieser Bereich in der Politik für nicht besonders wichtig angesehen wird. Nowotny : Ja, das war immer so, wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass das ein Lebensbereich ist, der für viele Menschen in unserer Gesellschaft nicht so im Zentrum steht. Ich meine aber, dass man jetzt stärker als früher die Universität als Element der Emanzipation und des sozialen Ausgleichs betrachtet. In der politisch-parlamentarischen Diskussion aber wird oft vielleicht zu wenig überlegt, wie diese wissenschaftsstrategischen Ziele praktisch dann auch am besten umzusetzen sind. Ich darf nur auf die Diskussion hinsichtlich der Frage der Aufnahmeregelungen verweisen, die in einer sehr simplen Form geführt worden ist, und ich sehe hier wirklich die große Gefahr, dass die Situation eintreten kann, dass man ein System zugrunde richtet, indem man den Universitäten zwar eine generelle Aufgabenstellungen gibt, wie z. B. freier Universitätszugang, aber ohne dafür auch die finanziellen Mittel in ausreichender Höhe zur Verfügung zu stellen. Das kann zu einer Entwertung des Universitätssystems führen, wofür Italien leider ein Beispiel ist. Das wiederum kann dazu führen, dass diejenigen, die es sich leisten können, auf qualitativ bessere Privatuniversitäten ausweichen, und letztendlich hat man dann eine Massenuniversität, die nur mehr eine soziale Restfunktion innehat. Das ist eine Entwicklung, die es in Österreich zu verhindern gilt, d. h., man muss viel mehr in Aspekten der Qualität als der Quantität denken, da sich gerade aus der Qualität heraus der emanzipatorische Ansatz der Universität ergeben kann, nämlich, dass für tüchtige Studierende die Möglichkeit besteht, in die Welt der Wissenschaft hineinzukommen, und dass zugleich auf diese Weise gesellschaftliche Leistungen erbracht werden. Und da ist aus meiner Sicht derzeit die Politik etwas zu schematisch, gleichzeitig hat die Universität aber derzeit auch zu wenig öffentlichen Rückhalt, sodass sie womöglich ein Opfer der Budgetknappheit werden wird. Allerdings ist sicherlich zu erwarten, dass die Universität stärker als bisher eine eigene Bereitschaft zu effizienten Regelungen zeigen wird, etwa in Bezug auf jene Bereiche, wo sehr kleine Fächer nach wie vor sehr idyllische Studienverhältnisse haben, die sicherlich ihre Berechtigung haben, bei denen man aber überlegen muss, ob man dieselbe Leistung nicht auch auf kostengünstigere Weise erbringen kann. Bei knappen Mitteln müssen entsprechende Schwerpunkte gesetzt werden.

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D. h., es müssen alle drei Akteure – Politik als Hochschulpolitik, Budgetpolitik und die Universität – in dieser Situation ihren Beitrag leisten. F: Und wo sehen Sie derzeit den meisten Handlungsbedarf ? Nowotny : Den ersten Ansatz sehe ich in der Bereitstellung von Studienplätzen. Ich glaube, dass ein rein nachfrageorientiertes System ohne Berücksichtigung der gesellschaftlichen Notwendigkeiten und ohne Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten auf Dauer nicht durchzuhalten sein wird. Also die Lenkung des Studienzugangs halte ich für ganz richtig. Wir sehen heute ja die absurde Situation bei gewissen Massenstudien, die immer mehr überlaufen werden, während im Gegensatz dazu gewisse naturwissenschaftliche Studien Schwierigkeiten haben, überhaupt ausreichend Studierende zu bekommen. Und in dieser Hinsicht ist ein gewisser Lenkungseffekt absolut notwendig. F: Inwieweit ist diese Sachlage Ihrer Ansicht nach ein Resultat von Defiziten in der schulischen Ausbildung? Nowotny : Also aus meiner eigenen Erfahrung als Hochschullehrer kann ich in dieses Klagelied einer schlechten schulischen Ausbildung nicht einstimmen. Soweit ich das aus meiner Tätigkeit an der Wirtschaftsuniversität beobachten konnte, sind etwa die Sprachkenntnisse oder die Grundlagen der Mathematik über die Jahre eher besser geworden. Was ich glaube, ist, dass vielleicht das Interesse für Technik und Naturwissenschaften an den höheren Schulen nicht entsprechend geweckt wird, wobei ich zugeben muss, dass ich auch keinen Weg weiß, wie man das besser machen kann. F: Liegt das vielleicht an der Angst vor der Mathematik, die viele junge Menschen vor der Wahl eines naturwissenschaftlichen Fachs abschreckt? Diese Ansicht vertritt etwa Professor Komarek. Nowotny : Das mag durchaus sein. Es wäre auch wünschenswert, diesen Bereich von gewissen Klischees zu befreien, etwa dass Mädchen diesen Fächern mit größerer Ablehnung gegenüberstehen als ihre männlichen Kollegen, was natürlich absolut nicht stimmt und wofür es auch historisch keine Belege gibt. Ich kann mit keiner Lösung aufwarten, aber das Faktum ist bedauerlich. F: Wenn man jetzt an die Finanzierung des Studiums denkt. Hat sich hier die Situation, etwa im Vergleich zu den 1970er Jahren, nicht zuungunsten der Studierenden verändert, in dem Sinn, dass ihnen ein höherer Eigenbeitrag abver-

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langt wird, der einen höheren Grad an Beschäftigung erfordert, um das Studium zu finanzieren? Nowotny : Man muss da sicherlich zwei Varianten unterscheiden: Die erste, die sicherlich die beste wäre, ein Studium als Fulltime-Job zu betrachten, was allerdings hieße, dass Stipendien eine größere Rolle spielen müssten, was umgekehrt wiederum aber auch an eine strengere Leistungskontrolle geknüpft werden müsste. Nur so kann ich, eine entsprechende Organisation des Studiums vorausgesetzt, innerhalb kurzer Zeit die Erreichung eines Abschlusses erwarten. Ich sehe derzeit schon die große Gefahr, dass wir ein Mischsystem haben, wo Studierende am Anfang einen Nebenjob machen, bis zum Schluss das Studium zum Nebenjob wird und das andere der Hauptjob, und wir dann entweder enorm lange Studienzeiten haben mit geringer Qualität der Ergebnisse oder hohe Dropout-Raten. Daher war ich immer für ein System, dass einerseits Studiengebühren beinhaltet, gleichzeitig aber hohe Stipendien, die auch ein Fulltime-Studium ermöglichen. Auch kostengünstige Heimplätze müssen bereitgestellt werden, da die mit dem Wohnen verbundenen Kosten einen bedeutenden Ablenkungsfaktor darstellen. Ich plädiere dafür, dass für die Dauer des Bachelor-Studiums das Stipendium nach sozialen Aspekten vergeben wird, denn in der Studieneingangsphase braucht es eine Breitenförderung; dagegen würde ich für die weiterführenden Studienabschnitte des Masterstudiums das Stipendium rein nach Qualifikation vergeben, aber dann so, dass ein Fulltime-Studium auch machbar ist.

Drei Fallstudien zur Wechselwirkung zwischen Stadtverwaltung und Universität Wien

Hubert Christian Ehalt

Forschungsförderung der Kulturabteilung der Stadt Wien – exzellenzorientiert, innovativ, alternativ, kompensatorisch

Unabhängig von den inhaltlich-thematisch gezielten und fokussierten Förderungen von Forschung und Wissenschaft, die die Stadt Wien in den letzten 20 Jahren mit Fonds, Gastprofessuren, etc. platziert, gab und gibt es eine gleichermaßen gezielt wie breit gestreute Förderung von Wissenschaft und Forschung durch die Kulturabteilung der Stadt Wien. Von 1945 an waren die Förderung wissenschaftlicher Projekte, Institute und Publikationen und die Vergabe von Stipendien und Preisen (Preise der Stadt Wien seit 1947, Förderungspreise seit 1951) integraler Bestandteil der Förderungstätigkeit der für Kultur verantwortlichen Abteilung der Wiener Stadtverwaltung. Wissenschaftliche Aktivitäten wurden und werden, wenn es darstellbare Bezüge des Projektes, des Institutes, der Publikation, etc. gibt, durch die Kulturabteilung der Stadt Wien unterstützt. »Kultur« fungierte als Überbegriff, dem auch wissenschaftliche Agenda subsumiert wurden. Wichtige Förderaufgaben in diesem Bereich betrafen (mit unterschiedlichen Beginndaten der Förderung durch die Stadt) den »Notring«, aus dem der Verband der wissenschaftlichen Gesellschaften hervorging, das Institut für Stadtforschung, das Kommunalwissenschaftliche Dokumentationszentrum, das Institut für Wissenschaft und Kunst, die Ludwig Boltzmann Gesellschaft, die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die Biologische Station am Wilhelminenberg, aus der das Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (später Konrad Lorenz Institut für Vergleichende Verhaltensforschung) hervorging, das Forschungsinstitut für Wildtierkunde, das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, das Architekturzentrum Wien, die Österreichische Forschungsgemeinschaft, die Sigmund Freud Gesellschaft, das Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaften, um nur einige der wichtigen und wirksamen Initiativen und Organisationen zu nennen. Die Förderungen der Kulturabteilung der Stadt Wien hatten und haben im Hinblick auf die Wissens-, Wissenschafts- und Forschungskultur Wiens auch eine kompensatorische Bedeutung. Wien wollte und will Themen, Institute, Initiativen, Projekte und Aktivitäten unterstützen, die sich mit Fragestellungen

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Hubert Christian Ehalt

auseinandersetzen, die für Wien wichtig sind, aber in der Universitätslandschaft nicht ausreichend oder gar nicht thematisiert werden. Ein paar Beispiele dazu: Österreich und Wien haben durch die Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung von Menschen und künstlerischen und wissenschaftlichen Themen, für die diese Menschen standen, durch die Barbarei des Nationalsozialismus einen schrecklichen intellektuellen Aderlass erlitten. Die Auseinandersetzung mit dem Naziterror und seinen Folgen für Kultur und Gesellschaft und vor allem für die Menschen wurde in Wien durch eine Reihe wichtiger zivilgesellschaftlicher Institutionen unternommen und gestaltet. Die Universität war an diesem Projekt wohl durch das Werk einzelner herausragender WissenschafterInnen, nicht jedoch als Institution beteiligt. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes erforschte Widerstand und Verfolgung in den einzelnen Bundesländern. Es führte Projekte zur namentlichen Erfassung der Holocaust-Opfer und der durch die Nazis politisch verfolgten Persönlichkeiten durch. Emigration und Exil wurden durch die Gesellschaft für Exilforschung, durch die Österreichische Exilbibliothek im Literaturhaus, aber auch durch die Theodor Kramer Gesellschaft und den Verein zur Erforschung antifaschistischer Literatur in Österreich, die Jura Soyfer Gesellschaft, u. a. erforscht. Wien ist die Stadt der Psychoanalyse, es gab jedoch Jahrzehnte lang keinen Lehrstuhl für Psychoanalyse in Wien. Erst die im Jahr 2004 gegründete Medizinische Universität Wien hat eine derartige Professur eingerichtet. Wien hatte und hat jedoch – gefördert und ermöglicht durch die Stadt Wien – eine Sigmund Freud Gesellschaft, ein Sigmund Freud Museum, eine Sigmund Freud Lecture, die Sigmund Freud Privatstiftung, die Wiener Psychoanalytische Akademie, die Wiener Psychoanalytische Vereinigung, den Österreichischen Verein für Individualpsychologie und ein dichtes Netz von psychoanalytischen und psychotherapeutischen Vereinen, das durch die Stadt Wien unterstützt wird. Dieses Netz und die wissenschaftlichen Impulse, die von ihm ausgehen, wurde und wird durch die Kulturabteilung der Stadt Wien substantiell unterstützt. Die drei in diesem Kapitel vorgestellten Beiträge von Herta Nagl-Docekal, Michael Mitterauer und Brigitte Rollett zeigen aus unterschiedlichen Perspektiven nur exemplarisch die Zusammenarbeit und das Zusammenwirken und die Wechselwirkung zwischen Stadtverwaltung, zivilgesellschaftlichen Initiativen und Universität. Universität und Wissenschaft neigen zur Kanonisierung. Ich möchte das keinesfalls kritisieren. Es ist schließlich die Aufgabe wissenschaftlicher Theoriebildung und Methodik, sichtbare, begehbare, verständliche »Gassen in das Dickicht des Materials über das Geschehen bzw. das Geschehene« zu schlagen. Es muss »den Kanon« geben, aber auch Gruppierungen und Persönlichkeiten, die auf Änderung bzw. Erweiterung des Kanon plädieren.

Forschungsförderung der Kulturabteilung der Stadt Wien

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Es braucht den Kanon, aber auch Persönlichkeiten wie Paul Feyerabend, die ein Werk »Wider den Methodenzwang« gestalten. In diesem Sinn stand und stehen Förderungen der Kulturabteilung der Stadt Wien im Hinblick auf das Forschungsfeld Wien auch für die Erweiterung des Kanon, zum Beispiel was die Bedeutung von Frauen in Wissenschaft und Wissenschaftsgeschichte betrifft. Mit Projektförderungen der Kulturabteilung ist es gelungen, zahlreiche WissenschafterInnen, die nicht Teil des kulturellen Gedächtnisses waren, in dieses zu integrieren und damit den Kanon dessen, »was man wissen muss«, zu erweitern. Auch unkonventionelle Projekte, die interessante neue und originelle Perspektiven auf Probleme und Fragen eröffnen, und die an ihren Gegenstand völlig unorthodox herangehen, haben jedenfalls in der Wiener Kulturabteilung eine Chance, gefördert zu werden. So gibt es in der von der Stadt Wien unterstützten Forschung unter zahlreichen Projekten, die im Mainstream aktueller Forschung liegen, auch sehr viel an Zukunftsorientiertem und Experimentellem. Die Wissenschaftsgeschichte zeigt ja mit vielen Beispielen, wie wichtig Forschungen mit unkonventionellen Fragestellungen und Methoden für den Erkenntnisfortschritt im Ganzen und in einzelnen Themenfeldern waren und sind.

Herta Nagl-Docekal

Ein Wiener Philosophieprojekt in internationalem Kontext

Ein Rückblick auf die Zeitspanne von Mitte der 1980er Jahre bis heute macht offenkundig, dass das Kulturamt der Stadt Wien innovative Projekte im Bereich der Philosophie kontinuierlich gefördert hat. Die Buchreihe Wiener Reihe. Themen der Philosophie, deren erster Band 1986 im Verlag Oldenbourg erschienen ist, bietet sich dafür an, dies näher aufzuzeigen. Die Gründung der Wiener Reihe markierte eine Generationenablösung: Nach ihrer Habilitation Anfang der 1980er Jahre beschlossen vier Mitglieder des Instituts für Philosophie der Universität Wien – Richard Heinrich, Ludwig Nagl, Helmuth Vetter und ich –, gemeinsam einen neuen Akzent zu setzen, der eine thematische Öffnung und intensivierte internationale Orientierung der Wiener Philosophie signalisieren sollte. Diese Ausrichtung liegt der Konzeption der Wiener Reihe zugrunde, welche sich bis heute bewährt hat. Es handelt sich um ›virtuelle Symposien‹: Jeder Band ist einer Fragestellung gewidmet, die in der internationalen philosophischen Debatte von besonderer Aktualität ist – wobei eine entscheidende Pointe darin liegt, dass die Auseinandersetzung mit der jeweiligen Problematik nicht nur aus der Perspektive einer Denkrichtung erfolgt und so ›schul-immanent‹ bleibt. Die jeweils zehn bis fünfzehn Beiträge nehmen das Thema von den verschiedensten philosophischen Ansätzen her – oft auch in einer interdisziplinären Konstellation – in den Blick. Auf diese Weise soll die wechselseitige Abschottung philosophischer ›Schulen‹, die die Situation der Philosophie auch in Österreich seit langem belastet, konterkariert werden. Bei der Einladung der Autorinnen und Autoren ist der Gesichtspunkt ausschlaggebend, dass diese die differenten Positionen, die die aktuelle Debatte prägen, entweder selbst repräsentieren oder in weiterführende Überlegungen einbinden. Ein Programm dieser Art ist selbstverständlich nur in internationaler Kooperation zu realisieren, daher sind in der Wiener Reihe viele der führenden Persönlichkeiten des philosophischen Gegenwartsdiskurses vertreten, darunter – um einige Namen zu nennen – Seyla Benhabib, Stanley Cavell, Arthur C. Danto, Manfred Frank, Adolf Grünbaum, Jürgen Habermas, Agnes Heller, Eberhard Jüngel, Wolfgang Kersting, Sarah Kofmann, Jean Laplanche, Alfred Lorenzer,

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Herta Nagl-Docekal

Jean-FranÅois Lyotard, Onora O’Neill, Hilary Putnam, Richard Rorty, Wieland Schmied, Peter Strawson, Charles Taylor, Hent de Vries, Kwasi Wiredu und Slavoj Zˇizˇek. Zu den leitenden Intentionen gehörte auch, Wien verstärkt zu einem Ort der lebendigen internationalen Philosophie-Debatte zu machen. Das Kulturamt der Stadt Wien – repräsentiert zunächst durch die Kulturstadträtin Dr. Ursula Pasterk, dann durch Kulturstadtrat Dr. Andreas Mailath-Pokorny und Senatsrat Univ.-Prof. Dr. Hubert Christian Ehalt – unterstützte uns auch dabei, im Umfeld der ›virtuellen Symposien‹ der Wiener Reihe reale Tagungen, Gastvorträge etc. zu veranstalten. Da die Themen der einzelnen Bände in der Regel nicht allein in der philosophischen Fachdebatte Relevanz haben, sondern Interessen des allgemeinen zeitdiagnostischen Diskurses aufnehmen, waren diese – oft auch extramuralen – Veranstaltungen, wie z. B. das Symposium im Rahmen der Wiener Festwochen im Freud-Jahr 1989, sehr gut besucht. Es gilt hier festzuhalten: Ungeachtet der zeitgemäßen Thematik hätte sich so manches unserer Veranstaltungsprojekte, aufgrund der notorischen Budgetknappheit der Universität, nicht realisieren lassen, wäre die Stadt Wien nicht unterstützend tätig geworden – sei es durch Subventionierung oder sei es in Form einer Mit-Veranstaltung – für diese kontinuierliche, produktive Kooperation sei an dieser Stelle aufrichtiger Dank ausgesprochen! Was soeben im Allgemeinen berichtet wurde, soll nun anhand einiger Beispiele illustriert werden (es wäre ja dem gegebenen Rahmen nicht angemessen, alle bislang erschienenen siebzehn Bände der Wiener Reihe en detail darzustellen). Doch zuvor sei noch auf einen Bezug zur Wiener Kunst hingewiesen: Der Wiener Künstler KAFRI (Karl Friedrich), der seine Ausbildung an der Universität für Angewandte Kunst erhalten hat, versah unsere Umschlagseiten mit einer jeweils auf das Thema zugeschnittenen Vignette, die dieser Buchreihe eine nicht nur unverwechselbare, sondern höchst originelle ästhetische Gestaltung verlieh. Der Titel des ersten Bandes – Wo steht die analytische Philosophie heute? (hrsg. von Ludwig Nagl und Richard Heinrich, 1986) – hat eine provokante Pointe. Die Herausgeber wandten sich an prominente analytische Philosophen im angloamerikanischen Raum – darunter Stanley Cavell, Arthur C. Danto, Richard Rorty, Peter F. Strawson und Barry Stroud – mit der Frage, wo ihrer Einschätzung nach diese – historisch u .a. vom Wiener Kreis ausgegangene – Philosophie (im Rückblick auf die ursprüngliche Programmatik) zurzeit stehe. Die Essays, die als Antwort einlangten, haben zum einen die Form einer expliziten Reflexion auf den sehr krisenreichen Entwicklungsgang des Analyse-Begriffs (dies gilt etwa für Dantos Beitrag), während sich zum anderen in ihnen ein neues ›post-analytisches‹ Interesse manifestiert, das eine sympathisierende Zuwendung zum zeitgenössischen, nicht analytischen, kontinentaleuropäischen

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Diskurs zum Ausdruck bringt (paradigmatisch dafür sind die Essays von Rorty und Cavell). Soviel mir bekannt ist, war Band 1 der Wiener Reihe damit die erste Publikation im deutschsprachigen Raum, in der die damals neue Konzeption der ›post-analytic philosophy‹ vorgestellt wurde. Ein Jahr vor dem Erscheinen von Band 1 hatte die Columbia University in New York den debattenbestimmenden Sammelband Post-Analytic Philosophy (hrsg. von John Rajchman und Cornel West, 1985) veröffentlicht, der ebenfalls Beiträge von Cavell, Danto und Rorty enthielt. Die Präsentation dieses Buches – im Wittgenstein-Haus in der Parkgasse – bot Gelegenheit zur Einladung eines der renommiertesten Autoren von Band 1 zu einem öffentlichen Vortrag: Stanley Cavell, Professor an der Harvard University, sprach am 26. Mai 1986 zum Thema »The Phantastic of Philosophy«. Der zweite Band – Tod des Subjekts? (hrsg. von Herta Nagl-Docekal und Helmuth Vetter, 1987) – griff in die Debatte um eine Konzeption ein, die damals zu einer viel beachteten zeitdiagnostischen Kategorie geworden war : die Konzeption ›Postmoderne‹. Das zentrale Thema dieses Buches ist die Kritik am ›Subjekt‹, als Schlüsselbegriff der Moderne, wie sie im Kontext des französischen Neo- bzw. Poststrukturalismus artikuliert wurde – eine Kritik, deren Brisanz darin liegt, dass sie nicht primär auf eine innerphilosophische Kontroverse abzielt, sondern darauf, ein neues Selbstverständnis der Menschen der Gegenwart zu initiieren. Das Buch ist ein veritabler Diskussionsband: Autoren wie Jean-FranÅois Lyotard, Jacob Rogozinski, Manfred Frank und Bernhard Waldenfels präsentieren die Argumente der Subjektkritik ebenso wie Einsprüche dagegen sowie Versuche, diese Alternative insgesamt zu verabschieden. Bei einer Veranstaltung im Wiener Kulturzentrum ›Das Literarische Quartier – Alte Schmiede‹ am 24./25. Juni 1987 – mit Vorträgen von Autoren dieses Buches – konnte sich ein dicht gedrängtes Publikum über den Stand der Debatte informieren. Diesem großen Interesse entspricht, dass dieser Band der Wiener Reihe rasch vergriffen war. Band drei – Die Philosophen und Freud (hrsg. von Helmuth Vetter und Ludwig Nagl, 1988) – fand das besondere Interesse der Stadt Wien, ist er doch von dem Anliegen bestimmt – ähnlich wie dies in Band 1 mit Blick auf den Wiener Kreis geschehen war –, die aktuelle Relevanz eines zentralen Segments des kulturellen Erbes Österreichs zu sondieren, mit Blick auf laufende Debatten in den USA sowie in Frankreich und Deutschland. Diesem Anliegen entsprechend dokumentiert das Buch die Diskussion, die sich – nach Freud – zwischen Psychoanalyse und Philosophie entfaltet hat, in zweierlei Hinsicht: Zum einen werden die phänomenologischen, hermeneutischen und (neo-)strukturalistischen Freud-Lektüren untersucht – etwa in den Texten von MichÀle Bertrand, Jean Laplanche und Hermann Lang –, zum anderen bildet die Freud-Rezeption im Umfeld der Frankfurter Schule und der zeitgenössischen sprachanalytischen

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Philosophie den Fokus des Interesses, der sich in den Beiträgen von Alfred Lorenzer, Adolf Grünbaum und Stanley Cavell manifestiert. Für die beiden Herausgeber war dieses Buch zugleich eine Vorbereitung auf das anlässlich des 50. Todestages von Sigmund Freud abgehaltene – durch Kulturstadträtin Ursula Pasterk ermöglichte – Symposium der Wiener Festwochen 1989, das sie in Kooperation mit Harald Leupold-Löwenthal respektive mit der Sigmund-Freud-Gesellschaft, Berggasse19, unter dem Titel ›Philosophie und Psychoanalyse‹ organisierten. Zu dieser Veranstaltung konnten neben Autoren des dritten Bandes der Wiener Reihe weitere Referenten wie Richard Wollheim und Slavoj Zˇizˇek eingeladen werden. Großes Interesse fand dieses Festwochensymposium nicht nur beim Wiener Publikum – die vorgetragenen Texte wurden in der Folge zweimal als Buch veröffentlicht: zunächst, unterstützt durch das Kulturamt der Stadt Wien, im Nexus Verlag, Frankfurt am Main (Philosophie und Psychoanalyse. Symposium der Wiener Festwochen, hrsg. von Ludwig Nagl, Helmuth Vetter und Harald Leupold-Löwenthal, 1990), und dann im Psychosozial-Verlag, Gießen 1997. Einen speziellen Bezug zur Stadt Wien hat auch Band 9 – Otto Neurath: Rationalität, Planung, Vielfalt (hrsg. von Elisabeth Nemeth und Richard Heinrich, 1999). Eine spezifische Pointe dieses Buches liegt darin, dass bis dahin weitgehend unbekannte Aspekte der radikal modernen Wissenschaftskonzeption erörtert werden, die Otto Neurath, der Organisator des ›Wiener Kreises‹, vertrat. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei der für Neuraths Denken charakteristische Zusammenhang zwischen dem Willen zu politischer Veränderung und der Aufgabe, Wissenschaft in eine neue Beziehung zur gesellschaftlichen Praxis zu bringen. Die Wahl der Band-Themen war immer wieder von der Intention bestimmt, das Potenzial von Philosophie zur theoretischen Analyse sozialer Konflikte respektive zur Präzisierung gesellschaftspolitischer Zielsetzungen aufzuzeigen. Dies gilt auch für den Band Feministische Philosophie (hrsg. von Herta NaglDocekal, 1990). Vor dem Hintergrund der von der ›Neuen Frauenbewegung‹ artikulierten Kritik an den alle Lebensbereiche prägenden geschlechterhierarchischen Strukturen fokussiert dieser Band speziell die Philosophie. In welcher Weise bedarf philosophische Anthropologie eines neuen Zuschnitts? Welche Theorien von ›Gerechtigkeit‹ und ›Freiheit‹ bieten eine tragfähige Basis für die Präzisierung der Anliegen feministischer Politik? Und inwiefern hat das Denken der philosophischen ›Klassiker‹ oft legitimierende Bedeutung für geschlechterhierarchische soziale bzw. rechtliche Ordnungsmuster? Mit Fragen wie diesen setzen sich die Beiträge dieses Buches auseinander. Liest man heute die Namen der Autorinnen aus neun Ländern, so hat man zugleich die große Diversität der theoretischen Ansätze, die die damalige internationale Debatte bestimmten, vor Augen. Darunter sind – um nur einige Namen zu erwähnen – Seyla Benhabib,

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Adriana Cavarero, Ýgnes Heller, Sarah Kofman und Elisabeth List. Cornelia Klinger ist hier nicht nur mit ihrem vielbeachteten Essay »Frau – Landschaft – Kunstwerk. Gegenwelten oder Reservoire des Patriarchats« vertreten, sondern auch mit der im Rahmen eines Forschungsprojekts erstellten Auswahlbiographie »Das Bild der Frau in der patriarchalen Philosophiegeschichte«, die wohl die erste publizierte Zusammenstellung dieser Art im deutschsprachigen Raum darstellt. Die Präsentation dieses Bandes fand anlässlich des Welt-Frauentages 1991 in der Wiener Galerie Grita Insam – im Beisein der damaligen Frauenministerin Dr. Johanna Dohnal – statt. Auch dieses Buch war rasch vergriffen; 1994 erschien die zweite Auflage. Für mich persönlich begann mit diesem Band der Wiener Reihe eine Zeit intensiver Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet, aus der u. a. meine Monographie Feministische Philosophie. Ergebnisse, Probleme, Perspektiven (Frankfurt 2000 und 2001; USA 2004, Japan 2006, Ungarn 2006, Tschechien 2007) hervorging. Cornelia Klinger blieb der Wiener Reihe über die eben dargestellte Kooperation hinaus verbunden. Sie ist – wie auch der Wiener Rechtsphilosoph Alexander Somek, der derzeit in den USA an der University of Iowa lehrt – seit 2003 Mitglied des Editionsteams. Vor dem Hintergrund ihres langjährigen Forschungsschwerpunkts ›Theorie der Moderne‹ gestaltete sie den zuletzt erschienenen Band der Wiener Reihe: Band 15, Perspektiven des Todes in der modernen Gesellschaft (hrsg. von Cornelia Klinger, 2009). Dieses Buch, das auf einer Kooperation des Wiener Instituts für die Wissenschaften vom Menschen mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Berliner Akademie der Künste basiert, hat einen interdisziplinären Zuschnitt; die Diskussion zum Todesverständnis der Gegenwart wird nicht nur aus dem Blickwinkel der Philosophie, sondern auch aus dem der Sozial- und Kulturwissenschaften, der Theologie und der Medizin geführt. Dem Leitgedanken, zeitgenössische internationale Entwicklungen der philosophischen Forschung aufzugreifen, entspricht auch Band 6: Postkoloniales Philosophieren: Afrika (hrsg. von Herta Nagl-Docekal und Franz M. Wimmer, 1992). Angeregt durch Erfahrungen auf zwei internationalen Philosophie-Kongressen in Kenia kam dieser Band auf die Weise zustande, dass Philosophinnen und Philosophen im sub-saharischen Afrika – in anglophonen wie auch frankophonen Ländern – mit der Frage konfrontiert wurden, was es bedeutet, im Blick auf die Gegenwartsprobleme des Kontinents philosophisch zu arbeiten. Die Beiträge setzen höchst unterschiedliche Akzente; sie dokumentieren die Kontroversen zu ›Ethnophilosophy‹ und ›Sage Philosophy‹ bzw. zum Programm einer ›Afrikanischen Philosophie‹ und diskutieren die Folgen der wissenschaftlich-technischen Modernisierung. Das Buch leistet so einen Beitrag zur Verabschiedung der eurozentrischen Sicht Afrikas.

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Kurz nach seinem Erscheinen fand die Auseinandersetzung mit dieser Thematik ihre Fortsetzung in einer öffentlich zugänglichen internationalen Tagung, die die beiden Herausgeber 1993 im Europa-Haus Wien – in Zusammenarbeit mit der Österreichischen UNESCO-Kommission – veranstalteten. Namhafte Philosophinnen und Philosophen aus mehreren Ländern des sub-saharischen Afrika nahmen daran teil, darunter Yakouba Konat¦ (Elfenbeinküste), Sophie Oluwole (Nigeria), G. J. Wanjohi (Kenia) und der an der University of South Florida, USA, lehrende Ghanaer Kwasi Wiredu. Die in den Niederlanden erscheinende – damals seitens des Instituts für Philosophie der Rijksuniversiteit Groningen betreute – Fachzeitschrift Quest. An African Journal of Philosophy, deren Editionsteam durch einige Mitglieder auf der Wiener Tagung vertreten war, veröffentlichte einen eingehenden Bericht über diese Tagung. Mit Band 10 der Wiener Reihe – Filmästhetik (hrsg. von Ludwig Nagl, 1999) – war erneut die Intention verbunden, einen Themenkreis in Sicht zu bringen, der damals in der deutschsprachigen Philosophie noch so gut wie keine Beachtung fand: die Debatte um eine Spezialästhetik des Films. Durch die Einladung von Autorinnen und Autoren, die mit der Entwicklung dieses Diskurses im anglophonen Raum bestens vertraut waren bzw. diese selbst entscheidend mitbestimmt hatten – wie Kaja Silverman, Fredric Jameson, Stanley Cavell, Hugh Silverman, Slavoj Z˙iz´ek und Richard Shusterman –, sollte die Aufnahme der Debatte im deutschsprachigen Kontext vorangetrieben werden. Die Beiträge dieses Bandes spannen einen Bogen unterschiedlicher Themen, die von Elementen einer – auf den Film bezogenen – philosophischen Theorie der Massenkultur bis zur philosophierenden Lektüre einzelner Filme (u. a. von Alfred Hitchcock, Orson Welles und Peter Greenaway) reichen. Auch aus diesem Band gingen in der Folge zwei Veranstaltungen in Wien hervor. Zunächst ein Vortrag im März 2000, der in Kooperation mit dem Verein ›Freunde der Wiener Staatsoper‹ veranstaltet wurde. Stanley Cavell reiste erneut aus Harvard an und sprach im Vortragssaal des Österreichischen Theatermuseums im Palais Lobkowitz zum Thema ›Opera in Film, Opera as Film‹. Dieser Text wurde später in Übersetzung in der Deutschen Zeitschrift für Philosophie (Heft 1, 2002) publiziert. Bald darauf, im November 2002, wurde die in der Wiener Reihe begonnene philosophische Reflexion auf die Spezialstruktur des Cinematischen durch das Symposium ›Film/Denken‹ vertieft. Der Beitrag der Philosophie zu aktuellen Debatten in den Film Studies – organisiert von Ludwig Nagl, Eva Waniek und Brigitte Mayr – fand im project space der Kunsthalle Wien am Karlsplatz statt. Diese Veranstaltung, die in Kooperation mit Alexander Horwath bzw. dem Österreichischen Filmmuseum, dem Institut für Wissenschaft und Kunst sowie ›Synema – Gesellschaft für Film und Medien‹ zustande kam, suchte philosophische Perspektiven mit solchen der Film-, Medien- und Kulturwissenschaften in ein produktives Spannungsfeld zu bringen. Mit Un-

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terstützung u. a. durch das Kulturamt der Stadt Wien konnten die Texte, die auf diesem Symposium vorgetragen wurden – ergänzt durch Beiträge u. a. von NoÚl Carroll und Laura Mulvey – in Buchform erscheinen (Film Denken / Thinking Film. Film & Philosophy, hrsg. von Ludwig Nagl, Eva Waniek und Brigitte Mayr, Wien: Synema 2004). Als in den letzten Jahren das Thema ›Religion‹ zusehends in das Zentrum des Interesses sowohl des philosophischen Fachdiskurses als auch der öffentlichen Debatten rückte, sah es das Editionsteam der Wiener Reihe als angezeigt, mehrere Bände der eingehenden Erkundung des Themas ›Religion unter Bedingungen der Moderne‹ zu widmen. Zunächst erschien Band 12: Religion nach der Religionskritik (hrsg. von Ludwig Nagl, 2003). In diesem Band schrieben u. a. zwei jener Autoren, die in der Debatte um eine Re-Evaluierung der Religion eine wichtige Rolle zu spielen begannen: der spätanalytische Philosoph Hilary Putnam aus Harvard, dessen Studie Jewish Philosophy as a Guide to Life. Rosenzweig, Buber, Levinas, Wittgenstein (Bloomington: Indiana University Press 2008) inzwischen interessante neue Argumente in den Raum brachte, und der kanadische Philosoph Charles Taylor, dessen Buch Ein säkulares Zeitalter (Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009) in der heutigen Neubesichtigung des komplexen Verhältnisses von säkularer Motivation und religiöser Handlungsdimensionierung im Zentrum der Auseinandersetzung steht. Das anhaltende Interesse an diesem Themenkreis führte im Weiteren dazu, dass in Wien zwei Tagungen mit Jürgen Habermas organisiert wurden. Zunächst, von 2. bis 4. März 2004, ein Kongress an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften aus Anlass des 200. Todestages Kants, dessen Ergebnisse bald darauf unter dem Titel Recht – Geschichte – Religion. Die Bedeutung Kants für die Gegenwart (hrsg. von Herta Nagl-Docekal und Rudolf Langthaler, 2004) im Berliner Akademie Verlag publiziert wurden. Zu dieser internationalen Veranstaltung waren namhafte Philosophinnen und Philosophen aus sieben Ländern angereist, darunter Jürgen Habermas, dessen Vortragsthema lautete: »Die Grenze zwischen Glauben und Wissen. Zur Wirkungsgeschichte und aktuellen Bedeutung von Kants Religionsphilosophie«. Wie Jürgen Habermas berichtete, war dies sein erster öffentlicher Vortrag in Wien – so überraschte es nicht, dass der Festsaal der Akademie der Wissenschaften bald überfüllt war, so dass das Gebäude aus Sicherheitsgründen gesperrt werden musste. Da eine sorgfältige Diskussion in einem so großen Rahmen nicht möglich war, äußerte Jürgen Habermas den Wunsch, noch einmal nach Wien zu kommen: zu einer Klausurtagung, die der eingehenden Erörterung seiner Thesen gewidmet sein sollte – ein Wunsch, der sehr gerne aufgegriffen wurde. Diese zweite internationale Tagung fand von 23. bis 24. September 2005 an der Universität Wien statt, unterstützt von der Katholisch-Theologischen Fakultät sowie der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaften der

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Herta Nagl-Docekal

Universität Wien. Die Ergebnisse dieser Veranstaltung sind in Band 13 der Wiener Reihe veröffentlicht: Glauben und Wissen. Ein Symposium mit Jürgen Habermas (hrsg. von Rudolf Langthaler und Herta Nagl-Docekal, 2007) – mit seinen 424 Seiten ist dies der bislang umfangreichste Band der Wiener Reihe. Er enthält zunächst dreizehn Kommentare zur Habermas’schen Sicht von Religion in der Moderne, verfasst von Vertreterinnen und Vertretern verschiedenster theologischer und philosophischer Denkrichtungen, und schließlich die »Replik auf Einwände, Reaktion und Anregungen«, in der Jürgen Habermas mit großer Aufmerksamkeit auf jeden der einzelnen Beiträge eingeht. Damit liegt eine Diskussion vor, die sich mit vielen der heute brisanten Fragen auseinandersetzt. Erörtert wird u. a. die Konzeption einer »postsäkularen Gesellschaft«, der Habermas’sche Gedanke einer »rettenden Übersetzung religiöser Sinnpotenziale« in die – auch Andersgläubigen und Nicht-Religiösen zugängliche – Sprache der Vernunft sowie die Frage der Aktualität der Religionsphilosophie Kants und nachkantischer Religionskonzeptionen wie derjenigen Hegels, Schleiermachers, Kierkegaards, Wittgensteins und der Vertreter des Amerikanischen Pragmatismus und Neopragmatismus. Zuletzt erschienen zwei Bände zu zeitgenössischen Ästhetik-Debatte: Band 16: Blindheit und Hellsichtigkeit. Künstlerkritik an politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen der Gegenwart (hrsg. v. Cornelia Klinger, Berlin 2012). Band 17: Hegels Ästhetik als Theorie der Moderne (hrsg. v. Annemarie Gethmann-Siefert, Herta Nagl-Docekal, Erzs´ebet Rûzsa und Elisabeth WeisserLohmann, Berlin 2013). Diese Bände wurden am 30. 9. 2013 am Instituto Italiano per gli Studi Filosofici, Neapel, präsentiert. Zwei weitere Bände sind in Vorbereitung: Band 18: Klimagerechtigkeit und Klimaethik (hrsg. v. Angela Kallhoff, Berlin 2015); Band 19: Philosophische Filmlektüren: Ein Symposium mit Robert B. Pippin (hrsg. von Ludwig Nagl und Waldemar Zacharasiewicz, Berlin 2016).

Michael Mitterauer

Austauschbeziehungen und Vermittlungssysteme. Aktualitätsbezogene Wissenschaft in urbanem Umfeld

Blickt man in die Geschichte unserer Universitäten zurück, so erweist sich die Forderung nach gesellschaftsbezogener Wissenschaft in Lehre und Forschung keineswegs als eine durchgehende Konstante. Es gab durchaus Zeiten, in denen die Besonderheit des akademischen Milieus gerade in seiner Distanz zum gesellschaftlichen Umfeld gesehen wurde. Und solche Vorstellungen reichten gelegentlich bis in die universitäre Zeitgeschichte. Was solche Konzepte der Abgrenzung wissenschaftlich und letztlich auch gesellschaftlich bewirkten, wäre sicher ein interessantes Thema. Hier wird die entgegengesetzte Position vertreten. Die gesellschaftliche Verantwortlichkeit der Universitäten bildet den Ausgangspunkt. Es soll exemplarisch untersucht werden, in welchen konkreten Austauschbeziehungen und Vermittlungssystemen eine bestimmte Disziplin an der Universität Wien, nämlich das von mir vertretene Fach Sozialgeschichte, mit ihrem gesellschaftlichen Umfeld gestanden ist, was sie aus diesem Umfeld übernommen, was sie zu geben versucht hat. Das Anliegen einer solchen zeithistorischen Analyse ist es, Anregungen für eine aktualitätsbezogene Wissenschaft in der Zukunft zu gewinnen. Universitäten der Hauptstädte haben immer schon kulturelle, soziale, politische Tendenzen des ganzen Landes gespiegelt. Das galt und gilt auch für die Universität Wien in der österreichischen Gesellschaft. So werden Rahmenbedingungen der gesamtösterreichischen Entwicklung zu berücksichtigen sein. Das unmittelbare urbane Umfeld gilt es dabei besonders zu beachten – gleichgültig ob Austauschbeziehungen von der Stadtverwaltung initiiert wurden oder sich ohne diesen organisatorischen Rahmen ergaben. Das gesellschaftliche Umfeld einer Universität nur in der Bevölkerung der Universitätsstadt zu sehen, wäre wohl eine verengte Perspektive. Auch spezifische Stadt-Land-Beziehungen sollen Erwähnung finden. Schließlich sind die europäischen Universitäten ihrer jahrhundertealten Tradition entsprechend in überregionale und internationale Austauschbeziehungen eingebunden. Die Frage nach aktuellen Bezügen des Wissenschaftsbetriebs lässt sich nicht ohne solche Vermittlungssysteme behandeln.

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Michael Mitterauer

Mein Blick zurück auf die Beziehungen der Universität Wien zu ihren »Außenwelten« erfasst einen langen Zeitraum, in dem sich viele Veränderungen ergeben haben. Von 1955 bis 1959 war es die Sicht des Studenten, von 1959 bis 1971 die des Assistenten, von 1971 bis 2003 die des Professors für Sozialgeschichte, seit 2003 die des Emeritus. Die 1971 neu geschaffene Professur für Sozialgeschichte war in besonderer Weise interdisziplinär ausgerichtet. Sie eröffnete einerseits die Kooperation mit anderen historischen und kulturwissenschaftlichen Disziplinen an der alten, noch ungeteilten Philosophischen Fakultät, andererseits mit den Sozialwissenschaften über die eigene Fakultät hinaus. Die wissenschaftlich-fachliche Wahrnehmung wurde durch die hochschulpolitische ergänzt – als Studentenvertreter in der Fachschaft Philosophie, als Assistentenvertreter an der Philosophischen Fakultät, in den späten 60er Jahren dann vor allem als Mitglied des von Minister Theodor Piffl-Percˇevic´ zur Beratung der Studiengesetze eingesetzten »Rats für Hochschulfragen«. Systemische Veränderungen lassen sich schwer an bestimmten Einzeldaten und Einzelereignissen festmachen. Sie haben Vorlaufsphasen und brauchen Zeit, um sich durchzusetzen. Aus dem Zeitraum der miterlebten Universitätsgeschichte erscheinen mir jedoch zwei Daten als so wesentlich, dass ich sie als Schlüsselereignisse besonders hervorheben möchte. Sie betreffen die Jahre 1965 und 1989. Beide haben auch sehr wesentlich mit dem Verhältnis von Universität und Stadt zu tun. In »Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts« (Wien 1994, S. 460 f.) schreibt Ernst Hanisch über die 1960er Jahre: Die Grundbefindlichkeit der 1960er Jahre war noch ganz anders gelagert. Überall gab es Reformbereitschaft, herrschte eine gewisse Aufbruchstimmung. Der Zeitgeist blies eher von links nach Österreich herein. Das konservative Kulturparadigma der 1950er Jahre wurde brüchig …. Träger der Reform war zunächst nicht die SPÖ, sondern die ÖVP. Dort waren die Reformer, Josef Klaus und Hermann Withalm, am Zug. Ihr Programm strebte nach Sachlichkeit und Verwissenschaftlichung der Politik. Sie wurden von einer katholischen Intelligenz unterstützt, die mitten in den großen Hoffnungen des zweiten Vatikanums schwamm; selbst der CV, Hort eines althergebrachten Protektionismus, begann die neuen Strömungen aufzunehmen: Jenes legendäre Symposion 600, aus Anlass der 600-Jahr-Feier der Gründung der Universität, mit Rudolf Augstein und Ernst Bloch, bildete 1965 die intellektuelle Wasserscheide. Was war dieses »Symposion 600«, das hier als »intellektuelle Wasserscheide« apostrophiert wird? Man muss diese Frage stellen, weil die Überbewertung der Zäsur von 1968 die Beachtung des vorangehenden Schlüsselereignisses vielfach verdrängt hat. Ergänzend ist zunächst zu sagen: Das »Symposion 600« war keine Veranstaltung der Universität Wien, es war eine Veranstaltung der Studenten dieser Universität – unausgesprochen sogar eine Gegenveranstaltung gegen die

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traditionalistisch-ritualistischen Feierformen der offiziellen Universitätsvertreter, und damit implizit ein Protest gegen die herrschenden Strukturen des Universitätsbetriebs. Das Konzept der Veranstaltung ist unmittelbar aus studentischen Beratungen über Fragen der Hochschulreform hervorgegangen und stellt damit die Verbindung zu allgemeinen Ideen der Reform von Forschung und Lehre in diesen Jahren her. Wesentlich beteiligt waren Manfred Leeb und Werner Vogt, die im Jahr zuvor die sehr einflussreiche Studie »Anregung zur Reform der wissenschaftlichen Hochschulen in Österreich« vorgelegt hatten. Mit dabei war auch der spätere ORF-Generalsekretär Heribert Steinbauer, der beim Symposion als Tagungsleiter fungierte. Das Tagungsthema war »Gestaltung der Wirklichkeit«, also gesellschaftsbezogenes Handeln. Die Rolle des Intellektuellen stand dabei im Mittelpunkt. Die Referenten waren Philosophen, Theologen, Historiker, aber auch Journalisten und Künstler. Für die Zeit ganz ungewöhnlich spielte die weltanschauliche Herkunft der Redner keine Rolle. In den Vorträgen und Debatten ging es immer wieder um stärkere theoretische Fundierung und um interdisziplinären Austausch. Den »Forumdiskussionen« wurde viel Platz eingeräumt. Auch hier kamen Vertreter der Medien zu Wort – eine für damalige Verhältnisse ganz ungewöhnliche Öffnung einer akademischen Veranstaltung. Das Konzept ging auf. Der studentische Beitrag zur Jubelfeier wurde in der Öffentlichkeit sehr positiv aufgenommen. Einige Pressestimmen aus diesen Tagen mögen das illustrieren. Das »Neue Österreich« schrieb am 6. Mai 1965: Eine geistige Sensation ersten Ranges bildet der Auftakt zur 600-Jahr-Feier der Universität Wien: Das von der Österreichischen Hochschülerschaft veranstaltete viertägige Symposion »Gestaltung der Wirklichkeit«! Das Interesse, das nicht nur die Studenten, sondern die gesamte Wiener Öffentlichkeit, vor allem die junge Generation, diesem »Symposion 600« entgegenbringt, ist so groß, dass man befürchtet, das Auditorium maximum – in dem alle Vorträge stattfinden – werde nicht ausreichen, die Zahl der Besucher zu fassen. Zwei Tage später kommentierte »Die Presse«: Das Bild stimmt: das Auditorium maximum fast ein Circus maximus. Auf den Rängen, sitzend, stehend, drängend, ein junges Publikum, das lebhaftes Interesse, bei manchen auch Schaulust herbeigeführt haben mag, um zu sehen und zu hören. Und das »Volksblatt« zog am 11. Mai Bilanz: Das Symposion hatte sich einer über das Erwarten großen Anteilnahme erfreut; es gab keine Veranstaltung, bei der das Auditorium maximum nicht bis auf den letzten Platz besetzt gewesen wäre; oft mussten Lautsprecherübertragungen in andere Säle jenen die Teilnahme vermitteln, die keinen Eintritt mehr gefunden hatten. Diese Reaktion dokumentiert die Aufgeschlossenheit der Wiener Studenten und weiter, am Geistesleben interessierter Kreise, ihre Bereitschaft, sich mit den großen Fragen der Zeit auseinanderzusetzen. Ja es schien fast so, als wäre man an der Donau in

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dieser Hinsicht »ausgehungert«. Hier bieten sich greifbare Chancen; was fehlt, sind die Kristallisationspunkte. Einen »Kristallisationspunkt«, der sich in dieser Tradition verstehen lässt, haben seit 1987 die »Wiener Vorlesungen« geschaffen. Ein zweites Schlüsselerlebnis, durch das sich nach meinem Erleben die kulturellen Rahmenbedingungen für Wien und seine Universität stark verändert haben, bedeutete die »Wende« von 1989. Auch im Wissenschaftsbetrieb hatte man bis dahin sehr stark die europäische Randlage der Stadt gespürt. Durch die Ostöffnung rückte sie nun ins Zentrum. Gerade die besonders engagierten Studenten aus den ehemaligen Ostblockstaaten bemühten sich um einen Studienaufenthalt in Wien. In die Lehrveranstaltungen der Universität brachten sie nicht nur fachliches Interesse, sondern auch optimistische Aufbruchsstimmung mit. Sozialgeschichtliche Themen waren damals besonders gefragt. Die sozialwissenschaftliche Zugangsweise bedeutete für Geschichtestudenten aus dem Osten einen ganz neuen Weg. Themen wie »Geschichte der Familie« oder »Geschichte der Jugend« hatten auch für sie einen unmittelbaren Aktualitätsbezug. So kam es in Seminaren und Vorlesungen über solche Themen in den Jahren nach der »Wende« zu anregenden Gesprächen. Solche Themen waren aber auch für Seminare und Vortragsveranstaltungen in den ehemaligen Ostblockstaaten sehr gefragt. Einladungen dazu bekam man nicht nur aus den nahe gelegenen Universitätsstädten Bratislava und Prag, ebenso aus Zagreb, Belgrad, Sofia. Solche Einladungen führten über die Lehre hinaus zu Kooperationen in der Forschung. Unter Minister Erhard Busek stand das Wissenschaftsministerium Kooperationen dieser Art besonders aufgeschlossen gegenüber. Und auch die Stadt Wien unterstützte sie. So entstanden intensive Austauschbeziehungen, in denen Anregungen von West nach Ost, aber auch von Ost nach West weitergegeben wurden. Die allgemeine Aufbruchstimmung der Zeit verlieh den wissenschaftlichen Bemühungen dieser Jahre in besonderer Weise Aktualitätsbezug. Schlüsselereignisse wie die beiden hier angesprochenen konnten Anlass dazu sein, über gesellschaftliche Relevanz von Wissenschaft intensiver als sonst nachzudenken. Das »Symposion 600« im Jahr 1965 und die Ostöffnung von 1989 haben zweifellos solche Impulse gegeben. Man soll den Einfluss solcher Epochenjahre aber auch nicht überschätzen. In der Regel sind es schon bestehende Strukturen, die die Rahmenbedingungen für eine gesellschaftsbezogene Wissenschaft vorgeben. Als historischer Hintergrund für einen Blick in die Zukunft ist dieser Sachverhalt nicht unwichtig. Wer sich in der Hochschulreform engagiert, muss nicht unbedingt auf Revolutions- und Umbruchsjahre warten. Der Aktualitätsbezug von Wissenschaft, um den es in dieser Skizze geht, realisiert sich in unterschiedlichen gesellschaftlichen Vermittlungssystemen, Austauschbeziehungen, Kommunikationskreisen. Das wichtigste dieser Austauschsysteme ist sicher das zwischen forschenden Lehrenden und Studieren-

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den – innerhalb des jeweiligen Fachs und darüber hinaus in interdisziplinärem Kontext. Aber die Universität soll kein geschlossenes System sein, wie es das allzu häufig bemühte Schlagwort vom »Elfenbeinernen Turm« ausdrückt. Viel an neuen Ideen, Themen, Fragestellungen von gesellschaftlicher Bedeutsamkeit kommt aus Beziehungen, die über den engeren Rahmen der Universität hinausgehen. Ich habe das jedenfalls so erlebt. Und ich glaube, in diesem Sinne auch für meine Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien sprechen zu können, die sich seit den 1960er Jahren um eine aktualitätsbezogenen Neuorientierung des Faches bemüht haben. Mutatis mutandis mögen manche dieser Erfahrungen auch für andere Fächer gegolten haben. Auf vier dieser umfassenden Vermittlungssysteme möchte ich mich im Folgenden konzentrieren: zunächst Universität und Schule, dann Universität und Erwachsenenbildung, weiters Universität im Kontext internationaler Lehrtätigkeit und schließlich – mit besonderem Wien-Bezug – die »Wiener Vorlesungen«. Wesentlich ist mir, dass in solchen Vermittlungssystemen die Weitergabe von Ideen, Themen, Fragestellungen nicht nur in eine Richtung läuft – gleichsam als ein »trickle down«-Prozess von den »Höhen« der wissenschaftlichen Forschung über die universitäre Lehre in die »Niederungen« von Schule oder Erwachsenenbildung. Prozesse der Weitergabe können auch in umgekehrter Richtung erfolgen – als Anregung aus der Schule, aus der Lehrerfortbildung, aus dem Volkshochschulwesen. Wesentlich ist mir weiters, dass die Kommunikation in solchen Vermittlungssystemen jeweils von der Gestaltung sehr konkreter sozialer Beziehungen abhängt – etwa zwischen den Lehrenden an den AHS und an den Universitäten. Diese persönlichen Kontakte über Lehre und Forschung an den Universitäten hinaus sind für die Dynamik des akademischen Lebens wichtig. Wesentlich ist mir schließlich, dass solche Vermittlungssysteme sich auf größere gesellschaftliche Zusammenhänge beziehen, dass in ihnen Verantwortlichkeit vor einer umfassenden Öffentlichkeit besteht. Das soll mein erstes Beispiel zeigen, das sich mit dem Vermittlungssystem Schule und Universität beschäftigt. 1969 wurde das erweiterte Schulfach »Geschichte und Sozialkunde« eingeführt. Es ging dabei um die bildungspolitisch längst fällige Integration sozialwissenschaftlicher Bildungsstoffe, für die allerdings im herkömmlichen Geschichtsunterricht keinerlei Anknüpfungspunkte gegeben waren. 1971 wurde der neue Lehrplan für das Fach »Geschichte und Sozialkunde« eingeführt – ohne überzeugende Lösung des Problems der Verbindung von alten und neuen Inhalten. In Hinblick auf die Notwendigkeiten einer veränderten Lehrerausbildung kam es im gleichen Jahr zur Schaffung einer neuen Professur für Sozialgeschichte. Sie entsprach auch der in den vorangehenden Hochschulreformdebatten immer häufiger artikulierten Forderung nach einer stärkeren Eta-

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blierung von sozialwissenschaftlichen Lehrinhalten an den Universitäten. Ebenso im Jahr 1971 wurde von einer Gruppe junger Assistenten und AHSProfessoren die Lehrerfortbildungszeitschrift »Beiträge zur historischen Sozialkunde« gegründet, die bis heute besteht. Es ging darum, vom neuen Lehrplan vorgesehene sozialkundliche Themen aus historischer Perspektive zu behandeln und für den Unterricht aufzubereiten. Die erste Nummer zählt diesbezüglich programmatisch auf: Familie, Peer Groups der Jugendlichen, Gemeinde, Lokalgruppe, Nachbarschaft, informelle Gruppen etc. Um solche Themen historisch zu behandeln, war viel an wissenschaftlichem Neuland zu erschließen. Zahlreiche andere Themen kamen hinzu. Exemplarisch seien die Titel einiger Themenhefte aus den ersten Jahrgängen der Zeitschrift genannt: »Primärgruppen in der alteuropäischen Gesellschaft«, »Die Alten«, »Jugend im historischen Wandel«, »Öffentlichkeit und politische Berechtigung«, »Familie und Emanzipation«. Gerade die Familienthemen begründeten eine unerwartete Erfolgsstory. Einige Aufsätze aus den »Beiträgen zur historischen Sozialkunde« wurden 1979 im angesehenen Wissenschaftsverlag C.H. Beck in München unter dem Titel »Vom Patriarchat zur Partnerschaft. Zum Strukturwandel der Familie« als Taschenbuch herausgebracht. Dieses Taschenbuch erschloss einen Leserkreis weit über die Fachwelt der Geschichtswissenschaft hinaus. 1994 erschien es in vierter Auflage. Inzwischen lagen bereits Übersetzungen ins Englische und ins Japanische vor. Die Historische Familienforschung erlebte in den 1970er Jahren einen enormen Aufschwung – wohl vor allem durch den aktuell miterlebten Wandel der Familienverhältnisse bedingt. In den USA wurde damals das »Journal of Family History« gegründet. In England entstanden die richtungsweisenden internationalen Sammelbände der »Cambridge Group for the History of Population and Social Structure«. Und die Wiener Sozialgeschichteforschung war bei allen diesen weltweiten Unternehmungen von den ersten Anfängen an mit dabei. Es war eine schöne und wichtige Erfahrung, dass Inhalte und Darstellungsformen, wie sie für den Adressatenkreis Schule gewählt wurden, sich in der internationalen Wissenschaft als so erfolgreich erwiesen. Auch andere Themen, die in den »Beiträgen zur historischen Sozialkunde« schon in dieser Frühphase aufgegriffen wurden, haben die »Wiener Wege der Sozialgeschichte« nachhaltig beeinflusst – etwa die Sozialgeschichte der Jugend und des Alters. Die entscheidenden Anstöße zu solchen Arbeitsfeldern kamen nicht – wie späterhin dann häufig – aus langfristig festgelegten nationalen und internationalen Forschungsförderungsprogrammen der Wissenschaftsbürokratie, sondern aus Kontakten zwischen Universität und Schule. Ein weiteres Beispiel soll die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Schulen an einem anderen Themenbereich illustrieren. Am 12. September 1983 trafen sich Lehrerinnen und Lehrer an Hochschulen sowie von unterschiedlichen Schultypen am Pädagogischen Institut der Stadt Wien. Sie wollten hier nicht das

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Jubiläum der Türkenbefreiung von 1683 begehen, das in ganz Österreich an diesem Tag gefeiert wurde. Ihr Motiv war vielmehr die Sorge, wie sich türkische Schulkinder bei diesen Jubiläumsfeierlichkeiten fühlen würden. Aus den Gesprächen entstand ein neuartiges Konzept. Ein kommentierter Quellenband »Schmelztiegel Wien einst und jetzt« sollte die Arbeitsgrundlage für ein Bemühen um ein besseres Verstehen von Zuwanderern und ihren Problemen im Unterricht bieten. Solches Quellenmaterial wurde in der Folgezeit an 25 Wiener Schulen – von der Sonderschule bis zur AHS – ausprobiert. Im Bereich Geschichte handelte es sich wohl um das größte Projekt zwischen Schulen und Universität überhaupt. Auch für die Wissenschaft hat es wichtige Anstöße gegeben. Und für politische Bemühungen um die Integration von Migranten besitzt es wohl weiterhin Aktualität. Welcher Ausblick könnte solchen Blicken zurück auf Aktivitäten zwischen Universitäten und Schulen entsprechen? Am 24. Februar 2010 veranstaltete die »Plattform Christen und Muslime« eine Diskussion zum Thema »Religion im Klassenzimmer«. Zu Recht wurde hier festgestellt: Religion hat über den Religionsunterricht hinaus einen wichtigen Platz im Rahmen verschiedener Schulfächer, insbesondere der Geschichte. Hier geht es eher um einen historischkritischen Ansatz als um einen normativ-dogmatischen, was eventuell zu Spannungen führen könnte. Umso wichtiger erscheint die Kooperation der Fächer in der Schule, aber auch zwischen Schule und Universität. In einer kulturgeschichtlich bzw. historisch-anthropologisch erweiterten Sozialgeschichteforschung gibt es inhaltliche Ansatzpunkte dafür, die allerdings ausgebaut werden müssten. In den Schulen wäre sowohl inhaltlich wie methodisch eine Menge dafür zu tun. Eine geeignete Ebene für den Austausch zwischen Schulen und Universitäten könnten interkulturelle bzw. interreligiöse Lehrerfortbildungsseminare bilden. Hochschullehrer, die dafür zur Verfügung stehen, wären hier sicher nicht nur Gebende, sondern auch Nehmende – eine interessante Chance für die Wissenschaft. Lehrerfortbildungsseminare – in welcher Form auch immer organisiert – scheinen mir als das wichtigste Scharnier im Vermittlungssystem Schule und Universität. Das haben etwa die intensiven Lehrerfortbildungsaktivitäten des »Interuniversitären Instituts für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF)« auf dem Gebiet der Politischen Bildung seit den 1970er Jahren gezeigt, an denen Vertreter des Faches Sozialgeschichte maßgeblich mitgewirkt haben. Im Rahmen dieses Vermittlungssystems könnten für die gesellschaftliche Integration unterschiedlicher ethnischer Gruppen wichtige Themen angesprochen werden – weit über religiöse Aspekte hinaus. Hierin liegt meiner Überzeugung nach eine besondere gemeinsame Verantwortung von Schule und Universität. Als zweites Beispiel für Aktualisierungsmöglichkeiten von Sozialgeschichte sei das Vermittlungssystem Universität und Erwachsenenbildung angesprochen.

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Um zu diesem Themenkomplex überzuleiten, muss ich von einer bemerkenswerten Frau erzählen, die die »Wiener Wege der Sozialgeschichte« stark beeinflusst hat – Maria Gremel, Kleinhäuslerstochter aus der Buckligen Welt, geboren 1901, die als Rentnerin in hohem Alter – für ihr Herkunftsmilieu damals ziemlich untypisch – eine eindrucksvolle Autobiographie verfasst hat. Im Sommersemester 1982 lief am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte ein Seminar über den Wandel von Familien- und Alltagsleben im ländlichen Raum. In dieses Seminar brachte ein Teilnehmer die Autobiographie von Maria Gremel. Die überzeugende Wirkung dieses Manuskripts setzte sich rasch auf verschiedenen Ebenen fort. In einem Anschlussseminar unter dem Titel »Ich kam vom Land in die Stadt« an der Volkshochschule Ottakring machte Maria Gremel selbst mit. Es entstand aus diesem Kreis das so genannte »Modell Ottakring« in Verbindung von lebensgeschichtlichem Erzählen und Schreiben in der Erwachsenenbildung. Der Böhlau Verlag unternahm es, das ungewöhnliche Manuskript zu publizieren. Auf eine Rundfunksendung mit Maria Gremel folgte ein Auftritt in einer beliebten Fernsehsendung mit großer Breitenwirkung. Wenige Tage später waren ihr Bild und ihr Buch auf der Titelseite der »Kronenzeitung«. Mit einem Empfang bei Bundespräsident Kirchschläger erreichte diese persönliche Erfolgsgeschichte ihren Höhepunkt. Die fachlichen Auswirkungen von Maria Gremels Buch »Mit neun Jahren im Dienst. Mein Leben im Stübel und am Bauernhof« waren vielfältig. Verschiedene Initiativen entstanden auf dieser Grundlage: - Zunächst die »Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte mit heute über 3000 Selbstzeugnissen – vorwiegend von Autorinnen. Viele von ihnen sind dem Beispiel Maria Gremels gefolgt. Autobiographie-Schreiben war bisher ein Oberschichtenphänomen – von Politikern, Künstlern, Professoren. Wenn nun Frauen und Männer aus ganz anderen sozialen Schichten zu schreiben begannen und mit ihrer Lebensgeschichte auch weithin Beachtung fanden, bedeutete das einen wichtigen Schritt der Emanzipation. Der Begriff »Geschichte von unten« wird hier wohl zu Recht gebraucht. Die »Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen«, die so entstand, ist ein ungewöhnliches Archiv, das auf sehr unterschiedlichen Gebieten neuartige Quellen zur Verfügung stellt. Ein Beispiel aus der Frühzeit der Sammlung: 1986 folgten Dutzende Autorinnen und Autoren einem Schreibaufruf zum Thema »Elektrifzierung«. Dieses Thema wurde bis dahin primär technikgeschichtlich behandelt. In der lebensgeschichtlichen Perspektive erhielt es eine ganz neue Dimension. Der Sammelband »Als das Licht kam«, der aus diesem Schreibaufruf entstand, erschließt eine grundlegende Veränderung alltäglicher Lebenswelten. Auch in der Auswertung des Materials ergaben sich Möglichkeiten, neuen gesellschaftlichen Entwicklungen in der Wissenschaft Rech-

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nung zu tragen – der Frauengeschichte etwa oder der Umweltgeschichte. In Anschluss an die Wende von 1989 kam es an der Universität Prag zur Gründung einer analogen Dokumentationsstelle von Lebensgeschichten. Ähnliche Aktivitäten wurden damals in Budapest unternommen. Ein Band mit Texten der popularen Autobiographik aus Bulgarien wurde von der Wiener Dokumentation ediert. - Dann die Editionsreihe von Texten der popularen Autobiographik »Damit es nicht verlorengeht…« – in Anschluss an Maria Gremels Autobiographie bisher 68 Bände umfassend. Titel wie »Hände auf die Bank. Erinnerungen an den Schulalltag«, »Es war eine Welt der Geborgenheit. Bürgerliche Kindheit in Monarchie und Republik«, »Auf der Walz. Erinnerungen böhmischer Handwerksgesellen«, »Was auf den Tisch kommt, wird gegessen. Geschichten vom Essen und Trinken«, »Schade um all die schönen Stimmen. Erinnerungen an Musik im Alltagsleben«, »Faszination des Fahrens. Unterwegs mit Fahrrad, Motorrad und Automobil«. »Beichten. Autobiographische Zeugnisse zur katholischen Bußpraxis« zeigen das breite Spektrum hier behandelter Themen. Solche Themen weisen – im Gegensatz zu einer älteren, eher strukturgeschichtlich ausgerichteten Prägung des Faches – in die Richtung einer stark lebensweltlich orientierten Sozialgeschichte. In der Bildungsarbeit wurden diese Bände vielfältig eingesetzt und haben viele Menschen zur Reflexion eigener und fremder lebensgeschichtlicher Erfahrungen angeregt. Zu einer institutionalisierten Form der Arbeit mit popularer Autobiographik kam es in der Erwachsenenbildung in Schreib- und Erzählkreisen nach dem »Modell Ottakring«. - Schließlich sind Rundfunkreihen zu alltagsgeschichtlichen Themen in Anschluss an die mit Maria Gremel begonnene Arbeit zu nennen. Das interaktive Schema von Lesung aus einer Lebensgeschichte, wissenschaftlichem Gespräch darüber und anschließender Gelegenheit zu Anrufen von Hörerinnen und Hörern erwies sich weiterhin als nützlich. Durch die Sendungen wurde eine breites Material an lebensgeschichtlichen Zeugnissen erschlossen, dass nun der interdisziplinären Forschung zur Verfügung steht. Die Zusammenfassung zu einem österreichweiten »Medienverbundprogramm Alltagsgeschichte« stellte den Höhepunkt solcher Bemühungen im Rahmen der Erwachsenenbildung dar. Dass sich Alltagsgeschichte als eine anerkannte Disziplin durchsetzen konnte, wurde sicher nicht unwesentlich durch solche Initiativen beeinflusst. Über die familien- und alltagsgeschichtlichen Schwerpunkte hinaus hat sich die Rundfunkarbeit auf andere sozialgeschichtlichen Themen ausgeweitet – von der Nachfragesituation her bedingt mit besonderem Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen.

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Viele der genannten Aktivitäten laufen weiter. Dabei haben sich neue Schwerpunkte ausgebildet, die sicher Zukunft haben. Das gilt etwa für den Einsatz von lebensgeschichtlichem Schreiben und Erzählen in der Altenarbeit. Nicht alle Versuche des Ausbaus waren freilich erfolgreich. Lebensgeschichtliche Arbeit als Bildungselement auf dem Weg der Integration von Migranten, war mir ein großes Anliegen. Als systematische Aktivität ist das bisher noch nicht gelungen. Vielleicht ist die Zeit dafür noch nicht reif. Mein drittes Beispiel eines über die eigene Universität hinausgehenden Vermittlungssystems betrifft akademische Lehre in internationalem Kontext. Dass ein solches Überschreiten Innovation und Aktualität bewirken kann, erscheint ziemlich selbstverständlich und keineswegs als eine Wiener Besonderheit. Man geht nach Paris oder London oder gar in die USA. Man knüpft dort wissenschaftliche Kontakte. Und man weiß dann, wie sich Mainstream-Wissenschaft weiter entwickelt. Ich möchte diesem »Go west« ein »Go east« gegenüberstellen. Nach 1989 war westliche Wissenschaft an den Universitäten in Ost- und Südosteuropa sehr gefragt. Das galt auch für neue Wege der Sozialgeschichte, insbesondere für die Historische Familienforschung. Bei vielen dieser Einladungen ging es durchaus konventionell zu. Es gab aber auch bemerkenswerte Ausnahmen. Eine solche erlebte ich bei den »Winter Balkan Meetings«. Sie fanden in der Kleinstadt Bansko im Pirin-Gebirge und später dann in Blagoevgrad in Bulgarisch-Mazedonien statt. Die Teilnehmer kamen einerseits aus Bulgarien und anderen Balkanländern, andererseits aus Wien und Graz. Zeitweise wurde ein Graduiertenkolleg dieser beiden Universitäten in die Meetings eingebunden. Auf die Dauer von acht bis zehn Tagen lebte man während der Lehrveranstaltungszeit und darüber hinaus zusammen. Unvergesslich bleibt mir die Antwort eines bulgarischen Ethnographen am Rande der Veranstaltung auf meine Frage nach seinem derzeitigen Forschungsthema: »Erscheinungen von Heiligen in Träumen von Studenten«. Auf meinem Wiener Erfahrungshintergrund war mir ein solches Thema sehr fremd. Eine bulgarische Kollegin konnte den Kulturunterschied aus Praktiken ostkirchlicher Ikonenfrömmigkeit plausibel erklären. Auf Schritt und Tritt begegneten wir solchen Differenzen in Lebenswelt und Wissenschaftskultur. An ihnen komparativ zu arbeiten, war eine spannende Angelegenheit. Bewusst wurde die jeweilige Themenwahl den bulgarischen Kolleginnen und Kollegen überlassen und damit die spezifische Aktualität für die Gastgeber respektiert. Bei Themen wie »Gabe und Schatz« oder »Ahnen und Vorläufer« suchte man in der westlichen Literatur vergeblich nach Entsprechungen. Umso mehr Einsichten stellten sich ein, wenn man aus westlicher Perspektive einen Zugang versuchte. Sie führten letztlich zu einer Zugangsweise, die man am besten als »historisch-anthropologisch« charakterisieren kann. Inneruniversitär hat sich eine solche Fachbezeichnung noch nicht durchgesetzt. Als Fokus der Neuorientierung hat sie aber sicher Zukunft. Inhaltlich und sozial

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war aus diesen Wissenschaftsgesprächen viel zu lernen – vor allem auch, wie bereichernd es ist, sich auf Wissenschaftskulturen einzulassen und sie zu respektieren, die außerhalb des Mainstreams liegen. Wissenschaftliche Netzwerke, wie sie durch die »Winter Balkan Meetings« geknüpft wurden, leben in vielfachen Zusammenhängen weiter. Für mich persönlich war der wichtigste Gewinn, interkulturelles Vergleichen durch Mitleben in einer fremden Wissenschaftskultur exemplarisch zu erlernen. Ich denke, in späteren Arbeiten an solche interkulturelle Vergleiche ertragreich angeknüpft zu haben – durchaus auch bezüglich anderer Kulturräume. Im Ausblick auf die Weiterentwicklung unseres Faches scheint mir der Kulturvergleich eine besonders wichtige Zugangsweise. Bis hin zu globalgeschichtlichen Ansätzen ist er unverzichtbare Basis. Das vierte Beispiel eines über die Universität hinausgehenden Vermittlungssystems hat einen besonders starken Wien-Bezug, nämlich die »Wiener Vorlesungen«. Obwohl die Bezeichnung »Vorlesung« dem akademischen Lehrbetrieb entnommen ist, hat die Veranstaltung vom Adressatenkreis her doch einen etwas anderen Charakter. Sie richtet sich an eine urbane intellektuelle Öffentlichkeit. Und über diese vermittelt sie wissenschaftliche Inhalte an einen besonders weiten Personenkreis. Die Möglichkeit der Publikation von Vortragstexten trägt zusätzlich zur Breitenwirkung bei. Inhaltlich ist die Fokussierung auf Wesentliches erforderlich. Aus den eigenen Arbeiten muss ausgewählt werden, was für dieses spezifische Publikum aktuelle Bedeutung haben könnte. Zu fünf Themen wurde mir Gelegenheit gegeben, meine Vorstellungen vor einem solchen Forum zu entwickeln: 1996 gemeinsam mit der amerikanischen Familienhistorikerin Tamara Hareven zu »Entwicklungstendenzen der Familie«, 1996 unter dem Titel »Millennien und andere Jubeljahre – Warum feiern wir Geschichte?« zu Auswirkungen von Gedenkjahren auf das Geschichtsbewusstsein, 1998 zu »Wege nach Wien. Migration im Rückblick« auf der Basis von lebensgeschichtlichen Selbstzeugnissen, 2002 zu »Die Entwicklung Europas – ein Sonderweg?« als Vorstudie zu einem größeren Band »Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs« und 2009 zu »Parlament und Schura. Ratsversammlungen und Demokratieentwicklung in Europa und der islamischen Welt.« Jede dieser Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen hat mir inhaltliche Anregungen gegeben. Die letztgenannte erschloss mir wichtige Kontakte zu Vertretern der islamischen Gemeinde in Wien. Aus solchen Kontakten ergaben sich weiterführende Gespräche und Kooperationen. Derartige Auswirkungen auf lange Sicht stehen exemplarisch für die Möglichkeiten, die die »Wiener Vorlesungen für das intellektuelle Gesprächsklima der Stadt bieten. Die vier skizzierten Vermittlungssysteme zwischen dem eigenen Hochschulfach und außeruniversitären Bereichen stellen sicher nur einen schmalen Ausschnitt aus möglichen Austauschbeziehungen dar, die für eine Aktualisierung von Wissenschaft wichtig sein können. Manche der dargestellten Aktivi-

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täten waren von einmaligen Konstellationen abhängig – von persönlichen Begegnungen, von unwiederholbaren Situationen. Trotzdem lassen sich – so glaube ich – allgemeine Gedanken aus ihnen ableiten, die grundsätzlich für eine an Aktualität, an Gegenwartsbezug, an gesellschaftlicher Relevanz interessierte Wissenschaft zutreffen. Ein erstes Prinzip der Aktualisierung lautet für mich: Hinausgehen. Hinausgehen nicht nur im Sinne der klassischen »peregrinatio academica« von Universität zu Universität, sondern auch in gesellschaftliche Felder, die dem akademischen Leben weniger vertraut sind – ins Bergbauerndorf, in die Migrantenfamilie, ins Altersheim. Dieses Hinausgehen gilt für Lehrende und Studierende in gleicher Weise, wie ich am »Modell Ottakring« zu illustrieren versucht habe. Schule und Erwachsenenbildung sind diesbezüglich sicher besonders wichtige Bereiche. Aber auch andere Praxisfelder könnten eine solche Bedeutung gewinnen. Eine gesellschaftsoffene Universität wird sich immer wieder von neuem auf solche Praxisfelder zu beziehen haben. Als eine zweite Voraussetzung aktuell bezogener Wissenschaft möchte ich den sozialen Kontext nennen. Alle die genannten Aktivitäten waren nur auf der Basis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit engagierten Freunden, Kollegen, Mitarbeitern möglich. Egalität muss vor Autorität, Solidarität vor Konkurrenz den Vorrang haben, wenn man sich gemeinsam um eine gesellschaftsrelevante Wissenschaft bemüht. Und auch mit den Partnerinnen und Partnern im außeruniversitären Milieu scheint mir ein entsprechendes soziales Klima wichtig. Dass wir von unseren Bergbäuerinnen, Kleinhäuslern, Hebammen, Dienstmädchen, Holzknechten so viel lernen konnten, hat wohl auch mit sozialer Empathie zu tun. Ein drittes Erfordernis für eine um Aktualität bemühte Wissenschaft sind meiner Überzeugung nach freizügige Arbeitsbedingungen. Ich selbst habe sie stets genossen – dank eines liberalen Institutsvorstands auch in der Zeit einer stark hierarchisch organisierten Professoren-Universität. Mehr Freiheit in Forschung und Lehre war eine der Forderungen der studentischen Hochschulreformbewegung der 1960er Jahre, der ich mich stets verbunden gefühlt habe. Das »Symposion 600« stellte einen Höhepunkt dieser Aufbruchstimmung dar. Der Geist der Liberalität, der Offenheit, der Veränderungsbereitschaft, der damals herrschte, gehört zu den ideellen Grundprinzipien der Universität. Aber dieses alte Anliegen muss unter veränderten Rahmenbedingungen von jeder Generation neu erarbeitet werden, soll die Universität ihren gesellschaftlichen Aufgaben gerecht werden.

Brigitte Rollett

Die Stadt Wien und das Fach Psychologie an der Universität Wien: Geschichte einer Kooperation

1.

Die organisatorischen Rahmenbedingungen und ihre Veränderungen

Die Stadt Wien und die Fakultät für Psychologie der Universität Wien verbindet eine lange Tradition einer engen und fruchtbaren Zusammenarbeit. Die Geschichte dieser Kooperation umfasst zwei große Phasen: Die erste begann mit der Berufung von Karl Bühler (1879 – 1963) auf das Ordinariat für Psychologie und war formell durch Verträge gesichert. Sie reichte von der Gründung des Psychologischen Instituts 1922 bis zur dramatischen Auflösung des Instituts 1938, die mit der Verhaftung Karl Bühlers nach der Machtergreifung durch das nationalsozialistische Regime und der anschließenden Emigration des Ehepaars Bühler in die USA begann. (Näheres dazu findet sich in der 1992 erschienenen Autobiographie Charlotte Bühlers; siehe vor allem auch Benetka, 1995). In der Folge wanderte der Lehrstuhl Karl Bühlers zum Philosophischen Institut und die zuvor von Charlotte Bühler (1893 – 1974) geleitete Abteilung für Kinder- und Jugendpsychologie zum Pädagogischen Seminar der Universität Wien. Die Abteilung wurde dort von der Bühler-Schülerin Sylvia Klimpfinger (nach ihrer Heirat Bayr-Klimpfinger) zunächst als Assistentin, nach ihrer Habilitation als Professorin in Lehre und Forschung geleitet. Die zweite Phase der Kooperation des Psychologischen Instituts mit der Stadt gliedert sich in drei Etappen. Die erste begann mit der Neugründung des Instituts 1945 und der Berufung Hubert Rohrachers (1903 – 1972) auf das Ordinariat für Psychologie 1947 und war durch den mit großem Erfolg gestalteten Wiederaufbau des Lehr- und Forschungsprogrammes gekennzeichnet. Sie war unter anderem durch die Rezeption der internationalen, vor allem US-amerikanischen Forschung und eine rege dadurch initiierte wissenschaftliche Produktivität charakterisiert. Die Aufbauarbeit wäre ohne die Nutzung der vielfältigen Kontakte mit der Stadt Wien nicht so erfolgreich verlaufen. Diese Etappe endete mit dem viel zu frühen Tod Hubert Rohrachers 1972. Fast zeitgleich

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wurden das Bundesgesetz für die geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Studienrichtungen 1971, das langfristig die Umstellung auf das Diplomstudium bewirkte und das Universitätsorganisationsgesetz (UOG 1975) erlassen, das eine einschneidende Veränderung der universitären Entscheidungsstrukturen und damit der Rahmenbedingungen der Kooperation mit außeruniversitären Einrichtungen brachte und eine neue Etappe mit veränderten Kooperationsstrukturen begründete: Alle Entscheidungsgremien wurden paritätisch besetzt und bestanden zur Hälfte aus Vertretern und Vertreterinnen der Professorenschaft und je zu einem Viertel aus der Gruppe der Assistenten und Assistentinnen und der Studierenden. Auf Institutsebene war nunmehr die Institutskonferenz das oberste Entscheidungsorgan, das von einem auf zwei Jahre gewählten Institutsvorstand geleitet wurde. Sofern Kooperationen mit außeruniversitären Einrichtungen formellerer Art angestrebt wurden (bzw. solche, die universitäre Ressourcen in Anspruch nahmen), mussten dieses Gremium bzw. alle jeweils betroffenen, zur Klärung bestimmter Fragen eingerichtete Unterkommissionen zustimmen. Der neue Entscheidungsweg führte zumindest zu beträchtlichen Verzögerungen. In derselben Zeit waren die Umstellungen auf die Diplomprüfungsordnung im Fach Psychologie und in der universitären Lehrerbildung zu bewältigen. In beiden Fällen waren verpflichtende Praxisanteile zu organisieren, die ohne eine entgegenkommende Regelung der Kooperation mit den sozialen Einrichtungen der Stadt Wien bzw. dem Stadtschulrat, dem Pädagogischen Institut der Stadt Wien und den Schulen nicht möglich gewesen wären. Die dritte Etappe wurde durch das »Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten« (UOG 1993) eingeläutet, das den Universitäten durch die Zuweisung eines Globalbudgets wesentlich größere Handlungsspielräume eröffnete. Dieses Gesetz wurde schließlich vom Universitätsgesetz 2002 (UG 2002) abgelöst, das den österreichischen Universitäten die Vollrechtsfähigkeit zuerkannte, aber auch das Ende der Gruppenuniversität bedeutete.

2.

Die erste Phase der Kooperation zwischen Universität und der Stadt Wien: Das »Bühler-Institut«

Die Gründung des ursprünglichen »Psychologischen Instituts« als eigenständige, von der Philosophie getrennte Einrichtung, verlief nicht ohne gravierende Schwierigkeiten. Da für das Institut weder Räume noch Personal zur Verfügung standen, waren erste Berufungsverhandlungen auf das neue Ordinariat für Psychologie mit den bekannten Psychologen E. Becher (1882 – 1929) und E.R. Jaensch (1883 – 1940) zunächst einmal gescheitert. Als Karl Bühler schließlich

Die Stadt Wien und das Fach Psychologie an der Universität Wien

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im Jahr 1922 den Ruf annahm, war ihm dies nur möglich, weil die Stadt Wien der Universität ein attraktives Kooperationsangebot mit dem im selben Jahr gegründeten Pädagogischen Institut der Stadt Wien machte (siehe dazu Fadrus, 1924 sowie die ausführlichen Darstellungen von Benetka, 1989, 1995): Die Stadtverwaltung stellte der Universität Wien das Experimentalpsychologische Laboratorium, das seit 1913 an der niederösterreichischen Lehrerakademie bestanden hatte und sich seit der Trennung Wiens von Niederösterreich im Besitz der Stadt Wien befand, zur Verfügung. Das Psychologische Institut erhielt in diesem Zusammenhang Räume im zweiten Stock des Gebäudes des Stadtschulrates im Palais Epstein am Ring, die es bis 1934 inne hatte. Erst 1925 wurden dem Psychologischen Institut zusätzlich einige Räume im ehemaligen Gebäude des Landwirtschaftsministeriums in der Liebiggasse 5 zugewiesen. Sämtliche Kosten für das Psychologische Institut wurden von der Gemeinde Wien getragen. Karl Bühler übernahm dafür am neu errichteten »Pädagogischen Institut der Stadt Wien« die psychologische Ausbildung der Grundschullehrer und -lehrerinnen. Seine Frau, die bekannte Entwicklungspsychologin Charlotte Bühler erhielt die mit diesem Aufgabenbereich verbundene und von der Stadt Wien finanzierte Assistentenstelle. Karl Bühler hatte sich im Rahmen seiner psychologischen Forschungsarbeiten bereits früh mit der Kinder- und Jugendpsychologie beschäftigt. Dieser Bereich stellte einen wichtigen Forschungsschwerpunkt des neu gegründeten Psychologischen Instituts dar. Diese Ausrichtung war auch der Hauptgrund dafür, dass es zu der intensiven Zusammenarbeit mit der Stadt Wien kommen konnte: Die kinder- und jugendpsychologischen Forschungen des Ehepaars Bühler bildeten eine wesentliche Grundlage für die Wiener Schulreform unter O. Glöckel (siehe O. Glöckel 1927, S. 127 f). Die zentrale pädagogische Zielsetzung der Glöckelschen Schulreform bestand darin, dass sowohl die Organisationsstrukturen als auch der Schulunterricht selbst dem physischen und psychischen Entwicklungsstand der Schülerinnen und Schüler entsprechen sollte. Nicht abstrakte Spekulationen, sondern anwendungsorientierte empirische Untersuchungen über das Seelenleben von Kindern und Jugendlichen sollten die Basis einer kindgerechten Vermittlung der schulischen Bildungsangebote und des erzieherischen Umgangs mit Schülerinnen und Schülern sichern (SchenkDanzinger 1985). Ein derartiges Konzept ist auf evidenzbasierte empirische Befunde angewiesen, wie sie durch die Forschungen der beiden Bühlers zur Verfügung standen, bzw. durch ihre Forschungsarbeit entwickelt wurden. Aber auch die Forschung profitierte von dieser Zusammenarbeit. Durch die vertraglich abgesicherte Kooperation des Psychologischen Instituts mit der Stadtverwaltung Wien und ihren Einrichtungen war ein enger Bezug der psychologischen Forschung zur empirisch kontrollierten Anwendung auf die Praxis möglich, ein damals neuer Zugang zur psychologischen Forschung. Die Stu-

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dierenden wurden getreu dem Humboldtschen Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre von Anfang an systematisch in diese Forschungen einbezogen. Eine ganze Reihe der Schüler und Schülerinnen der Bühlers nahmen später selbst eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere in Angriff, so zum Beispiel Egon Brunswik (1903 – 1955), Liselotte Frankl (1910 – 1988), der Begründer der Logotherapie Viktor E. Frankl (1905 – 1997), Else Frenkel-Brunswik (1908 – 1958), Marianne Frostig (1906 – 1985), Hildegard Hetzer (1899 – 1991), die zunächst als Horterzieherin zu dem Team stieß, Marie Jahoda-Lazarsfeld (1907 – 2001), Paul Lazarsfeld (1901 – 1976), der die berühmte Studie über die Arbeitslosen von Marienthal durchführte und Lotte Schenk-Danzinger (1905 – 1992), die zunächst als von der Rockefeller-Stiftung bezahlte Assistentin am Institut arbeitete und u. a. durch die Entwicklung des ersten deutschen »Schulreifetests« und ihre Arbeiten zur Legasthenietherapie bekannt wurde. Ein weites Feld einer bis in die Gegenwart reichenden engen und für die Forschung ebenso wie für die Anwendungspraxis fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen dem Psychologischen Institut und den kinder- und jugendbezogenen Einrichtungen der Stadt Wien entstand durch die Öffnung der von Julius Tandler (1869 – 1936) im Zuge des Ausbaus der öffentlichen Fürsorge gegründeten »Kinderübernahmestelle« für die entwicklungspsychologische Forschung des Ehepaars Bühler. Es handelte sich bei dieser Einrichtung um die Quarantänestation für Kinder, die ihren Eltern aus verschiedenen Gründen abgenommen werden mussten. Unter der Leitung von Charlotte Bühler konnten hier 24stündige »Dauerbeobachtungen in natürlichen Lebenssituationen« durchgeführt werden, damals eine Sensation. Zu diesem Zweck waren entsprechende Umbaumaßnahmen vorgenommen worden, die den Einblick in die Schlaf- und Aufenthaltsräume der Kinder vom Gang aus ermöglichten (siehe dazu Rollett, 1993). Außerdem stand dem Forscherehepaar und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen das (mittlerweile nach einer kurzen Phase der Umbenennung in »Charlotte-Bühler-Heim« im Zuge der Deinstitutionalisierung aufgelöste) Zentralkinderheim der Stadt Wien sowie die Kindergärten und andere Einrichtungen der Kinder und Jugendarbeit als Forschungsstätten zur Verfügung, eine Praxis, die zu wichtigen wissenschaftlichen Resultaten führte. So entwickelten Charlotte Bühler und ihre Mitarbeiterinnen im Zuge der Zusammenarbeit mit den Kindergärten der Stadt Wien z. B. als wichtige Voraussetzung für die praktische Arbeit mit jungen Kindern die Kleinkindertests, die es ermöglichten, Förderbedarf frühzeitig zu erkennen und gezielt anzusetzen (Bühler, 1932; aktuelle Neuentwicklung: Kastner-Koller & Deimann, 20022). Karl Bühler erhielt von Seiten der Jugendbehörden der Stadt Wien einen Forschungsauftrag auf dem Gebiet der Jugendpsychologie, der von Charlotte Bühler durchgeführt wurde und das Ziel hatte, nicht nur, wie bis dahin üblich, die Entwicklung von Jugendlichen aus bildungsnahen Kreisen zu untersuchen, sondern eine reprä-

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sentative Studie der Entwicklung von Jugendlichen allgemein zu erstellen. Eine Zusammenfassung der frühen Ergebnisse dieser Forschungstätigkeit findet sich in dem 1928 erschienen Buch von Charlotte Bühler »Kindheit und Jugend« und in Karl Bühlers Buch »Die geistige Entwicklung des Kindes« (1930, siehe dazu auch Schenk-Danzinger, 1983, 1985). Diese Tradition der Bereitschaft zur Öffnung der Einrichtungen der Stadt Wien für die psychologische Forschung besteht bis heute. Sie charakterisierte und charakterisiert die Beziehung zwischen der akademischen Psychologie und den praxisorientierten Einrichtungen der Stadt Wien und hat in unbürokratischer Weise Forschungszugänge erschlossen, ohne die eine anwendungsbezogene Forschung nicht möglich ist. Diese Kooperationen haben auch wesentlich dazu beigetragen, die Ergebnisse der psychologischen Forschung für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt nutzbar zu machen, wie weiter unten noch ausgeführt wird. Die Doppelrolle Bühlers als Leiter des Pädagogischen Instituts der Stadt Wien und des Psychologischen Instituts der Universität hatte zur Folge, dass er sich auch der Gymnasiallehrerausbildung annahm. Er entwickelte und etablierte das Konzept für eine viersemestrige hochschulmäßige Ausbildung der Gymnasiallehrer und –lehrerinnen. Der Studienplan umfasste 16 Wochenstunden Psychologie (Glöckel, 1925 – 1932, Band 2 S. 59): Zwei dreistündige Vorlesungen (Allgemeine Psychologie, Jugendkunde), zwei zweistündige Vorlesungen (Experimentelle Psychologie, Psychopathologie des Jugendalters) und zwei dreistündige Psychologische Übungen. Leider musste diese anspruchsvolle und in ihrer Konzeption modernen Anforderungen an eine den Chancenausgleich sichernde individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler entsprechende Ausbildung im Sommer 1930 wegen der finanziellen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise eingestellt werden. Im Verlauf ihres fünfjährigen Bestehens nahmen immerhin 144 männliche und 155 weibliche Lehramtsstudierende daran teil. Einige dieser Studierenden wechselten anschließend in das Hauptfachstudium Psychologie, unter ihnen als prominentesten Vertreter der Wissenschaftstheoretiker Sir Karl Popper (1902 – 1994). Popper interessierte sich zeitlebens für Fragen der Lehrerbildung, wobei es ihm besonders um die Qualifizierung der zukünftigen Lehrer und Lehrerinnen ging. (Von ihm stammt übrigens ein humorvoller Beitrag zur Frage der Sicherung der Qualität der Lehrerschaft: Jeder Lehrer sollte mit seinem Dekret die Zusicherung der Möglichkeit erhalten, gegebenenfalls eine Stelle bei der Post antreten zu können, um im Falle einer fehlenden »Berufung« versorgt zu sein.) Als Alumnus und (nach seiner Emeritierung) zeitweiliger Gastprofessor der Universität Wien setzte Popper die Tradition der Kooperation mit den Einrichtungen der Stadt Wien fort, indem er

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sich z. B. 1993 als Schirmherr für die in Planung befindliche Gründung der Sir Karl Popper Schule für hochbegabte Jugendliche zur Verfügung stellte.1 Einen für die Universität besonders wichtigen und entsprechend positiv wahrgenommenen Bereich der Kooperation stellte und stellt die Bereitschaft der Wiener Stadtverwaltung und ihrer Geschäftsbereiche dar, Symposien, Tagungen und Kongresse ideell und finanziell zu unterstützen. Dies hat eine lange Tradition, wie am Beispiel der für die Entwicklung des Fachs Psychologie im europäischen Raum besonders bedeutenden Kongresse der 1929 aus der »Gesellschaft für experimentelle Psychologie« hervorgegangenen »Deutschen Gesellschaft für Psychologie« (die sich als Vereinigung der deutschsprachigen wissenschaftlichen Psychologen und Psychologinnen allgemein verstand), die 1929, 1964 und 1984 in Wien stattfanden, deutlich wird. 1929 war Karl Bühler der Einladende. Der von der Stadt Wien großzügig ausgerichtete Empfang im Rathaus trug wesentlich dazu bei, den »Wiener Kongress« im Bewusstsein der psychologischen Fachöffentlichkeit lebendig zu erhalten. Der Kongress stand unter dem programmatischen Leitmotiv, Möglichkeiten einer Überwindung der von Karl Bühler diagnostizierten »Krise der Psychologie« zu diskutieren (siehe dazu Bühler, K. 1927). Die Krise sah er in dem Auseinanderdriften der von ihm postulierten »drei Aspekte des Psychischen« (Erleben, Verhalten und »Geist«, d. h. die für die kognitiven Verarbeitungen zuständige Instanz) in der psychologischen Forschung begründet: Einseitige Betonung des Erlebnisaspektes in den verschiedenen Richtungen der sogenannten »Erlebnispsychologie« (unter die Bühler auch die Psychoanalyse Freuds subsummierte), des Verhaltensaspektes in dem zunehmend an Bedeutung gewinnenden US-amerikanischen Behaviorismus (der mit einer Leugnung aller kognitiven Verarbeitungsprozesse einherging und ihre Untersuchung als »Armchair Psychology« abqualifizierte) sowie der Reduzierung der psychologischen Forschung auf den Aspekt der durch »systematisch experimentelle Selbstbeobachtung« gewonnenen Einsichten in innerpsychische Prozesse in der »geisteswissenschaftlichen Psychologie« der damaligen Zeit. Er plädierte für eine Integration dieser verschiedenen Zugangsweisen in der psychologischen Forschung. 1 Anmerkung: Der damalige Stadtschulratspräsident Dr. Kurt Scholz hatte das Projekt von Anfang an unterstützt. Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP wurde im November 1996 die Gründung der Schule beschlossen und als Standort das Wiedner Gymnasium unter der Leitung von HR Direktor Dr. G. Schmid ausgewählt. Die Wissenschaftliche Projektgruppe, die das Konzept für die Schule erarbeitete, setzte sich aus Vertretern des Wiener Stadtschulrates (Landesschulinspektor K. Blüml und Landesschulinspektor H. Dirnbacher) sowie Vertretern der Universität (ao. Univ.-Prof. Dr. F. Oswald, Leiter des universitären Zentrums für das Schulpraktikum, o. Univ.-Prof. Dr. B. Rollett und Dr. G. Hager) zusammen. Mittlerweile kann die Sir Karl Popper Schule auf eine erfolgreiche Geschichte der Förderung hochbegabter Jugendlicher aus allen Bevölkerungsschichten zurückblicken.

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3.

Die zweite Phase der Kooperation zwischen der universitären Psychologie und der Stadt Wien

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Die erste Etappe: Das »Rohracher-Institut« (1947 – 1972)

Hubert Rohracher, der seit 1943 trotz seiner Distanz zum Nationalsozialismus eine ao. Professur für Psychologie innegehabt hatte, wurde 1947 auf das Ordinariat für Psychologie berufen. Es gelang ihm, trotz aller zunächst bestehenden räumlichen, personellen und finanziellen Einschränkungen durch eine äußerst erfolgreiche Aufbauarbeit sowohl was die Ausstattung als auch die Lehre und Forschung betraf, der Wiener Psychologie wieder die Rolle in der europäischen Universitätslandschaft zurück zu erobern, die sie zu Zeiten Bühlers inne gehabt hatte. Insbesondere forcierten Rohracher und sein Team die Rezeption der anglo-amerikanischen Entwicklungen der Lernpsychologie, die Anwendung der statistischen und testpsychologischen Verfahren in der psychologischen Forschung und die Untersuchung »hirnelektrischer Vorgänge«. Rohracher erkannte somit schon früh die Bedeutung der Neuropsychologie für die Erklärung psychischer Phänomene. Zusätzliche Professuren wurden erst relativ spät eingerichtet: Zunächst erhielt Erich Mittenegger eine Professur für Experimentelle und Angewandte Psychologie, auf die ihm, nach seiner Berufung auf ein Ordinariat an der Universität Graz, 1968 Giselher Guttmann nachfolgte. Gerhard Fischer wurde 1968 auf das neu eingerichtete Ordinariat für Psychologische Methodenlehre und Mathematische Statistik berufen. Das anspruchsvolle Forschungsprogramm des Psychologischen Instituts führte dazu, dass eine große Anzahl von Lehrstühlen im Fach Psychologie im deutschsprachigen Raum von österreichischen und hier vor allem von Wiener Absolventen und Absolventinnen besetzt wurde. In Deutschland begann man daher scherzhaft von der »österreichischen Mafia« zu sprechen. Ein Resum¦e dieser erfolgreichen Entwicklungsarbeit konnte Rohracher in dem 1964 von ihm ausgerichteten Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie vorstellen, wieder ein Anlass für die Stadt Wien, ihre Verbundenheit mit dem Psychologischen Institut durch eine finanzielle Unterstützung und vor allem auch durch einen glänzenden Empfang im Rathaus zu dokumentieren. 1962 wurde die unter der Leitung der Bühler-Schülerin Professorin Sylvia Bayr-Klimpfinger stehende Kinder- und Jugendpsychologische Abteilung des Pädagogischen Seminars der Universität Wien realiter an das Psychologische Institut zurückgeführt, blieb aber formell mit dem Institut für Pädagogik verbunden. Bayr-Klimpfinger setzte die durch Charlotte Bühler begründete Tradition der engen Zusammenarbeit mit den kinder- und jugendpsychologischen Einrichtungen der Stadt Wien fort. Einen besonderen Stellenwert hatte in die-

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sem Zusammenhang das bereits von Charlotte Bühler eingeführte »Kinderbegutachtungspraktikum«, das neben seiner Funktion als einer Lehrveranstaltung, die forschendes Lernen im Praxisbereich ermöglichte, eine wichtige Serviceeinrichtung im kinder- und jugendpsychologischen Bereich für die Bürger und Bürgerinnen der Stadt bildete. Eine weitere in diesem Zusammenhang bedeutende Einrichtung war der seit dem Jahr 1940 bestehende Lehrkindergarten, der 1967 ebenfalls an das Psychologische Institut abgegeben und 1980 unter der Leitung Brigitte Rolletts, der Nachfolgerin Bayer-Klimpfingers, in einen Forschungskindergarten umgewandelt wurde. (Heute befindet er sich auf dem »Universitätscampus Altes AKH«). Da die Studierenden auf diese Weise in praxisbezogener Form ausgebildet werden konnten, erhielten viele von ihnen im Anschluss an ihr Studium Stellen im Beratungs- und Bildungswesen der Stadt Wien und in ganz Österreich, so dass wichtige Vernetzungen und darauf aufbauende Kooperationen entstanden.

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Die zweite Etappe: Entwicklung des Instituts für Psychologie und der Kooperationen mit der Stadt Wien zur Zeit des UOG 1975

3.2.1 Die Etablierung der Gruppenuniversität Bereits 1971 war eine einschneidende Veränderung der Studien durch das »Bundesgesetz über die geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Studienrichtungen« erfolgt, das die Einführung der Diplomstudien regelte. Aufgrund personeller und finanzieller Probleme sollte es noch bis zum Wintersemester 1983/1984 dauern, bis das Diplomstudium Psychologie angeboten werden konnte. Es erforderte eine wesentliche Ausweitung des Lehrangebotes. Die Realisierung war unter anderem nur dadurch möglich, dass eine große Anzahl von forschungsorientierten Lektoren und Lektorinnen aus verschiedenen Bereichen der Praxis gewonnen werden konnten, so dass es in der Folge zu einer Verstärkung des kreativen Austauschs zwischen universitärer Forschung und Praxis vor allem auch im Wiener Raum kam. Wie bereits dargestellt, führte das UOG 1975 zu wesentlichen organisatorischen Veränderungen. Die folgenden Jahre stellten aber auch durch das Ableben Hubert Rohrachers 1972 und die Emeritierung Sylvia Bayr-Klimpfingers 1976/ 77 eine Zeit der Umstrukturierung dar. Rohrachers Nachfolger auf das Ordinariat wurde Giselher Guttmann. Nach schwierigen und entsprechend lang andauernden Berufungsverhandlungen (die zu einer Generalsanierung der Räume der Abteilung und des angrenzenden Institutshörsaales sowie einer Aufstockung des Personalstandes der Abteilung um zwei Assistentenstellen führten) wurde Brigitte Rollett (o. Prof. an der Ruhr-Universität Bochum) auf

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das neuerschaffene Ordinariat für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie berufen. Die Professur und die zugeordnete Abteilung wurde in »Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie« umbenannt. Im Ausschreibungstext hatte die Professur nach wie vor unter der Bezeichnung »Lehrstuhl für Pädagogik III« firmiert, was mit einer teilweisen Doppelzugehörigkeit zu beiden Instituten und entsprechenden Verpflichtungen in der Lehrerbildung verbunden war und zu einer engen Zusammenarbeit mit den Wiener Schulen und Schulbehörden führte: Der Abteilung oblag neben der Ausbildung der zukünftigen Psychologen und Psychologinnen die Bereitstellung des Lehrangebotes im Bereich der Psychologie für Lehramtsstudierende allgemein und Studierende des Unterrichtsfachs Philosophie, Psychologie und Pädagogik im Besonderen. 3.2.2 Das Institut für Psychologie in den 1980er Jahren Zu Beginn der 1980er Jahre bestand das Institut (seit dem UOG 93 in »Institut für Psychologie« umbenannt) aus folgenden vier Abteilungen: Der »Abteilung für Experimentelle und Allgemeine Psychologie«, Vorstand: o. Univ.-Prof. Dr. Giselher Gutmann, der »Abteilung für Methodenlehre«, Vorstand: o. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Fischer, der »Abteilung für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie«, Vorstand: o. Univ.-Prof. Dr. Brigitte Rollett und der von 1982 bis 1983 von o. Univ.-Prof. Dr. Paul Innerhofer geleiteten »Abteilung für Angewandte Psychologie«, die sich aber schwerpunktmäßig in Lehre und Forschung der Klinischen Psychologie zuwandte. Die bereits bestehenden und neu etablierten Kooperationsbeziehungen mit der Stadt Wien spiegelten diese Fächerstruktur wider. In umfangreichen Forschungsprojekten, die einerseits der Grundlagenforschung, andererseits der anwendungsbezogenen Forschung zuzurechnen waren, kam es zu langjährigen Kooperationen zwischen den Forschern und Forscherinnen des Instituts und den in diesem Zusammenhang beteiligten Praxiseinrichtungen der Stadt und ihren Akteuren und Akteurinnen. Giselher Guttmann und sein Team bearbeiteten z. B. zwei Forschungsschwerpunkte mit hohem Praxisbezug: Es handelte sich einmal um den Forschungsschwerpunkt »Lernen unter Selbstkontrolle«, in dem es um die Untersuchung der Bedingungen lernbereiter, für das Behalten des Stoffes optimaler Zustände bei den Schülern und Schülerinnen und ihre Realisierung im Unterricht ging und das Phänomen des sogenannten »Trainingsweltmeisters« d. h. die Problematik von Lernenden, die zwar außerhalb von Prüfungssituationen gute bis sehr gute Leistungen zeigen, aber in der Ernstsituation versagen (siehe Guttmann 1990). Für beide Bereiche stellte der Hochschuljubiläumsfonds der Stadt Wien immer wieder Projektförderungen zur Verfügung. Brigitte Rollett entwickelte das Konzept des »Kinderbegutach-

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tungspraktikums« weiter, indem sie das »Zentrum für Kinder-, Jugend- und Familienpsychologische Intervention« (KJFI) als universitäre Ausbildungs- und Forschungseinrichtung gründete, das psychologische Diagnostik, Beratung und Behandlung für das gesamte Spektrum entwicklungs- und familienpsychologischer Problemlagen anbot und daher mit den Kindergärten und Schulen, den sozialen Einrichtungen sowie den zuständigen Behörden der Stadt Wien anlassbezogen kooperierte. Jährlich wurde es von etwa 200 bis 300 Familien bzw. ihren Kindern frequentiert. Die in diesem Kontext angeregten Forschungsprojekte betrafen z. B. die langzeitige entwicklungsgemäße Förderung autistischer Kinder und Jugendlicher (siehe Rollett & Kastner-Koller, 2010) oder die Lerntherapie von Kindern mit hohen Ausprägungen von Leistungsverweigerung (siehe Rollett & Bartram, 1998; Rollett, 2006). Gerhard Fischer erweiterte mit seinen grundlegenden Arbeiten zum Rasch-Modell die methodische Basis für die Entwicklung moderner Messverfahren in der Psychologie. Die gut funktionierenden Kooperationen mit den Praxiseinrichtungen der Stadt Wien stellten eine wesentliche Voraussetzung dieser Forschungs- und Entwicklungsarbeit dar. 1984 gelang es Brigitte Rollett, den für die deutschsprachige psychologische Forschung wichtigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie nach Wien zu holen2. Wieder stellte die ideelle und finanzielle Unterstützung durch die Stadt Wien einen entscheidenden Faktor für das Gelingen des Kongresses und seine Breitenwirkung dar, wobei der Gesellschaftsabend im Wiener Rathaus das Highlight bildete. Durch die in dieser Zeit einsetzende Differenzierung der Psychologie in unterschiedliche Schwerpunktgebiete und die zumindest im internationalen Rahmen erfolgende enorme Zunahme der Anzahl der in ihnen organisierten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wurden Fachtagungen und Symposien, die sich mit speziellen Teilgebieten der Psychologie befassten, immer wichtiger. Der gute Ruf, den sich das Institut für Psychologie als Kongressausrichter und die Stadt Wien als in vielfältiger Weise unterstützende Instanz erwerben konnte, führte dazu, dass Wien auch im Fach Psychologie zu einem begehrten Ort für wissenschaftliche Tagungen jeder Größenordnung wurde. Eine wichtige »Anschubinitiative«, die dazu beitrug, Wien als Kon2 Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie hatte sich seit ihrer Gründung als gemeinsame Organisation aller deutschsprachigen Psychologen und Psychologinnen verstanden. Sie war daher lange Zeit auch die wissenschaftliche Heimat der österreichischen Psychologen und Psychologinnen. Bei den politischen Beratungen im Zuge der Umstellung des UOG 1975 auf das UOG 1993 fehlte allerdings eine in Österreich akkreditierte und damit autorisierte Fachgesellschaft. Trotz des Widerstandes einer Reihe von österreichischen Fachvertretern gelang es der Verfasserin 1993, ein Konsortium einzuberufen, das schließlich zur Gründung der Österreichischen Gesellschaft für Psychologie führte. Die Gründungsversammlung erfolgte 1993 an der Universität Wien, als Gründungspräsidentin wurde Brigitte Rollett gewählt. Das Institut für Psychologie war in der Folge Gastgeberin von zwei Kongressen der jungen Gesellschaft. 1996 war Brigitte Rollett die Organisatorin, 2002 Ilse Kryspin-Exner.

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gressstandort zu etablieren, erfolgte in dieser Periode durch die Praxis, erfolgreiche Kongresseinwerber und -einwerberinnen zu einem Empfang im Rathaus einzuladen und mit einem Dekret auszuzeichnen. Neben dem »Motivationseffekt« führte dies dazu, weiterführende persönliche Kooperationsbeziehungen aufzubauen. 3.2.3 Die Entwicklung neuer Kooperationsbeziehungen durch die Einführung der schulpraktischen Ausbildung der Lehramtsstudierenden Einen besonders wichtigen Kooperationsbereich zwischen Universität und der Stadt Wien stellte die österreichweite Einführung des »Schulpraktikums«, d. h. des praxisorientierten Anteils der universitären Lehrerausbildung 1982 dar. Die Zusammenarbeit funktioniert bis heute so effizient, dass die großen Anfangsschwierigkeiten (die für den Standort Wien nur durch die vorbehaltlose Unterstützung durch die Schulverwaltung und insbesondere durch das Pädagogische Institut der Stadt Wien überwunden werden konnten) aus dem öffentlichen Gedächtnis weitgehend verschwunden sind. Im Folgenden soll daher etwas ausführlicher darauf eingegangen werden, vor allem auch deshalb, weil die Etablierung der praxisbezogenen universitären Lehrerausbildung in Wien ein Lehrstück für eine funktionierende Kooperation zwischen Universität und Stadt darstellt. Als die Verfasserin im Studienjahr 1979/80 den Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie und damit auch Lehrverpflichtungen im Bereich der Ausbildung der Lehramtsstudierenden übernahm, musste sie feststellen, dass zwar das 1971 erlassene Bundesgesetz sinnvoller Weise ein Schulpraktikum während des Lehramtsstudiums vorgesehen hatte, dieses aber wegen der vorauszusehenden großen politischen, organisatorischen und finanziellen Einführungsprobleme nicht umgesetzt worden war. Zwar sah bereits das Gesetz von 1937 »Hospitationen in der Schule« vor, die aber weitgehend der persönlichen Initiative der Studierenden überlassen blieben und daher wenig effektiv waren. Eine von der Universität in Kooperation mit der Schulverwaltung und den Schulen organisierte Einführung in die Schulpraxis, die bestimmte Übungsphasen in den Schulen mit eigenen Unterrichtsversuchen beinhaltet hätte, war im Studienplan jedoch nicht vorgesehen. Die Lehramtsstudierenden hatten daher erst im Rahmen des sogenannten »Probejahres« nach Abschluss ihres Studiums Gelegenheit, ihre Eignung für den Lehrberuf auszuloten. Fehlgeleitete Berufskarrieren, die weder für die Lehrenden noch die ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler günstig waren, waren die Folge. Als gewählte Vorsitzende der Gesamtösterreichischen Studienkommission für das Lehramt gelang es der Verfasserin, nicht zuletzt durch die tatkräftige Unterstützung durch die Wiener Schulverwaltung und das Pädagogische Institut der Stadt

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Wien, diesen Reformprozess in Gang zu setzen. Um die Änderung österreichweit durchzusetzen, waren bereits in der Vorbereitungsphase umfangreiche Verhandlungen mit den verschiedenen Entscheidungsträgern notwendig (universitäre Gremien, Unterrichts- und Wissenschaftsministerium, Landes- bzw. Stadtschulverwaltungen, Gewerkschaften, Lehrerverbände, usw.). Eine Reihe von berufs- und studienrechtlichen Fragen mussten geklärt und die Finanzierung gesichert werden. Für die anschließende, nicht minder schwierige Umsetzung in die Praxis war eine intensive Kooperation mit den Schulen und den Pädagogischen Instituten der Länder notwendig. Schon allein wegen des im Vergleich zu anderen österreichischen Studienstandorten sehr viel größeren Umfangs der zu leistenden Planungs- und Organisationsarbeit kam Wien in diesem Zusammenhang eine Vorreiterrolle zu. Für das Schulpraktikum wurde eine zwei Semesterwochenstunden umfassende Einführungsphase und eine 8wöchige Übungsphase an den beteiligten Schulen vorgesehen. Es war klar, dass die Lehrer und Lehrerinnen, die die Einführung der Studierenden in die Schulpraxis durchzuführen hatten, eine entsprechende Qualifikation aufweisen mussten. Nach vielen Verhandlungen mit den betroffenen Gruppen wurde eine fünfjährige erfolgreiche Berufstätigkeit und die Absolvierung des für das jeweilige Unterrichtsfach spezifischen »Betreuungslehrerseminars« als Voraussetzung festgelegt. Diese Seminare fanden im Fall der Universität Wien in enger Kooperation mit den Fachleuten aus dem Pädagogischen Institut der Stadt Wien statt, das auch die Finanzierung übernahm. (Die größte Reserviertheit zeigten übrigens die zukünftigen Betreuungslehrer und –lehrerinnen zunächst bezüglich der in dem Konzept vorgesehenen gegenseitigen Unterrichtsbesuche. Interessanterweise waren es gerade diese Elemente, die bei der Abschlussbewertung die höchste Zustimmung erfuhren). Im Fach Mathematik startete ein Team, das aus den Professoren HansChristian Reichel als Fachwissenschaftler, Heinrich Bürger als Fachdidaktiker und der Verfasserin als Vertreterin des pädagogisch-psychologischen Bereichs bestand, einen, wie sich herausstellte, langfristig erfolgreichen kooperativen Studienversuch: Es handelte sich um das »Integrierte Schulpraktikum«, das sich dadurch auszeichnete, dass die Betreuungslehrkräfte aus den Schulen der Stadt Wien bereits an der universitären Einführungsphase in das Schulpraktikum als Lektoren aktiv teilnahmen (siehe dazu H.-C. Reichel, 1992, 1998; Rollett, 1991). Eine Seminargruppe umfasste jeweils 60 Studierende, die in Gruppen zu je 4 Studierenden den Betreuungslehrkräften zugeteilt wurden und so Gelegenheit erhielten, in den teilnehmenden Schulen das theoretisch Erarbeitete in der Praxis zu erproben. Im Einzelnen wurden folgende Inhalte vermittelt: Grundlagen der Schülerbeobachtung, Methoden wirksamer individueller Rückmeldungen und Hilfestellungen bei der Bearbeitung mathematischer Probleme, Planung von Unterrichtsstunden durch die Studierenden (die dann von der

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betreuenden Lehrkraft gehalten wurden) und Methoden der Evaluation von Unterrichtsstunden. Ohne die uneingeschränkte Bereitschaft der beteiligten Schulen und der Lehrkräfte wäre ein derartig aufwändiges Konzept nicht durchführbar gewesen. Hier bewährte sich wieder einmal die in Wien bestehende Kultur einer guten Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen der Stadt und der Universität Wien. 3.2.4 Der weitere Ausbau des Instituts für Psychologie und der Kooperationsbeziehungen mit der Stadt Wien Ein besonders kritischer Faktor im Zusammenhang mit dem personellen Ausbau des Instituts für Psychologie in den 1980er und 1990er Jahren war die ungünstige räumliche Situation. Eine Änderung wurde erst durch die großzügige Schenkung des Gebäudekomplexes des Alten AKHs an die Universität durch die Stadt Wien möglich: Nach der Übersiedlung der Institute der Geisteswissenschaftlichen Fakultät konnte das Gebäude Liebiggasse 5 nahezu zur Gänze, sowie drei Spangen im 6. und eine Spange im 7. Stock des gegenüberliegenden (und noch immer so genannten) »Neuen Institutsgebäudes« (NIG) von der Psychologie übernommen werden. Nur so wurde es möglich, auch die dringend notwendige Verbesserung des Personalstandes in Angriff zu nehmen. Trotz der hohen Studierendenzahlen waren allerdings langwierige Verhandlungen der Institutsvorstände (im zweijährigen, sich wiederholenden Turnus jeweils Guttmann, Fischer und Rollett) notwendig. Folgende Fachgebiete konnten in dieser Zeit durch neue Professuren abgedeckt werden: Sozialpsychologie (1982, Werner Herkner), Neuropsychologie (1991, Herbert Bauer), Angewandte Psychologie/Wirtschaftspsychologie (1992, Erich Kirchler), Psychologische Diagnostik (1998, Klaus Kubinger), Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie (1998, Ilse Kryspin-Exner), Bildungspsychologie und Evaluation (2000, Christiane Spiel). Unter anderem führten diese Veränderungen dazu, dass vermehrt anlassbezogene Projekte durchgeführt wurden. So arbeitete die Verfasserin z. B. an dem 2000 erschienenen »Wiener Gesundheitsbericht« und 2012 an dem Wiener Kindergesundheitsbericht 2 mit. In einem von der Magistratsabteilung L (Dezernat für Gesundheitsplanung) geförderten Forschungsprojekt untersuchten sie und ihr Team die Gesundheit von Lehrlingen in Wien (Rollett, Busch, Drabek & Holzer, 2001). Die von Prof. KryspinExner aufgebaute »Lehr- und Forschungspraxis« (LeFoP) führte ebenfalls zu einer engen Verzahnung von Forschung und Praxis im Bereich der Klinischen Psychologie. Sie bot den Bürgern und Bürgerinnen der Stadt Wien klinischpsychologische Diagnostik, Beratung und Behandlung an. Als Leiter des Arbeitsbereiches Psychologische Diagnostik etablierte Prof. Klaus Kubinger im selben Jahr ein weiteres Institutsambulatorium, die »Test- und Beratungsstelle«,

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die sich eines regen Zulaufs von Seiten der Bevölkerung erfreute und ebenfalls dazu beigetrug, die Ausbildung der Studierenden praxisnah zu gestalten (siehe dazu Kubinger, 2009). Einen wichtigen Kristallisationspunkt der Beziehungen zwischen der Stadt Wien und dem Institut für Psychologie stellt die Beteiligung von Fachvertretern und -vertreterinnen an den von Univ.-Prof. Dr. Ehalt und seinem Team seit 1987 organisierten »Wiener Vorlesungen« dar, die als Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher und urbaner Öffentlichkeit zu einem festen Bestandteil des Wiener Kulturlebens geworden sind. Eine weitere, bedeutende Förderinitiative der Stadt Wien die zu Kooperationen Anlass gab, ist der »Viktor Frankl Fonds zur allgemeinen Förderung einer sinnorientierten humanistischen Psychotherapie«, der mit dem Ziel gegründet wurde, »die institutionellen Voraussetzungen für die Dokumentation des wissenschaftlichen Werkes« Viktor Frankls »und für die Pflege und Weiterentwicklung einer sinnorientierten humanistischen Psychotherapie im Sinne Viktor Frankls zu schaffen«, wie es in der Satzung heißt. Von Seiten der Psychologie fungieren Giselher Guttmann und Brigitte Rollett seit langem als Kuratoriumsmitglieder.

3.3

Die dritte Etappe: Das UOG 2002 und die Gründung der Fakultät für Psychologie 2004: Chance für neue Kooperationen

Mit der durch das UG 2002 erreichten Vollrechtsfähigkeit der Universitäten begann für das Institut für Psychologie eine Periode entscheidender Umstrukturierungen. Die wichtigste organisatorische Veränderung in dieser Zeit bestand in der Neukonstituierung der Psychologie als eigene Fakultät 2004. Mit Studierendenzahlen über 6000 hatte sie die Größenordnung einer kleineren Universität. Als Gründungsdekanin wurde Christiane Spiel gewählt, die sich in den vorausgehenden Verhandlungen über die Fakultätsgründung wesentlich für die Realisierung eingesetzt hatte. Für die neue Fakultät wurde ein ehrgeiziger Ausbauplan entwickelt. Heute besteht die Fakultät für Psychologie aus drei großen Instituten: Institut für Grundlagenforschung und Forschungsmethoden (Arbeitsbereiche: Allgemeine Psychologie, Biologische Psychologie, Forschungsmethoden der Psychologie, Kognitionspsychologie), Institut für Angewandte Psychologie: Gesundheit, Entwicklung und Förderung (Arbeitsbereiche: Entwicklungspsychologie, Klinische Psychologie, Psychologische Diagnostik), Institut für Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft (Arbeitsbereiche: Arbeits- und Organisationspsychologie, Bildungspsychologie und Evaluation, Psychologische Bildungsforschung und Transferforschung, Sozialpsychologie und Konsumentenverhaltensforschung, Wirtschaftspsychologie). Der Personalstand

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wurde sowohl auf der Ebene der ordentlichen und außerordentlichen Professuren als auch im Bereich des wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Personals wesentlich erweitert.

3.4

Beispiele für Kooperationen

Eine Befragung, die wir zur Vorbereitung des vorliegenden Beitrages bei den Mitgliedern der Fakultät für Psychologie durchführten, zeigte, dass der Austausch zwischen der Stadtverwaltung Wien und ihren Bereichen und der Fakultät für Psychologie sehr positiv wahrgenommen wird. Dies betraf insbesondere die Kontakte mit Dr. Mailath-Pokorny und Univ.-Prof. Dr. Ehalt, sowohl was die Beratung, die niederschwellige, verständnisvolle Art der Initiierung von Projekten, ihre reibungslose Durchführung und die Resultate von Kooperationen allgemein betrifft. Dies gilt auch für die Kontakte mit den verschiedenen Fachabteilungen des Magistrats und den anderen Geschäftsgruppen der Wiener Stadtverwaltung. Zur Illustration der Vielfalt der Aktivitäten und der persönlichen Erfahrungen seien hier noch einige Rückmeldungen herausgegriffen. So beschrieb Univ.Prof. Klaus Kubinger z. B. in diesem Zusammenhang besonders den äußerst ergiebigen, sehr engen Kontakt mit Frau Dr. Rieser vom Stadtschulrat auf dem Gebiet der Hochbegabung. Ulrike Sirsch (Ass.-Prof. am Arbeitsbereich Entwicklungspsychologie) berichtete über eine ihr von der Magistratsabteilung 7 (Kulturreferat, Wissenschafts- und Forschungsförderung) gewährte finanzielle Unterstützung des »2. Österreichischen familienwissenschaftlichen Kolloquiums zur Förderung der interdisziplinären Familienforschung«. Thomas Slunecko (ao.Prof am Arbeitsbereich Allgemeine Psychologie) erinnerte sich an die sehr positiven Erfahrungen im Zusammenhang mit der Unterstützung eines Forschungsprojektes durch den Hochschuljubiläumsfonds der Stadt Wien, das zu einer viel beachteten Publikation geführt hatte (siehe T. Oberlechner, T. Slunecko & N. Kronberger, 2004). Er fügte hinzu: »Ich ergänze noch, dass ich Univ.-Prof. Dr. Hubert Christian Ehalt seit vielen Jahren als jemanden wahrnehme, der Alternativen zum nomothetisch-experimentell-positivistischen Paradigma, in dem der Hauptstrom unseres Faches sich abwickelt, kennt und fördert.« Ein breitgefächertes Forschungsprogramm im Bereich der evidenzbasierten Anwendungsforschung, das nicht zuletzt durch die funktionierenden Kooperationen mit der Schulverwaltung und den Schulen der Stadt Wien ermöglicht wurde, stellte Univ.-Prof. Christiane Spiel im Rahmen des Festsymposions 2010 zum zehnjährigen Bestehen des von ihr geleiteten Arbeitsbereiches Bildungspsychologie und Evaluation vor. Wichtige Schwerpunktthemen waren z. B. die

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Förderung von lebenslangem Lernen, die Prävention von Gewalt in Schulen oder die Integration von MigrantInnen in multikulturellen Schulklassen. O. Univ.-Prof. Ilse Kryspin Exner berichtete, dass sie und ihr Team im Rahmen der von ihr damals geleiteten Lehr- und Forschungspraxis und außerdem an der von Mag. Ramsauer initiierten Aktion »Lebenslust statt Depression« der Stadt Wien mitgewirkt hatten. 2004 erhielt sie den von der Kulturabteilung der Stadt Wien geförderten »Wiener Preis für humanistische Altersforschung« der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie, dessen feierliche Überreichung, verbunden mit einem von der Stadt Wien ausgerichteten Empfang im Rathaus stattfand. Bei zwei von ihr organisierten Kongressen stellte der Empfang im Rathaus ein von allen Beteiligten besonders positiv wahrgenommenes Ereignis dar. Aus Platzgründen konnte in diesem Beitrag nur auf ausgewählte Beispiele für Kooperationen zwischen der Fakultät für Psychologie und der Stadt Wien eingegangen werden. Einen Überblick über das umfangreiche Programm der Stadt Wien zur Förderung der Wissenschaften und der Forschung bringen die vom amtsführenden Stadtrat für Kultur und Wissenschaft Dr. Andreas Mailath-Pokorny laufend herausgegebenen Wissenschaftsberichte der Stadt Wien. Der Dekan der Fakultät für Psychologie, Univ.-Prof. Dr. Germain Weber fasste seine Visionen zur weiteren Entwicklung der Kooperation mit der Stadt Wien wie folgt zusammen: »Der Forschungsauftrag, den die Fakultät für Psychologie auch in Zukunft wahrnehmen wird, wird durch Grundlagenforschung und evidenzbasierte Anwendungsforschung charakterisiert sein. In diesem Zusammenhang sind formale Kooperationen zwischen der Gemeinde Wien und der Fakultät für Psychologie in Zukunft verstärkt erstrebenswert und stellen die Basis für Win-Win Situationen dar. Mögliche Kooperationsbereiche sind neben dem traditionellen Bereich der Schulpsychologie bzw. der Pädagogischen Psychologie oder neu der Bildungspsychologie die Bereiche der Entwicklungspsychologie (Stichwort verpflichtendes Kindergartenjahr), psychologische Aspekte der schulischen Integration vor einem Migrationshintergrund, Frühförderung, psychologische Beratung und Intervention vor dem Hintergrund kognitiv-intellektueller Beeinträchtigungen; aber auch aus dem Feld praktischer gerontopsychologischer Forschung könnten formale Forschungskooperationen zwischen der Fakultät für Psychologie und der Stadt Wien angestrebt werden, die für die Qualität und Innovation von Leistungen in diesen Bereichen für die Stadt Wien von großem Nutzen sein könnten. Die Investitionen und Förderungen der Stadt Wien für Grundlagenforschung im Bereich einer Neuroscience Kognitionsforschung werden begrüßt. Auch in diesem aktuellen Feld mit hohem Erwartungspotential sind substantielle Zusammenarbeiten mit der Fakultät für Psychologie realistisch und werden von der Fakultät mit großem Interesse verfolgt«, wobei er in diesem Zusammenhang auf den Wiener Wissenschafts-,

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Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) verweist. Er fährt fort: »Insgesamt kann die Fakultät für Psychologie als hochkompetenter Partner für die Weiterentwicklung qualitativ hochwertiger psychologischer Leistungen, die von der Stadt Wien bzw. von deren finanzierten Agenturen angeboten werden, gesehen werden. Jedenfalls ist die Fakultät zu einem neuen Beginn dieser traditionellen Kooperation mehr als bereit. Ein gemeinsames Nutzen dieser Potentiale ist für Zielerreichungen für beide von Vorteil!« Wie diese Statements zeigen, sind es immer die ganz persönlichen Beziehungen, die gefühlte Nähe zwischen den Vertretern der Stadtregierung und den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die jenes Klima des Vertrauens und der wechselseitigen Unterstützung fördern, das für eine fruchtbare Partnerschaft notwendig ist (siehe dazu Batthy‚ny 2006). Das Fach Psychologie, das durch seinen Praxisbezug mehr als andere Wissenschaftsgebiete auf eine funktionierende Kooperation mit dem »Umfeld Stadt« angewiesen ist, kann, wie in diesem Artikel gezeigt wurde, auf eine lange und ertragreiche Geschichte der Zusammenarbeit zurückblicken, die für die weitere Entwicklung richtungsweisend sein dürfte.

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Universitäten in Wien aus der Perspektive von Politikern und Politikerinnen

Interview mit Bürgermeister Dr. Michael Häupl – Neugierde auf die Ursachen, Lust an der Lösung von Problemen

F: Herr Bürgermeister, wie haben Sie die Universität Ende der 1960er Jahre/ Anfang der 1970er Jahre als Student wahrgenommen? Was waren prägende Eindrücke? Häupl: Zunächst habe ich mit einem gewissen Stolz wahrgenommen: Ich bin jetzt auf der Uni. Denn wenn man als junger Student aus der verschulten Welt kommt bzw. dann auch noch geraume Zeit beim Militär verbracht hat, kann man mit der Welt der Universität ja nicht wirklich etwas anfangen. Das Zweite, das ich wahrgenommen habe, war das veraltete Interieur. Gerade in den naturwissenschaftlichen Bereichen konnte man sich vorkommen wie in einem schlecht ausgestatteten naturwissenschaftlichen Kabinett einer Schule. Ganz stark war natürlich das Erlebnis mit den Kollegen und Kolleginnen und auch mit den Universitätsleuten. Sehr geprägt wurde ich auch von Wien. Ich bin ja erst am Beginn meines Studiums nach Wien gekommen, davor war ich nur ganz selten und nur zu Besuch da. Die Stadt hat sich mir damals als sehr dunkel dargestellt, als ziemlich abweisend. Erfreulicherweise hat sich das noch in meiner Studienzeit massiv geändert, weil sich auch die Stadt und das Verhältnis zu den Universitäten sehr geändert haben. Ich erinnere mich sehr gern an meine Studenten- und Studienzeit – es war sehr schön. F: Sie haben es genauso beschrieben, wie ich es erlebt habe, haargenau so, Punkt für Punkt. Dieser etwas miefige Gymnasiumsgeruch war weg, und man war an der Uni und hat mit zum Teil sehr eindrucksvollen Menschen zu tun gehabt. Was sind nun Dinge, die Ihnen besonders gut in Erinnerung geblieben sind? Sie haben jetzt die Atmosphäre sehr präzise beschrieben, aber vielleicht können ein paar Einzelgeschichten zur Illustration dienen. Häupl: Vielleicht ist es ein bisschen atypisch, aber ich habe mit 15, 16 Jahren schon ziemlich genau gewusst, dass ich Biologie studieren will. Eine kleine Verunsicherung habe ich nach dem ersten Studienjahr erlebt und habe daher im

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dritten Semester neben meinem Biologiestudium ein bisschen in der Soziologie, Publizistik und Politologie herumgeschmökert. Doch ich bin ganz rasch reumütig zur Naturwissenschaft zurückgekehrt, weil diese Welt der Ratio, die Erforschung des Reichs der Natur in all ihren Farben sehr viel eher meine Welt war. Natürlich war ich zum Teil auch mit Dingen konfrontiert, die genauso langweilig waren wie in der Mittelschule, die Pflanzensystematik zum Beispiel. Auf der anderen Seite gab es unfassbar Spannendes: die Genetik, die Evolutionstheorie. Und dann sehr viele Dinge in der Physik, die weit über die Mechanik hinausgehen: moderne Physik und die Relativitätstheorie, die zwar nicht ganz einfach zu verstehen ist, aber all das hat mich unglaublich beeindruckt. Die schönste Zeit war für mich allerdings die Beschäftigung mit der Meeresbiologie; das ist eine prägende Geschichte, das war immer sehr, sehr spannend und wichtig für mich. F: Wahrscheinlich auch, weil es dort Leute gegeben hat, die sich wirklich mit Grundfragen der Biologie beschäftigt haben? Häupl: Ja, aber natürlich auch das Erleben. Für einen Binneneuropäer, der noch dazu aus einem kleinen Dorf am Land kommt bzw. einer mittelgroßen Stadt wie Krems mit damals 22.000 Einwohnern, der vielleicht einmal im Meer baden war, ist das eine völlig fremde Welt. Das Buch von Frank Schätzing ist ja (für einen Biologen jedenfalls) nicht deswegen so toll, weil es so rasend Neues beschreibt, es ist der Titel: »Nachrichten aus einem unbekannten Universum«. Das ist es, das war eine terra incognita für unsereins, und das war das Faszinierende. Noch dazu, weil es eine wunderschöne Welt ist – nicht die große Welt, wie man sie in den Fernsehfilmen sieht, sondern die ganz kleine: die winzigen Schleimfische zum Beispiel, die fantastisch bunte Welt der Sternschnecken und solche Sachen. Das war faszinierend, wunderschön, ich wollte überhaupt nicht mehr aus dem Wasser heraus. F: Jetzt wieder zurück zur Universität als Ganzes: Was hat Ihnen besonders gut gefallen und – Sie sind ja immer ein politischer Mensch gewesen – was hat Ihnen missfallen an dieser Universität der 1970er Jahre? Häupl: Da komme ich zwangsläufig sofort zum zweiten Teil meines StudentSeins, nämlich zur politischen Welt, dem Politisierungsprozess. Als ich in das Studentenheim kam, durfte nicht einmal meine Mutter mich auf dem Zimmer besuchen, weil Frauenbesuch so rigide verboten war – eine völlig absurde Vorstellung! Daher war das natürlich sofort Gegenstand einer Revolution, die dort organisiert wurde. Studentenmitbestimmung hat es ja zu Beginn meiner Studentenzeit nicht wirklich gegeben – die Universität war sehr patriarchalisch organisiert, paternalistisch, man hat emotionell nicht dazugehört, die Profes-

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soren waren alles, alle übrigen waren mehr oder weniger Diener – das war ganz stark zu spüren. Das 1970er-Jahr ist in verschiedenster Hinsicht ein absolutes Wendejahr gewesen, nicht nur, weil Kreisky die Wahl gewonnen hat; es war ein Kulturbruch, eine Veränderung, eine Durchflutung aller Lebensbereiche mit Demokratie. Das war, wie wenn man von einem Druckkochtopf plötzlich den Deckel hochnimmt. Und wir haben das eingesogen. Es war hundertmal wichtiger als jede Frage eines Stipendiums oder sonst irgendetwas. Der ganze Kulturbereich, der sich da geöffnet hat, der Lebensstil, der ein anderer geworden ist, das war die Verheißung der Freiheit, um die es uns damals gegangen ist. Das hat natürlich auch ein politisches Engagement mit sich gebracht und deswegen waren wir – ich und viele meiner Freunde und Kollegen – dann sehr rasch in der Studentenpolitik. F: Sie haben schon vorher gesagt, dass die Stadt auf Sie grau gewirkt hat, wenn Sie an den Anfang Ihrer Studentenzeit zurückdenken; sie wurde aber schon in der Studentenzeit bunter – wie haben Sie die Stadt in Ihrer Studienzeit in Erinnerung, vom Fokus Universität jetzt zum Fokus Stadt? Häupl: Das hat auch sehr viel damit zu tun, was sich in Österreich verändert hat. Heute glaube ich viel mehr an den subjektiven Faktor der Geschichte als früher, wo man mehr oder weniger den objektiven Faktor der Gesellschaft gemeint hat. F: Wahrscheinlich auch, weil Sie jetzt wissen, wie viel ein Mensch bewirken kann, wenn er stark ist? Häupl: Stimmt, ich habe allerdings frühzeitig gebrochen mit dem Objektivismus, den wir eine Zeitlang vertreten haben. Da war ja auch die, wenn man das einmal so sagen kann, Symbolfigur Leopold Gratz. Mit ihm hat sich ein anderes Bild der Stadt ergeben, verschiedene Dinge sind möglich geworden – beispielsweise die Arena-Bewegung und wie Fröhlich-Sandner damit umgegangen ist. Die Hausbesetzerszene war deswegen eine so bescheidene, muss man sagen, weil versucht wurde, die materiellen Ursachen entsprechend zu lösen. Es hat ja viele Kulturbewegungen gegeben, die nicht so subkutan, auch nicht so spektakulär waren wie zum Beispiel die Arena-Bewegung. In die Stadt ist auf einmal Licht hereingefallen, und Helmut Zilk hat dieses Licht dann auch tatsächlich hereingetragen. Meine beiden Vorgänger als Bürgermeister haben an dem permanenten Veränderungsprozess dieser Stadt eine ganze Menge Anteil gehabt. Was wir neu gesetzt haben, waren zwei wesentliche Aspekte: zum einen die Heimführung dieser Stadt nach Europa, zum anderen mit Sicherheit auch das Verhältnis zu den Universitäten, das zwar viel besser war als früher, aber eigentlich …

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F: … auf das kommen wir noch zu sprechen, weil das ja auch eine Ihrer politischen Prioritäten ist. Aber vorerst noch eine ganz persönliche Geschichte, über die man wahrscheinlich sonst nicht liest. Was waren Ihre Lieblingsorte in der Stadt, in der ersten Hälfte der 1970er Jahre? Häupl: Das reicht zurück in den November 1969. Es war ein trister Novembertag, kalt und feucht, als ich so durch die Innere Stadt ging und ein kleines Lokal, ein Wirtshaus, gesehen habe: »Zum Heiligenstein« oder »Heiligensteiner«. Und da ich in Krems in die Schule gegangen bin und den original Heiligenstein am Ausgang des Kamp aus seinem gleichnamigen Tal natürlich ganz gut gekannt habe, dachte ich mir, da koste ich jetzt einmal ein Achterl Wein – der war aber mit dem Wein, den ich in Langenlois gekostet habe, nicht vergleichbar. Das Lokal selbst – heute besser bekannt unter dem Namen »Bauer Gustl« – hat trotzdem eine ganz eigenartige Anziehungskraft gehabt. In der Folge war ich mehr oder weniger häufig dort, und mit Zilk fanden dann eigentlich alle Amtsbesprechungen dort statt … F: War das die Idee von Ihnen oder von Helmut Zilk? Häupl: Der Zilk war, wie er mir erzählt hat, das erste Mal 1967 dort – da war er, glaube ich, schon beim ORF … F: Sie haben das Lokal also unabhängig voneinander entdeckt? Häupl: Ja, wir haben es unabhängig voneinander entdeckt – und bitte, wenn man bedenkt, ein kleiner, ja eingeschüchterter Student in der großen Stadt ist da mit dem großen Fernsehangestellten im selben Lokal: Helmut ist ja 1968 mit seinen Reportagen über den Prager Frühling bzw. dann mit denen, die er nach der Besetzung gemacht hat, bekannt geworden – das war ein Star, und ich war gar nix. Wir haben damals auch noch nicht miteinander geredet. Aber dieser Ort war mit einmal mehr, einmal weniger Distanz immer einer meiner Lieblingsorte. Und was ich immer sehr geliebt habe, war das westliche Hügelland und Ottakring; dort war der »Heimböckkeller«, den es heute nicht mehr gibt, schräg gegenüber von der Kirche – neben der 10er Marie hat es ja zwei Heurige gegeben. Das waren so die Lieblinge, wo wir als Studenten hingegangen sind. F: Und dann noch eine kurze Frage: Atrium, Wumwum, Camera – hat man Sie dort bisweilen gesehen? Häupl: Das war eigentlich nicht meins. Hin und wieder das Wumwum, in der Camera war ich, glaube ich, ein einziges Mal. Das hat mich nachhaltig abge-

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schreckt, muss ich ganz ehrlich sagen. Das war nicht meine Welt. Meine Welt war die, wo man miteinander reden, wo man sich austauschen konnte. Lokale oder Veranstaltungen, wo man nicht reden konnte, weil es so laut war und noch dazu wirklich jammervoll gestunken hat, das war es nicht. F: Sie haben vorher die Arena-Bewegung angesprochen. Waren Sie manchmal dort? Häupl: Ja, natürlich. Damals war ich VSStÖ-Obmann, und der VSStÖ hat dort das sogenannte Soldatenhaus betrieben – eine Beratungseinrichtung für Soldaten, die Beschwerden hatten, sich ungerecht behandelt fühlten oder sich mit dem Gedanken getragen haben zu desertieren –, wo diese Zusammentreffen stattfanden. Aber natürlich haben wir uns in dieser von uns so empfundenen freien Welt, außerhalb der Reglementierung der damaligen Gesellschaft, wohl gefühlt. Mit jemandem wie der damaligen Vizebürgermeisterin Gertrude Fröhlich-Sandner haben wir immer das Gefühl gehabt: Die sympathisiert heimlich ein bisschen mit uns. Wird nicht der Fall gewesen sein, aber bös’ war sie auf uns sicher nicht. F: Wer waren Ihre Lieblingsprofessoren und warum? Häupl: Da gab es viele. Professor Schaller zum Beispiel, der Zoologe – Bergsteiger, heute immer noch; wir haben sehr viel mit ihm gestritten, aber er war eine imponierende Person und hat sich den Auseinandersetzungen gestellt. Ein Liebling war auch Professor Url – lebt heute erfreulicherweise auch noch –, der zu seiner ersten Vorlesung in den Hörsaal gekommen ist und zu den jungen Studenten gesagt hat: »Vergesst alles, was euch über das Reich der Natur gesagt worden ist, über die Einteilung des Reichs der Natur ; die Natur teilt man ein in essbar und nicht essbar.« So jemand hat natürlich augenblicklich die Herzen der Studenten gewonnen, das ist gar keine Frage – er war wirklich sehr lustig. Professor Ehrendorfer war der Botaniker, ein extrem strenger Mann. Seine Vorlesungen habe ich am Anfang nicht besucht, sondern erst als Studentenvertreter, als ich sie gar nicht mehr hätte besuchen müssen. Ein großartiger Professor, ein großartiger Wissenschafter – er hat uns einiges aufzulösen gegeben, weil er eher aus der vorrevolutionären Welt der Universität gekommen ist. Unsere Lieblinge waren natürlich auch Frau Professor Strenger, Morphologin, und ihr Assistent, der Doktor Splechtna – beide gestorben. F: Sie haben schon von der wunderbaren Einführung gesprochen, die Ihnen die Universität in die Welt der Natur im Kleinen und Großen geboten hat. Was hat Sie dann definitiv dazu bewogen, die Wissenschaft als Beruf zu wählen?

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Häupl: Das wollte ich eigentlich schon vorher – das Uni-Studium hat mich darin nur bestärkt, auch wenn mir nicht alles gefallen hat. Als selektiver Lerner, der ich war, habe ich Pflanzensystematik zum Beispiel zwar gelernt, aber nur um ein positives Zeugnis zu bekommen, das Herz war nicht dabei und die Note entsprechend. Während ich andere Gegenstände, wie Genetik, die mich wahnsinnig fasziniert haben, mit großer Freude und mit sehr gutem Erfolg gelernt habe. Im Laufe meiner Studienzeit gab es eine Reihe von Bereichen, die da erst dazugekommen sind, wie Mikro- und Molekularbiologie. Wenn ich mir vergegenwärtige, was ich damals in Genetik gelernt habe und was heute der aktuelle Wissensstand ist, da liegen Lichtjahre dazwischen – ganz Entscheidendes ist da anders geworden. Aber das ist gut so, die Wissenschaft ist ja genau das dynamische Element in der Dialektik des Widerspruchs. F: Jetzt komme ich auf Ihre Bürgermeisterzeit zu sprechen. Wenn Sie über die großen Erfolge der von Ihnen gestalteten Stadt-Wien-Zeit sprechen, erwähnen Sie immer wieder, dass Wien in diesen 20 Jahren zu einer Wissenschaftsstadt geworden ist. Das Bemühen darum ist eine Ihrer Arbeitsprioritäten. Wissen Sie noch, wie sich diese politische Priorität in Ihrer Arbeit entwickelt hat – da muss es doch Anstöße gegeben haben? Ist das schon in Ihrer Zeit als Umweltstadtrat entstanden? Was waren die Anfänge dieses Engagements? Häupl: Eigentlich hat es angefangen, als ich hauptberuflich in die Politik gewechselt bin – das war noch während der Gemeinderatszeit. In der Politik steht am Anfang – jedenfalls für uns – immer die soziale Frage. Um den sozialen Zusammenhalt in einer Gesellschaft einigermaßen zu gewährleisten, bedarf es vieler Komponenten, wovon die eine und wesentliche der relative Wohlstand ist. Wann immer man mit Ökonomen diskutiert, so weisen sie darauf hin, dass ökonomische Analysen ganz klar ergeben: Die Zeit des Wachstums auf Basis von rauchenden Schornsteinen ist vorüber, wir brauchen rauchende Köpfe. Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung sind also ganz zentrale Fragen der Zukunft. Vom seinerzeitigen Wert »Wissenschaft an sich« bin ich ein Stück weggekommen und weitergegangen zu Wissenschaft, Forschung, Entwicklung und Innovation. Das sind die tragenden Elemente unserer Zukunft, nicht nur unserer materiellen, sondern auch unserer immateriellen. F: Jetzt befindet sich die Stadt Wien, was die Wissenschaftssituation an unseren Universitäten anbelangt, in einer fast optimalen Situation. In allen wichtigen Fragen, die Wissenschaft und Forschung betreffen, gibt es einen heißen Draht zwischen Rathaus und Universitäten. Wie kann man diese Situation in dieser Qualität bewahren, und was gilt es noch zu tun? Was sind Ihre Pläne und was würden Sie sich in diesem Bereich wünschen?

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Häupl: Ich wünsche mir, dass möglichst viele Leute das auch erkennen und jene, die für diese Zukunftsvorstellungen eintreten, wieder gewählt werden. Der wesentlichste Punkt ist, vom Souverän mit entsprechenden Möglichkeiten ausgestattet zu werden. Wichtig ist auch, sich nicht in periphere Themen zu versteigen, wo einen vielleicht momentan etwas ärgert oder negative Befindlichkeiten auslöst, die aber mit Zukunftssicherung nichts zu tun haben. Wir brauchen Organisationsstrukturen, die abseits der bekannten liegen (für die Wissenschaft ist der Fonds zuständig, für die Volksschulen die Stadt usf.). Und abgesehen von diesen Strukturen muss sich ein gemeinsames gesellschaftliches Anliegen etablieren, wo man sagt: Wir wissen warum, und jetzt versuchen wir, miteinander Pläne zu entwickeln; und ganz am Schluss erst steht die Frage, wie wir das finanzieren und wer was zahlt. Eine meiner Lieblingsgeschichten ist von Antoine de Saint-Exup¦ry : »Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.« Das gilt auch für die große weite Welt der Wissenschaft. F: Vielen Dank für das Gespräch.

Andreas Mailath-Pokorny

Die Wissenschafts- und Forschungsstadt Wien: eine Erfolgsentwicklung auf gutem Weg

Seit Beginn meiner Arbeit in der Wiener Stadtregierung vor über 14 Jahren leite ich die Geschäftsgruppe für Kultur und Wissenschaft. Die erstmalige Verbindung zweier politisch wichtiger Aufgabenfelder – Kultur und Wissenschaft – hat sich bewährt und stärkt die wissenschaftliche, intellektuelle und urbane Kultur Wiens. Dabei muss ich darauf hinweisen, dass Wissenschaft in Österreich nach der Verfassung mit guten Gründen zur Agenda der Bundesverwaltung gehört. Allerdings hat die Stadt Wien analysiert, erkannt und entschieden, dass Wissen, Wissenschaft und Innovation – nicht kompensatorisch für Versäumnisse des Bundes, sondern bezogen auf fast alle Aufgaben der Stadtverwaltung als wichtige Ergänzung – für den Erfolg städtischer Politik unabdingbar sind. Da die Bundesverwaltung sich aus einigen ihrer Hauptaufgaben in Sachen Wissenschaftspolitik aus budgetären Gründen zurückgezogen hat, findet sich die Stadt Wien im Aufgabenfeld Wissenschaft verstärkt mit Bundesaufgaben konfrontiert. Das macht meine Aufgabe nicht leichter. Trotzdem kann ich grosso modo in Sachen Wissenschaftspolitik eine eindrucksvolle Erfolgsbilanz präsentieren, die wesentlich auch dadurch gekennzeichnet ist, dass die Stadt mit ihren Universitäten, Akademien, wissenschaftlichen Gesellschaften und Forschungsförderungseinrichtungen sehr gut kooperiert. Es ist definitiv so: Mit dieser Offenheit, Flexibilität und Kooperationsbereitschaft im Dienst der Sache sichert die Wissenschaftsarbeit der Stadt die Förderung der intellektuellen, der Wissens- und der Wissenschaftsstadt, deren Wirksamkeit fast durchwegs national, europäisch und international ist. Kunst und Wissenschaft und deren Förderung sind untrennbar miteinander verbunden. In beiden Bereichen geht es um neue Perspektiven auf die Welt, Kritik des Überkommenen, Suche nach neuen Wegen und Sichtweisen – in der Kunst stärker aus ästhetischem, in der Wissenschaft stärker aus methodisch klarem und innovativem Blickwinkel. Aus der Maxime »Wien muss Wissenschaftsstadt, Universitätsstadt und Wissensstadt werden« ist ein unabdingbarer Tatbestand geworden. Das Engagement der Stadt Wien betraf und betrifft die Förderung der Landschaft der

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wissenschaftlichen Institutionen und der Menschen, die dort arbeiten und studieren – ein Engagement für Wissensschöpfung, für exzellente innovative Forschung, für veränderndes Wissen, für Anwendungen, die das Leben der Menschen erleichtern und last but not least für Wissensvermittlung für die Wienerinnen und Wiener. Die Menschen sind – das hört man von all jenen, die nicht hier wohnen, Wien aber regelmäßig besuchen – offener, gesprächs- und diskussionsbereiter geworden. Vor nicht allzu langer Zeit beschrieb man die Wienerinnen und Wiener mit einem dreifachen Denk- und Verhaltensprogramm: 1. »Das war schon immer so!«, 2. »Wo kämen wir denn da hin!«, 3. »Da könnt’ ja jede/r kommen!«. Heute werden diese drei Sätze nicht mehr als zynischer Abweisungskonjunktiv gebraucht, sondern sehr oft als ermunternde Feststellung und Aufforderung, die Dinge gestaltend in die Hand zu nehmen. Aus den Konjunktiven wurden Imperative. Aus Satz 1 wurden Aufforderung und Perspektive, das Gute und Erfolgreiche zu bewahren und die Stärken des »Vienna Way of Life« zu stärken. Aus Satz 2 wurde die positive Zukunftsperspektive, was man alles erreichen kann, wohin man mit Phantasie und Kreativität und Gestaltungswillen in dieser Stadt kommen kann. Aus Satz 3 schließlich wurde die Feststellung, dass in bzw. nach Wien jede/r kommen kann, der/die gute Ideen hat – Wien wurde 2013 zur Innovationsstadt Nr. 1 in Europa (Platz 3 im Weltmaßstab). Es gibt keine Querschnittsmaterie der Stadt Wien, die eine so uneingeschränkte Erfolgsgeschichte darstellt wie jene der Gestaltung Wiens als Universitäts- und Wissenschaftsstadt. Ich möchte die Stationen der Entwicklung rekapitulieren. Im Frühling 1987 hat die Stadt Wien die Wiener Vorlesungen als Dialogforum der Stadt Wien eingerichtet. Diese öffentlich und frei zugängliche Vortragsreihe hat das Interesse für Wissenschaft in Wien dynamisch wachsen lassen. Die Akzeptanz für die Bedeutung von Forschung als Analyseinstrument und Problemlösungsinstanz war in der Bevölkerung noch nie so groß wie jetzt. Die zweite Zäsur war die Entstehung des Bekenntnisses Wiens zur Forschungsförderung. In den Jahren 1997 bis 2011 hat Wien sechs Fonds zur Förderung von Wissenschaft und Forschung gegründet: die Jubiläumsfonds für die Österreichische Akademie der Wissenschaften (1997), die Wirtschaftsuniversität Wien (1998) und die Universität für Bodenkultur Wien (2011), einen Viktor Frankl-Fonds (1999), einen Fonds für innovative interdisziplinäre Krebsforschung (2000), und den aus den Erträgen der Privatstiftung zur Verwaltung der Anteilsrechte der Bank Austria dotierten WWTF – Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (2002). Die Fonds stärken mit themenspezifischen Ausschreibungen die Stärken von Wissenschaft und Forschung in Wien und bilden ein aufeinander abgestimmtes Instrumentarium zur Förderung wissenschaftlicher Exzellenz. Seit dem FTI- (Forschung, Technologie, Innovation) Prozess (zwischen November 2006 und November 2007) hat Wien

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eine FTI-Strategie. Mit diesem Prozess wurden eine Standortbestimmung und eine Entwicklungsplanung für Wissenschaft und Forschung in Wien durchgeführt, deren Ergebnisse seither schrittweise in die Tat gesetzt werden. Die FTIStrategie wurde seit 2013 evaluiert, ihre Akzentuierung und Weiterführung wird seit 2014 in einem neuen Prozess, der 2015 abgeschlossen werden soll, durchgeführt. In den letzten 20 Jahren wurde die Arbeit der Stadtverwaltung in allen Geschäftsgruppen in immer stärkerem Maß wissens- und wissenschaftsbasiert. Die bisherigen Wissenschaftsberichte zeigen, dass sich insbesondere die Stadttechnologien in einer kontinuierlichen und immer intensiveren Zusammenarbeit mit Forschungsinstitutionen befinden. Die technischen Dienststellen haben solcherart den Charakter einer »angewandten Stadtuniversität« gewonnen. Die Stadtverwaltung im Ganzen wurde in den letzten 20 Jahren nach den Grundsätzen des Wissensmanagements gestaltet – die Informationsflüsse wurden nicht nur in den Querschnittsmaterien gestärkt, die KundInnenorientierung vergrößert. Es war nur konsequent, dass die Stadtregierung im Jahr 2001 die Geschäftsgruppe für Kultur auch um wissenschaftliche Aufgabenstellungen erweitert hat. Die Stadtregierung unter der Leitung von Bürgermeister Dr. Michael Häupl hat den Erfolg der Wissenschaftspolitik und der Wissenschaftsarbeit der Stadt Wien seit den 1980er Jahren als Bestätigung und Auftrag gewertet, die Förderung von Wissenschaft in den Namen des »Kreativressorts« der Stadt zu nehmen. Die Benennung der Geschäftsgruppe »Kultur und Wissenschaft« meint, dass KünstlerInnen und WissenschafterInnen auf unterschiedlichen Wegen, mit unterschiedlichen Methoden und Zielsetzungen dasselbe bezwecken: die Welt und die Blicke zu öffnen für das Neue, die Menschen bereit zu machen, sich mit ihrer Welt phantasievoll, kritisch und mit Gestaltungswillen auseinander zu setzen. Die KünstlerInnen sind sehr oft »HinweiserInnen«, sie zeigen, was sie häufig gegen alle überkommenen Wahrnehmungskonventionen sehen. Die WissenschafterInnen erforschen weniger assoziativ denn perseverativ die Welt. In der Wirksamkeit ihrer Ergebnisse gleichen sie einander wieder. Kunst und Wissenschaft verengen nicht den Blickwinkel, weil die Antworten klar und eindeutig auf dem Tisch liegen, sie erweitern die Perspektive und damit auch die Zahl der Fragen, die gestellt werden können. Kunst und Wissenschaft sind jene beiden Gestaltungsfelder, in denen es große inhaltliche und gestalterische Offenheit gibt und geben muss, und in denen es ein zentrales Postulat gibt, alles dafür zu tun, diese Offenheit zu bewahren. Soziales Handeln entfaltet sich in einem Spannungsfeld von Regeln, von Regelhaftigkeit und von Regelreflexion. KünstlerInnen und WissenschafterInnen stellen mit dem Recht ihrer Profession alles in Frage, was gegenwärtig ist und

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sehr oft nicht so ist, wie es sich die Menschen wünschen. Sie tun das, weil es unendlich viele Visionen dessen gibt, wie es sein könnte. Der Traum von Arkadien, der die Kunst seit ihrer Entstehung, aber auch das wissenschaftliche Nachdenken über Gesellschaft begleitet hat, ist nicht ausgeträumt. Für die nachhaltige, soziale und offene Gestaltung der Welt gilt, dass wir lokal und global nach Alternativen suchen müssen. Die WissenschafterInnen und KünstlerInnen sind dabei unsere PfadfinderInnen, unsere Scouts. Die Förderung von Wissenschaft, Forschung und Innovation durch die Stadt Wien ist ein Hauptkriterium des Erfolges im Bereich der Standortkonkurrenz. Die Wiener Forschungsquote ist mit 3,4 % besser als die der anderen Bundesländer. Damit zählt Wien zu den Topregionen in der EU. International positionierte Konzerne setzen auf den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Wien. Mehr als 170 Wiener Unternehmen sind gegenwärtig im Life Science Sektor tätig. Die Clusterstruktur der Wiener Life Science Landschaft entspricht den internationalen Standards. Mit ihrer Innovationsbereitschaft und Offenheit ermöglicht sie NeugründerInnen, mit ihren Forschungsprioritäten anzudocken. Wien fördert wissenschaftliche Exzellenz im Wesentlichen durch die Stärkung von Internationalität, Interdisziplinarität und Kooperation. Da im Bereich der Wissenschaft in einer immer schärferen internationalen Konkurrenz nur absolute Spitzenleistungen zählen, fördert Wien mit einem breiten Spektrum an Instrumenten »die besten Köpfe«. Im Jahr 2008 wurde – substantiell von der Stadt Wien dotiert – ein umfangreiches Programm zur Förderung der für Wien so wichtigen Geistes-, Sozialund Kulturwissenschaften (GSK) begonnen, die stets auch eine Analyse- und Bewertungsarbeit der »Vorgeschichte« leisten. Die Verleihung der Wiener Ehrenbürgerschaft an Carl E. Schorske im April 2012 etwa hat die »Neuerfindung Wiens« durch einen Wissenschafter gewürdigt, dessen Befund über »Fin de siÀcle Vienna. Politics and Culture« aus den frühen 1980er Jahren dazu beigetragen hat, dass das Wien der Gegenwart seine historischen Wurzeln in der Wiener Moderne kennt und würdigt. Die GSK ermöglichen eine konsequente Auseinandersetzung mit den dunklen Seiten und den braunen Flecken der österreichischen Vergangenheit, die durch die Förderung meines Ressorts ermöglicht wurde und wird. Daraus resultieren u. a. eine konsequente Restitutionspolitik, aber auch symbolische Gesten wie die Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Rings in Universitätsring. Lueger war ja nicht nur ein erfolgreicher Kommunalpolitiker, sondern auch ein Antisemit, was für die Universität Wien, die an dieser Adresse beheimatet ist und auf deren Wunsch die Neubenennung durchgeführt wurde, alles andere als nützlich war. Wissenschaft wird seit nunmehr fast 30 Jahren mit dem auch im internationalen Maßstab erfolgreichsten Projekt einer bürgerinnen- und bürgernahen Wissenschaftsvermittlung, den Wiener Vorlesungen, in eine immer größere

Die Wissenschafts- und Forschungsstadt Wien

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Öffentlichkeit getragen. Anspruchsvolle Wissenschaftsvermittlung ist in Wien kein »One-Stop-Shop«, sondern eine dichte Aktivitätskette, an der die ausgezeichneten Forscherinnen und Forscher in Wien mit großer Überzeugung teilnehmen. Es waren bei etwa 1350 Veranstaltungen 5000 ReferentInnen. In den Buchreihen sind mehr als 270 Bände erschienen. Mit den beiden Fernsehserien in ORF III und Okto und den Kooperationen mit Ö1 erreichen die Wiener Vorlesungen gegenwärtig an die 800.000 ZuhörerInnen und ZuseherInnen jährlich. Die Wissenschaftsstadt Wien hat sich in den letzten 30 Jahren dynamisch entwickelt. Wien ist jedenfalls seit der Eröffnung und Inbetriebnahme des Universitätscampus AAKH (Herbst 1998) zu einer Universitätsstadt geworden. Mit 20 Universitäten, Privatuniversitäten und Fachhochschulen und etwa 190.000 StudentInnen ist Wien die größte Universitätsstadt im deutschsprachigen Raum. Die Forschungsquote und alle anderen Qualitätsindikatoren sind respektabel. Eine erfolgreiche Forschung ist wichtig für den Wirtschaftsstandort, aber auch für die Lebensqualität. Die Bürgerinnen und Bürger sind an Wissenschaft, Forschung und Innovation sehr interessiert. Es ist ihnen bewusst, dass mit Forschung Probleme gelöst werden, und dass Forschung für Anwendungen verantwortlich ist, die zum Beispiel neue wirkungsvolle Therapien ermöglichen. Das Bewusstsein für Innovation und vor allem für wissenschaftliche Innovation ist in Wien so groß wie noch nie. So sind alle Beteiligten zwischen Wirtschaft, Politik, Universitäten, StudentInnenschaft und BürgerInnen von der Bedeutung der Aufgabenstellung überzeugt. Die Stadt agiert in dieser Situation als Impulsgeberin, als Moderatorin und als Clearingstelle. In Summe befindet sich die Stadt Wien in Sachen Wissenschaft und Forschung auf einem guten Weg, was wesentlich der Tatsache zu danken ist, das mit allen AkteurInnen ein gutes und kollegiales Einvernehmen über Ziele, Wege und Methoden, dessen was zu tun ist, besteht. Dafür bin ich als Wissenschaftsstadtrat meinen PartnerInnen an den Universitäten und Forschungsinstitutionen sehr dankbar.

Renate Brauner

Zeit für ein neues Selbstbewusstsein

Wer immer sich mit den heute so positiven Beziehungen zwischen Stadt Wien und ihren Universitäten nach 1945 auseinandersetzt, stößt zunächst auf den tiefgreifenden und folgenreichen historischen Bruch, den die NS-Zeit für die Wissenschaftsstadt Wien bedeutet. Gerade das Verhältnis von sozialdemokratischer Stadtregierung und den Wiener Universitäten war deshalb zunächst von einer gegenseitigen Skepsis geprägt, wohl auch, weil es zunächst nicht umfassend gelungen war, die Universitäten von innen heraus zu verändern. Ein deutliches Zeichen dieser Entwicklung ist ja etwa die Gründungsgeschichte des Instituts für Höhere Studien (IHS), das von Beginn an auch durch die Stadt Wien unterstützt wurde. Ich erwähne das deshalb, weil gerade der schwierige Start für Wissenschaft und Forschung in Wien vor 70 Jahren deutlich demonstriert, welche weit reichenden und schmerzhaften Auswirkungen das NS-Regime in der Zweiten Republik hatte. Die Vertreibung und Ermordung jüdischer WissenschaftlerInnen und Intellektueller, die Verfolgung politisch Andersdenkender und die Zerstörung kritischen Denkens bedeutete einen unwiederbringlichen Verlust menschlicher und wissenschaftlicher Kompetenz, während schon bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Lehre und Forschung ehemalige Nationalsozialisten wieder und weiter beschäftigt wurden. Diese Geschichte ist mittlerweile gut dokumentiert, ich möchte im Folgenden davon ausgehend aufzeigen, wie sehr es uns in den vergangenen Jahrzehnten trotz schwieriger Startbedingungen gelungen ist, Wien als Stadt von Bildung und Wissenschaft weiterzuentwickeln. Schließlich sind wir davon überzeugt, dass nur indem wir weiter konsequent auf Forschung, Technologie und vor allem Innovation setzen, Wien die auch international beachtete Lebensqualität und wirtschaftliche Prosperität halten können wird. Wir können und werden schließlich nur dann erfolgreich sein, wenn es uns gelingt, hochproduktiv zu bleiben, innovative Produkte anzubieten und Qualität als obersten Maßstab gelten zu lassen. Als Stadt haben wir durch gezielte Schwerpunktsetzungen versucht, diese Entwicklung zu unterstützen. So ist es uns etwa im Bereich der

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Life Sciences gelungen im internationalen Standortwettbewerb nicht nur wahrgenommen zu werden, sondern nachhaltig erfolgreich zu sein. Und die vielen internationalen ForscherInnen tragen wiederum dazu bei, dass Wien heute wieder zu einer weltoffenen, pulsierenden Stadt der Wissenschaft geworden ist. Dabei hat sich auch die Rolle und das Verständnis der Universitäten für ihr gesellschaftliches Umfeld und zur Stadt, die sie umgibt, sehr verändert. Es ist sehr viel offener geworden, es ist von gegenseitigem Austausch geprägt, unsere Universitäten haben sich geöffnet. Und obwohl ich selbst sehr für eine adäquate Mittelausstattung der Universitäten, insbesondere auch der Grundlagenforschung, kämpfe, glaube ich, dass der steigende Legitimationsdruck in den letzten Jahren durchaus einen Teil zu einem verstärkten Dialog mit den BürgerInnen, die ja in unserem Land Wissenschaft und Forschung finanzieren, beigetragen hat. Ausdruck dieser Öffnung ist nicht zuletzt auch ein vermehrtes Kümmern um den eigenen Nachwuchs, etwa in den Kinderunis. Erlauben sie mir einige Kennzahlen anzuführen, die die positive Entwicklung von Forschung, Technologie und Innovation in Wien recht deutlich aufzeigen. Diese sollen jedoch keineswegs dahingehend verstanden werden, dass wir uns auf diesen Teilerfolgen ausruhen sollten, ein gewisses mehr an Selbstbewusstsein wäre im Angesicht der Werte aber durchaus angebracht. Schließlich befindet sich Wien bei der Anzahl an F& E-Beschäftigten mit 4,73 % im Jahr 2009 unter den EU Top 3 Regionen, nur North Eastern Scotland und Hovedstaden in Dänemark liegen weiter vorne. Unsere Stadt gehört auch zu jenen Regionen, die bei der Forschungsquote das EU-Ziel für 2020 mit 3,5 % bereits jetzt erreicht haben, und auch ein Drittel aller F& E-Ausgaben bundesweit entfällt auf Wien. Zudem hat sich die AkademikerInnenquote seit 2004 von 16,4 % auf mittlerweile 21,3 % erhöht, auch der Frauenanteil konnte im selben Zeitraum um 65 % gesteigert werden und nicht zuletzt ist Wien mittlerweile der größte Hochschulstandort im deutschsprachigen Raum. Dies alles sind Daten, die Mut machen, auch die zugegebenermaßen nicht kleinen Herausforderungen in den kommenden Jahren zu meistern. Die Stadt Wien möchte den erfolgreichen Weg der vergangenen Jahre jedenfalls fortsetzen und die Dynamik von Forschung und Innovation weiter beschleunigen. Einerseits werden wir die gezielten Fördermaßnahmen für forschende und innovierende Unternehmen weiter fortsetzen, andererseits auch weiter entlang unserer Schwerpunkte Institute und ihre MitarbeiterInnen, etwa Postdocs, finanzieren. Beispielgebend dafür ist für mich etwa das Förderprogramm VIPS, mit dem wir gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium junge LebenswissenschafterInnen nach Wien holen. Den Rahmen für die kommenden Jahre diskutiert die Stadt Wien gerade gemeinsam mit der Scientific Community, Ergebnisse werden dann im Jahr 2015 in die neue FTI-Strategie »Innova-

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tives Wien 2020« eingehen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den Bereich der Innovation gelegt, wohlwissend, dass diese ohne gute Forschung nicht möglich sein kann. Als Wirtschaftsstadträtin kämpfe ich insbesondere dafür, dass Kooperationen und Wissenstransfer zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen künftig noch intensiver werden. Denn nur über diese Öffnung und einen Austausch auf Augenhöhe können wir die nötigen Impulse setzen, die der Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Österreich notwendigerweise für eine weitere positive Entwicklung braucht.

Alexander Van der Bellen

Politik in Universitäten: Some anecdotal evidence

Im Folgenden erzähle ich einige persönliche Erlebnisse über Politik in Universitäten aus den letzten fünfzig Jahren. Es ist, im wissenschaftlichen Jargon, »anecdotal evidence«, oder etwas wie »oral history«.

Massenstudium im Kloster Universitäten sind eigenartige Organisationen. Der altmodische Ausdruck »Gelehrtenrepublik« ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, kann aber bei einem krassen Missverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden die Realität nicht mehr erfassen. In gewisser Weise hat eine funktionierende Uni Ähnlichkeit mit einem »säkularen Kloster«. Im Kloster suchen die Mönche die Nähe zu Gott, in der Universität suchen die Forscher die Nähe zur Wahrheit. Was Gott will, ist im Konkreten ziemlich dunkel, es bleibt viel Spielraum für Interpretation. Was »wahr« ist, erschließt sich nicht immer mit der Sicherheit eines mathematischen Beweises. So verbleibt in beiden Fällen immer ein Spannungsfeld zwischen Organisationsideologie und den faktischen Verhältnissen. 1962 begann ich Wirtschaftswissenschaften an der Universität Innsbruck zu studieren. Damals ein sogenanntes Massenstudium, mit den in solchen Fällen üblichen Problemen. Ein Beispiel: Im ersten Semester belegte ich ein Proseminar über Adam Smith, Karl Marx und eine dritte Koryphäe (die mir entfallen ist). Etwa 200 oder 250 TeilnehmerInnen, in einem steil ansteigenden Hörsaal, unten sprach der Dozent. Ich verstand so gut wie nichts. Marx, na schön, wer wüsste nicht irgendeine Platitüde über Karl Marx zu sagen. Aber wer ist dieser Smith? Der Ahnvater der modernen Volkswirtschaftslehre, soviel wusste ich dann am Ende des Semesters. Ich schrieb eine kurze Seminararbeit und bekam ein Genügend. Diese Note war ein Schlag, denn im Gymnasium war ich unter den Besten gewesen, aber andererseits wusste ich: von genügender, also aus-

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reichender Leistung konnte in diesem Seminar doch keine Rede gewesen sein. Das Zeugnis war ein geschenktes.

Der Autodidakt Das Universitätspersonal war quantitativ und qualitativ eindeutig unterbesetzt. Aber das lernte ich erst im Lauf der Zeit zu verstehen; zunächst sah ich die Schuld für mein Unvermögen, mit dem wöchentlichen Chaos umzugehen, bei mir. Von spannungsgeladenem Streben nach Wahrheit merkte ich nichts; es wurde gepaukt und geprüft, ohne systematischen Aufbau. Später erst zog ich die Konsequenz: entweder du lernst ernsthaft autodidaktisch, oder du lässt das (bzw. dieses) Studium bleiben. For better or worse, ich wurde Autodidakt. Ich empfehle das nicht: Sackgassen und Zeitverluste sind dann unvermeidlich (wenn man kein Einstein ist). Aus diesen Erfahrungen nährt sich mein Befremden über die Situation in den heutigen Massenfächern, Psychologie, Publizistik, Politikwissenschaft… Ich wünsche niemandem, keiner/keinem Studierenden und keinem/keiner Vortragenden, solche Erfahrungen zu machen. Der Handlungsbedarf für die Bundespolitik war damals wie heute unübersehbar.

Intelligente Lichtblicke 1962 war das Kriegsende 17 Jahre her. Das Fehlen der von den Nazis vertriebenen oder ermordeten Intelligenz war an allen österreichischen Universitäten noch manifest. Innsbruck war keine Ausnahme. Die im Ausland überlebt hatten und nach 1945 zurückgekehrt waren, wurden selten mit offenen Armen empfangen. Kurt Rothschild, der nach Schottland emigriert war, musste bis in die 1970er Jahre warten, bis er Professor an der Universität Linz werden konnte. Es gab Lichtblicke unter den Innsbrucker Professoren. Einer war Stephan Koren, der 1965 an die Uni berufene Wirtschaftspolitiker. Es hieß, dass SPVizekanzler Bruno Pittermann gegen seine Berufung opponiert hatte; Koren hatte eine Habilitationsschrift über die damalige Verstaatlichte Industrie verfasst, mit – aus heutiger Sicht nur allzu begreiflicher – Kritik an deren politischer Instrumentalisierung. Koren erlebte ich als gescheiten und charmanten Zyniker, ohne jede Allüre gegenüber uns Studenten. Später wurde er Abgeordneter und ÖVP-Klubobmann im Nationalrat, unter Kreisky dann Präsident der Oesterreichischen Nationalbank. Außerdem ist er mir in guter Erinnerung als Kettenraucher : Player’s Navy Cut ohne Filter. Aus dem grauen Durchschnitt herausragte auch Clemens-August Andreae,

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zuständig für Finanzwissenschaft, also die Ökonomie des öffentlichen Sektors. Ein Deutscher aus dem Rheinland, ein begnadeter Vortragender im Hörsaal oder in anderen Diskussionen, immer interessant und anregend in seinen assoziativen Abschweifungen vom und zurück zum Thema. Freie Rede war sein Metier, eher unbeholfen wirkte er, wenn er sich an ein Manuskript hielt. (Das er nicht immer selbst verfasst hatte. Einmal hörte ich einen Vortrag von »CA«, wie wir Assistenten ihn nannten, anfangs glänzend, dann wurde er untypisch hölzern. Nachher sagte er mir : »Wissen Sie, anfangs habe ich frei zu einigen Stichworten assoziiert, aber dann habe ich mit wachsendem Erstaunen vom Blatt abgelesen.« Er hatte die Unterlagen vor dem Vortrag nicht angesehen. Selbstironie war eine große Stärke dieses lebensfrohen Pragmatikers.)

Von Franz-Josef Strauss zu Felix Slavik Andreae wäre, so das Ondit, nicht ungern Finanzminister geworden, sei es in der Bundesrepublik, sei es in Österreich. Er hatte gute Verbindungen zu CDU/CSU und der deutschen Industrie; Franz-Josef Strauss und Otto Habsburg waren um 1970 häufige Gäste in der Claudiana, dem Sitz des Instituts für Finanzwissenschaft in der Innsbrucker Altstadt. Der politische Wandel hin zu Willy Brandt bzw. Bruno Kreisky stand solchen Plänen dann im Wege. Aber – Andreae konnte mit Vielen, seine konservative Grundeinstellung hinderte das nicht. 1970 verschaffte er mir im Handumdrehen einen Termin bei Hannes Androsch, dem jungen Finanzminister, der mir über ein kleines Gutachten zur MehrwertsteuerEinführung in Norwegen ermöglichte, die Summer School der Universität Oslo zu besuchen. Aber ich greife vor. Einer merkwürdigen Paarung von schwarz und rot zur Zeit der ÖVP-Alleinregierung in Österreich verdanke ich meinen Einstieg in die universitäre Laufbahn. Der konservativ-liberale Clemens-August Andreae – konservativ im Politischen; liberal-großbürgerlich im persönlichen Umgang, zum Beispiel mit seinen »roten« Assistenten – und Felix Slavik, der sozialistische Vizebürgermeister Wiens, müssen sich 1967 bei etlichen Vierteln gut verstanden haben. Jedenfalls vereinbarten sie, dass die Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Gemeinwirtschaft (AdöG), deren Präsident Slavik war, dem Institut die Kosten einer Assistentenstelle refundieren würde. Zunächst für ein Jahr ; es wurden dann zwei oder drei. Dieser Assistent – genau genommen: diese »wissenschaftliche Hilfskraft«, erst mit dem Doktorat erhielt man den etwas vornehmeren Titel – wurde ich. (Ich war Andreae und Christian Smekal, Universitätsdozent am Institut, vermutlich positiv aufgefallen; mein erstes Buch – über staatliche Fonds – stand kurz vor der Veröffentlichung, die Drucklegung wurde von der Industriellenvereinigung subventioniert.) Am 1. 1. 1968, meinem Ver-

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tragsbeginn, stand ich um 8 Uhr früh vor der Tür des Instituts und begehrte Einlass; vergeblich natürlich, dem jungen Wissenschafter in spe war entgangen, dass der 1. Januar regelmäßig ein Feiertag ist. Derartige refundierte Personalkonstruktionen sind nicht selten. Sie sind zu begrüßen, wenn der Financier eine wissenschaftsimmanente Institution ist, etwa der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) oder der European Research Council (ERC). In meinem Fall lagen die Dinge etwas heikler. Ob meiner Anstellung ein schriftlicher Vertrag zwischen Andreae und der AdöG zugrunde lag, weiß ich nicht; wenn, kann er nur recht vage gewesen sein. Die AdöG, ein loser Interessenverband von staatlichen, kommunalen und einigen (»roten«) genossenschaftlichen Unternehmen, erwartete eine gewisse Beschäftigung mit einschlägigen Fragen, ohne dass der AdöG-Geschäftsführer Karl Pröbsting, im Hauptberuf Direktor der kommunalen Wiener Bestattung, Druck auf mich ausgeübt hätte. Immerhin, im Lauf der Jahre, auch als meine refundierte Anstellung längst durch Positionen im Bundesdienst abgelöst war, kamen einige Publikationen über Sinn und Unsinn von Verstaatlichung und Privatisierung zusammen. 1976 erschien mein Buch »Öffentliche Unternehmen zwischen Markt und Staat«, ein allenfalls teilweise geglückter Versuch, gemeinwirtschaftliche Ideologie mithilfe neoklassischer ökonomischer Theorie zu interpretieren. 20 Jahre später sagte mir Josef Cap, Klubobmann der SPÖ im Nationalrat, er habe das Büchlein gründlich studiert. Die Fach-Rezensionen in der Bundesrepublik waren nicht alle freundlich. Im Rückblick finde ich, ich hätte mich mehr auf Theorien der asymmetrischen Information und Resultate der Industrial Economics konzentrieren sollen; aber für Autodidakten sind Sackgassen eben unvermeidlich.

1968 und die Gamsbärte Mit einigen Monaten Verspätung hielt das berühmt-berüchtigte Jahr 1968 – Studentenunruhen vor allem in Berkeley, Paris und Berlin, ausstrahlend auf viele anderen Universitäten – auch in Innsbruck Einzug. Zur Erinnerung: in Österreich ÖVP-Alleinregierung, Josef Klaus Bundeskanzler und Theodor Piffl-Percˇevicˇ Unterrichtsminister. Bruno Kreisky war seit kurzem Oppositionschef im Parlament. An den Universitäten hatten ausschließlich die Professoren das Sagen (»Ordinarien-Herrschaft«), die Firnbergschen Reformen waren noch Jahre entfernt. Das öffentliche Klima würde ich mit »Gamsbart-Kultur« umschreiben: Heimat, Tradition, Wirtschaftswunder – jedes für sich ja recht hübsch, aber in der Zusammenballung erdrückend. Und die Tiroler Tageszeitung berichtete positiv über die Rassentrennung in Südafrika. (Dies erwähne ich

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als Indiz, dass die Nazizeit keineswegs »verarbeitet«, geschweige denn »bewältigt« war, sondern noch in den Köpfen spukte.)

Aufstand mit beschränktem Radius So übten wir dann ab 1969 auch ein bisschen Revolution. »Wir« heißt: die AssistentInnen und die Studierenden. »Wir« standen keineswegs alle links, aber uns einte der Widerstand gegen die Allmacht der Professoren. Im Vergleich zur Bundesrepublik waren wir eher unpolitisch in dem Sinn, als unsere Sit-ins, Demonstrationen und sonstigen kleineren und größeren Aufstände vornehmlich gegen die autoritären Universitätsstrukturen gerichtet waren, aber »das System« oder »die Gesellschaft« nicht grundsätzlich in Frage stellten. Zwar erinnere ich mich versucht zu haben, einen zum Bersten vollen Hörsaal zum Thema »Abschaffung des Bundesheers« zu moderieren – wie ich zu dieser Ehre gekommen war, wissen die Götter. Die Staatspolizei war bei allen Veranstaltungen präsent, das war uns bekannt. Und natürlich gab es Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg der USA. Aber die Verstrickung der Altvorderen in die Naziherrschaft wurde kaum, wenn überhaupt, thematisiert. Ein Beispiel: Ich habe gut in Erinnerung, dass bei einer größeren Demonstration in der Innsbrucker Innenstadt unter anderem K.M. sprach, der lokale FPÖ-Chef und Abgeordnete zum Nationalrat. »Junge Jugend!«, rief er uns begeistert und aufmunternd zu. Das kam mir irgendwie merkwürdig vor; was wollte er uns damit sagen? Später lernte ich, dass er nach 1938 eine wichtige Rolle in der NSDAP-Stadtverwaltung innegehabt hatte. Derartige Auftritte wären in der Bundesrepublik wohl undenkbar gewesen. (In Parenthese möchte ich hinzufügen, dass ich K.M. privat gut kannte und gut leiden konnte. Mit zweien seiner Söhne war ich befreundet, mit einem von ihnen war ich 12 Jahre zur Schule gegangen. In all diesen Jahren waren die österreichischen Nazis nie Thema gewesen, in der Schule nicht und sonst auch nicht. Dieses Schweigen war nicht auf FPÖ-Mandatare beschränkt. Erst viele Jahre später wurde mir bewusst, dass der damalige Tiroler Landeshauptmann, ÖVPBauernbund, Mitglied der NSDAP gewesen war, und ein jahrzehntelanger SPÖVizebürgermeister Innsbrucks sogar Mitglied der Gestapo.)

Allons, Enfants de la Patrie Wir übten also ein wenig Revolution, zumindest in den Augen machtbewusster konservativer Professoren. Und davon gab es viele, besonders viele an der medizinischen Fakultät, fast so viele an der rechts- und staatswissenschaftlichen

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Fakultät; diese beherbergte damals auch uns Ökonomen. Wir AssistentInnen sahen unsere »mission«, wie das jetzt heißen würde, pragmatischer. Es ging vor allem um schlichte Informations- und Anhörungsrechte, um Begründungspflichten der Professoren für ihre Entscheidungen, also letztlich um Transparenz. Weitblickende Professoren werden gedacht haben: das wird denen auf Dauer nicht reichen; wehret den Anfängen! Sonst landen wir noch bei echter Mitbestimmung. (So kam es ja auch.) Es wurde auch viel aneinander vorbei geredet. Wenn die Assistenten Informationsrecht und Begründungspflicht sagten, hörten die Professoren: der Lehrling will dem Meister die Ohren langziehen. Erst mit der Venia Docendi, der Habilitation, werde man ja bekanntlich ein vollwertiges Mitglied der wissenschaftlichen Zunft. Diese Haltung war bei Medizinern besonders ausgeprägt. Wenn man (universitäts-)politische Wünsche hat, und diese womöglich auch durchsetzen will, muss man sich organisieren und Allianzen suchen. Die Jungtürken setzten Neuwahlen im Assistentenverband an; die bis dahin dominierenden Dozenten im Alter 50+ wurden abgewählt, und ich fand mich auf einmal in der Position des Vorsitzenden des universitären Assistentenverbandes, einer Art rudimentärer Gewerkschaft des sogenannten Mittelbaus. (Diesen Ausdruck kann ich nicht leiden, er ist leider bis heute üblich.) Ich war 25 und nicht einmal promoviert, allein das kann auf manchen professoralen Stier wie ein rotes Tuch gewirkt haben. Aber es war dann nicht arg, von einer Ausnahme abgesehen, auf die wir noch zu sprechen kommen.

Allianzen mit CV und RFS Die Assistenten allein, Verband hin oder her, hätten nicht sehr viel bewirken können. Zu klein die Zahl, zu erpressbar jede(r) Einzelne angesichts befristeter Anstellungsverträge. Wichtig waren daher Allianzen mit den Studierenden. Die Mehrheitsverhältnisse in der Innsbrucker Hochschülerschaft waren klar : zwei Drittel für die katholischen Verbindungen CV und KV, ein Drittel für den Ring Freiheitlicher Studenten (RFS). Schon daraus ersieht man, dass die ’68er Bewegung zumindest in Innsbruck nicht einfach »links« war, auch nicht bei den Studierenden. Einen SDS – Sozialistischer Deutscher Studentenbund – gab es nicht, auch VSStÖ-Mandatare sind mir nicht erinnerlich. Einen Rudi Dutschke gab es sowieso nicht. Aber dem internationalen ’68er-Sog konnte oder wollte sich keine Gruppierung ganz verschließen, nicht der CV, und nicht der RFS. Fallweise Allianzen waren daher mit beiden Fraktionen möglich. Es ging etwa um die Durchsetzung von Informationen bei anstehenden Berufungsverfahren, oder um das Zugeständnis einer passiven Teilnahme an Fakultätssitzungen (ohne Stimmrecht). In der Regel musste man dafür etwas Krach schlagen, d. h.

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Flugblätter verteilen, mit Hörsaalbesetzungen drohen, und dergleichen mehr. Die Unterstützung der Hochschülerschaft war dafür unabdingbar.

CV labil, RFS hält Jahrzehnte später, als Abgeordneter im Nationalrat, pflegte ich meine KollegInnen in der Grünen Fraktion mit der Erfahrung zu nerven, dass Absprachen mit dem CV zwar in der Regel leichter zu treffen waren als mit dem RFS, diese aber oft nicht gehalten haben; Aktionen mit dem RFS zu vereinbaren war schwieriger, die Absprachen – waren sie einmal unter Dach und Fach – haben aber immer gehalten. Das nervt, denn Grüne haben häufig ihre Vorbehalte gegenüber der ÖVP, aber diese sind geradezu Zuneigung verglichen mit der Einstellung zur FPÖ. Der Hintergrund bzw. die Ursachen dieser differenzierten Erfahrung liegen nicht ohne weiteres auf der Hand. Ich habe zwei Hypothesen vorzuschlagen. Sowohl der CV wie der RFS sind nicht bloße Studentenorganisationen, sondern verstehen sich als »Lebensbündnisse«; das bedeutet unter anderem, dass bei ihren Treffen und gesellschaftlichen Zusammenkünften regelmäßig auch »Alte Herren« (von Damen war zu jener Zeit nicht die Rede) teilnehmen, also Personen, die ihr Studium längst abgeschlossen haben und im Berufsleben stehen. Beim CV in Innsbruck mögen, so meine Vermutung, nicht wenige dieser älteren Persönlichkeiten noch direkten Kontakt mit der Universität – etwa als Professoren – gehabt haben, oder indirekt über ÖVP-Verbindungen. Wenn die CVJungspunde dann abends in der Bude berichteten, was sie mit dem (als »rot« verschrieenen) Assistentenverband ausgeheckt hatten, werden die Alten Herren sie öfters zurückgepfiffen haben. Nicht ganz so beim RFS. Zwar verstehen sich die Burschenschaften erst recht als Lebensbündnisse. (Martin Graf, 2008 bis 2013 Dritter Präsident des Nationalrats, betonte öfter, schon aus diesem Grund nicht aus der rechtsradikalen Burschenschaft Olympia ausscheiden zu wollen oder zu können.) Aber die Alten Herren der jeweiligen Verbindungen waren weit weniger mit der herrschenden Oligarchie in Universität, Land und Stadt verfilzt als jene im CV; sie brauchten daher auch nicht deren Interessen zu vertreten. Sie waren antiklerikal, deutschnational, sahen sich als Drittes Lager jenseits von ÖVP und SPÖ, und hätten sie zwischen ÖVP und SPÖ wählen müssen, so hätten sie sich für letztere entschieden. Im übrigen, ein deutscher Mann hält Wort, nicht wahr… So sehe ich es als nicht gar so verwunderlich an, dass um 1970, unter den damaligen spezifischen Tiroler Bedingungen, die punktuelle Kooperation mit dem RFS sich oft als tragfähiger erwies als jene mit dem CV.

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Mein Freund, der Rote Börsenkrach Die Zusammensetzung der Hochschülerschaft ist seit 20 oder 30 Jahren ganz anders als 1960/1970 in Innsbruck. GRAS (Grüne und alternative Studenten), VSStÖ (Verband der sozialistischen Studenten) und Fachschaftslisten geben den Ton an. Weder GRAS noch die Fachschaftslisten sind »Lebensbündnisse«, sondern machen studentische Interessenvertretung »for the time being«. Das Gewicht der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft ist stark zurückgegangen, der RFS zu einem Mauerblümchen geschrumpft. An der Universität Wien, an deren Institut für Wirtschaftswissenschaften ich 1980 berufen wurde, hatte ich als Professor und später als Dekan den »Roten Börsenkrach« (RBK) als Partner seitens der Hochschülerschaft. Der RBK war und ist keine Vorfeldorganisation der SPÖ; sehr lose strukturiert, waren seine Akteure – von Mitgliedern zu sprechen wäre wohl verfehlt – typischerweise politisch irgendwie »links«, gesellschaftspolitisch radikalliberal, und vor allem intelligent. Die besten Studierenden der Wirtschaftswissenschaften an der Uni Wien waren mit einiger Regelmäßigkeit RBK-verdächtig. Daher war es eine Herausforderung, und oft ein Vergnügen, mit RBK-Funktionären zu streiten. Auffallend war, dass die Aktivität im (linken!) RBK keine Prognose über den späteren Lebensweg erlaubte; wohl gab es Karrieren in Gewerkschaft und Arbeiterkammer, aber der »Rote Willi« (Hemetsberger) wurde einer der erfolgreichsten Investmentbanker Österreichs, Tamara Eisikovic eine transnational tätige Unternehmerin, Dalia Marin Professorin an deutschen Unis und Ernst Fehr Professor für experimentelle Ökonomie an der Uni Zürich, um nur einige zu nennen.

Berlin mit Murat 1970 promovierte ich mit einer Dissertation über effizienzorientierte Zentralisierungen ökonomischer Entscheidungen, gab Ende 1971 den Vorsitz im Assistentenverband ab und ging 1972 für rund drei Jahre ans Wissenschaftszentrum (WZB) im damaligen West-Berlin. An diesem 1971 neugegründeten Forschungsinstitut spielte Politik keine Rolle, jedenfalls nicht bei uns Jungforschern aus mindestens einem Dutzend Ländern. Umgangssprache war Englisch. Keine Vorlesungsverpflichtungen, keine StudentInnen zu betreuen! Freiheit in reinster Form. Wissenschaftlich war man auf sich allein gestellt, die Leitung hoffte offenbar, die jungen Eierköpfe würden sich schon arrangieren. In meinem Fall klappte das: ich freundete mich mit Murat Sertel an, einem mathematisch hochbegabten Türken, der von Istanbul über Oxford und das Massachusetts Institute of Technology ans WZB gekommen war. Von ihm lernte ich mehr als je

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zuvor, und wir werkten jahrelang an bestimmten Fragen der formalen Entscheidungstheorie, die damals unter der Chiffre »Social Choice« oder »Collective Choice« en vogue waren. Darüber schrieb ich auch meine Habilitationsarbeit, mit dem abschreckenden Titel »Mathematische Auswahlfunktionen und gesellschaftliche Entscheidungen«. (»Enchant¦!«, sagte Hertha Firnberg, als ich 1976 spontan, ohne Termin, das Wissenschaftsministerium aufsuchte, um ihr das druckfrische Buch zu übergeben. Als Geste, sie sollte es nicht lesen müssen.)

Was ist ein ehrenhaftes Vorleben? Ende 1974 zurück an der Uni Innsbruck, begann 1975 mein Habilitationsverfahren für das Fach Finanzwissenschaft. Nun gab es doch eine Spätfolge meiner Tätigkeit im Assistentenverband. Bis dahin fühlte ich mich fair behandelt, auch von jenen Professoren, die sich für Mitbestimmung und Transparenz nicht erwärmen konnten. Politische Toleranz, verbunden mit so etwas wie kollegialer Wertschätzung, waren auch an dieser im Grunde sehr konservativen Fakultät nichts Unbekanntes. Nun aber meldete sich Professor S. zu Wort, ein Jurist, und sprach mir ein »ehrenhaftes Vorleben« ab – in der Tat gab es in der damaligen Habilitationsnorm einen Passus, der »ehrenhaftes Vorleben« als Voraussetzung für die Gewährung einer Venia Legendi, also einer universitären Lehrbefugnis, verlangte, ohne diese »Ehrenhaftigkeit« näher zu definieren. Professor S. machte nicht betrügerische Krida oder unglaubliche sexuelle Verfehlungen meinerseits geltend; nein, als ich mich für die Assistenten quasi gewerkschaftlich engagierte und S. gleichzeitig Dekan der Fakultät war, hatten wir eine Auseinandersetzung darüber, wie S. mit einem seiner Assistenten umging. In diesem Konflikt muss ich ihm wohl zu nahe getreten sein. So nahe, dass er vier Jahre später meinte, die Zeit für Revanche sei gekommen. Ich glaube, vielen Professoren war die Sache ein wenig peinlich. Die Beliebigkeit der Interpretation dieses Gummiparagraphen in der Habilitationsnorm war ja schwer zu übersehen. Immerhin, man konnte den Vorwurf nicht einfach übergehen. Also unterbrach die Fakultät das Verfahren und setzte eine kleine Kommission von zwei Juristen zur Prüfung des Vorwurfs ein: Prof. Ernst Kolb (Verfassungsrecht) und Prof. Friedrich Nowakowski (Strafrecht). Zufall oder nicht: der erste galt politisch als schwarz, der zweite als rot. Kolb war schon VPMinister gewesen, Nowakowski arbeitete mit SP-Justizminister Christian Broda an der Strafrechtsreform. Beide prüften einige Wochen die Frage meiner Ehre. Glücklicherweise hatte ich alle Notizen, Gesprächsprotokolle und dergleichen meinem Nachfolger im Assistentenverband in einer Bananenschachtel übergeben, und diese hatte die vier Jahre überlebt. Nun leisteten ihre Inhalte mir gute Dienste als Beweisstücke. Kolb und Nowakowski, an die ich nicht nur aus diesem

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Grund die besten Erinnerungen habe, kamen zu dem Schluss, mein Vorleben sei doch ein ehrenhaftes. Das Verfahren wurde fortgesetzt und positiv abgeschlossen – obwohl es inzwischen eine nicht von mir lancierte parlamentarische Anfrage von SPÖ-Abgeordneten an Ministerin Firnberg in der Causa gegeben hatte. Ich sage »obwohl«, denn die natürliche Reaktion jeder selbstbewussten universitären Institution auf derartiges ist: über politische Intervention – und als solche konnte man die Anfrage ja verstehen – erreicht man bei uns gar nichts. Aber die Fakultät, Hut ab, sprang, nach kurzem Zögern, über diesen Schatten.

Eine Irritation und drei Anmerkungen Irritierendes erlebte ich allerdings auch. Als Assistent hatte ich eine Unterredung mit einem Beamten des Bundeskanzleramts. Während unseres Gesprächs nahm er einen Anruf an, sodass ich mitbekam, dass es um eine Berufung an eine medizinische Fakultät ging; ob der Kandidat XY wohl der SPÖ nicht zu nahe stünde? Dem Beamten war offenbar egal, dass ich notgedrungen mithörte. Derartige Interventionen Pro und Contra eine bestimmte Person waren über Jahrzehnte an der Tagesordnung, erleichtert durch die Struktur von Berufungsverfahren: die jeweilige Fakultät erstellte mit Mehrheitsbeschluss eine Berufungsliste mit mehreren Namen, aber die Entscheidung, mit wem Verhandlungen aufgenommen werden, lag beim Ministerium. (Erst das Universitätsgesetz 2002 setzte diesem Unfug ein Ende.) Dieses Prozedere konnte für durchaus qualifizierte Kandidaten fatale Folgen haben, und nicht nur für dem Ministerium unliebsame Personen. Wenn das Gerücht umlief, Dozent NN habe im Ministerium ausgezeichnete Karten, stand eine autonomiebewusste Fakultät vor der Wahl, ihn entweder an die erste Stelle der Berufungsliste zu setzen, oder ihn vollständig zu ignorieren; denn mit jedem hinteren Platz wäre man das Risiko eingegangen, dass das Ministerium die Erstgereihten einfach übergeht. Dreierlei möchte ich zu den Erlebnissen anlässlich meiner Habilitation noch anmerken. Erstens, Gummiparagraphen – unbestimmte, beliebig interpretierbare Normvorschriften zu individuellem Verhalten – sind des Teufels. Gegeben die »richtigen« Machtverhältnisse, kann man damit jeden fertigmachen. Zweitens, schriftliche Notizen haben ihr Gutes. Jahre nach einem Ereignis lässt das Gedächtnis einen im Stich, und es hätte ohnedies wenig Beweiskraft. »Jedes Schriftl ist ein Giftl«, soll ein SPÖ-Minister gesagt haben. Nein, nicht jedes. Drittens, obwohl ich nicht zu Unrecht als Roter galt, ließ die mit überwältigender Mehrheit konservative Fakultät mich das nicht spüren; vor den Nationalratswahlen 1970 nicht, und nachher schon gar nicht. Auch mein Antrag auf eine außerordentliche Professur ging 1976 ohne weiteres durch.

Politik in Universitäten: Some anecdotal evidence

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In Wien endet der rote Faden 1977 ging ich nach Wien an die Verwaltungsakademie des Bundes. In der Arbeit mit Beamten spielte Politik naturgemäß eine große Rolle, aber im Sinne von »policy«, nicht von »politics«. Amüsant waren unter anderem die Abwehrstrategien von Beamten in Seminaren für Führungskräfte. Als mein Kollege Stefan Titscher (später Soziologieprofessor an der Wiener Wirtschaftsuniversität und angeblich das Mastermind hinter der Uni-Reform 2001) sie mit bestimmten Managementmethoden konfrontierte, antworteten die mittleren Ränge: gut und schön, aber mit DEN Vorgesetzten?! Und die Sektionschefs sagten: schön und gut, aber mit DEN Mitarbeitern?! Als ich 1980 an die Universität Wien berufen wurde, spielte im Institut für Wirtschaftswissenschaften die Frage (m)einer Parteimitgliedschaft praktisch keine Rolle. (Etwa ab 1976 war ich für rund ein Dutzend Jahre Mitglied der SPÖ.) Die Kollegen interessierten sich vorwiegend für meine theoretischen und empirischen Publikationen, die ÖH – in Gestalt des Roten Börsenkrachs, siehe oben – für meine Fähigkeiten in der Lehre. Das Institut war groß, mit rund zehn Professoren und 25 Assistenten, deren politische Einstellungen von links bis Mitte rechts variierten, soweit sie überhaupt bekannt waren. In Summe meine ich: sehr liberal, sehr tolerant; nur ein bekennender Rechtsradikaler hätte Schwierigkeiten gehabt. So gibt es in politischer Hinsicht, dem roten Faden dieser Reminiszenzen, nicht mehr viel zu erzählen. Als Peter Pilz und ich 1984 eine Studie über die wirtschaftlichen Perspektiven – düster, sehr düster – der österreichischen Rüstungsindustrie vorstellten, gab es Aufruhr bei SPÖ, ÖVP und FPÖ und jede Menge Interventionen und abwertende Kommentare von deren Seite, aber meine Kollegen am Institut hoben nicht einmal die Augenbrauen. Als Dekan der SOWI-Fakultät hatte ich natürlich zahlreiche Policy-Entscheidungen zu fällen und Verhandlungen mit dem Ministerium zu führen, aber das war reine Sachpolitik. Und als 1993 die Frage einer Kandidatur für die Grünen bei der kommenden Nationalratswahl auftauchte, sagten meine Kollegen: »Versuch’s, und wenn’s nicht klappt, kommst du eben zurück ans Institut.« Diese großzügige Nonchalance fand ich beeindruckend und vorbildlich.

Interview mit Vizebürgermeister a.D. Stadtrat Dr. Sepp Rieder

F: Beginnen wir das Gespräch vielleicht damit, dass Sie erzählen, wie Sie als Student die Universität erlebt haben und wie sich in jener Zeit Wien als Universitätsstadt dargeboten hat? Rieder : Na ja, ich decke mit meinen Erinnerungen und Erfahrungen einen Zeitraum ab, der sehr weit zurückreicht. Ich habe 1957 maturiert und im Dezember 1961 promoviert. Das Jus-Studium war damals noch so strukturiert, dass man relativ wenig Zeit an der Universität in den Vorlesungen verbracht hat – ich war vielleicht sogar eine positive Ausnahme –, aber typisch für die meisten Studienkollegen war, dass sich vieles über diese privaten Rechtskurse abgespielt hat. Daher ist die Beziehung zur Universität speziell in dieser Fakultät sehr dünn gewesen. Wie ich schon erwähnt habe, verbrachte ich im Verhältnis zu meinen Kollegen sogar mehr Zeit an der Universität in Seminaren und Vorlesungen. Aber ich habe die Universität damals trotzdem als einen Betrieb betrachtet, der mir persönlich nicht viel bringt. Und ich glaube, dass ich bis zur Absolvierung des Studiums nicht wirklich verstanden habe, um was es in der Juristerei wirklich geht. Insofern ist meine Beziehung zur Universität und zur Fakultät relativ dürftig gewesen, und die Erinnerungen sind auch sehr begrenzt. Dazu kommt, dass ich von meiner Lebensstrategie her zum damaligen Zeitpunkt nur ein einziges Ziel hatte, nämlich das Studium so rasch wie möglich zu absolvieren, um danach einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Ich komme aus bescheidenen Verhältnissen, und nur dadurch war es möglich – es gab ja damals auch noch Studiengebühren, das Studium war also auch eine soziale Belastung für meine Eltern –, das Studium einigermaßen kostengünstig abzuwickeln. Das Studiengeld habe ich damals übrigens mehr als bürokratische denn als soziale Barriere empfunden, es war nämlich damit das Ausfüllen zahlreicher Formulare verbunden. Mit der Wissenschaft an sich habe ich während meines Studiums an der Universität gar nichts zu tun bekommen.

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F: Wie haben Sie als Student die Professoren erlebt? Rieder : Das war vielfach eine dem Gymnasium nicht unähnliche Spezies, eben die alte Kategorie, die z. T. noch aus der Zeit vor 1945 stammte und uns auch mental nicht wirklich einen neuen Geist oder neuen Aufbruch zu vermitteln vermocht hat. Es war natürlich sehr unterschiedlich, aber eine Person mit positiver Vorbildfunktion im Sinne der eigentlichen Ziele der Universität habe ich aus dem Kreis der damaligen Professoren nicht kennengelernt. F: Würden Sie sagen, dass Personen und Strukturen noch sehr traditionell und auch konservativ geprägt waren? Rieder : In puncto Wertvorstellungen war das sicherlich so. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Ich habe einmal an einem Seminar des Professor Günther Winkler teilgenommen, bei dem übrigens auch der spätere Rechtsanwalt und ÖVP-Generalsekretär Michael Graff anwesend war, in dem es eigentlich nur darum ging, sich gegen die reine Rechtslehre von Hans Kelsen zu wenden, anstatt zu begreifen, dass Kelsens Lehre auf die Überwindung der Naturrechtsphilosophie gerichtet war. Das war, ohne das ich damit Winkler etwas Negatives nachsagen möchte, schon sehr bezeichnend. F: Haben Sie sich damals auch bei Studentenorganisationen engagiert? Rieder : Nein, überhaupt nicht. Das ist an mir vorübergezogen. Ich stamme aus einer Familie, die nicht besonders politisch orientiert war. Geprägt durch meine Mittelschulzeit und durch die damalige Entwicklung hätte ich vermutlich eine extrem linke politische Position vertreten und mich daher in keiner dieser studentischen Organisationen wiedergefunden. F: Sie meinen, auch nicht in der sozialistischen Studentenorganisation? Rieder : Ich erwähne das hier, obwohl es eigentlich nicht zum Thema gehört, aber ohne Christian Broda, der meine politische Grundeinstellung erkannt und mich an die Sozialdemokratie herangeführt hat, wäre ich nie bei der Sozialdemokratie gelandet. F: Und ich welcher Weise kann man sich diesen Einfluss Brodas auf Ihre politische Haltung vorstellen? Rieder : Es war damals eine andere Zeit, die sich dadurch positiv auszeichnete, dass sich führende Politiker noch die Zeit genommen haben, um sich mit jungen

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Leuten zu beschäftigen, und wenn sie bei ihrem Gegenüber ein waches Interesse für gesellschaftspolitische Fragen registriert haben, dieses dann auch zu fördern versucht haben. Das war übrigens keine Spezialität Brodas, sondern auch andere SPÖ-Spitzenpolitiker wie Bruno Kreisky, Hertha Firnberg u. a. engagierten sich auf diese Weise. Ich glaube aber, dass es vielleicht bei Broda am meisten Verständnis für links angesiedelte, wenngleich vielleicht noch jugendlich verworrene, Positionen gegeben hat. F: Und wann haben Sie diesen Schritt hin zur Sozialdemokratie vollzogen? Rieder : Na ja, es bahnte sich bei mir in der Zeit der ÖVP-Alleinregierung an; den Beitritt zur SPÖ habe ich dann Anfang der 1970er Jahre vollzogen. F: Das heißt, es gab davor eine Zeit, in der Sie außerhalb der Politik berufstätig waren. Rieder : Das ist richtig. Ich wurde Anfang 1962 zunächst Rechtspraktikant und danach Richteramtsanwärter, kam danach ins Ministerium. Es hat dann noch eine zweite Ebene gegeben, die auch für mich bemerkenswert war. Als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, wohnhaft in der Leopoldstadt, bin ich damals von Michael Sagmeister, dem damaligen Sekretär der Bau- und Holzarbeitergewerkschaft, kassiert worden. In diesem Bezirk gab es eine Sektion, die von dieser Gewerkschaft dominiert wurde, die Sektion XVII, in deren Bereich ich wohnte. Und Sagmeister sprach mich direkt an, ob ich nicht mitarbeiten wolle. Beide Ebenen haben mir damals imponiert, wobei die gesellschaftspolitischen Perspektiven Brodas meinem politischen Denken sehr sehr nahe gekommen sind. F: Was hat Sie Anfang der 1970er Jahre am meisten an der Sozialdemokratie fasziniert: die Persönlichkeit Brodas, die von ihm eingeleiteten Rechtsreformen? Rieder : Im Rückblick war bei mir vermutlich das Empfinden für soziale Gerechtigkeit entscheidend. Wie ich schon angedeutet habe, habe ich das gesellschaftliche Leben in den 1950er Jahren als unglaublich ungerecht empfunden, in den 1960er Jahren war es für mich dann ganz klar, dass das, was die ÖVP vertritt, das verzopfte Mittelalter ist; die Erfahrungen in den ersten Jahren meiner beruflichen Laufbahn und danach in den 1970er Jahren mit der sozialdemokratischen Regierung unter Bruno Kreisky, die nicht nur Versprechungen gemacht, sondern auch gehalten hat und außerdem natürlich die beeindruckende Persönlichkeit des Christian Broda waren ausschlaggebend für meine politische Entscheidung.

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F: Und was im Speziellen in den 1950er Jahren hat auf Sie so trist gewirkt? Was ist Ihnen da besonders in Erinnerung geblieben? Rieder : Der unmittelbare Eindruck war das Schulsystem und viele Fragen der Entwicklung in Österreich wie die Dominanz des Wirtschaftswachstums und des Wirtschaftserfolgs (wenn man das mit heute vergleicht, war das natürlich durchaus harmlos), aber auch das Vergessen auf alle anderen Bereiche. Das Wirtschaftswunder der 1950er Jahre hatte allerdings – im Vergleich mit der heutigen Entwicklung – relativ harmlose Auswirkungen, aber für mich als junger Mensch war dies trotzdem ein Schlag ins Gesicht, wobei ich hinzufügen muss, dass das nicht nur mein Empfinden war, sondern das zahlreicher junger Menschen damals. F: Das ist erstaunlich, denn eine solche Stimmung bei der Jugend habe ich in anderen Gesprächen, die ich führte, nicht wahrgenommen, nämlich, dass dieses, von Ihnen beschrieben Klima, junge Leute aufgerüttelt hätte, etwas zu tun. Rieder : Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass in meiner Generation von denen, die das Glück gehabt haben »hinaufzukommen«, viele begriffen haben, dass das nicht nur ihr eigenes und das Verdienst ihrer Eltern war, das ihnen diesen Aufstieg ermöglichte, sondern ein gesellschaftliches Verdienst, das erst erkämpft werden muss. F: Sie haben erwähnt, dass Sie damals wenig von der Universität angetan waren bzw. sich wenig zu ihr hingezogen fühlten. Würden Sie meinen, dass diese Haltung eine ist, die nur auf Sie zutrifft oder auch auf viele Sozialdemokraten in diesen Jahren? Rieder : Ja, ich glaube, da war ich einer von vielen. Wenn man das auf eine allgemeine Ebene stellt, sind da mehrere Dinge zusammengekommen. Bei mir persönlich war es das Jus-Studium – ich hätte sicherlich eine andere Beziehung zur Universität gehabt, wenn ich Medizin oder Politik studiert hätte. Ich glaube, dass sich die Sozialdemokratie erst in den 1970er Jahren, dann aber mit voller Kraft, dem Thema Universitätsreform gewidmet hat. Mein persönliches Interesse an der Wissenschaft hat sich entzündet, und das hängt wieder mit zwei Personen zusammen – Firnberg und Broda –, an dem Thema »Justiz und Zeitgeschichte«. (An der Organisation dieser Symposien durch Erika Weinzierl und Karl R. Stadler kommt ja, glaube ich, später auch Oliver Rathkolb ein maßgebliches Verdienst zu.) Dieses Kapitel war natürlich nur ein Thema in der Wissenschaft und Forschung, besonderes Interesse hatte ich auch an der Gesellschaftspolitik, weil es der erste Ansatz war, mit der eigenen Vergangenheit

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umzugehen – schließlich behandelten viele Referate, die bei »Justiz und Zeitgeschichte« gehalten wurden, auch die Zeitspanne des Nationalsozialismus. F: Ich erinnere mich aber, dass für junge Studenten und Studentinnen in den frühen 1970er Jahren das Thema Februar 1934 auch noch sehr virulent war. Rieder : Mich hat aber das Thema NS-Zeit sehr stark beschäftigt, und das wiederum hat viel mit meiner persönlichen Entwicklung zu tun. Meine erste Aufgabe als Jurist, ich war damals noch nicht einmal fertiger Staatsanwalt, sondern noch in der Ausbildungszeit, war meine Zuteilung zum Staatsanwalt Kovacs1, der damals die großen NS-Verfahren – Rajakowitsch, Novak oder Verbelen – geführt hat. Damals lernte ich, und zwar bis ins kleinste Detail hinein, viele Einzelheiten der Planungen des NS-Unrechtsstaats kennen. Ich bekam auch über das jeweilige Anklagefaktum hinausgehend Einblick in die Vorgänge, die dem Holocaust vorausgingen. Daher waren für mich persönlich die Ereignisse der 1930er Jahre weitaus nicht so berührend wie die Zeit des Nationalsozialismus Ich habe daher eine etwas abweichende Auffassung, was den Umgang der Justiz mit diesem Kapitel der Geschichte betrifft: Man kann es nämlich nicht lösen von dem allgemeinen gesellschaftlichen Klima der 1960er und 1970er Jahre. Kovacs hat sich damals wirklich sehr um die Aufklärung bemüht, im Ergebnis freilich ist die Bilanz der Justiz, was die Aufarbeitung dieses Themas betrifft, nicht wirklich erfolgreich, auch im Hinblick darauf, dass es kaum gelungen ist, das Thema unter die Menschen zu bringen. F: Dafür waren vermutlich die 1960er Jahre auch ein denkbar schlechter Zeitpunkt, wenn man sieht, welch universitäre Affären sich auf diesem Feld damals abgespielt haben. Rieder : Ich habe jedenfalls im Rahmen der Veranstaltungen von »Justiz und Zeitgeschichte« zum ersten Mal Professoren kennengelernt, die sich mit großem wissenschaftlichen Engagement mit diesen Themen beschäftigt haben. Dadurch wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass es nicht nur auf naturwissenschaftlichem Gebiet oder in der Medizin neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden können, sondern auch im Bereich der Sozial- und Geisteswissenschaften.

1 Dr. Ernst Kovacs war 1965 Ankläger im Prozeß gegen Dr. Erich Rajakowitsch, in den 1960er und 1970er Jahren als Ministerialrat und späterer Leiter der Abteilung 11 im Bundesministerium für Justiz maßgeblich an der Vorbereitung von Strafverfahren gegen prominente NSTäter beteiligt.

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F: Später, viel später, sind Sie ja dann kraft Ihres Amtes in viel engere Beziehungen zur Wissenschaft gekommen. Rieder : Dazwischen liegt auch noch die Zeitspanne, in der ich als Nationalratsabgeordneter in den Jahren 1983 – 1989 als Justizsprecher tätig war, aber dennoch weiterhin diesem Thema der wissenschaftlichen Aufarbeitung, beschränkt auf die Justiz, verbunden gewesen bin. Damals war schon viel deutlicher die Verknüpfung von Politik und Wissenschaft erkennbar. Übrigens auch umgekehrt, nicht in dem Sinne, dass man Professoren als verkappte Politiker ansehen müsste, sondern in dem Sinne, dass sie politisch gedacht haben. Als Gesundheitsstadtrat war ich in einem Bereich tätig, der der Wissenschaft von vornherein viel mehr verbunden war. Die medizinische Forschung in Wien ist ja in doppelter Weise mit der Wissenschaft verbunden, einerseits rein pragmatisch, in der Doppelnatur des AKH, das ja einerseits Lehranstalt und Forschungseinrichtung und andererseits Großspital ist. Für mich ist die Medizin ohne wissenschaftliche Forschung nicht vorstellbar. Deshalb war es von vornherein mein Bestreben, dafür zu sorgen, dass nicht nur im AKH, sondern auch in den anderen Spitälern der Stadt Wien Ärzte neben ihrer Tätigkeit als behandelnde Ärzte weiterhin auch die Möglichkeit haben, zu forschen und auf diesem Gebiet zu arbeiten. Ergebnis ist, und das geht schon auf Leopold Gratz zurück, der Bürgermeisterfonds, der beim Gesundheitsstadtrat eingerichtet ist, wodurch die Möglichkeit besteht, Geld für kleinere Forschungsprojekte zu vergeben. Ich habe mich dann außerdem sehr für die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft eingesetzt, die damals eine andere Strategie hatte, nämlich, dass sie Primarärzten die Einrichtung eines eigenen Instituts ermöglichte, wobei das natürlich alles kleine Institute waren. Ich gehörte später auch dem Vorstand der Boltzmann-Gesellschaft an. Es gab eine Vielzahl von Instituten im medizinischen Bereich, wobei einige sicherlich nur auf dem Papier bestanden haben. Ein Problem damals bestand sicherlich darin, dass einige Professoren auch noch in ihrer Pension das entsprechende Institut geleitet haben und dadurch eine Nachfolgemöglichkeit abgeschnitten war. Es gab also Probleme, u. a. was den Nachwuchs betraf, aber der diesen Boltzmann-Instituten zugrunde liegende Grundgedanke war absolut richtig. Der Krankenanstaltenverbund greift diese Idee jetzt wieder auf, nämlich dass Wissenschaft und Medizin zusammen bzw. gemeinsam in allen Bereichen auch weiterhin ausgeübt werden müssen. Vor etwa zehn Jahren änderte sich die Strategie der Boltzmann-Gesellschaft: Man ging weg von den Kleininstitutenund errichtete Großinstitute. Zuvor war das auch für den Gesundheitsstadtrat ein praktikables Instrument, um zu erreichen, dass auch in Spitälern der Stadt Wien auf den verschiedenen Gebieten der Medizin geforscht wird.

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F: Ich möchte, ohne Ihren Gedankengang unterbrechen zu wollen, nur noch einmal auf ihre Tätigkeit im Nationalrat zurückkommen. Wie haben Sie denn da die Diskussionen über Wissenschaftspolitik in Ihrer Fraktion oder im Plenum erlebt? Rieder : In den 1970er Jahren war es eine absolute Neuerung, dass politische Ideen durch wissenschaftliche Erkenntnisse abgesichert oder abgestützt waren. Das war ein wirklicher Umbruch und ist als Standard auch in den nachfolgenden Jahren geblieben, während man heute eher eine Absicherung durch Meinungsumfragen hat. Das halte ich für weniger gut. Einen weiteren Eindruck konnte ich mehr in den Plenardebatten und auch aufgrund meiner persönlichen Freundschaft mit Heinz Fischer gewinnen – ich selbst habe ja dem Wissenschaftsausschuss im Parlament nicht angehört –, dass immer wieder die Nähe der Universitäten zur Politik Thema politischer Debatten wurde, ob das jetzt positiv oder negativ war, kann ich jetzt nicht beurteilen. Als Sozialdemokrat gesprochen – ich weiß jetzt nicht, wie sich das im Parteiprogramm niedergeschlagen hat –, aber die Sozialdemokratie hat sich lange mit den Universitäten weniger inhaltlich als mit ihrer Organisationsstruktur beschäftigt. Eines der vorrangigen Ziele sozialdemokratischer Hochschulpolitik in den 1970er Jahren war es, dass die organisatorischen Veränderungen auch gesellschaftspolitische Veränderungen anstoßen und dem Demokratisierungsprozess dienen sollten. Der Grundgedanke war also ein gesellschafts- bzw. demokratiepolitischer, weg vom Glassturz und der Isolierung hin zur Öffnung in Richtung zu einer gesellschaftlichen Öffnung. Es wurden also im Zusammenhang mit den Universitäten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, wie etwa in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs, wo man natürlich auch wissenschaftliche Erkenntnisse und Meinungen einbezog, weniger wissenschaftliche Fragen, sondern mehr politisch diskutiert. In dem Maße, in dem der gesellschaftspolitische Ansatz in der Sozialdemokratie zurückgeschraubt wurde, weil vieles erreicht war oder manches, mehr oder weniger umgesetzt werden konnte, sind dann andere inhaltliche Fragen, meist spezieller Art, wie z. B. Stammzellenforschung, in den Vordergrund gerückt. Die nächste Phase der Entwicklung in dieser Beziehung Wissenschaft und Politik ist meines Erachtens durch die Hegemonie des Wirtschaftsdenkens geprägt. Da wurde plötzlich, ohne dass ich das jetzt genau datieren könnte, die Wissenschaft als Instrument des Wirtschaftswachstums entdeckt. Das wäre so in etwa meine Gesamtschau über die verschiedenen Etappen seit den 1970er Jahren. Es passt in dieses Bild, dass schließlich, wenn auch in anderer politischer Konstellation, die Universitäten schließlich zu Wirtschaftsunternehmen mit einem Aufsichtsrat und Selbstfinanzierungsmodell »umgedacht« wurden und – etwas übertrieben gesagt – dem Anspruch genügen sollten: »Ihr müsst schauen,

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dass ihr selbst zu Geld kommt, richtet Eure Forschungsmodelle so aus, dass es möglichst der Wirtschaft zugute kommt.« Das ist aber jetzt eine sehr viel spätere Phase, die sich in den 1980er Jahren noch nicht vorhersehen ließ. F: Umgekehrt, wenn die Wissenschaft als Trägerrakete des Fortschritts wahrgenommen wird, dann steigt ja die Bedeutung der Universität für die Kommunalpolitik. Rieder : So ist es. Andererseits war es lange Zeit klar, dass Bereiche wie die Universitäten, für die der Bund die Verantwortung getragen hat, aus einem Gesamtverständnis heraus nicht in die Veranwortung der Stadt fielen. Das gilt natürlich auch für die großen Kulturinstitutionen, die Staatsoper und das Burgtheater, aber stärker natürlich für die Universitäten. Sie kamen in der Agenda der Stadtpolitik daher lange Zeit kaum vor. Hier hat sich eine grundlegende Wende – ich will das gar nicht mit meiner Person verbinden – schon unter Helmut Zilk abgezeichnet, zum Durchbruch kam es aber unter Bürgermeister Michael Häupl und Stadträtin Brigitte Ederer. Vor allem Häupl hat die bisherige Denkweise zur Seite geschoben und die Universitäten in die Stadtpolitik stark einbezogen. Als Finanzstadtrat hatte er bei mir da natürlich volle Unterstützung, und wir haben eine Reihe von Dingen auf den Weg gebracht, eine Vielzahl konkreter, auch steuerlicher Maßnahmen. Vor allem wurde eine neue Beziehung eingeleitet dadurch, dass die Universitäten in die Stadtentwicklung einbezogen wurden. Meine persönlichen Erinnerungen beziehen sich dabei auf die BOKU als positives Beispiel; das Gegenbeispiel wäre die TU Wien, wo ich, unterstützt vom Wiener Wirtschaftsförderungsfonds, alles darangesetzt habe, dass diese sich auf dem Stadtentwicklungsgebiet des Flugfelds Aspern ansiedelt. Hier hat der Planungsstadtrat Rudolf Schicker allerdings eine andere Position eingenommen und sich letztendlich, wahrscheinlich weil er selbst von der Technik kam, mit großem Engagement durchgesetzt. Auch die Standortwahl der Wirtschaftsuniversität geschah nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Stadtentwicklung, sondern auch aus universitären Überlegungen heraus. In diesem Zusammenhang ist im Lauf der Zeit eine ganz andere Beziehung zwischen Stadtverwaltung und den Universitäten entstanden, auch was die persönlichen Kontakte zwischen Vertretern beider Seiten angeht. Ich kann hier nicht alles aufzählen, was es auf diesem Gebiet alles für Überlegungen gegeben hat. Nicht vergessen aber darf man natürlich die von Ehalt initiierten »Wiener Vorlesungen«, ein ganz tolles Projekt, ferner das Wiener Biozentrum, das allerdings vor allem von großen Wirtschaftsunternehmen getragen wurde und wird und eine Reihe weiterer Projekte. Ich selbst habe ja an einer Arbeitsgruppe mitgewirkt, die einen Wissenschafts-Entwicklungsplan zustande gebracht hat, der gemeinsam mit Wissen-

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schaftlern erarbeitet wurde, allerdings orientiert an den Disziplinen Medizin, Wirtschaft und Technik und weniger am Bereich der Sozialwissenschaften. In dieser Phase ist meines Erachtens ein neues Klima entstanden. Das passierte natürlich nicht auf Knopfdruck – der wirkliche Durchbruch ist mit Michael Häupl gelungen, der schon aufgrund seiner Herkunft die Auseinandersetzung mit den Wissenschaften sehr stark propagiert hat, und zwar nicht nur, aber auch, unter dem Gesichtspunkt: Was braucht eine moderne Stadt? Wien kann seine Identität ja nicht immer und ewig nur aus Schönbrunn beziehen. F: Sie haben die Erarbeitung eines Wissenschaftsplans erwähnt, andere sagen, in Wien habe eine bewusste Standortplanung lange Zeit nicht stattgefunden und dass die Bauwirtschaft mehr Einfluss auf die Standortfindung gehabt habe als die Stadtpolitik. Rieder : Ich glaube, im Ergebnis ist das richtig, weil du dir leichter tust, wenn du über eigene Grundstücke verfügst; während man umgekehrt große Schwierigkeiten hat, planerische Maßnahmen zu setzen, wenn andere diese Entscheidung bezahlen müssen. Bei all diesen Projekten ging es immer darum, andere zu motivieren, etwas gemeinsam zu machen. F: Wo lagen dabei die Schwierigkeiten? Rieder : Ich erwähnte schon das Beispiel der Technischen Universität, wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich damit recht habe: In diesem Fall ging es um die schwierige Situation des Gebäudeteils am Getreidemarkt, wo es Forschungslabors gab, die sich in einem sehr schlechten Zustand befanden. Das war der Auslöser für den Rektor, um nach einem neuen Standort zu suchen. Seine Idee war eigentlich eine Campuslösung; diese wurde ihm, wie ich glaube, universitätsintern, »abgeräumt«. Auch das Wissenschaftsministerium verhielt sich dabei zögerlich. Und zum dritten hat der damalige Planungsstadtrat der Stadt Wien, Rudolf Schicker, die Frage aufgeworfen, was das für den 4. Bezirk bedeuten würde, wo bis dato schon sehr viele Studenten wohnten. Durch die Absiedelung würden strukturelle Probleme in diesem Bezirk entstehen, weshalb er zu einer anderen Lösung riet, nämlich einer Teilübersiedlung in das neue Entwicklungsgebiet im 3. Bezirk. So ging es dann auch aus, und die große Campuslösung war damit vom Tisch. Und das andere Beispiel ist die BOKU, die ursprünglich an einem Projekt gemeinsam mit Baxter arbeitete und die ihre Standorte an der Industriestraße absiedeln und stattdessen die Standorte konzentrieren sollte. Die Entscheidung fiel in der Konzernzentrale – damals war der Konzern auf dem Rückzug, heute geht die Entwicklung wieder in Richtung Expansion – und sie fiel anders aus als gedacht. Ursprünglich sollten Baxter und BOKU nämlich

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gemeinsam ein Projekt entwickeln, übrig geblieben ist dann das, was die BOKU schließlich in Heiligenstadt entwickelt hat. Ich bin aber zutiefst überzeugt, dass in vielen Fällen aus der Finanzsituation heraus weder der Bund noch die Stadt in der Lage ist, eine derart große Investition zu tätigen, sondern dass sie dabei einen großen Finanzpartner brauchen, und in der Regel ist das eben ein großes Wirtschaftsunternehmen. Daher gebe ich allen recht, die sagen, es ist sehr viel Fremdbestimmung dabei, aber anders ginge es in vielen Fällen wahrscheinlich gar nicht, weil die Zeiten, in denen das die öffentliche Hand allein hinstellen könnte – also diese Zeiten sind wahrscheinlich auf längere Zeit vorbei. F: Wenn man aber überlegt, was Bund und Land gemeinsam an Grundstücken besitzen, so ist das ja eigentlich nicht wenig. Rieder : So ist es eben nicht, das war nur in Aspern der Fall, wo die Stadt über große Grundstücke verfügt. Wenn man aber die Grundstücke erst erwerben muss, dann ist der Grundbesitzer oft nur sehr schwer zum Verkauf zu bewegen. Es funktioniert also nicht, dass man Projekte immer an einem Wunschstandort realisieren kann, sondern in den meisten Fällen müssen Kompromisse eingegangen werden. Aber ich gebe zu bedenken, dass hier für die Universitäten sehr viele Verbesserungen hinsichtlich der Standorte geschehen sind. Das beste Beispiel dafür ist sicherlich die neue Wirtschaftsuniversität. Ich weiß, welche Schwierigkeiten es gab, diesen Standort durchzusetzen, denn er liegt ja inmitten von Grünland, und man hätte für diese Grundstücke, privat verwertet, für Luxuswohnungen oder Firmenniederlassungen, ein Vermögen bekommen. Auf der anderen Seite ist es ein Paradebeispiel einer zukunftsorientierten Planung; hätte man sie beispielweise am Flugfeld Aspern angesiedelt, was auch eine Option war, hätte man zwar auch eine gute Anbindung an die U-Bahn gehabt, nichtsdestotrotz wäre die Universität damit in eine Stadtrandlage gekommen. F: Wäre für das AKH eine Ansiedlung am Stadtrand eine Lösung gewesen? Rieder : Die Planungen für das AKH reichen soweit zurück, dass ich nicht sagen kann, welche realistischen Varianten hier im frühen Planungsstadium alles zur Sprache gekommen sind. Ich bin mit der Frage AKH erstmals während meiner Tätigkeit im Justizministerium in Berührung gekommen, weil ich damals dem AKH-Untersuchungsausschuss zugeteilt war und daher mit dem Projekt weniger von der medizinischen als vielmehr der juridisch-politischen Seite vertraut war. Eine Verlagerung an den Stadtrand stand damals nicht (mehr) zur Diskussion, im Vordergrund stand in räumlicher Hinsicht die Entscheidung Zentralbau oder nicht. Die Medizin ist, wie ich schon früher erwähnt habe, sicherlich

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in einer ganz besonderen Situation durch ihre Doppelrolle als wissenschaftliche Forschungseinrichtung und Spital. F: Würden Sie sagen, dass es in dem Verhältnis Universität–Stadt verbesserungsfähige Ebenen gibt? Rieder : Dieses Bekenntnis zu den Universitäten ist derzeit sicherlich sehr stark geprägt durch die Person des Bürgermeisters. Gibt es einen anderen Bürgermeister, so ist es durch die Struktur nicht gewährleistet, dass es dieses Verständnis auf mehreren Ebenen auch weiterhin geben wird. F: Und in welcher Form könnte man die Strukturen optimieren, damit sich diese Beziehungen auch von der Person unabhängig weiterentwickeln können? Was wären da Ihre Vorstellungen? Rieder : Grundsätzlich würde ich meinen, dass ohne persönliche Komponente nichts funktioniert. Jedes Komitee, jeder paritätische Ausschuss funktioniert nicht, wenn es nicht von einem persönlichen Wohlwollen der beteiligten Personen getragen wird. Man kann es vergleichen mit dem Verhältnis zwischen Bundesheer und Stadt, das in anderen Städten und Ländern traditionell viel stärker ist, weil es möglicherweise aus einem ganz anderen Bewusstsein heraus tradiert ist. In Wien, möglicherweise durch die sozialdemokratische Hegemonie, kam es im Verhältnis Stadt-Universität dagegen zu einem Umbruch, der möglicherweise mit der Person Zilks verbunden war, der sich hier sehr stark engagiert hat. Ich glaube daher, dass es vom persönlichen Einsatz der Führungspersönlichkeiten abhängt, wie sich dieses Verhältnis gestaltet, und zwar sowohl auf der Seite der Stadt mit der Person des Bürgermeisters und der Stadträte als auch auf der anderen Seite mit den Persönlichkeiten an den Universitäten. Beim AKH gibt es eine spezifische Situation, die man, glaube ich, nicht als generellen Maßstab ansetzen kann, weil dort vieles organisatorisch miteinander verwoben ist. Im Prinzip kann man ein Zusammenwirken aber nicht bloß durch Schaffung irgendwelcher Organisationsstrukturen erreichen. Ich habe damals überlegt, eine Ausgliederung des AKH und eine gemeinsame Gesellschaft mit dem Bund zu schaffen, ausgehend von der Überlegung, dass im Falle einer gemeinsamen Betriebsgesellschaft, in der sowohl Stadt als auch Bund personell in der Führung beteiligt sind, sich daraus eine ganz andere Bindung und Beziehung ergeben könnte. Wenn man also seitens der Universitäten heutzutage in eine Eigentümeroder vergleichbare Verantwortung einzugehen bereit wäre, würde es wieder ganz anders ausschauen. Aber das zu fordern, ist in der gegenwärtigen Entwicklung unrealistisch.

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F: Und wo sehen Sie da das Hindernis? Rieder : Weil die Universitäten Einrichtungen des Bundes sind, zwar inzwischen ausgegliedert, aber trotzdem voll finanziert von der Bundesseite, und kein Bundesland wird sich das einhandeln, eine finanzielle Verpflichtung zu übernehmen, wofür sie vom Bund kein Geld kriegt. F: Aber ergeben sich aus der gestärkten Eigenverantwortlichkeit der Universitäten – Stichwort: Drittmittelfinanzierung – nicht wiederum Kooperationsmöglichkeiten? Rieder : Ich glaube aber, dass es, um es ganz pragmatisch zu sagen, in früheren Jahren, etwa als ich Finanzstadtrat war, leichter war, neue Verpflichtungen einzugehen. Heute, in einer Phase, wo du alles zurückfährst, ist das viel schwieriger geworden. Das wäre ja auch ein Thema des Finanzausgleichs. Und die Unterstützung von universitären Projekten (»Drittmittel«), musst du ja unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Kontrolle des Einsatzes solcher Mittel ununterbrochen rechtfertigen. Es ist etwas ganz anderes, ein Projekt zu fördern, das für die Stadt von Nutzen ist und damit eine universitäre Einrichtung eventuell in Kombination mit einer außeruniversitären Einrichtung zu beauftragen als die Gesamtverantwortung für diese Wissenschaftseinrichtung zu übernehmen. Das kann man mit dem Verweis auf konkrete Vorhaben der Stadt rechtfertigen, ohne damit eine dauernde Verpflichtung gegenüber den Universitäten eingegangen zu sein. Dabei sollte eigentlich das Eigeninteresse der Stadt im Vordergrund stehen – im Selbstbewusstsein einer Stadt, im Stadtgefühl, stolz auf seine Stadt, auf Wien zu sein, spielen die Universitäten eine untergeordnete Rolle, wobei ich allerdings auch nicht weiß, wie sehr dieser Stolz auf die eigene Universität in anderen Großstädten wie Berlin oder New York vorhanden ist. In Kleinstädten, wie Krems beispielsweise, spielt das natürlich eine ungleich größere Rolle. Wenn man eine starke emotionale Bindungswirkung anstreben will, müsste das in diese Richtung gehen. Und zu sagen, wir brauchen Wissenschaft und Forschung, heißt ja nicht nur, sich allein auf die Leistungen der Universitäten zu stützen, sondern auch auf die der außeruniversitären Forschungseinrichtungen. F: Hat es im Verlauf der Jahre auch eine Verengung in der Wahrnehmung der Universitäten durch die Politik gegeben in Bezug auf bestimmte Disziplinen? Rieder : Ich glaube nicht, dass das ein stadtspezifischer Aspekt ist, hier darf ja noch einmal auf die besonderen Leistungen von Einrichtungen wie etwa den »Wiener Vorlesungen« von Ehalt hingewiesen werden, aber in der generellen

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Entwicklung ist bedauerlicherweise die Sozialwissenschaft zu kurz gekommen, was wohl eine Folge des überbordenden Gewichts wirtschaftlichen Denkens ist.

Franz Mrkvicka

Wien die Wissenschaftsstadt Wissenschaft: Es ist nicht ihr Ziel der unendlichen Weisheit eine Tür zu öffnen, sondern eine Grenze zu setzen dem unendlichen Irrtum. Bertolt Brecht (1898 – 1956)

Die Zusammenarbeit der Stadt Wien mit den Universitäten und Hochschulen ist über Jahrzehnte stetig gewachsen. In den vielfältigen Bereichen der Stadtverwaltung haben die wissenschaftlichen Kooperationen mit Universitäten, ihren Instituten, Hochschulen und hochschulähnlichen Einrichtungen massiv zugenommen. Noch im Jahr 1987 wurde im Jahrbuch der Stadt Wien (Die Verwaltung der Stadt Wien) auf etwa einer Seite über »die Pflege, Knüpfung und Intensivierung der Kontakte zwischen Universitäten, Hochschulen, wissenschaftlichen Gesellschaften und der Stadtverwaltung« berichtet. Aber bereits damals begann das Wissenschaftsreferat der Magistratsabteilung 7 abteilungsübergreifend für die gesamte Stadtverwaltung die Kooperation mit den wissenschaftlichen Einrichtungen in Wien zu erfassen und schließlich die Förderungen dieser Kooperationen zu intensivieren. Für das Jahr 2013 wurde nun der 11. umfassende Wissenschaftsbericht der Stadt Wien publiziert mit dem Auftrag:«Wissenschaft und Forschung zu fördern. Innovationspotentiale entwickeln. Wissen als Demokratiechance nützen.« In diesem Wissenschaftsbericht sagt Bürgermeister Dr. Michael Häupl zurecht »Die wichtigsten Zäsuren der Bemühungen der Stadtregierung um die Universitäts- und Wissenschaftsstadt waren und sind die Schaffung der beiden Universitätscampusse im ehemaligen Allgemeinen Krankenhaus für die ›Geisteswissenschaften‹, die Humanities der Universität Wien und für die Wirtschaftsuniversität im 2. Bezirk nächst dem Prater. Die neue Nachbarschaft von Campus (Feld) und Prater (Wiese) wird der Wissenschaft und ihren Protagonisten, den StudentInnen und ProfessorInnen, gut tun. Für die Stadt sind diese beiden universitären intellektuellen Brennpunkte mit ihren Campuszentren ein Glücksfall.« Die »Wiener Vorlesungen« wurden 1987 vom damals neuen Wissenschaftsreferenten der Magistratsabteilung für Kultur (MA 7) Dr. Hubert Christian Ehalt gegründet. Seit dem Jahr 1987 haben bei über 1.400 Veranstaltungen weit mehr als 6.000 Persönlichkeiten aus allen Kontinenten zur geistigen Situation der Welt Stellung genommen und wurden von einer halben Million Menschen besucht.

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Die »Wiener Vorlesungen« agieren an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, sind ein Dialogforum, bei dem die Bürgerinnen und Bürger Teil einer kritischen Standortbestimmung werden. Die »Wiener Vorlesungen« haben zur Öffnung beider Institutionen beigetragen – des Rathauses und der Universität. Ebenso sind zum Beispiel die Wiener Museen als wissenschaftliche Einrichtungen Wissensvermittler und Wissensspeicher für die Wienerinnen und Wiener. Wissenschaft und Innovation gehören jetzt zu den bestens abgestimmten »Querschnittsmaterien« der Stadt Wien. In diesen 25 Jahren wurde aber auch die Kooperation der Stadt Wien mit vielen Institutionen der Stadt massiv verstärkt, so auch mit den Institutionen der Arbeitnehmerinteressensvertretungen ÖGB und Arbeiterkammer, zum Beispiel durch eine neuerliche Vernetzung mit dem in den 1950er Jahren von der Arbeiterkammer mit dem ÖGB und der Stadt Wien geschaffenen und in der Folge von der Arbeiterkammer betreuten »Theodor Körner-Preis«. Der heute besonders durch die Qualität seines wissenschaftlichen Beirats und dessen Vorsitzenden Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb für die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in Österreich an wissenschaftlichen oder künstlerischen Projekten arbeiten, große Bedeutung besitzt. Auch die Sozialwissenschaftliche Studienbibliothek der Arbeiterkammer ist für die in Wien Studierenden ein wichtiger Ort für wissenschaftliche Auseinandersetzung und Information. Die Arbeiterkammer Wien hatte schon immer Bildung und Bildungspolitik große Bedeutung beigemessen. Bildung muss eine dreifache Qualifizierung ermöglichen: für das Berufsleben, für das Leben in einer demokratischen Gesellschaft, für die persönliche Lebensbewältigung und -gestaltung. So wies AKPräsident Adolf Czettel bei der 100. Vollversammlung der Arbeiterkammer 1988, die gleichzeitig die Eröffnung des neuen und dann nach ihm benannten Bildungszentrums war, in seiner Rede darauf hin, dass im Palais Alphonse Rothschild in der Theresianumgasse am Platz des neuen Bildungszentrums nach der Okkupation Österreichs 1938 die Zentrale des nationalsozialistischen Terrorapparats eingerichtet wurde. Im ebenfalls enteigneten Palais Louis Rothschild in der Prinz-Eugen-Straße richtete das NS-Regime Eichmanns »Zentralstelle für jüdische Auswanderung« ein. Die Familie Rothschild fand nach 1945 ihren durch Bomben und Einquartierungen zum Teil stark devastierten Besitz in der sowjetischen Besatzungszone wieder und bot die Liegenschaften zum Verkauf an. Die Arbeiterkammer erwarb zunächst das obere Palais in der Theresianumgasse und errichtete an seiner Stelle das Franz-Domes-Lehrlingsheim, später kaufte sie auch die Liegenschaft in der Prinz-Eugen-Straße, wo ihr neues Bürogebäude entstand. Dem Lehrlingsheim folgte in den 1980er Jahren das Bildungszentrum. Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka unterstrich wie etliche andere Expertinnen und

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Experten die besondere Rolle der Arbeiterkammern und des ÖGB für den Abbau von Bildungsbarrieren. Er sagt: »Bildung ist genuine Aufgabe des Arbeitnehmerverbandes, denn Bildung ist mitentscheidend – und dies immer mehr – für die Placierung eines Menschen.« Und er sagt weiter : »Es gibt keine – neutrale – Bildung. Sowohl die Verteilung der Bildungschancen nach den Kriterien Geschlecht, Status und Region, als auch die inhaltliche Orientierung der Bildung sind hochpolitische Fragen.« Ein wichtiger Beitrag für die Öffnung des Hochschulsektors waren die 1993 neu geschaffenen Fachhochschul-Studiengänge – bereits im März 1994 lagen 16 Anträge für Studiengänge vor – , die einen völlig neuen Weg zu einer Arbeitswelt nahen Hochschulausbildung darstellten und auch vielen Berufstätigen neue Zugangsmöglichkeiten zu einem Hochschulstudium eröffneten. Im Studienjahr 2011/12 war die Zahl der Studiengänge bereits auf 94 angestiegen (davon 47 Masterprogramme) und rund ein Viertel der österreichischen Angebote befindet sich in Wien. Zwei Drittel aller Studiengänge können auch berufsbegleitend besucht werden. Die Zusammenarbeit der Stadt Wien mit den Fachhochschulen, aber auch mit den Berufsbildungsinstitutionen der Sozialpartner Berufsförderungsinstitut und Wirtschaftsförderungsinstitut und dem Arbeitsmarktservice sowie die Arbeit des Wiener Arbeitnehmerförderungsfonds und die Kooperation mit den Wiener Volkshochschulen haben einen erheblichen Beitrag zur Öffnung von Bildung und Ausbildung und Wissenschaft geleistet. So konnten Begabungen und Fähigkeiten auf breiter Basis erkannt und gefördert und zum Beispiel soziale Barrieren zur Hochschulbildung reduziert werden, – eine Entwicklung, deren Bedeutung nicht oft genug hervorzuheben ist. Natürlich gibt es noch immer Problembereiche, zum Beispiel die fehlende Anerkennung der Gleichwertigkeit von Berufsreifeprüfung und Fachhochschulabschlüssen im öffentlichen Dienst oder auch bei der angestrebten intensiveren Nutzung des Potentials der Fachhochschulen für die Forschung.

Die Öffnung der Universitäten und Hochschulen Öffnung der Universitäten und Hochschulen bedeutet den offenen Zugang für alle jungen Menschen mit den notwendigen Voraussetzungen zur Hochschulbildung. Damit sie diese Voraussetzungen erwerben können, muss ihnen das vorgelagerte Bildungssystem die Möglichkeit dazu eröffnen. Daher waren die seit den 1970er Jahren eingeleiteten und umgesetzten Bildungsreformen aus meiner Sicht von grundlegender Bedeutung. Das betrifft den Ausbau der Oberstufenschulen mit Matura insbesondere auch im Bereich der berufsbildenden höheren Schulen, hier speziell auch die Schulen für Berufstätige und die

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Einrichtungen der Kollegs sowie die Studienberechtigungsprüfung. Ein ganz wichtiger Schritt war die ab 1997 eingeführte »Berufsreifeprüfung neu«. Sie stellt eine große Chance für Berufstätige dar, an ihre berufspraktische Ausbildung eine Hochschulausbildung anzuschließen, dies gilt nicht nur für die Universitäten, sondern vor allem auch für den Bereich der Fachhochschulen und der pädagogischen Hochschulen. Insgesamt sind bis in die 2000er Jahre soziale Barrieren zur qualifizierten Bildung und Ausbildung deutlich abgebaut worden, durch die neuen Zugangsmöglichkeiten ebenso wie durch den Ausbau des Stipendienwesens und die Abschaffung der Studiengebühren. Studiengebühren sind ein grundlegender Hemmschuh für die Aufnahme einer Hochschulausbildung, umso mehr, wenn es keine entsprechende finanzielle Absicherung für die betroffenen Studierenden gibt. Hilfestellungen durch die Stadt Wien, wie die Förderung von Wohnmöglichkeiten für Studierende, aber auch ermäßigte Karten für Museen und Theater sowie die verbilligte Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel tragen auf jeden Fall deutlich zur Leistbarkeit eines Studiums bei. Maßnahmen, die davon ausgehen, den Zugang zu den Hochschulen und Universitäten zum Beispiel durch Studiengebühren zu beschränken, tragen zum Aufbau neuer Bildungsbarrieren bei. Um dem entgegenzusteuern, ist es auch notwendig, dass dieser Bildungssektor durch eine entsprechende finanzielle Ausstattung den jungen Menschen, die ein Studium beginnen wollen, die notwendigen Voraussetzungen bieten kann. Es wäre aus meiner Sicht demokratiepolitisch falsch, den Universitäten im Rahmen ihrer Autonomie auch die Einhebung von Studiengebühren zu ermöglichen. Diese Frage kann nur bundesweit politisch entschieden werden. Die Neuorganisation des Studiums – etwa durch die Einführung des Bachelor- und Masterabschlusses – wirft viele neue Probleme auf, kann aber auch Chancen hinsichtlich der Zugangsöffnung bringen. Positiv sind in diesem Zusammenhang auf jeden Fall alle Bemühungen um Vernetzung der Bildungsangebote im tertiären Sektor zu sehen, – zwischen Fachhochschulen und Universitäten und besonders zwischen Pädagogischen Hochschulen und Universitäten.

Bildung für Alle Abbau sozialer Barrieren im Bildungssystem und damit Ausschöpfen der reichlich vorhandenen Begabungsreserven bedeutet besonders auch Eröffnung gleicher Chancen für nach Österreich, nach Wien zugewanderte Menschen. Studierende mit Migrationshintergrund, im Besonderen auch von Ländern außerhalb der Europäischen Union, können hervorragende Studienergebnisse vorweisen und erbringen auch in Österreich in Wissenschaft, Forschung und

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Wirtschaft, aber auch im Gesundheitswesen großartige Leistungen. Hier hat Wien als Standort internationaler Organisationen einen erheblichen Vorteil, den es auch in Zukunft zu nützen gilt. Auch die ausländischen Studierenden bereichern Wiens akademisches Leben, allerdings wäre es ein Gebot der Fairness, im Rahmen der Europäischen Union Ausgleichszahlungen für Studierende aus den anderen EU-Staaten, zum Beispiel aus Deutschland, zu vereinbaren. Um das Potential aller in Österreich lebenden Menschen zur Entfaltung zu bringen, ist es unbedingt erforderlich, die Kinder im Land und in der Stadt unabhängig von ihrer Herkunft und Nationalität möglichst früh und möglichst gut zu fördern. Das beginnt im Kindergarten und dort nicht erst im Vorschuljahr und hat auch in der Volksschule das Ziel, soziale Benachteiligungen bei Bildungsvoraussetzungen auszugleichen. Als Pilotprojekt besonders erwähnenswert ist hier die Aktion »Lesepatinnen und Paten«, in deren Rahmen Freiwillige – zumeist Pensionistinnen und Pensionisten – mit Wiener Volksschulkindern während der Unterrichtszeit die Lesefähigkeit trainieren. Nicht früh genug begonnen werden kann auch mit Schulprojekten, die gesellschaftliche Entwicklungen erkennen lassen und aufarbeiten. Ein Beispiel ist das Projekt zum 100jährigen Jubiläum der Verleihung des Friedensnobelpreises an Alfred Hermann Fried, das sowohl in einer Volksschule als auch in einer AHS, in der Pädagogischen Hochschule Wien und in der Erwachsenenbildung durchgeführt wurde. Dieses Projekt hat auch internationale Anerkennung und Mitwirkung gefunden. Generell ist eine verstärkte Berücksichtigung von Politischer Bildung und Demokratieerziehung auf allen Ebenen des Bildungssystems für die Sicherung und Weiterentwicklung unserer Demokratie von existenzieller Bedeutung. Ein Projekt, das besonders auf Unterstützung und Förderung abzielt, ist die »Neue Mittelschule« für die Zehn- bis Vierzehnjährigen, die einen entscheidenden Beitrag leisten kann, um die frühe Selektion im Bildungssystem abzubauen. Auch das System der Modularen Oberstufe und damit die weitgehende Verhinderung von Klassenwiederholungen, ist sowohl im Hinblick auf die Motivation der Schülerinnen und Schüler als auch im Interesse einer optimalen Bildungsfinanzierung vielversprechend. Wie bei der »Neuen Mittelschule« spielt Wien auch hinsichtlich der Umsetzung dieses Konzepts eine Vorreiterrolle. Das seit 2008 laufende Projekt »Lehre & Matura«, das für Wien vom Kulturund Sportverein der Wiener Berufsschulen mit Finanzierung durch das Unterrichtsministerium umgesetzt wird, bereitet aktuell knapp 1.800 Lehrlinge schon während der Berufsausbildung auf die Berufsreifeprüfung vor und ermöglicht den künftigen Absolventinnen und Absolventen damit den allgemeinem Hochschulzugang. Anfang 2012 erfolgte ein wichtiger Schritt, um Erwachsenen das Nachholen von Bildungsabschlüssen zu erleichtern. Angebote dafür gab es auch schon bisher, aber sie waren mit zum Teil erheblichen finanziellen Belastungen verbunden. Jetzt kam endlich doch noch eine Einigung zwischen Bund

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und Ländern zustande, die die Finanzierung sicherstellt und einheitliche Qualitätsstandards schuf. Das Nachholen von Bildungsabschlüssen ist nunmehr kostenlos möglich und damit erhalten Menschen jeden Alters die Chance, sich ohne finanzielle Barriere neuerlich, und zwar in erwachsenengerechter Weise, auf Lernprozesse einzulassen. Die Angebote reichen von Basisbildung (vom Schriftsprachenerwerb bis hin zu grundlegenden Kenntnissen der Anwendung der Informations- und Kommunikationstechnologien) bis zum positiven Abschluss der Pflichtschule. Angesichts der bekannten Tatsache, dass Arbeitslosigkeit noch immer in erster Linie Menschen mit geringer Qualifikation trifft, sind solche Maßnahmen unbedingt positiv zu bewerten, allerdings müssen sie von Projekten begleitet sein, die neben der finanziellen Barrieren auch die soziale Schwellenangst zur Bildungsbeteiligung abbauen helfen.

Kooperation mit Universitäten und Hochschulen in Wien Die »Wissensgesellschaft« ist längst ausgerufen, aber die Erkenntnisse, die Wissenschaft und Forschung erarbeiten, finden nur in wenigen Fällen den Weg in die »Breite«. Vielfach ist die Vermittlung zwischen beiden Ebenen noch immer ein »Missing Link«. Mit Projekten wie den schon erwähnten »Wiener Vorlesungen« begann in den 1980er Jahren eine Kette von Initiativen, um das Schließen dieser Lücke in Angriff zu nehmen. Neben dem Anliegen der Stadt Wien, die Hochschulen und Universitäten sowie die Studierenden zu unterstützen, müssen die Vermittlungsbemühungen zwischen der Erkenntnis- und Wissensproduktion auf der einen Seite und der nicht-wissenschaftlichen, außeruniversitären Welt intensiviert werden. Die in Kooperation zwischen Wissenschaft und Volksbildung initiierten und umgesetzten Projekte sind besonders wichtig, weil sie einem großen Personenkreis wichtige Informationen zugänglich und die Arbeit der Universitäten sichtbar machen. Mit »University Meets Public« gelang es, in den letzten 13 Jahren mehr als 40.000 Interessierte zu erreichen. Ein anderes Vermittlungsprojekt mit Vorbildcharakter ist die Publikation »Wissenschaftskompass – Ihr Bildungsplaner für Wien«. Die Herausgabe dieses Programmhefts ist eine gemeinsame Initiative der Technischen Universität und der Stadt Wien. Es listet die vielfältigen wissenschaftlichen Veranstaltungen, die täglich in Wien stattfinden, auf und erschließt die Information darüber so einem größeren Publikum, – die Auflage beträgt 17.000 Exemplare. Stadtrat Dr. Mailath-Pokorny nennt den Wissenschaftskompass »[…] einen Beitrag zur Vernetzung, interdisziplinärer Verknüpfung und Diskussion wissenschaftlicher Ergebnisse in einer größeren Stadtöffentlichkeit!« Wissenschaft und Forschung im Interesse der Bevölkerung zu nutzen, gehört

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in noch zunehmendem Maß zur Wiener Stadtkultur und Stadtpolitik. So war es nur konsequent, dass sich Wien mit besonderem Engagement des Landtagspräsidenten Prof. Harry Kopietz beim »Smart City«-Projekt beteiligte. Eine »intelligente Stadt« entwickelt innovative gesamtheitliche Konzepte, die darauf ausgerichtet sind, sie »technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver zu gestalten«, wie Wikipedia die Kriterien formuliert. Nach diesen Kriterien wird ein weltweites Ranking erstellt und publiziert, die am besten abschneidende Stadt erhält den »Smart City Award«. Wien war – vor Toronto, Paris und New York – 2011 die erste Preisträgerin und stand auch in den Folgejahren im Ranking ganz oben. Mittlerweile haben sich auch viele kleinere Städte, für Österreich sei als Beispiel Salzburg genannt, dem »Smart-City«-Projekt angeschlossen. Die beteiligten Metropolen in Europa beginnen, sich in einem Netzwerk zusammenzuschließen und gesamteuropäische Strategien zu entwickeln. Wien spielt, und das ist erfreulich, beim Aufbau dieser supranationalen Kooperation eine führende Rolle.

Literaturhinweise Anderl, Gabriele/ Hecht-Aichholzer, Doris/ Lichtenberger, Sabine (2007): Orte der Täter. Der NS-Terror in den »arisierten« Wiener Rothschild-Palais. Schriftenreihe des Instituts zur Erforschung der Geschichte der Gewerkschaften und Arbeiterkammern 15, Wien. Die Verwaltung der Stadt Wien 1987. Geschäftsgruppe Kultur und Wissenschaft des Magistrats der Stadt Wien (Hg.) (2011): Wissenschaftsbericht der Stadt Wien 2010. Geschäftsgruppe Stadterneuerung etc. des Magistrats der Stadt Wien (2012): Endbericht zur Initiative »smart city Wien«. In: van Oers, Andrea (Red.) (2012): Wien in Europa – Europa in Wien. Europabericht der Stadt Wien 2011, 63 – 64. Göhring, Walter (2000): Bildung, Arbeit, Fortschritt – Bildungs- und Kulturarbeit der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, Wien. Höllinger, Sigurd/ Hackl, Elsa/ Brünner, Christian (Hg.) (1994): Fachhochschulstudien – unbürokratisch, brauchbar und kurz, Wien. Klenner, Fritz/ Pellar, Brigitte (1999): Die Österreichische Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1999, Wien. Technische Universität Wien (Hg.) (2011): Wissenschaftskompass Wien 03/2011. Verband Wiener Volksbildung (Hg.) (2011): University Meets Public – Wiener Universitäten an Ihrer Volkshochschule. Herbstsemester 2011/12. Lachmayr, Norbert (2011): Berufsreifeprüfung – eine österreichische Erfolgsgeschichte. WISO – Wirtschafts- und sozialpolitische Zeitschrift des Instituts für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, 2/11, 34. Jahrgang, S. 153 – 163.

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Mrkvicka, Franz/ Kaizar, Inge (1994): Die Entstehung und Entwicklung von Fachhochschulen aus Sicht der Arbeitnehmer, Wien. Riepl, Franz (2012): Rede zum Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1511 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Förderung von Lehrgängen für Erwachsene im Bereich Basisbildung/ Grundkompetenzen sowie von Lehrgängen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses (1627 d.B.). In: Stenographisches Protokoll des Nationalrates der Republik Österreich, XXIV. Gesetzgebungsperiode, am Donnerstag, 19. Jänner 2012, 90 – 91. Schlögl, Peter/Lachmayr, Norbert (2004): Soziale Situation beim Bildungszugang. Motive und Hintergründe von Bildungswegentscheidungen in Österreich. Eine Studie im Auftrag der Arbeiterkammer Wien und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Herausgegeben vom Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung, Wien. Tuschl, Elisabeth (2007): Das AK-Archiv Konzept und Aufbauarbeit 2000 – 2006, Wien.

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F: Wien als Kultur- und Wissenschaftsstadt, wie haben Sie die erlebt? Busek: Als Kulturstadt habe ich Wien ganz selbstverständlich schon während meiner Schulzeit wahrgenommen, als Wissenschaftsstadt ist sie hingegen nicht in Erscheinung getreten. Es gab noch nicht einmal diesen Begriff. F: Da bietet sich an, vielleicht eine zeitliche Brücke zu den 1970er Jahren zu schlagen, als Sie Stadtrat waren. Busek: In dieser Zeit hat sich natürlich für mich eine große Veränderung insofern ergeben, als ich inzwischen mein Studium schon beendet hatte: Das war 1963, ich konnte mein Studium in Minimalzeit beenden, trotz Berufstätigkeit. Dann kam das Jahr 1968, was bei uns eigentlich erst 1969 Auswirkungen hatte. Ich erinnere mich noch an diese Aktion im Hörsaal 1 im Neuen Institutsgebäude, die eigentlich eine kulturelle Veranstaltung war und kein politischer Protest. Diese politische Studentenbewegung griff erst ein bisschen später auf Österreich über, als ich bereits Vorsitzender des Österreichischen Bundesjugendringes war. Ich habe an diesen Diskussionen damals teilgenommen, wobei ich für diese nur allein durch meine Funktion als Vorsitzender des Bundesjugendringes schon ein Vertreter des Establishments war. F: Um welche Diskussionen ging es da? Busek: Die Befindlichkeit der Jugend, die Bewältigung der Nazizeit und alle diese Dinge. F: Auch im Zusammenhang mit dem Fall Borodajkewycz? Busek: Das wollte ich gerade sagen. Ich war einer der wenigen Mitorganisatoren der Demonstration gegen Borodajkewycz. Ich stand damals an einem strategisch

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wichtigen Punkt in der Kärntnerstraße/Albertina, wo es eine Gegendemonstration der schlagenden Verbindungen (oder sonst wem) gab. Wir – der spätere SPÖ-Stadtrat Schieder, ich und andere – haben gemeinsam versucht, einen Zusammenprall der beiden Demonstrationen zu verhindern. Ich stand damals wenige Meter von dem später zu Tode gekommenen Ernst Kirchweger entfernt, ich habe das Drama damals also aus nächster Nähe miterlebt und muss sagen, dass ich einige derer, die damals auf der anderen Seite agiert haben, gekannt habe. Und die meisten davon sind mir später in meiner politischen Laufbahn wieder begegnet. Man kann auch einige nennen, da war z. B. Friedhelm Frischenschlager und noch andere Namen, mit einigen arbeite ich heute zusammen. Friedhelm Frischenschlager ist beispielsweise heute bei mir im Vorstand des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa. Manche haben seither also ganz andere Wege eingeschlagen. Für mich kann ich jedenfalls sagen, dass ich als bekennender Katholik damals natürlich gegen die schlagenden Verbindungen eingestellt war. F: Der Fall Borodajkewycz hat damals also, über die Grenzen der Wirtschaftsuniversität hinaus, Studenten bewegt, gegen dieses Gedankengut auf die Straße zu gehen? Busek: Ja, das Protokoll gegen Borodajkewycz wurde von zwei Personen geschrieben, der eine war der spätere Finanzminister Ferdinand Lacina, der andere war ein persönlicher Freund von mir, nämlich Dkfm. Alfred Stirnemann, der leider nicht mehr lebt und sich hier und auch in der KHG (Katholische Hochschulgemeinde) ebenso sehr engagiert hat; später wurde er Generalsekretär der Stiftung »Pro Oriente«. F: Er war auch Mitbegründer des »Österreichischen Jahrbuchs für Politik«. Busek: Er war Mitbegründer von allem Möglichen. Alfred Stirnemann war immer ein Gründer. F: Dass die Universitäten in Österreich in Bewegung gerieten, hatten da nicht auch Sozialdemokraten ihren Anteil daran? Und was hier besonders interessieren würde: Welche Wahrnehmungen hatten Sie in diesem Zusammenhang bezüglich der Position bzw. der Rolle, die die Stadt Wien einnahm? Busek: Die Stadtverwaltung wurde im Zusammenhang mit den Universitäten damals überhaupt nicht wahrgenommen, ist nicht in Erscheinung getreten. Und um auf ihren Hinweis bezüglich der sozialistischen Studenten einzugehen: Der VSSTÖ konnte damals bei den ÖH-Wahlen, glaube ich, lediglich 12 % erringen.

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Die Veränderungen fanden eher in den nicht sozialistischen Gruppen statt, wo einige 1968 und danach andere Richtungen gegangen sind. Damals waren einige, die heute nicht mehr beim CV sind, weitaus aktiver bei den Demonstrationen aktiv beteiligt, wie z. B. Stephan Schulmeister. Die haben sich jedenfalls damals sehr engagiert. Wie gesagt: Die Stadt selbst ist damals überhaupt nicht in Erscheinung getreten. F: Tatsächlich scheint es so, dass eine der frühesten positiven Impulse der Stadt in Richtung Universität die 1965 eingerichtete Hochschuljubiläumsstiftung gewesen ist. Busek: Das war aber mehr eine Art Verneigung anlässlich der 600-Jahr-Feier der Gründung der Universität. Für einen, der wie ich in meinem Leben stets an der Universität interessiert war, war eine solche Beziehung damals nicht festzustellen. Es gab damals auf Seiten der Stadt glaube ich auch niemanden, der diese Möglichkeit wahrgenommen hat. Das ist alles erst viel später gekommen. F: Mit Ausnahme vielleicht des ersten kommunistischen Kulturstadtrates Viktor Matejka, der hier wohl eine Sonderstellung eingenommen hatte, weil er selbst aus der Volksbildung kam. Busek: Ja, nur wurde die Ära Matejka rasch begraben. Ich kann mich erinnern, dass wir ihm während meiner Zeit im Stadtsenat eine Plakette verliehen haben. Ich weiß heute nicht mehr, welche Auszeichnung er genau erhalten hat, ich erinnere mich aber, dass dieselbe Auszeichnung damals auch Alfred Maleta erhalten hat. Er erwähnte damals, dass Matejka und er in der Linzer Arbeiterkammer Tisch an Tisch zusammensaßen in den Zeiten des »Ständestaates«. Manches, was ich von Matejka wusste, hat mir Felix Hurdes, durchaus mit Respekt für ihn, erzählt. F: Das führt uns eigentlich zu Ihren Jahren als Stadtrat in Wien. Busek: Wir haben damals, wie Ihnen Manfried Welan sicherlich schon erzählt hat, nicht sofort, aber bald, das Konzept einer Wissenschaftsstadt Wien formuliert und das war Bestandteil des Programms der Österreichischen Volkspartei. Auf sozialistischer Seite hat das Helmut Zilk am raschesten begriffen. Als Kulturstadtrat ist in seiner Amtszeit – ich glaube, das darf man durchaus sagen – einiges entstanden. Es gibt einen Bereich, der mit der Universität immer schon zu tun hatte, und zwar betrifft das das Allgemeine Krankenhaus. Von Seiten der Universität ist hier ja bekanntermaßen die Medizinische Fakultät vertreten – das

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ist eine gemischte Geschichte, weil es natürlich das Bestreben der Stadt Wien war, mit Hilfe bzw. über die Medizinische Fakultät sehr viele Mittel vom Bund zu lukrieren und das AKH selber zu betreiben. Das ist bis heute eine eher »mittelglückliche« Geschichte. Die Stadt Wien hat eigentlich auf dem Gebiet der Stadtplanung vieles versäumt. Dass wir heute in beengten Verhältnissen im sogenannten Neuen AKH leben, ist ein Defizit der Stadtplanung. Ich habe damals zu jenen gezählt, die gesagt haben, dass wir das an diesem Standort nicht machen sollen. Wir sind aber nicht nur an der Stadt Wien, sondern in erster Linie an den Professoren gescheitert, die dort alle ihre Ordinationen haben. Ein Pavillonbau am Stadtrand wäre sicher gescheiter gewesen. Jetzt haben wir das Problem der Erweiterung, aber alle diese Lösungen sind nur die zweitbeste Möglichkeit. Die Stadt Wien kann sich leider nicht entscheiden zwischen dem Versorgungsauftrag und dem Interesse an der Entwicklung von Forschung und Lehre. Hier geschieht allerdings einiges, und den Druck dafür habe ich, glaube ich, auch schon in meiner Zeit als Wissenschaftsminister aufgebaut, aber über eine aktivere Rolle auf diesem Gebiet ist sie sich, wie ich glaube, nicht ganz im Klaren. Meine persönliche Meinung dazu ist allerdings, dass die Spitäler der MedizinUniversitäten Bundesspitäler sein sollten – wir sollten sie also den Universitäten eingliedern. Das Problem ist jedoch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Medizin-Universität gleichzeitig sozusagen zwei Herren dienen, was nie gut ausgehen kann, denn es stellt sich immer die Frage, was Vorrang hat. Zudem gibt es die unterschiedlichen Geldtöpfe – das ist also eine sehr komplexe und problematische Geschichte. Man sprach nach der Ersten und Zweiten von einer Dritten Wiener medizinischen Schule, davon redet man jetzt – Gott sei Dank! – weniger, denn allein mit einer Überschrift erzeugt man noch nichts. Wir haben in einigen Bereichen sicherlich herzeigbare Leistungen, während man auf anderen Gebieten Nachholbedarf besteht. Zilk hat etwas Gutes gemacht, nämlich das Alte AKH der Universität Wien gewidmet, nur hat er dabei einen Fehler begangen: Er hat nämlich damals keine Räume für die Medizinuniversität einbehalten, trotz der Nachbarschaft des Alten AKH. Diesen Fehler hat die Universität gemacht, und zwar alles, was zur Geisteswissenschaft gehört, dort anzusiedeln. Die Medizin-Universität hat nur noch ein Eck, das gerichtsmedizinische Institut. Es wäre vernünftig gewesen, der Medizin auf diesem Gelände auch Räume zu geben. Die Universität, insbesondere der damalige Rektor Alfred Ebenbauer, war sehr darauf fixiert, die Geisteswissenschaften dorthin zu bringen. Dabei wurden nicht einmal die Massenfächer, wie etwa die Psychologie oder Soziologie, bedacht, was vernünftig gewesen wäre; die ließ man aber absichtlich außen vor.

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F: Aber es gibt doch auch einige stark frequentierte Institute im Alten AKH, wenn ich beispielsweise an die Zeitgeschichte oder die Anglistik denke. Busek: Ja, es wäre aber noch für mehr als nur diese dort Platz. Es ist meiner Meinung nach sehr ruhig am Campus. Ich fürchte, dass der Billa mehr Leute anzieht als einige Institute. Wenn ich dort durchgehe, denke ich mir, dass ist eine wunderbare Lösung, aber es doch nicht ganz im Sinn der Sache. Denn im Neuen AKH, das inzwischen bereits eigentlich als Altes AKH bezeichnet werden müsste/könnte, ist nicht einmal mehr eine Briefmarke frei. Ich halte das, um es ganz deutlich zu sagen, für einen groben Planungsfehler. F: Wenn wir schon bei der Planung sind – wie sehen Sie die Impulse oder Fehler der Stadtplanung im Bereich der Universitätsgebäude, abgesehen von dem, worüber wir eben sprachen? Busek: Historisch gesehen ist sicher eine Reihe von Fehlern passiert. Es gab ja überhaupt keinen Entwicklungsplan für die einzelnen Universitäten in Wien. Das ist ganz ohne Zweifel ein Fehler der Stadtplanung. F: Gab es nie so etwas wie einen Generalplan oder zumindest einen Ansatz dafür? Busek: Wir haben als Opposition natürlich darauf hingewiesen, aber leider entstand nie etwas daraus. Wenn man etwa an den Abgang der Veterinärmedizin hinaus »in die Pampa« denkt – das war doch eher problematisch und wurde nur dadurch abgemildert, weil die Stadt in diese Richtung stärker wächst. Das federt das etwas ab. Die Universitätsgebäudeplanung zwischen dem Bund den und Ländern hat nie richtig funktioniert, auch nicht während meiner Ministerzeit. Schon die Entscheidung für den Franz-Josephs-Bahnhof als Standort der Wirtschaftsuniversität war mehr oder weniger eine Entscheidung der Baufirmen. Die Bau-Lobby in Wien war immer zu stark; sie hat die freien Bauplätze besser gekannt als die Stadt und dann eine Nutzung dafür vorgeschlagen. F: Sie meinen, die Vorschläge der Baufirmen waren letztlich im Falle der WU maßgeblich für die Standortbestimmung? Busek: Ja. Jetzt wo die WU von dort weggegangen ist, kann man das wegreißen, wobei der Bahnhof an dieser Stelle eigentlich ein Hindernis ist. Es würde völlig genügen, wenn die Franz-Josefs-Bahn in Heiligenstadt aufhört; das freiwerdende Areal könnte man dann ganz anders gestalten, etwa für ein Neues AKH.

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Die Standortplanung ist zwar inzwischen viel besser geworden, das sage ich ausdrücklich, es ist aber nach wie vor keine strategische Planung vorhanden. Irgendwo, glaube ich, herrscht in der Wiener Sozialdemokratie, besonders in den älteren Generationen, noch immer die Ansicht vor, die Universität sei nicht die ihre. F: Dieses traditionelle Spannungsverhältnis Sozialdemokratie – Universität hat Professor Welan auch angesprochen. Busek: Dazu muss man die Wiener Sozialdemokratie kennen: Aus Sicht der Sektoren Gewerkschaft oder Gemeindebauapparat sind die Universitäten von vornherein keine denkbaren Partner, und mit dem Auftreten der Linken an der Universität erst recht nicht, weil diese mit dem traditionellen Kern der Wiener SPÖ eine nicht vereinbare Haltung einnehmen, die Einstellungen divergieren zu sehr. F: Und wie stehen Sie zu der von Arnold Schmidt erwähnten These der Unterbrechung des historischen Bildungsanspruchs? Busek: Diese ursprünglich sehr stark in der Sozialdemokratie verankerte Bildungskomponente ist in Wien nach 1945 nicht mehr wiedergekommen. Es gab zwar einzelne Persönlichkeiten, die diese Bildungsidee der 1920er Jahre noch weiter zu verfolgen suchten wie der frühere Stadtschulratspräsident Zechner und einige andere durchaus imponierende Figuren, in der Breite stand das aber nach 1945 nicht mehr zur Debatte/Diskussion. Mein bester Partner in meiner Zeit als Wissenschaftsminister war der Arbeiterkammersekretär Kurt Mrkwicka, der noch dieser Bildungstradition entstammte, er gab mir intern zu verstehen, dass er selbst in seiner Partei ohne Einfluss sei. Mit ihm habe ich damals die Fachhochschulen entwickelt, die, wie ich glaube, kein schlechter Weg waren, wofür wir aber auch damals eigentlich nicht die rechten Partner hatten. Und das Kulturressort hat sich einseitig nur mit dem »Showgeschäft« beschäftigt; Das war ein fester Bestandteil schon zu Zeiten von Zilk und Kulturstadträtin Ursula Pasterk – es ging mehr darum, wer Theaterdirektor usw. wird. Zilk hat aber noch am ehesten kapiert, welchen Wert die Universität hat; er hatte auch viele Freimaurerfreunde, die aus Universitätsbereich kamen. Aber eine Strategie in Bezug auf Wissenschafts- oder Universitätsförderung hat auch er nicht entwickelt. Mit ihm hatte ich zwar viele Gespräche zu führen, in denen die Universität aber nie vorkam. Zilk hatte aber ein unbestrittenes Talent, nämlich Vorschläge, die von unserer Seite kamen, zu übernehmen, sodass auf diese Weise einige unserer Ideen von der Mehrheit umgesetzt wurden.

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F: Und welche Bereiche meinen Sie in diesem Zusammenhang für die Zilk und die SPÖ Ihre Ideen übernommen haben? Busek: Ich denke da an das Museumsquartier, die Stadterneuerung, und es gab auch zusätzliche Mittel, die den Universitäten zur Verfügung gestellt wurden. F: Meinen Sie dabei die neu errichteten Stiftungen für die anderen Universitäten? Busek: Auch. Ich zähle dazu aber vor allen Dingen auch den WWTF1, der in dieser Zeit eingerichtet wurde und der der Forschung neue Impulse brachte. F: Aus anderen Gesprächen kann man schließen, dass sich diese, Ihrer Meinung nach, passive Haltung gegenüber der Universität doch gewandelt hat. Busek: Wenn Sie mich fragen: Ich halte Michael Häupl für den einzigen in der derzeitigen Stadtsenatsmannschaft, der die Problematik überhaupt versteht. Der jetzige Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny tritt jedenfalls auf diesem Gebiet nicht in Erscheinung. F: Und welche Themen ergaben sich während Ihrer Zeit als Wissenschaftsminister? Busek: Eine der Hauptthematiken – diesbezüglich war Hans Mayr mein Hauptansprechpartner – war die medizinische Fakultät versus AKH; da ergab sich eine produktive Auseinandersetzung bei der die Stadtpolitik auch großes Engagement zeigte, insbesondere was ihr Interesse an einer Steigerung von Forschung und Lehre betraf. Dass das Biozentrum Bohrgasse überhaupt möglich wurde, ist ganz sicher zu einem hohen Teil Hans Mayrs Verdienst. Er hat begriffen, dass es Centers of Excellence geben muss, insbesondere in den Naturwissenschaften. F: Es wäre vielleicht auch interessant zu hören, wie Sie jetzt die Aktivitäten und Versäumnisse Wiens in Bezug auf Wissenschaft und Forschung im Kontext des Falls des »Eisernen Vorhangs« beurteilen?

1 Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds, gegr. 2001, um Spitzenforschung in Wien zu fördern und die Stadt auch für internationale Wissenschafterinnen und Wissenschafter attraktiv zu machen.

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Busek: Was die Ostöffnung betrifft, so hat das Zilk sicherlich am besten begriffen. Die Gemeinde Wien hat die Ostöffnung mehr in Form von Wien-Büros usw. bis hin – das ist jetzt eine ironische Bemerkung – zur Veranstaltung von Wiener Bällen genützt; die Universitäten selbst haben die Chancen weniger erkannt, wenigstens soweit ich das registriert habe. Es hat ein bisschen darunter gelitten – das wird Sie jetzt wundern, aber so wurde es mir von sozialdemokratischer Seite erklärt –, dass man gesagt hat: »Das sind Buseks Sachen.« Die SPÖ hatte ja Schwierigkeiten, jegliche Oppositionsbewegung auf der anderen Seite des »Eisernen Vorhangs« zu akzeptieren, weil sie in der Grundannahme lebte, um Heinz Fischer zu zitieren: »Diese kommunistischen Parteien werden sich langsam in sozialistische verwandeln«. Sie wurden daher umso mehr von den fundamentalen Änderungen (Fall der Berliner Mauer 1989 etc.), die dort stattfanden, überrascht und auch ein wenig verschreckt. Wenn wir das Beispiel Slowenien und Kroatien hernehmen, die schon lange unabhängig sind – das entsprach eigentlich nicht dem, was Vranitzky wollte: Er wollte Jugoslawien aufrechterhalten. Das aber konnten wir natürlich gar nicht beeinflussen. Die Linie, die ich vertrat, war, das zu akzeptieren, was sich dort entwickelt, da es ganz offensichtlich unmöglich war, eine Integration dieser Länder in einen stabilen Gesamtstaat zu erreichen. Ich muss allerdings sagen, dass das Institut für den Donauraum und Mitteleuropa heute Förderungen von der Stadt erhält, weil man den Sinn unserer Arbeit versteht. Es sind aber auf dem wissenschaftlich-kulturellen Gebiet mit Sicherheit Chancen versäumt worden. Wir haben in diesem Bereich ganz bestimmt einen gewissen Zuzug, und die Migration wirkt sich eindeutig zugunsten einer Stärkung Wiens als Wissenschaftsstadt aus. Die mittlere Ebene, also die Oberärzte an der Medizinischen Universität, stammt vermutlich mehr als zur Hälfte aus diesen Ländern. Wir leben von ihnen, da wir schlecht zahlen und uns daher Personal fehlen würde, Ärzte aus diesen Ländern sind aber bereit, diese Gehälter zu akzeptieren. Und sie sind nicht schlecht, und die deutsche Sprache stellt für sie gar kein Problem dar. Dasselbe gilt für die Präsenz etwa von serbischen und bosnischen Wissenschaftlern an der Technischen Universität. Wir haben ferner versucht, mit den CEEPUS-Stipendien Studienprogramme für Studenten aus diesen Ländern aufzuziehen, das wurde aber von meinen Nachfolgern nicht in derselben Intensität weiter verfolgt – z. T. wurde es von Scholten wieder fallen gelassen, weil es eine Initiative »vom Busek« war, dann fehlten die notwendigen Budgetmittel, unter Einem wurde es zwar ein wenig besser, aber Gehrer hat den Sinn überhaupt nicht verstanden. Da hat Österreich sicherlich Chancen vertan: Einerseits leben wir von der Ost- und Südosterweiterung der EU und österreichische Firmen verdienen trotz der aktuellen Finanzkrise sehr gut in unseren Nachbarstaaten, andererseits gibt es keine politische Strategie, die den Unternehmen gefolgt ist. Hier unterscheiden sich die beiden großen

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Parteien nicht, und man muss fairerweise sagen, dass hier Wien in Gemeinschaft mit Niederösterreich, etwa in Richtung Donauraum, weitaus besser aufgestellt ist. F: Wie sehr war denn diese Neugier, den Blick nach Osten zu richten, an den Universitäten selbst vorhanden oder eben nicht vorhanden? Busek: Bei einzelnen Personen ja – in der Mehrheit nein. Wir waren vor 1989 etwa durch Plaschka, Stourzh usw. im Bereich der Geschichte relativ gut aufgestellt, die zu ihren postkommunistischen Kollegen relativ gute Verbindungen unterhielten. Da konnte man relativ viel machen. Ich erwähne etwa den AntonGindely-Preis, der von mir vor einigen Jahren am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa situiert wurde, ich hatte aber ungeheure Schwierigkeiten etwa bei den Sprachen, Universitätsvertretern klarzumachen, dass Ukrainisch nicht Russisch sowie Slowakisch auch nicht Tschechisch ist und dass man das vielleicht doch gesondert studieren und unterrichten muss. Diese Dinge sind unglaublich und geben zu einer Universitätskritik Anlass, die nur massiv sein kann. Die Universitäten haben zu dem Zeitpunkt diese Veränderungen in ihrer Mehrheit nicht begriffen. Es kamen auch obskure Vorschläge, etwa der, Ukrainisch nach Innsbruck zu verlegen, als ob Innsbruck direkt an die Ukraine grenzt. Ich habe da abenteuerliche Geschichten erlebt. Und ich bin auch überzeugt, dass mich die damaligen Akteure an den Universitäten mehrheitlich für wahnsinnig hielten. Das gilt übrigens auch für das Außenministerium, wo ich auch als »ostanfällig« etikettiert wurde. Dabei ist das jener Raum, wo wir immer zu Hause waren und woher wir auch heute noch viel beziehen. F: Heißt das vereinfacht gesagt, dass die Wirtschaft ihre Chancen in den neuen osteuropäischen Ländern genutzt hat, die Wissenschaft dagegen aber nicht? Busek: Auf einzelnen Gebieten, z. T. aufgrund der Initiative einzelner Wissenschaftler – ich erwähne in diesem Zusammenhang als Beispiel Wolfgang Greisenegger, der eine Kooperation mit Brünn anbahnte – funktionierte es, wobei es aber zwischen den österreichischen Universitäten gravierende Unterschiede gab. Die Wiener Universitäten entwickelten im Allgemeinen viel weniger Initiativen, etwa im Vergleich zu Graz, wo es heute ein Südosteuropa-Zentrum gibt, aber dort auch sind es nur relativ wenige Institute, die mitwirken. Am besten klappte die Kooperation aber im Bereich der Musik – in den österreichischen Orchestern spielen heute zahlreiche Musiker aus diesen Staaten. Auf der wirtschaftlichen Ebene war es auch deshalb so leicht möglich, engere Beziehungen aufzubauen, weil es mentalitätsmäßig viele Gemeinsamkeiten gab, vielleicht liegt es auch einfach in den Genen, denn ich glaube nicht, dass man das

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wirklich rational begründen kann. Es muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass es auch eine Gegenreaktion gab, so in der Art, wir müssen als Westler beweisen, dass wir es besser können. Was natürlich eine völlig unsinnige Einstellung ist. Man hätte jedenfalls wesentlich mehr erreichen bzw. aufbauen können, wobei wir allerdings mit den erreichten Erfolgen durchaus zufrieden sein können. Im Verhältnis zu Österreich scheint mir, dass das Verhältnis Deutschlands z. B. gegenüber Polen insbesondere als Folge des Zweiten Weltkrieges noch immer von historisch negativen Erfahrungen belastet ist, während im Verhältnis zu Österreich bei vielen Menschen aus den osteuropäischen Ländern die Geschichte eher eine unreflektierte, emotionale Rolle zu spielen scheint: Auf sie kommt man nur zurück, wenn man sie aktuell braucht. F: Aber ist es nicht so, dass diese Vorurteile gegenüber Deutschland in den letzten Jahren etwas abgenommen haben? Busek: Das stimmt sicherlich für die Beziehungen zu Russland, wobei hier zu sagen wäre, dass diese Beziehungen eine historische Tradition haben. Die Deutschen hatten immer eine Hinwendung nach Russland, ebenso wie die Russen eine Tendenz in Richtung Deutschland hatten: Wenn man sich die Führungsgarnituren in der Zarenzeit ansieht, dann entdeckt man zahlreiche deutsche Adelige darunter. Später kamen deutsche Techniker ins Land usw., es gab also eine gewisse wechelseitige Bewunderung. Das hat Schröder in dem Pipeline-Deal sicherlich ausgenutzt. Seit 1991 spricht man vom WeimarerDreieck. Nur schade, dass die meisten Leute sich dieser Geschichte nicht bewusst sind. Das sage ich den Ungarn immer, wenn sie das Gespräch auf den Vertrag von Trianon lenken. Ich sage ihnen dann: In Österreich weiß doch kein Mensch, was dieser Vertrag war, sie kennen ja nicht einmal den von St. Germain. Außerdem leben wir heute in einer ganz anderen Welt, und der Versuch des Herrn Orb‚n, die damalige Grenzziehung nach Brüssel zu tragen und von den Grenzen von 1914 zu träumen, war einfach lächerlich. Die Politik wirkt hier weltfremder als die Haltung, die der normale ungarische Bürger einnimmt; für den ist die ökonomische Situation, in der er sich befindet, viel wesentlicher. Es hat sich eine alte Teilung im Land aufgetan, zwischen dem städtisch-intellektuellen jüdischen Milieu und der Landbevölkerung, die sich selbst einmal als »kuruzzisch« bezeichnete. Hier kommt eine nationalistische Komponente zum Tragen, wobei ich sagen muss, dass auch die Religion öfters eine negative Rolle in der ungarischen Geschichte gespielt hat. F: Aber ist nicht das von Ihnen genannte jüdische Element auch in Ungarn nur mehr marginal vorhanden?

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Busek: In Ungarn gibt es die stärkste jüdische Gemeinde, die auch in der Literatur und Journalistik nach wie vor beachtlich ist. Und in der Polemik gegen Paul Lendvai oder György Konr‚d wird das auch immer wieder thematisiert. Das würde sich bei uns heute niemand mehr zu sagen trauen; es gibt wohl einige, die sich das denken, aber das ist ein Unterschied. F: Sie meinen, dieser Antisemitismus baut in Ungarn noch auf einer realen sozialen Basis auf ? Busek: Leider. Es ist aber ein Defizit in der Politik, dass diese Feindschaft überhaupt möglich wird – so wie wir uns auch noch immer in einer historischen Abwehrstellung gegenüber den Türken befinden. Dabei waren wir Investor Nr. 1 in der Türkei; wir investieren dort mehr als Deutschland, Franzosen und Italien zusammen. F: Wobei allerdings die Zahl der österreichischen Firmen, die in der Türkei investierten, relativ klein ist. Busek: Das stimmt nicht mehr ganz, denn langsam kommen auch mittelgroße heimische Unternehmen in die Türkei. Sie haben natürlich recht: ÖMV und Verbund waren größenmäßig überragende Investoren. F: Wir sind jetzt ein wenig vom eigentlichen Thema abgeschweift. Welche Vorstellung haben denn Ihrer Meinung nach die Wiener und Wienerinnen von den Universitäten und welche Rolle spielt hier die Wissenschaftskommunikation? Vieles ist ja hier, aus Ihrer Sicht, nicht optimal gelaufen. Busek: Ich glaube, dass es auch heute in Wien im Allgemeinen kein starkes Bewusstsein in Bezug auf Universitäten und die Wissenschaft gibt oder nur in bestimmten Schichten, die damit auch zu tun haben. Das beweist auch die gegenwärtige Bildungsdiskussion, die eher von engagierten Einzelkämpfern getragen wird als von der Politik. Dass sich Leute wie Androsch und andere hier engagieren, wirkt ja wie das letzte Aufgebot. Das hat seinen Hintergrund in einer Mittelschicht, die um die Bedeutung weiß, aber das hat keinen Einfluss auf die Politik – leider. Es sind ja immer wieder dieselben Figuren, die etwa im Fernsehen in diesem Zusammenhang zu sehen sind, man braucht gar nicht mehr hinzusehen. Das Faszinierende an der gegenwärtigen Diskussion ist, dass es eine Übereinstimmung darüber gibt, dass man für die Bildung mehr tun muss, dass aber trotzdem nichts passiert. Meine Erklärung dafür ist: Die durchschnittliche Intelligenz der Politik ist nicht so hoch. Sie kapieren es nicht. Sie sind überfordert aufgrund der rasanten Änderung der Situation; das Tempo ist tatsächlich

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so hoch wie vermutlich noch nie zuvor. Das ist es, was man noch am ehesten zu ihrer Entschuldigung anführen könnte. Die Änderungen überhaupt einmal »einzufangen«, hält sie beschäftigt. Dazu kommen gewisse tagesaktuelle Krisenzonen. Die Politik reagiert auf diese Herausforderungen mit einem Selbstschutzreflex, was ich immer mit einer primitiven Redensart ausdrücke: »Jeder denkt an sich, nur ich denke an mich.« Es ist aber auch Kritik an der Wissenschaft zu äußern: Ihr ist nämlich der Vorwurf zu machen, dass sie diese Zusammenhänge stärker hätte herausarbeiten müssen. Das tut sie nur in Einzelfällen, mit Artikeln z. B., aber es würde eine konzertierte Aktion der Wissenschaften oder Wissenschaftsinstitutionen gemeinsam bedürfen, um sich öffentlich nachhaltig zu engagieren. In anderen Ländern gibt es beispielsweise Akademieberichte, das wäre auch für unsere Akademie denkbar. F: Sie meinen, es ist auch eine Bringschuld der Wissenschaft? Busek: Die Wissenschaft ist doch nicht nur für sich da, sondern hat auch eine gesellschaftliche Verantwortung. F: Muss Wissenschaftskommunikation in Europa vielleicht noch erlernt werden? Busek: Zweifellos müssen unsere Wissenschaftler auf diesem Feld noch viel von den Amerikanern und Engländern lernen. Das ist wirklich ein Problem, das bereits bei der Sprache beginnt. Wenn sich der Wissenschaftsrat äußert, dann regen sich in Österreich vor allem die Wissenschaftler auf, dass das alles falsch sei. Sie verkennen, dass er aber eine öffentliche Funktion hat, also auf sich aufmerksam zu machen. Ich erinnere mich noch an Gutachten über Cancer (Krebs), und die verschiedenen Medizin-Fakultäten haben sich echauffiert, was da nicht alles falsch sei, anstatt zu begreifen, dass der Bericht doch die Funktion hatte aufmerksam zu machen, dass auf diesem Sektor mehr zu geschehen habe. Auch eine Wissensbilanz einer Universität könnte durchaus interessant sein; das ist ja nicht kommunizierbar, was da drinnen steht, sondern stattdessen eine Anhäufung von unverständlichen Statistiken. F: Fehlt es in Österreich nicht auch an geeigneten Medien für eine erfolgversprechende Wissenskommunikation? Busek: Es wird Sie vielleicht überraschen, was ich jetzt sage: Das Kommunikationsproblem ist nicht neu, auch während der Donaumonarchie hatte Österreich keine herausragenden wissenschaftlichen Verlage. Wir hatten also auch früher diese Situation, nur hat die Artikulation der Wissenschaftler und Wis-

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senschaftlerinnen besser funktioniert. Die Verlagssituation war also immer schon trist. F: Und von der medialen Seite aus betrachtet, worin liegen da Ihrer Ansicht nach die Probleme? Busek: Ich sehe in erste Linie das Problem darin, dass die wirtschaftliche Situation der meisten österreichischen Medien schlecht ist, wobei ich aber auch beobachte, dass aber auch der Standard internationaler Qualitätsmedien sinkt. Ich glaube, dass es noch nicht ganz abschätzbar ist, welche Folgen das Internet für die Wissenskommunikation haben wird oder hat – es wäre unter Umständen eine Chance für die Universitäten. Im Unterschied zu den USA sehe ich hier, dass sich die Unis noch immer schwer tun mit der Öffentlichkeit; in einem gewissen Maße ist es noch immer ein elfenbeinerner Turm, und die Akzeptanz der Wissenschaftler, die auch medial präsent sind, an den Universitäten ist eher schlecht. Beispiel: Konrad Paul Lissmann, gegen den oft vorgebracht wird, er halte viel zu viele Referate – dabei ist er einer der wenigen, der eine bildungspolitische Diskussion führt. Im ökologischen Bereich wäre es Helga Kromp-Kolb. F: Und wie sehen Sie die Stellung Wiens im Verhältnis zu den anderen österreichischen Universitätsstandorten – ist Wien eine Art Superkoloss, der andere Aktivitäten zudeckt? Busek: Ich möchte es eher umdrehen: Die Niederösterreicher etwa machen relativ viel, weil sie ansonsten nichts haben. Daher wollen sie wenigstens Wissenschaftsland-Land Nr. 1 werden. Für mich fällt das ein bissen in die Kategorie »Imponiergehabe«, aber in bestimmten Bereichen sehe ich das Bestreben, Wien durch entsprechend attraktive Entlohnung und Jobangebote auszukaufen. Von den anderen Universitätsstandorten wäre zu sagen, dass es auf der Ebene einzelner Institute oder Disziplinen durchaus herzeigbare Leistungen gibt.

Universitäten und die Stadt Wien aus der Perspektive von RektorInnen 2014

Michael Häupl

Universitätsstadt Wien – Campus und Prater

Im Frühjahr 1987 hat der renommierte polyglotte Sozialwissenschafter Ren¦ König bei einem Vortrag im Stadtsenatssitzungssaal des Wiener Rathauses (die erste Wiener Vorlesung) der Stadt Wien den Rat gegeben, sie möge ihre Universitäten »einnisten«, sie zu einem identitätsprägenden Faktor der Stadt machen. Die Eingemeindung von universitärer Vielfalt, universitärem Leben, Wissenschaft und Forschung ist eine wichtige Maxime des Handelns der politisch Verantwortlichen dieser Stadt gewesen. Und sie ist es noch. Die wichtigsten Zäsuren der Bemühungen der Stadtregierung um die Universitäts- und Wissenschaftsstadt waren und sind die Schaffung der beiden Universitätscampusse im ehemaligen Allgemeinen Krankenhaus für die »Geisteswissenschaften«, die Humanities der Universität Wien und für die Wirtschaftsuniversität im 2. Bezirk nächst dem Prater. Die neue Nachbarschaft von Campus (Feld) und Prater (Wiese) wird der Wissenschaft und ihren Protagonistinnen und Protagonisten, den StudentInnen und ProfessorInnen, gut tun. Für die Stadt sind diese beiden universitären intellektuellen Brennpunkte mit ihren Campuszentren ein Glücksfall.1 Sie bilden lebendige Schnittstellen und barrierefreie Begegnungszonen zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Die Studieninhalte der beiden universitären Campusse stehen idealtypisch für den Erfolg Wiens als Wissensstadt und als Stadt mit der höchsten Lebensqualität. Die Geisteswissenschaften verkörpern Analyse und Kritik in der Tradition der Wiener Moderne; die WU die erfolgreiche und folgenreiche Begegnung von Wissenschaft und Wirtschaft in Wien.

1 Wissenschaftsbericht der Stadt Wien 2013, Seite 7.

Hubert Christian Ehalt

Die Universitäts- und Hochschulstadt Wien

Die Universitäten, Privatuniversitäten und Fachhochschulen stellen ein in ihrer Wichtigkeit und Wirksamkeit kaum zu überschätzendes intellektuelles kreatives und soziales Potential für die Stadt Wien dar. Die Universitäten sind Orte höchster fachlicher Kompetenz, sie beheimaten lange historische Traditionen (die Universität Wien erreicht 2015 ihren 650. Geburtstag) einer Universitätskultur, die von theologischen Wurzeln in eine Gegenwart von modernsten Forschungsträgerinstitutionen führt. Das universitäre System, in dem ausgezeichnet qualifizierte StudentInnen bei ausgewiesenen Meisterinnen und Meistern ihres Faches lernen und die Chance haben, innerhalb weniger Jahre einen KollegInnenstatus zu erwerben, hat sich über lange Zeiträume bewährt, ist eine gleichsam unverwüstliche Form fruchtbarer Generationenbegegnung. Universität, das heißt Forschung und Lehre von Themen, Methoden, Anwendungen im Dienst der Wissenschaft, der akademischen Gemeinschaft und der BürgerInnenschaft. Alle akademischen Eide dieser Welt stellen diese Wertund Zielsetzungen – Dienst an der weltbürgerlichen Heimat, an der Scientific Community, an einer exzellenten Forschung und an Wahrheit und Kollegialität – in den Mittelpunkt. Von diesen Werten kann eine Vorbildwirkung in die Gesellschaft ausgehen. Wien ist im deutschsprachigen Raum die größte Universitätsstadt. Das bedeutet ein ganzes Bündel von Chancen, die genützt werden können: Ausbildung von inhaltlichen Stärkefeldern über eine Universität hinaus; Impulse für eine Leistungsbereitschaft, die sich nicht an privatem Profit, sondern an öffentlichem Interesse orientiert. Akademische Kultur bedeutet immer auch eine Kultur, die bei großem Verantwortungsbewusstsein und höchster Qualitätsorientierung die Fähigkeit hat, einen Humor der Selbstironie auszubilden und zu leben – WissenschafterInnen gehören zu jener Personengruppe, die sich gerne und vergnüglich über sich selbst lustig machen kann. Last but not least ist Wissenschaft, Forschung und Universität eine Kultur der Jugendlichkeit. Die gleichermaßen kreative und perseverative Auseinandersetzung mit und Lösung von Problemen schafft eine Atmosphäre eines gemein-

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Hubert Christian Ehalt

samen jugendlichen Engagements, das keine Ermüdungserscheinungen und keine Langeweile kennt. Mit dem UOG 2002 wurden die Universitäten autonom; die Aufgaben, die Gestaltungskompetenzen und -möglichkeiten der Universitätsleitungen wurden damit entscheidend erweitert. Aus dem/der Rektor/in als ehrenamtliche Galionsfigur der Universität mit Aufgaben vorwiegend im Repräsentationsbereich wurden CEOs. Wissenschafts- und Universitätsmanagement, das zuvor wesentlich eine Aufgabe auf der Ebene der Institutsleitungen war, wurde zur ChefInnensache, zum ersten Mal in der Geschichte der österreichischen Universitäten konnte nun in den entscheidenden Aufgabenstellungen von Institutsgründungen, -schließungen, Berufungen die Universität mit ihrem gewählten Vertreter entscheiden. Die Autonomie hat den Universitäten gut getan. Effizienz und Transparenz haben sich dynamisch weiterentwickelt. Es ist daher – wenn es um die Entwicklung der Wissenschafts- und Universitätsstadt geht – unabdingbar, die Expertise der RektorInnen einzuholen.

WU (Wirtschaftsuniversität Wien)

Die WU ist nicht nur ein Ort der Ausbildung, sondern auch eine wichtige Forschungsstätte. Ihre Leistungen setzen sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der angewandten Forschung Maßstäbe. Knapp 700 ForscherInnen, Lehrende und wissenschaftliche MitarbeiterInnen sorgen für Vielfalt, die von Betriebs- und Volkswirtschaft bis zu Formal-, Rechts-, Sozial- und Sprachwissenschaften reicht. Die WU zählt mit rund 23 000 Studierenden und über 2 500 AbsolventInnen pro Jahr zu den größten Wirtschaftshochschulen im europäischen Raum. Als Universität, die Führungskräfte in Wirtschaft und Gesellschaft ausbildet, ist sich die WU ihrer (Mit)verantwortung für wirtschaftliche Entwicklungen bewusst. Wirtschaftskrisen, gesellschaftliche Umwälzungen, Umweltfragen – die WU will proaktiv auf Probleme zugehen und den Wissensaustausch mit Wirtschaft und Gesellschaft weiter verstärken. Der 2013 bezogene Campus wird für einen Neustart genützt. Die WU will Anstöße geben, Wirtschaft quasi neu zu denken. Ein Motto, das der neuen WU ein besonderes Anliegen ist, lautet »Rethink Economy«. Die WU sieht sich einer Reihe von Prinzipien verpflichtet: Vielfalt an Sichtweisen auf Wirtschaft und Gesellschaft; Internationalität und Weltoffenheit in Bezug auf den akademisch-intellektuellen Austausch sowie das reale Wirtschaftsleben; Verantwortung gegenüber Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, um einen nachhaltigen Beitrag zu einem besseren Wirtschaften zu leisten, auch für zukünftige Generationen; Innovation und Neues Denken, das die Phänomene der Wirtschaft im 21. Jahrhundert mit neuen Methoden erfasst und zeitgemäße theoretische Erklärungen wie praktische Handlungsanleitungen generiert. Daneben misst die WU den konventionellen Bereichen der Managementausbildung weiterhin große Bedeutung bei und setzt dadurch die Tradition der vor 117 Jahren gegründeten Hochschule für Welthandel fort. Die WU hat in den letzten Jahren vielfältig vom wissenschafts- und universitätsfreundlichen Klima in Wien profitiert. Die enge Zusammenarbeit mit der Stadt Wien im Rahmen des Jubiläumsfonds der Stadt Wien, zweier Stiftungsprofessuren, des »WU Best Paper Award« sowie einer Reihe anderer Förde-

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Christoph Badelt

rungen führten schon zu vielen wertvollen Forschungsergebnissen. Diese tragen auch wesentlich zur Stärkung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Wien bei. So haben zahlreiche Vorhaben auch direkte Relevanz für die Stadt, etwa Projekte im Rahmen der Forschungsinstitute »Altersökonomie« und »Urban Management and Governance«. Die Förderung durch die Stadt Wien stellt ein zentrales und unverzichtbares Element in der Forschung der WU dar und unterstützt somit die große gesellschafts- und wirtschaftspolitische Bedeutung von Wissenschaft und Forschung. Aufgrund ihrer hohen Lebensqualität und geographischen Lage ist Wien eine sehr attraktive Stadt für ForscherInnen sowie Studierende – und dieses Potenzial gilt es auch in der Zukunft zu nützen. Univ.-Prof. Dr. Christoph Badelt Rektor der WU (Wirtschaftsuniversität Wien)

Universität für angewandte Kunst Wien

Künstlerisches Schaffen und intellektuelle Kritik ist eine Chance für Erkenntnis und Kurskorrektur. Die Produktion von Kunst setzt kritische Bildung aber auch Ausbildung, im Sinne der Vermittlung von Fertigkeiten voraus. Kunst beeinflusst allerdings gleichzeitig auch unsere Gesellschaft in intensiver Form; Kunst stellt einen kritischen Spiegel der Gesellschaft dar. Durch Kunst ist Reflexion erst möglich. Dadurch entstehen neue Gedanken, Ideen und Innovationen. Besonders die spezielle Form der Wahrnehmung, der Kommunikation und des Ausdrucks, wie sie Künstlerinnen und Künstlern eigen ist, prägt unsere Gesellschaft. Da geht es nicht nur um bestimmte Skills, es geht um eine Sicht auf die Dinge und eine Haltung zu anderen Menschen und zur Umwelt, die eine Künstlerin oder einen Künstler ausmachen. Diese können zur gesellschaftlichen Entwicklung entscheidend beitragen, wenn sie entsprechend gefördert und genutzt werden. Und genau das ist eine zentrale Aufgabe von Kunstuniversitäten: zu analysieren und zu zeigen, wie diese künstlerische Kreativität gesellschaftliche Prozesse positiv beeinflussen und verändern kann. Vor dem Hintergrund der sogenannten Finanz- und/oder Schuldenkrise werden heute gesellschaftliche Errungenschaften, Errungenschaften der Aufklärung wieder zunehmend in Frage gestellt: Gesellschaftliche Toleranz und Mut zu visionärem Denken geraten in Bedrängnis durch Ängste von immer größer werdenden Gruppen von Fortschrittsverlierern in einer sich zunehmend fragmentierenden und ökonomisch auseinanderdriftenden Gesellschaft. Die Krise betrifft nur vordergründig die Finanzwirtschaft und davon abgeleitet die öffentlichen Haushalte; es geht immer mehr um die Bewältigung einer Krise der Gesellschaft, an deren Ursprung nicht zuletzt eine Krise gesellschaftlicher und kultureller Ideen und Ideale steht. Was wir jetzt brauchen ist eine kreative Revolution als Basis für die Entwicklung Österreichs von einer historistischen und nostalgisch historisierenden Kulturnation zu einer kreativen Innovationsgesellschaft. Kennzeichen und Qualität einer aufgeklärten und aufklärerischen Politik war und ist, künstlerisches Schaffen und intellektuelle Kritik als Chance für Erkenntnis und Kurs-

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Gerald Bast

korrektur und damit als Motor der gesellschaftlichen Entwicklung zu betrachten. Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik, die sich so definiert, sieht ihre Aufgabe darin, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen. Wien hat unbestreitbar viel geleistet – aber ebensoviel zu verlieren. Dr. Gerald Bast Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien

Akademie der bildenden Künste Wien

Seit mehr als 300 Jahren ist die Akademie der bildenden Künste Wien eine der weltweit bedeutendsten Ausbildungsstätten für KünstlerInnen, ArchitektInnen, RestauratorInnen sowie KunstpädagogInnen. Mit der Gemäldegalerie und dem Kupferstichkabinett beherbergt sie zwei der bedeutendsten Sammlungen der Republik Österreich. Den rund 1 400 Studierenden wird ein Lehrspektrum geboten, das Malerei und Skulptur, Fotografie und Video, Performance und Konzeptkunst, Architektur, Bühnengestaltung, Konservierung-Restaurierung sowie das künstlerische Lehramt umfasst. Das Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften und das für Naturwissenschaften und Technologie in der Kunst garantieren einen hohen theoretischen Standard in allen Studienrichtungen. In enger Beziehung dazu stehen die künstlerischen Lehramtsstudien, die wir als einen wesentlichen Beitrag zur Vermittlung von Kunst und Kultur verstehen. Doktoratsstudien, ein international vielbeachtetes PhD-in-Practice-Programm sowie das Masterprogramm Critical Studies ergänzen die Diplomstudien bzw. das Bachelor-/Master-Studium in der Architektur. Das vielfältige Lehrangebot kann durch weitgehend individuelle Studienwege in Anspruch genommen werden. Besonderen Wert legt die Akademie auf eine forschungs- und kunstgeleitete Lehre. Dabei sind sowohl wissenschaftliche als auch künstlerische Forschung die Grundlage. Die Ergebnisse fließen in unterschiedlicher Weise in die Lehre ein und werden darüber hinaus einer breiteren Öffentlichkeit in Ausstellungen, Präsentationen, Symposien, Vortragsreihen und Publikationen vermittelt. Die Darstellung eines komplexen Kunstverständnisses für die Wissensgesellschaft sehen wir neben der Ausbildung von Studierenden als eine wesentliche Aufgabe. Für Lehre und Forschung stehen vier historische Gebäude zur Verfügung. Alle Bereiche verfügen über hochkarätig ausgestattete Labore, Werkstätten und Ateliers. Das Video- sowie das Soundstudio gehören zu den besten Produktionsstätten dieser Art in Österreich. Die Stärke der Akademie liegt in ihren erfolgreichen, international renommierten Lehrenden und Studierenden aus 50 Ländern. Wien nimmt dabei eine zentrale Rolle als Mittlerin zwischen Ost

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Eva Blimlinger

und West ein und unterhält Kontakte zu den wichtigsten Kunst- und Kulturzentren. Aber auch auf andere Kontinente, in die USA und nach Asien reichen die Kooperationen in Forschung und Lehre. Die Akademie ermutigt und unterstützt ihre Studierenden, im Rahmen des Studiums auch außerhalb Österreichs Erfahrungen zu sammeln auch wenn die Internationalität schon in den Häusern der Akademie gegeben ist. Die Stadt Wien kooperiert mit der Akademie in vielen Bereichen, insbesondere in Form der Roland-Rainer Stiftungsprofessur am Institut für Architektur, und begreift sich immer mehr nicht nur als Hauptstadt der Kunst und Kultur sondern auch als jene der Universitäten, und hier an der Akademie bündeln sich die drei Bereiche in besonderer Weise. Mag.a Eva Blimlinger Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien

Universität Wien

Wien ist die Stadt mit der höchsten Lebensqualität, knapp gefolgt von Zürich, Auckland und München. Gemessen wird in der Studie vor allem die Lebensqualität für zugereiste MitarbeiterInnen. Eine Berufsgruppe mit besonders hoher Internationalität ist jene der WissenschafterInnen – seit jeher : Schon die Gründung der Universität Wien war geprägt von der internationalen Dimension, auch bei den Berufungen. Der Ausbau Wiens als politisches, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum eines künftigen österreichischen Königreiches stand im Mittelpunkt der hochfliegenden Pläne Herzog Rudolfs IV, der am 12. März 1365 die Universität Wien gründete. ForscherInnen entscheiden sich für eine Universität und damit für einen Standort, weil sie vom Umfeld und von der angebotenen Infrastruktur überzeugt sind. Die Universität Wien kann in vielen Fällen – trotz steigender internationaler Konkurrenz – überzeugen. 25 ProfessorInnen haben 2014 den Ruf an die Universität Wien angenommen. Wichtige Kriterien für die Entscheidung sind die KollegInnen, das Renomm¦e der Universität und die zugesagte Ausstattung zur Umsetzung des Forschungsvorhabens, aber auch die Qualität des Standorts. Österreichs Universitäten bilden viel und gut aus – Österreich profitiert aber zu wenig davon: mehr AbsolventInnen gehen ins Ausland als nach Österreich kommen. Dieser Entwicklung gilt es gemeinsam gegenzusteuern. Wissenschaft und Wirtschaft profitieren von der internationalen Vernetzung, und es ist wichtig, dass qualifizierte AbsolventInnen in die Welt hinausgehen, um neue Kenntnisse und weitere Erfahrungen zu gewinnen. Es ist zu wünschen, dass viele von ihnen und auch AbsolventInnen ausländischer Universitäten nach Österreich (zurück)kommen und ihre internationale Expertise in österreichischen Bildungsstätten und Unternehmen einbringen. Mit dem 2011 eingeführten Tenure-Track-Modell trägt die Universität Wien dazu bei, dass junge ForscherInnen ihre Zukunft besser und früher planen können. Derzeit sind so 60 MitarbeiterInnen an der Universität Wien beschäftigt. Die Universität wird diese neue Stellenkategorie, die früher als bisher Dauerstellen nach entsprechender Bewährung in Forschung und Lehre bietet,

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Heinz W. Engl

ausbauen und damit ihre Konkurrenzfähigkeit erhöhen. Als weitere Beispiele gelungener »Brain Circulation-Modelle« sind die Erwin-Schrödinger-Auslandsstipendien mit »Rückkehrphase« des Wissenschaftsfonds (FWF) und die »Vienna Research Groups for Young Investigators« des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) zu nennen. Die Wissenschaft braucht die besten Köpfe, um eine Dynamik für den Standort erreichen zu können. Auch die Wirtschaft ist darauf angewiesen. Können Universitäten den Top-WissenschafterInnen nicht entsprechende Rahmenbedingungen bieten, verliert der Standort insgesamt. In diesem Sinne gilt es, die gelungenen Kooperationen zwischen Stadt und Universität weiter wachsen zu lassen, und Wien – im Interesse aller Wienerinnen und Wiener – zur lebenswertesten Wissenschaftsstadt zu machen. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Dr. h.c. Heinz W. Engl Rektor der Universität Wien

Universität für Bodenkultur Wien (BOKU Wien)

Die Universität für Bodenkultur Wien, die Universität des Lebens, versteht sich als Lehr- und Forschungsstätte für erneuerbare Ressourcen, die eine Voraussetzung für das menschliche Leben sind. Durch die Vielfalt ihrer Fachgebiete trägt die BOKU zur Sicherung dieser Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen bei. Durch die Verbindung von Naturwissenschaften, Technik und Wirtschaftswissenschaften versucht sie, das Wissen um die ökologisch und ökonomisch nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen in einer harmonischen Kulturlandschaft zu mehren und den Transfer dieses Wissens in die Praxis zu fördern. Wichtige Merkmale der Forschung an der BOKU sind das vorausschauende Erfassen von Problemen sowie die Bemühung um Praxisrelevanz, Internationalität und Interdisziplinarität. Mit heute ca. 12 000 Studierenden, ca. 2 600 MitarbeiterInnen, ca. 700 laufenden Projekten, 9 Bachelor- und 26 Masterstudienprogrammen ist die BOKU keine kleine Universität mehr. Die Verbindung mit der Wirtschaft ist stark und schlägt sich neben zahlreichen Kooperationsprojekten in zehn laufenden Christian Doppler Labors und mehreren Beteiligungen an Kompetenzzentren nieder. Damit spielt die BOKU eine wichtige Rolle in der Weiterentwicklung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes Wien und Österreich. Auch international ist die Sichtbarkeit der BOKU immer besser gegeben. So wurde sie 2014 im QS World University Ranking by Subject für das Thema Land- und Forstwirtschaft auf Platz 33 geführt. Im Green Metric World University Ranking 2013 steht sie auf Platz 1 im deutschsprachigen Raum, auf Platz 11 in Europa und auf Platz 27 weltweit. Wien mit ca. 200 000 Studierenden hat sich zu einer universitären Metropole entwickelt. Dies ist sowohl dem hohen Lebensstandard in Bezug auf Kultur, Stadtgestaltung und -entwicklung, Wohnen und öffentlichem Verkehr geschuldet, als auch der internationalen Ausrichtung der Universitäten Wiens. Allein die BOKU bietet elf englischsprachige Masterprogramme an. Die Beziehungen der BOKU mit der Stadt Wien sind vielfältig. Zahlreiche Projekte wurden im Interesse der Stadt in Kooperation durchgeführt. Ein aktuell

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Martin H. Gerzabek

seitens Wien und Niederösterreich sowie zahlreichen Ministerien unterstütztes Großprojekt ist die Errichtung eines Wasserbaulabors zwischen Donau und Donaukanal. Das im Rahmen der Donauraumstrategie der EU geplante Labor, das in Europa in einzigartiger Weise den größten Labordurchfluss ohne Pumpen besitzen wird, entspricht den Anforderungen zukünftiger Forschungsthemen und etabliert gleichzeitig den Standort Wien-Niederösterreich zu einem der wichtigsten wasser- und fließgewässerbezogenen Forschungszentren weltweit. Die Implementierung des Jubiläumsfonds der Stadt Wien anlässlich ihres 140jährigen Bestehens hat zu einem weiteren wesentlichen Impuls zur Ausweitung der Projektzusammenarbeit von Stadt Wien und BOKU und zur Sichtbarmachung des Forschungsoutputs der BOKU geführt. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Dr. h.c. mult. Martin H. Gerzabek Rektor der Universität für Bodenkultur Wien

Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)

Die Vetmeduni Vienna ist in einem hochentwickelten und wettbewerbsorientierten Land in besonderer Weise gefordert, um ihrer Verantwortung für Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit und Tierschutz gerecht zu werden. Die Universität leistet einen wesentlichen Beitrag zur Standortsicherung, indem sie jene jungen Menschen ausbildet, deren Qualifikationen der Schlüssel für gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritt sind. Ihre führende Rolle in Lehre, Forschung und medizinischer Betreuung hat sie mehrfach unter Beweis gestellt. 2013 unterzog die Vetmeduni Vienna ihre Forschung einer Evaluierung, bei der internationale ExpertInnen detailliert die Aktivitäten sondierten. Der Blick von außen ergänzend zur internationalen Akkreditierung der European Association of Establishments for Veterinary Education (EAEVE) sorgt dafür, dass Stärkefelder weiter gestärkt, Potenziale gehoben und die Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden. Die Vetmeduni Vienna pflegt ein intensives Netzwerk zu anderen Forschungseinrichtungen in Wien. Die enge Kooperation spiegelt sich in einzelnen Forschungsprojekten, aber auch in institutionellen Commitments bzw. Verschränkungen mit anderen Wiener Universitäten wider wie etwa mit der Etablierung von Double Appointments. Neben der hohen Lebensqualität spricht vor allem der Life Science Standort für Wien, der viele wissenschaftliche Anknüpfungspunkte schafft und somit international hochattraktiv ist. Nun gilt es für Wien und Österreich, mit der für die Lebenswissenschaften immanenten Dynamik mitzuhalten und ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, damit heimische Spitzenforschung den internationalen Anschluss nicht verliert. Die Vetmeduni Vienna setzt jedenfalls alles daran, ihren Studierenden eine hochmoderne Ausbildung zu bieten. Studierende der Veterinärmedizin erwartet ab dem Wintersemester 2014/15 ein von Grund auf überarbeiteter Studienplan. In dreijähriger Vorbereitungszeit entwickelten Lehrende und Studierende ein Curriculum, das den Anforderungen des kompetenzorientierten Lernens gerecht wird. Statt reiner Wissensvermittlung stehen die Anwendung von Erlerntem, das Denken in Systemen, die frühzeitige klinische Integration sowie das

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Sonja Hammerschmid

eigenverantwortliche Studieren im Mittelpunkt. Damit gehen neue Prozesse der Qualitätssicherung in der Lehre einher. Durch regelmäßige Überprüfung der Kompetenzen können etwaige Schwächen festgestellt und gezielt verbessert werden. Seit dem Jahr 2013 ermöglichte die Stadt Wien die Prämierung besonderen Engagements in der Lehre. Mit den Auszeichnungen »Teacher of the Year« in den Kategorien Junior und Senior, »Instructor of the Year« und »Student of the Year« wurden die besten Leistungen in Studium und Lehre prämiert. Das vorbildliche Engagement von Forschenden in der Lehre erhielt so eine breite Sichtbarkeit. Je enger eine Stadt und ihre Universitäten kooperieren, desto attraktiver werden sie für Studierende und Forschende. Dr.in Sonja Hammerschmid Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien

Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw)

Als eine der weltweit größten und renommiertesten Universitäten der Aufführungskünste Musik, Theater und Film sieht die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ihre Aufgabe darin, diesen bedeutungsvollen Raum zu erhalten und gleichzeitig neue Wege zu beschreiten, die vielfältigen Formen und Ausprägungen künstlerischer Arbeit zu fördern und den Studierenden zu ermöglichen, die persönliche Definition eines offenen Kunstbegriffs zu erarbeiten. Seit 1817 international führend in allen Studienrichtungen der Musik und darstellenden Künste sowie verwandten Wissenschaften, bildet die Universität über 3 000 Studierende aus mehr als 70 Nationen aus und bietet 106 Studienrichtungen und 68 Universitätslehrgänge in 24 Instituten an. Sie setzt außerdem ca. 1 100 Beschäftigte ein, wobei das Betreuungsverhältnis im Einzel- und Gruppenunterricht bei 4,7 Studierenden pro Lehrperson liegt. Die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ist somit auch in der Betreuungsrelation führend in Österreich. Die mdw trägt zentral zur Wissenschafts- und Forschungsentwicklung in Österreich und damit zur Entwicklung der Gesellschaft bei. Die mdw verfügt, im weltweiten Vergleich der Kunstuniversitäten, über eine einzigartige Bandbreite wissenschaftlicher Disziplinen von Kultur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften bis Pädagogik, Naturwissenschaft, Technik und Informatik. Diese reflexive Auseinandersetzung, in engem Zusammenspiel mit kultureller Bildung und künstlerischem Schaffen, ist nicht nur maßgebend für die Heranbildung junger KünstlerInnen, sondern vor allem auch richtungweisend in der aktuellen Diskussion wissenschaftlicher und künstlerischer Forschungsfragen. Gesamthaft betrachtet erfolgt die Erschließung und Entwicklung der Künste in jährlich mehr als 1 300 für die nationale und internationale Öffentlichkeit zugänglichen künstlerischen und wissenschaftlichen Veranstaltungen. Damit ist die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien der größte Kulturveranstalter Österreichs und ein wesentlicher Faktor zur Absicherung der kulturellen Standortqualität Wiens. Im Spannungsfeld von dynamisch verstandener

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Werner Hasitschka

Tradition und nachhaltiger Innovation gibt es spezifische Entwicklungen im Raum Wien, die die weltweite Kunst nachhaltig beeinflusst haben bzw. weiter beeinflussen. Die mdw fördert und prägt im Sinne umfassender und dynamischer Begabtenförderung und Exzellenzsicherung viele dieser ortsspezifischen renommierten Kunstströmungen. Univ.-Prof. Mag. Dr. Werner Hasitschka Rektor der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien

FHWien der WKW

Die FHWien der WKW ist die führende Fachhochschule für Management und Kommunikation in Österreich. Gegründet 1994, bietet sie mit 17 Bachelor- und Masterstudiengängen sowie einem eigenen Zentrum für Akademische Weiterbildung ein breites Portfolio und ermöglicht eine wissenschaftlich fundierte und praxisorientierte Berufsausbildung. Die Studierenden erwerben fachliche, wissenschaftliche und soziale Kompetenzen, die sie zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit vorbereiten – der Fokus liegt dabei klar auf Management- und Kommunikationsdisziplinen wie Unternehmensführung, Financial Management oder Marketing & Sales. Die Grundlage ist eine interdisziplinär ausgestaltete betriebswirtschaftliche Fachausbildung und der Praxisbezug in Forschung und Lehre. Die laufende Qualitätssicherung des Studienangebotes ist ein wichtiger Erfolgsfaktor der Hochschule. Unter Einsatz von Monitoring- und Evaluierungssystemen sowie der systematischen Beteiligung unterschiedlicher Interessengruppen wird das Qualitätsmanagement laufend weiter entwickelt. Die Verbindung von Praxis und Wissenschaft in der Lehre erfolgt durch innovative, kompetenzorientierte Didaktik, die den Einsatz von unterschiedlichsten Methoden wie E-Learning vorsieht. Die FHWien der WKW leistet für die Wissenschaft und Forschung in Wien bzw. in Österreich einen wesentlichen Beitrag und erarbeitet methodisch gesicherte Erkenntnisse und praxisorientiertes Know-how für die Wirtschaft. Die Kompetenzen sind in sechs Forschungsschwerpunkten gebündelt, darunter Financial Leadership, Integriertes Kommunikationsmanagement sowie Corporate Governance & Business Ethics. Die F& E-Projekte (2013 wurden 71 Forschungsprojekte umgesetzt) sind auf konkrete Anwendungs- und Verwertungsmöglichkeiten für Unternehmen ausgerichtet. Rund die Hälfte der knapp 950 Lehrenden kommt direkt aus der Wirtschaft, ein breites Angebot an berufsbegleitenden Bildungsangeboten erhöht ebenfalls die Studierbarkeit. Erhebungen wie das regelmäßig durchgeführte IHS-Absol-

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Michael Heritsch

ventInnenmonitoring belegen, dass die Ausbildung an der FHWien der WKW exakt mit den Bedürfnissen der Unternehmen übereinstimmt. Wien entwickelte sich – schon durch die Universität Wien – zu einem enorm wichtigen Lehr- und Forschungsstandort in Europa. Der Fachhochschulsektor brachte in den 20 Jahren seines Bestehens eine weitere Bereicherung und Dynamisierung für die Hochschulstadt Wien. Der nach den Universitäten zweitgrößte akademische Ausbildungssektor startete 1994 mit zehn Studiengängen und rund 700 Studierenden, mittlerweile studieren rund 43 600 Personen an 21 Fachhochschulen in Österreich, davon befinden sich sechs in Wien. Die FHWien der WKW zählt aktuell bereits rund 2 500 Studierende sowie 7 000 AbsolventInnen. Die Magistratsabteilung 23 fördert die Wiener Fachhochschul-ErhalterInnen seit 2005 mit Förderungen für Projekte und Stiftungsprofessuren. Damit unterstützt die Stadt Wien diesen dynamischen Bildungszweig maßgeblich. Ing. Mag. (FH) Michael Heritsch, MSc Geschäftsführer der FHWien der WKW

Fachhochschule des bfi Wien

Die Fachhochschule des bfi Wien besteht seit dem Jahr 1996. Neben dem Hauptstandort im 2. Bezirk gibt es einen zweiten Standort im Media Quarter Marx. Mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Schwerpunkt werden sieben Bachelorstudiengänge und sechs Masterstudiengänge angeboten. Zusätzlich besteht auch noch ein Bereich mit postgradualen Lehrgangsangeboten. In einem Bachelorstudiengang gibt es eine Gruppe mit ausschließlich englischsprachigen Lehrveranstaltungen, drei Masterstudiengänge werden gänzlich in englischer Sprache abgehalten. Das führt dazu, dass die Sprachkompetenz der Studierenden vervollkommnet wird, und zusätzlich internationale Studierende angesprochen werden. Rund 20 Prozent der Masterstudierenden haben ihren Erstabschluss im Ausland erworben. Als Profilgebend ist weiters der ausdrückliche Europabezug zu nennen und die berufsbegleitende Organisationsform aller Masterstudiengänge. Letzteres unterstreicht, dass die Abschlüsse an der Fachhochschule des bfi Wien eigenständige Hochschulabschlüsse mit Berufsfeldbezug sind. Im interdependenten Bezug zur Lehre werden in der anwendungsbezogenen Forschung drei Forschungsfelder verfolgt: – Finanzmarktregulierung und Risikomanagement für Banken und Versicherungsunternehmen – Standortwettbewerb und Regionen – Management projektorientierter Unternehmen 2013 wurde die Fachhochschule des bfi Wien bereits zum dritten Mal von der EU-Kommission mit dem ECTS Label wie dem Diploma Supplement Label ausgezeichnet – sie ist die einzige Hochschule in Wien, die beide Auszeichnungen führen darf. Damit ist ihre Exzellenz in der Umsetzung der Prinzipien dieser beiden Disziplinen dokumentiert. Zusätzlich erhielt die Fachhochschule des bfi Wien als eine der ersten Fachhochschulen Österreichs das Zertifikat »hochschuleundfamilie«. Dieses Güte-

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Helmut Holzinger

zeichen stellt eine staatliche Auszeichnung für besondere Familienfreundlichkeit dar. Im Rahmen der Internationalisierungs- und Forschungsaktivitäten ist der Schwerpunkt auf die Schwarzmeerregion hervorzuheben, der sich sowohl in der Lehre als auch in der Forschung ausdrückt. In den letzten zehn Jahren wurden bereits eine Reihe von Forschungsergebnissen erzielt und unternehmensbezogene Studien zum Schwarzmeerraum erstellt. Die Hochschullandschaft in Wien, gegliedert in Universitäten, Fachhochschulen, Privatuniversitäten und pädagogische Hochschulen, bietet mit differenzierten Studienangeboten ein breites Spektrum. Die Attraktivität Wiens als Hochschulstadt wird durch ein vielfältiges Kulturangebot und einen hohen Grad an Diversität ergänzt. Dr. Helmut Holzinger Geschäftsführer der Fachhochschule des bfi Wien GmbH

Webster Vienna Private University

Seit mehr als dreißig Jahren ist die Universität nun schon in Wien. Noch bevor sie 2001 als österreichische Privatuniversität akkreditiert wurde, war Webster schon als US-amerikanische Bildungseinrichtung in Wien vertreten und hat ausgewählte universitäre Programme auf dem Bachelor- und Master-Niveau angeboten. Die Universität, mit dem Hauptsitz in St. Louis, Missouri, hat es sich in seiner fast hundertjährigen Geschichte zur Aufgabe gemacht, das Konzept von einer »liberal arts and science education« – wie es in den USA gängig ist – international anzubieten. Dieser spezielle Zugang zu Bildung im post-sekundären Bereich, der eine fachliche Spezialisierung erst nach einem breit angelegten Grundstudium anstrebt, ist auch charakteristisch für Webster. Das Ziel von Webster ist, junge Leute in einem internationalen Rahmen zu kompetenten und reflektierenden Weltbürgern auszubilden und aktiv zur wachsenden Vielfalt des Universitätsstandortes Wien beizutragen. An Webster unterrichtet eine betont internationale Fakultät ca. 600 Studierende aus über 70 Ländern in den Fachbereichen Wirtschaft, Internationale Beziehungen, Medien und Psychologie. Kommunikationssprache ist Englisch. Der Unterricht findet in kleinen Gruppen (8 bis max. 25 Studierenden) statt, das Betreuungsverhältnis ist 1:12, was einem regen akademischen Dialog sehr zugute kommt und intellektuelle Ambitionen und Forschungsinteressen fördert. Die Entscheidung, das eigene Profil am Wiener Campus so zu schärfen, dass es den österreichischen Richtlinien für Privatuniversitäten entspricht, hatte Auswirkungen: Webster ist ein aktives Mitglied in der österreichischen Privatuniversitätenkonferenz, trägt bei zu den Diskussionen der Wiener Hochschulrunde und ist durch diverse Initiativen in Forschung und Lehre mit einer Vielzahl von österreichischen Bildungseinrichtungen verbunden. An der Webster University wird in den Studienbereichen Business & Management, International Relations und Psychologie geforscht. Die Verbindung von Theorie und Praxis im Kontext mit einer internationalen Perspektive zeichnen die Forschungsarbeiten aus. Durch die starke Integration der Forschung in den täglichen Unterricht wird die Lehre lebendig und greifbar.

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Maria-Regina Kecht

Durch den sukzessiven Ausbau von wissenschaftlichem Personal und durch Vernetzung bemüht sich die Universität Beiträge zu Forschungsfragen zu leisten, wie zum Beispiel zum »Expatriate Adjustment«, zum Einfluss von Informationsund Kommunikationstechnologien auf Geschäftsprozesse oder im Bereich EUEnergie- und EU-Außenpolitik in Bezug auf Asien und die USA. Die Stadt Wien ist für Webster ein höchst attraktives Umfeld, da ihr internationaler Charakter und das vorhandene Netzwerk von Bildungs- und Forschungseinrichtungen für unser wissenschaftliches Personal sowie für unsere Studierenden bedeutsam ist. Mehr als die Hälfte unserer internationalen Studierenden entscheiden sich nach dem Studienabschluss für eine Karriere in Wien – zweifellos eine Bereicherung für die Stadt durch qualifizierte Arbeitskräfte mit internationaler Perspektive. Prof. Dr. Maria-Regina Kecht Vizerektorin für Lehre und Forschung der Webster Vienna Private University

FH Campus Wien

Die FH Campus Wien bietet berufsfeldorientierte und wissenschaftsbasierte Aus- und Weiterbildung nach internationalen Standards an – als unternehmerisch geführte Hochschule, die dank ihrer institutionellen Unabhängigkeit in der Lage ist, ihre Entwicklung autonom und aktiv zu gestalten. Unsere Einbindung in nationale und internationale fachspezifische Netzwerke sowie unsere Kooperationen mit Universitäten, sozialwirtschaftlichen Organisationen, Wirtschaftsunternehmen und der öffentlichen Verwaltung tragen maßgeblich zu unseren Lehr- und Forschungsaktivitäten bei; Wien als Wissenschafts- und Bildungsstadt bietet einen hervorragenden »knowledge space« dafür. Die FH Campus Wien verfolgt das Ziel, mittel- bis langfristig zu den führenden »Lifelong Learning«-Hochschulen in Europa zu gehören. Dazu realisieren wir berufsermöglichendes studierendenzentriertes Lehren und Lernen und erweitern unser Studien- und Lehrgangsportfolio so, dass wir einer wachsenden Zahl von Studierenden und AbsolventInnen qualitätsvolle Aus- und Weiterbildung für ihr gesamtes Berufsleben ermöglichen. Die aktive Einbeziehung von VertreterInnen der Berufspraxis in die Weiterentwicklung der Curricula unterstützt die Aktualität und Qualität unseres Lehrangebots. In den letzten Jahren wurden gezielt strategische Maßnahmen gesetzt, um die Forschungsleistung der FH Campus Wien weiter zu stärken und dem Ziel einer qualitätsgesicherten und forschungsgeleiteten Lehre gerecht zu werden. Seit 2012 stellt die FH Campus Wien eine interne Anschubfinanzierung für F& E-Projekte zur Verfügung, die wissenschaftliche MitarbeiterInnen beim Aufbau von Forschung und Entwicklung mit finanziellen und/oder Sachmitteln unterstützt. Die wachsende Bedeutung von Forschung und Entwicklung an der FH Campus Wien belegen die F& EKennzahlen. Die kumulierten F& E-Umsätze der FH Campus Wien (Auftragsstand) betrugen mit Ende des Wirtschaftsjahres 2012/13 rund sechs Millionen Euro. F& E-Drittmittel werden an der FH Campus Wien aus unterschiedlichen Quellen generiert. Den größten Anteil nehmen die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) sowie die Stadt Wien (MA 23) ein, gefolgt

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Arthur Mettinger

vom immer stärker werdenden Anteil des Wissenschaftsfonds (FWF) sowie den Industrieaufträgen. Die FH Campus Wien ist mit Einrichtungen der Stadt Wien gut vernetzt. So werden acht Bachelorstudien im Department Gesundheit in Kooperation mit dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) geführt. Dieser gewährleistet auch die Durchführung der umfangreichen Berufspraktika in seinen Lehrkrankenhäusern und -einrichtungen – die Kooperation wurde im September 2012 um einen Forschungskooperationsvertrag erweitert. Eine Reihe von Forschungsprojekten der FH Campus Wien wird überdies aus Mitteln der MA 23 gefördert. Als größte Wiener Fachhochschule werden wir auch weiterhin bemüht sein, durch qualitätsvolle Lehre und Forschung den internationalen Ruf Wiens als Hochschulstadt zu festigen. Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Arthur Mettinger Rektor der FH Campus Wien

Konservatorium Wien Privatuniversität (KONSuni)

Die Konservatorium Wien Privatuniversität (KONSuni) versammelt MusikerInnen und darstellende KünstlerInnen aus aller Welt und bietet ihnen die Möglichkeit künstlerischer Entwicklung in einer offenen und innovativen Atmosphäre. Die regelmäßige Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Partnern ist Bestandteil des eigenen Selbstverständnisses. Auf der Grundlage der reichhaltigen Wiener Kunsttradition erschließen Studierende, Lehrende und Verwaltende gemeinschaftlich Musik und darstellende Künste. Sie tragen ihre Produkte und Kompetenzen in die ganze Welt im Bewusstsein der Stärke und Verantwortung der Kulturschaffenden in einer durch materielle Zwänge zunehmend bedrohten Welt. Dabei verbinden sich künstlerische Exzellenz und wissenschaftliche/pädagogische Bewusstheit zu einem zukunftsorientierten institutionellen Profil. Forschung ist ein essentieller Bestandteil von Kunstausbildung, und die Konservatorium Wien Privatuniversität definiert die Entwicklung und Erschließung der Künste in der Verknüpfung von Forschung, Lehre und Produktion als eine ihrer zentralen Aufgaben. Auch im vergangenen Jahr stand daher unter dem Motto KONS.forschung wieder eine repräsentative Reihe von Aktivitäten im Fokus der universitären Weiterentwicklung und Innovation. Zur Dokumentation und Information dazu wurde auch die Entwicklung einer Forschungsseite auf der Website der KONSuni initiiert und umgesetzt. Die Seite www.konservatorium-wien.ac.at/studium/forschung dokumentiert aktuelle und bisherige Projekte aus dem Bereich der wissenschaftlichen und künstlerischen Forschung. Die Konservatorium Wien Privatuniversität bietet ein im Wettbewerb bestehendes Alternativangebot für Studierende und Lehrende aus aller Welt am Standort Wien. Im Zusammenhang mit der Erfordernis künstlerischer und wissenschaftlicher Forschung wurde das folgende Kernthema formuliert: »Erforschung, Entwicklung und Erschließung der Künste, basierend auf einem zeitgemäßen und innovativen Kunstbegriff, unter besonderer Beachtung der Stellung Wiens in Geschichte, Gegenwart und Zukunft.«

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Franz Patay

Die Forschungsrichtlinien folgen einem angewandten Charakter und tragen sowohl zur Erweiterung des Berufsspektrums unserer AbsolventInnen als auch zum Mehrwert des Standortes Wien als Musikstadt bei. Der lebendige Bezug von Forschung und Lehre zur Praxis wird durch zahlreiche Veranstaltungen, welche die KONSuni eigenständig und/oder in Zusammenarbeit mit bedeutenden Kulturinstitutionen durchführt, wie auch durch die nationale und internationale künstlerische Tätigkeit von Lehrenden und Studierenden gesichert. Prof. Dr. Franz Patay Rektor der Konservatorium Wien Privatuniversität

Pädagogische Hochschule Wien (PH Wien)

Das Leitbild der Pädagogischen Hochschule Wien sieht sich in Lehre, Forschung und Entwicklung folgenden Leitlinien verpflichtet: – Impulsgebende und bedarfsorientierte Bildungsangebote – Persönlichkeitsorientierte Professionsbildung – Forschungsgeleitetes praxisbasiertes Lehren und Lernen – Diversitätsfokussierte Potenzialbildung – Nachhaltige Internationalisierung Mit einer angeschlossenen Praxisvolks- und Praxismittelschule sowie Kooperationen mit über 500 Wiener Schulstandorten (allgemein- / berufsbildende Pflichtschulen, AHS, BMHS) im Kontext der Schulpraktischen Studien und des Begleitstudiums zum Unterrichtspraktikum, ist die PH Wien eng mit der schulischen Praxis des gesamten Wiener Schulwesens vernetzt. An der Pädagogischen Hochschule Wien steht die Professionsorientierung im Zentrum der Forschungsaktivitäten. In diesem Sinne sind aktuelle, fachlich wie gesellschaftlich relevante Themenbereiche, die für pädagogische Wirkungsfelder essentiell sind, Gegenstand der Forschung. Ihren Auftrag sieht die Hochschule in der Realisierung wissenschaftlich-berufsfeldbezogener Forschung zur Erlangung wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Weiterentwicklung der Lehre und der pädagogischen Profession in den unterschiedlichen Berufsfeldern. Sie ist eine von österreichweit vier Zentrumhochschulen für Berufsbildung. Der Hochschulrat ist als Kontroll-, Steuerungs- und Aufsichtsorgan eingerichtet. Gemäß § 12 des Hochschulgesetzes sind ein Mitglied der Wiener Landesregierung sowie die Amtsführende Präsidentin des Stadtschulrates für Wien im Hochschulrat der Pädagogischen Hochschule Wien vertreten. Im umfangreichen Prozess der Curricula-Entwicklung im Zuge der PädagogInnenbildung Neu sind Stakeholder aus den verschiedenen Bereichen des Wiener Bildungswesens eingebunden. Um eine regionale Abstimmung des Fort- und Weiterbildungsangebotes für die PädagogInnen der Bildungsregion gewährleisten

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Ruth Petz

zu können, gibt es multiple Verschränkungen auf allen Ebenen des Wiener Bildungsmanagements. Die Pädagogische Hochschule Wien ist mit rund 2 800 Studierenden der Ausbildung und rund 50 000 Studierenden der Fort- und Weiterbildung die größte Pädagogische Hochschule Österreichs und somit als Zentrum für wissenschaftlich-berufsfeldbezogene Forschung, Lehre und Entwicklung in schulund freizeitpädagogischen Berufsfeldern eine wichtige Bereicherung der Universitätsstadt Wien. Mag.a Ruth Petz Rektorin der Pädagogischen Hochschule Wien

Sigmund Freud Privatuniversität (SFU)

Die SFU wurde 2003 gegründet und 2005 von der zuständigen Behörde nach dem österreichischen Privatuniversitätsgesetz akkreditiert. Die Gründungsidee war die Akademisierung der Psychotherapieausbildung sowie die Absicht, eine Verbesserung nicht nur der Ausbildungs- sondern auch der Forschungsaktivitäten im Bereich der Psychotherapie zu erreichen. Ab dem Jahr 2008 wurden dann weitere Studiengänge im Bereich der Psychologie und der Beratungswissenschaft akkreditiert, sodass man heute sagen kann, die SFU ist eine Privatuniversität, die eine Spezialisierung im »Psy-Bereich« aufweist. Derzeit studieren hier 2 002 Personen. Im Zuge der Entwicklung gab es von Anfang an die Idee, die SFU zu einer europäischen Universität hinzuentwickeln. Mittlerweile hat sie Standorte in Paris, Berlin, Ljubljana, Milano und Linz und arbeitet an der Internationalisierung ihrer Studien- und Forschungsaktivitäten. Durch den Praxisbezug in den Studien machen die Studierenden in unserer Universitätsambulanz, die einen erheblichen Versorgungsanteil in Wien im Bereich der Psychotherapie trägt, ihre praktischen Erfahrungen und lernen dabei, nicht nur zu diagnostizieren sondern auch psychotherapeutische Behandlungen durchzuführen. Früh schon werden die Studierenden auch in Forschungsprojekte miteinbezogen. Die Psychotherapieforschung ist in Österreich nicht so entwickelt wie die Ausbildung und Lehre in diesem Sektor. Daher ist die SFU mit ihren vielgestaltigen Forschungsprojekten ein wichtiger Impulsgeber für die Forschung in diesem Bereich. Als die größte Privatuniversität Österreichs wirkt sie auch in der Ausgestaltung des privatuniversitären Sektors mit. Dabei geht es neben der Überwindung von zahlreichen Vorurteilen auch darum, die akademischen wie die Versorgungsleistungen dieser Einrichtung in der Öffentlichkeit sichtbar werden zu lassen. Wien ist mit über 200 000 Studierenden eine imposante Universitätsstadt. Die Universitäten haben außerdem zwei weitere Aufgaben zu lösen: die Umsetzung der Bologna-Studienarchitektur und die Entwicklung des tertiären Bildungssektors: waren die Universitäten bis zur Jahrhundertwende allein, tei-

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Alfred Pritz

len sie nun den Forschungsmarkt mit den Fachhochschulen und den Privatuniversitäten. Die Stadt Wien ist mit ihren Universitäten, Privatuniversitäten und Fachhochschulen in einem ständigen konstruktiven Kontakt: so festigt sich ein »Wir-Gefühl« in Wien. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Alfred Pritz Rektor der Sigmund Freud PrivatUniversität

Fachhochschule Technikum Wien

1994 startete auf Betreiben des FEEI – Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie in Wien der erste Fachhochschulstudiengang Elektronik. Er war der Grundstein zur heutigen Fachhochschule Technikum Wien. Was damals mit einem Studiengang begann, ist heute mit rund 8.000 AbsolventInnen und rund 3.800 Studierenden sowie 12 Bachelor- und 17 Master-Studiengängen Österreichs größte rein technische Fachhochschule. Im Jahr 2000 erhielt die FH Technikum Wien als erste Wiener Einrichtung Fachhochschulstatus. Seit 2012 ist sie Mitglied der European University Association (EUA). Die ersten 15 Jahre der FH Technikum Wien waren maßgeblich von Wachstum und dem Ausbau des Studienangebots geprägt. Es umfasst heute insgesamt 29 technische Studiengänge in Vollzeit- und/oder berufsbegleitender Form und wird laufend weiter ausgebaut. Das Studienangebot ist wissenschaftlich fundiert und gleichzeitig praxisorientiert, die Studierenden werden berufsfeldorientiert ausgebildet. Dabei wird größter Wert auf das Zusammenspiel von technischen mit wirtschaftlichen und persönlichkeitsbildenden Inhalten gelegt. Die Fachhochschule Technikum Wien war die erste FH in Österreich, die ihr Studienangebot in 2003/04 komplett auf die damals neue Bologna-Studienarchitektur umstellte. Seit 2012 sind wir Träger des Diploma Supplement Labels. Seit mehreren Jahren wird auch der Bereich Forschung & Entwicklung systematisch aufgebaut und entwickelt. Geforscht wird im technischnaturwissenschaftlichen Bereich. Forschung an der FH Technikum Wien ist relevanzorientiert, der Austausch zwischen Forschung und Lehre von zentraler Bedeutung. Aktuell konzentrieren sich die Forschungsaktivitäten auf vier Schwerpunkte: eHealth, Embedded Systems, Erneuerbare Energie und Tissue Engineering. Neben der geförderten Forschung spielt die Auftrags-F& E eine immer wichtigere Rolle. Seit Mai 2013 betreibt die FH Technikum Wien ihr erstes Josef Ressel Zentrum. Im Institut für Embedded Systems wird gemeinsam mit Unternehmenspartnern an neuen Lösungen für die Verifikation von Embedded Systems geforscht. Die FH Technikum Wien ist eine forschungsstarke Fachhochschule: Sie liegt

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Fritz Schmöllebeck

auf Platz 4 im österreichweiten FH-Vergleich gemessen an der Entwicklung des jährlichen F& E-Umsatzes und sie ist – trotz fehlender Basisfinanzierung für F& E seitens des Bundes – mittelfristig bestrebt, ihre Forschungsaktivitäten strategisch auszubauen und möglichst nachhaltig weiter zu entwickeln. Darin und in der laufenden Entwicklung der Qualität unserer Studiengänge werden wir nicht zuletzt auch durch die Ausschreibungen der Stadt Wien im Rahmen der Fachhochschulförderung regelmäßig unterstützt. Wir sind als FH in dieses professionelle Fördersystem sehr gut eingebunden und bewerben uns konsequent und mit Erfolg um Mittel zur Sicherung der Qualität unserer Lehre und für ausbildungsbezogene Forschung und Entwicklung. Denn exzellente Lehre und Forschung sind unser Anspruch und gleichzeitig Beitrag für einen attraktiven Hochschulstandort Wien. FH-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Fritz Schmöllebeck Rektor der Fachhochschule Technikum Wien

Medizinische Universität Wien (MedUni Wien)

Die MedUni Wien feierte im Jahr 2014 einen besonderen Geburtstag: Vor zehn Jahren wurde die medizinische Fakultät der Universität Wien ausgegliedert und zur eigenständigen Universität. Diese Ausgliederung ist eine Erfolgsgeschichte, die in enger Verbindung mit dem Standort Wien steht. Die grundsätzlichen Ziele der MedUni Wien haben sich seither nicht geändert: Ein starkes Gleichgewicht zwischen Forschung, Klinik und Lehre zu schaffen, damit es in Wien auch künftig und nachhaltig Spitzenforschung, optimale Patientenversorgung und hervorragend ausgebildete WissenschafterInnen und MedizinerInnen gibt. Was sich aber im Lauf der Zeit geändert hat: Um im internationalen Wettbewerb der Universitäten bestehen zu können, ist heute ein schärferes Profil nötig. Die MedUni Wien hat daher einen Markenbildungsprozess eingeleitet, der die Marke »Medizinische Universität Wien« nach innen und außen hin stärken und die Rolle der Universität als Top-Player im internationalen Vergleich untermauern wird. Die ForscherInnen der MedUni Wien sind die am meisten zitierten WissenschafterInnen Österreichs. Dieses Renomm¦e ist gleichzeitig die beste Werbung für den Forschungsstandort Wien. Bereits sechs Mal in Folge wurde Wien von der Congress and Convention Association zur beliebtesten Kongress-Stadt gewählt. Das ist auch deshalb gelungen, weil viele der bedeutendsten medizinischen Kongresse mittlerweile in Wien stattfinden. Wien hat es geschafft, aus der Tradition heraus zu einer modernen, höchst attraktiven Kongress-Location und Universitätsstadt zu werden. Dazu trägt auch die immer wichtiger werdende internationale Ausrichtung unserer Universität bei. So wird seit kurzem etwa auch mit der Johns Hopkins University, einer der Top-Universitäten, kooperiert. Als Medical School zählt die MedUni Wien zu den renommiertesten Ausbildungsstätten der Welt und ist, gemessen an der Zahl der Studierenden, die größte im deutschsprachigen Raum. Am medizinischen Universitätscampus Wien sind Spitzenforschung und Patientenversorgung im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien in unmittelbarer Nähe möglich. Dort manifestiert sich Tag für Tag das einzigartige Zu-

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Wolfgang Schütz

sammenspiel von größtem Gemeindespital und Universitätsklinik. Diese enge Zusammenarbeit wird im Projekt »Universitätsmedizin Wien 2020«, das als gemeinsames Unterfangen von MedUni Wien und AKH Wien gestartet wurde, vertieft. Das Ziel dieses Projekts ist, die Zusammenarbeit zu optimieren, Synergien besser zu nutzen und sich innerhalb der finanziellen Rahmenbedingungen für die Herausforderungen der Zukunft zu positionieren. MedUni Wien und AKH Wien zählen heute im Wissenschafts- und Gesundheitsbereich zu den TOP-Einrichtungen in Europa. Die engere Zusammenarbeit dieser beiden Institutionen wird die Fortsetzung des erfolgreichen Weges sicherstellen und auch die internationale Bedeutung des Forschungsstandorts Wien nachhaltig stärken. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schütz Rektor der Medizinischen Universität Wien

Technische Universität Wien (TU Wien)

Die Technische Universität Wien ist mit ihrer 200jährigen Geschichte ein altehrwürdiges Haus, aber noch viel mehr eine moderne Forschungsuniversität. Rund 3 000 WissenschafterInnen finden an der größten technisch-naturwissenschaftlichen Universität Österreichs ein Forschungsumfeld vor, das qualitativ hochwertige Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung gleichermaßen fördert und damit die Grundpfeiler einer modernen technischen Universität – Forschung, Lehre und Innovation – bildet. Die TU-Angehörigen beleben unser Leitbild »Technik für Menschen – Wissenschaftliche Exzellenz entwickeln und umfassende Kompetenz vermitteln« auf eindrucksvolle Art und Weise. Unser Lehrangebot leitet sich vom Forschungsprofil ab, d. h. es ist notwendig, ein kreatives Lernumfeld zu schaffen. Die erfolgreiche Verknüpfung von Forschung und Innovation wiederum setzt die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen voraus, der Kreis schließt sich. Wien als Forschungsstandort bietet einen guten Nährboden und besitzt mit seinen vielfältigen Bildungs- und Forschungseinrichtungen ein einmaliges Potenzial in Österreich. Die erfolgreichen Kooperationen von Wissenschaft und Wirtschaft ermöglichen es der TU Wien, Innovation als gemeinsame Aufgabe von Universität und Unternehmen wahrzunehmen. Mit wachsenden Drittmittelzahlen verdeutlichen wir unseren Beitrag zur Festigung des Forschungsstandortes und Stärkung des zentraleuropäischen Innovationsstandortes Österreich und damit Wien. Dank unserer AbsolventInnen und ForscherInnen, haben wir eine hervorragende Transferleistung in Wirtschaft und Gesellschaft vorzuweisen und können selbst mit den innovativsten Firmen mithalten. Neben dem Wissens- und Technologietransfer in die Wirtschaft leistet die TU Wien auch einen wichtigen Beitrag zur Einbindung der Gesellschaft in die Wissenschaft. Sie fördert das Verständnis der Bevölkerung für die naturwissenschaftlich-technische Forschung, die Ingenieurwissenschaften und die Technik im Allgemeinen. Die vier TU-Standorte sind dabei in mehrerlei Hinsicht ideal. Die TU Wien im medialen, politischen und kulturellen Zentrum Österreichs, aber auch in der

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Sabine Seidler

Mitte Europas. Für die Kooperation mit den mittel- und osteuropäischen Nachbarn sind dies ideale Voraussetzungen. In unserer unmittelbaren, städtischen Nachbarschaft befindet sich das kulturelle Zentrum der Stadt. Umgeben von Oper, Secession, dem Musikverein und der barocken Karlskirche fällt es der TU leicht, eine offene, kulturschaffende und kulturinteressierte Stadtuniversität zu sein. So eingebettet, richten wir unseren Blick in die Zukunft und freuen uns gemeinsam mit der Stadt Wien auf die Feier unseres 200-Jahr-Jubiläums im Jahr 2015. Das besondere Highlight wird dabei die Kooperation zwischen TU Wien und den Wiener Philharmonikern beim Neujahrskonzert sein, denn die befruchtende Verbindung von Wissenschaft und Musik begann, als die Brüder Johann und Josef Strauss an der TU Wien studierten. Univ.-Prof.in Dipl.-Ing.in Dr.in Sabine Seidler Rektorin der Technischen Universität Wien

Ferdinand Porsche Fern-Fachhochschule (FernFH)

Seit ihrer Gründung im Jahr 2006 vereint die Ferdinand Porsche FernFH moderne Medien und Methoden mit den sozialen Aspekten der Face-to-Face Kommunikation zum sogenannten »Blended Learning«. Mit der Kombination aus Präsenzveranstaltungen und Fernstudienphasen geht die FernFH auf die veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen an die Hochschulbildung ein: Das Konzept des lebenslangen Lernens und die Durchdringung des Alltags mit kontinuierlichen Aus- und Weiterbildungsphasen erfordert ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den Lebensbereichen Arbeit, Privatleben und Weiterbildung. Berufsermöglichendes Studieren ist an der FernFH Realität geworden. Während klassische Präsenz-Studien diesen Auftrag nicht vollständig erfüllen können, ermöglicht die FernFH ein zeit- und ortsunabhängiges Studieren und schafft auch eine Balance zwischen Studium und Beruf. Durch diesen neuen, methodischen Zugang zur Hochschulbildung bereichert die FernFH nicht nur den Wiener Bildungssektor um eine wichtige Facette, sondern trägt auch zur Ausbildungschancengleichheit bei: Ein Fernstudium ermöglicht auch Personen, die aufgrund von beruflichen oder familiären Verpflichtungen kein Präsenz-Studium absolvieren können, den Zugang zum tertiären Bildungssektor und einen akademischen Abschluss. Die Studienschwerpunkte der FernFH liegen derzeit vor allem im wirtschaftlichen Bereich: So tragen die Bachelor- und Masterstudiengänge Wirtschaftsinformatik den rasanten Entwicklungen im Bereich der Informationsund Kommunikationssysteme Rechnung, Betriebswirtschaft und Wirtschaftspsychologie hingegen vereinen als erste Fachhochschulausbildung in Österreich wirtschaftspsychologisches Wissen mit betriebswirtschaftlichen Inhalten. Im Forschungsbereich stehen an der FernFH vor allem neue Entwicklungen und Technologien aus den Themenbereichen der Studiengänge im Fokus. Seit dem Wintersemester 2013/14 setzt die FernFH in diesem Zusammenhang zum ersten Mal etwa das neue E-Learning System »EBuddy« im Testbetrieb ein. Das vom Wiener Fachhochschul-Förderungsprogramm 2010 der Stadt Wien

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Ilse Stria und Axel Jungwirth

– MA 23 – unterstützte Projekt basiert auf Web 2.0-Technologien und hat das Ziel, den Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden im Fernstudium maßgeblich zu verbessern. Die gewonnenen Erfahrungen im laufenden Studienbetrieb fließen in die ständige Weiterentwicklung des Projekts ein. Ein finaler Ergebnisbericht wird Ende 2015 gelegt. Danach wird die Weiterentwicklung von »E-Buddy« auch über die offizielle Projektlaufzeit hinaus weiterverfolgt werden – die Plattform wurde von Beginn an so konzipiert, dass notwendige Anpassungen flexibel in das System integriert werden können. Aktuelle weitere Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Information Systems und Security Management oder auf den Dynamiken des virtuellen Arbeitens und Lernens in Organisationen und Märkten. Mag. Ilse Stria / Mag. (FH) Axel Jungwirth Geschäftsführung der Ferdinand Porsche FernFH

MODUL University Vienna

Die MODUL University Vienna ist eine internationale, forschungsorientierte Privatuniversität der Wirtschaftskammer Wien. Der Fokus der Zielsetzungen liegt auf der Vermittlung ganzheitlicher akademischer Bildung sowie der Verzahnung beruflicher Handlungskompetenz mit Persönlichkeitsentwicklung. Studienprogramme werden aus den Bereichen Internationale Wirtschaft und Management, Neue Medientechnologie, öffentliche Verwaltung und nachhaltige Entwicklung sowie Tourismus- und Dienstleistungsmanagement angeboten. Im Frühjahr 2014 waren knapp 500 Studierende aus über 70 Nationen inskribiert. Unterrichtssprache ist Englisch. Das Bildungskonzept basiert auf den vier »Values of Education«: Wissen, Kreativität & Innovation, persönliche Integrität, gegenseitiger Respekt und verantwortungsvolles Führen (»Stewardship«). Mit ihrem Forschungs- und Ausbildungskonzept möchte die Universität einen richtungweisenden Beitrag zur Entwicklung des österreichischen Hochschulsektors leisten. In den Bereichen Neue Medientechnologie und Tourismusforschung genießt sie bereits jetzt national wie international hohe Anerkennung. Gemessen an ihrer Größe ist die Anzahl der drittmittelfinanzierten Forschungsprojekte außergewöhnlich hoch. Aktuell sind die MitarbeiterInnen in die Gestaltung von EU-Projekten mit einem Gesamtvolumen von mehr als sechs Millionen Euro involviert. Der Anspruch an Forschung und Lehre orientiert sich an den Standards nordamerikanischer Spitzenuniversitäten. An der Gründung der Universität war die Stadt Wien maßgeblich beteiligt. In Tourismusfragen beraten die MitarbeiterInnen den zuständigen Bundesminister sowie die Tourismusverantwortlichen der Stadt. Im Rahmen der an der Universität angesiedelten Industriebeiräte wird die Bildung von Kompetenzfeldern unterstützt, die wiederum die Bekanntheit Wiens als eine der führenden Technologie-, Kultur- und Tourismusstädte der Welt fördern. Mit einem neuen, breit angelegten Studienangebot stellt die Privatuniversität eine attraktive Alternative zu Massenuniversitäten bereit. Sie ist auch Sitz der

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Karl Wöber

Österreichischen Privatuniversitätenkonferenz und dadurch substanziell in die Gestaltung und Entwicklung des privaten Hochschulsektors involviert. Das Verhältnis Anzahl der Studierenden zu den Einwohnern ist eines der höchsten in Bezug auf alle europäischen Großstädte. Die wissenschaftlichen Erfolge der Vergangenheit, das breite Kultur- und Freizeitangebot Wiens, die geographische Lage und die gute Verkehrsanbindung, die im internationalen Vergleich niedrigen Wohnkosten für Studierende und die relativ geringe Kriminalität, sind ideale Voraussetzungen, um sich als führende Universitätsstadt in Europa zu positionieren. Für eine internationale Behauptung Wiens als Universitätsstadt müssen jedoch noch zahlreiche wettbewerbsverzerrende und qualitätseinschränkende Rahmenbedingungen des österreichischen Hochschulwesens eliminiert werden. Privatuniversitäten können einen wesentlichen Beitrag im Rahmen der dringend notwendigen Strukturreformen leisten. Prof. Dr. Karl Wöber Rektor der MODUL University Vienna

Lauder Business School (LBS)

Die Lauder Business School ist als Anbieterin englischsprachiger Fachhochschulstudiengänge die internationale Boutique Business School im tertiären Wiener Bildungssektor. Gegründet 2003 von Ambassador Ronald S. Lauder verfolgt sie das Ziel, jungen Menschen aus Ost und West an der geografisch wie politisch wichtigen Drehscheibe Wien eine Zukunftsperspektive zu schaffen. Aufgrund ihrer besonderen Campus- Infrastruktur spricht sie auch ein jüdisches Publikum an. Das Kernziel der LBS ist eine international konkurrenzfähige und praxisnahe Ausbildung, auf der erfolgreiche Wirtschaftskarrieren aufsetzen können. Die stetig wachsende Einrichtung bietet derzeit das Bachelorprogramm »International Business Administration« und die Masterprogramme »International Management and Leadership« sowie seit Neuestem »Banking, Finance and Compliance« an. Lernen und Arbeiten beruhen auf Chancengleichheit, Weltoffenheit und Bildungswachstum. Mit der Unterstützung der Stadt Wien und der U.S.-amerikanischen Ronald S. Lauder Foundation konnte diese Vision im Maria-Theresien-Schlössel in Wien-Döbling Gestalt annehmen. Die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung orientiert sich eng am Gesamtauftrag der LBS. In den vergangenen Jahren wurden vielfältige Forschungs- und Vermittlungskompetenzen in den Bereichen Diversität im internationalen Management, Bildungsmobilität an internationalen Hochschulen, Hochqualifiziertenmigration nach Wien und Österreich sowie Englisch als Lingua Franca in internationalen Wirtschaftskontexten aufgebaut. Die LBS steigert dadurch kontinuierlich die Qualität ihres Ausbildungsangebotes und konnte sich als gefragte Ansprechpartnerin international agierender österreichischer Unternehmen (z. B. RHI), öffentlicher Akteure und akademischer Institutionen im In- und Ausland positionieren. Einen bedeutenden Beitrag zur Profilierung der LBS leistete die Wiener Fachhochschul-Förderung der MA 23 im Rahmen des »Stadt Wien Kompetenzteams (Lehre) für Bildungsmobilität und Diversität – Mobiliversity (2011 – 2014)«. Forschung und Entwicklung an der LBS hat stets den Mehrwert für die Studierenden, Absolvierenden, Mitarbeitenden und den Wirtschaftsstandort Wien

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Alexander Zirkler

im Blick. Von der LBS erbrachte Forschungsleistungen bringen konkreten Nutzen für drei Zielgruppen: Sie erhöhen die Arbeitsmarktfähigkeit der Studierenden, die besonders in den Masterstudiengängen selbst eine fundierte Ausbildung in anwendungsorientierter Business-Forschung erhalten. Des Weiteren liefern sie umsetzbare Ergebnisse für Unternehmenspartner. Und schließlich setzt die LBS auf eine Open-Access-Policy, um ihre F& E-Produkte einer interessierten Öffentlichkeit ortsunabhängig zur Verfügung zu stellen. Mit ihren qualitativ hochwertigen Aktivitäten in einem klar definierten Bereich gestaltet die LBS ihren Beitrag, um Wien als dynamische, innovative und lebenswerte Stadt für international denkende und handelnde Menschen noch attraktiver zu machen. Alexander Zirkler Geschäftsführer der Lauder Business School

Zeittafel

Wissens- und Universitätsstadt Wien. Gründungen, Zäsuren, Aufbrüche

1945 Mitwirkung des Kulturamts an der Bergung und Sicherstellung von Kulturgütern und Bibliotheksbeständen in Wien. Sommer 1945 Wiedereröffnung der städtischen Büchereien und der Wiener Volksbildungshäuser (Erweiterung der Zahl der Volksbildungshäuser). 9.7. u. 22. 8. 1945 Gemeinsame Enquete der Stadt Wien, Staatsämter und Hochschulen über den Wiederaufbau Wiens (Errichtung eines Technischen Beirats für den Wiederaufbau). 10. 7. 1945 Wiederinkrafttreten der Verfassung der Stadt Wien; Schaffung einer Verwaltungsgruppe Kultur und Volksbildung unter Leitung von Stadtrat Viktor Matejka. 1945 Gründung der Biologischen Station Wilhelminenberg durch Otto Koenig. 5. 9. 1945 Errichtung von fünf neuen städtischen Büchereien. 12. 9. 1945 Beschluss des Stadtsenats auf Antrag Matejkas zur Vorbereitung der antifaschistischen Ausstellung »Niemals vergessen« im Künstlerhaus (Budget: 300.000 RM, Kurator : Viktor Slama). Oktober 1945 Förderungsaktion zum Besuch englischer Studenten in Wien. Oktober 1945 Stadtrat Viktor Matejka regt im Rahmen der Akademie der Wissenschaften die Verstärkung des Austauschs wissenschaftlicher Zusammenarbeit und die Schaffung einer Zeitschrift zum Zweck des Informationsaustauschs vor. 2. 10. 1945 Errichtung des Wiener Kulturfonds.

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27. 10. 1945 Verleihung des Ehrendoktorats an Bürgermeister Theodor Körner durch die Wiener Technische Hochschule. Herbst 1945 Wiederaufnahme des Betriebs der Wiener Fortbildungsschulen (Berufsschulen). 3. 11. 1945 Wiedereröffnung der Wiener Stadtbibliothek und des Pädagogischen Instituts der Stadt Wien. 5. 11. 1945 Festveranstaltung 40 Jahre Volksheim Ottakring. 14. 11. 1945 Gedenkfeier für Ludo Moritz Hartmann und Widmung eines Ehrengrabes der Stadt Wien. 12. 1. 1946 Gründung des Vereines »Institut für Wissenschaft und Kunst« unter Beteiligung der Stadt Wien (außerdem Vertretung der Gemeinde im Institut für Theaterwissenschaft und Institut für Wirtschaftsforschung). 22. 2. 1946 Eröffnung des Instituts für Wissenschaft und Kunst durch Bundespräsident Karl Renner. 14. 9. 1946 Eröffnung der Ausstellung »Niemals vergessen« im Künstlerhaus durch Stadtrat Viktor Matejka und die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Josef Krips. 19. 6. 1947 Wiener Gemeinderat beschließt Errichtung einer Stiftung zur Förderung auf den Gebieten Musik, Literatur, Bildhauerei, Graphik und angewandte Kunst, Architektur, Kunsthandwerk und Wissenschaft und Volksbildung durch Vergabe jährlicher Preise (je 5.000 Schilling). Preisträger im Bereich Wissenschaften 1947 – 1950: Leopold Wenger, Lise Meitner, Richard Pittioni, Friedrich Heer, Georg Wagner, Charles Gulick, Leopold Schönbauer. 1948 Die »Rathaus-Korrespondenz (rk)« erhält zwei Beilagen: den »Kulturdienst« und den »Wissenschaftlichen Pressedienst« zur Berichterstattung über aktuelle Ereignisse. Die rk veröffentlicht alljährlich mehrere hundert Notizen zum Gedenken an Persönlichkeiten des Wiener Kultur- und Wissenschaftsleben Wiens. 28. 3. 1948 Eröffnung der Ausstellung »Wien 1848« im Großen Festsaal des Wiener Rathauses.

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17. 7. 1948 Gründungsversammlung des Instituts für Gesellschafts- und Wirtschaftsstatistik im Wiener Rathaus. 4. 11. 1948 Enquete des Instituts für Wissenschaft und Kunst über die Notlage der Österreichischen Wissenschaft im Wiener Rathaus. 15. 2. 1949 Der Gemeinderatsausschuß für Kultur und Volksbildung beschließt weitere umfangreiche Umbenennungen (Neu- bzw. Rückbenennungen) von Wiener Straßen und Wohnhaus-Anlagen. 2. 3. 1949 Der Aufsichtsrat der Wiener Städtischen Versicherung unter Vorsitz von Bürgermeister Körner beschließt aus Anlaß des 80. Geburtstags von Karl Seitz die Errichtung einer Karl Seitz-Stiftung zur Vergabe von Hochschulstipendien an begabte Arbeiterkinder (Stiftungssumme: 100.000 Schilling). 12. 4. 1949 Der Wiener Stadtsenat verleiht erstmals die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien (die Medaille wird ua. auch an verdiente Wissenschaftler verliehen, z. B. 1950 an Eduard Castl¦). 6. 12. 1949 Ablöse Viktor Matejkas (KPÖ) als Stadtrat für Kultur und Volksbildung. Nachfolger : Hans Mandl (SPÖ). Seit 1950 werden auf Grund von Vorschlägen des »Notringes« wissenschaftliche Publikationen und damit die wissenschaftliche Forschung durch die Stadt Wien gefördert. Für sie wird im Rahmen des von der Wiener Landesregierung jährlich bewilligten Gesamtbetrages von 250.000 Schilling ein Druckkostenbeitrag zuerkannt; die an den Notring gewährte jährliche Förderung erhöhte sich bis 1960 auf 380.000 Schilling. Eine besondere Förderung fanden dabei jene wissenschaftlichen Zeitschriften, die für den internationalen Austausch von Wichtigkeit sind, um auf diese Weise die Verbindung Österreichs mit den geistigen Leistungen des Auslandes zu schaffen und aufrecht zu halten. Bisher wurden 131 Druckwerke und Zeitschriften mit 1.214.500 Schilling unterstützt. Für die Durchführung von Forschungsreisen wurden rund 100.000 Schilling aufgewendet.1 (Stand: 1955). 8. 11. 1950 Gründung der »Hugo Breitner-Gesellschaft« zur Förderung begabter Musikstudenten.

1 Kulturarbeit der Stadt Wien 1945 – 1955 (hrg. v. Amt für Kultur und Volksbildung der Stadt Wien = Wiener Schriften, Heft 1), Wien 1955, 41 – 42.

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26. 1. 1951 Der Wiener Gemeinderat beschließt die Errichtung der »Dr. Karl Renner Stiftung« für Verdienste um die Republik Österreich (Dotierung: 100.000 Schilling), Preisträger im Bereich Wissenschaft 1951 – 1953: Ewald Schild, Hans Thirring, Hans Kelsen. 17. 2. 1951 Gründung eines Biologischen Instituts für Wien, Niederösterreich und das Burgenland in Wien. 20. 12. 1951 Die Stadt Wien vergibt erstmals auch Förderungspreise an begabte Künstler und Wissenschaftler (1951 werden fünf Wissenschaftler ausgezeichnet). 1952 Großausstellung »Unsere Schule« im Wiener Messepalast. 1952 Erweiterung der Depoträume des Wiener Stadt- und Landesarchivs und der Wiener Stadtbibliothek. 28. 5. 1953 Der Bauausschuss des Wiener Gemeinderats beschließt die Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs für den Neubau des Historischen Museums der Stadt Wien auf dem Karlsplatz (für den Wettbewerb wurden 103 Entwürfe eingereicht). 7. 4. 1954 Tatkräftige Kulturförderung Das Kulturamt der Stadt wird in zwangloser Folge eine wissenschaftliche Schriftenreihe herausgeben, durch die das reiche Material des Archivs der Stadt Wien, der Stadtbibliothek und des Historischen Museums der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden soll. Jährlich sollen ungefähr 300 Seiten dieser Reihe unter dem Titel »Wien – Stadt und Heimat« erscheinen. Die Kosten für diese Aktion werden sich auf rund 50.000 Schilling belaufen. Ein anderes interessantes Vorhaben stellt die Herausgabe eines literarischen Almanachs dar. Der erste Band soll unter dem Titel »Lebendige Stadt« bereits im September des heurigen Jahres erscheinen. Siebzig Autoren, deren Auswahl von der Stadt Wien im Einvernehmen mit dem Österreichischen Schriftstellerverband und dem Pen-Club getroffen wird, sollen diesem Almanach bisher nicht veröffentlichte Werke gegen ein Ehrenhonorar von 200 Schilling zur Verfügung stellen. Das Werk soll in vier Teilen erscheinen. Weiters will das Kulturamt einen Jugendbuchpreis der Stadt Wien stiften. Jährlich soll das beste Jugendbuch für Kinder von 6 bis 14 Jahren mit dem Preis bedacht werden. Schließlich beabsichtigt die Stadt Wien, Kompositionsaufträge an Wiener Komponisten zu geben. Die Kompositionen sollen in den vom Kulturamt ver-

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anstalteten Jugendkonzerten aufgeführt werden, die sich außerordentlich bewährt haben. 11. 6. 1954 Eröffnung der Ausstellung »Unser Wien« in der Volkshalle im Rahmen der Wiener Festwochen (Würdigung herausragender Leistungen österreichischer Wissenschaftler). Dezember 1954 Im Rahmen der Preisverleihung der Dr. Karl Renner-Stiftung erhält die Akademie der Wissenschaften 50.000 Schilling. 1955 Im Staatsvertragsjahr empfängt Bürgermeister Franz Jonas Arnold Toynbee, Carl J. Burghardt sowie mehrere Nobelpreisträger im Wiener Rathaus. 3. 1. 1955 Die Wiener Stadtbibliothek übernimmt das Karl Kraus-Archiv aus Zürich. 21. 11. 1955 Europäische Theaterausstellung in Wien. Aus diesem Anlass veranstaltet Bürgermeister Franz Jonas die in Wien weilenden Theaterwissenschaftler. 1956 Nach dem Staatsvertrag wird Wien wieder verstärkt Kongressstadt (48 Kongresse und Tagungen, darunter mehrere große Mediziner-Tagungen). Die Stadt Wien fördert die vom »Notring der wissenschaftlichen Verbände Österreichs« veranstaltete Vortragsreihe »Gastvorträge ausländischer Gelehrter in Wien« mit 270.000 Schilling. Weitere alljährliche Einzelförderungen gingen an mehrere wissenschaftliche Institute (z. B. die Akademie der Wissenschaften, aber auch die Arbeitsgemeinschaft für die Geschichte der österreichischen Widerstandsbewegung und die Theodor-Körner-Stiftung). 28. 4. 1956 Eröffnung der Großausstellung »100 Jahre Wiener Stadtbibliothek«. 1957 Gründung der Forschungsgemeinschaft Wilhelminenberg und der Gesellschaft der Freunde der Biologischen Station Wilhelminenberg. 1. 10. 1957 Eröffnung der ersten Konferenz der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien. Wien wird Sitz der neuen Organisation. 3. 11. 1957 In einer Rundfunkrede schlägt Franz Jonas Wien als europäische Hauptstadt vor und regt im Rahmen eines Kongresses europäischer Parlamentarier in Wien die Schaffung eines Europainstituts vor.

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25. 11. 1957 Eröffnung der Ausstellung »Wien 2000« im Palais Liechtenstein. Auch im Rahmen einer Publikation präsentiert sich Wien als »Stadt von heute«. 23.–28. 2.1958 Tagung »Die Presse im Dienste der Einheit Europas«. 18.–21. 6. 1958 Eröffnung der Wiener Europagespräche im Rahmen der Wiener Festwochen »Die Einheit Europas – Idee und Aufgabe«. Die Europa-Gespräche werden bis 1968 jährlich, 1970 – 1974 zweijährlich, letztmals 1977 – mit wechselnden Themen – jeweils im Rahmen der Wiener Festwochen veranstaltet und die Referate in der Reihe »Wiener Schriften« im Verlag Jugend & Volk publiziert. Danach kam es 1979 zum ersten Österreich-Gespräch. 24. 6. 1958 Der Europarat anerkennt Wiens Bemühungen um den europäischen Dialog mit der Zuerkennung des Europa-Preises. 11. 2. 1959 Konstituierung des »Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung« durch Karl Maisel, Johann Böhm, Anton Proksch, Gabriele Proft, Fritz Klenner und Bruno Kreisky. Der Verein wird in Kooperation mit dem Wiener Landesarchiv geführt. 22. 2. 1959 Bürgermeister Franz Jonas bekennt sich in einem Radiovortrag zur Aufgabe der Stadt Wien auf dem Gebiet der Kunst- und Kulturförderung. 23. 4. 1959 Feierliche Eröffnung des neuen Gebäudes des Historischen Museums der Stadt Wien auf dem Karlsplatz. 17. 6. 1959 Beginn der Wiener Europagespräche 1959: »Die junge Generation und Europa«. 26. 2. 1960 Der Wiener Gemeinderat beschließt die Schaffung einer Ehrenmedaille der Stadt Wien, die 1960 auf dem Gebiet der Wissenschaft an den Historiker und Archivar Leo Santifaller und an den Generalstaatsbibliothekar Victor Kraft verliehen wird. 20. 4. 1960 Der Aufsichtsrat der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien beschließt die Schaffung des »Dr. Adolf Schärf-Stipendienfonds«, der mit 1 Million Schilling dotiert wird und eines »Dr. Adolf Schärf-Fonds zur Förderung der Wissenschaft«, in dem die Stadt Wien vertreten ist. 21. 6. 1960 Eröffnung der Wiener Europagespräche 1960: »Die Funktion der Kunst in der modernen Gesellschaft«.

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1961 Das Volumen der Wissenschaftsförderung der Stadt Wien beträgt Anfang der 1960er Jahre rund 1 Million Schilling; es wird bis 1964 verdoppelt, und es werden auch Förderungen für ausgewählte Forschungsexpeditionen vergeben. 1961 – 63 Die Stadt Wien beteiligt sich an der Errichtung des Internationalen Studentenheims Döbling mit mehr als 20 Millionen Schilling. 14. 3. 1961 Das Archiv der Stadt Wien erhält ein neues Zentralsdepot in Wien 7, Kandlgasse. 20. 6. 1961 Eröffnung der Wiener Europagespräche 1961: »Die voraussehbare Zukunft«. Die Vorträge erscheinen auch in gedruckter Form im Rahmen der von der Wiener Stadtbibliothek herausgegebenen Reihe »Wiener Schriften«. Ergänzend dazu lädt die Stadt auch zu einem »Europäischen Rundfunkseminar«. 4. 11. 1961 Erste Feierliche Eröffnung der Stipendien aus dem »Dr. Adolf Schärf-Stipendienfonds«. 21. 3. 1962 Inbetriebnahme des Versuchskernreaktors im Wiener Prater. 16. 6. 1962 Grundsteinlegung für das Europahaus in Wien 14, Linzerstraße 429. 19. 6. 1962 Eröffnung der Wiener Europagespräche 1962: »Europa in den Augen der anderen«. 1963 Der Gemeinderat beschließt die Verdopplung der für die »Dr. Karl Renner-Stiftungs-Preise« zur Verfügung gestellten Mittel (100.000 Schilling > 200.000 Schilling). 16. 2. 1963 Nach mehrjährigen Vorarbeiten Errichtung des Vereins »Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes« auf Initiative Herbert Steiners zur Dokumentation des österreichischen Widerstands gegen Austrofaschismus und NS-Regime (später Umwandlung in eine Stiftung, getragen von Republik Österreich und Stadt Wien) (1.Sitz; Wien 2, Castellezgasse, seit 1967: Altes Rathaus, 1 Wipplingerstraße 8). 11. 6. 1963 Eröffnung der Wiener Europagespräche 1963: »Die europäische Großstadt – Licht und Irrlicht«.

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Oktober 1963 Im Rahmen der Planungen für den Neubau des »Allgemeinen Krankenhauses« wird mit der Errichtung der Personalwohnhäuser und der Schwesternschule begonnen. 16. 6. 1964 Eröffnung der Wiener Europagespräche 1964: »Wo steht Europa heute?«. 6. 3. 1965 Wiener Gemeinderat beschließt die Errichtung einer Hochschuljubiläumsstiftung der Gemeinde Wien. 14. 5. 1965 Die Stadt Wien übergibt dem ersten Ludwig Boltzmann Institut, das sich der Festkörperphysik widmet, ein Gebäude zu einem symbolischen Mietpreis. 15. 6. 1965 Eröffnung Wiener Europagespräche 1965: »Brücken zwischen West und Ost«. 28. 8. 1965 Bürgermeister Bruno Marek begrüßt XII. Internationalen Historikerkongress. 30. 10. 1965 Zum Jubiläum der Technischen Hochschule: Straßennamen nach Professoren unter Berücksichtigung des diesjährigen Jubiläums der Wiener Technischen Hochschule wurden für Straßenbenennungen im 10. Bezirk ausschließlich Professorennamen gewählt, die sich um die Technische Hochschule besondere wissenschaftliche Verdienste erworben haben. So erinnert nunmehr die Saligergasse an den Professor der Technischen Hochschule Rudolf Saliger (1873 – 1958). Der Holeyplatz verewigt das Andenken des Architekten und Dombaumeisters zu St. Stephan Karl Holey (1879 – 1955). Die Pichelmayergasse erinnert an den Professor der Technischen Hochschule Karl Pichelmayer (1868 – 1914). Die Stinygasse wurde nach dem Ingenieurgeologen Prof. Josef Stiny (1880 – 1958), benannt. Schließlich erinnert die Fingergasse an Prof. Josef Finger (1841 – 1925). 30. 11. 1965 Antrittsbesuch des neuen Rektors der Universität Wien, Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Hofreiter, bei Bürgermeister Marek. 20. 12. 1965 Rücktritt Hans Mandls. Gertrude Fröhlich-Sandner wird neue Kulturstadträtin in Wien. Dezember 1965 Der Dr. Karl Renner-Preis wird an die Universität Wien und die Technische Hochschule Wien verliehen.

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Anfang Juni 1966 Konstituierende Sitzung des Kuratoriums der HochschulJubiläumsstiftung der Stadt Wien unter Vorsitz von Bürgermeister Franz Marek. 14. 6. 1966 Eröffnung der Wiener Europagespräche 1966: »Der einzelne und die Gemeinschaft«. 26. 9. 1966 Wiedereröffnung der renovierten Wiener Stadtbibliothek, die ihr 110-jähriges Jubiläum feiert. 25. 10. 1966 Verleihung des Ehrenrings der Stadt Wien an Hans Kelsen und Heimito v. Doderer. 1967 Start des Neubaus der Zentrale der Städtischen Büchereien Wiens. 9. 2. 1967 Überreichung der Förderungspreise der von der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien im Gedenken an Bundespräsident Adolf Schärf errichteten »Dr. Adolf Schärf-Fonds zur Förderung der Wissenschaften«. 27. 4. 1967 Enthüllung der Karl-Renner-Büste Alfred Hrdlickas im Rathauspark. 16. 5. 1967 Verleihung der Preise der Stadt Wien (Preisträger ua. Elias Canetti, Otto Erich Deutsch). 13. 6. 1967 Eröffnung der Wiener Europagespräche 1967: »Wissenschaft und Gesellschaft in Europa«. 14. 7. 1967 Der Wiener Landtag beschließt die Schaffung eines Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien. 1967 Aus der Biologischen Station Wilhelminenberg geht das Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Prof. Otto Koenig hervor. 11. 3. 1968 Bürgermeister Bruno Marek eröffnet im Gebäude des Stadtschulrates die Ausstellung »Der Österreichische Freiheitskampf 1938 – 1945«. 27. 5. 1968 Verleihung der Preise der Stadt Wien: unter den Preisträgern der em. Univ.-Prof. Adolf Merkl.

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4. 6. 1968 Eröffnung der Wiener Europagespräche 1968: »Das europäische Theater und sein Publikum«. 30. 9. 1968 Eröffnung der Ost-Westtagung an der Universität Wien. Der Wiener Bürgermeister gibt aus diesem Anlass einen festlichen Empfang. 7. 11. 1968 Überreichung der Förderungspreises im Rahmen der Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien 1968 im Großen Festsaal der Universität Wien. 12. 11. 1968 Der Wiener Gemeinderat beschließt aus Anlass der 50. Wiederkehr der Errichtung der Republik Österreich die Gründung eines Forschungsfonds zur Förderung von Wissenschaft und Forschung. In Ausführung dieses Beschlusses erfolgt ein Jahr später (11. 11. 1969) die Gründung des Instituts für Stadtforschung mit einem Kapital von 10 Millionen Schilling (Subvention 1978: 9 Millionen Schilling). Aus diesem Anlass findet in der Volkshalle und im Arkadenhof des Rathauses auch die »Wiener Jubiläumsausstellung 1968« statt. 15. 11. 1968 Verleihung des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien: unter den Preisträgern em. Univ.-Prof. Dr. Hans Thirring. Seit 1969 Konsequente Förderung der Ludwig Boltzmann-Gesellschaft. 1978: 9,5 Millionen Schilling. 5. 12. 1969 Bürgermeister Bruno Marek eröffnet im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes im Alten Rathaus die Dauerausstellung »Der österreichische Freiheitskampf«. 15. 1. 1970 Eröffnung des neuen Hauptgebäudes der Wiener Städtischen Büchereien in Wien 8, Skodagasse 20. 9. 3. 1970 Eröffnung der Ausstellung »Die Stadtbibliothek als Quelle wissenschaftlicher Arbeit«. 19. 5. 1970 Wiener Europagespräche 1970 (1969 entfallen): »Mensch und Natur in der europäischen Großstadt«. 27. 7. 1970 Vizebürgermeisterin und Kulturstadträtin Gertrude FröhlichSandner eröffnet an der Universität Wien die Internationale Tagung für Arzneipflanzenforschung.

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20. 8. 1970 Die Stadtverwaltung gibt einen Empfang für die Teilnehmer der Wiener Internationalen Hochschulkurse. 14. 10. 1970 Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien an Univ.-Prof. Dr. Ludwig Jedlicka. 4. 11. 1970 Bürgermeister Bruno Marek überreicht die Ehrenmedaillen der Stadt Wien in Gold an die Wissenschaftler Hugo Hantsch und Heinrich Sequenz, Fritz Schachermayer und Sigismund Schnabel. 3. 6. 1971 Ernennung von Clemens Holzmeister zum Bürger der Stadt Wien. 1. 7. 1971 Bürgermeister Felix Slavik überreicht die Mittel der Wiener Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien im Gesamtumfang von 3,6 Millionen Schilling (1981: 7,6 Millionen Schilling). 1971 Widmung einer Erwin Schrödinger-Gastprofessur. 23. 5. 1972 Eröffnung der Wiener Europagespräche 1972: »Europas Neuorientierung«. 1972 Beitrag zur Camillo Sitte-Stiftung anfangs mit 60.000 Schilling, seit 1976 mit 70.000 Schilling. 1973/74 Gezielte und umfassende Vergabe von Wissenschaftsstipendien, derzeit ca. 35 pro Jahr im Gesamtwert von 0,6 Millionen Schilling. 1973/74 Beginn einer intensiven und projektbezogenen Zusammenarbeit mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Jahresförderung einschließlich Schrödinger-Gastprofessur 750.000 Schilling. 1974 Jubiläumsgabe an das Naturhistorische Museum, 400.000 Schilling. 1974 Leistungsschau der Philosophischen Fakultät der Universität Wien, 600.000 Schilling. 1975 Ankauf von Goldmark-Manuskripten, 180.000 Schilling. 1976 Förderung der Herausgabe der Ringstraßen-Publikation mit 400.000 Schilling.

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Ab 1977 Herausgabe des Johann Nestroy-Gesamtwerkes, ca. 2 Millionen Schilling (verteilt auf 10 Jahre). Ab 1977 Herausgabe der wissenschaftlichen Buchreihe »Wiener Schriften) (bisher 38 Bände), pro Band ca. 200.000 Schilling. 1977 Gründung des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien. 13. 5. 1977 Eröffnung der Ausstellung »Das Wiener bürgerliche Zeughaus« auf der Schallaburg durch die Landeshauptleute Leopold Gratz und Andreas Maurer. Die Großschau von Waffen und Rüstungen wird von der Stadt Wien auf Einladung des Landes Niederösterreich veranstaltet. Gezeigt werden die Bestände aus dem ehemaligen Waffendepot der Stadt Wien, die sich im Besitz des Historischen Museums der Stadt Wien befinden. 1978 Begründung der Historischen Kommission durch Bürgermeister Leopold Gratz. Ihre Aufgabe ist es, Erinnerungsberichte und Dokumente des täglichen Lebens sowie Oral History Dokumente zu sammeln. Sie befasst sich mit der Erforschung der Zeitgeschichte auf Basis persönlicher Dokumente der Wiener Bevölkerung. 24. 8. 1978 Eröffnung der Ausstellung »55 Jahre Gemeindewohnung – Sozialer Aufstieg durch den kommunalen Wohnbau« in der Volkshalle des Wiener Rathauses. Teile der Ausstellung waren zuvor in Berlin, Frankfurt und Köln zu sehen. 16. 11. 1978 Eröffnung der Großausstellung »Wintertime in Vienna« im Museum of Science and Industry in Chicago. Die von der Stadt Wien in Zusammenarbeit mit der Bundeswirtschaftskammer, der Wiener Handelskammer und der österreichischen Fremdenverkehrswerbung veranstaltete Schau bietet einen Überblick über Wiens Kunst und Kultur, Handwerk und Qualitätsprodukte sowie über österreichischen Wintersport. Das Projekt geht auf die Initiative von Bürgermeister Leopold Gratz und Handelskammerpräsident Ing. Karl Dittrich zurück. 18. 1. 1979 Ausstellung im Messepalast »Die städtebauliche Entwicklung Wiens bis 1945« in Kooperation des Wiener Stadt- und Landesarchivs und der Geschäftsgruppe Stadtplanung.

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14. 2. 1979 Helmut Zilk wird zum Stadtrat für Kultur und Bürgerdienst bestellt. Seine Vorgängerin als Kulturstadträtin Gertrude Fröhlich-Sandner wird Stadträtin für Bildung und außerschulische Jugendarbeit. 23. 8. 1979 Eröffnung des Internationalen Amtssitz- und Konferenzzentrums Wien, UNO City. Ende 1979 Eröffnung der Ausstellung »Wien an die Donau – Planung und Gestaltung des Donaubereichs« im Rahmen der Informationsreihe über die Wiener Stadtplanung in der Halle P. des Wiener Messepalasts. 1980er Jährliche Subventionierung des Vereins für Geschichte der Stadt Wien für die Aufarbeitung und wissenschaftliche Erschließung des Künstlerhaus Archivs. (1986: 200.000 Schilling). 1980er Jährliche Förderung einer Gastprofessur für die Österreichische Physikalische Gesellschaft. (1983: 50.000 Schilling). 1980 Gründung der Messepalast Verwertungsgesellschaft auf Initiative von Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg und Kulturstadtrat Helmut Zilk. Aufgabe der Vereinigung ist es den zukünftigen Verwendungszweck für das Areal zu definieren: es soll ein Kultur- und Kommunikationszentrum entstehen. (Museumsquartier). 10. 4. 1980 Die Historische Kommission zeigt in einer Kleinausstellung im Rathaus einen Überblick der seit ihrer Gründung im Jahr 1978 geleisteten Arbeit. Bürgermeister Gratz hat die Wiener Bevölkerung ersucht Erinnerungsstücke aus der Besatzungszeit 1945 – 1955 einzureichen und zur Verfügung zu stellen. 28. 4. 1980 Enthüllung des Franz Leh‚r Denkmals (Komponist) von Franz Anton Coufal im Wiener Stadtpark in Anwesenheit von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger. 1. 5. 1980 Gesundheitsstadtrat Alois Stacher eröffnet das Serologische Institut in der Universitätshautklink des AKH. Das Institut wurde baulich adaptiert, modernisiert und neu eingerichtet. 60 % der Gesamtkosten von 80,1 Mio. Schilling wurden von der Stadt getragen. Für den Restbetrag kam der Bund auf.

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ab 1980 Der Wiener Gemeinderat erhöht die Förderungsmittel für die Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien: die ursprüngliche Stiftungshöhe wird in Anerkennung der Bedeutung von Wissenschaft und Forschung verdoppelt. 22. 5. 1980 Preisträger der Stadt Wien für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung 1980: ua. Erich Fried (Literatur), Margarete Schütte-Lihotzky (Architektur). 22. 5. 1980 Für die Erarbeitung und Durchführung einer Dauerausstellung zum Thema Kino, Film und Fernsehen in Österreich wird dem österreichischen Filmarchiv eine einmalige Subvention von 500.000 Schilling gewährt. 30. 10. 1980 Universität Wien startet im November mit der Unterstützung der Stadt und der Zentralsparkasse eine Aktion unter dem Motto »Die Universität geht in die Außenbezirke«. Die Wanderausstellung ist in 16 ZentralsparkasseFilialen zu sehen. 17. 12. 1980 Gründung des Jewish Welcome Service Vienna auf Initiative von Bürgermeister Leopold Gratz. Seither jährliche Subventionierung des Vereins. 1981 Gründung der Webster University Vienna auf Einladung von Bürgermeister Leopold Gratz als Auslandsniederlassung der amerikanischen Privatuniversität mit Sitz in St. Louis in Wien Donaustadt (22. Bezirk). 1981 Förderung der vom Verband des Wissenschaftlichen und Künstlerischen Personals der Österreichischen Hochschulen organisierten 2. Österreichischen Wissenschaftsmesse in Wien (1979: 1. Österreichische Wissenschaftsmesse in Salzburg; weitere Wissenschaftsmessen in Wien 1983 und 1985). 29. 1. 1981 Die Historische Kommission der Stadt Wien wird zu einer permanenten Einrichtung. Sie ist im Rahmen des Wiener Stadt- und Landesarchivs unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Felix Czeike in der Geschäftsgruppe von Kulturstadtrat Helmut Zilk tätig. 28. 4. 1981 Eröffnung der Großausstellung »Tagebuch der Straße. Wiener Plakate« in der Volkshalle des Wiener Rathauses. Die Ausstellung, die anlässlich des 125-jährigen Jubiläums der seit 1856 wiedereröffneten Stadtbibliothek stattfindet, dokumentiert die Geschichte der Stadt Wien anhand von Plakaten. 15. 6. 1982 Der Gemeinderat beschließt die jährliche Vergabe eines Elias-Canetti-Stipendiums für begabte Wiener AutorInnen, beziehungsweise AutorIn-

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nen mit Wienbezug. Preishöhe: Jahresstipendium von monatlich 10.000 Schilling bis zu einem Jahresbetrag von 360.000 Schilling. Erster Preisträger : Gert Jonke. 1982 Gründung des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen. Mai 1983 Eröffnung der Ausstellung »Die Türken vor Wien – Europa und die Entscheidung an der Donau 1683« im Wiener Künstlerhaus und im Historischen Museum der Stadt Wien, (Ausstellungsarchitektur Hans Hollein). 22. 9. 1983 Förderungszuschuss für das Institut für Geschichte der Medizin der Universität Wien für die Drucklegung einer Biografie über Julius Tandler (100.000 Schilling). 10. 10. 1983 Genehmigung der Errichtung eines Denkmals gegen Krieg und Faschismus von Alfred Hrdlicka. (5,500.000 Schilling). 6. 12. 1984 Förderung des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung (gegr. 1959) für die Herausgabe einer Festschrift anlässlich seines 25-jährigen Bestehens (30.000 Schilling). Oktober 1984 Eröffnung der Ausstellung »Versunkene Welt« des Jewish Welcome Service Vienna im Wiener Künstlerhaus. Die Ausstellung wird von einer Filmreihe und einem Symposium begleitet. März 1985 Eröffnung der Ausstellung »Traum und Wirklichkeit. 1870 – 1930« des Historischen Museums der Stadt Wien im Künstlerhaus Wien (Ausstellungsarchitektur Hans Hollein). ab 1985 Förderung der ab 1985 erscheinenden »Schriftenreihe des Universitätsarchivs, Universität Wien« (1986: 60.000 Schilling). 20. 3. 1986 Förderung des vom Französischen Kulturinstitut und dem Institut für Wissenschaft und Kunst im Mai 1985 veranstalteten Symposiums »Die Krise der Phänomenologie und die Pragmatik des Wissenschaftsfortschritts« (20.000 Schilling). 20. 3. 1986 Förderung der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie (gegr. 1950) für die Durchführung der »Österreichischen Soziologentage« (30.000 Schilling).

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31. 6. 1986 Förderung der Publikation »Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert« von Friedrich Achleitner mit einem Druckkostenbeitrag von 200.000 Schilling. 1986/87 Magistratsinterne abteilungsübergreifende Erkundung der Zusammenarbeit der Fachabteilungen mit Wiener Universitäten. 2. 4. 1987 Symposion im Wiener Rathaus zum Thema »Wien – die Stadt und die Wissenschaft«; der renommierte Soziologe und Herausgeber der »Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Ren¦ König empfiehlt der Stadt Wien, »die Universitäten einzunisten«. 6. 5. 1987 Bundespräsident i.R. Dr. Rudolf Kirchschläger hält die erste Wiener Vorlesung zum Thema »Was ist das Gemeinsame? Möglichkeiten und Grenzen des Miteinander«. 1987 Gründung einer Veranstaltungsreihe »Stadtwerkstatt« der Magistratsdirektion – Verwaltungsakademie, bei der in einer dichten Folge von Veranstaltungen Problemfelder der Stadt abteilungsübergreifend und interdisziplinär von WissenschafterInnen und MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung diskutiert werden. 1988 Wanderausstellung des Jewish Welcome Service Vienna »Heritage and Mission – Jewish Vienna«. Die Schau wird in Wien, New York, Miami, Los Angeles und Chicago präsentiert. 7. 12. 1988 Bürgermeister Helmut Zilk und Rektor Wilhelm Holczabek unterzeichnen den Notariatsakt, der die Nutzung des Alten AKHs als Universitätscampus beglaubigt. 1988 Eröffnung des Forschungsinstituts für Molekulare Pathologie (IMP), 1030 Wien. Das IMP wird zum ersten Kristallisationspunkt für den Campus Vienna Biocenter (Dachbegriff eines räumlichen Zusammenschlusses verschiedener akademischer und industrieller Forschungseinrichtungen im Areal der Dr. Bohr-Gasse). 1989 Nach dem Tod von Konrad Lorenz Umbenennung des Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung in »Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung« (KLIVV). 1990 Gründung des Zentrums für soziale Innovation (ZSI).

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1991 Start der Publikationstätigkeit der Wiener Vorlesungen (bis heute über 270 Bücher in neun Buchreihen). 1991 Gründung des Instituts Wiener Kreis. 1993 Gründung des IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften. 1993 Symposion der Wiener Vorlesungen »Ich stamme aus Wien« mit EmigrantInnen, die von den Nazis aus Wien vertrieben wurden. 1994 Beginn des Projektes »Vienna Knowledge-Base« zur Erkundung der Wiener Wissensbasis. 1994 Europa-Dialog der Wiener Vorlesungen im Hinblick auf den bevorstehenden Beitritt Österreichs zur EU. 1996 Eröffnung des 1. Weltkongresses für Psychotherapie in Wien. 1997 Präsentation der Wiener Universitäten und anderer hervorragender Wiener Forschungseinrichtungen im Rahmen einer kontinuierlichen Veranstaltungsschiene der Wiener Vorlesungen »Die Stadt präsentiert ihre Universitäten«. 1997 Gründung des Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die Österreichische Akademie der Wissenschaften aus Anlass des 150jährigen Bestehens der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zur Förderung exzellenter wissenschaftlicher Projekte. 1997 Kontinuierliche Meetings zwischen den für Wissenschaft verantwortlichen politischen und beamteten Funktionären der Stadt Wien und den Rektoren der Wiener Universitäten im »Joseph von Sonnenfels-Kreis«. 1998 Gründung des Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die Wirtschaftsuniversität Wien anlässlich des 100. Geburtstages der Wirtschaftsuniversität zur Förderung des Wissenstransfers zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. 1998 Eröffnung des Universitätscampus im Alten Allgemeinen Krankenhaus für die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften.

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1998 Initiierung des Urban Fellowships der Stadt Wien – Zusammenarbeit der Wiener Vorlesungen mit dem IFK. Ab 1998 Einladung der ausländischen Studentinnen und Studenten in ihrem ersten Studienjahr in Wien zu einem Empfang im Wiener Rathaus durch Bürgermeister Dr. Michael Häupl. 1999 – 2001 Fortsetzung des Projektes »Vienna Knowledge-Base« mit dem Foresight Projekt »Improving Vienna Knowledge-Base« zur Identifikation zukunftsträchtiger, wirtschaftsnaher und know-how-intensiver Stärkefelder Wiens. 1999 Förderung des interdisziplinären Kooperationsprojektes »Molekulare Medizin«, dessen Ergebnisse zur Gründung des CeMM (Center for Molecular Medicine) führten. 1999 Gründung des Viktor Frankl-Fonds der Stadt Wien für sinnorientierte humanistische Psychotherapie (die Logotherapie Viktor Frankls ist neben der Psychoanalyse und der Individualpsychologie die dritte psychotherapeutische Schule aus Wien). 1999 Start der Wien Akademie der Stadt Wien und der Universität Wien, in der Folge auch gemeinsam mit der Technischen Universität Wien zur Erkundung der Wiener Wissens- und Forschungsbasis. 2000 Gründung des Fonds der Stadt Wien für innovative interdisziplinäre Krebsforschung. 2000 Beschluss eines Strategieplanes für Wien unter dem Titel »Qualität verpflichtet – Innovationen für Wien«. 2000 Die Stadt Wien beteiligt sich an der Finanzierung des Forschungsgebäudes für das Institut für molekulare Biotechnologie GmbH (IMBA am Campus Vienna Biocenter). 2000 Gründung des Gregor-Mendel-Instituts für Molekulare Pflanzenbiologie GmbH (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in der Dr. Bohr-Gasse. Ende 2000 Gründung des ZIT – Zentrum für Innovation und Technologie, die Technologieagentur der Stadt Wien.

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2001 Gründung des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds. Die Mittel des Fonds stammen aus der »Privatstiftung zur Verwaltung von Anteilsrechten« der Bank Austria. 2003 Start der Herausgabe von jährlichen Wiener Wissenschaftsberichten. 2003 »Wiener Wissenschaftstage« zum Thema »Stadt-Leben-Zukunft – Perspektiven von urbanem Leben, Städtebau, Wirtschaft«. 2003 Gründung von departure wirtschaft, kunst und kultur gmbH – Die Kreativagentur der Stadt Wien, als Österreichs erste eigenständige Wirtschaftsförderungs- und Servicestelle für Unternehmen der Creative Industries. 2003 Gründung des Sir Peter Ustinov Instituts für Vorurteilsforschung in Zusammenarbeit zwischen Stadt Wien, Universität Wien und dem Institut für Konfliktforschung. Integraler Bestandteil dieser Initiative ist die interdisziplinäre Sir Peter Ustinov Gastprofessur der Stadt Wien an der Universität Wien. 2004 Gründung des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2004 Gründung der Medizinischen Universität Wien. 2004 Aktualisierung des Strategieplanes mit dem Titel »Strategieplan Wien im erweiterten Europa«. 2005 Eröffnung der neugestalteten ständigen Dauerausstellung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes. 2005 Start der Reihe »Enzyklopädie des Wiener Wissens« mit den Bänden von Christian Stifter, Geistige Stadterweiterung und Matthias Marschik, Massen Mentalitäten Männlichkeit. Fußballkulturen in Wien. 2005 – 2006 Swot-Analysen der Stärken des Wiener Wissenschaftsstandortes in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Seibersdorf. 2005 »Wiener Wissenschaftstage« mit dem Schwerpunkt »Republiks-Jubiläumsjahr 2005«. 2005 Gründung des Forschungszentrums für historische Minderheiten.

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2005 – 2006 Einrichtung und Ausstattung eines Labors für Atomphysik und Quantenoptik an der Fakultät für Physik der Technischen Universität Wien. 2006 Gründung des Forschungsinstituts für Altersökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien in Zusammenarbeit zwischen Stadt Wien und WU Wien. 2006 Eröffnung des Life Sciences Zentrums Wien (IMBA / GMI Forschungsgebäude) in 1030 Wien, Dr. Bohr-Gasse 3. 2006 Förderung der neun Wiener Universitäten nach UG 2002 durch das »Universitäts-Infrastrukturprogramm« (UIP). Unterstützung im Wege der Finanzierung von Sachausstattung. 2006 – 2007 Durchführung des FTI-Prozesses »Wien denkt Zukunft« zur Entwicklung einer FTI-Strategie. 2007/08 Start des durch den FTI-Prozess angeregten und die Geschäftsgruppen für Finanzen und für Kultur und Wissenschaft geförderten Forschungsschwerpunktes zur Förderung der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. 2007 – 2009 Die Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die ÖAW und für die WU Wien und der Fonds der Stadt Wien für innovative interdisziplinäre Krebsforschung werden durch Neudotierung für unbegrenzte Dauer gesichert. 2007 – 2010 ist auf einem Teil des ehemaligen ÖBB-Geländes im Bereich des Bahnhofs Heiligenstadt, an der Muthgasse, in einem ersten Bauabschnitt ein neuer Forschungskomplex, LifeScience Vienna Muthgasse (BOKU BioTech I), entstanden. 2008 Start einer von Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny initiierten Wiener Nachdenkrunde – »Wien denkt weiter« – zur Zukunft der Wiener Kulturpolitik. 2008 Start des Wiener Impulsprogramms für Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften – GSK des WWTF mit einem Call »Art(s)& Sciences«. 2008 Erstes Wiener Forschungsfest am Wiener Rathausplatz, initiiert von Vizebürgermeisterin Mag.a Renate Brauner, veranstaltet vom ZIT – Zentrum für Innovation und Technologie; in der Folge 2010 Forschungsfest mit Forschungsrad im Prater (Wiener Vorlesungen und Konversatorien in den Gondeln des Riesenrads zu aktuellen Forschungsthemen), 2013 am Wiener Naschmarkt

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und in den Jahren 2009, 2011, 2012 und 2014 Wiener Forschungsfeste on Tour durch Wiener Einkaufszentren. 2008/09 Einrichtung einer Roland Rainer Stiftungsprofessur an der Akademie der bildenden Künste Wien aus Mitteln der Stadt Wien. 2008/09 Einrichtung einer Stiftungsprofessur »Stadtkultur und öffentlicher Raum« (SKuOR) an der Technischen Universität Wien aus Mitteln der Stadt Wien. 2009 Spatenstich des Campus WU, des Hauptsitzes der Wirtschaftsuniversität Wien am Nordrand des Wiener Praters im Bezirk Leopoldstadt. 2009 Das Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (Vienna Wiesenthal Institute, VWI) nimmt seinen Betrieb auf. 2009/10 Einrichtung und Betrieb eines Stiftungsinstituts »Public and Urban Management« an der Wirtschaftsuniversität Wien durch die Stadt Wien. 2010 Neugestaltung des Museums auf dem Judenplatz. Ab 2011 Zusammenführung des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien mit dem Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung zum »Department für Integrative Biologie und Evolution« der Veterinärmedizinischen Universität Wien. 2011 Eröffnung des CeMM (Center for Molecular Medicine) – Forschungszentrum für Molekular-Medizin auf dem Gelände des Wiener AKH. 2011 Start der von Bürgermeister Dr. Michael Häupl initiierten »Smart City Wien Initiative«. 2011 Förderung der Einrichtung des »European Law Institute« ELI an der Universität Wien. 2012 25-jähriges Bestehen der »Wiener Vorlesungen«, des Dialogforums der Stadt Wien. 2013 Unterzeichnung eines »Memorandums of Understanding (MOU)« zwischen Wien und dem Bund zum Thema Smart City mit dem Ziel, zukünftig über

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eine gemeinsame Steuerungsgruppe Projekte anzustoßen und auf europäischer Ebene Finanzierungen zu lukrieren. 2013 Spatenstich des neuen Universitätsgebäudes der Sigmund Freud PrivatUniversität Wien SFU am Campus Prater. 2013 Eröffnung des Campus WU Wien. 2014 Einrichtung des Franz Vranitzky Chairs for European Studies am Institut für Zeitgeschichte und am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften der Universität. 2014 Vienna Research Group Call 2014 – Schwerpunkt Life Sciences des WWTF. 2014 Beschluss des Stadtentwicklungsplanes (STEP) 2025. 2014 Smart-City-Wien-Rahmenstrategie bis 2050. Das Smart-City-Programm versteht sich als strategische Antwort auf die großen globalen Herausforderungen. 2014 Von Herbst 2014 bis Ende 2015 wird eine neue Strategie für die Wiener Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik bis 2020 erarbeitet: »Wien denkt Zukunft – Innovatives Wien 2020«. Sie löst die Vorgänger-Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI) aus dem Jahr 2007 ab. 2014 Grundsteinlegung eines neuen Prüf- und Forschungszentrums »Test Base« in Simmering. 2015 Erster Wiener Ball der Wissenschaften im Wiener Rathaus. Hubert Christian Ehalt Elisabeth Heimann Angelika Lantzberg Oliver Rathkolb Susanne Strobl Theodor Venus

Liste der Interviews

Interview mit Vizekanzler a. D. Dr. Erhard Busek, 28. 6. 2011, Büro, Institut für den Donauraum, Wien (Interviewer Dr. Theodor Venus) Interview mit Sektionschef i. R. Dr. Wolf Frühauf, 4. 11. 2010, Institut für Zeitgeschichte, Wien (Interviewer Univ.-Prof. Mag. DDr. Oliver Rathkolb, Dr. Theodor Venus) Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Greisenegger, 2. 8. 2010, Institut für Theaterwissenschaft, Wien (Interviewer Dr. Theodor Venus) Interview mit Bürgermeister Dr. Michael Häupl, August 2012, Wien (Interviewer Univ.-Prof. Dr. Hubert Christian Ehalt) Interview mit Rektor i. R. em. Univ.-Prof. Dr. Kurt Komarek, 22. 6. 2010, Büro Akademie der Wissenschaften, Wien (Interviewer Dr. Theodor Venus) Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Leopold März, Department f. Chemie, Univ. für Bodenkultur, 30. 9. 2010 (Interviewer Dr. Theodor Venus) Interview mit Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Herbert Matis, Büro Wirtschaftsuniversität, 3. 8. 2010 (Interviewer Dr. Theodor Venus) Interview mit o. Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny, Büro des Gouverneurs, Oesterreichische Nationalbank, 2. 8. 2010 (Interviewer Dr. Theodor Venus) Interview mit Vizebürgermeister a. D. Stadtrat Dr. Sepp Rieder, Büro Wirtschaftsagentur, Wien, 12. 7. 2011 (Interviewer Dr. Theodor Venus)

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Liste der Interviews

Interview mit em. o. Univ.-Prof. Dr. Franz Römer, 12. 10. 2011, Büro Universität Wien (Interviewer Dr. Theodor Venus) Interview mit em. o. Univ.-Prof. Dr. Arnold Schmidt in Wien, 5. 8. 2010 (Interviewer Dr. Theodor Venus) Interview mit Rektor em. o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Peter Skalicky, Technische Universität Wien, 8. 3. 2012 (Interviewer Univ.-Prof. Dr. Hubert Christian Ehalt und Univ.-Prof. Mag. DDr. Oliver Rathkolb) Interview mit Rektor em. o. Univ.-Prof. Dr. Georg Winckler, Büro des Rektors, 7. 10. 2010 (Interviewer Univ.-Prof. Dr. Hubert Christian Ehalt und Univ.-Prof. Mag. DDr. Oliver Rathkolb)

Biografien der AutorInnen, Herausgeber und InterviewpartnerInnen

MMag. Dr. Bernhard J. K. Beham, geboren 1981 in Ried i. Innkreis. Lehramtsstudium Mathematik/Geschichte (2005) sowie Diplomstudium Geschichte (2007) an der Universität Wien, 2005 – 2006 als Praktikant an der Catedra Humbolt in Havanna, Kuba, 2006 – 2009 Kollegiatsassistent im Initiativkolleg »Naturwissenschaften im historischen Kontext«, seit September 2009 als Gymnasiallehrer in Wien tätig, 2013 Promotion und Verleihung des »Doc.Awards« Dissertationspreis der Stadt Wien für seine herausragende Dissertation an der Universität Wien. Vizebürgermeisterin Mag.a Renate Brauner, geboren 1956 in Wien. Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. 1981 – 1989 Referentin in der Wiener Kammer für Arbeiter und Angestellte. 1983 – 1990 Mitglied der Bezirksvertretung Margareten. 1996 – 2004 amtsführende Stadträtin für Integration, Frauenfragen, Konsumentenschutz und Personal/Tierschutz. Ab 1997 Stellvertreterin der SPÖ Frauen Bundesvorsitzenden, des SPÖ-Bundesparteivorsitzenden sowie des SPÖ-Landesparteivorsitzenden und Vorsitzende der Wiener SPÖ-Frauen. 2004 – 2007 amtsführende Stadträtin für Gesundheit und Soziales. Seit 2007 Wiener Vizebürgermeisterin, Landeshauptmann-Stellvertreterin sowie amtsführende Stadträtin für Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke. Vizekanzler a. D. Dr. Erhard Busek, geboren 1941 in Wien. Studium der Rechtswissenschaften. 1976 – 1978 sowie 1987 – 1989 Mitglied der Wiener Landesregierung. 1978 – 1983 Mitglied des Wiener Gemeinderats und Landtagsabgeordneter für Wien. 1978 – 1987 Vizebürgermeister und LandeshauptmannStellvertreter der Stadt Wien. Von 1976 – 1989 Landesparteiobmann der ÖVP Wien. Von 1991 bis 1995 Obmann der ÖVP-Bundespartei, Vizekanzler und Wissenschaftsminister. Nach dem Ausscheiden aus der Regierung seit 1995 Vorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM). Von 2000 – 2012 Präsident des Europäischen Forum Alpbach, seit 2012 dessen Ehrenpräsident. 2002 bis Juni 2008 war er Sonderkoordinator des Stabilitätspakts

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Biografien

für Südosteuropa. Busek ist Visiting Professor an der Duke University und Vorsitzender des Universitätsrates der Medizinischen Universität Wien. Seit dem Jahr 2005 ist Busek Vorsitzender des Kuratoriums der Erste Stiftung. Univ.-Prof. Dr. Hubert Christian Ehalt, geboren 1949 in Wien. Studien der Geschichte, Kunstgeschichte, Soziologie, Philosophie, Psychologie und Pädagogik. Habilitation im Fach Sozialgeschichte. Seit 1984 Wissenschaftsreferent der Stadt Wien, Generalsekretär der Wiener Wissenschaftsförderungsfonds (Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die österreichische Akademie der Wissenschaften, Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die Wirtschaftsuniversität Wien, Viktor Frankl-Fonds der Stadt Wien zur Förderung einer sinnorientierten humanistischen Psychotherapie, Fonds der Stadt Wien für innovative interdisziplinäre Krebsforschung, Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die Universität für Bodenkultur Wien). Präsident der Gesellschaft der Freunde der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und deren Ehrenmitglied. Seit 1987 ist er für die Konzeption und Organisation der »Wiener Vorlesungen« im Wiener Rathaus und die gleichnamigen Publikationsreihen verantwortlich. Seit 1996 Leiter des Institutes für historische Anthropologie, Honorarprofessor an der Universität für angewandte Kunst Wien und an der Technischen Universität Wien, Gastprofessor an mehreren österreichischen Universitäten. Bundesminister Dr. Hertha Firnberg, geboren 1909 in Wien, gestorben 1994. Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an den Universitäten Freiburg und Wien. 1959 – 1970 österreichisches Delegationsmitglied zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates, stellvertretende Präsidentin der Kommission für Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen. 1967 – 1981 Vorsitz des Bundesfrauenkomitees der SPÖ sowie Stellvertreterin des SPÖ-Bundesparteivorsitzenden. 1963 – 1983 Nationalratsabgeordnete. Als erste sozialdemokratische Ministerin 1970 – 1983 Bundesminister für Wissenschaft und Forschung. In ihre Amtszeit fielen zahlreiche Strukturreformen wie das Universitätsorganisations-Gesetz (UOG). Sektionschef i. R. Dr. Wolf Frühauf, studierte Rechtwissenschaften und war Universitätsassistent für öffentliches Recht (1968 – 1970) an der Universität Wien. Von 1970 – 2009 war er im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, zuletzt als Sektionschef tätig. Er beteiligte sich an Reformen des Universitätsgesetzes und war für Bauvorhaben und Investitionen der Universitäten und Hochschulen verantwortlich. Besonders widmete sich Frühauf auch der Biotechnologie und Medizinforschung sowie dem Universitätssport. Von 2009 – 2010 geschäftsführender Präsident des Bundes Sozialdemokratischer

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AkademikerInnen, Intellektueller & KünstlerInnen. Seit 2010 Leiter des Büro Wien des Österreichischen Instituts für Europäische Rechtspolitik. Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Greisenegger, geboren 1938 in Wien. Studien der Theaterwissenschaft, Geschichte, Deutsche Philologie sowie Kunstgeschichte. 1986 – 2006 Universitätsprofessor am Institut für Theaterwissenschaft an der Universität Wien, dem er von 1982 – 1989 vorstand. Ab 1989 Dekan der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät, ab 1994 Prorektor. 1998/1999 Rektor der Universität Wien. 2000 – 2004 Dekan der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften. Präsident der Weltvereinigung der Theaterwissenschafter (1984 – 1988), der F¦d¦ration Internationale pour la Recherche Th¦–trale (1987 – 1991) und des österreichischen P.E.N.-Clubs (2001 – 2011). Bürgermeister Dr. Michael Häupl, geboren 1949 in Altlengbach, Niederösterreich. Studium der Biologie und Zoologie in Wien. 1975 – 1983 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Naturhistorischen Museum. 1975 – 1977 Bundesvorsitzender des Verbands Sozialistischer Studenten Österreichs. 1978 – 1984 Funktionär in der Jungen Generation der SPÖ, ab 1982 stellvertretender Bundesvorsitzender. 1983 – 1988 Mitglied des Wiener Landtages und Gemeinderates, 1988 – 1994 Stadtrat für Umwelt und Sport, seit 1993 Landesparteivorsitzender der SPÖ Wien. Seit 1994 Wiener Bürgermeister und Landeshauptmann, seit 1995 Präsident des Österreichischen Städtebundes. 1997 – 2004 Vizepräsident des Rates der Gemeinden und Regionen Europas, von 2004 – 2010 deren Präsident. Rektor i. R. em. Univ.-Prof. Dr. Kurt Komarek, geboren 1926 in Wien. Studium der Chemie. 1950 – 1953 in der Forschungsabteilung der Treibacher Chemischen Werke in Kärnten tätig. Von 1953 – 1955 Assistent an der TU Wien. 1955 – 1966 Lehrtätigkeit an der New York University. Von 1966 bis 1994 war er Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts für Anorganische Chemie der Universität Wien. 1974 – 1975 Dekan der Philosophischen Fakultät und von 1977 – 1979 Rektor der Universität Wien. Von 1977 – 1979 ebenso als Vorsitzender der Österreichischen Rektorenkonferenz tätig. 1982 – 1991 Präsident des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF). Unter seiner Präsidentschaft wurden die Erwin-Schrödinger-Stipendien eingeführt. Stadtrat Mag. Dr. Andreas Mailath-Pokorny, geboren 1959 in Wien, 1978 – 1983 Studium der Rechtswissenschaften (Doktorat 1983) und 1979 – 1986 Studium der Politikwissenschaften an der Universität Wien; 1984 – 1985 Studium an der Johns Hopkins University, School of Advanced International Studies, BolognaCenter, Italien, Diplom in »International Relations«, 1985. 1986 – 1987 Diplomatischer Dienst, Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten; Völ-

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kerrechtsbüro und Mitglied der KSZE-Delegation. 1988 – 1996 Mitarbeiter im Kabinett von Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky, zuletzt Büroleiter. 1996 – 2001 Leiter der Sektion für Kunstangelegenheiten im Bundeskanzleramt. Seit 2001 amtsführender Stadtrat für Kultur und Wissenschaft von Wien. Seit 2010 Präsident des Bundes Sozialdemokratischer AkademikerInnen, Intellektueller und KünstlerInnen (BSA). Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Leopold März, geboren 1944. Studium der Lebensmittel- und Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur, Wien. Auslandsaufenthalte an der State University of New York at Buffalo (1972 – 1974), Gastprofessor ebendort (1977) und an der McMaster University in Hamilton, Kanada (1978). Seit 1983 Professur an der Universität für Bodenkultur, Wien sowie ebendort von 1983 – 1992 Vorstand des Instituts für Chemie. 1985 – 1989 Provisorischer Leiter des neu gegründeten Zentrums für Angewandte Genetik an der BOKU Wien. Gründungspräsident der Österreichischen Gesellschaft für Biotechnologie (1986 – 1989). 1993 – 2003 Rektor der BOKU Wien (1992 – 1993 Prärektor). Vizepräsident der Österreichischen Rektorenkonferenz (1995 – 1998), Präsident und Vizepräsident der Donaurektoren-Konferenz (1999 – 2002). 2003 – 2007 Vorsitzender der Association for European Life Science Universities; 2003 – 2014 Vorstandsmitglied des Ökosozialen Forums Österreich. 2002 – 2007 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit. 2004 – 2010 Generalsekretär des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM), seit 2010 stellvertretender Vorsitzender. 2006 – 2012 Präsident des Fachhochschulrates; 1993 – 2010 Mitglied beider ORF-Gremien. Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Herbert Matis, geboren 1941 in Wien. 1965 Promotion an der Universität Wien, 1971 Habilitation an der damaligen Hochschule für Welthandel. 1972 – 2009 o. Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Wirtschaftsuniversität Wien. 1975 – 1977 Vorsitzender der Fachgruppe für Geistes- und Sozialwissenschaften, von 1978 – 1982 Vorsitzender des Professorenverbandes. 1984 – 1985 Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien und Vizepräsident der Österreichischen Rektorenkonferenz sowie zwischen 1986 und 1995 Mitglied des Rektoratskollegiums. Mitglied des Forschungsbeirats der Wirtschaftsuniversität Wien (seit 1998) und der WU-Jubiläumsstiftung der Stadt Wien (seit 2002). Von 1988 bis 2000 wirkte er als Kuratoriumsmitglied des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), von 1997 bis 2000 als Vizepräsident des FWF und Abteilungspräsident für die Geistes- und Sozialwissenschaften. Von 1994 – 2014 war Matis als Geschäftsführer des Kardinals Innitzer Studienfonds tätig. Von 1985 – 2000 leitete er das Ludwig Boltzmann Institut für wirtschaftshistorische Prozessanalyse. Er war von 2000 – 2006

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Präsidiumsmitglied des Internationalen Forschungszentrums für Kulturwissenschaften (IFK). Von 2003 – 2009 amtierte er als Vizepräsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, von 2004 – 2014 war er Vorstandsmitglied der Ludwig Boltzmann Gesellschaft. Seit 2014 ist er Präsident der Ignaz Lieben Gesellschaft. Em. o. Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Michael Mitterauer, geboren 1937 in Wien. 1971 – 2003 Universitätsprofessor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien. Aufbau der Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen sowie einer Buchreihe, die sich der popularen Autobiografik widmet (»Damit es nicht verloren geht« – aktuell 68 Bände). Seit 2002 werden ihm zu Ehren junge Historiker mit dem von Bund, Gemeinde Wien und dem Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte gestifteten Michael-Mitterauer-Preis für Gesellschafts- Kultur- und Wirtschaftsgeschichte gefördert. Stadtrat a. D. Franz Mrkvicka, geboren 1940 in Wien. Der gelernte Speditionskaufmann war 1962 Sekretär beim Internationalen Bund freier Gewerkschaften in Brüssel, ab 1963 Jugendsekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, 1973 bei der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf tätig, ab 1974 Leiter der Abteilung Bildung und Kultur des Büros der Wiener Kammer für Arbeiter und Angestellte und der Bundesarbeitskammer und ab 1982 stellvertretender Direktor. 1979 – 1981 für die SPÖ Abgeordneter zum Wiener Landtag und Mitglied des Gemeinderates, 1983 – 1987 Wiener Stadtrat für Kultur und Sport sowie Präsident der Wiener Festwochen und der Wiener Symphoniker. 1987 – 1996 Abgeordneter zum Nationalrat und SPÖ-Sprecher für Berufs- und Erwachsenenbildung. Er wirkte an der Schaffung der Berufsreifeprüfung und der Fachhochschulen mit. Mag.a Suleika Mundschitz, geboren 1983. Kunststudium an der Akademie der bildenden Künste Wien und Lehramtsstudium Geschichte an der Universität Wien. Tätig als Kulturwissenschafterin, Künstlerin und Lehrerin an einem Wiener Gymnasium. Dissertationsprojekt über die Pornographisierung der Gesellschaft. Univ.-Prof. i. R. Dr. Herta Nagl-Docekal, geboren 1944 in Wels. Studium der Geschichte, Philosophie und Germanistik an der Universität Wien. 1985 – 2009 Professorin am Institut für Philosophie der Universität Wien sowie zahlreiche Gastprofessuren. 2008 – 2013 Vizepräsidentin der FISP (F¦d¦ration Internationale des Soci¦t¦s de Philosophie). Wirkliches Mitglied der Österreichischen

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Akademie der Wissenschaften sowie Mitglied des Conseil d’Administration de l’I.I.P. (Institut International de Philosophie), Paris. o. Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny, geboren 1944 in Wien. Studium der Rechtsund Staatswissenschaften an der Universität Wien. 1972 Habilitation in Volkswirtschaftslehre an der Johannes Kepler Universität in Linz. Nach Aufenthalten an der Harvard University und der Technischen Universität Darmstadt von 1973 – 1982 ordentlicher Universitätsprofessor und Vorstand des Institutes für Finanzwissenschaften an der Universität Linz. Daran anschließend von 1982 – 1999 Professur für Wirtschaftspolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien. 1978 – 1999 Abgeordneter der SPÖ zum Nationalrat. 1989 – 1999 Mitglied im Landesbildungsausschuss der SPÖ Oberösterreich sowie Vorsitzender des SPÖ-Bundesbildungsausschusses. Seit 1999 Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg. 2006 – 2007 Generaldirektor der BAWAG P.S.K.. Seit 2008 Gouverneur der Österreichischen Nationalbank. Seit 2013 Mitglied des Universitätsrats der Wirtschaftsuniversität Wien. Univ.-Prof. Mag. DDr. Oliver Rathkolb, geboren 1955 in Wien. Studium der Rechtswissenschaften und der Geschichte. 1984 bis Mai 2005 wissenschaftlicher Angestellter des Ludwig Boltzmann Instituts für Geschichte und Gesellschaft, ab 1994 Co – Leiter. 1985 – 2003 wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Bruno Kreisky Archiv, seit Februar 1992 in Verbindung mit der Funktion des Wissenschaftskoordinators des Bruno Kreisky Forums für Internationalen Dialog. Seit 2006 Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Theodor-Körner-Fonds für Wissenschaft und Kunst. 2005 – 2008 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts für Europäische Geschichte und Öffentlichkeit. Seit 2008 Universitätsprofessor am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, 2008 – 2012 als Vorstand. Zahlreiche Lehraufträge und Gastprofessuren im In- und Ausland. Herausgeber der Fachzeitschrift »zeitgeschichte« und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats für das »Haus der Europäischen Geschichte« beim Europäischen Parlament. Vizebürgermeister a. D. Stadtrat Dr. Sepp Rieder, geboren 1939 in Wien. Studium der Rechtswissenschaften. Ab 1965 als Bezirksrichter tätig, Leiter der Abteilungen Straflegislative und Öffentlichkeitsarbeit im Justizministerium. Lehrbeauftragter für Medienrecht und Berufsrecht der Journalisten am Publizistikinstitut der Universität Salzburg. 1983 – 1989 Abgeordneter zum Nationalrat und Justizsprecher der SPÖ, ab 1988 Landesparteisekretär der Wiener Sozialdemokraten. 1989 – 2000 amtsführender Stadtrat für Gesundheits- und Spitalswesen, zwischen 1994 und 1996 Vizebürgermeister der Stadt Wien. 2000 – 2007 Amtsführender Stadtrat für Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener

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Stadtwerke und von 2001 – 2007 abermals Wiener Vizebürgermeister. 1990 – 2002 Präsident des Bundes Sozialdemokratischer AkademikerInnen, Intellektueller und KünstlerInnen, seit 1999 Erster Präsident der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft (davor ab 1993 deren Zweiter Präsident). Em. o. Univ.-Prof. Dr. Brigitte Rollett, geboren 1934 in Graz. Studium der Psychologie, Pädagogik und Philosophie an der Universität Graz. Ab 1964 Professuren für Pädagogische Psychologie an der Pädagogischen Hochschule Osnabrück, der Gesamthochschule/Universität Kassel und der Ruhr-Universität Bochum. Ab 1979/80 Ordinaria und Vorstand der Abteilung für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie des Instituts für Psychologie der Universität Wien, Gründerin des angeschlossenen »Zentrums für kinder-, jugend- und familienpsychologische Intervention«. Gründungspräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Psychologie und der Federation of Austrian Associations of Psychologists in der International Union of Psychological Science. Em. o. Univ.-Prof. Dr. Franz Römer, geboren 1943 in Wien. Studien der Klassischen Philologie und Anglistik. Ab 1978 o. Universitätsprofessor am Institut für Klassische Philologie der Universität Wien, dem er von 1984 – 1986 vorstand. 1992 – 2011 Mitglied der Kommission für antike Literatur und lateinische Tradition an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 1993 – 1996 Pro- bzw. Prädekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, darauffolgend von 1996 – 2010 Dekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät bzw. der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Seit 2012 Second Vice-President der International Association for Neo-Latin Studies. Em. o. Univ.-Prof. Dr. Arnold Schmidt, geboren 1938 in Wien. Studium der Physik an der Universität Wien. Ab 1962 Mitarbeit am Aufbau des Ludwig Boltzmann Instituts für Festkörperphysik in Wien. Danach von 1966 – 1971 am Physics Department der University of York, England, anschließend bis 1975 am Department of Physics an der University of California, Berkeley, tätig. Seit 1986 o. Universitätsprofessor am Institut für Allgemeine Elektrotechnik und Elektronik, seit 2001 Institut für Photonik, an der TU Wien. Arnold Schmidt ist Fellow der Optical Society of America und der American Physical Society. 1994 – 2003 Präsident des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF). 2005 – 2009 Vorsitzender des FWF-Aufsichtsrates. Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Peter Skalicky, geboren 1941 in Berlin. Studium der Technischen Physik. 1974 ao. Universitätsprofessor für

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Kristallphysik an der Technischen Universität Wien. 1975/1976 Professeur Associ¦ an der Universit¦ Pierre et Madame Curie (Paris VI). Ab 1979 o. Universitätsprofessor für Angewandte Physik an der TU Wien und Vorstand des gleichnamigen Instituts. 1986 – 1990 Dekan der Technisch Naturwissenschaftlichen Fakultät der TU Wien, von 1991 – 2011 Rektor der TU Wien. 1991 Mitglied der vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung eingesetzten Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung eines Entwurfs für das Universitätsgesetz UOG 1993. 1991 stellvertretender Vorsitzender der österreichischen Rektorenkonferenz von 1995 – 1999 deren Präsident (1999 Vizepräsident). 1991 – 1994 Mitglied des Rates für Wissenschaft & Forschung. Seit 2001 Mitglied des Kuratoriums des Technischen Museums Wien, seit 2010 Mitglied des Rates für Forschung und Technologieentwicklung. Em. o. Univ.-Prof. Dr. Alexander Van der Bellen, geboren 1944 in Wien. Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Innsbruck, 1972 – 1974 am Wissenschaftszentrum Berlin. 1976 – 1980 außerordentlicher Universitätsprofessor an der Universität Innsbruck, 1980 – 2009 ordentlicher Universitätsprofessor an der Universität Wien. 1990 – 1994 Dekan bzw. stellvertretender Dekan der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. 1994 – 2012 Abgeordneter zum Nationalrat, 1997 – 2008 Bundessprecher der Grünen sowie von 1999 – 2008 Obmann des Grünen Klubs. Seit 2012 Landtagsabgeordneter bzw. Gemeinderat in Wien. Sonderbeauftragter der Stadt Wien für Universitäts- und Forschungsangelegenheiten. Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Manfried Welan, geboren 1937 in Wien. Studium der Rechtswissenschaften. 1962 – 1966 Tätigkeit am Verfassungsgerichtshof. Ab 1968/69 bis 2005 Professor für Rechtslehre am Institut für Rechtswissenschaften an der Universität für Bodenkultur Wien. 1977 – 1981 sowie 1991 – 1993 deren Rektor (1981 – 1984 und 1994 – 2001 Vizerektor). 1979 – 1981 Präsident der Österreichischen Rektorenkonferenz. Von 1983 – 1991 in der Wiener Gemeinde- und Landespolitik als ÖVP-Gemeinderat bzw. Abgeordneter tätig. 1986 – 1987 (nicht amtsführender) Stadtrat und Mitglied der Landesregierung. 1988 – 1991 Amt des dritten Landtagspräsidenten. 1994 – 2000 Gastprofessor für Politik – Europäische Journalistenakademie Krems/Wien. 1991 – 2000 Vizepräsident der Österreichischen UNESCO-Kommission. Seit 2003 Präsident der UNESCO-Gemeinschaft Wien. Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Rudolf Wernhart, geboren 1941 in Wien. Studium der Völkerkunde und Neueren Geschichte sowie der Ur- und Frühgeschichte, Anthropologie und Volkskunde. 1980 – 2002 o. Universitätsprofessor am Institut für Völkerkunde (heute Institut für Kultur- und Sozial-

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anthropologie) an der Universität Wien. Gastprofessuren in Berlin, Linz und Bayreuth sowie Lehrtätigkeit in Innsbruck. 1985 – 1989 Dekan der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät (heute Fakultät für Human- und Sozialwissenschaft). 1989 – 1991 Rektor der Universität, 1991 – 1994 Prorektor. 1996 – 2002 Vorstand des Instituts für Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie. Rektor i. R. em. o. Univ.-Prof. Dr. Georg Winckler, geboren 1943 in Ostrau, Tschechische Republik. Studium der Volkswirtschaftslehre in Princeton und Wien. Seit 1978 o. Universitätsprofessor für Volkswirtschaftstheorie und Volkswirtschaftspolitik am Institut für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Wien. Gastprofessuren an den Universitäten Graz, Firbourg/Schweiz, Linz und Bratislava. Forschungsaufenthalt am International Monetary Fund (1990/1991) in Washington D.C und ebendort als Visiting Professor of Economics an der Georgetown University tätig (1995). 1999 – 2011 Rektor der Universität Wien. 2000 – 2005 Vorsitzender der Österreichischen Rektorenkonferenz. 2005 – 2009 Präsident der European University Association (2001 – 2005 Vizepräsident). 2004 – 2007 Mitglied des Europäischen Forschungsbeirats. Seit 2008 Mitglied des Rats für den Europäischen Forschungsraum (ERAB). Seit 2009 Mitglied des Board of Trustees, ETS, Princeton, New Jersey, USA. Aufsichtsratsvorsitzender der Erste Stiftung und der Austria Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Privatstiftung. Stellvertreter des Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Erste Group Bank AG und der UNIQA Insurance Group AG. Mitglied des Hochschulrats der Technischen Universität Darmstadt und des Wissenschaftlichen Beirates der Humboldt-Universität Berlin sowie des Rates der Universität Wien.