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German Pages 240 Year 2014
Sebastian J. Müller Wissen, was möglich ist
Epistemische Studien
Schriften zur Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie Herausgegeben von/Edited by Michael Esfeld, Stephan Hartmann, Albert Newen
Band 28
Sebastian J. Müller
Wissen, was möglich ist
ISBN 978-1-61451-823-5 e-ISBN 978-1-61451-833-4 ISSN 2198-1884 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter Inc., Boston/Berlin Printing: CPI books GmbH, Leck ♾ Printed on acid-free paper Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort Viele Menschen haben auf die eine oder andere Weise dazu beigetragen, dass ich diese Arbeit fertigstellen konnte. Ich danke der Friedrich-Ebert-Stiftung, deren Finanzierung es mir möglich gemacht hat, mit voller Konzentration zu arbeiten und Teile meiner Arbeit auf einer Reihe von Konferenzen zu präsentieren. Die PromovierendenBetreuerinnen Julia Vater und Ursula Bitzegeio waren stets engagierte, wohlmeinende Ansprechpartner. Die Teilnehmer des Montagskolloquiums von Andreas Kemmerling und Wolfgang Freitag haben eine Reihe von Entwürfen gelesen und eine Menge hilfreicher Empfehlungen gegeben. Peter Schulte hat wertvolle Hinweise zu frühen Versionen der Arbeit gegeben und sich bereit erklärt, die Zweitbegutachtung zu übernehmen. Meinen Eltern, Jürgen und Angelika Müller, danke ich für finanziellen und emotionalen Rückhalt und Verständnis vom Beginn meines Studiums an. Meine Freundin Andrea Werner hat es nicht nur geschafft, die nötige Geduld aufzubringen, um mit einem Philosophiedoktoranden zusammen zu sein, sondern darüber hinaus die gesamte Arbeit auf Fehler, Unklarheiten und Stilblüten gescannt. Von meinen frühesten Vorüberlegungen bis zur Endfassung war die Betreuung durch meinen Doktorvater Christian Nimtz ungeheuer wertvoll. Seine konstruktive Kritik, sein enormes Fachwissen und sein außergewöhnliches Engagement haben diese Arbeit in jeder Hinsicht verbessert. Er war ein hervorragender Doktorvater.
Inhalt 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.5 1.5.1 1.5.2
Einleitung � 1 Arten von Modalität � 1 Modalität schlechthin � 2 Wissen über Modalität schlechthin � 3 Was ich tun werde � 4 Der kritische Teil � 4 Modalität und Materialismus � 5 Die Verteidigung des Epistemischen Zweidimensionalismus � 6 Die Konsequenzen des Epistemischen Zweidimensionalismus � 6 Worum es nicht gehen wird � 6 Was ist Wissen? � 7 Genereller Skeptizismus � 7
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.5.1 2.5.2 2.6 2.6.1 2.6.2 2.7 2.8 2.8.1 2.8.2 2.9
Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität � 9 Das empiristische Bild von Modalität � 9 Die einfache Erkenntnistheorie im empiristischen Bild � 11 Das essenzialistische Bild von Modalität � 12 Das neue Verständnis von Philosophie � 16 Die schwierige Erkenntnistheorie im neuen Bild � 19 Einfaches Wissen über metaphysische Modalität � 19 Anspruchsvolles Wissen über metaphysische Modalität � 20 Die Integration Challenge � 25 Zur Integration von Erkenntnistheorie und Metaphysik � 25 Modalität und Modale Eigenschaften � 26 Materialismus als metaphysisch modale These � 27 Semantik und Metaphysik bei Kripke � 31 Die Starrheit von Eigennamen und Natürliche ArtAusdrücken � 31 Notwendige Wahrheiten a posteriori � 32 Das Hintergrundbild & Zentrale Thesen der Arbeit � 35
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4
Modaler Rationalismus � 37 Vorstellbarkeitsansätze � 38 Was Vorstellbarkeit nicht ist � 39 Was Vorstellbarkeit sein soll � 41 Epistemische Ansätze � 42 Probleme für epistemische Ansätze I: Das Verfahren � 44
VIII � Inhalt
3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.1.8 3.1.9 3.1.10 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 5.3.1
Probleme für epistemische Ansätze II: Verlässlichkeit � 49 Nicht-epistemische Ansätze � 51 Das Problem der Erreichbarkeit � 52 Kripkes Argument gegen den Materialismus � 60 Einwände gegen Kripkes Argument gegen den Materialismus � 63 Das Scheitern der Vorstellbarkeitsansätze � 67 Essenz-basierte Ansätze � 68 Essenz-Realismus � 69 Die Erkenntnistheorie metaphysischer Modalität � 70 Vaidya: Essenz-Verstehen durch imaginative Variation � 71 Lowe über Essenz-Wissen � 75 Modaler Empirismus � 81 Modales Wissen durch Abduktion? � 82 Was ist Abduktion? � 82 Generelles zur Abduktion � 84 Das Abduktive Argument von Hill & McLaughlin � 85 Das Abduktive Argument von Block & Stalnaker � 86 (Was) wird hier erklärt? � 87 Abduktion und metaphysische Modalität � 90 Metaphysische Modalität und Kontrafaktische Konditionale � 95 Williamsons Lehnstuhl-Empirismus � 96 Funktioniert Williamsons KFK-Erkenntnistheorie? � 100 Hills Reduktion von metaphysischer Modalität auf kontrafaktische Konditionale � 108 Vorstellen und Wahrnehmen � 111 Begrifflicher Rationalismus � 117 Semantik und Metaphysik bei Frege, Kripke und im Zweidimensionalismus � 118 Die deskriptivistische Tradition � 118 Kripke gegen den Deskriptivismus � 122 Kripkes Schlussfolgerungen � 125 Die zweidimensionale Semantik � 126 Begriffliches und metaphysisch modales Wissen � 129 Begriffliches Wissen über die Starrheit von Eigennamen � 130 Begriffliches Wissen über de re modale Eigenschaften � 130 Die Prinzipien der Möglichkeit � 131 Peacockes Modalmetaphysik � 132
Inhalt � IX
5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6
Die Prinzipien der Möglichkeit � 134 Der metaphysische Status der Prinzipien der Möglichkeit � 135 Das Problem des Wissens über die Prinzipien der Möglichkeit � 136 Fazit � 140 Intuitionen und Begriffsbesitz � 140 Intuitionen bei Bealer � 140 Intuitionen und modales Wissen � 141 Intuitionen statt Vorstellbarkeit � 143 Die Verlässlichkeit von Intuitionen � 143 Probleme für Bealers Theorie � 146 Bealers Argument gegen den Materialismus � 149
6 6.1 6.2
Zwischenfazit: Modales Wissen und Modaler Realismus � 153 Modaler Skeptizismus? � 153 Modaler Antirealismus! � 155
7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4
Epistemischer Zweidimensionalismus � 157 Chalmers’ Bild von Modalität�159 Modaler Apriorismus und Modaler Monismus � 159 Ist Chalmers ein modaler Antirealist?�162 Notwendigkeit a posteriori in Chalmers’ Bild�162 Die Epistemologie metaphysischer Modalität � 164 Die Grundlage: Vorstellbarkeit � 164 Vorstellbarkeit und primäre Möglichkeit�166 A priori Wissen über metaphysische Möglichkeit�167 Chalmers’ modales Argument gegen den Materialismus�168 Das klassische modale Argument�168 Das zweidimensionale Argument � 169 Prämisse 1: Die Vorstellbarkeit von P & ¬Q � 170 Prämisse 2 und Prämisse 3: Vorstellbarkeit, primäre Möglichkeit und metaphysische Möglichkeit � 170 Identische primäre und sekundäre Intensionen � 171 Verschiedene primäre und sekundäre Intensionen � 171 Prämisse 4: Die metaphysische Möglichkeit von „P & ¬Q“ und die Falschheit des Materialismus � 173 Zwei große Vorteile des zweidimensionalistischen Bildes � 174 Grundlegendes Wissen über metaphysische Modalität � 174 Die Quelle metaphysischer Modalität � 175 Einwände � 176
7.4.5 7.4.6 7.4.7 7.5 7.5.1 7.5.2 7.6
X � Inhalt
7.6.1 7.6.2 7.6.3 7.7 7.8 7.9 8
Die Vorstellbarkeitsthese�177 Von Vorstellbarkeit zu epistemischer Möglichkeit: Modaler Monismus und Modaler Rationalismus�182 De re Modalität und realistische Intuitionen�191 Epistemischer Zweidimensionalismus und modale Argumente�193 Was bleibt von Chalmers’ antimaterialistischem Argument?�199 Konsequenzen für die Philosophie�200 Fazit � 203
Literaturverzeichnis � 205 Index � 227
1 Einleitung Das Reden über Möglichkeiten und Notwendigkeiten ist in unserem Alltag ebenso wie im wissenschaftlichen Diskurs weit verbreitet. Wir alle sagen häufig Dinge wie „Du hättest auch früher kommen können“, „Das musste er tun“, „Niemand kann 100 Meter in unter 8 Sekunden laufen“, „Es ist nicht möglich, schneller zu sein als das Licht“ usw. Das Treffen solcher Aussagen ist fester Bestandteil unseres sprachlichen Handelns, und in aller Regel tun wir dies, ohne uns großartige Gedanken darüber zu machen, was Ausdrücke wie „hätte“, „musste“, „kann“ oder „möglich“ genau heißen – wir verstehen solche Aussagen normalerweise problemlos, ohne dass wir dies im Detail bestimmt hätten. Wir verfügen auch über keine detaillierte Theorie darüber, was solche Aussagen wahr oder falsch macht und woher wir eigentlich wissen, ob sie wahr oder falsch sind. Was die vier Aussagen gemeinsam haben ist, dass sie allesamt nicht nur Behauptungen darüber sind, wie die Welt ist, sondern auch darüber, wie sie hätte sein können, und wo die Grenzen dieser potenziellen Andersartigkeit liegen. Ihre Semantik, Metaphysik und Erkenntnistheorie werfen im Alltag normalerweise keine besonderen Schwierigkeiten auf. Wenn wir sie jedoch näher betrachten, wird schnell klar, dass sich hinsichtlich all dieser Aspekte schwierige philosophische Fragen stellen. Was macht solche Aussagen wahr? Die tatsächliche Beschaffenheit der Welt scheint, zumindest auf den ersten Blick, nicht festzulegen, auf welche andere Art sie hätte sein können. Woher wissen wir, ob solche Aussagen wahr oder falsch sind? Wir können beispielsweise, zumindest bisher, nicht beobachten, ob es für einen Menschen möglich ist, 100 Meter in weniger als 8 Sekunden zu laufen. Noch hat es niemand geschafft, so schnell zu sein, aber über die Frage, ob sich dies je ändern wird, sind sich selbst die Experten uneins. Ich werde mich in der vorliegenden Arbeit auf dieses Thema konzentrieren. Ich gehe der Frage nach, wie wir Wissen darüber erwerben können, was möglich und notwendig ist. Meine Arbeit behandelt also die Erkenntnistheorie des Modalen. Dabei werde ich mich jedoch auf Wissen über eine bestimmte Art von Modalität konzentrieren.
1.1 Arten von Modalität Wenn wir die vier Beispiele vom Anfang nochmals betrachten, fällt auf, dass in ihnen Aussagen über ganz verschiedene Arten von Möglichkeit und Notwen-
2 � Einleitung
digkeit gemacht werden. Nehmen wir nur die letzten beiden, „Niemand kann 100 Meter in unter 8 Sekunden laufen“ und „Es ist nicht möglich, schneller zu sein als das Licht“. Letztere Aussage sagt etwas über nomologische Modalität aus, also darüber, was angesichts der geltenden Naturgesetze möglich ist. Erstere Aussage baut hingegen viel mehr Einschränkungen ein. Sie ist eine Aussage, die wir im Kontext eines 100-Meter-Laufs hören könnten, und sie ist normalerweise so gemeint, dass sie nur für Menschen gelten soll, und auch so, dass sie nur auf der Erde als wahr beansprucht wird, nicht aber an beliebigen Orten mit verschieden hoher Schwerkraft. Es geht hierbei also um eine sehr viel spezifischere Modalität. Andere Aussagen sind noch spezifischer: „Es war für die Griechen unmöglich, die Mauern Trojas zu Fall zu bringen“. Diese Aussage bezieht sich auf eine spezifische, historische Situation. Die Stärke der griechischen Armee, die Schwäche ihrer Geschütze, die damals noch kaum entwickelte Belagerungstechnik etc. sind allesamt Faktoren, die festgehalten werden müssen. Natürlich hätten die Griechen Trojas Mauern zu Fall bringen können, wenn sie über eine moderne Artillerie verfügt hätten. Im Kontext eines historischen Werkes über den trojanischen Krieg ist uns jedoch klar, dass historische Tatsachen nicht ignoriert werden sollen. Dies funktioniert auch andersherum. Wenn ein Historiker schreibt „Es wäre für die Osmanen 1529 möglich gewesen, Wien zu erobern“, dann meint er damit natürlich, dass es unter weitgehend gleichen äußeren Bedingungen, bei Zuhilfenahme einer besseren Strategie, oder mit Glück im richtigen Moment, möglich gewesen wäre, und nicht, dass die Osmanen unter Zuhilfenahme von Kampfflugzeugen möglicherweise erfolgreich gewesen wären. Modale Aussagen sind also meist beschränkt. Wir halten eine Vielzahl von Elementen stabil, und fragen uns, ob unter diesen Bedingungen eine Veränderung möglich gewesen wäre.
1.2 Modalität schlechthin All diese Arten von Modalität sind nicht grundlegend. Sie betreffen das, was unter bestimmten Bedingungen möglich gewesen wäre. Die Art von Modalität, um dies es mir in dieser Untersuchung gehen wird, ist deutlich verschieden hiervon. Sie ist die grundlegende Art von Modalität- die Art und Weise, wie die Dinge hätten sein können, wenn alles sich ändern könnte, was sich eben ändern kann (vgl. Burgess 2009, 46). Man könnte sie, neutral, als „unbedingte Modalität„ bezeichnen. Aus Gründen, die im Verlauf dieser Arbeit klar werden, wird diese grundlegende Art und Weise, wie die Welt hätte sein können, in der gegenwärtigen Debatte jedoch meist als „metaphysische Modalität„ bezeichnet.
Wissen über Modalität schlechthin � 3
Es gibt mehrere große Debatten um metaphysische Modalität. Wie genau ist sie beschaffen? Was ist metaphysisch möglich, und was ist metaphysisch notwendig? Was ist die Logik, die charakteristisch für metaphysische Modalität ist? Was ist die Quelle metaphysischer Modalität? Wie hängen modale Eigenschaften und mögliche Welten miteinander zusammen? Diese Fragen betreffen die Logik und die Ontologie metaphysischer Modalität. Das zentrale Thema dieser Arbeit wird ein anderes sein, nämlich die Frage danach, woher wir eigentlich wissen können, was metaphysisch möglich und notwendig ist. Allerdings wird dies auch die Motivation dazu liefern, am Ende der Arbeit einige Schlüsse für die Ontologie metaphysischer Modalität zu ziehen.
1.3 Wissen über Modalität schlechthin Die Frage danach, wie wir eigentlich Wissen über metaphysische Modalität erwerben können, hat sich, nachdem sie anfänglich, bis in die Mitte der neunziger Jahre, eher wenig beachtet wurde, eine ausufernde Diskussion ausgelöst. Zunächst haben sich Kripke (1980),1 Yablo (1993) und andere darauf konzentriert, wie wir damit umgehen können, dass es notwendige Wahrheiten gibt, die nicht a priori wissbar sind. Doch dann wurde deutlich, dass es ein noch basaleres Problem gibt, nämlich die Frage, wie wir die Verbindung zwischen dem Bereich des Tatsächlichen oder Begrifflichen und dem Bereich des metaphysisch Modalen grundlegend erschließen können. Woher wissen wir, ob etwas, was wir empirisch beobachtet haben, metaphysisch notwendig ist? Wie können wir auf der anderen Seite wissen oder ausschließen, dass etwas, von dem wir nicht wissen, ob es der Fall ist, oder von dem wir sogar wissen, dass es nicht der Fall ist, unmöglich ist? Das klassische Mittel, Möglichkeit und Notwendigkeit an begrifflicher Konsistenz und Inkonsistenz festzumachen, versagt in den Fällen, die Philosophen für die interessantesten halten und die in der philosophischen Diskussion die größte Rolle gespielt haben. Welches Mittel steht uns dann zur Verfügung? Der Großteil meiner Arbeit wird sich Versuchen widmen, zu zeigen, wie wir Wissen über metaphysische Modalität haben können. Dabei werde ich mich nur mit explizit modalem Wissen befassen. Es genügt hierfür nicht, dass ein Subjekt S weiß, dass p, und es notwendig ist, dass p, sondern S muss auch wissen, dass es notwendig ist, dass p.
�� 1 Frühere Diskussionen finden sich u.a. in Kripke (1980) und Van Cleve (1983). Yablo (1993) kann als Ausgangspunkt der breiteren Debatte betrachtet werden.
4 � Einleitung Hier ist der Eindeutigkeit halber ein weiterer Kommentar angebracht. Die Ausdrücke „modales Wissen“, „Modalepistemologie“ usw. werden von manchen Philosophen anders genutzt, als ich es hier tue (vgl. Freitag 2013). So gibt es modale Theorien des Wissens im Allgemeinen. Wenn ich diese Ausdrücke benutze, dann beziehe ich mich damit immer auf Wissen über das Modale oder die Epistemologie des Modalen.
1.4 Was ich tun werde Die Arbeit wird aus einem großen kritischen Teil und einem kürzeren Teil bestehen, der zur Verteidigung eines bestimmten Ansatzes dient, der sich an Chalmers’ Epistemischen Zweidimensionalismus anlehnt. Daneben werde ich mich mit dem Verhältnis von Modalität und Materialismus befassen, da dieses häufig erhellend für modalepistemologische Fragen sein kann.
1.4.1 Der kritische Teil Nach einem einleitenden Kapitel, in dem ich die philosophische Debattenlage zu metaphysischer Modalität, dem Zusammenhang von Aktualität und Modalität und dem von Semantik und Modalität knapp darstelle, werde ich mich in drei großen Kapiteln mit den zentralen modalepistemologischen Ansätzen befassen, und zwar mit Modalem Rationalismus (Kapitel 2), Modalem Empirismus (Kapitel 3) und Begrifflichem Rationalismus (Kapitel 4). Modale Rationalisten versuchen zu zeigen, wie wir a priori, aber nicht mithilfe von Begriffsanalysen, modales Wissen erhalten. Die meisten von ihnen setzen hierbei auf Vorstellbarkeit (Kapitel 2, Teil 1). Andere glauben, dass wir in der Lage sind, Einsicht in die Essenzen oder die wesentlichen Eigenschaften von Dingen zu erhalten (Kapitel 2, Teil 2). Modale Empiristen setzen auf empirische Methoden, wie sie auch in den Wissenschaften vorkommen, zum Beispiel auf abduktive Schlüsse (Kapitel 3, Teil 1), auf Wissen über kontrafaktische Konditionale (Kapitel 3, Teil 2) oder auf eine Analogie zwischen Vorstellen und Wahrnehmen (Kapitel 3, Teil 3). Sie versuchen zu zeigen, dass diese Methoden uns auch den Erwerb von metaphysisch modalem Wissen ermöglichen. Begriffliche Rationalisten schließlich machen unser Verstehen von Ausdrücken zur Grundlage von Wissen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, wobei sie behaupten, dass begriffliche Kompetenz uns in die Lage versetzt, synthetische Wahrheiten zu kennen (Kapitel 4, Teil 2-4). Vor der Aus-
Was ich tun werde � 5
einandersetzung mit diesem Ansatz werde ich die zum Verständnis nötigen sprachphilosophischen Grundlagen liefern (Kapitel 4, Teil 1). Ich werde zeigen, dass diese Ansätze allesamt nicht haltbar sind sind, da sie entweder nicht zeigen können, dass wir ein verlässliches Vermögen haben, um Wissen über metaphysisch modale Wahrheiten zu erwerben – dies trifft primär auf die Modalen Rationalisten, wie Kripke, Yablo, Lowe und Vaidya, zu – oder weil sie bereits ebenso schwieriges Wissen voraussetzen, ohne zu zeigen, wie wir dieses erwerben können. Dieser Kritikpunkt betrifft die beiden wichtigsten Vertreter des Begrifflichen Rationalismus, Bealer und Peacocke, sowie den Modalen Empiristen Williamson. Nach einem Zwischenfazit werde ich in Kapitel 5 einerseits die zweidimensionalistische Theorie metaphysisch modalen Wissens verteidigen, die von David Chalmers entwickelt wurde. Diese beruht auf einer Neubestimmung davon, wie die grundlegende Art von Modalität beschaffen ist, und ermöglicht so einerseits den epistemischen Zugang, löst aber auch ontologische Probleme. Andererseits werde ich jedoch deutlich machen, dass zwar die Metaphysik und die Erkenntnistheorie des Modalen im zweidimensionalistischen Bild akzeptabel sind, dass aber die Konsequenzen für den Zusammenhang von Tatsachenontologie und Modalität bisher weder von den Vertretern des Zweidimensionalismus noch von seinen Gegner radikal genug durchdacht wurden. Die Akzeptanz dieses Bildes – die ich empfehlen werde – führt teilweise wieder zurück zum Vorkripkeanischen Bild von Modalität, sowohl hinsichtlich deren Beschaffenheit – logisch-begriffliche Modalität wird zu der grundlegenden Art von Modalität – als auch hinsichtlich des Verhältnisses von Tatsachen und Modalität. Dieses wird deutlich abgeschwächt.
1.4.2 Modalität und Materialismus Während ich in der Hauptsache modalepistemologische Ansätze kritisiere und verteidige, werde ich an zwei Stellen – bei der Diskussion der Ansätze von Kripke und Bealer – auch am Rande ihre modalen Argumente gegen den Materialismus kritisieren. Diese sind Paradebeispiele für modale Argumente, da sie eine Möglichkeitsthese in den Prämissen und eine These über die Beschaffenheit der tatsächlichen Welt als Konklusion enthalten. In der Auseinandersetzung mit Chalmers’ Epistemischem Zweidimensionalismus wird das antimaterialistische Argument sogar einen recht zentralen Raum einnehmen, weil dieses eine wesentliche Motivation für Chalmers’ Zweidimensionalismus darstellt und die Beschäftigung mit diesem das Verständnis seines Bildes von Modalität erheblich erleichtert. Ich werde hierbei zeigen, dass die antimaterialistischen
6 � Einleitung
Argumente von Kripke und Bealer daran scheitern, dass ihre modalen Prämissen nicht gerechtfertigt sind. Chalmers hingegen kann seine modalen Prämissen ausreichend begründen, jedoch zu dem Preis, dass das Verhältnis von Modalität und Aktualität sehr viel problematischer wird als im Kripkeanischen Bild.
1.4.3 Die Verteidigung des Epistemischen Zweidimensionalismus Die These, die ich verteidigen werde, ist, dass Modaltheoretiker vor einem Dilemma stehen. Entweder sie betrachten Modalität realistisch, so dass Modalität und Tatsachenontologie eng verwoben sind. Dann wird jedoch der epistemische Zugang versperrt und sie müssen erklären, wie de re modale Eigenschaften in die Welt kommen. Oder sie betrachten Modalität moderat antirealistisch, so dass die Epistemologie einfach wird und modale Tatsachen unproblematisch werden – allerdings müssen sie in diesem Fall den Versuch aufgeben, mithilfe metaphysisch modalen Wissens anspruchsvolles Tatsachenwissen zu erhalten. In dieser Zuspitzung des Problems bin ich mit Soames (2005; 2011) einig, während ich Chalmers’ (2010) Versuche, die Vorzüge beider Konzeptionen der grundlegenden Form von Modalität zu vereinen, als zum Scheitern verurteilt betrachte. Am Ende werde ich empfehlen, die moderat antirealistische Option zu wählen – mit Chalmers, aber gegen die große Mehrheit der Philosophen, die versuchen, ein realistisches Bild aufrecht zu erhalten.
1.4.4 Die Konsequenzen des Epistemischen Zweidimensionalismus Ich werde dafür argumentieren, dass Chalmers’ Ansatz weitgehend richtig ist. Allerdings glaube ich, im Unterschied zu ihm, dass die Konsequenzen davon, ein zweidimensionalistisches, antirealistisches Bild von Modalität zu akzeptieren, drastisch sind. Modalität, so werde ich argumentieren, verliert weitgehend ihre Relevanz für Fragen zur Beschaffenheit der tatsächlichen Welt. Während Chalmers versucht, diese Konsequenz zu umgehen, werde ich erklären, warum wir diese getrost akzeptieren können.
1.5 Worum es nicht gehen wird Um den Fokus der Arbeit nicht zu sehr auszuweiten, werde ich auf die folgenden, allgemeineren epistemologischen Fragen nicht eingehen.
Worum es nicht gehen wird � 7
1.5.1 Was ist Wissen? Ich werde die ganze Zeit über von metaphysisch modalem Wissen sprechen und dabei die Debatte darüber, was Wissen genau ist, ignorieren. Wenn ich hier davon spreche, dass S weiß, dass p, dann genügt es mir, dass S eine wahre Überzeugung, dass p, hat, und dass S gute Gründe hat, um zu glauben, dass p.
1.5.2 Genereller Skeptizismus Während ich am Rande auf Varianten des modalen Skeptizismus – eine starke, die besagt, dass wir kein modales Wissen haben, und eine schwache, die nur bestimmte Formen von modalem Wissen leugnet – eingehen werde, werde ich in dieser Arbeit den generellen Skeptizismus nicht zum Thema machen und voraussetzen, dass wir in der Lage sind, gewöhnliches Wissen – also empirisches Wissen über die Außenwelt, Wissen über unsere mentalen Zustände, mathematisches Wissen und logisch-begriffliches Wissen etc. zu erwerben.
2 Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität Modalität – der Bereich desjenigen, was möglich oder unmöglich, notwendig oder kontingent ist, spielt im philosophischen Denken mindestens seit der Neuzeit eine wichtige Rolle. Descartes Argument für den Körper-Geist-Dualismus (Descartes 1641), Leibniz These, wir lebten in der besten aller möglichen Welten (Leibniz 1710) und Humes Unterscheidung zwischen Matters of Fact und Relations of Ideas (Hume 1748) beruhen implizit oder explizit auf Überlegungen zur Frage, was möglich und notwendig ist. Seit Saul Kripkes Naming and Necessity (Kripke 1980) spielt Modalität in der theoretischen Philosophie eine zentrale Rolle. Gerade Annahmen darüber, was möglich ist, haben in vielen Argumenten eine zentrale Position inne, so zum Beispiel im Falle der Argumente gegen den Materialismus von Kripke (1980, 144ff.), Yablo (1990), Chalmers (1996, 23ff.; 2010) und Bealer (1994; 2002). Jedoch hat sich das Verständnis von Modalität in dieser Zeit grundlegend geändert.
2.1 Das empiristische Bild von Modalität Seit der Neuzeit hatte sich im angelsächsischen Raum ein empiristisches Verständnis von Modalität durchgesetzt, das von den Logischen Empiristen, am deutlichsten vertreten durch A.J. Ayer (1936), wieder aufgegriffen wurde und den Diskussionen bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts zugrunde lag.2 Dieses empiristische Bild zeichnet sich durch drei zentrale Annahmen aus (vgl. Noonan 2012, 21ff.). (EB1): Ein Satz ist genau dann notwendig wahr, wenn er analytisch und a priori wissbar ist (vgl. Papineau 2012, 58).3
�� 2 Laut P.M.S. Hacker war dieses Bild nie so dominant, wie es häufig dargestellt wird und wie es Kripke suggeriert, sondern wurde primär von Ayer vertreten (vgl. Hacker 2009). Da es mir hier nicht um eine akkurate historische Darstellung geht, übernehme ich das Standardbild, da es sich zumindest gut eignet, um die Kontraste zwischen zwei extremen Lagern aufzuzeigen. 3 Diese These findet sich besonders deutlich in Ayers Language, Truth, and Logic (1936), und zwar in der Form, dass der Index-Eintrag zu „necessary propositions“ direkt auf „a priori propositions“ verweist. Vgl. außerdem Ayer 1936, 16ff.; Quine 1953, 140; Soames 2006, 289; Juhl & Looms 2010, 18ff.
10 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität Dies heißt, dass der epistemische, der semantische und der metaphysische Status eines Satzes untrennbar verbunden sind. Hiermit hängt eine zweite These eng zusammen. (EB2): Die einzige Art von Modalität ist de dicto Modalität; es gibt keine de re Modalität (vgl. Quine 1953b). „De dicto“ heißt „Vom Gesagten“. Hiermit wird gesagt, dass es nur Sachverhalte sind, die einen modalen Status haben. De re Möglichkeit und Notwendigkeit hingegen ergeben sich aus den modalen Eigenschaften von Dingen. Wenn es beispielsweise de re notwendig wäre, dass Barack Obama der Präsident der USA ist, dann würde dies daran liegen, dass er als dasjenige Ding, das er ist, diese Eigenschaft nicht verlieren kann. Die berühmtesten Argumente für EB2 – bzw. genauer gegen die Existenz von de re Modalität4 – wurden von W.V.O. Quine vorgebracht. Quines erstes Argument (Quine 1953, 138ff.) beruht darauf, dass die Akzeptanz von de re Modalität es uns, seiner Meinung nach, erlauben würde, Schlüsse mit klarerweise falschen Konklusionen zu ziehen. Aus den beiden Prämissen 1. 2.
9 ist notwendig größer als 7. Die Anzahl der Planeten ist 9.
können wir ihm zufolge auf die falsche Konklusion 3. Die Anzahl der Planeten ist notwendig größer als 9. schließen. Dieses Argument beruht jedoch darauf, dass Quine seine eigene Beobachtung ignoriert, dass Notwendigkeitsoperatoren intensionale Kontexte erschaffen, in denen bezugsgleiche Ausdrücke nicht mehr wahrheitskonservierend ersetzt werden können (vgl. Fitting 2011, Kap.1). Stattdessen dürften wir „9“ und „Die Anzahl der Planeten“ hier nur dann durcheinander ersetzen, wenn sie notwendig bezugsgleich wären. Da sie dies nicht sind, ist die Einsetzung verbo�� 4 Quine scheint Modalität eher metasprachlich als de dicto zu verstehen, so dass es nicht Sachverhalte sind, denen Notwendigkeit und Möglichkeit zukommt, sondern nur Sätze, die notwendig wahr etc. sind. Entscheidend sind hier jedoch seine Einwände gegen de re Modalität, so dass ich mich mit Quines Unterscheidung zwischen metasprachlicher und de dicto Modalität nicht weiter befassen werde. Vgl. Nimtz 2011b, 250.
Die einfache Erkenntnistheorie im empiristischen Bild � 11
ten, und man kann de re Modalität akzeptieren, ohne auf (3) festgelegt zu sein (vgl. Melia 2003, 68ff.; Plantinga 1974, 18; Nimtz unv., 104.). Das zweite Argument (Quine 1953b, 175f.) zielt darauf ab, dass die Akzeptanz von de re Modalität und zwingt, Dingen de re notwendige Eigenschaften zuzuschreiben – also einen Essenzialismus zu vertreten. Dieses Argument wird zum einen nicht mehr von allzu vielen Philosophen als bedrohlich empfunden, weil die meisten bereit sind, die Existenz notwendiger Eigenschaften zu akzeptieren (Kripke 1980, 39ff.; Della Rocca 2002, 226). Zum anderen ist Quines Überlegung nicht schlüssig. Nur weil wir die Kategorie „de re Modalität„ akzeptieren, heißt das nicht, dass wir auch akzeptieren müssen, dass es auch nur ein einzelnes Ding gibt, dass eine Eigenschaft notwendig hat (vgl. Melia 2003, 76f.). Extremer Anti-Essenzialismus ist durchaus eine konsistente Position (vgl. Mackie 2006, 1f.). Entgegen Quines Bedenken ist de re Modalität also vorerst als akzeptable Kategorie zu betrachten – auch wenn sich im Verlauf dieser Arbeit zeigen wird, dass sie ernsthafte epistemologische und metaphysische Probleme aufwirft. Die dritte kennzeichnende These des empiristischen Bildes von Modalität ist die folgende. (EB3): Möglichkeit schlechthin ist begriffliche Möglichkeit. Es gibt eine Vielzahl von Arten von Möglichkeit – zum Beispiel epistemische, begriffliche und nomologische Möglichkeit. Philosophisch besonders interessant ist jedoch die Frage, was Möglichkeit schlechthin ist. Dem empiristischen Bild zufolge ist dies begriffliche Möglichkeit. Es ist dementsprechend genau dann schlechthin möglich, dass p, wenn es begrifflich konsistent ist, dass p; und genau dann schlechthin notwendig, dass p, wenn es begrifflich inkonsistent ist, dass ¬p (Ayer 1936, 17).
2.2 Die einfache Erkenntnistheorie im empiristischen Bild Das empiristische Bild leidet, wie wir gleich sehen werden, an schwerwiegenden Problemen. Jedoch bietet es einen enormen Vorteil, nämliche eine sehr einfache Erkenntnistheorie. Wenn jede notwendige Wahrheit a priori einsehbar und analytisch ist, dann genügt uns a priori zugängliches begriffliches Wissen, um herauszufinden, ob ein Satz p notwendig wahr oder falsch ist. a. Genau dann, wenn „¬p“ einen Widerspruch enthält, ist „p“ notwendig wahr.
12 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität b. Genau dann, wenn „p“ einen Widerspruch enthält, ist „p“ notwendig falsch. Wir benötigen also lediglich simple begriffliche Einsichten, um Einsicht in alle Fälle von Modalität zu erlangen, und modales Wissen ist vollständig a priori erreichbar (vgl. Ayer 1936, 16ff.). Obwohl einige Philosophen (Williamson 2007a, Kapitel 1-4; kritisch hierzu Balcerak-Jackson & Balcerak-Jackson 2011) bestreiten, dass es begriffliche Wahrheiten bzw. Wissen aufgrund begrifflicher Kompetenz gibt, scheint es prima facie doch so zu sein, dass wir in der Lage sind, analytisch wahre und falsche Sätze a priori als solche zu erkennen, so dass wir eine stabile Grundlage für unsere modalen Überzeugungen haben (vgl. Nimtz 2012).
2.3 Das essenzialistische Bild von Modalität Im 1972 zuerst publizierten Naming and Necessity (Kripke 1980) zeichnete Saul Kripke ein Bild von Modalität, das sich grundlegend von dem zuvor vorherrschenden empiristischen Bild unterscheidet. Kripke zufolge ist keine der drei empiristischen Thesen wahr. Die Falschheit von EB1 lässt sich intuitiv deutlich machen. Zunächst stellt Kripke fest, dass EB1 keine begriffliche Wahrheit ist. Notwendig wahr zu sein, sagt etwas über die möglichen Umstände der Falschheit eines Satzes aus, während a priori wissbar zu sein eine Eigenschaft ist, die sich auf den epistemischen Status bezieht. Es gibt keine derartige begriffliche Verbindung zwischen diesen beiden, dass es widersprüchlich würde, zu behaupten, ein Satz sei a priori wissbar, aber nicht notwendig, oder aber notwendig, jedoch nicht a priori wissbar. Dasselbe gilt teilweise auch für Analytizität. Zwar scheint Analytizität sowohl Apriorizität – sofern wir in in begriffliche Zusammenhänge a priori Einsicht gewinnen können – als auch Notwendigkeit – da begrifflich Notwendiges schlechthin notwendig zu sein scheint – zu implizieren. Dies gilt jedoch anders herum nicht. Weshalb sollten wir nicht auch nicht-begriffliche Wahrheiten a priori wissen können? Und wieso sollte es keine Notwendigkeiten geben, die sich nicht aus Begriffen ergeben? (KB1): Weder ist jeder Satz, der a priori wissbar ist, notwendig wahr, noch ist jeder notwendig wahre Satz a priori wissbar. Um für KB1 zu argumentieren, gibt Kripke (1980, 35ff.) auf der einen Seite kontingent wahre, aber a priori wissbare Thesen an. Ein intuitiv einleuchtendes
Das essenzialistische Bild von Modalität � 13
Beispiel für eine solche kontingente Wahrheit a priori ist „Ich bin jetzt hier.“ Wann immer jemand diesen Satz äußert, weiß er ohne Rückgriff auf Erfahrungen, dass er etwas Wahres gesagt hat.5 Dennoch scheint er keine notwendige Wahrheit geäußert zu haben, denn der Sprecher könnte sich zum Zeitpunkt der Äußerung auch an einem anderen Ort befinden, als an dem, an dem er tatsächlich ist. Die Wahrheitsbedingungen für „Ich bin jetzt hier“, geäußert von David am 14. Februar 4321 n. Chr. um 12 Uhr, genau am nördlichsten Punkt des Mars, sind derart, dass der Satz genau dann wahr ist, wenn sich David am 14. Februar 4321 n. Chr. um 12 Uhr am nördlichsten Punkt des Mars befindet. Doch es ist offensichtlich kontingent, dass dies der Fall wahr. Es gibt also kontingente Wahrheiten a priori (Kripke 1980, 54ff.; vgl. Hughes 94ff.). Diese kontingenten Wahrheiten a priori sind für die Modalepistemologie jedoch von eher geringem Interesse. Der interessantere Fall sind notwendige Wahrheiten a posteriori, und Kripke gibt auch hierfür Beispiele an. (Kripke 1980, 35ff.; vgl. Hughes 2004, 85ff.) Die Genese und Beschaffenheit dieser nur a posteriori wissbaren notwendigen Wahrheiten stellt bis heute ein umstrittenes Thema in der Philosophie dar,6 und ich werde immer wieder auf dieses Thema zurückkommen. Dennoch möchte ich zunächst versuchen, ohne großen theoretischen Hintergrund zu zeigen, weshalb die Annahme, es gebe Notwendigkeit ohne Apriorizität, plausibel ist. Ich besitze einen roten Löffel aus Plastik. Diesen wollen wir im Weiteren „Rolf“ nennen. Die beiden Sätze „Rolf ist aus Plastik“ und „Rolf ist rot“ sind beide wahr. Sie sind klarerweise beide nicht a priori wissbar, denn sowohl habe ich durch Beobachtung erkannt, dass Rolf rot ist, als auch, dass er aus Plastik ist. Es scheint uns nun so zu sein, dass Rolf auch hätte blau sein können. Wäre Rolf mir gestern in einem Eimer mit blauer Farbe gefallen, wäre Rolf heute blau. Der Satz „Rolf ist rot“ ist also kontingenterweise wahr und nur a posteriori wissbar. Wie ist es jedoch mit „Rolf ist aus Plastik“? Hätte es sein können, dass genau der Löffel „Rolf“, der de facto aus Plastik ist, aus Aluminium gewesen wäre? Mir und den meisten anderen Philosophen scheint dies mehr als zweifelhaft. Selbst wenn in genau der Fabrik, von genau demselben Arbeiter, zu genau der Zeit, zu der Rolf hergestellt worden ist, ein roter Aluminiumlöffel gefertigt �� 5 “Ich bin jetzt hier“ wirft aufgrund des indexikalischen Ausdrucks „Ich“ einige besondere Probleme auf, die ich hier nicht weiter behandeln kann. Als erste Erläuterung kann es dennoch dienen (vgl. Kaplan 1989; Perry 2001). Ausnahmen wie die Anrufbeantworterfälle (vgl. Predelli 2003) kann ich hier ignorieren, da sie für die hier diskutierten Fragen nicht relevant sind. 6 Auf der essenzialistischen Seite stehen beispielsweise Soames 2005; 2011; Salmon 1981; eine antirealistische Erklärung für Notwendigkeit a posteriori findet sich in unterschiedlichen Varianten bei Sidelle 1989; Chalmers 2010; Thomasson 2009; 2013.
14 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität worden wäre, der anschließend so bearbeitet worden wäre, dass er sich hinsichtlich seines Gewichts, seiner Optik und seiner Haptik kaum von Rolf unterscheidet, wären wir kaum geneigt zu behaupten, dass dieser Löffel Rolf wäre. Stattdessen wäre es ein anderer Löffel, der Rolf ungeheuer ähnlich ist. Wer diese Intuition teilt, muss zustimmen, dass „Rolf ist aus Plastik“ eine notwendige Wahrheit a posteriori darstellt. Es scheint also weder zu gelten, dass Notwendigkeit Apriorizität impliziert, noch umgekehrt. Notwendigkeit und Apriorizität fallen in einigen Fällen zusammen, zum Beispiel bei „Junggesellen sind unverheiratet“. Analytische Wahrheiten sind notwendig und a priori wissbar, so dass Analytizität Notwendigkeit und Apriorizität impliziert, jedoch weder Notwendigkeit allein noch Apriorizität allein hinreichend für Analytizität ist. Die klassischen philosophischen Beispiele für Notwendigkeiten a posteriori sind zum einen Identitäten, zum Beispiel Hesperus = Phosphorus und Wasser = H2O. Hesperus = Phosphorus ist naheliegenderweise notwendig, denn sowohl „Hesperus“ als auch „Phosphorus“ bezeichnen die Venus. Dass es eine mögliche Welt gibt, in der die Venus existiert, aber von der Venus verschieden ist, ist geradezu absurd. Im Falle von „Wasser ist H2O“ sind unsere Intuitionen nicht ganz so klar. Wenn man „Wasser ist H2O“ als Identitätsaussage „Wasser = H2O“ ließt, dann gilt die selbe Argumentation. Sowohl „Wasser“ als auch „H2O“ bezeichnen H2O. Damit Wasser ≠ H2O, musste also H2O existieren, jedoch von H2O verschieden sein. Dies ist ebenso absurd wie in vorigem Beispiel. Jedoch kann man die These, Wasser sei notwendig H2O, auch noch auf andere Weise verstehen, nämlich als Behauptung über eine de re notwendige Eigenschaft von Wasser – nämlich, die molekulare Struktur H2O zu haben. Ich will hier nicht auf die Frage eingehen, welche Lesart richtig ist, sondern einfach beide nennen. Wenn wir die zweite Lesart annehmen, sind wir beim zweiten Typen notwendiger Wahrheiten a posteriori – nämlich Wahrheiten, die die Eigenschaften betreffen, die Dinge in jeder möglichen Welt, in der sie existieren, haben. Typische Fälle solcher Eigenschaften sind, vielen Philosophen zufolge, das Material, der Ursprung und die Artzugehörigkeit eines Dings (vgl. Kripke 1980, 110ff.). Damit sind wir bei einem weiteren wichtigen Punkt angelangt, nämlich Kripkes Neubestimmung davon, welche Arten von Entitäten notwendig sind (vgl. Noonan 2012, 123ff.). Diese dient dazu, mit dem Phänomen Notwendigkeit a posteriori umzugehen. Dieses lässt sich nämlich Kripke zufolge am besten erklären, indem wir neben de dicto Modalität eine weitere Art von Modalität akzeptieren. Wenn es Notwendigkeiten gibt, die nur a posteriori wissbar sind, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Erkenntnistheorie metaphysischer Modalität, auf die ich weiter unten eingehen werde, sondern verändert auch die Metaphysik des Modalen deutlich. Neben logisch-begrifflicher Modalität scheint
Das essenzialistische Bild von Modalität � 15
es eine weitere, grundlegende Form von Modalität zu geben, die ihre Wurzeln in den modalen Eigenschaften von Dingen hat. Ob dieser Schritt so unvermeidbar und vernünftig ist, wie Kripke anzunehmen scheint, wird im letzten Kapitel eine zentrale Frage sein. Für die meisten modalepistemologischen Ansätze kann die Akzeptanz von de re Modalität jedoch als Hintergrundannahme verstanden werden, die nicht selbst wieder zur Diskussion steht. (KB2): De dicto Modalität ist nicht die einzige Art von Modalität. Es gibt neben dieser noch de re Modalität (Kripke 1980, 39).7 Kripke argumentiert dafür, dass nicht nur Sätze und Tatsachen einen modalen Status haben. Stattdessen glaubt er an eine weitere Variante von Modalität. Auch diese lässt sich intuitiv erklären. Betrachten wir nochmals den Satz „Rolf ist aus Plastik“, den wir für notwendig befunden haben. Woher stammt diese Notwendigkeit? Es scheint keine begriffliche Wahrheit zu sein, dass Rolf aus Plastik ist, denn ich kann jemandem den Löffel zeigen und ihm mitteilen, dass dieser Löffel „Rolf“ heißt, ohne ihn über sein Material zu informieren. Er versteht dann den Namen „Rolf“, weiß aber nicht, dass „Rolf ist aus Plastik“ wahr ist, so dass dieser Satz keine analytische Wahrheit ausdrückt. Die Quelle der Notwendigkeit von „Rolf ist aus Plastik“ ist Kripke zufolge in den modalen Eigenschaften von Dingen, hier von Rolf, selbst zu suchen. Es ist eine de re notwendige Eigenschaft von Rolf, aus Plastik zu sein, die unabhängig davon ist, ob wir ihn nun „Rolf“, oder „Der Löffel aus Plastik auf meinem Tisch“ nennen. Diese Art von Notwendigkeit, die nicht Sätzen oder Propositionen, sondern den Eigenschaften von Dingen zukommt, wird als de re Notwendigkeit bezeichnet, geht es hier vom um Modalität, die „aus der Sache“ stammt. (KB3): Möglichkeit schlechthin ist metaphysische Möglichkeit, nicht begriffliche Möglichkeit. Vor Kripke war die Überzeugung weit verbreitet, begriffliche Notwendigkeit sei die zentrale, absolute Form von Notwendigkeit. Wir haben jedoch am Beispiel von Rolf gesehen, dass hier eine Art von Notwendigkeit vorliegt, die nicht den �� 7 Bei Kripke werden wesentliche und de re notwendige Eigenschaften gleichgesetzt. Vgl. Fine 1994 und Lowe 2008 für eine grundlegende Kritik hieran, die auf einer nicht-modalen Bestimmung von Essenzen beruht. Fine argumentiert dafür, dass die wesentlichen Eigenschaften eines Dings diejenigen sind, die sich aus seiner Essenz ergeben, während zu den de re notwendigen Eigenschaften auch solche gehören, die sich aus den Essenzen anderer Dinge ergeben können.
16 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität Begriffen, sondern den Eigenschaften der Dinge zukommt. Diese Art von Modalität, die Wahrheiten a posteriori und de re Notwendigkeiten zugrunde liegt, wird als „metaphysische Modalität“ bezeichnet. Metaphysische Modalität fällt, wie wir gesehen haben, nicht mit begrifflicher Modalität zusammen. „Rolf ist aus Metall“ ist metaphysisch unmöglich, begrifflich jedoch möglich. Weshalb sollten wir nun metaphysische Möglichkeit als die grundlegende Art von Modalität ansehen? Dies lässt sich durch folgende Überlegung motivieren. Wenn wir sagen, es sei schlechthin möglich, dass p, dann meinen wir, dass die Welt irgendwie hätte so sein können, dass p. Begriffliche Möglichkeit ist hierfür nicht hinreichend. Es ist begrifflich möglich, dass Wasser nicht H2O ist, aber die Welt hätte nicht so sein können, dass Wasser nicht H2O ist – zumindest den meisten Philosophen zufolge. Daher ist metaphysische Modalität die grundlegendste Art von Modalität – wenn wir dies so verstehen, dass es bei Modalität wirklich darum geht, wie die Welt hätte sein können.
2.4 Das neue Verständnis von Philosophie Die Akzeptanz der Kategorie des metaphysisch Modalen hat die Art, wie theoretische Philosophie betrieben wird, massiv verändert. Dies liegt daran, dass Einsicht in metaphysische Modalität etwas ermöglicht, was Einsicht in begriffliche Modalität scheinbar nicht – bzw. nur in deutlich geringerem Maße – leisten kann. Sie erlaubt es uns nämlich, Wissen über die tatsächliche Beschaffenheit der Welt zu erlangen. Argumente, die hierauf abzielen, haben die folgende Grundstruktur. 1. Wenn a die Eigenschaft F hat, dann hat a F notwendig. 2. Es ist möglich, dass a F nicht hat. 3. Also: a hat die Eigenschaft F nicht. Mit einem solchen Argument, das keine eindeutig empirischen Prämissen hat, könnte es gelingen, Einsicht in die tatsächliche Beschaffenheit von Dingen zu erlangen, ohne hierbei empirische Untersuchungen anstellen zu müssen. So können Philosophen einem Dilemma entgehen, dass sich bis Kripke stellte, nämlich entweder – wie der späte Wittgenstein und seine Nachfolger8– zu akzeptieren, dass Philosophie keine Einsicht in Tatsachen ermöglicht, oder den
�� 8 Aktuelle Vertreter dieser Form des Wittgensteinianismus sind zum Beispiel Peter Hacker (Bennett & Hacker 2004) und Oswald Hanfling (2003).
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Apriorizitätsanspruch der Philosophie aufzugeben, wie es Quine (1951; 1960) getan hat. Wenn es uns gelingt, a priori Einsicht in metaphysische Möglichkeit zu erlangen, dann besteht Aussicht darauf, mit genuin philosophischen Mitteln herauszufinden, wie die Welt beschaffen ist. Dies lässt sich an folgendem Beispiel zeigen. Die These, mentale Zustände seien physisch, hat starke metaphysisch modale Implikationen. Die Widerlegung dieser Implikation könnte es ermöglichen, von metaphysisch modalem Wissen ausgehend die These, in mentale Zustände seien physisch, in Frage zu stellen. Die Grundlage hierfür bildet die Struktur philosophischer Fragen nach der Beschaffenheit von Dingen. Diese fragen häufig nach tiefen Erklärungen, die Nimtz in Anlehnung an Van Gulick wie folgt erklärt. [...] someone aiming for deep explanations wants accounts of causation, consciousness, or meaning having the following two traits. First, these accounts explain (in a sense yet to be explored) e.g. what it is for some event a to cause an event b, what it takes for a being to be conscious, or what it is for items to mean what they do. Secondly, these accounts explain these phenomena in a way that abstracts away from contingent traits, and manage to present their explananda for what they really are. (Nimtz unv, 119)
Warum suchen wir solche tiefen Erklärungen? Zunächst ist klar, dass wir nicht jede Eigenschaft eines Gegenstands in eine angemessene Erklärung von diesem aufnehmen wollen. Wenn jemand fragt, was Bewusstsein ist, will er in der Regel nicht wissen, wie viele Kreaturen im Universum leben, die Bewusstsein haben. Die Antwort wäre nur kurze Zeit wahr und wir hätten nicht den Eindruck, damit eine wichtige Erklärung erhalten zu haben. Dies scheint sich auf Fälle simpler kontingenter Wahrheiten ausweiten zu lassen. Die Frage, was Bewusstsein ist, scheint keinerlei Auskünfte darüber zu verlangen, welche Eigenschaften es tatsächlich besitzt, aber nicht haben müsste. Als Antwort auf die philosophische Frage danach, was Bewusstsein ist, erscheint es uns nur angemessen, die Eigenschaften zu nennen, die Bewusstsein notwendigerweise hat. Schließlich wollen wir wissen, welche Eigenschaften Bewusstsein konstituieren, und konstitutive Eigenschaften sind klarerweise solche, die ein Ding nicht verlieren könnte – also notwendige. Einige Philosophen glauben außerdem, dass Dinge Essenzen haben, die nicht mit ihren de re notwendigen Eigenschaften zusammenfallen, sondern diesen zugrunde liegen. Was genau diese Essenzen sind, ist eine umstrittene Frage. In der Kripkeanischen Tradition wurden Essenzen mit de re notwendigen Eigenschaften gleichgesetzt (Kripke 1980, 39ff.), doch Kit Fine und Bob Hale haben kritisiert, dass dies die Dinge auf den Kopf gestellt habe. Sie schlagen
18 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität vor, Essenzen als grundlegend – und de re notwendige Eigenschaften als von diesen abgeleitet – zu betrachten (Fine 1994; Hale 2002). Diese Position werde ich, im Gegensatz zum vorher dargestellten Essenzialismus, als „Aristotelischen Essenz-Realismus„ bezeichnen.9 Ich werde die Argumente für und gegen diese Position weiter unten diskutieren. Essenzialismus: Dinge haben de re notwendige Eigenschaften.1011 Aristotelischer Essenz-Realismus: Dinge haben Essenzen. Ihre de re notwendigen Eigenschaften sind von diesen abgeleitet. Hier können wir uns zunächst auf ein Konditional beschränken, dass alle Parteien akzeptieren. Wenn F eine wesentliche Eigenschaft von a ist, dann ist es für a notwendig, F zu sein. Wenn jemand also die These formuliert, es gehöre zur Essenz von Hunden, kleiner als drei Meter zu sein, dann können wir diese These nicht nur dadurch widerlegen, dass wir einen tatsächlichen Hund finden, der 3m groß oder größer ist – was uns nicht gelingen wird. Stattdessen können wir auch zeigen, dass es einen möglichen Hund gibt, der drei Meter groß oder größer ist. Wer also bereit ist, sich auf Essenzen einzulassen, wird häufig Einsichten in metaphysische Modalität zur Grundlage seines Essenz-Wissens machen.12 Wir sehen also, welch zentrale Rolle metaphysische Modalität für die theoretische Philosophie spielen kann. Der Preis für eine solche Erhöhung der Wichtig�� 9 Die Position, die Quine in 1953b als „Aristotelian Essentialism“ bezeichnet, ist dabei identisch mit der hier als „Essenzialismus“ bezeichneten (vgl. auch Hylton 2007, 353). 10 Streng genommen, genügt es für den Essenzialisten, wenn ein einziges Ding eine einzige de re notwendige Eigenschaft hat. Es könnte also zum Beispiel eine theistische Position geben, nach der nur Gott de re notwendige Eigenschaften hat. Obwohl es beträchtliche Uneinigkeit in der Frage gibt, welche Dinge de re notwendige Eigenschaften haben, so ist damit in dieser Debatte doch immer gemeint, dass einigermaßen gewöhnliche Dinge de re notwendige Eigenschaften. 11 Es ist wichtig, dass Essenzialisten nicht nur glauben, dass Dinge irgendwelche notwendigen Eigenschaften haben, sondern dass sie de re notwendige Eigenschaften haben. De dicto modale Eigenschaften, die sich daraus ergeben, wie wir auf Dinge Bezug nehmen, sie uns vorstelle oder ähnliches, werden nicht dieselben epistemischen Probleme auf wie de re modale Eigenschaften. Auf der anderen Seite ist jedoch auch sehr fraglich, ob sie für philosophische Fragen auch nur annähernd genauso interessant sind. Vgl. Della Rocca 2002, 226; 232ff. 12 Vaidya 2010 und Lowe 2008 stellen Ausnahmen dar, die ich weiter unten diskutieren werde.
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keit des Modalen ist jedoch hoch, denn diese geht mit schwerwiegenden erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten einher, die fraglich machen, ob wir mithilfe von Wissen über metaphysische Modalität wirklich anspruchsvolle, ontologische Einsichten gewinnen können.
2.5 Die schwierige Erkenntnistheorie im neuen Bild Das klassisch-empiristische Bild von Modalität hat, bei allen Problemen, den großen Vorteil, eine einfache Erkenntnistheorie zu bieten. Begriffliches Wissen genügt ihm zufolge, um Wissen über Möglichkeit und Notwendigkeit zu erhalten. Dieses simple Mittel steht im Kripke-Bild nur noch sehr begrenzt zur Verfügung. Eine Ausnahme liegt insofern vor, als begriffliche Notwendigkeit metaphysische Notwendigkeit und begriffliche Unmöglichkeit metaphysische Unmöglichkeit impliziert. Dies ist eine relativ einfache Möglichkeit, Wissen über metaphysische Modalität zu erhalten. Es gibt jedoch eine noch einfachere.
2.5.1 Einfaches Wissen über metaphysische Modalität Ein simpler Weg, um modales Wissen zu erlangen, setzt bei Tatsachenwissen an. i. p → ◊m p (äquivalent: ¬p → ¬□m p) Da Tatsächlichkeit Möglichkeit impliziert, dürfen wir natürlich schließen, dass, wenn p der Fall ist, es auch möglich ist, dass p der Fall ist. Die Modalen Empiristen versuchen diese Strategie auf interessantere Fälle modalen Wissens zu erweitern. Ich werden später erklären, wie sie hierbei vorgehen. Der andere einfache Weg zu metaphysisch modalem Wissen nutzt Einsicht in begriffliche Modalität. ii. □b p → □m p (äquivalent: ¬◊b p → ¬◊m p) In diesem Fall können wir also ausgehend von unserem begrifflichen Wissen direkt auf metaphysisch Modales schließen. Der Grund hierfür liegt darin, dass es äußerst unplausibel scheint, dass p begrifflich ausgeschlossen ist, aber die Welt dennoch so hätte beschaffen sein können, dass p der Fall ist. Hierzu müsste man starke Möglichkeiten – metaphysische Möglichkeiten trotz begrifflicher Unmöglichkeiten – postulieren, und es gibt keine guten Gründe, dies zu
20 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität tun13(vgl. Nimtz 2012). Wir werden später sehen, dass die Vertreter einer der zentralen Positionen zu Wissen von metaphysischer Modalität, die Begrifflichen Rationalisten, versuchen, diese Strategie zu generalisieren und über ii hinaus zu erweitern. Ich habe den Übergang von begrifflicher Notwendigkeit zu metaphysischer Notwendigkeit hier als unproblematisch dargestellt. Es drängt sich jedoch die Frage auf, weshalb dies so sein sollte. Kripke hat schließlich gezeigt, dass es kontingente Wahrheiten a priori gibt, deren Wahrheit sich bereits dem zeigt, der die vorkommenden Ausdrücke versteht – die jedoch nicht notwendig wahr sind. Aber diese Fälle sind harmlos, denn alle kontingenten Wahrheiten a priori kommen dadurch zustande, dass der Bezug von einem der in ihnen enthaltenen Ausdrücke durch eine Kennzeichnung festgelegt wird, die starr bezeichnet. Beispielsweise ist „Der Standardmeter ist einen Meter lang“ – ein Paradebeispiel einer kontingenten Wahrheit a priori – deshalb a priori, weil der Bezug von „Meter“ durch die Eigenschaft, so lang wie der tatsächliche Standardmeter zu sein, festgelegt wird. Ein kompetenter Nutzer von „Standardmeter“ kann jedoch a priori erkennen, dass dies so ist, und somit den Fehler vermeiden, aus der begrifflichen Notwendigkeit von „Der Standardmeter ist einen Meter lang“ auf metaphysische Notwendigkeit zu schließen. Da alle derartigen Fälle kontingenter Wahrheiten a priori von dieser Art zu sein scheinen, müssen wir nur prüfen, ob eine solche vorliegt, um zu entscheiden, ob wir es mit einer Ausnahme zu ii zu tun haben (vgl. Nimtz 2012).
2.5.2 Anspruchsvolles Wissen über metaphysische Modalität Mir wird es im Folgenden um die Fälle modalen Wissens gehen, die sich nicht in die Schemata i und ii pressen lassen. Sie stellen die Fälle anspruchsvollen modalen Wissens dar. iii. Wie können wir wissen, ob ◊m p, ohne zu wissen, dass p?
�� 13 Mir scheint, dass dieser Zusammenhang zwischen begrifflicher und metaphysischer Modalität oftmals unterschätzt wird. Wenn metaphysische Modalität so völlig unabhängig von begrifflicher Modalität ist, wie es essenzialistische Kripkeaner vermuten, ist es erklärungsbedürftig, weshalb es keine metaphysisch möglichen begrifflichen Unmöglichkeiten gibt. In einem Bild wie bei Chalmers 2010, in dem metaphysische und begriffliche Modalität verknüpft sind, gibt es eine einfache Erklärung hierfür. Begriffliche Möglichkeit ist Möglichkeit schlechthin, metaphysische Modalität wird relativ zu dieser bestimmt und muss daher enger sein.
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iv. Wie können wir wissen, ob □m p, ohne zu wissen, dass □b p? v. Wie können wir, wenn wir wissen, dass p, wissen, ob □m p? In iii geht es darum, herauszufinden, ob p metaphysisch möglich ist, ohne bereits zu wissen, dass p der Fall ist, oder wenn wir sogar wissen, dass ¬p. Die modalen Prämissen der antimaterialistischen Argumente in der Philosophie des Geistes von Kripke (1980) und Chalmers (1996, 123; 2010) sind Paradebeispiele hierfür. Im Falle von iv ist das Ziel hingegen, Einsicht in metaphysische Notwendigkeit zu erlangen, ohne dass eine begriffliche Notwendigkeit vorliegt, wie es im Falle der Suche nach den wesentlichen Eigenschaften von Gegenständen geschehen soll. Eine befriedigende Theorie modalen Wissens muss in der Lage sein, uns zu zeigen, wie wir in diesen schwierigen, jedoch interessanten, Fällen metaphysisch modales Wissen erlangen können. Hierbei wird allgemein angenommen, dass wir, um herauszufinden, dass □mp, bereits unterstellen dürfen, dass p. Zu klären ist das Konditional p →□mp. Was Philosophen hier also zeigen müssen, ist, wie wir herausfinden können, in welchen Fällen wir von p auf □mp schließen dürfen. Das Problem für diese schwierigen Fälle wurde von Roca-Royes in Anlehnung an das Benacerraf-Trilemma (Benacerraf 1973), das auf mathematische Wahrheiten ausgerichtet ist, formuliert. (a) We have modal knowledge, understood mind-independently (i.e., of the extra-mental world). (b) Any knowledge of the extra-mental world is grounded on causal affection. (c) Any knowledge grounded on causal affection cannot outrun knowledge of mere truths (as opposed to modal truths.) (Roca-Royes 2007)
Ich werde mich an dieses Trilemma anlehnen, halte es jedoch für verbesserungswürdig. (b) ist sehr vage gehalten und es ist fraglich, wie sich Wissen über die Zukunft integrieren lässt, da dieses zumindest nicht direkt auf kausaler Beeinflussung beruht. (c) ist ebenfalls problematisch. Ermöglicht uns dieses kausal erworbene Wissen beispielsweise keine Einsichten in nomologische Modalität? Dann wären auch andere Arten des Wissens, beispielsweise alltägliches oder wissenschaftliches Wissen, hiervon betroffen, und nicht nur Wissen über metaphysische Möglichkeit und Notwendigkeit. Aufgrund dieser beiden Schwierigkeiten verwende ich stattdessen das folgende Quadrilemma, anhand von welchem ich die Positionen zur Modalepistemologie, die ich in der Folge diskutiere, einordne. a. Es gibt metaphysisch‐modale Tatsachen, die sich nicht aus begrifflichen, logisch‐mathematischen, nomologischen und nicht‐modalen
22 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität Tatsachen ergeben– gleich, ob man diese für sich betrachtet oder zusammennimmt. b. Wir haben anspruchsvolles Wissen – entweder empirisch oder a priori – darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist. c. Empirisches Wissen reicht nicht über den Bereich nomologischer Modalität hinaus. d. A priori Wissen reicht nicht über den Bereich des Mentalen und des logisch-begrifflich Modalen hinaus. Die vier Thesen (a), (b), (c) und (d) können nicht alle wahr sein. Die Positionen, die ich in dieser Arbeit diskutieren werde, können danach angeordnet werden, welche der vier Thesen sie verneinen. Tab.1: Positionen zur Modalepistemologie I. Modaler Realismus? Nein (Modaler Antirealismus)
Ja (Modaler Realismus) II. Modales Wissen?
Chalmers, Sidelle, Thomasson
Ja
Nein
(Modaler Antiskeptizismus)
(Modaler Skeptizismus)
III. A priori oder empirisch? a priori
Empirisch
IV. Begrifflich oder nicht? (Modaler Empirismus)
Ja
Nein
(Begrifflicher Rationalismus)
(Modaler Rationa- Williamson, Hill, Biggs, Hanrahan lismus)
Bealer, Peacocke
Yablo, Kripke
In den ersten drei Vierteln der Arbeit (Kapitel 2 - 4) werde ich die Positionen besprechen, die I und II bejahen, also realistisch sind und behaupten, dass wir modales Wissen haben, da sie in den beiden grundlegendsten Fragen überein-
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stimmen und den Mainstream der Debatte um modales Wissen bilden. Es wird jedoch deutlich werden, dass sie alle nicht zeigen können, dass wir modales Wissen erwerben können, woraus sich die Motivation ergibt, die beiden anderen Ansätze zu diskutieren. Hierbei werde ich dem Modalen Skeptizismus nur geringen Raum einräumen, weil die Alternative eines Antirealismus à la Chalmers gegenüber diesem zu viele Vorteile hat. Wir hatten gesehen, dass analytische Wahrheiten einen einfacheren Sonderfall darstellen, da die Klausel der Unabhängigkeit von Begriffen und unserem Geist für sie nicht gilt. Logische Wahrheiten und mathematische Wahrheiten werfen zwar gewisse eigene Probleme auf, aber ich werde sie hier ebenfalls nicht weiter behandeln, da die Möglichkeit logisch-mathematischen Wissens weitgehend unumstritten ist und andere Schwierigkeiten aufwirft als die Frage nach Wissen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist. Die drei Ansätze, auf die sich die Diskussion in dieser Arbeit konzentrieren wird, sind Modaler Rationalismus, Modaler Empirismus und Begrifflicher Rationalismus.14 Diese stehen verschiedenen Herausforderungen gegenüber. Modale Rationalisten vertreten die grundlegende These, dass wir a priori, aber nicht auf Grundlage begrifflicher Kompetenz, Einsicht in metaphysische Modalität erlangen können. Hierfür müssen sie erstens erklären, wie das nichtbegriffliche Vermögen beschaffen ist, das uns a priori Wissen über metaphysische Modalität ermöglichen soll. Ein besonderes Problem sind hier notwendige Wahrheiten a posteriori. Der Modale Rationalist muss zeigen, dass sein nicht auf begrifflicher Kompetenz beruhendes Vermögen sensitiv für den Unterschied zwischen echten und scheinbaren Möglichkeiten oder Notwendigkeiten ist. Hierbei setzen Modale Rationalisten häufig auf Vorstellbarkeit als Mittel zum Erwerb modalen Wissens (Gregory 2010; Kripke 1980; Menzies 1998; Yablo 1993; Geirsson 2005). Andere Theoretiker versuchen, Intuitionen oder gegenständliches Verstehen (Vaidya 2010) zur Grundlage unseres modalen Wissens zu machen. Modale Empiristen hingegen glauben, dass empirisches Wissen zentral für den Erwerb metaphysisch modalen Wissens ist. Sie müssen zeigen, wie wir auf empirischem Wege Wahrheiten erkennen können, die über Wahrheiten über die tatsächliche Welt und nomologische Modalität hinausgehen und zu denen wir somit nur schwerlich in kausalem Kontakt stehen können. Hierbei können zum Beispiel kontrafaktische Konditionale, wie „Hätte es geregnet, wären wir nicht an den Strand gegangen“ eine zentrale Rolle spielen (Hill 2006; Williamson
�� 14 Diese Namen werden nicht einheitlich verwendet. Ich stütze mich durchgehend auf die Bestimmungen, die ich hier und am Anfang der jeweiligen Kapitel angebe.
24 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität 2007; 2007a; vgl. Jenkins 2008; Melnyk 2010; Roca-Royes 2011a; Tahko 2012). Vorstellbarkeit kann auch in empiristischen Theorien modalen Wissens eine Rolle spielen, wird dabei jedoch anders bestimmt als in rationalistischen Ansätzen. Bei Williamson spielt beispielsweise empirisch informierte Vorstellbarkeit eine zentrale Rolle. Auch für Begriffliche Rationalisten, die die Position vertreten, begriffliche Kompetenz sei der Schlüssel zu metaphysisch modalem Wissen, ist Notwendigkeit a posteriori das zentrale Problem, da zum Beispiel „Wasser = H2O“, obwohl notwendig, keine begriffliche Wahrheit darstellt. Um per Begriffsanalyse Einsicht in metaphysische Modalität erlangen zu können, müssen wir also mit Notwendigkeiten a posteriori umgehen. Begriffliche Rationalisten können direkt begriffliche Konsistenz, Analytizität oder Widersprüchlichkeit zum zentralen Indikator für metaphysische Möglichkeit machen. Dabei müssen sie erklären, wie diese trotz de re Modalität und Notwendigkeit a posteriori erlauben sollen, anspruchsvolles Wissen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, ermöglichen können. Es sei erwähnt, dass kaum jemand eine vollständig skeptische Position bezüglich metaphysisch modalem Wissen vertritt.15 Van Inwagen (1998) unterscheidet explizit zwischen alltäglichen modalen Wahrheiten, zum Beispiel „Stuhl a könnte auch zwei Meter weiter links stehen“ und den problematischen modalen Wahrheiten, wie das Wissen um die de re notwendigen Eigenschaften von Dingen. Während er zugesteht, dass wir alltägliches modales Wissen haben können, bestreitet er die Möglichkeit von anspruchsvollem Wissen über de re notwendige Eigenschaften. Jedoch ist nicht völlig klar, ob hierbei wirklich unterschiedliche Schwierigkeiten bestehen, oder ob wir ein Verfahren für alle metaphysisch modalen Wahrheiten nutzen können. Um der Eindeutigkeit willen, werde ich im Folgenden eine Position, die, über Einzelfälle hinausgehend, bestreitet, dass wir anspruchsvolles Wissen über metaphysisch modale Tatsachen haben können, als „schwachen modalen Skeptizismus“ bezeichnen. Eine Position, die bestreitet, dass wir überhaupt metaphysisch modales Wissen erwerben können, werde ich „starken modalen Skeptizismus“ nennen.Was wir nun brauchen, ist eine Theorie, die erstens zeigt, wie wir auf verlässliche Weise wahre Meinungen über metaphysische Modalität erwerben können. Hierzu �� 15 Sauchelli 2011 scheint eine Ausnahme darzustellen. Hawke 2011 verteidigt wie Van Inwagen einen moderaten modalen Skeptizismus, den er allerdings nur dadurch verteidigt, dass er zu zeigen versucht, dass wir mit Vorstellbarkeit à la Yablo kein anspruchsvolles modales Wissen erhalten können. Da mittlerweile eine ganze Reihe von anderen Theorien modalen Wissens auf dem philosophischen Markt vorhanden ist, ist dies klarerweise nicht hinreichend für eine Verteidigung modaler Skepsis.
Die Integration Challenge � 25
muss gezeigt werden, dass unsere Meinungen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, in nicht-zufälliger Weise damit korreliert sind, was metaphysisch möglich und notwendig ist. Die Theorie muss zweitens in der Lage sein, mit den Standardproblemfällen von Notwendigkeit a posteriori umzugehen, denen sich Theorien metaphysisch modalen Wissens ausgesetzt sehen und auf die ich am Ende dieses Kapitels eingehen werde. Diese Standardfälle sind notwendige Identitäten einerseits, de re notwendige Eigenschaften andererseits – wobei wir sehen werden, dass erstere sehr viel weniger problematisch sind als letztere (vgl. Papineau 2012, 81ff.). Es wird sich zeigen, dass es enorm schwierig ist, diese Anforderungen zu erfüllen. Ein Aspekt der Verlässlichkeitsbedingung muss an dieser Stelle besondere Erwähnung finden. Eine Theorie, die erklären soll, wie wir anspruchsvolles Wissen über metaphysische Modalität haben, darf nicht voraussetzen, dass wir bereits ebensolches oder anderes, ebenso schwer oder noch schwerer zu erreichendes Wissen, beispielsweise über die Natur von Gegenständen, haben. Dies ist besonders wichtig, da zahlreiche Ansätze (Vaidya, Williamson, Bealer, Peacocke) an der Erfüllung dieser Bedingung scheitern, wie ich zeigen werde. Ich werde die Kapitel nicht sklavisch anhand dieser Fragen organisieren, aber sie werden stetig den Leitfaden im Hintergrund bilden.
2.6 Die Integration Challenge 2.6.1 Zur Integration von Erkenntnistheorie und Metaphysik Die klassische empiristische Theorie von Modalität macht die modale Erkenntnistheorie sehr einfach, steht jedoch vor schweren Problemen, die ihre Metaphysik betreffen. Andere Theorien weisen vielleicht eine besonders unproblematische Metaphysik auf, machen dafür aber den epistemischen Zugang zur Modalität unmöglich. In Being Known hat Christopher Peacocke (1998) die sogenannte Integration Challenge (IC) formuliert. Laut Peacocke muss eine gelungene Theorie von Modalität die Metaphysik so konstruieren, dass ein epistemischer Zugang gesichert ist, oder die Erkenntnistheorie so anpassen, dass eine akzeptable Metaphysik möglich ist. Daher werde ich, trotz des Fokus auf erkenntnistheoretische Probleme, auch immer wieder auf Aspekte der Metaphysik zu sprechen kommen und am Ende Schlussfolgerungen ziehen, die auch diese betreffen.
26 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität
2.6.2 Modalität und Modale Eigenschaften Ich gebe im Folgenden einen knappen Überblick über die wichtigsten Positionen zur Frage, was die Quelle modaler Eigenschaften ist. Diese werden in der Auseinandersetzung mit den verschiedenen epistemologischen Positionen vertieft. Zuvor sei erwähnt, dass Philosophen, die sich mit Modalität beschäftigen, häufig über mögliche Welten reden, darunter aber ganz verschiedenes verstehen (vgl. Divers 2002, 15ff.). Wenn ich im Folgenden über mögliche Welten spreche, dann ist dies ganz harmlos zu verstehen. Es gibt genau dann eine mögliche Welt, in der p der Fall ist, wenn es metaphysisch möglich ist, dass p.
2.6.2.1 Primitivismus Die einfachste Antwort auf die Frage, woher de re modale Eigenschaften stammen, ist, zu bestreiten, dass diese eine Quelle haben. Primitivisten zufolge haben die Dinge einfach de re modale Eigenschaften. Häufig geht eine solche Position mit einem Mögliche-Welten-Ersatzismus einher (Plantinga 1987; Stalnaker 1979a).
2.6.2.2 Lewis’ Mögliche Welten-Realismus Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die modalen Eigenschaften in Gänze auf etwas anderes zurückzuführen. Hier sind zwei Positionen besonders interessant. David Lewis vertritt einen Mögliche-Welten-Realismus, dem zufolge mögliche Welten konkrete Universen wie unseres (Lewis 1986, 81ff.), jedoch raumzeitlich von diesem isoliert sind (Lewis 1986, 69ff.). Da er mit zahlreichen Problemen, wie beispielsweise mangelnder Sparsamkeit und „ontological extravagance“ (Melia 2003, 113) behaftet ist und erkenntnistheoretisch keine Vorteile zu bieten scheint, wird er nur am Rande behandelt werden.16
2.6.2.3 Aristotelischer Essenz-Realismus Eine andere realistische reduktionistische Strategie besteht darin, de re modale Eigenschaften auf Essenzen zu reduzieren, wobei dies natürlich unmittelbar die Frage aufwirft, wie die Essenzen in einer natürlichen Welt zu verorten sind. (Fine 1994; Hale 2002; Vaidya 2010.) Ich befasse mich weiter unten ausführlich
�� 16 Vgl. Melia 2003, 111ff. und Sider 2003 für eine Diskussion der Haupteinwände gegen Lewis Realismus.
Materialismus als metaphysisch modale These � 27
mit diesem Ansatz, da er unmittelbar mit erkenntnistheoretischen Vor- und Nachteilen verknüpft ist, und einige Philosophen (Lowe 2008; Vaidya 2010) dazu gebracht hat, Essenz-basierte Theorien modalen Wissens zu entwickeln.
2.6.2.4 Antirealistischer Reduktionismus Antirealistische Reduktionisten schließlich sehen die Quelle von Modalität in etwas, was nicht in den Dingen selbst liegt, wie zum Beispiel in unseren (sprachlichen) Konventionen (Sidelle 1989), Normen (Thomasson 2009; 2013) oder in epistemischer und logischer Modalität (Chalmers 2010, 188ff.).17 Diese Positionen nähern sich teilweise und in verschiedenen Graden – Sidelle mehr, Chalmers weniger – dem klassischen empiristischen Bild an, jedoch versuchen heutige Antirealisten, Phänomene wie Notwendigkeit a posteriori und die Starrheit von Eigennamen in ihre Theorien zu integrieren.
2.7 Materialismus als metaphysisch modale These Modale Argumente sind in vielen Bereichen der theoretischen und teilweise auch der praktischen Philosophie von Bedeutung. Ihre Rolle in der Diskussion um die Metaphysik des Mentalen ist dabei herausragend. Die pro- und vor allem die antimaterialistischen modalen Argumente aus der Philosophie des Geistes (Kripke 1980, 144ff.; Yablo 1990; Bealer 1994; Chalmers 1996, 123ff.; 2010; McLaughlin 2010; Bates 2009) werden weiter unten immer wieder auftauchen und sind dem Verständnis der Problematik metaphysisch modalen Wissens sehr nützlich. Daher werde ich im Folgenden zeigen, aus welchem Grund modale Tatsachen für die Frage nach dem Verhältnis von Geist und Körper relevant sind. Materialismus in der Philosophie des Geistes gibt es in verschiedenen Varianten.18 Die grundlegendste Unterscheidung besteht zwischen denjenigen Philosophen, die glauben, dass das Mentale auf das Physische reduzierbar ist, und
�� 17 Zur Frage, ob Chalmers korrekterweise als Antirealist eingeordnet werden kann, nehme ich im letzten Kapitel Stellung. 18 Für eine ausführliche Übersicht über die verschiedenen Varianten des Physikalismus vgl. Stoljar 2009, insbesondere Kap. 6-8; eine systematische Darstellung der materialistischen Ansätze zum phänomenalen Bewusstsein bietet Chalmers 2003.
28 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität denjenigen, die einen nicht-reduktiven Materialismus vertreten.19 Unter den reduktiven Materialisten finden sich wiederum zwei wichtige Richtungen. David Lewis (1966; 1995), Jaegwon Kim (2005, 93ff.) und andere vertreten die Theorie, das Mentale lasse sich begrifflich auf das Physische reduzieren. Diese Theorierichtung wird als A-Priori-Physikalismus oder Typ-A-Physikalismus bezeichnet (Stoljar 2009, Kap. 8). Typ-A-Physikalisten glauben, dass in modalen Argumenten gegen den Materialismus bereits die Prämisse falsch ist, in der die Vorstellbarkeit, scheinbare Möglichkeit oder begriffliche Konsistenz von Zombies, Geistern oder ähnlichem behauptet wird. Dem entgegen gesetzt bestreiten Brian McLaughlin (2001), Christopher Hill (1997), Ned Block, Robert Stalnaker (Block & Stalnaker 1999), David Papineau (1998) und weitere Philosophen, dass wir das Mentale auf Basis des PhysischFunktionalen reduktiv erklären können, glauben aber dennoch, dass mentale Zustände physisch-funktionale Zustände sind. Sie sind damit A-PosterioriPhysikalisten oder Typ-B-Physikalisten (Stoljar 2009, Kap. 8). Sie akzeptieren die Vorstellbarkeit von Zombies und Geistern, bestreiten jedoch, dass wir auf dieser Basis auf deren metaphysische Möglichkeit schließen dürfen. Alle Materialisten, egal welcher Couleur, sind jedoch mindestens auf eine These festgelegt. Da das Mentale physisch sein soll, müssen sich die mentalen Tatsachen vollständig aus den physischen ergeben. Gäbe es eine mögliche Welt, in der alle physischen Tatsachen identisch zu denen in unserer Welt wären und in der keine sonstigen nicht-physischen Tatsachen existierten – ein sogenanntes minimales physisches Duplikat unserer Welt – und in denen sich die mentalen Tatsachen von denen in unserer Welt unterschieden, wäre dies offensichtlich nicht gegeben. Materialistische Minimalthese der globalen Supervenienz: Wenn zwischen den physischen Tatsachen der tatsächlichen Welt W1 und einer möglichen Welt W2 keine Unterschiede bestehen und keine nicht-physischen Tatsachen hinzukommen, dann unterscheiden sich W1 und W2 nicht in ihren mentalen Tatsachen (vgl. Jackson 1993). Hieran lässt sich nun die Bedeutung modaler Argumente für die Diskussion über die Metaphysik des Geistes zeigen. Wenn ein minimales physisches Duplikat unserer Welt möglich ist, das sich in seinen mentalen Eigenschaften von
�� 19 Eine weitere Option besteht darin, einen Eliminativismus zu vertreten, also zu bestreiten, dass es überhaupt mentale Zustände gebe. Da diese Option für die Debatte um modales Wissen keine große Rolle spielt, beziehe ich sie hier jedoch nicht weiter ein.
Materialismus als metaphysisch modale These � 29
dieser unterscheidet, dann ist der Materialismus falsch. Die bekanntesten modalen Argumente wurden erstens von Saul Kripke (1980, 144ff.) gegen die TypIdentitätstheorie20 und zweitens von David Chalmers (1996, 123ff.; 2010) gegen fast21 alle Formen des Materialismus formuliert. Ich betrachte hier zunächst die einfachste Form des Zombiearguments. Diese wird meines Wissens nach von niemandem vertreten, ist aber hilfreich dabei, die grundlegende Struktur dieser Argumente zu veranschaulichen. Die komplexeren Varianten antimaterialistischer Argumente von Kripke, Chalmers und Bealer erfordern einige Kenntnis von deren Modalepistemologie und teilweise auch ihrer Modalmetaphysik und werden daher weiter unten jeweils im Kontext von dieser behandelt. Betrachten wir hier also die einfachste Form des Zombiearguments. 1. 2. 3. 4.
Zombies sind vorstellbar. Wenn Zombies vorstellbar sind, sind Zombies metaphysisch möglich. Also: Zombies sind metaphysisch möglich. Wenn Zombies metaphysisch möglich sind, ist der Materialismus falsch. 5. Also: Der Materialismus ist falsch. Ein philosophischer Zombie ist ein Wesen, das mit einem tatsächlichen, Empfindungen habenden, Wesen physikalisch identisch ist, dem jedoch die Empfindungen fehlen. Dieses Argument ist deduktiv gültig. Materialisten sind auf Prämisse (4) festgelegt. Da (3) aus (1) und (2) und (5) aus (3) und (4) folgt, sind (1) und (2) die beiden problematischen Prämissen des Arguments. Um zu zeigen, dass das Zombieargument schlüssig ist, müssen Anti-Materialisten die folgenden Fragen beantworten. (1) How does physicalism's commitment to some allegedly necessary truth arise? (2) How are we to understand the conceivability of something? (3) Why does the conceivability of something, understood in line with the answer to (2), entail, or even defeasibly support, its possibility? (Melnyk 2001, 345.)
Ich habe die Antwort auf (1) bereits gegeben. Da nahezu alle Materialisten in der Gegenwartsphilosophie sie akzeptieren, werde ich die Verpflichtung auf die globale Supervenienz nicht weiter verteidigen. (2) hingegen ist eine drängende �� 20 Zur Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen der Identitätstheorie vgl. Smart 2007, Kap.6 21 Chalmers’ Argument lässt in der neuesten Fassung eine bestimmte Form des Physikalismus unangetastet. Ich werde dies in Kapitel 5 diskutieren
30 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität Frage, denn wie wir sehen werden, wurden vielfältige Vorschläge gemacht, was Vorstellbarkeit im modalepistemologischen Kontext ist, und die meisten davon sind schon an sich nicht frei von Problemen. Besonders schwierig wird (2) jedoch erst in Kombination mit (3). Hier wird die Herausforderung ausgesprochen, Vorstellbarkeit so zu bestimmen, dass (i) wir wissen können, ob sie vorliegt und (ii) sie in der Lage ist, uns Einsicht in metaphysische Modalität zu ermöglichen. Sowohl einige Modale Rationalisten als auch Begriffliche Rationalisten haben Versuche unternommen, auf (2) und (3) zu antworten, um zu zeigen, dass der Materialismus falsch ist. Modale Empiristen hingegen haben eher Argumente präsentiert, die den Materialismus stärken sollen, indem sie die These der globalen Supervenienz stützen. Besonders die abduktiven Argumente von Block & Stalnaker (1999) und McLaughlin (2010) werden mich im Weiteren beschäftigen. Tab. 2: Positionen zur Metaphysik mentaler Zustände und zur Erkenntnistheorie metaphysischer Modalität Position
Modaler Rationalismus
Modaler Empirismus
Jackson, Levine
Typ A-Physikalismus (A-PrioriPhysikalismus) Hill, McLaughlin, Block, Stalnaker
Typ B-Physikalismus (A-PosterioriPhysikalismus) Dualismus
Begrifflicher Rationalismus
Yablo
Chalmers, Bealer
Die Positionsverteilung in dieser Tabelle ist nicht zufällig. Die modalen Argumente für den Dualismus sind allesamt a priori-Argumente. Es ist schwierig zu sehen, wie ein modales a posteriori-Argument gegen den Materialismus zu gestalten wäre. Typ A-Physikalisten glauben an eine allgemeine Ableitbarkeit des Nicht-Mikrophysischen mit begrifflichen Mitteln aus dem Mikrophysischen und vertreten in Einklang hiermit meist eine Position, die Begriffe ins Zentrum der Modalepistemologie stellt. Da begriffliches Wissen in aller Regel als a priori betrachtet wird,22 vertreten sie somit eine Form des Rationalismus. Typ B-
�� 22 Jenkins 2010a stellt eine Ausnahme dar.
Semantik und Metaphysik bei Kripke � 31
Physikalisten hingegen bekennen sich explizit dazu, dass der Physikalismus eine These ist, die empirisch geprüft werden muss, und wenn sie hierzu modale Argumente nutzen, sind diese folglich in der Regel empirisch. Wir können hieraus den Schluss ziehen, dass wir sowohl in der Auseinandersetzung mit modalepistemologischen Fragen etwas über die Metaphysik des Mentalen, als auch aus dieser etwas über Modalität lernen können. Wenn Vorstellbarkeit infallibel zu Möglichkeit führt, und Zombies vorstellbar sind, ist der Materialismus falsch. Wenn der Typ A-Materialist Recht hat, sind Zombies nicht vorstellbar, wenn der Typ-B-Materialismus wahr ist, folgt aus Vorstellbarkeit nicht metaphysische Möglichkeit. Aufgrund dieser engen Verbindung werde ich immer wieder die Implikationen von Thesen aus beiden Bereichen betrachten, sowohl um zu sehen, wie die Theorien modalen Wissens die Diskussion um die richtige Metaphysik des Mentalen beeinflussen, als auch um aufzuzeigen, welche Lehren sich aus der Philosophie des Geistes für die Epistemologie des metaphysisch Modalen ziehen lassen.
2.8 Semantik und Metaphysik bei Kripke Kripkes Thesen zur Metaphysik des Modalen sind in ihren Grundzügen auch ohne Bezug auf seine Semantik verständlich. Die Frage, wie man diese Thesen interpretiert und wie sie mit semantischen und metasemantischen Überlegungen zusammenhängen, ist jedoch sehr wichtig für die Frage nach einer angemessenen Modalepistemologie. Besonders die Fragen nach der Bedeutung und der Bezugsfestlegung von Eigennamen sind hier zentral. Der Grund dafür ist folgender: Kripkes Thesen, Eigennamen und Natürliche Art-Ausdrücke seien starre Bezeichner, bezeichneten also in jeder möglichen Welt dasselbe Ding – sofern dieses existiert, ansonsten bezeichnen sie nichts – und es gebe Notwendigkeiten a posteriori, werden fast universell akzeptiert. Jedoch stellt sich die Frage, welche Implikationen diese Thesen haben. In der Folge werde ich Kripkes Weg zu diesen beiden Phänomenen darstellen, was die Basis für spätere Interpretationen bilden wird.
2.8.1 Die Starrheit von Eigennamen und Natürliche Art-Ausdrücken Eigennamen, so Kripke, haben eine erklärungsbedürftige semantische Eigenschaft. Sie sind starre Bezeichner.
32 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität Let's call something a rigid designator if in every possible worlds it designates the same object, a nonrigid or accidental designator if that is not the case. Of course we don't require that the objects exist in all possible worlds. (Kripke 1980, 48)
Um uns zu überzeugen, dass Eigennamen (proper names) wirklich starre Bezeichner sind, bietet Kripke einen intuitiven Test an. Der Eigenname „Angela Merkel“ und die Kennzeichnung „Die erste Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland“ bezeichnen beide dieselbe Person, nämlich Angela Merkel. Stellen wir uns aber vor, 2005 wäre Annette Schavan Kanzlerin geworden. In diesem Szenario würde „Die erste Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland“ sich auf Schavan beziehen. „Angela Merkel“ würde jedoch immer noch Angela Merkel bezeichnen. Dies lässt sich dahin verallgemeinern, dass es keine mögliche Welt gibt, in der „Angela Merkel“ jemand anderen als Angela Merkel bezeichnet, während Kennzeichnungen in verschiedenen möglichen Welten verschiedene Dinge oder Personen bezeichnen. Dies lässt sich auch daran sehen, dass wir dem Satz „Angela Merkel hätte nicht die erste Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschlandsein können.“ intuitiv sofort zustimmen, während „Angela Merkel hätte nicht Angela Merkel sein können“ uns ebenso intuitiv falsch vorkommt (Kripke 1980, 48; vgl. Noonan 2012, 12). Was für Eigennamen gilt, trifft auch auf so genannte Natürliche Art-Ausdrücke (Natural Kind Terms) zu (Kripke 1980, 117ff.). Auch diese bezeichnen starr ihr tatsächliches Bezugsobjekt. So bezeichnet „Wasser“, das in der tatsächlichen Welt H2O bezeichnet, in jeder möglichen Welt H2O. In einer möglichen Welt, in der kein H2O existiert, existiert folglich auch kein Wasser, selbst wenn es dort einen wässrigen Stoff gibt, der aber nicht H2O ist. Wenn es in einer möglichen Welt hingegen H2O gibt, dieses jedoch überhaupt nicht wässrig ist, gibt es in dieser möglichen Welt dennoch Wasser. Wasser hätte nicht-wässrig sein können, aber es ist notwendig H2O.23
2.8.2 Notwendige Wahrheiten a posteriori Es ist nahezu unumstritten, dass es notwendige Wahrheiten a posteriori gibt. Die typischen Fälle, die in der Literatur immer wieder diskutiert werden sind zum einen Identitäten wie i. Es ist notwendig, dass Hesperus Phosphorus ist. �� 23 LaPorte 2006 gibt einen guten Überblick über die Probleme, die mit starren Bezeichnern zusammenhängen.
Semantik und Metaphysik bei Kripke � 33
Fast alle Diskussionsteilnehmer sind sich einig, dass i wahr ist. Allgemein sind notwendige Identitäten nicht besonders problematisch, und Wissen über diese lässt sich auf folgendem Wege einfach erwerben. a. Hesperus = Phosphorus b. „Hesperus“ und „Phosphorus“ sind starre Bezeichner. c. Es ist notwendig, dass Hesperus = Phosphorus.24 Daneben gibt es die andere Art von potenziell notwendigen Wahrheiten a posteriori, in denen Eigenschaften als notwendig behauptet werden. Diese werfen jedoch, im Gegensatz zu den Identitäten, enorme epistemologische Schwierigkeiten auf. Fälle wie ii sind deutlich umstrittener als Identitätsaussagen wie i. ii. Queen Elizabeth II. ist notwendigerweise das Kind von George VI. und Elizabeth Bowes-Lyon. Hier lässt sich kein einfaches Argument, das analog zu dem im Falle von i ist, entwerfen. Ein Argument für ii müsste etwa so aussehen. d. Queen Elizabeth ist tatsächlich das Kind von George VI. und Elizabeth Bowes-Lyon. e. Queen Elizabeth ist notwendig das Kind derjenigen, deren Kind sie tatsächlich ist. f. Also: Queen Elizabeth II. ist notwendigerweise das Kind von George IV. und Elizabeth Bowes-Lyon. Doch im Gegensatz zu Prämisse b im Falle von i ist Prämisse e hier keineswegs unproblematisch. Diese ergibt sich nicht aus der Einführung oder Verwendung von Ausdrücken, sondern ist eine problematische modale Behauptung. Daran zeigt sich, dass sich die Erkenntnistheorie notwendiger Eigenschaften von der Erkenntnistheorie notwendiger Identitäten erheblich unterscheidet. Die Notwendigkeit der Identität wird folglich auch von fast allen Diskussionsteilnehmern akzeptiert. Ob es hingegen de re notwendige Eigenschaften wie in ii gibt – und wenn ja, welche Eigenschaften für welche Dinge de re notwendig sind und welche nicht, ist umstritten, wenn auch die Orthodoxie ist, dass Dinge de re notwendige Eigenschaften haben (vgl. Mackie 2006, 18ff.; Della Rocca 2002, 226).
�� 24 Eine etwas ausführlichere Darstellung hierzu findet sich in Papineau 2012, 82f.
34 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität Neben den Fällen, die sich eindeutig einer dieser beiden Kategorien zuordnen lassen, gibt es auch solche, bei denen nicht eindeutig ist, ob sie zum selben Typ wie i oder wie ii gehören. iii. Wasser ist notwendig H2O. i ist ein klarer Fall einer notwendig bestehenden Identität. Hesperus und Phosphorus sind identisch mit der Venus – und miteinander. In ii hingegen geht es darum, dass Queen Elizabeth II. eine Eigenschaft notwendigerweise hat, nämlich die, Kind von George IV. und Elizabeth Bowes-Lyon zu sein. Wie iii zu verstehen ist, ist hingegen unklar. Einerseits könnte man iii als Identitätsaussage „Es ist notwendig, dass Wasser = H2O“ lesen, so dass die Identität von Wasser mit H2O behauptet wird. Man könnte iii aber auch so verstehen, dass Wasser eine de re notwendige Eigenschaft zugeschrieben wird: „Wasser hat notwendig die Eigenschaft, H2O zu sein“ Hinsichtlich der Frage, wie es zur Existenz von Notwendigkeiten a posteriori kommt, gibt es einige Uneinigkeit unter den Philosophen.25 Einerseits kann Notwendigkeit a posteriori essenzialistisch erklärt werden. Wir haben a priori Wissen darüber, welche Eigenschaften, wenn sie vorhanden sind, notwendig vorhanden sind. Wir wissen also zum Beispiel, dass wenn Peter ein Mensch ist, Peter notwendig ein Mensch ist. Dass Peter notwendig ein Mensch ist, ist deshalb nur a posteriori wissbar, weil wir noch empirisch wissen müssen, dass Peter tatsächlich ein Mensch ist (Soames 2011, 79ff.). Die Grundlage von Notwendigkeit a posteriori stellen dieser Position zufolge notwendige oder wesentliche Eigenschaften von Gegenständen dar (Fine 1994; Soames 2006; Lowe 2008). Andere erklären Notwendigkeit a posteriori als Phänomen, das ausschließlich mithilfe empirischer Tatsachen und begrifflicher Modalität erklärt werden kann. Nur Sätze, nicht hingegen Propositionen, sind dieser Position zufolge zugleich notwendig und a posteriori wissbar. Dies kann beispielsweise im Rahmen der Zweidimensionalen Semantik erklärt werden. Dieser zufolge haben Sätze eine primäre und eine sekundäre Intension, von denen dann eine sowohl notwendig als auch a priori, die andere kontingent und a posteriori ist. So gilt, dass „Wasser = H2O“ die kontingente und a posteriori wissbare Intension „Dasjenige, was die Wasser-Rolle spielt, ist H2O“ und die notwendige und a priori wissbare Intension „H2O = H2O“ hat (Jackson 1998). Notwendigkeit a posteriori
�� 25 Soames 2005 und Lowe 2008 einerseits, Sidelle 1989 und Thomasson 2013 andererseits markieren die realistischen und antirealistischen Extreme.
Das Hintergrundbild & Zentrale Thesen der Arbeit � 35
kommt dadurch zustande, dass wir die primäre und die sekundäre Intension miteinander vermischen. Ich werde weiter unten ausführlich auf die zweidimensionale Semantik und ihre Rolle in modalepistemologischen Fragen eingehen.
2.9 Das Hintergrundbild & Zentrale Thesen der Arbeit Das Bild, das wir für das Folgende im Hinterkopf behalten sollten, sieht also in Grundzügen so aus. i. Analytizität, Notwendigkeit und Apriorizität sind nicht dasselbe, sondern stellen semantische, metaphysische und epistemische Kategorien dar, die nicht extensionsgleich sind. ii. Die zentrale Form von Notwendigkeit ist de re Notwendigkeit, also die Form von Notwendigkeit, die sich daraus ergibt, dass Dinge Eigenschaften notwendigerweise haben. iii. Interessantes Wissen über diese de re Modalität ist typischerweise nicht a priori erwerbbar.26 iv. Metaphysische Modalität und die tatsächliche Welt sind auf solche Weise verbunden, dass sich aus Wissen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, anspruchsvolles Tatsachenwissen ableiten lässt – zum Beispiel über das Verhältnis des Mentalen (bzw. des Phänomenalen) und des Physischen. Neben epistemologischen Problemen stellt sich die Frage, was die Wurzel von metaphysischer Modalität oder de re Modalität ist – mögliche Welten, Essenzen oder semantische Tatsachen – oder ob de re modale Eigenschaften einfach da sind, ohne einer weiteren Erklärung zugänglich zu sein. All diese Themen und Fragen werden im Verlauf der Arbeit wieder auftauchen, wobei ich mich im Großteil primär mit der Frage danach, ob und wie wir metaphysisch modales Wissen erwerben können, befassen werde. Erst im letzten Kapitel werde ich einige Überlegungen dazu anstellen, was das Fundament metaphysischer Modalität ist. Ich werde die Thesen vertreten, dass
�� 26 Vgl. Soames 2011 für die These, dass notwendige Identitäten auch a priori wissbar seien.
36 � Das empiristische und das essenzialistische Bild von Modalität
a. wir kein anspruchsvolles Wissen über metaphysische Modalität erwerben können, sofern wir ein realistisches, essenzialistisches Bild vertreten – weder a priori noch a posteriori (Kap. 2-4). b. ein antirealistisches Bild auf Basis der zweidimensionalen Semantik den epistemischen Zugang zu Modalität öffnet und auch metaphysisch akzeptabel ist (Kap. 5). c. die Aussichten auf schlüssige anspruchsvolle ontologische Argumente auf Basis von Wissen über metaphysische Modalität schlecht sind – weil wir bei Akzeptanz eines realistischen Bildes die modalen Prämissen nicht rechtfertigen können (Kapitel 2-4) und die Akzeptanz eines moderat antirealistischen Bildes die Verbindung zwischen Modalität und Aktualität zu sehr schwächt (Kapitel 5).
3 Modaler Rationalismus Modale Rationalisten versuchen, zu zeigen, dass wir über Mittel verfügen, um a priori Wissen über metaphysische Möglichkeit und metaphysische Notwendigkeit zu erwerben. Hierbei stützen wir uns ihnen zufolge nicht primär auf Wissen über logische und begriffliche Zusammenhänge. „[M]etaphysical knowledge – modal knowledge of mind-independent reality – must, if it exists at all, have another basis altogether, being grounded neither in experience nor in logic and concepts.“ (Lowe 2008, 33). Sie vertreten also die beiden zentralen Thesen. a. Wir können a priori Einsicht in metaphysische Modalität gewinnen. b. Die a priori Einsichten in metaphysische Modalität beruhen nicht auf logisch-begrifflichem Wissen. Solange angenommen wurde, dass Apriorizität genau dann vorliegt, wenn Notwendigkeit besteht, ist These a geradezu trivial. Kripke (1980, 35ff.) und Putnam (1975, 232ff.) haben jedoch überzeugend dafür argumentiert, dass es notwendige Wahrheiten a posteriori gibt (vgl. Kapitel 1). Dies stellt Vertreter des Modalen Rationalismus vor die Herausforderung, zu zeigen, wie wir a priori wissen können, dass i. etwas metaphysisch möglich ist. ii. etwas metaphysisch nicht notwendig ist. Kripkes (1980, Teil 3) und Chalmers’ (2010) Argumente gegen den Materialismus sind beispielhafte Versuche, dies zu leisten, indem gezeigt werden soll, dass Zombies metaphysisch möglich sind – wozu ausgeschlossen werden muss, dass es notwendig a posteriori ist, dass es keine Zombies gibt. Ansätze, die modales Wissen auf Wissen über Möglichkeit aufbauen, werden als bottom-up-Ansätze bezeichnet. Daneben ist es jedoch auch möglich, Wissen über Notwendigkeit als Grundlage zu verwenden, also top-down vorzugehen. Um zu wissen, dass es notwendig a posteriori ist, dass a, müssen wir zunächst wissen, dass a der Fall ist. Daher müssen Vertreter von top-down Ansätzen zeigen, wie wir wissen können, dass iii. etwas, wenn es der Fall ist, notwendig ist. Der klassische Ansatz hierzu ist, mit Vorstellbarkeit zu arbeiten. Diese Strategie findet sich bei einer Reihe von Philosophen, vor allem bei Kripke (1980, 121ff.)
38 � Modaler Rationalismus und Yablo (1993). Vorstellbarkeitsansätze werden in diesem Kapitel die zentrale Rolle spielen. Ein anderer Ansatz wurde von Vaidya (2010) und Lowe (2008; 2012; unv.) auf Basis des Essenz-Realismus von Fine (1994) und Hale (2002) entwickelt und beruht auf Einsichten in Essenzen, die modalen Tatsachen zugrunde liegen sollen. In der Folge werde ich diese beiden Ansätze kritisch untersuchen.
3.1 Vorstellbarkeitsansätze Die meisten Philosophen, die eine Form des Modalen Rationalismus vertreten, rücken Vorstellbarkeit ins Zentrum ihrer Theorie modalen Wissens. Die grundlegende Idee hinter diesem Ansatz ist die Vorstellbarkeitsthese: Wenn es vorstellbar ist, dass p, dann ist es metaphysisch möglich, dass p. Diese Ansätze können für sich beanspruchen, auf einer intuitiven Anziehungskraft dieser These zu beruhen, die sich aus deren Verankerung im alltäglichen Denken ergibt. Wenn jemand fragt, ob etwas schlechthin möglich ist, ist es naheliegend, zu versuchen, sich dies vorzustellen – und je nach Erfolg zu schließen, es sei möglich oder unmöglich. Hierbei unterscheiden sich die Ansätze zum einen hinsichtlich ihrer Bestimmung davon, was Vorstellbarkeit ist, und zum zweiten hinsichtlich der Frage, wie stark die angenommene Verbindung zwischen Vorstellbarkeit und Möglichkeit in ihnen ist. Sie sind sich aber darin einig, dass Vorstellbarkeit nicht mit begrifflicher Konsistenz zusammenfällt.27 Die grundlegende Idee hinter ihren Ansätzen ist jedoch immer, dass das Vorliegen von Vorstellbarkeit eng mit dem Bestehen metaphysischer Möglichkeit verbunden ist. Neben der Vorstellbarkeitsthese findet sich bei einigen Philosophen auch deren Umkehrung, also die These, wenn es metaphysisch möglich sei, dass p, dann sei es vorstellbar, dass p (vgl. Kripke 1980, 128ff.; Hetherington 1991, 317). Andere (Yablo 1993; Geirsson 2005; Sturgeon 2010) haben die Verbindung zwischen Vorstellbarkeit und metaphysischer Möglichkeit so abgeschwächt, dass Vorstellbarkeit ein verlässlicher, jedoch nicht infallibler Indikator für metaphysische Möglichkeit sein soll. In der Folge werde ich zunächst erklären, was wir
�� 27 Ansätze, die Vorstellbarkeit und begriffliche Konsistenz assimilieren, diskutiere ich im Kapitel über Begrifflichen Rationalismus (Kap.4).
Vorstellbarkeitsansätze � 39
in etwa unter Vorstellbarkeit zu verstehen haben – und was nicht – und zwischen zwei grundlegenden Arten, Vorstellbarkeit zu bestimmen, unterscheiden. Im Anschluss werde ich zeigen, dass beide Ansätze mit verschiedenen, aber jeweils schwerwiegenden, Problemen zu kämpfen haben, die dazu führen, dass Vorstellbarkeit, nicht-begrifflich verstanden, als Mittel zum Erwerb metaphysischen modalen Wissens weitgehend nutzlos ist.
3.1.1 Was Vorstellbarkeit nicht ist Bereits bei Reid und im Anschluss an ihn, bei Van Cleve (1983, 36), Yablo (1993, 7f.), Gregory (2010) und Byrne (2007, 130) wird deutlich gemacht, dass ein folgender erster Vorschlag, was Vorstellbarkeit als Mittel zum Erwerb metaphysisch modalen Wissens sein kann, falsch sein muss. A.
Es ist für S genau dann vorstellbar, dass p, wenn S – bei bestehendem Wissen – glauben kann, dass p.
Glaubbarkeit ist klarerweise kein geeignetes Kriterium für metaphysische Möglichkeit. Sie ist nicht notwendig für metaphysische Möglichkeit. Niemand kann glauben, dass er selbst nicht existiert, dennoch ist dies metaphysisch möglich. Sie ist aber auch nicht hinreichend, denn die Negationen notwendiger Wahrheiten a posteriori sind bei mangelndem empirischem Wissen sicherlich glaubbar. Lange Zeit wurde von vielen Menschen geglaubt, dass Hesperus und Phosphorus verschieden sind. Dennoch war dies notwendig falsch. Daneben würde Glaubbarkeit zu großen strukturellen Problemen führen. Erstens würde es metaphysische Möglichkeit stark subjektivieren, da jeder Mensch unterschiedliches Vorwissen hat und somit Verschiedenes glauben kann. Zweitens gäbe es in dem Maße mehr metaphysische Möglichkeiten, in dem S weniger wüsste (Yablo 1993, 8). Ein zweiter Vorschlag, der weithin abgelehnt wird, ist der Folgende. B.
Es ist für S genau dann vorstellbar, dass p, wenn S erwägen („entertain“) kann, dass p.
Van Cleve macht deutlich, dass dieser Vorschlag zu Absurditäten führen würde (Van Cleve 1983, 36; vgl. Byrne 2007). Um zu urteilen, dass etwas nicht vorstellbar ist, müssen wir zunächst in der Lage sein, es zu erwägen. Wenn Vorstellbarkeit also Erwägbarkeit wäre, könnten wir nie feststellen, dass etwas unvorstellbar ist. Dies würde dazu führen, dass kaum noch zu sehen wäre, wie es nicht
40 � Modaler Rationalismus möglich sein kann. Auch sind mathematische Falschheiten oder simple modale Falschheiten typischerweise erwägbar. Wenn etwas notwendig falsch wäre, könnten wir gar nicht urteilen, dass es notwendig falsch ist. Auch Erwägbarkeit stellt also keinen guten Kandidaten dar. Ein dritter Vorschlag wäre C.
Es ist für S genau dann vorstellbar, dass p, wenn S sich bildlich ausmalen kann, dass p.
Nun kann bildliche Ausmalbarkeit auf keinen Fall eine notwendige Bedingung für metaphysische Möglichkeit sein. Viele Dinge, die der Fall sind, können wir uns nicht bildlich vorstellen, zum Beispiel, dass über sieben Milliarden Menschen auf der Erde leben oder dass das Universum expandiert. Da das, was der Fall ist, trivialerweise möglich ist, kann bildliche Vorstellbarkeit also höchstens hinreichend für Möglichkeit sein.28 Jedoch ist äußerst fraglich, ob bildliche Vorstellbarkeit hinreichend für Möglichkeit ist. Die Berühmtheit der Werke von M.C. Escher scheint darauf zu beruhen, dass es dem Maler gelungen ist, unmögliche Situationen bildlich darzustellen, zum Beispiel einen Weg, der ohne Steigung an einen höher gelegenen Punkt führt (vgl. Hetherington 1991). Doch selbst wenn es sich zeigen sollte, dass alles, was bildlich vorstellbar ist, auch metaphysisch möglich ist, wäre dies kein sehr wertvoller Sieg für Vertreter von Vorstellbarkeitsansätzen. In den meisten philosophisch interessanten Fällen kämen wir hiermit nämlich keinen Schritt voran. Wie sollen wir uns bildlich ausmalen, dass Wasser H2O ist – oder dass Wasser nicht H2O ist? Oder, wie es besonders für die antimaterialistischen Strategien im dritten Teil wichtig ist, wie sollen wir uns die Identität oder Nichtidentität eines bestimmten mentalen Zustands mit einem physisch-funktionalen Zustand bildlich ausmalen, oder die Existenz eines Wesens, das physisch-funktional eine identische Kopie eines tatsächlichen Menschen ist, jedoch keine phänomenalen Zustände hat? Auch in Gottesbeweisen kann bildliche Vorstellbarkeit scheinbar keine wichtige Rolle spielen, denn zu versuchen, uns die Existenz eines transzendenten Wesens oder seine Abwesenheit bildlich vorzustellen, scheint hoffnungslos. Vertreter bildlicher Ausmalbarkeit könnten hierauf antworten, dass wir zu streng bei unserer Suche nach Bildern waren. Vielleicht könnten wir uns die Existenz von sieben Milliarden Menschen dadurch bildlich vorstellen, dass wir uns einen Mann ausmalen, der nach gründlicher Recherche glaubt, es gebe sieben Milliarden Menschen, oder uns die Identität von Wasser und XYZ vorstel-
�� 28 vgl. Tidman 1994, 299 für weitere Beispiele
Vorstellbarkeitsansätze � 41
len, indem wir sie mit der Vorstellung eines Forschers verbinden, der nachgewiesen hat, dass Wasser XYZ ist (Fiocco 2007, 367). Tidman (1994) hat jedoch darauf hingewiesen, dass dies in das „What counts?“-Problem führt. Für nahezu jede Proposition p können wir uns eine Situation bildlich vorstellen, die irgendwie mit der Wahrheit von p in Verbindung steht. Wenn ich mir nun eine Gruppe Mathematiker vorstellen kann, die gründlich nachgedacht haben, und die zu dem Ergebnis gekommen sind, dass Goldbachs Vermutung wahr und notwendig wahr ist, und eine andere, die nach ebenso gründlicher Untersuchung glaubt, dass Goldbachs Vermutung notwendig falsch ist, scheint bildliche Vorstellbarkeit in diesem schwachen Sinne nicht hinreichend für metaphysische Möglichkeit zu sein. Wir benötigen also ein Diskriminationskriterium, und wie dieses aussehen soll, ist vollkommen nebulös.29
3.1.2 Was Vorstellbarkeit sein soll Wir haben gesehen, was Vorstellbarkeit als Mittel zum Erwerb metaphysisch modalen Wissens nicht sein kann. Doch was könnte sie sein? Hinsichtlich dieser Frage sind die Modalen Rationalisten in zwei Lager gespalten. Um den Unterschied klar zu sehen, kann folgender Fall helfen. Ist es vorstellbar, dass Hesperus verschieden von Phosphorus ist? Wir wissen, dass Hesperus = Phosphorus, und dass Identitäten notwendig sind. Wenn wir dies wissen, so Kripke 1980, können wir einsehen, dass wir uns nicht wirklich vorstellen können, dass Hesperus nicht Phosphorus ist. Ob es wirklich vorstellbar ist, dass Hesperus nicht Phosphorus ist, hängt ihm zufolge davon ab, ob es wirklich metaphysisch möglich ist, dass Hesperus nicht Phosphorus ist. Solchen Ansätzen zufolge gilt, dass nur dasjenige vorstellbar ist, was meta�� 29 Ein ähnliches Problem macht den auf bildlicher Imaginierbarkeit fußenden Ansatz von Kung 2010 modalepistemologisch weitgehend nutzlos. Wie Kung selbst zugibt, benötigen wir immer wieder Intuitionen dazu, was in einem bestimmten vorgestellten Bild wirklich enthalten ist. Dieses ist jedoch umfassender, als er anzunehmen scheint. In philosophisch interessanten Fällen ist es beinahe immer so, dass uns bildliches Vorstellen nicht weiter bringt. Wenn wir uns vorstellen, die durchsichtige, geschmacks – und geruchlose Flüssigkeit in den Flüssen der Erde sei XYZ, dann müssen wir ihm zufolge auf Basis von Intuitionen entscheiden, ob diese Flüssigkeit Wasser ist (Kung 2010, 651f.). Dies trifft jedoch auf alle modalepistemologisch spannenden Fälle zu. Kungs Ansatz steuert kaum etwas bei, letztlich bräuchte er eine Theorie, die zeigt, wann unsere Intuitionen verlässlich sind. Er kann nicht zeigen, dass bildliche Imaginierbarkeit alleine einen modalepistemologischen Wert hat.
42 � Modaler Rationalismus physisch möglich ist (Geirsson 2005, 290). Ansätze, denen zufolge nur vorstellbar ist, was metaphysisch möglich ist, werde ich „nicht-epistemische“ nennen. Doch nicht alle Menschen wissen, dass Hesperus Phosphorus ist. Können diese sich vorstellen, dass Hesperus ≠ Phosphorus? Kripke verneint diese Frage. Menschen, die nicht wissen, dass Hesperus Phosphorus ist, scheint es zwar so, als ob sie sich vorstellen könnten, dass Hesperus nicht Phosphorus ist. In Wahrheit stellen sie sich jedoch etwas anderes vor. Ich werde später darauf eingehen, was genau sie sich vorstellen. Hier ist der entscheidende Punkt, dass es für das vorstellende Subjekt nicht immer transparent30 ist, ob es sich vorstellen kann, dass p. Für die Frage, ob wir uns etwas vorstellen können – und dies herauszufinden ist das entscheidende Problem für Vertreter nicht-epistemischer Ansätze – sind auch externe Faktoren von Bedeutung. Ich werde jedoch, in einer Linie mit und in Ergänzung zu Sonia Roca-Royes (2011) dafür argumentieren, dass wir nicht nur Tatsachenwissen, sondern sogar bereits metaphysisch modales Wissen brauchen, um sicherzustellen, dass etwas wirklich im nicht-epistemischen Sinne vorstellbar ist. Andere Philosophen verbinden Vorstellbarkeit nicht in dieser Weise direkt mit metaphysischer Möglichkeit. Ihnen zufolge ist es vorstellbar, dass Hesperus ≠ Phosphorus, auch wenn dies nicht metaphysisch möglich ist. Ob etwas vorstellbar ist, hängt davon ab, ob ich mich in einen Geisteszustand versetzen kann, der mir aus der Erste-Person-Perspektive wie eine Vorstellung eines bestimmten Sachverhalts erscheint. Eine solche Konzeption von Vorstellbarkeit werde ich als „epistemisch“ bezeichnen. Epistemischen Konzeptionen von Vorstellbarkeit zufolge ist es typischerweise für den Vorsteller transparent, ob er sich etwas vorstellen kann. Der wichtigste Vertreter einer solchen Theorie ist Yablo (1993). Wer eine solche Theorie vertritt, der muss vor allem zeigen, weshalb wir eigentlich von Vorstellbarkeit, so verstanden, auf metaphysische Möglichkeit schließen dürfen.
3.1.3 Epistemische Ansätze Epistemische Ansätze (i.d. Folge Ψ-Vorstellbarkeitansätze) müssen Vorstellbarkeit in irgendeiner Weise an unseren mentalen Zustand binden. Die Antwort auf die Frage, ob etwas vorstellbar ist oder nicht, hängt davon ab „what resources the thinker has available to allow her to think about the situation“ (Geirsson 2005, 290). Ein erster Vorschlag hierzu stammt von James Van Cleve (1983). Es �� 30 Zum Begriff der Transparenz vgl. Chisholm 1981; Gertler 2008, Kap 2.3.
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ist nicht völlig klar, ob dieser einen epistemischen oder einen nichtepistemischen Ansatz vertritt, da „sehen“ faktiv oder nicht-faktiv verstanden werden kann. Da die Probleme für seine Bestimmung jedoch nicht hiervon abhängen, sondern grundlegender sind, werde ich ihn hier einfach mit den epistemischen Vorschlägen behandeln und diese Frage außen vor lassen. D.
(Van Cleves Vorschlag) Es ist für S genau dann vorstellbar, dass p, wenn S intellektuell sieht, dass P möglich ist (Van Cleve 1983, 37).31
Die erste offenkundige Frage stellt sich danach, was es heißt, dass jemand etwas intellektuell sieht. Wenn „sehen“ hier wörtlich gemeint ist, dann benötigen wir eine Erklärung des Mechanismus, der uns erlaubt, modale Tatsachen so zu sehen, wie wir auch die nicht-modale Realität sehen können. Jedoch ist nicht im Geringsten klar, wie ein solcher Mechanismus aussehen könnte, so dass die Analogie zum weit besser verstandenen normalen Sehen höchst fragwürdig ist und uns keinen Grund liefert, an die Verlässlichkeit von Vorstellbarkeitsschlüssen auf Möglichkeit zu glauben. (vgl. Nimtz unv., 135). Falls Van Cleve „sehen“ hier in irgendeinem Sinne metaphorisch meint, ist sein Vorschlag kaum hilfreich, um zu verstehen, was Vorstellbarkeit sein soll. Außerdem ist in diesem Fall nicht mehr auszuschließen, dass es sich beim „intellektuellen Sehen“ doch um ein begriffliches Vermögen handelt, so dass in der metaphorischen Lesart nicht einmal klar ist, ob Van Cleves Vorschlag wirklich als modal rationalistisch gelten kann. Obwohl Van Cleve sich damit bescheidet, Vorstellbarkeit als falliblen Indikator für metaphysische Möglichkeit zu betrachten, kann anhand seiner Definition also nicht gesehen werden, weshalb überhaupt eine systematische Beziehung zwischen den beiden bestehen sollte.
Dominic Gregory hat Definition (E) von Vorstellbarkeit vorgeschlagen. E.
(Gregorys Vorschlag) Es ist für S genau dann vorstellbar, dass p, wenn für S beim Imaginieren der Anschein besteht, dass p (Gregory 2010, 320).
�� 31 In Van Cleve 1983 finden sich eigentlich zwei Bestimmungen von Vorstellbarkeit. Was ich unter (D) angegeben habe, wird dort „starke Vorstellbarkeit“ genannt. Im Gegensatz hierzu ist p für S genau dann schwach vorstellbar, wenn S nicht intellektuell sieht, dass S unmöglich ist. Da Van Cleve jedoch selbst überzeugend darlegt, dass schwache Vorstellbarkeit kein geeignetes Mittel zum Erwerb modalen Wissens ist, werde ich diese hier nicht weiter behandeln und Van Cleves starke Vorstellbarkeit einfach nur „Vorstellbarkeit“ nennen.
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Hier stellt sich erstens die Frage, was mit „Imaginieren„ gemeint ist. Einer Auffassung nach besteht Imaginieren im Formen eines mentalen Bildes (Fiocco 2007, 366). Dies wirft jedoch unmittelbar das Problem auf, das wir mit (C) hatten. Wir benötigen also einen anderen Vorschlag dazu, was Imaginierbarkeit sein soll, den Gregory jedoch nicht liefert. Yablo hat jedoch einen Vorschlag gemacht, der Gregorys ähnelt. F.
(Yablos Vorschlag) „p is conceivable for me if [...] I can imagine a world I take to verify p [& p is inconceivable for me if] I cannot imagine a world that I don't take to falsify p.“ (Yablo 1993, 29).
Hierbei müssen wir uns dasjenige, was wir uns vorstellen – entweder einen Gegenstand, dann imaginieren wir gegenständlich (objectual) oder einen Sachverhalt, dann imaginieren wir propositional (Yablo 1993, 27) – zwar nicht in allen Details vorstellen, aber wir müssen uns die Situation, die wir uns vorstellen, doch als eine vorstellen, in der alles festgelegt ist. So stellen wir uns zwar nicht einen Tiger mit einer bestimmten Anzahl von Streifen vor, aber doch einen Tiger, der eine bestimmte Anzahl von Streifen hat. Imaginieren darf, wie wir gesehen haben, nicht bildlich gemeint sein. Leider gibt auch Yablo keine präzise Bestimmung davon an, was es heißt, etwas zu imaginieren. Während Sachverhalte noch begrifflich vorgestellt werden könnten – was Yablo aber nicht zu meinen scheint – ist für Dinge völlig unklar, wie es genau funktionieren soll, sie sich nicht-bildlich vorzustellen. Da die verheerenden Schwierigkeiten, denen sich epistemische Konzeptionen von Vorstellbarkeit ausgesetzt sehen, unabhängig davon auftauchen, wie genau wir sie bestimmen, ist dieses zusätzliche Problem jedoch weitgehend vernachlässigbar. Wichtig ist, dass epistemische Konzeptionen Vorstellbarkeit so bestimmen, dass es für das Subjekt S transparent ist, ob es sich vorstellen kann, dass p, da dies ausschließlich vom psychologischem Zustand von S abhängt. Ich werde nun zunächst zwei Schwierigkeiten diskutieren, mit denen epistemische Ansätze zu kämpfen haben, und mich dann den nicht-epistemischen Vorstellbarkeitsansätzen zuwenden.
3.1.4 Probleme für epistemische Ansätze I: Das Verfahren Zunächst kann danach gefragt werden, wie eigentlich das Verfahren funktioniert, das dafür sorgt, dass Vorstellbarkeit in verlässlicher Weise metaphysische Möglichkeit anzeigt. Vorstellbarkeitsansätze stehen hier vor sehr grundlegenden Problemen. Während wir für Wahrnehmungswissen eine komplexe Ge-
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schichte über kausale Zusammenhänge erzählen können, die das Objekt der Wahrnehmung mit dem Wahrnehmenden und seinen mentalen Zuständen verbindet, können solche kausalen Zusammenhänge zwischen modalen Sachverhalten und Vorstellbarkeitstatsachen kaum bestehen, da das Modale je nach Theorie entweder kausal vom Tatsächlichen getrennt oder sogar abstrakt ist. In der Folge werde ich zwei Versuche von Menzies und Gregory untersuchen, zu zeigen, dass wir dennoch Grund zur Annahme haben, es bestehe eine angemessene Verbindung zwischen Vorstellbarkeit und Möglichkeit. Darüber, dass eine solche Theorie nötig ist, besteht jedoch kein genereller Konsens. Yablo (Yablo 1993, 4; vgl. auch Roca-Royes 2011) beruft sich hier auf eine Analogie zur Mathematik. Auch bei mathematischem Wissen ist das Verfahren, das unsere a priori Überlegungen und die Tatsachen verbindet, unklar. Dennoch zweifeln wir kaum an unserem mathematischen Wissen. Hieraus folgert beispielsweise Roca-Royes, dass wir auch bei modalem Wissen über die Unkenntnis des Mechanismus hinweg sehen können. Dieses Analogieargument ist jedoch in mehrfacher Weise unbefriedigend. Erstens ist nicht klar, ob mathematische Tatsachen analog zu interessanten modalen Tatsachen sind – handeln doch mathematische Wahrheiten nur von abstrakten Gegenständen, während viele modale Wahrheiten sich auf konkrete Objekte beziehen. Solange wir uns nicht sicher sein können, dass hier eine angemessene Analogie besteht, sollten wir sehr vorsichtig damit sein, von einem Bereich auf den anderen zu schließen. Zweitens kann der Glaube an unsere mathematischen Überzeugungen zumindest pragmatisch durch den riesigen Anteil, den diese am erfolgreichen Projekt der Naturwissenschaften haben, begründet werden. Genau diese Begründung funktioniert für viele modale Tatsachen, für die sich Philosophen interessieren, jedoch nicht oder zumindest nicht offensichtlich. Zwar kommen modale Annahmen in Naturwissenschaften und Alltag vor, gerade essenzialistische Thesen spielen hier jedoch eher eine geringe Rolle.32 Zwar mag es angemessen sein, zu glauben, dass wir gewisses modales Wissen haben, auch wenn wir nicht erklären können, wie wir es erwerben. Eine philosophische Theorie modalen Wissens sollte jedoch danach streben, die Verbindung nicht völlig im Dunkeln zu lassen. Eine solche Motivation kann zum Beispiel hinter den Ansätzen von Chalmers und aller Vertreter des Modalen Empirismus gesehen werden. Jedoch haben auch Modale Rationalisten ver-
�� 32 Vgl. das Kapitel über Abduktion und Modalität (Kap.3, Teil 1) sowie McLaughlin (2001), McLaughlin (2010), Bates (2009) und Biggs (2011) zur Diskussion des Erklärungswerts modaler Tatsachen.
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sucht, sich dieser Herausforderung zu stellen, unter anderem Menzies und Gregory.
3.1.4.1 Menzies: Möglichkeit ist Vorstellbarkeit Eine direkte Möglichkeit, um zu erklären, weshalb Vorstellbarkeit und Möglichkeit verbunden sind, besteht darin, Möglichkeit auf Vorstellbarkeit zurückzuführen. Dieser Vorschlag wurde von Peter Menzies unterbreitet. G.
(Menzies’ Vorschlag) p ist genau dann möglich, wenn ein idealer Vorsteller sich vorstellen kann, dass p (Menzies 1998).
Um Menzies’ Strategie zu verstehen und zu beurteilen, muss erstens erklärt werden, was ein idealer Vorsteller ist. Hierbei ist es wichtig, Zirkularität zu vermeiden. Zweitens muss gefragt werden, ob dieser Vorschlag direkte abzulehnende Implikationen hat, und drittens stellt sich die Frage, ob modales Wissen überhaupt noch relevant ist, wenn man Modalität wie Menzies versteht. Menzies charakterisiert einen idealen Vorsteller auf folgende Weise. Since the powers of this being do not suffer any of the limitations discounted by our practice, we can take the conceivings of this being to limn the boundaries between the possible and the impossible. (Menzies 1998, 269)
Ein solcher Vorsteller ist also von bestimmten Grenzen befreit, die für normale Vorsteller gelten. Es kann ihm zum Beispiel nicht passieren, dass er sich etwas nur deshalb nicht vorstellen kann, weil seine individuelle Imaginationsfähigkeit zu begrenzt ist. Jedoch bleibt zunächst die Frage, was es heißt, sich etwas vorzustellen, und hierauf antwortet Menzies, dies sei eine „mental activity of entertaining a supposition that does not generate an absurdity“ (Menzies 1998, 275). Ist dies eine angemessene Konzeption von Vorstellbarkeit? Auf den ersten Blick erinnert Erwägbarkeit ohne Erzeugung einer Absurdität stark an eine schwache Form von Glaubbarkeit, und dies, so hatten wir gesehen, ist kein geeignetes Mittel zum Erwerb modalen Wissens, da es scheint, dass viele absurde Situationen metaphysisch möglich sind. An anderer Stelle scheint Menzies Absurdität und Widersprüchlichkeit gleichzusetzen, doch die Beispiele für Widersprüche, die er nennt – zeitlich umgekehrte Verursachung und körperlose Geister (Menzies 1998, 265) – sind zumindest keine typischen Kandidaten für begrifflich Widersprüchliches, so dass nicht definitiv geklärt werden kann, was er hiermit meint.
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Die Grundidee seines Ansatzes bleibt dennoch erkennbar. Der Begriff der Möglichkeit soll in bestimmter Weise vom Begriff der idealen Vorstellbarkeit abhängen, so dass wir a priori wissen können, dass dasjenige, was ein idealer Vorsteller sich vorstellen kann, möglich ist. Dies wirft ein erstes Problem auf, dem wir in der Auseinandersetzung mit Chalmers’ Epistemischem Zweidimensionalismus wieder begegnen werden. Wir alle sind keine idealen Vorsteller. Selbst wenn wir wüssten, dass aus idealer Vorstellbarkeit Möglichkeit folgt, hätten wir immer noch die Schwierigkeit, herauszufinden, was ideal vorstellbar ist, da wir kaum völlig sicher sein können, beim Vorstellen keine Fehler gemacht zu haben. Ich werde später näher auf die Frage eingehen, ob ideale Vorstellbarkeit prinzipiell hilfreich für Modalepistemologen ist. Wichtiger ist, dass Menzies, abgesehen von einigen anderen Schwierigkeiten (vgl. Sherratt 2010), vor einem Dilemma steht. Entweder er definiert Vorstellbarkeit wieder anhand von Möglichkeit – dies führt jedoch erstens zu einer definitorischen Zirkularität, so dass wir weiterhin eine unabhängige Definition von Möglichkeit benötigen. Zweitens wird seine Theorie auf diesem Wege eigentlich zu einer Variante nicht-epistemischer Konzeptionen, deren Schwierigkeiten wir gesondert behandeln werden; schließlich wird hier doch „Möglichkeit“ wieder zum Grundbegriff, und die Vorstellbarkeit von p hängt von der Möglichkeit von p ab. Wenn man, wie es Menzies tut, „Vorstellbarkeit“ hingegen letztlich epistemisch bestimmt, dann wird eine solche Position anti-realistisch hinsichtlich Modalität. Da Kripke prima facie gute Gründe geliefert hat, um eine realistische Position zu akzeptieren (Kripke 1980, 47), ist eine Widerlegung seiner Argumente nötig, die Menzies – im Unterschied zu Chalmers (vgl. Kapitel 5) – nicht liefert. Selbst wenn ihm das jedoch gelingen sollte, würde dies nicht dazu führen, dass wir eine überzeugende Position zu Wissen über metaphysische Modalität hätten. Schließlich ist metaphysische Modalität gerade durch ihre NichtIdentität mit epistemischer oder begrifflicher Modalität gekennzeichnet. Theorien à la Menzies, die das epistemische Problem durch eine Bindung metaphysischer Möglichkeit an epistemisch verstandene Vorstellbarkeit zu lösen versuchen, sind somit in erster Linie Theorien darüber, wie Modalität zu verstehen ist. Solange wir eine realistische Konzeption metaphysischer Modalität haben, bietet Menzies’ Ansatz folglich eigentlich gar keine Theorie metaphysisch modalen Wissens. Ich werde im letzten Kapitel selbst eine moderat antirealistische Theorie von metaphysischer Modalität und eine zu ihr passende Erkenntnistheorie verteidigen. An dieser Stelle ist jedoch wichtig zu sehen, dass Menzies’ Theorie nicht als Antwort auf die traditionelle Frage nach der Erwerbbarkeit metaphysisch modalen Wissens verstanden werden kann.
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3.1.4.2 Gregory: Die Analogie zur Wahrnehmung Ein Weg, den Dominic Gregory (2010) vorschlägt, ist, Vorstellbarkeit analog zur Wahrnehmung zu konstruieren.33 Die Grundidee solcher Ansätze ist, dass ein Wahrnehmungs-Anschein, dass p, ein prima-facie-Grund dafür ist, dass p, da Wahrnehmungs-Anscheine durch einen Mechanismus erzeugt werden, der unter guten Umständen verlässlich ist. Vorstellbarkeit kann nun ebenfalls in Begriffen des Scheinens konstruiert werden, so dass Wahrnehmungen sich in etwa so zur Realität verhalten sollen, wie sich Vorstellungen zu Möglichkeit verhalten. Sofern wir generelle skeptische Einwände außen vor lassen, dürfen wir davon ausgehen, dass hinter Wahrnehmungen tatsächlich ein Mechanismus steckt, der dafür sorgt, dass ein Wahrnehmungsanschein, dass p, unter guten Bedingungen ein verlässlicher Indikator dafür ist, dass p. Wenn sich nun also zeigen ließe, dass zwischen Wahrnehmungen und Vorstellungen wirklich eine Analogie besteht, könnten wir hieraus die Verlässlichkeit unserer Vorstellungen ableiten. Betrachten wir Gregorys Vorschlag nochmals. E.
(Gregorys Vorschlag) Es ist für S genau dann vorstellbar, dass p, wenn für S beim Imaginieren der Anschein besteht, dass p (Gregory 2010, 320).
Sehen wir, ob Gregorys Vorschlag helfen kann, die Verbindung von Vorstellbarkeit und metaphysischer Möglichkeit zu begründen. Die erste Frage ist, ob diese Bestimmung von Vorstellbarkeit angemessen ist, wenn Vorstellbarkeitstests als Mittel zum Erwerb modalen Wissens dienen sollen. Hier lassen sich bereits Zweifel anmelden. Hetherington hat darauf hingewiesen, dass zwischen der Beziehung von Vorstellbarkeit und Möglichkeit und der von Wahrnehmung und Realität ein wesentlicher Unterschied besteht. Dieser liegt darin, dass der Inhalt der Proposition, der uns beim Wahrnehmen erscheint, und der Proposition, die wahr ist, falls die Wahrnehmung verlässlich ist, identisch ist. Wenn es mir beim Wahrnehmen erscheint, dass p, und ich damit Recht habe, dann ist p der Fall. Beim Vorstellen ist dies anders. Wenn ich mir erfolgreich vorstelle, dass p, dann ist p nicht der Fall, sondern es ist nur möglich, dass p. Dies spricht bereits dagegen, dass Wahrnehmen und Vorstellen analog funktionieren (Hetherington 1991, 319ff.). Zweitens besteht das Problem, dass, selbst wenn wir hierüber hinwegsehen, der Mechanismus, der beim Wahrnehmen für die Verlässlichkeit sorgt, im Falle
�� 33 Auch Modale Empiristen können eine solche Strategie wählen, wie es u.a. Hanrahan 2009 getan hat. Ich werde ihren Ansatz weiter unten diskutieren.
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des Vorstellens auch dann nicht erhellt wird, wenn wir sehen, dass die Analogie in relevanter Weise besteht. Dies kann nicht durch eine analoge Definition erreicht werden, sondern wir müssten unabhängige Gründe dafür haben, dass Vorstellen verlässlich ist. Wenn wir diese Gründe jedoch haben sollten, dann ist die Analogie zur Wahrnehmung höchstens noch bestärkend, aber sie kann keine entscheidende Arbeit mehr leisten. Dazu kommt, dass die Aussichten Modaler Rationalisten, die Analogie zu etablieren, deutlich schlechter sind als die Modaler Empiristen. Schließlich beruht Wahrnehmung entschieden auf kausalen Prozessen, und daher ist kaum zu sehen, wie ein a priori Vorgang zu dieser analog funktionieren soll.
3.1.5 Probleme für epistemische Ansätze II: Verlässlichkeit Angesichts notwendiger Wahrheiten a posteriori verteidigen Vertreter epistemischer Konzeptionen von Vorstellbarkeit normalerweise eine Position, die sich darauf beschränkt, Vorstellbarkeit als fallibles Mittel zum Erwerb modales Wissens zu betrachten. Zunächst haben wir natürlich weiter das Problem, dass nicht völlig klar ist, was Vorstellbarkeit ist. Klar ist jedoch, dass sie nur vom mentalen Zustand des Vorstellenden abhängen soll, und dies nochmals dahin eingeschränkt, dass nur Unterschiede im mentalen Zustand relevant sein können, die aus der Innenperspektive erkennbar sind. Wenn Vorstellbarkeit ausschließlich von der intrinsischen Beschaffenheit des mentalen Zustands des Vorstellenden abhängt, sind die Aussichten, herauszufinden, ob p vorstellbar ist, für epistemische Theorien gut. Zwar könnte man immer noch skeptische Fragen hinsichtlich unseres Wissens über unsere eigenen mentalen Zustände stellen, doch dieses Problem scheint lösbar und ich werde es außen vor lassen. Das drängende Problem für epistemische Konzeptionen entsteht angesichts notwendiger Wahrheiten a posteriori an der Stelle, an der die Verbindung zu metaphysischer Möglichkeit behauptet wird. Vertreter epistemischer Konzeptionen behaupten normalerweise nur, dass Vorstellbarkeit fallibel zu metaphysischer Möglichkeit führt. Damit lassen sie es zu, dass also manchmal auch etwas vorstellbar ist, was nicht metaphysisch möglich ist. Dies wäre zwar eine Einschränkung, jedoch hätte Vorstellbarkeit immer noch einen Wert für metaphysisch modales Wissen. Betrachten wir nochmal einen konkreten Fall. Es ist metaphysisch unmöglich, jedoch Ψvorstellbar, dass Hesperus nicht Phosphorus ist. Dieser Fall muss den ΨVorstellbarkeitstheoretikern zufolge wie folgt geschildert werden. Lange Zeit war es scheinbar vorstellbar, dass Hesperus ≠ Phosphorus, und wir waren angesichts fehlender Gegenindizien gerechtfertigt, zu glauben, dass ◊ Hesperus ≠
50 � Modaler Rationalismus Phosphorus. Mit der Entdeckung von Hesperus = Phosphorus zeigte sich, dass die Ψ-Vorstellbarkeit in diesem Fall irreführend war. Die Frage, die sich nun stellt, ist folgende. Hat Ψ-Vorstellbarkeit hier einen modalepistemologischen Wert gehabt, der über den Wert von rein begrifflichem Wissen hinausging? Ψ-Vorstellbarkeit kann uns zeigen, dass etwas metaphysisch möglich ist, sofern die Negation nicht notwendig a posteriori ist. Doch hierfür benötigen wir scheinbar kein nicht-begriffliches Vermögen, denn dasselbe gilt für begriffliche Konsistenz. Da Analytizität Apriorizität impliziert, gilt: Wenn wir wissen, dass es begrifflich konsistent ist, dass p, wissen wir auch, dass p metaphysisch möglich ist, sofern ¬p keine nicht-analytische und somit auch nicht a priori wissbare Notwendigkeit darstellt. Da trotz aller Quineschen Zweifel (Quine 1951; vgl. Williamson 2007a, 48-133) begriffliches Wissen wesentlich klarer erscheint als Vorstellbarkeitswissen, ist der epistemische Wert von Ψ-Vorstellbarkeit angesichts der Alternative logisch-begrifflichen Wissens kaum vorhanden, da erstere in Sachen Fallibilität nicht besser abschneidet als letztere. Doch selbst wenn es sich herausstellen sollte, dass es gar keine begrifflichen Wahrheiten und keine Unterscheidung von begrifflicher Konsistenz und Inkonsistenz gibt, würde dies nicht dazu führen, dass Vorstellbarkeit die Rolle übernehmen könnte, der einzige gute, wenn auch fallible, Indikator für Möglichkeit zu sein. Wenn es überhaupt einen Grund gibt, zu glauben, dass das, was vorstellbar ist, oft auch metaphysisch möglich ist, dann deshalb, weil das, was vorstellbar ist, oft auch begrifflich kohärent ist, und wir Erklärungen dafür haben, in welchen Fällen begriffliche Kohärenz hinreichend für Möglichkeit ist, und in welchen nicht. Wenn wir nun die begrifflichen Wahrheiten fallenlassen, gibt es überhaupt keinen Grund mehr, zu glauben, dass zwischen Vorstellbarkeit und Möglichkeit eine Verbindung besteht. Hierzu bräuchten wir eine Theorie, die uns zeigt, wie wir wissen können, ob etwas vorstellbar ist, ohne bereits zu wissen, ob es metaphysisch möglich ist. Da wir diese nicht haben, gibt es keinen Grund, zu glauben, dass es eine Form von Vorstellbarkeit gibt, die wir erlangen können und die zugleich verlässlich ist, wenn es darum geht, Wissen über metaphysische Möglichkeit zu erwerben (vgl. Worley 2003, 21ff.; Jenkins 2010, 316). Roca-Royes insistiert darauf, dass sich Vorstellbarkeit als fallibles Mittel mithilfe eines ähnlichen Bildes retten lässt, wenn wir eine weitere Bedingung einführen.
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The Greeks could find it conceivable that Hesperus and Phosphorus occupy different positions in the sky because of their lack of knowledge that Hesperus is Phosphorus. A Greek who would have behaved as a local SIC [secondary ideal conceiver]34 would rather have required knowledge that Hesperus is not Phosphorus for him to judge it conceivable that Hesperus and Phosphorus occupy different positions in the sky. Given that such knowledge is actually impossible- for its negation is true- that Hesperus and Phosphorus occupy different positions in the sky will never be conceivable if we do not allow lack of knowledge to play a role in conceivability. (Roca-Royes 2011, 27)
Roca-Royes’ Ansatz zielt darauf ab, zu verhindern, dass ein Mangel an empirischem Wissen dafür sorgt, dass wir zu viel für vorstellbar halten. Dies würde dazu führen, dass im Lauf der Zeit und mit fortschreitendem Wissen immer weniger vorstellbar wäre. Vor allem aber würde es eine große Fehlerquelle für Vorstellbarkeitsansätze darstellen. Ihr Ansatz dient dazu, zu verhindern, dass wir zur Akzeptanz nur scheinbar wahrer Vorstellbarkeitsthesen gedrängt werden. Wir würden nicht mehr urteilen, dass Hesperus ≠ Phosphorus vorstellbar ist, weil wir bemerken würden, dass wir, um dies zu wissen, zunächst herausfinden müssten, ob Hesperus Phosphorus ist. Eines Tages würden wir lernen, dass Hesperus = Phosphorus, und somit schließen, dass es nicht vorstellbar ist, dass Hesperus ≠ Phosphorus. Hiermit wird jedoch die epistemische Konzeption von Vorstellbarkeit zugunsten einer nicht-epistemischen aufgegeben – immerhin genügt die Innensicht auf unseren eigenen Geist nicht mehr, um zu beurteilen, ob es vorstellbar ist, dass p. Hierdurch werden sowohl deren Vor- als auch Nachteile übernommen. Einerseits wird Vorstellbarkeit ein viel besserer Indikator für metaphysische Möglichkeit, da Probleme durch Unwissen über notwendige Wahrheiten a posteriori ausgeschlossen werden. Andererseits wird fraglich, ob wir dann noch herausfinden können, ob es vorstellbar ist, dass p. Dies ist die grundlegende Schwierigkeit, mit der nicht-epistemische Ansätze kämpfen.
3.1.6 Nicht-epistemische Ansätze Wenn wir eine epistemische Konzeption von Vorstellbarkeit akzeptieren, dann scheint Vorstellbarkeit keinen Wert für modalepistemologische Fragen zu haben. Wie sieht es jedoch aus, wenn wir eine nicht-epistemische Konzeption zugrunde legen? Kripke (1980) gibt leider keine genaue Erklärung davon an, was er mit Vorstellbarkeit meint. Klar ist jedoch, dass Vorstellbarkeit nur dann �� 34 Ein solcher sekundärer idealer Vorsteller ist dadurch charakterisiert, über vollständige begriffliche Kompetenz und vollständiges empirisches Wissen zu verfügen.
52 � Modaler Rationalismus vorliegt, wenn metaphysische Möglichkeit vorliegt. Ich werde daher mit Stephen Cade Hetheringtons Bestimmung von Vorstellbarkeit arbeiten, die diesen Aspekt betont. G.
(Hetheringtons Vorschlag) Es ist für S genau dann vorstellbar, dass p, wenn S weiß, dass es möglich ist, dass p (Hetherington 1991, 323).
Dieser Vorschlag ist klarerweise nicht-epistemisch, denn er impliziert, dass S sich nur dann vorstellen kann, dass p, wenn p auch metaphysisch möglich ist, da S per Definition nur dann wissen kann, dass p metaphysisch möglich ist, wenn p metaphysisch möglich ist. Doch hilft uns dieser Vorschlag beim Versuch, modales Wissen zu erwerben, weiter? Um zu wissen, dass p vorstellbar ist, müssen wir zweierlei wissen. Erstens, dass S aufgrund eines verlässlichen Verfahrens glaubt, dass p metaphysisch möglich ist, und zweitens, dass p metaphysisch möglich ist.35 Wenn wir aber bereits wissen müssen, ob p metaphysisch möglich ist, um zu wissen, ob p vorstellbar ist, dann kann die Vorstellbarkeit von p beim Erwerb modalen Wissens keine Rolle mehr spielen. Hierin zeigt sich eine wichtige Einschränkung für nicht-epistemische Konzeptionen von Vorstellbarkeit, sofern diese epistemologisch hilfreich sein soll. Zwar soll diesen zufolge p nur dann vorstellbar sein, wenn p auch metaphysisch möglich ist, aber wir benötigen irgendeinen Weg, um zu wissen, dass p vorstellbar ist, ohne bereits zu wissen, ob p metaphysisch möglich ist. Können wir dies herausfinden?
3.1.7 Das Problem der Erreichbarkeit Nicht-epistemische Konzeptionen von Vorstellbarkeit vermeiden das Problem, die Verbindung zwischen Vorstellbarkeit und metaphysischer Möglichkeit erklären zu müssen, da diese stipuliert wird. Der Preis hierfür könnte allerdings hoch sein. Erstens könnte es passieren, dass „vorstellbar“ zum Synonym für „metaphysisch möglich“ degradiert wird, was Vorstellbarkeit als modalepistemologisches Mittel natürlich wertlos machen würde. Um dies zu vermeiden, ohne in eine epistemische Konzeption zu verfallen, muss Vorstellbarkeit als etwas wie „Einsicht in metaphysische Möglichkeit“ oder Ähnliches definiert werden. Neben dem oben behandelten Problem, was Einsicht oder Imaginier-
�� 35 Wir müssen auch wissen, dass S glaubt, dass es möglich ist, dass p. Dies werde ich jedoch nicht problematisieren.
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barkeit sind, ergibt sich jedoch hier die folgende drängende Frage. Wenn S sich p nur dann vorstellen kann, wenn p metaphysisch möglich ist, wie kann S dann sicher sein, dass sie sich p überhaupt vorstellen kann – ohne bereits zu wissen, dass p metaphysisch möglich ist? Wie kann tatsächliche Vorstellbarkeit von scheinbarer Vorstellbarkeit unterschieden werden? Diese Fragen werden Thema dieses Abschnitts sein. Dem Vorkripkeanischen Bild von Modalität zufolge fallen Apriorizität und Notwendigkeit zusammen. Auf dieser Basis lässt sich relativ einfach erklären, weshalb Möglichkeit und Vorstellbarkeit zusammenfallen und wir dennoch in der Lage sind, zu wissen, ob wir uns etwas vorstellen können, ohne zuvor bereits zu wissen, ob dieses möglich ist. Vorstellbarkeit soll ja eine Eigenschaft sein, die es uns ermöglicht, a priori Möglichkeiten zu erkennen. Wenn wir uns nun vorstellen können, dass p, heißt dies, dass es nicht a priori wissbar ist, dass p nicht besteht. Wenn wir nun gründlich prüfen, ob wir uns vorstellen können, dass p, und uns dies gelingt, ist es nicht a priori wissbar, dass ¬p, und somit ist es möglich, dass p. Nach Kripkes Revolution steht diese einfache Strategie zur Sicherung von Vorstellbarkeit nicht mehr zur Verfügung. Betrachten wir wieder die notwendige Wahrheit „Hesperus = Phosphorus“. Es könnte problemlos eine Person geben, die zwar genug Wissen über Astronomie hat, um die Ausdrücke „Hesperus“ und „Phosphorus“ zu verstehen, aber nicht weiß, dass Hesperus = Phosphorus. Es scheint nun so, als ob diese Person in der Lage sei, sich vorzustellen, Hesperus sei nicht Phosphorus. Es scheint so, als ob damit ein Fall von Vorstellbarkeit ohne metaphysische Möglichkeit gefunden wäre, doch Vertreter einer nicht-epistemischen Konzeption von Vorstellbarkeit (i.d. Folge ЄVorstellbarkeit) können sich hiermit natürlich nicht abfinden. Schließlich soll Vorstellbarkeit ihnen zufolge genau dann vorliegen, wenn metaphysische Möglichkeit vorliegt. Wir benötigen also eine Theorie, die es uns erlaubt, mit Fällen umzugehen, in denen p notwendig ist, aber es den Anschein hat, dass ¬p vorstellbar ist. Unter den Versuchen, eine solche Theorie zu finden, nimmt Kripkes Fehlertheorie eine herausragende Stellung ein (Kripke 1980, 142ff.; vgl. Hughes 2004; Vaidya 2007, Kap. 4).
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3.1.7.1 Kripkes Fehlertheorie Betrachten wir Kripkes Fehlertheorie zunächst am Beispiel von „Wasser = H2O“.36 Sowohl „Wasser“ als auch „H2O“ sind starre Bezeichner, so dass wir wissen, dass gilt: Wasser = H2O → □ Wasser = H2O. Da wir außerdem empirisch herausgefunden haben, dass Wasser H2O ist, wissen wir also, dass Wasser notwendig H2O ist. Folglich ist es nicht möglich, dass Wasser nicht H2O ist. Dennoch scheint uns dies vorstellbar. Kripke erklärt diesen Anschein von Vorstellbarkeit auf die folgende Weise. Any necessary truth, whether a priori or a posteriori, could not have turned out otherwise. In the case of some necessary a posteriori truths, however, we can say that under appropriate qualitatively identical evidential situations, an appropriate corresponding qualitative statement might have been false. (Kripke 1980,142)
So glauben wir zum Beispiel, uns vorstellen zu können, dass Wasser und H2O verschieden sind. In Wahrheit stellen wir uns jedoch etwas anderes vor, nämlich dass eine Substanz, die mit Wasser qualitativ identisch ist, von H2O verschieden ist. Eine mögliche Welt, in der kein H2O existiert, sondern eine andere Substanz, XYZ, die aber völlig identische Makroeigenschaften wie H2O in der tatsächlichen Welt hat, ist von der tatsächlichen Welt erst dann unterscheidbar,
�� 36 Die Darstellung, die ich hier gebe, entspricht der Standardlesart von Kripke insofern, als ich Kripke modalepistemologische Thesen zuschreiben. Byrne hat interessante Überlegungen für die These vorgebracht, dass Kripke eigentlich überhaupt keine modalepistemologischen Thesen vertritt. Wenn Kripke davon spricht, dass wir uns keine unmöglichen Situationen vorstellen können, will er Byrne zufolge darauf hinaus, dass es keine unmöglichen Situationen gibt, und versucht nicht, Thesen zum Verhältnis von Vorstellbarkeit und Möglichkeit zu begründen. Byrne gibt zwei Gründe für seine Lesart an. Erstens wäre Kripkes These ihm zufolge nicht gerechtfertigt, und zweitens sagt uns Kripke nichts darüber, was Vorstellbarkeit ist. Obwohl Byrne mit beiden Thesen weitgehend Recht hat, bin ich nicht der Meinung, dass dies als ausreichende Evidenz für seine Lesart gelten kann. In Naming and Necessity findet sich eine ganze Reihe von Annahmen, die eher intuitiv plausibel als im engeren Sinne gerechtfertigt sind, so dass die Nicht-Rechtfertigung der Modalepistemologie keine seltsame Sonderstellung im Werk Kripkes einnimmt. Zweitens kann sich Kripke bei der Nutzung des Begriffs „Vorstellbarkeit“ auf vorhandenes begriffliches Wissen stützen, und auch ohne genaue Begriffsklärung ergibt sich ein grobes Bild davon, was Kripke hiermit meint. Diese Überlegungen werden Byrnes Argumentation natürlich nicht gerecht, so dass ich nicht ausschließen kann, dass Kripke tatsächlich keine Thesen zum Verhältnis von Vorstellbarkeit und Möglichkeit vertreten wollte. Zum Zweck der systematischen Auseinandersetzung werde ich dennoch weiter die hier vorgestellte klassische Lesart zugrunde legen, da diese eine zentrale Determinante der Entwicklung des Modalen Rationalismus darstellt (vgl. Byrne 2007, 128f.; Yablo 2000; Wright 2002; Papineau 2007).
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wenn wir die Mikrostruktur von Wasser kennen. Vergleichen wir nun unsere Welt W und eine andere, vorgestellte, Welt W* wobei in W H2O in den Flüssen fließt, klar, geruchlos etc. ist, in W* jedoch XYZ. Ansonsten unterscheiden sich die Welten nicht. Dann ist es plausibel, anzunehmen, dass die Bewohner von W mit „Wasser“ H2O bezeichnen, die von W* hingegen XYZ. Wir könnten also geneigt sein, zu behaupten, in W* gebe es auch Wasser, aber dort sei es eben nicht H2O, sondern XYZ (vgl. Kripke 1980, 143). Doch wenn wir Kripkes semantische Überlegungen im Kopf behalten, wird klar, dass dies keine angemessene Beschreibung von W* sein kann. Schließlich ist Wasser notwendig H2O, so dass das XYZ in W* kein Wasser sein kann. Was stellen wir uns also wirklich vor, wenn wir glauben, uns vorzustellen, dass Wasser XYZ ist? Kripke zufolge haben wir uns vorgestellt, dass die klare Flüssigkeit, die in den Flüssen fließt, XYZ ist – was qualitativ damit identisch ist, dass Wasser XYZ ist (Kripke 1980, 143). Im Gegensatz zur Vorstellbarkeit von Wasser = XYZ bereitet die Tatsache, dass es vorstellbar ist, dass die klare Flüssigkeit, die in den Flüssen fließt = XYZ, einer nicht-epistemischen Konzeption von Vorstellbarkeit keine Probleme. Schließlich ist „die klare Flüssigkeit...“ ein nicht-starrer Bezeichner, so dass es metaphysisch möglich ist, dass die klare Flüssigkeit... = XYZ, und wenn etwas metaphysisch möglich ist, ist es nach Kripke auch vorstellbar. Dadurch, dass wir wissen, dass Wasser notwendig H2O ist, können wir also sehen, dass wir uns gar nicht wirklich vorstellen können, dass Wasser nicht H2O ist, und wir können erklären, weshalb es uns so scheinen kann, dass wir uns dies vorstellen können. Dieses Modell kann verallgemeinert werden. In allen Fällen, in denen a = b notwendig a posteriori ist, scheint es uns deshalb vorstellbar, dass a ≠ b, weil wir uns in Wahrheit eine andere Situation vorstellen, die zu a ≠ b qualitativ identisch ist. Dies gilt darüber hinaus nicht nur für Identitäten, sondern für alle Fälle von Notwendigkeiten, von denen wir nur a posteriori Wissen erwerben können, zum Beispiel für den Fall, dass F eine de re notwendige Eigenschaft von a ist. Wenn es uns nun vorstellbar scheint, dass a existiert, ohne F zu sein, dann deshalb, weil wir dies damit verwechseln, dass ein Ding, das zu a qualitativ identisch ist, existiert, ohne F zu sein. Wir sind sozusagen propositional verwirrt (Stoljar 2006, 74; Byrne 2007, 126).37 �� 37 Papineau 2007 hält diese Lesart für unangemessen, da sie im Widerspruch zu Kripkes antideskriptivistischer Semantik steht. Papineau zufolge sollten wir Kripkes Argument gar nicht als eines lesen, das eine Erklärung für die scheinbare Möglichkeit gibt, sondern als Hinweis an den Materialisten, dass er sich selbst der intuitiven Anziehungskraft des Dualismus nicht entziehen könne. Soames 2011, 91f. schreibt Kripke diese Fehlertheorie zwar zu, weist sie aber zurück, weil sie auf deskriptivistischen Annahmen fußt.
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3.1.7.2 Zeigt Kripkes Fehlertheorie, dass Є-Vorstellbarkeit hilft, modales Wissen zu erwerben? Es scheint plausibel, dass Kripkes Fehlertheorie den Anschein beseitigen kann, es gebe Fälle von Vorstellbarkeit ohne metaphysische Möglichkeit. Doch es ist fraglich, ob hiermit auch ein Weg zum Erwerb modalen Wissens aufgezeigt wurde. Im diskutierten Beispiel galt, dass wir wussten, dass Wasser H2O ist, und von diesem Wissen aus darauf geschlossen haben, dass es nicht vorstellbar ist, dass Wasser nicht H2O ist. Anschließend fanden wir eine Erklärung für den Anschein der Vorstellbarkeit. Aber in diesem Fall war es nicht Vorstellbarkeit, die uns darüber informierte, dass Wasser notwendig H2O ist. Dies wussten wir bereits zuvor, da wir wussten, dass „Wasser“ und „H2O“ starre Bezeichner sind und dass Wasser = H2O. Hier hat uns also modales Wissen etwas über Vorstellbarkeit gelehrt. Dies scheint für alle Fälle notwendiger Identitäten zu gelten. In solchen Fällen benötigen wir stets logisch-begriffliches und empirisches Wissen, um festzustellen, dass a = b notwendigerweise der Fall ist, und schließen hiervon auf die Unvorstellbarkeit von ¬ (a = b). Das Wissen darüber, dass es nicht vorstellbar ist, dass ¬ (a = b), ist in modalepistemologischer Hinsicht jedoch irrelevant, da wir ja bereits wissen, dass □ a = b. Im Falle notwendiger Eigenschaften sieht es für Є-Vorstellbarkeit nicht besser aus. Zwar können diese nicht direkt mithilfe von logisch-begrifflichem Wissen gewusst werden, aber die Probleme werden hierdurch nicht geringer. Noch immer müssen wir bereits wissen, ob es metaphysisch möglich ist, dass Queen Elizabeth nicht die Tochter von George VI. und Elizabeth Bowes-Lyon ist – per Tatsachenwissen, durch eine anderweitig erreichte Einsicht in metaphysische Modalität o.ä. – um zu entscheiden, ob es vorstellbar ist, dass Queen Elizabeth nicht die Tochter von George VI. und Elizabeth Bowes-Lyon ist. Infolge dessen ist folgende, von Byrne vorgeschlagene Interpretation nicht völlig abwegig. Ihm zufolge entwickelt Kripke gar keine Modalepistemologie, sondern setzt bereits voraus, dass wir Wissen davon haben, was metaphysisch möglich ist, und hieraus schließen, was vorstellbar ist (Byrne 2007). Doch die Frage, ob Kripke versucht hat, zu zeigen, wie wir durch Vorstellbarkeit modales Wissen erhalten, wie es die Standardlesart besagt (vgl. Yablo 2000) oder ob wir annehmen sollten, Kripke habe gar keine solche Theorie entwickelt, ist hier nebensächlich. Es zeigt sich, dass Kripkes Fehlertheorie für den Versuch, metaphysisch modales Wissen a priori zu erwerben, nicht hilfreich ist, da Wissen über Vorstellbarkeit dieser zufolge bereits auf andere Weise erworbenes Wissen über metaphysische Möglichkeit voraussetzt.
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Dazu kommt, dass Kripkes Fehlertheorie eine Voraussetzung macht, die Kripke selbst kaum akzeptieren kann.38 Sie unterstellt, dass alle Fälle von scheinbarer Vorstellbarkeit ohne wirkliche metaphysische Möglichkeit von der gleichen Art sind. Wenn wir uns scheinbar vorstellen können, dass p, obwohl es metaphysisch unmöglich ist, dass p, dann muss die dennoch vorliegende scheinbare Vorstellbarkeit stets dadurch erklärbar sein, dass eine zu p ähnliche Situation vorstellbar ist. Dies setzt jedoch voraus, dass metaphysische Modalität und begriffliche Modalität oder unsere mentalen Zustände in einer engen Verbindung zueinander stehen. So lange wir glauben, dass metaphysische Modalität im Kern de re Modalität ist, es sich also aus den modalen Eigenschaften von Dingen ergibt, was metaphysisch möglich und notwendig ist, gibt es keinen Grund, zu glauben, dass sie in systematischer Weise mit unserem Vorstellungsvermögen verknüpft ist. Es könnte dann doch jederzeit so sein, dass wir uns scheinbar vorstellen können, Barack Obama habe irgendeine Eigenschaft nicht, er diese Eigenschaft aber mit metaphysischer Notwendigkeit hat. Solange wir keinen direkten Zugang zu den modalen Eigenschaften von Dingen haben, aber metaphysische Modalität sich aus diesen ergibt, kann es stets notwendig a posteriori sein, dass ¬p, obwohl es vorstellbar ist, dass p, auch wenn wir diese Vorstellbarkeit nicht weg erklären können.39 Kripkes Fehlertheorie setzt voraus, dass metaphysische Modalität von epistemischer oder begrifflicher Modalität und empirischen Tatsachen vollständig bestimmt wird (vgl. Soames 2006, 290f.). Da Kripke diese Voraussetzung ablehnt, funktioniert seine Modalepistemologie selbst dann nicht, wenn wir vollständiges empirisches Wissen haben.40 �� 38 Dies trifft auch auf die alternative Fehlertheorie von Yablo 2006 zu. Dieser schlägt vor, wir sollten uns nicht auf Kripkes Vorschlag einlassen, da qualitativ identische Rekonstruktion ein zu hoher Anspruch ist, an dem beispielsweise auch „Hitze = Die Bewegung von Molekülen“ scheitert. Stattdessen dürfen wir Yablo zufolge aus scheinbarer Vorstellbarkeit auf metaphysische Möglichkeit schließen, sofern nicht ein Element aus einer Menge bekannter und kontrollierbarer Störfaktoren dies verbietet. Yablos Vorschlag hilft jedoch nicht weiter, da die modalen Eigenschaften von Dingen, solange wir sie nicht kennen, gerade nicht bekannt und kontrollierbar sind. Um dies zu erreichen, bräuchten wir wiederum ein zusätzliches Vermögen, das sensitiv gegenüber de re Modalität ist – und wenn wir dieses zur Verfügung hätten, bräuchten wir Vorstellbarkeit nicht mehr. 39 Vgl. bezüglich der Spannung zwischen Kripkes realistischem Bild von metaphysischer Modalität mit de re Modalität bzw. Essenzen als Grundlage und seiner Theorie modalen Irrtums über qualitativ identische Propositionen Soames (2011). 40 Diese Kritik kann als Widerlegung der optimistischen Lesart von Kripkes Bild zur Verbindung von Vorstellbarkeit und metaphysischer Möglichkeit, wie sie Yablo 2006 nennt, verstanden werden. Diese optimistische Lesart besagt, dass es nur dann vorstellbar scheint, dass p, ohne dass es metaphysisch möglich ist, dass p, weil etwas, was p in systematischer Weise ähnelt, metaphysisch möglich ist. Meine Kritik zeigt, dass diese Annahme nur dann begründet
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Ein Argument von Sonia Roca-Royes (2011) beruht auf einer ähnlichen Überlegung, zielt aber darauf ab, zu zeigen, wie schwer es ist, zu wissen, dass es nicht vorstellbar ist, dass p. Ihr zufolge ist es nicht nur so, dass man für ЄVorstellbarkeitswissen bereits logisch-begriffliches und Tatsachen-wissen benötigt, sondern dass man bereits metaphysisch modales Wissen haben muss. Ihre Kritik ist eigentlich gegen Chalmers gerichtet, lässt sich aber in ähnlicher Weise auch für Kripkes Є-Vorstellbarkeit formulieren. Selbst wenn wir wissen, dass Wasser H2O ist, zeigt dies zunächst nicht, dass es nicht vorstellbar ist, Wasser sei nicht H2O. Halten wir das Folgende fixiert. 1. 2.
Wasser = H2O. (empirisches Wissen) p ist Є-vorstellbar, genau dann wenn p möglich ist. (Definition)
Selbst aus 1 und 2 lässt sich nicht begrifflich ableiten, dass Es ist nicht vorstellbar, dass Wasser ≠ H2O. Hierzu müssen wir 1 so umformulieren, dass sie besagt, dass 1.
□ Wasser = H2O.
oder wir brauchen eine dritte Zusatzprämisse, die uns sagt, dass 3. Wasser = H2O → □ Wasser = H2O. Wenn wir 1 wie genannt umformulieren, benötigen wir bereits modales Wissen, um zu entscheiden, ob es vorstellbar ist, dass Wasser ≠ H2O. Dies nimmt Vorstellbarkeit klarerweise ihren Wert für modalepistemologische Zwecke. Wenn wir hingegen 3 ergänzen, benötigen wir zwar nicht direkt modales Wissen, aber Vorstellbarkeit – nicht-begrifflich verstanden – wird dennoch wertlos. Vielleicht können wir 3 bereits wissen, wenn wir die Ausdrücke „Wasser“ und „H2O“ verstehen. Dann jedoch können wir erst dann wissen, dass es unvorstellbar ist, dass Wasser = H2O, wenn wir schon wissen, dass Wasser H2O ist und dass es, wenn es H2O ist, notwendig H2O ist. Wenn wir dies alles bereits wissen, benötigen wir Vorstellbarkeit jedoch nicht mehr, um Einsicht darein zu erlangen, dass □ Wasser = H2O. Als grundlegendes epistemologisches Mittel wird sie in beiden Fällen nutzlos. Solange wir nicht bereits modales Wissen oder begriffliches und �� ist, wenn wir die Idee ablehnen, metaphysische Notwendigkeit ergebe sich aus de re notwendigen Eigenschaften von Dingen.
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empirisches Wissen haben, die bereits ausreichend für modales Wissen sind, bleibt alles vorstellbar – oder zumindest haben wir kein Mittel mehr zur Hand, um zwischen Fällen echter und nur scheinbarer Vorstellbarkeit zu differenzieren. Der Versuch, zu zeigen, dass wir aufgrund begrifflicher Kompetenz wissen, dass a = b→ □ a = b , hat gute Erfolgsaussichten. a = b→ □ a = b ergibt sich unmittelbar, wenn „a“ und „b“ starre Bezeichner sind, also aus einer Tatsache über semantische Eigenschaften. Zwar wirft dies das Problem auf, wie wir wissen können, dass „a“ und „b“ starre Bezeichner sind, aber dies scheint sich aus der Weise zu ergeben, wie diese Ausdrücke eingeführt wurden oder genutzt werden – und dieses Wissen ist weniger problematisch. Jedoch ist dies kein interessantes modales Wissen, denn es ermöglicht uns nicht, neues TatsachenWissen zu erwerben. Schließlich müssen wir hier bereits wissen, dass a = b, um herauszufinden, dass □ a = b Wenn wir statt einer Identitätsannahme eine Annahme über de re notwendige Eigenschaften betrachten – und dies sind die interessanten Annahmen – dann entstehen ungleich größere Schwierigkeiten. Wie rechtfertigen wir eine Annahme wie „Wenn Barack Obama ein Mensch ist, ist er notwendig ein Mensch“? Ergibt sich dies aus der Bedeutung von „Mensch“? Dann stellt sich die Frage, wieso wir in der Lage sein sollten, Wissen über de re notwendige Eigenschaften in unsere Begriffe zu stecken, die ohne Wissen über metaphysische Modalität kennbar sind? Warum richtet sich der Raum des metaphysisch Modalen nach unseren Begriffen? Dies bleibt dunkel, solange wir ein realistisches Bild von metaphysischer Modalität akzeptieren. Wir können also bei Nutzung einer nicht-epistemischen Form von Vorstellbarkeit (i) nicht wissen, dass es vorstellbar ist, dass p, ohne zu wissen, dass p der Fall ist. (ii) nicht wissen, dass es unvorstellbar ist, dass p, ohne zu wissen, dass ¬p → □ ¬p, und zu wissen, dass ¬p. Somit können wir mit Vorstellbarkeit nur anspruchsloses metaphysisch modales Wissen erreichen. Sobald es um solches Wissen geht, welches sich nicht bereits auf andere Weise einfacher erwerben lässt, wird sie nutzlos.
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3.1.8 Kripkes Argument gegen den Materialismus Auf Basis der Starrheit von Eigennamen und Natürliche Art-Ausdrücken, der Akzeptanz von Notwendigkeiten a posteriori, einer strikten Verbindung zwischen Vorstellbarkeit und metaphysischer Möglichkeit sowie seiner Fehlertheorie hat Kripke ein Argument gegen den Materialismus formuliert (Kripke 1980, 144ff.; vgl. Hughes 2004, 170ff.), das auch dann noch erfolgreich sein kann, wenn eine nicht-epistemische Konzeption von Vorstellbarkeit für modalepistemologische Zwecke allgemein nicht hilfreich ist. Die Grundidee dahinter ist nämlich, dass es Fälle gibt, in denen wir nicht der Gefahr erliegen können, uns etwas nur scheinbar vorzustellen. Kripke zufolge gibt es eine metaphysisch mögliche Situation, die zu Wasser = XYZ qualitativ identisch ist, die jedoch nicht mit ihr identisch ist (Kripke 1980, 143). Dies erklärt die scheinbare Vorstellbarkeit von Wasser = XYZ, ohne dass wir deshalb schließen müssten, es sei wirklich vorstellbar und somit metaphysisch möglich, dass Wasser = XYZ. Typ-Identitätstheoretiker vertreten die These, Typen mentaler Zustände seien identisch zu Typen materieller Zustände (Beckermann 2008, 100f.; BraddonMitchell & Jackson 2007, 95ff.), zum Beispiel Schmerzen = das Feuern von C-Fasern. Aufgrund der Notwendigkeit der Identität gilt auch – und dies kann durch Wissen über die Starrheit von „Schmerzen“ und von „Das Feuern von C-Fasern“ gewusst werden Wenn Schmerzen = das Feuern von C-Fasern, dann □ Schmerzen = das Feuern von C-Fasern. Entsprechend lässt sich folgendes Argument gegen die Typ-Identitätstheorie auf der Grundlage der bisher dargestellten Überlegungen Kripkes formulieren.41
�� 41 Dieses Argument findet sich in genau dieser Form nicht bei Kripke. Hinsichtlich der Interpretation schließe ich mich weitgehend Chalmers 2010, 200ff. an, ohne mich jedoch auf dessen zweidimensionalistische Lesart festlegen zu wollen, weshalb sich meine Rekonstruktion hinsichtlich Prämisse (2) von Chalmers unterscheidet. Dieser baut eine Variante epistemischer Möglichkeit in das Argument ein, die ich hier auslasse. Hill 1997, 62f. hingegen formuliert die erste Prämisse mithilfe des Ausdrucks „It appears to be possible“, begründet dies jedoch mithilfe von „For we can easily imagine, and easily conceive of...“, so dass der Unterschied nicht
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1) Es erscheint vorstellbar, dass Schmerzen ≠ das Feuern von C-Fasern. 2) Wenn es vorstellbar erscheint, dass Schmerzen ≠ das Feuern von CFasern, dann ist es entweder vorstellbar, dass Schmerzen ≠ das Feuern von C-Fasern, oder der Anschein von Vorstellbarkeit resultiert daraus, dass eine qualitativ identische, aber verschiedene Situa tion vorstellbar ist. 3) Es gibt keine zu Schmerzen ≠ das Feuern von C-Fasern qualitativ identische, aber von ihr verschiedene Situation. 4) (aus 1, 2, 3) Es ist vorstellbar, dass Schmerzen ≠ das Feuern von CFasern. 5) Wenn es vorstellbar ist, dass Schmerzen ≠ das Feuern von C-Fasern, dann ist es metaphysisch möglich, dass Schmerzen ≠ das Feuern von CFasern. 6) Es ist metaphysisch möglich, dass Schmerzen ≠ das Feuern von CFasern. (aus (4) und (5)) 7) Wenn es metaphysisch möglich ist, dass Schmerzen ≠ das Feuern von C-Fasern, dann Schmerzen ≠ das Feuern von C-Fasern. 8) Schmerzen ≠ das Feuern von C-Fasern. (aus (6) und (7)) Wenn (8) wahr ist (und das Feuern von C-Fasern das neuronale Korrelat von Schmerzen ist), ist die Typ-Identitätstheorie falsch. (4), (6) und (8) ergeben sich aus den anderen Prämissen. (1) scheint harmlos.42 (3) ist nicht gänzlich unkontrovers, aber plausibel. Für die Schmerz-Seite ist dies ganz klar, denn wie sollte ein Zustand sich genauso anfühlen wie ein Schmerz-Zustand, ohne ein Schmerz-Zustand zu sein? Für die C-Faser-Feuern-Seite ist dies problematischer, denn es besteht wenig Einigkeit hinsichtlich der Frage, was denn die Qualität eines solchen Zustands genau ausmacht und ob nicht ein anderer Zustand doch qualitativ identisch sein könnte (vgl. Chalmers 2010, 150). Dennoch akzeptieren selbst die meisten Materialisten diese Prämisse, und da sie mir nicht der entscheidende Schwachpunkt zu sein scheint (vgl. Bealer 1994; Kap. 4, Teil 4, Abschnitt 6 dieser Arbeit), werde ich mich nicht auf sie konzentrieren. Auf (7) sind Materialisten festgelegt. (2) ist die entscheidende, kontroverse Prämisse. Wenn wir
�� entscheidend ist. Levin 2011 verbindet die scheinbare Vorstellbarkeit und den Anschein von Kontingenz ebenfalls vollständig miteinander. 42 Einwände gegen 1 diskutiere ich im Kapitel zu Chalmers.
62 � Modaler Rationalismus 2) Wenn es vorstellbar erscheint, dass Schmerzen ≠ das Feuern von CFasern, dann ist es entweder vorstellbar, dass Schmerzen ≠ das Feuern von C-Fasern, oder der Anschein von Vorstellbarkeit resultiert daraus, dass eine qualitativ identische, aber verschiedene Situation vorstellbar ist. akzeptieren, muss ein Materialist eine zu Schmerzen ≠ Das Feuern von C-Fasern qualitativ identische Situation ausfindig machen, die von ihr verschieden ist. The strategy was to argue that although the statement [Schmerz = Das Feuern von CFasern] itself is necessary, someone could, qualitatively speaking, be in the same epistemic situation as the original, and in such a situation a qualitatively analogous statement could be false. (Kripke 1980, 150)
Dieser Unterschied zwischen der Originalaussage und einer qualitativ identischen, aber verschiedenen Aussage, der erklärt, weshalb Wasser = XYZ vorstellbar scheint, ohne möglich zu sein, ist im Falle von Schmerzen laut Kripke jedoch nicht vorhanden. Während es Situationen gibt, die zu WasserSituationen qualitativ identisch sind, ohne dass es in ihnen Wasser gibt, gibt es keine Situationen, die zu Schmerz-Situationen qualitativ identisch sind, ohne dass es in ihnen Schmerz gibt (Kripke 1980, 151; vgl. Hughes 2004, 185). Das Empfundenwerden von Schmerzen ist notwendig und hinreichend für die Existenz von Schmerzen, so dass keine Unterscheidung zwischen dem scheinbaren Vorliegen von Schmerz und dem wirklichen Vorliegen von Schmerz möglich ist. Daher kann der Anschein der Vorstellbarkeit von Schmerzen ≠ das Feuern von C-Fasern nicht weg erklärt werden. Zusammen mit (2) und den anderen, weniger kontroversen Prämissen, so Kripke, ergibt sich die Falschheit der TypIdentitätstheorie – außer, es gelingt, die scheinbare Vorstellbarkeit von Schmerzen ≠ Das Feuern von C-Fasern auf andere Weise weg zu erklären. Materialism, I think, must hold that a physical description of the world is a complete description of it, that any mental facts are 'ontologically dependent' on physical facts in the straightforward sense of following from them with necessity. No identity theorist seems to me to have made a convincing argument against the intuitive view that this is not the case. (Kripke 1980, 155)
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Kripkes Argument ist nur gegen die Typ-Identitätstheorie gerichtet,43 es lässt sich jedoch recht einfach auf alle Formen des Materialismus erweitern, indem man die Identitätsannahme durch eine Annahme über eine metaphysisch notwendige Verbindung, beispielsweise grounding, (vgl. Fine 2001; de Rosset 2011; Correia & Schnieder 2012a, 1) zwischen Schmerzen und dem Feuern von CFasern ersetzt und das Argument sonst leicht modifiziert (vgl. Chalmers 2010, 201).
3.1.9 Einwände gegen Kripkes Argument gegen den Materialismus44 Wie Van Inwagen (1998, 244) bemerkt hat, besitzen modale Argumente eine seltsam geringe Überzeugungskraft. So auch in diesem Fall. Materialisten wurden von Kripkes Argument nur selten überzeugt, aber sie wurden gezwungen, ihre Positionen genauer zu durchdenken und zu erklären, weshalb wir nicht glauben sollten, dass Kripkes Argument eine Widerlegung von dieser darstellt. Ich werde hier zunächst einen Vorschlag, der von Christopher Hill vorgebracht wurde, problematisieren und anschließend einen Einwand vorbringen, den ich für überzeugend halte.
3.1.9.1 Psychologische Erklärung der Vorstellbarkeit Christoper Hill (1997; vgl. Hill & McLaughlin 1999) akzeptiert die Verbindung von Vorstellbarkeit und metaphysischer Möglichkeit im Allgemeinen. Im speziellen Fall, in dem es um die Vorstellbarkeit von Schmerzen ≠ Das Feuern von CFasern geht, sieht er jedoch ein Problem, das seiner Ansicht nach dafür sorgt, dass in diesem Fall nicht von der Vorstellbarkeit auf die metaphysische Möglichkeit geschlossen werden darf. Er attackiert also Prämisse (2) von Kripkes Argument. Dies begründet er wie folgt. Wenn wir uns vorstellen, dass Wasser = XYZ, dann nutzen wir in beiden Fällen dieselbe Art von Vorstellung, die er, an Nagel (1974) anschließend, als „perzeptuell“ bezeichnet. Wenn S sich perzeptuell �� 43 Es findet sich bei Kripke auch ein Argument gegen die Token-Identitätstheorie, das jedoch zum einen weniger schlagend, zum anderen für meine Zwecke hier nicht wichtig ist. Vgl. Kripke 1980, 146ff. 44 Ich konzentriere mich hier auf den meiner Ansicht nach entscheidenden Einwand und einen Einwand von Hill, der oft mit diesem entscheidenden Einwand verwechselt zu werden scheint. Auf einige andere Einwände, die teils auf einer anderen Kripke-Lesart beruhen, gehe ich am Rande ein. Vgl. Shoemaker 2011 für eine Reihe von weiteren möglichen Kritikpunkten.
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vorstellt, dass p, dann versetzt sich S in den „conscious state resembling the state we would be in if we perceived [p]“ (Nagel 1974, Fn. 11). Wenn wir uns hingegen die Abwesenheit eines phänomenalen Zustands vorstellen, nutzen wir hierbei unser sympathetisches Vorstellungsvermögen. Wenn S sich sympathetisch vorstellt, dass q, dann versetzt S sich in einen bewussten Zustand, der q selbst ähnelt (Nagel 1974, Fn. 11). Während wir aus der Vorstellbarkeit (im Sinne Kripkes) von p ≠ q auf die metaphysische Möglichkeit von p ≠ q schließen dürfen, wenn wir in beiden Fällen ein Vorstellungsvermögen derselben Art genutzt haben, ist dieser Schluss nicht mehr zulässig, wenn wir uns p perzeptuell, q jedoch sympathetisch vorgestellt haben (Hill 1997, 66). Ein Schlüsselelement bei der Analyse dieses Ansatzes ist, dass Hill der Meinung zu sein scheint, seine Theorie leiste im Wesentlichen das Gleiche wie Kripkes Fehlertheorie, sie erkläre nämlich die scheinbare Vorstellbarkeit von Schmerz ≠ das Feuern von C-Fasern auf eine Weise, die uns zeigt, weshalb wir hieraus keinen Schluss auf die wirkliche Vorstellbarkeit und damit die metaphysische Möglichkeit von Schmerz ≠ Das Feuern der C-Fasern ziehen dürfen (Hill 1997, 65). Doch Chalmers (2010, 181f.) hat darauf hingewiesen, dass Hill etwas anderes getan hat, als Kripke. Dessen Fehlertheorie erklärt, bei erfolgreicher Anwendung, die Vorstellbarkeit von p ≠ q weg, sie zeigt, dass p ≠ q gar nicht wirklich vorstellbar ist. Hill hingegen erklärt nur die Vorstellbarkeit psychologisch, aber er zeigt nicht, dass sie nicht wirklich vorliegt. Ebenso wenig zeigt er, dass aus der Vorstellbarkeit von p ≠ q keine metaphysische Möglichkeit folgt, wenn wir zwei verschiedene Vorstellungsvermögen nutzen. Die Krux ist, dass vermutlich jede Vorstellbarkeitstatsache einer psychologischen Erklärung zugänglich ist. Damit ist jedoch keineswegs gezeigt, dass aus dieser keine entsprechenden Schlüsse gezogen werden dürfen. Die an Nagel anschließende Analyse von Hill liefert daher zwar interessante Einsichten darein, auf welche Weise wir uns verschiedene Situationen vorstellen, kann jedoch Kripkes Argument gegen den Materialismus nicht in Bedrängnis bringen.
3.1.9.2 Vorstellbarkeit, qualitative Identität und Bezugsfestlegung Kripkes Argument beruht, zumindest in der Standardlesart (vgl. Loar 1998; Levine 2001, 47f; Papineau 2007; Shoemaker 2011, 334) darauf, dass wir die scheinbare Vorstellbarkeit von A ≠ B nur dadurch weg erklären können, dass wir zeigen, dass es eine zu A ≠ B qualitativ identische mögliche Situation gibt, die aber nicht wirklich mit A ≠ B identisch ist. Die scheinbare Vorstellbarkeit von Wasser ≠ H2O kann so zum Beispiel durch die tatsächliche Vorstellbarkeit davon, dass es wässriges Zeug gibt, dass nicht H2O ist, weg erklärt werden. Dies
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hängt damit zusammen, dass der Bezug von „Wasser“ durch eine akzidentielle Eigenschaft festgelegt wurde. Es könnte jemanden, zum Beispiel auf einer Zwillingserde geben, der – wie wir – den Bezug von „Wasser“ mithilfe der Kennzeichnung „das wässrige Zeug“ festgelegt hat, wobei dort XYZ dasjenige ist, worauf diese Kennzeichnung zutrifft. Wenn dieser nun „Wasser ≠ H2O“ äußert, benutzt er zwar Ausdrücke, deren Bezug ebenso festgelegt wurde wie auf der tatsächlichen Erde, aber dennoch sagt er etwas anderes, da „Wasser“ für diesen Sprecher einen anderen Bezugsgegenstand hat. Diese Erklärung funktioniert jedoch im Falle von Schmerzen nicht, da der Bezug von „Schmerzen“, im Gegensatz zu dem von „Wasser“, durch eine de re notwendige Eigenschaft von Schmerzen festgelegt wurde, nämlich Schmerzartig zu sein. Wer immer sich in einem Schmerz-artigen Zustand befindet, befindet sich im Zustand des Schmerzen-Habens, und „Schmerz“ ist, im Gegensatz zu „Wasser“, gar nicht mit einem deskriptiven Gehalt assoziiert, der dazu führen könnte, dass wir es für vorstellbar halten, dass Schmerz ≠ das Feuern von C-Fasern, jedoch eigentlich eine andere Situation meinen. Kripke ist demzufolge auf das Prinzip festgelegt Wenn es vorstellbar scheint, dass p, dann ist es entweder wirklich vorstellbar, dass p, oder der Bezug von „p“ ist durch eine akzidentielle Eigenschaft festgelegt, so dass es eine Situation gibt, die qualitativ identisch zu p ist, p aber nicht der Fall ist.45 Die materialistische Standardantwort (vgl. Papineau 2007) auf Kripkes Argument ist nun, die Wahrheit dieses Prinzips zu bestreiten. Kripke scheint vorauszusetzen, dass scheinbare Vorstellbarkeit bzw. der Anschein von Möglichkeit entweder auf Basis der Bezugsfestlegung durch akzidentielle Eigenschaften weg erklärbar ist oder wir auf Möglichkeit schließen dürfen. Hierfür gibt er kaum Gründe an. Materialisten können behaupten, dass es auch notwendige Wahrheiten a posteriori gibt, ohne dass der Bezug der in ihnen vorkommenden Ausdrücke durch akzidentielle Eigenschaften festgelegt wurde. Wenn es genau dann vorstellbar ist, dass p, wenn es metaphysisch möglich ist, dass p, dann könnte es immer noch sein, dass es nur scheinbar vorstellbar ist, dass p – auch wenn hierfür keine Erklärung auf Basis der Bezugsfestlegung durch akzidentielle Eigenschaften verfügbar ist. Um sicherzustellen, dass �� 45 Dieses Prinzip entspricht inhaltlich, wenn auch nicht im Wortlaut, weitgehend dem von Crispin Wright (2002) formulierten – aber zurückgewiesenen -sog. Counter-ConceivabilityPrinzip und dem von Yablo (2000) rekonstruierten sog.Textbook Kripkeanismus. Vgl. Shoemaker 2011, 335.
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es wirklich vorstellbar ist, dass p, müssen wir erst sicherstellen, dass es wirklich metaphysisch möglich ist, dass p – und damit stehen wir wiederum vor dem Problem, bereits metaphysisch modales Wissen zu benötigen, um zu entscheiden, ob Vorstellbarkeit vorliegt. Das Problem, das Kripke einholt, ist auch hier das Fehlen von verlässlichen Indikatoren für metaphysische Möglichkeit, zu denen wir auch Zugang haben. Eine Erklärung dafür, weshalb wir uns auf scheinbare Vorstellbarkeit oder den Anschein von Möglichkeit verlassen dürfen, solange nicht eine bestimmte Fehlererklärung möglich ist, fehlt. Shoemaker (2011, 336) scheint der Ansicht zu sein, dass diese Strategie, um Kripkes antimaterialistischer Konklusion zu entgehen, der oben besprochenen von Hill entspricht.46 Doch es besteht ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Ansätzen. Während Hill eine psychologische Erklärung für die tatsächliche Vorstellbarkeit gibt – was nicht hinreichend ist, um Kripkes Schlussfolgerung effektiv anzugreifen – können und sollten Materialisten den generellen epistemologischen Wert von scheinbarer Vorstellbarkeit oder scheinbarer Möglichkeit in Frage stellen. Sobald wir Kripke zugestehen, dass wir von scheinbarer Vorstellbarkeit auf Vorstellbarkeit und somit auf metaphysische Möglichkeit schließen dürfen, sofern keine Fehlererklärung greift, genügt eine kausale Erklärung nicht mehr. Dann brauchen wir wirklich eine Theorie, die diesen Anschein weg erklärt. Typ B-Materialisten können diesen Anschein jedoch einfach akzeptieren, ihm jedoch die Relevanz für Schlüsse darauf, was metaphysisch möglich ist – und, bei einer nicht-epistemischen Konzeption von Vorstellbarkeit, auch darauf, was vorstellbar ist – absprechen. Wie gezeigt wurde, ist dieser Vorwurf nicht ohne Grundlage.47
�� 46 Levin 2011 teilt die Antworten auf Kripke ebenfalls so ein, dass Hill auf der einen, Papineau auf der anderen Seite steht. Jedoch geht es ihr um den Unterschied zwischen den Philosophen, die es ablehnen, Kripkes Fehlertheorie generell als die einzig funktionierende anzuerkennen und denjenigen, die sie normalerweise akzeptieren, sie aber im Falle seines antimaterialistischen Arguments ablehnen. Die hier vertretene Position gehört klarerweise zu ersteren. 47 Papineau 2002 und Wright 2002 weisen Kripkes Argument auf eine Weise zurück, die nahelegt, dass sie seine Konzeption von Vorstellbarkeit – anders als ich es hier getan habe – als epistemisch auffassen. Sollte diese Lesart richtig sein, könnten die hier vorgenommenen Überlegungen im Wesentlichen immer noch gemacht werden. In Frage steht dann nicht mehr der Übergang von scheinbarer Vorstellbarkeit zu Vorstellbarkeit – dieser Unterschied wird dann aufgehoben – sondern der von Vorstellbarkeit zu metaphysischer Möglichkeit. Um diesen zu rechtfertigen, bräuchte Kripke dann ein Prinzip, das besagt, dass wir von Vorstellbarkeit auf metaphysische Möglichkeit schließen können, sofern keine qualitativ identische Situation die Vorstellbarkeit erklärt. Materialisten können dieses Prinzip wiederum angreifen und die generelle Verlässlichkeit von Vorstellbarkeit in Fragen stellen. Außerdem könnten sie Kripke mit
Vorstellbarkeitsansätze � 67
In der Auseinandersetzung mit Chalmers’ antimaterialistischem Argument wird sich zeigen, dass dessen großer Vorteil gegenüber Kripkes Argument genau darin liegt, dass Chalmers’ Kriterien für das Bestehen echter (primärer) Vorstellbarkeit so beschaffen sind, dass seine Vorstellbarkeitsprämisse nicht durch derartige Überlegungen ausgehebelt werden kann. Auch wenn sich herausstellen sollte, dass es notwendig a posteriori ist, dass Schmerzen = Das Feuern von C-Fasern, hätte dies keinen Einfluss auf die Wahrheit von Chalmers’ Vorstellbarkeitsprämisse.48
3.1.10 Das Scheitern der Vorstellbarkeitsansätze Die verschiedenen Vorstellbarkeitsansätze können uns, wie gezeigt, nicht beim Erwerb anspruchsvollen Wissens darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, helfen. Epistemische Konzeptionen können nie etablieren, dass nicht eine notwendige Wahrheit a posteriori dafür sorgt, dass die Verbindung zwischen Vorstellbarkeit und metaphysischer Möglichkeit durchbrochen wird. Hierfür brauchen wir stets noch ein Vermögen, dass uns hilft, Einsicht in die modalen Eigenschaften der Dinge zu gewinnen, die für die vorgestellte Situation relevant sind. Nicht-epistemische Konzeptionen scheitern daran, dass wir nie wissen können, ob es vorstellbar ist, dass p, ohne die modalen Eigenschaften von Dingen zu kennen – und Wissen über diese ergibt sich nicht aus unserem Wissen über mentale Zustände, begriffliche Tatsachen und empirische Tatsachen. Daher ist Vorstellbarkeit als Mittel zur Einsicht in metaphysische Möglichkeit ungeeignet. Roca-Royes hat außerdem gezeigt, dass auch Unvorstellbarkeitswissen nur zu erhalten ist, wenn begriffliches Wissen und Tatsachenwissen oder modales Wissen bereits soweit vorhanden sind, dass Unvorstellbarkeit als Indikator für Unmöglichkeit gar nicht mehr interessant ist (Roca-Royes 2011, 32ff.).
�� dem Verfahrenseinwand konfrontieren, den ich gegenüber Vertretern einer epistemischen Konzeption von Vorstellbarkeit erhoben habe. Egal, welche Konzeption man wählt, man steht letztlich immer vor dem Dilemma, entweder einen verlässlichen Indikator für metaphysische Möglichkeit zu haben, der jedoch selbst epistemisch unzugänglich ist, oder einen zugänglichen Indikator zu haben, dessen Verlässlichkeit jedoch grundlegend fragwürdig ist. 48 Chalmers’ sekundäre Vorstellbarkeit wäre hiervon betroffen. Er scheint sich dieses Problems jedoch bewusst zu sein, denn sekundäre Vorstellbarkeit spielt für seine Modalepistemologie eine untergeordnete, für sein antimaterialistisches Argument überhaupt keine Rolle.
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Das Problem beider Ansätze ist, dass sie das modalepistemologisch entscheidende Element, nämlich die modalen Eigenschaften der Gegenstände, die für die metaphysische Möglichkeit und Notwendigkeit bestimmter Sachverhalte entscheidend sind, nicht angemessen im Blick behalten. Solange man ein realistisches Bild von metaphysischer Modalität akzeptiert, dem zufolge diese ihre Quelle in modalen Eigenschaften hat, benötigen wir Einsicht in diese modalen Eigenschaften, um anspruchsvolles metaphysisch modales Wissen zu erhalten. Die Ansätze, um die es als nächstes gehen wird, sind explizit dazu erdacht worden, dies zu leisten.
3.2 Essenz-basierte Ansätze Kit Fine hat in seinem Essence and Modality (1994) dafür argumentiert, dass Kripkes Gleichsetzung wesentlicher und notwendiger Eigenschaften falsch ist. Stattdessen, so argumentiert er, sollten wir ein Bild akzeptieren, dem zufolge Dinge Essenzen haben und sich aus diesen ergibt, welche wesentlichen Eigenschaften und, davon abgeleitet, welche de re notwendigen Eigenschaften sie haben (Fine 1994, 3ff.). Diese Position werde ich „Aristotelischen EssenzRealismus„ („AER“) nennen, im Gegensatz zum Essenzialismus, der These, dass Dinge de re notwendige Eigenschaften haben. Neben einer Reihe von Auswirkungen auf die Modalmetaphysik stellt sich die Frage, welche Konsequenzen dies für unser Wissen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, hat. Ich werde hier zunächst Fines Bild skizzieren49 und anschließend zwei Ansätze diskutieren, die zu zeigen versuchen, wie ein epistemischer Zugang zu Essenzen uns Wissen über metaphysische Modalität ermöglicht. Nach der Wiederbelebung der Metaphysik des Modalen durch Kripke (1980), Lewis (1986) und andere, standen in der Debatte um das Fundament metaphysischer Modalität de re notwendige Eigenschaften im Vordergrund und wurden weitgehend als grundlegend betrachtet. Die meisten Philosophen nahmen an, dass wesentliche Eigenschaften einfach de re notwendige Eigenschaften sind.
�� 49 Vgl. Mackie 2006 und Robertson 2008 für einen Überblick über die Debatte um essenzielle und akzidenzielle Eigenschaften im Allgemeinen; Kritik an Fines Metaphysik von Essenzen findet sich in Gorman 2005; Shalkowski 1997; 2008; Lowe 2011; Oderberg 2011 arbeiten die Metaphysik von Essenzen aus.
Essenz-basierte Ansätze � 69
1) F ist genau dann eine wesentliche (= essenzielle) Eigenschaft von a, wenn F eine de re notwendige Eigenschaft von a ist (Kripke 1980, 126; Jackson 2011, 134).
3.2.1 Essenz-Realismus Vertretern des Aristotelischen Essenz-Realismus zufolge ist (1) jedoch falsch. Stattdessen glauben seine Vertreter zwar, dass es gilt, dass 2) Wenn F eine wesentliche Eigenschaft von a ist, dann ist F eine de re notwendige Eigenschaft von a.50 Jedoch vertreten Verteidiger von AER die These, dass es auch de re notwendige Eigenschaften gibt, die keine wesentlichen Eigenschaften sind. Nehmen wir das folgende Beispiel.51 David Hume hat unter anderem die beiden de re notwendigen Eigenschaften, ein Mensch zu sein und nur in Welten zu existieren, in denen die Zahl 256 existiert. Obwohl beide Eigenschaften notwendig sind, sehen wir doch einen Unterschied. Es scheint zu David Humes Natur zu gehören, ein Mensch zu sein, jedoch nicht, nur in Welten zu existieren, in denen die Zahl 256 existiert. Der Unterschied liegt darin, dass erstere Eigenschaft deshalb eine de re notwendige Eigenschaft Humes ist, weil er ist, wie er ist, während letztere jedem Ding zukommt, völlig egal, wie es beschaffen ist.52 Zwar sind nicht alle Beispiele für den Unterschied von nur notwendiger und wesentlicher Eigenschaft so drastisch, aber immer gilt, dass die notwendigen, aber nichtwesentlichen Eigenschaften nicht in angemessener Weise von der Beschaffenheit ihres Trägers abhängen. Hierbei gilt laut AER, dass „essences are the ground of all metaphysical necessity and possibility“ (Lowe 2008, 45), Essenzen also ontologisch grundlegender sind als de re modale Eigenschaften. Essenzen werden hierbei wie folgt verstanden. Definition 1: [REALDEFINITION] A thing’s essence is what is given by the thing’s definition (Fine 1994, 2; vgl. Tahko unv.; Correia 2011).
�� 50 Vgl. Gorman 2005, 276ff. für eine Position, der zufolge etwas zur Essenz eines Dings gehören, aber dennoch nicht metaphysisch notwendig für dieses Ding sein kann. 51 Weitere Beispiele finden sich beispielsweise in Fine 1994,4ff. 52 Vgl. Zalta 2006 für eine Kritik an Fines Überlegungen, die aber nur dessen Argumentation, nicht seine Schlussfolgerung zurückweist.
70 � Modaler Rationalismus Definition 2: [SEIN] A thing’s essence is what it is to be that thing (Fine 1994, 2). Definition 3: [IDENTITÄT] A thing’s essence is the collection of the propositions which are true in virtue of the identity of this thing (vgl. Koslicki 2012, 190). Definition 4: [KONSTITUTION] A thing's essence is it's identity – some fact of the matter that makes the thing what it is and not something else (Shalkowski 2008, 49). Es erscheint mir äußerst fraglich, inwiefern die hier angegeben Definitionen hilfreich sind, um zu verstehen, was genau AER-Verteidiger meinen, wenn sie über Essenzen sprechen. Jedoch sind die Probleme der erkenntnistheoretischen Ansätze weitgehend unabhängig hiervon, so dass ich die Definitionen an diesem Ort nicht diskutieren werde.
3.2.2 Die Erkenntnistheorie metaphysischer Modalität Welche epistemologischen Vorteile kann AER bieten? Auf den ersten Blick keine. Essenzen scheinen uns epistemologisch nicht besser zugänglich zu sein als de re modale Eigenschaften. E.J. Lowe (2008) und Anand Vaidya (2010) sind dem entgegen der Meinung, dass die Einsicht, dass Essenzen grundlegender sind als de re modale Eigenschaften, auch erkenntnistheoretische Vorteile bietet – Lowe scheint sogar der Meinung zu sein, dass nur Essenz-Wissen es uns überhaupt erlaubt, Wissen über von uns unabhängige Tatsachen zu erwerben, was ich unten diskutieren werde. Beide vertreten die These, dass Essenzen nicht nur ontologisch, sondern auch erkenntnistheoretisch basal sind. [...] all knowledge of metaphysical necessity and possibility is ultimately a product of the understanding, not of any sort of quasi-perceptual acquaintance, much less of ordinary empirical observation. (Lowe 2008, 46)
Wer etwas derartiges behauptet, steht natürlich in der Pflicht, zu zeigen, dass wir wirklich in der Lage sind, Einsicht in Essenzen zu gewinnen. Vaidya und Lowe haben versucht, dieser Verpflichtung nachzukommen.
Essenz-basierte Ansätze � 71
3.2.3 Vaidya: Essenz-Verstehen durch imaginative Variation Vaidya hat zu diesem Zweck ein Verfahren vorgeschlagen, nämlich die sogenannte variation-in-imagination (VIM), welche zunächst kein Wissen, sondern das gegenständliche Verstehen von Gegenständen und somit Einsicht in ihre Essenzen erlauben soll. Diese Essenz-Einsicht soll wiederum die Grundlage unseres modalen Wissens sein. Diese direkte Ableitung von metaphysisch modalem Wissen von Essenz-Wissen, setzt die Wahrheit der folgenden Subjunktion voraus. (EN): Wenn die Eigenschaft, F zu sein, sich aus der Essenz von a ergibt, dann ist F eine de re notwendige Eigenschaft von a. (EN) scheint eine eher harmlose These zu sein, und wir können sie Vaidya zugestehen. Jedoch ist wichtig, dass die Umkehrung dieser These typischen Aristotelischen Essenz-Realisten zufolge nicht gilt, es also auch de re notwendige Eigenschaften von Dingen geben kann, die nicht zu deren Essenz gehören. (NEP) ist ihnen zufolge daher falsch. (NEP): Wenn die Eigenschaft, F zu sein, sich nicht aus der Essenz von a ergibt, dann ist es möglich, dass a F nicht hat. Mithilfe des Verstehens von Essenzen werden wir aus diesem Grund auf direktem Wege nur Wissen über Notwendigkeit und Unmöglichkeit erlangen. Um zu wissen, dass es möglich ist, dass ein Gegenstand O eine Eigenschaft F hat, müssen wir nicht nur ausschließen, dass die Essenzen dieses Gegenstands dies unmöglich machen, sondern auch, dass die Essenzen anderer Gegenstände dies ausschließen – denn die modalen Wahrheiten ergeben sich aus den Essenzen aller Dinge (Fine 1994, 10). Allerdings könnte man hier mit einer Trennung zwischen intrinsischen und relationalen Eigenschaften für Abhilfe sorgen. Es ist prima facie unplausibel, dass ein Gegenstand eine intrinsische Eigenschaft notwendig hat, sich dies jedoch nicht aus seiner eigenen Beschaffenheit, sondern aus der Essenz eines anderen Gegenstands ergibt.
3.2.3.1 Verstehen und Wissen Vaidya nutzt Einsicht in die Essenzen von Gegenständen als Ausgangspunkt für den Erwerb metaphysisch modalen Wissens. Dies scheint jedoch in einen Regress zu führen, solange wir nicht in der Lage sind zu zeigen, wie wir Wissen von Essenzen haben können. Bei seinem Versuch, diesem Problem entgegenzu-
72 � Modaler Rationalismus treten, meidet Vaidya Essenz-Wissen und setzt stattdessen auf das Verstehen von Essenzen. Dies soll den Vorteil bieten, dass gegenständliches Verstehen, im Gegensatz zu Wissen, mit epistemischem Glück vereinbar ist. Das Problem des epistemischen Glückhabens tritt bereits in Gettiers Is Justified True Belief Knowledge? (Gettier 1963; vgl. Steup 2006) deutlich zutage und hat sich für Theorien des Wissens immer wieder als schwere Bürde erwiesen. Wir sind einfach nicht bereit, jemandem Wissen zuzuschreiben, der eine wahre Meinung hat, die er aber nur dadurch erworben hat, dass er Glück hatte, und nicht aufgrund der Anwendung eines verlässlichen Verfahrens, einer Kompetenz oder durch eine angemessene Rechtfertigung. Vaidya glaubt, dass wir unser Wissen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, nicht auf Wissen über die Essenzen von Gegenständen gründen können, da wahre Meinungen über Essenzen epistemisches Glück erfordern. Daher verzichtet er auf dieser Ebene auf Wissen und versucht stattdessen, metaphysisch modales Wissen auf dem Verstehen von Essenzen aufzubauen. Was jedoch ist damit gemeint, Essenzen zu verstehen?
3.2.3.2 Was Vaidya unter Verstehen versteht „Verstehen“ (understanding) ist ein Ausdruck, der auf viele unterschiedliche Weisen gebraucht wird. Es kann den Zustand des Glaubens, der Einsicht, des Begreifens etc. bezeichnen. Vaidya hat ein technisches Verständnis davon, was es heißt, zu verstehen, und meint hiermit genauer Kvanvigs (2003; 2009) gegenständliches Verstehen (objectual understanding). Hierbei geht es also nicht um das Verstehen von Sätzen oder Propositionen, sondern von Dingen. Zwar macht Vaidya nicht weiter explizit, was er mit diesem Verstehen genau meint, und auch Kvanvig (2009) ist in dieser Frage äußerst zurückhaltend, doch geht es ihm auf jeden Fall um eine nicht-propositionale Einsicht darein, was es heißt, ein bestimmtes Ding zu sein (Vaidya 2010, 816ff.). Die laut Vaidya entscheidende Eigenschaft, die gegenständliches Verstehen von propositionalem Wissen unterscheidet, ist, das ersteres mit epistemischen Glück vereinbar ist, letzteres hingegen nicht (Vaidya 2010, 816).
3.2.3.3 Wie funktioniert die imaginative Variation? Um das von Vaidya vorgeschlagene Verfahren zu nutzen, müssen wir uns zunächst ein Objekt O1 zu einem bestimmten Zeitpunkt mitsamt einer Reihe von Eigenschaften E1, E2, ...; En, von denen wir glauben, dass O1 sie hat, betrachten. Anschließend beginnen wir die imaginative Variation, indem wir Szenarien entwerfen, wobei wir in jedem Szenario eine der vorgestellten Eigenschaften
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durch eine andere Eigenschaft ersetzen. Wie im Falle der oben diskutierten Vorstellbarkeitsansätze ist auch hier keine bildliche Imagination vonnöten. Hingegen besteht eine notwendige Bedingung des imaginativen Variierens darin, dass das Objekt O1 in jedem Schritt erhalten bleibt. Dies ist die Objekterhaltungsbedingung. (Vaidya 2010, 821). Weiterhin verlangt ein Verfahren, das Essenz-Einsicht zum Fundament unseres metaphysisch modalen Wissens macht, dass der Erhalt von O1 in der imaginativen Variation nicht zufällig ist (Vaidya 2010, 822) und dass die Eigenschaften, die das Subjekt zur imaginativen Ersetzung tatsächlicher Eigenschaften nutzt, solche sind, die es kennt (Vaidya 2010, 822). Durch diese Variation von Eigenschaften sollen wir in die Lage versetzt werden, zu sehen, welche Eigenschaften des Objekts O1 bestehen bleiben müssen, damit es noch dasselbe Objekt ist, welche Eigenschaften man wegnehmen kann und welche im Gegenzug hinzugefügt werden können. Angesichts eines solchen Vorgehens liegt ein Einwand nahe, den Vaidya auch sieht. Die VIM scheint uns keinen echten Fortschritt zu bringen. Dies zeigt sich an der Objekterhaltungsbedingung. Woher wissen wir, nachdem wir eine Eigenschaft E1 durch eine andere, E2, ersetzt haben, ob O1 noch erhalten geblieben ist oder ob E1 möglicherweise eine wesentliche Eigenschaft von O1 ist und wir somit durch die Ersetzung von E1 durch E2 auch O1 durch O2 ersetzt haben? Mussten wir hierzu nicht bereits wissen, ob E1 eine wesentliche Eigenschaften von O1 ist? Vaidya formuliert diesen Einwand stärker formalisiert und hält ihn für Ansätze, die auf Essenz-Wissen beruhen, für schlagend (Vaidya 2010, 823). An dieser Stelle jedoch wird seine Unterscheidung zwischen Verstehen und Wissen fruchtbar gemacht. Essenz-Wissen erfordert, dass kein epistemisches Glückhaben vorliegt. Essenz-Verstehen geht diesem Problem aus dem Weg, weil es mit dem Haben epistemischen Glücks vereinbar ist. Selbst wenn O1 nur zufällig während der VIM erhalten bleibt, können wir durch die VIM gegenständliches Verständnis von O1 erwerben. Zum anderen kann laut Vaidya auch die Objekterhaltungsbedingung aufgegeben werden. Um Wissen über O1 zu erwerben, sind ihm zufolge nur die Szenarien nützlich, in denen O1 vorkommt. Für gegenständliches Verstehen ist dies hingegen nicht der Fall. If (VIM) is aimed at objectual understanding, it need not be the case that the object is preserved in each scenario. Any scenario that does not contain it is a scenario that plays a role in the subject arriving at an objectual understanding of the essence of O. In a scenario where some O* is present the subject can see how changing a property destroys the object. This accidental insight into the object being changed allows the subject to comprehend why the property in question is essential. (Vaidya 2010. 824)
74 � Modaler Rationalismus So soll es uns die VIM ermöglichen, Einsichten in die Essenzen von Gegenständen zu gewinnen, die nicht zu Wissen, aber zu einem gegenständlichen Verstehen führen sollen (Vaidya 2010, 824).
3.2.3.4 Gegenständliches Verstehen und Essenz-Wissen. Ein Dilemma Setzen wir für den Moment voraus, dass dieses Verfahren funktioniert und wir somit gegenständliches Verständnis von Objekten gewinnen können, das Essenz-Einsichten liefert. Wie gelangen wir von diesem zu modalem Wissen – oder zumindest zu wahren, mithilfe eines verlässlichen Verfahrens erworbenen Überzeugungen? Der Weg scheint zunächst simpel. Wenn ich weiß, dass O1 die Eigenschaft F1 wesentlich hat, weiß ich auch, dass es notwendig ist, dass, wenn O1 existiert, es die Eigenschaft F1 hat. Der Weg von Essenzen zu modalen Eigenschaften scheint denkbar kurz zu sein. Tatsächlich würde ich sofort zustimmen, dass der Weg von Essenz-Wissen zu modalem Wissen kurz, direkt und frei von Tücken ist.53 Doch Essenz-Wissen hat uns Vaidya ja gar nicht versprochen, sondern nur Essenz-Verstehen. Wie gelangen wir von einem solchen Verstehen, dass nicht-propositional zu sein scheint und mit Glück vereinbar ist, zu EssenzWissen oder auch direkt zu Wissen über metaphysische Modalität? Vaidya erklärt nicht, wie dies funktionieren soll, und es bleibt dunkel, wie ein Verfahren, das Glück erlaubt, zu einem Resultat führen soll, das nicht durch Glück zustande gekommen sein darf. Vaidya erklärt nicht, wie genau der Schritt vom Verstehen von Objekten zum Essenz-Wissen und zum modalen Wissen aussehen soll. Stattdessen scheint er dazwischen zu schwanken, einerseits das Verstehen konsequent nicht-propositional aufzufassen (Vaidya 2010, 815), andererseits aber auch direkt Wissen über Essenzen daraus abzuleiten (Vaidya 2010, 822). Doch genau hier zeigt sich ein Problem für seinen Ansatz. Um sein Ziel zu erreichen, muss das gegenständliche Verstehen es uns erlauben, Gegenstände zu re- identifizieren, also zu wissen, wann a und b identisch sind. Doch dies hieße, uns in die Lage zu versetzen, zuverlässig zu beurteilen, ob Aussagen der Form „a = b“ wahr sind. Wenn das gegenständliche Verstehen uns ermöglichen soll, solche Urteile zu fällen, dann muss Vaidya uns erklären, weshalb wir glauben sollten, dass wir in der Lage sind, Gegenstände zu verstehen – wieso hier Glück erlaubt sein kann, wenn wir doch daraus Wissen ableiten können, und generell, wieso
�� 53 Unter der Bedingung, dass wir eine Konzeption von Essenzen haben, nach der (EN) gilt – was auf Fine und Vaidya zutrifft. Lowe hat in seinen neueren Arbeiten zum Thema Kritik an (EN) geäußert. Vgl. Lowe 2012; unv.
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Verstehen einfacher sein sollte als der Erwerb von Wissen. Dies tut Vaidya jedoch nicht. Die andere Option, die er hat, ist, darauf zu verzichten, aus gegenständlichem Verstehen irgendeine Form von Wissen abzuleiten – was es eventuell plausibel machen könnte, dass gegenständliches Verstehen auch in Bereichen zu haben ist, in denen wir kein Wissen haben können. Dann kann dieses Verstehen jedoch nicht die Rolle spielen, die er ihm für die VIM zuschreibt. In dieser ist es ja, wie gesagt, nötig, Identitätsurteile zu fällen. Klarerweise ist sie unter diesen Bedingungen auch nicht in der Lage, metaphysisch modales Wissen zu fundieren. Egal, welches der beiden Hörner des Dilemmas er wählt, Vaidya kann es nicht gelingen, zu zeigen, wie wir auf Basis von Einsicht in die Essenzen von Dingen Wissen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, zu erhalten.
3.2.4 Lowe über Essenz-Wissen Auch E.J. Lowe vertritt die Theorie, Essenz-Wissen sei grundlegender als Wissen über metaphysische Modalität. Seine Ansicht, wir könnten Essenz-Wissen unabhängig von metaphysisch modalem Wissen erwerben, begründet er indirekt. But why suppose [...] that we can, at least in some cases, know those essences? First of all, because otherwise it makes no sense [...] to say that we can talk or think comprehendingly about things at all. For if we do not at least know what a thing is, how can we talk or think comprehensively about it? How, for instance, can I talk or think comprehendingly about Tom, a particular cat, if I simply don't know what cats are and which cat, in particular, Tom is? (Lowe 2008, 36.)
Dieses Argument hat mehrere Schwachstellen. Kripke hat dafür argumentiert – und viele Philosophen stimmen ihm zu – dass Bezugnahme überhaupt nicht vom Wissen des Sprechers abhängt. Da ich dies nicht überzeugend finde, werde ich Lowe zugestehen, dass wir einige Eigenschaften von Dingen kennen müssen, um über sie zu sprechen. Aber Lowe schließt von dieser vernünftigen Annahme ohne weitere Rechtfertigung darauf, wir müssten die Essenz eines Dings kennen, um auf es Bezug zu nehmen. Nun kann ich doch aber auf Katze Tom problemlos mit „Das Ding, das da hinten raschelt“ Bezug nehmen. Hierzu muss ich nicht wissen, was Katzen sind, und keineswegs muss ich die individuelle Essenz Toms kennen. Selbst wenn es Essenzen geben sollte, ist die Anforderung, diese zu kennen, um auf ein Ding Bezug zu nehmen, absurd stark.
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3.2.4.1 Die Basis von begrifflichem und empirischem Wissen Bei E.J. Lowe (2008; 2012; unv.) findet sich ein weiteres Argument, um zu zeigen, dass wir Essenzwissen haben. Lowe vertritt zum einen die These (1), dass wir, um empirisches Wissen zu erhalten, bereits Essenz-Wissen haben müssen. Zweitens glaubt er, dass begriffliches Wissen eine Form von Wissen über die Essenzen bestimmter Gegenstände, nämlich über die Essenzen von Begriffen, ist. (vgl. auch Plantinga 1987). Ich greife hier auf Kapitel 5 vor, in dem ich den Epistemischen Zweidimensionalismus diskutiere. Diesen werde ich später darstellen, hier ist es nur wichtig, dass er begriffliches Wissen zum Fundament metaphysisch modalen Wissens macht. Auf dieser Basis könnte man die folgenden beiden Argumente gegen die Erkenntnistheorie metaphysischer Modalität des epistemischen Zweidimensionalismus (E2DS) konstruieren. Das Argument von Lowe lässt sich generell als Angriff auf begriffliche Rationalismen auffassen. Da es auch für die Frage nach der Rechtfertigung des Essenz-Realismus wichtig ist, diskutiere ich es dennoch bereits hier. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Wenn die Erkenntnistheorie metaphysischer Modalität des E2DS wahr ist, setzt empirisches Wissen kein Essenz-Wissen voraus. Empirisches Wissen setzt Essenz-Wissen voraus (Lowe 2008, 36). Die Erkenntnistheorie metaphysischer Modalität des E2DS ist falsch. Wenn die Erkenntnistheorie metaphysischer Modalität des E2DS wahr ist, ist begriffliches Wissen kein Essenz-Wissen. Begriffliches Wissen ist Essenz-Wissen (Lowe 2008, 48). Die Erkenntnistheorie metaphysischer Modalität des E2DS ist falsch.
3.2.4.2 Setzt empirisches Wissen Essenz-Wissen voraus? Das erste Argument zielt darauf ab, zu zeigen, dass wir kein empirisches Wissen haben können, ohne Essenz-Wissen zu haben. Wenn dem so wäre, würde dies den E2DS wirklich vor enorme Schwierigkeiten stellen. Empirisches Wissen kann nur dann zusammen mit begrifflichem Wissen eine zentrale, fundierende Rolle in modalepistemologischen Fragen stellen, wenn „knowledge of what is actual is somehow less problematic than knowledge of what is necessary or of what is merely possible – that is, if non-modal knowledge is somehow less problematic than modal knowledge“ (Lowe 2008, 24). Prämisse (1) sollten wir akzeptieren. Der entscheidende Punkt ist, ob Lowe überzeugende Argumente für (2) gibt. Seine Überlegung ist, dass wir nie wissen könnten, dass ein bestimmter Gegenstand X existiert, ohne bereits zu wissen, was X ist – also ohne die Essenz von X zu kennen (Lowe 2008, 40).
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Doch diese Überlegung ist nicht überzeugend. Existenzbehauptungen kommen typischerweise in der Form „Es gibt einen Gegenstand, der die-und-die Eigenschaften hat“ daher. Physiker können aufgrund theoretischer Überlegungen postulieren, dass es an einem bestimmten Ort einen bestimmten Gegenstand gibt, der zum Beispiel eine bestimmte Masse hat – ohne weiter zu wissen, um was für eine Art von Gegenstand es sich handelt. Ich kann ein Geräusch hören und daraus darauf schließen, dass es irgend etwas gibt, was dieses Geräusch erzeugt – ob es sich dabei um einen Plattenspieler, einen Menschen, eine Supernova oder einen Frosch handelt, muss ich hierzu nicht wissen. Da, unter der Annahme, dass es Essenzen gibt, die Essenzen von Plattenspielern, Supernovae und Menschen sicher sehr verschieden sind, muss ich offenbar nichts über die Essenz der Geräusch-Quelle wissen, um in meiner Existenzbehauptung gerechtfertigt zu sein. Existenzbehauptungen setzen also nicht voraus, dass wir wissen, was die Essenzen der Gegenstände sind, deren Existenz wir behaupten. Wir müssen in Existenzbehauptungen auf irgendwelche Eigenschaften Bezug nehmen, aber dies können solche sein, die vollkommen kontingent sind.54
3.2.4.3 Setzt begriffliches Wissen Essenz-Wissen voraus? Lowe argumentiert im Falle begrifflichen Wissens weitgehend analog zu empirischem Wissen. [...] conceptual knowledge that bachelors are not married depends on knowledge of the essences of concepts, since it requires one to grasp the concept of a bachelor – and thereby to know, at least implicitly, which concept this is. (Lowe 2008, 33)
Wieder beruht das Argument darauf, dass wir, um ein Ding, hier einen Begriff, zu identifizieren, Wissen über seine Essenz haben müssen (vgl. Shalkowski 2008, 59f.). Aber wie bei normalen Gegenständen, von denen wir empirisches Wissen haben, so ist auch bei Begriffen mehr als fraglich, ob wir so hohe Ansprüche an ihre Identifikation stellen sollten. Vertreter einer Semantik begrifflicher Rollen könnten antworten, dass wir einen Begriff dadurch identifizieren können, dass wir zum Beispiel die Inferenzen kennen, in denen er vorkommt. Ich werde hier nicht in die Debatte eintreten, was Begriffe sind – denn die Grundstrategie, um Lowes Argument entgegenzutreten, ist stets dieselbe. Zur Identifikation eines Begriffes brauchen wir Wissen über bestimmte Eigenschaf�� 54 Vgl. Nimtz unva. für weitere Kritik an der These, dass empirisches Wissen Essenz-Wissen voraussetzt.
78 � Modaler Rationalismus ten, die einzig diesem Begriff zukommen – aber keineswegs Wissen über die Eigenschaften, die wesentlich für diesen Begriff sind. Der Schritt von der Identifikation eines Dings nicht nur zur Kenntnis der modalen Eigenschaften, sondern sogar zu seinem Wesen, ist groß, und Lowe rechtfertigt den Übergang nicht weiter. Während er in frühen Texten nur diese beiden transzendentalen Argumente für Essenz-Wissen geliefert hat, hat Lowe in neueren Arbeiten zu erklären versucht, wie das Verfahren aussieht, mit dessen Hilfe wir Essenz-Wissen erwerben. All that grasping an essence amounts to, on my view, is understanding a real definition, that is, understanding a special kind of proposition. To know what a circle is, for instance, I need to understand that a circle is the locus of a point moving continuously in a place at a fixed distance from a given point. (Lowe 2012, 946)
Hier haben wir zum einen eine Erklärung davon, was es heißt, die Essenz eines Dings zu kennen, und zum anderen einen Beispielfall. Ich werde zuerst letzteren betrachten. Dieser zeigt, Lowe zufolge, dass wir zumindest manchmal die Essenz eines Dinges kennen. Ich werde nicht widersprechen, dass wir wissen, was ein Kreis ist. Aber ist dies sehr hilfreich? Wie unterscheidet sich die hier von Lowe genannte echte Definition des Kreises von der nominalen Definition von „Kreis“? Mir scheint, dass es hier gar keinen Unterschied gibt, wenn wir unterstellen, dass die von Lowe genannte Definition die echte Definition ist. Wer den Ausdruck „Kreis“ versteht, der weiß, was ein Kreis ist – weil die wesentlichen Eigenschaften des Kreises in der nominalen Definition angegeben werden. Somit können wir also manchmal das Wesen von Gegenständen kennen. Aber dies ist kein Triumph für Lowe, denn dieser Fall ist nicht auf interessante Instanzen verallgemeinerbar. Dass Kreise die Loki von Punkten sind, die sich kontinuierlich in bestimmtem Abstand von einem gegebenen Punkt auf einer Ebene bewegen, ist eine analytische Wahrheit. Die Essenzen, die für die Modalepistemologie relevant sind, sind jedoch gerade die, auf die dies nicht zutrifft. Insofern leistet Lowes Beispiel nicht, was es leisten soll, nämlich zu zeigen, dass EssenzWissen für anspruchsvolles modales Wissen relevant ist. Wie soll uns eine solche Überlegung helfen, wenn wir über die Essenzen von Menschen, Wasser oder des Jupiters Wissen erwerben wollen? Solange Lowe nicht zeigt, wie sich sein Beispielfall auf synthetische Wahrheiten erweitern lässt, bleibt es nutzlos – weder illustriert es seine These angemessen, noch stellt es ein gutes Argument für diese dar. Was ist mit dem allgemeineren Teil des Zitats? Wird Essenz-Einsicht dadurch weniger mysteriös, dass es hier nur um das Verstehen einer speziellen
Essenz-basierte Ansätze � 79
Art von Proposition geht? Wir haben es hier mit der Proposition zu tun, die die echte Definition des Dings darstellt. Allerdings haben wir bisher weder gesehen, was diese echte Definition sein soll, noch, wie wir sie kennen sollen, wenn sie nicht gerade mit der nominalen Definition zusammenfällt. Damit ist Lowes Modalepistemologie jedoch ihr Fundament genommen. Sein gesamter Ansatz – wie auch Vaidyas – beruht darauf, dass wir anspruchsvolles Essenz-Wissen haben – was sein Ansatz jedoch nicht zeigen kann. Wie wir Wissen über Essenzen erhalten sollen und mithilfe von diesem dann auch noch metaphysisch modalem Wissen eine Grundlage geben sollen, bleibt daher völlig mysteriös. Lowe erklärt weder das Verfahren ausreichend genau und für die interessanten Fälle, noch kann er zeigen, dass wir verlässlich wahre Meinungen über Essenzen erwerben können.
4 Modaler Empirismus Modale Empiristen sind der Ansicht, dass wir anspruchsvolles metaphysisch modales Wissen auf Basis empirischen Wissens erwerben können. Hierfür gibt es zunächst eine negative Motivation, die sich daraus ergibt, dass modale Skepsis aufgrund der Bedeutung des metaphysisch Modalen für unser alltägliches und wissenschaftliches Denken äußerst unbefriedigend ist, und es fraglich ist, ob a priori Methoden wirklich geeignet sind, um modales Wissen zu erwerben. Viele Modale Empiristen sind der Meinung, neben den Problemen, die die bisher vorgeschlagenen rationalistischen Ansätze mit sich bringen, gebe es auch tief liegende Gründe, weshalb ein a priori Zugang zu modalen Wahrheiten unwahrscheinlich ist. Williamson formuliert diese Sorge für Vorstellbarkeitsansätze. Although there are truths and falsehoods about conceivability and inconceivability, they concern our mental capacities, whereas metaphysical modalities are supposed to be mind-independent. They are not contingent on mental capacities, because not contingent on anything (at least if we accept the principles of the modal logic S5, that the necessary is necessarily necessary and the possible necessarily possible). When philosophers present conceiving as a faculty for distinguishing between truth and falsity in the domain of metaphysical modality, that looks suspiciously like some sort of illicit projection [...]. (Williamson 2007a, 135f.)
Solange wir ein realistisches Bild von metaphysischer Modalität haben, scheint es mysteriös, weshalb Wissen über die mentalen Zustände, in denen wir uns befinden können, uns Auskunft über geist-unabhängige modale Wahrheiten liefern soll. Wir haben gesehen, dass keiner der Modalen Rationalisten in der Lage war, dieses Mysterium aufzulösen, so dass der Schritt, nach einer empirischen Zugangsweise zu Modalität zu suchen, auf den ersten Blick angemessen scheint. Betrachten wir nochmals das oben eingeführte Quadrilemma. a) Es gibt metaphysisch‐modale Tatsachen, die sich nicht aus begrifflichen, logisch‐mathematischen, nomologischen und nicht‐modalen Tatsachen ergeben– gleich, ob man diese für sich betrachtet oder zusammennimmt. b) Wir haben Wissen – entweder empirisch oder a priori – darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist. c) Empirisches Wissen reicht nicht über den Bereich nomologischer Modalität hinaus.
82 � Modaler Empirismus d) A priori Wissen reicht nicht über den Bereich des Mentalen und des logisch-begrifflich Modalen hinaus. Während Modale Rationalisten (d) bestreiten, können Modale Empiristen diese Prämisse akzeptieren, müssen aber zeigen, dass (c) falsch ist. Modale Empiristen haben verschiedene Vorschläge gemacht, um zu zeigen, dass es ein Verfahren gibt, dass wir benutzen können, um mittels empirischer Methoden Wissen darüber zu erhalten, was metaphysisch möglich und notwendig ist. McLaughlin, Block und Stalnaker haben nahe gelegt, dass Abduktion das Mittel der Wahl ist. Williamson und Hill hingegen versuchen, mithilfe unseres Wissens kontrafaktischer Konditionale zu zeigen, wie wir modales Wissen erlangen können. Hanrahan schließlich versucht zu zeigen, dass zwischen Vorstellen und Wahrnehmen Parallelen bestehen, die es rechtfertigen, unserem Vorstellungsvermögen in modalepistemologischen Fragen zu vertrauen. Wir werden in der Folge sehen, ob es den Vertretern einer dieser empiristischen Positionen gelingt, zu zeigen, dass wir in der Lage sind, auf empirischem Wege anspruchsvolles metaphysisches modales Wissen zu erwerben.
4.1 Modales Wissen durch Abduktion? Vertreter der Strategie, mithilfe von Abduktion Einsicht in metaphysische Modalität zu gewinnen, behaupten, metaphysische modale Tatsachen stellten die beste Erklärung für bestimmte empirisch beobachtete Tatsachen dar. Hierbei sehen sie sich dem Problem ausgesetzt, dass es fraglich ist, inwiefern metaphysische Notwendigkeiten und Möglichkeiten überhaupt über explanatorische Kraft verfügen, obwohl mögliche Welten doch abstrakt oder zumindest von unserer Welt kausal isoliert sind. Im Folgenden werde ich ihre Ansätze rekonstruieren und zeigen, dass abduktive Schlüsse zwar in Schlussfolgerungen eine Rolle spielen können, an deren Ende Annahmen über metaphysische Modalität stehen, dass diese Rolle jedoch eher peripher ist und sie nicht zeigen können, dass eine These nicht nur wahr, sondern notwendig wahr ist.
4.1.1 Was ist Abduktion? Abduktion, also das Schließen auf die beste Erklärung, bietet den Vorteil, dass sie ein Verfahren ist, welches im allgemeinen wissenschaftlichen Betrieb gut etabliert ist. Zwar bestehen gewisse Differenzen hinsichtlich der Frage, wie
Modales Wissen durch Abduktion? � 83
abduktives Schließen funktioniert und funktionieren sollte, aber dass sie generell eine wichtige Rolle spielt, ist kaum umstritten. Es sei jedoch erwähnt, dass Abduktion heute normalerweise nicht mehr als drittes basales Schlussverfahren neben dem induktiven und dem deduktiven Schließen betrachtet wird. Die deduktiven Schlüsse sind einfach diejenigen, die wahrheitsgarantierend sind, die induktiven Schlüsse hingegen sind nicht wahrheitsgarantierend. Schlüsse auf die beste Erklärung gehören klarerweise zu den letzteren und stellen somit eine Teilklasse der induktiven Schlüsse dar.55 Bevor ich die Frage untersuche, ob Abduktion generell eine gute Strategie darstellt, um modales Wissen zu erhalten, werde ich eine konkrete Anwendung dieser Vorgehensweise betrachten, welche sich bei Typ-Identitätstheoretikern findet. Diese (Block & Stalnaker 1999; Hill 1991; McLaughlin 2001; McLaughlin 2010) versuchen, ein bestimmtes empirisches Datum, nämlich die Korrelation eines bestimmten Typs mentaler Zustände, S, mit einem bestimmten Typ neuronaler Zustände, N, zu erklären. Obwohl zwischen den verschiedenen abduktiven Argumenten beträchtliche Unterschiede bestehen, lässt sich doch ein generelles Argumentationsschema feststellen. 1) Zustände vom Typ S sind perfekt mit Zuständen vom Typ N korreliert. 2) Die beste Erklärung für die perfekte Korrelationen zwischen Zuständen vom Typ S und Zuständen vom Typ N stellt die Identität dieser Zustände dar. 3) Also: Wir haben gute Gründe, zu glauben, dass Zustände vom Typ S mit Zuständen vom Typ N identisch sind. Obwohl beide Prämissen kontrovers diskutiert werden56 und auch der Schluss von (1) und (2) auf (3) nicht unproblematisch ist, werde ich mich hier auf Prämisse 2 konzentrieren, da diese am wichtigsten für die Frage nach dem Erwerb modalen Wissens per Abduktion ist.57 Nehmen wir also an, es gäbe tatsächlich �� 55 Für eine Diskussion verschiedener Positionen hierzu vgl. Douven 2011. 56 Zur generellen Problematik abduktiver Schlüsse s. Harman 1965; Lipton 1991; van Fraassen 1989; kritisch zur Korrelationsthese s. Noë & Thompson 2004; 2004a; Eine Verteidigung findet sich bei McLaughlin & Bartlett 2004. 57 Van Fraassen 1989 bestreitet, dass die große Erklärungskraft einer Theorie dafür spricht, dass diese wahr ist. Bates 2009 & McLaughlin 2010 reagieren hierauf, indem sie sich darauf beschränken, den Umfang der Erklärungskraft einer Theorie als Grund, diese zu akzeptieren, zu betrachten. Um die generellen Schwierigkeiten, die mit Abduktion bestehen, hier nicht mehr als nötig in den Fokus zu rücken, werde ich mich in Übereinstimmung hiermit hier auf die Frage konzentrieren, ob abduktive Argumente uns gute Gründe liefern können, bestimmte modale Thesen zu akzeptieren.
84 � Modaler Empirismus eine perfekte Korrelation eines Typs mentaler Zustände, zum Beispiel Schmerzen, mit einem Typ neuronaler Zustände, zum Beispiel dem Feuern von CFasern. Dies allein ist nicht hinreichend, um eine Entscheidung darüber zu treffen, welche Theorie des Geistes die richtige ist, wie McLaughlin herausstellt. The Correlation Thesis doesn't of course imply Type Physicalism. Indeed it is compatible with all of the leading rival theories to Type Physicalism. Even a substance dualist could allow that a person's being in a certain brain state is nomologically correlated with the person's being in a certain conscious state. (McLaughlin 2010, 267)
Hier wird bereits deutlich, dass Physikalisten zumindest zeigen müssen, dass die Korrelation von Schmerzen und dem Feuern von C-Fasern nicht allein durch kontingente Naturgesetze bestimmt wird, sondern dass eine metaphysisch notwendige Verbindung zwischen den beiden Zustandstypen diese Korrelation besser erklären kann. Zweitens müssen Typ-Identitätstheoretiker zeigen, dass es nicht allein eine metaphysisch notwendige Verbindung ist, die zwischen Schmerzen und C-Faser-Feuern (i.F. „CFF“) besteht, sondern Identität. Wir haben oben bereits gesehen, dass die These, Schmerzen und CFF seien identisch, modale Konsequenzen hat, da „Schmerzen = CFF“ einen typischen Fall einer notwendig wahren Kripke-Identitätsaussage darstellt. Dies zeigt sich daran, dass sowohl „Schmerzen“ als auch „CFF“ starre Bezeichner sind, so dass „Schmerzen = CFF“, wenn es überhaupt wahr ist, mit metaphysischer Notwendigkeit gilt. Wenn es den Typ-Identitätstheoretikern also gelingt, zu zeigen, dass die Annahme „Schmerzen = CFF“ sich mithilfe des empirisches Wissens über die Korrelation von Schmerzen und CFF und einem abduktiven Schluss rechtfertigten lässt, dann haben sie damit einen Weg aufgezeigt, um auf empirischem Wege und mit generell als verlässlich betrachteten Methoden modales Wissen zu erlangen. Ich werde folglich nun zuerst untersuchen, ob ihnen dies gelingt, und anschließend fragen, ob sich eine derartige Strategie generell zum Erwerb metaphysisch modalen Wissens eignet.
4.1.2 Generelles zur Abduktion Ohne in die Details zu gehen, sei hier die Vorgehensweise beim abduktiven Schließen kurz erläutert. Abduction can be thought of as consisting of three steps. First, identify a phenomenon that requires explanation. Second, generate theories that would explain the phenomenon. Abduction, then, involves three main elements: the phenomenon to be explained (i.e. The
Modales Wissen durch Abduktion? � 85
explanandum), the competing theories qua explanations (i.e. the potential explanans), and the principles of ranking theories. (Biggs 2010, 293)
Wenn wir diese Darstellung auf die abduktiven Argumente in der Philosophie des Geistes anwenden, ergibt sich folgendes Bild. Das Explanandum ist die beobachtete Korrelation zwischen Schmerzen und CFF, die potenziellen Explanans sind die verschiedenen Theorien über den Zusammenhang von Geist und Körper. Die Prinzipien, nach denen die beste Erklärung ausgewählt wird, schließen Sparsamkeit, Einfachheit, Verständlichkeit usw. ein. Die Frage, die uns im Folgenden beschäftigen wird, ist also: Bietet der Typ-Physikalismus die beste Erklärung für die Korrelation von Schmerzen und CFF?
4.1.3 Das Abduktive Argument von Hill & McLaughlin Hill und McLaughlin haben ihre abduktiven Argumente an unterschiedlichen Orten vorgebracht (Hill 1991; McLaughlin 2001). Ich werde mich hier auf die neuere Version von McLaughlin konzentrieren. Dieser formuliert die drei folgenden Thesen Correlation Thesis. For every type of sensation state, S, there is a type of physical or functional state, P/F, such that it is nomologically necessary that for any being, x, x is in S if and only if x is in P/F. Type Identity Thesis. For every type of sensation state, S, there is a type of physical or functional state, P/F, such that S = P/F. The Necessity of Identity. For any A and B, if A = B, then necessarily A = B. (McLaughlin 2001, 319)
Die Korrelationsthese und die These der Notwendigkeit der Identität sind weithin akzeptiert. Alles, was nach McLaughlin nun fehlt, um herauszufinden, dass mentale Zustände S und physisch-funktionale Zustände P/F identisch sind, dass die Typ-Identitätsthese also wahr ist, ist ein Abduktionsprinzip, das uns erlaubt, zu schließen, dass die These, die am einfachsten und sparsamsten erklären kann, warum die Korrelation zwischen S und P/F besteht, wahrscheinlich wahr ist. „We maintain, on grounds of overall coherence and theoretical simplicity, that the explanation of the Correlation Thesis and the Type Identity Thesis offers is superior to the explanations offered by other theories of mind.“ (McLaughlin 2001, 320)
So wird von ihm ohne große Umschweife darauf geschlossen, dass das empirische Datum der Korrelation von S und P/F zusammen mit einem Schluss auf die
86 � Modaler Empirismus beste Erklärung zeigt, dass es vernünftig ist, zu glauben, dass S = P/F. Hierbei äußerst sich McLaughlin jedoch kaum dazu, wie sich Abduktion und metaphysische Modalität zueinander verhalten. Ich werde dies weiter unten betrachten und zunächst die konkreten Argumente einer kritischen Untersuchung unterziehen.
4.1.4 Das Abduktive Argument von Block & Stalnaker Neben McLaughlin haben Ned Block und Robert Stalnaker ebenfalls ein abduktives Argument für die Identität mentaler und physischer Zustände vorgelegt. Block und Stalnaker werfen den Philosophen, die eine begriffliche Reduktion des Phänomenalen auf das Mikrophysische durchführen möchten, vor, die tatsächliche Praxis wissenschaftlichen Arbeitens nicht ausreichend zu beachten. Why do we suppose that heat = molecular kinetic energy? Consider the explanation above of why heating water makes it boil. Suppose that heat = molecular kinetic energy, pressure = molecular momentum transfer, and boiling = a certain kind of molecular motion. [...] Then we have an account of how heating water produces boiling. If we were to accept mere correlations instead of identities, we would only have an account of how something correlated with heating causes something correlated with boiling. Further, we may wish to know how it is that increasing the molecular kinetic energy of a packet of water causes boiling. Identities allow a transfer of explanatory and causal force not allowed by mere correlations. Assuming that heat = mke, that pressure = molecular momentum transfer, etc. allows us to explain facts that we could not otherwise explain. Thus, we are justified by the principle of inference to the best explanation in inferring that these identities are true. (Block & Stalnaker 1999, 23f.)
Auch diese Vorgehensweise passt in das Schema von Biggs. Das durch Erhitzen verursachte Kochen von Wasser stellt das Explanandum dar, und die Gleichsetzungen von Hitze und molekularer kinetischer Energie sowie von Kochen und molekularer Bewegung erklären, warum das Zuführen von Hitze und das Kochen zusammenhängen, bilden also das Explanans. Hierdurch wird die Frage, weshalb Erhitzen und Kochen zusammenhängen, nicht nur beantwortet, sondern es zeigt sich, dass über die Gleichsetzungen hinaus gar keine „Warum?“Fragen sinnvoll sind (Block & Stalnaker 1999, 24). Dieselbe Strategie lässt sich nun auf die Korrelation von Typen mentaler und physischer Zustände anwenden. Wenn wir erst einmal sehen, dass diese miteinander identisch sind, sind alle Fragen danach, weshalb diese korreliert sind, erschöpfend beantwortet. Wer weiß, dass „Mentaler Zustand S = Physischer Zustand P“ wahr ist, und
Modales Wissen durch Abduktion? � 87
dennoch fragt, weshalb S immer dann auftritt, wenn P auftritt, hat nicht verstanden, was es heißt, dass S und P identisch sind.
4.1.5 (Was) wird hier erklärt? Angesichts der vorgebrachten abduktiven Schlüsse stellen sich zwei Fragen. 1. 2.
Kann das Bestehen einer Identität zwischen ihnen die Korrelation der scheinbar verschiedenen Gegenstände a und b erklären? Gibt es gute Gründe, zu glauben, dass Identität die Korrelation besser erklärt als andere nomologische oder metaphysische Verbindungen?
Jaegwon Kim hat die erste Frage entschieden verneint. Seine Kritik an den abduktiven Argumenten für den Typ-Physikalismus beruht auf vier Argumenten (Kim 2005, 126ff.), von denen eines für die Frage nach modalem Wissen per Abduktion sehr aufschlussreich ist.58 Kim stellt in Frage, ob Identität Korrelation erklären kann. (α) (K) Pain = C-fiber stimulation Therefore, (C) Pain occurs ↔ Cfs occurs. As I take it, Hill and McLaughlin will make the following claims: first, (K) logically implies the correlation (C); second, (K) thereby explains (C) – that is, (α) is an explanatory argument. These claims assume that identities, in particular necessary Kripkean identities, can generate explanations in their own right. Is this correct? (Kim 2005, 131.)
Der Gedanke, der sich hinter dieser Frage verbirgt, ist leicht einzusehen. Damit wir mithilfe eines Schlusses auf die beste Erklärung Wissen von metaphysisch modalen Tatsachen erhalten können, müssen diese über eine bestimmte Erklärungskraft verfügen. Wenn Kim also zeigen kann, dass die These der TypIdentität die beobachteten Daten nicht nur nicht vollständig erklärt, sondern gar keine Erklärungsleistung hat, dann sind abduktive Argumente in diesem
�� 58 Neben dem hier ausführlich diskutierten Argument kritisiert Kim, dass die TypIdentitätstheorie nur einen geringen Teil der empirischen Daten am besten erklären könnte sowie die Unterstellung eines Zusammenhangs zwischen Erklärungskraft und Wahrheit einer Theorie (Kim 2005). Da diese Fragen sich mit Aspekten befassen, die entweder Abduktion ganz generell oder aber Modale Abduktion nur in diesem einen Fall betreffen und sich somit nur schwer Schlüsse auf Modale Abduktion im Allgemeinen ziehen lassen, verzichte ich hier auf eine Auseinandersetzung mit ihnen. Ausführliche Kritik findet sich in Bates 2009 und McLaughlin 2010.
88 � Modaler Empirismus Fall fehl am Platz. Sollte sich dies über Identitäten hinaus auf alle metaphysisch modalen Wahrheiten verallgemeinern lassen, wäre Abduktion als Mittel zum Erwerb von Wissen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, klarerweise ad absurdum geführt. Kim kontrastiert zwei Arten von Erklärungen, von denen er jedoch nur einer zugesteht, wirklich erklärend zu sein. Eine echte Erklärung ist, seiner Ansicht nach, zum Beispiel This steel rod is being heated. Metals expand when heated. Therefore, this rod is expanding. (Kim 2005, 132)
In dieser Erklärung wird eine Tatsache – nämlich die Ausdehnung des Stahlbolzens, mithilfe zweier anderer Tatsachen – erstens derer, dass sich Metall bei Erhitzung ausdehnt, und zweitens der tatsächlichen Erhitzung des Stahlbolzens – erklärt. Erklärungen, wie sie Typ-Identitätstheoretiker vorschlagen, unterscheiden sich hiervon. Tully is wise. Tully = Cicero. Therefore, Cicero is wise. (Kim 2005, 132)
Im Gegensatz zur Stahlbolzenerklärung wird in diesem Schluss nicht auf drei verschiedene Tatsachen Bezug genommen, da das Weise-Sein von Tullius und das Weise-Sein von Cicero dieselbe Tatsache sind. Diesen Übergang von einer Tatsache zu einer anderen, der im Tullius-Beispiel fehlt, hält Kim für eine notwendige Bedingung echter Erklärungen. Statt ein echter Beitrag zu einer Erklärung zu sein, ist das Identitätspostulat ihm zufolge nur eine Art Erlaubnis, die Proposition, dass Tullius weise ist, auf andere Weise auszudrücken. Dennoch nimmt die Erkenntnis, dass Tullius Cicero ist, auf unsere Erklärung für die Weisheit des Cicero Einfluss. Solange wir nicht wissen, dass Tullius = Cicero, können wir erklärt haben, dass Tullius weise ist, und trotzdem weiter nach einer Erklärung für die Weisheit von Cicero suchen. Wenn wir jedoch erkannt haben, dass Tullius Cicero ist, dann sehen wir, dass wir die Eigenschaften von Cicero bereits vollständig erklärt haben, wenn wir die Eigenschaften von Tullius erklärt haben. Selbiges gilt, wenn wir uns fragen, warum Schmerzen und CFaser-Feuern immer zusammen auftreten. Sobald wir wissen, dass Schmerzen = C-Faser-Feuern, kann man nicht einmal mehr sinnvoll fragen, weshalb diese zusammen auftreten, da dies die Frage danach wäre, weshalb ein Ding immer dann vorhanden ist, wenn es vorhanden ist. Dass diese Frage keiner Antwort –
Modales Wissen durch Abduktion? � 89
zumindest keiner, in der wissenschaftliche Erklärungen eine Rolle spielen – bedarf, ist unmittelbar zu erkennen. Man kann dies auch noch von einer anderen Seite beleuchten. Stellen wir uns vor, jemand fragte, warum nicht nur Tullius, sondern auch Cicero weise sei. Wenn wir ihm nun erklärten, dass Tullius = Cicero, würde der Fragende Kim zufolge kaum antworten, dass er nun endlich die Erklärung hätte, sondern würde bemerken, dass seine Frage unter falschen Voraussetzungen stand und nur sinnvoll war, solange er die falsche Annahme der Nicht-Identität von Tullius und Cicero machte.59 Bates (2009) hat jedoch überzeugend argumentiert, dass sich die Erklärungen im Falle von Identitäten und Korrelationen von denen, die Kim als NichtErklärung darstellt, unterscheidet. Während in der von Kim entworfenen und kritisierten Pseudoerklärung eine Eigenschaft des Gegenstandes a durch eine Eigenschaft des mit a identischen Gegenstandes b wird, findet ein solcher Bezug im explanatorischen Argument für den Materialismus nicht statt. Stattdessen funktioniert die Ableitung wie folgt. Tully = Cicero. Therefore Tully is here iff Cicero is here. (Bates 2009, 323)
Im Gegensatz zu der Ableitung, die Kim darstellt, findet hier laut Bates eine echte Erklärung statt. Weder die Eigenschaft von Tullius, immer zusammen mit Cicero vorzukommen, noch die Eigenschaft von Cicero, immer zusammen mit Tullius vorzukommen, werden in das Argument eingespeist. Stattdessen wird aus der Identität von Tullius und Cicero geschlossen, dass sie eine bestimmte Eigenschaft – nämlich ihre raumzeitliche Lage – immer gemeinsam haben. Hierzu brauchen wir nur das Leibniz-Prinzip, dass sich aus der Identität von A und B ergibt, dass A alle und nur die Eigenschaften hat, die B hat. Wer darüber rätselt, dass A und B ihre Eigenschaften teilen und dann erklärt bekommt, dass die beiden identisch sind, wird dies durchaus als befriedigende Erklärung auffassen. Kims Angriff kann die These, Identität könne die Korrelation mentaler und physischer Zustände erklären, nicht grundlegend gefährden. Dennoch sollten
�� 59 Kim erwähnt eine weitere eher technische Schwierigkeit. Korrelation kann nicht durch Identität erklärt werden, da die beiden sich ausschließen. Korrelation ist immer eine Beziehung zwischen zwei nicht-identischen Gegenständen. McLaughlin (2010) hat hierauf geantwortet, dass sich die Korrelations-These auch anders formulieren lässt, so dass das Problem nicht auftritt, nämlich darüber, dass ein physischer Zustand P genau dann auftreten würde, wenn ein phänomenaler Zustand C auftritt (McLaughlin 2010, 271).
90 � Modaler Empirismus wir nicht zu schnell schließen, dass modale Tatsachen eine Rolle in Erklärungen von empirischen Tatsachen spielen können. Hierfür müssen wir einen genaueren Blick darauf werfen, wie genau die Schlüsse funktionieren und an welcher Stelle Abduktion eine Rolle spielt.
4.1.6 Abduktion und metaphysische Modalität Selbst wenn es besondere Gründe gibt, aus denen eine abduktive Erklärung für die Korrelation von Geist und Körper nicht befriedigend ist, folgt nicht, dass wir nicht in anderen Fällen, wie im Fall des Wasserkochens, mithilfe von Abduktion Wissen über metaphysische Möglichkeit und Notwendigkeit erlangen können. Ich werde dieser Frage in der Folge nachgehen und allgemeine Probleme für abduktive Argumente im Bereich des Modalen untersuchen.
4.1.6.1 Das Problem der Schwäche Wir haben gesehen, dass Kims Kritik nicht in der Lage ist, zu zeigen, dass die abduktiven Argumente der Identitätstheoretiker verfehlt sind. Wenn eine Identität besteht, erklärt diese tatsächlich die beobachtete Korrelation zwischen A und B, von denen wir nicht wussten, ob sie identisch sind. Dennoch bleiben zwei wichtige Aspekte, von denen einer die konkreten Argumente in der Philosophie des Geistes, einer ein generelles Problem abduktiver Argumente betrifft. Zunächst ist es richtig, wenn Kim den Identitätstheoretikern vorwirft, sich auf die Korrelation zu konzentrieren und andere Phänomene, wie scheinbare unterschiedliche Eigenschaften und Zugangsweisen zu mentalen und physischen Zuständen, an dieser Stelle außen vor zu lassen. Wenn Typ-Identitätstheoretiker wirklich überzeugend sein wollen, müssen sie auch mit diesen Problemen zurechtkommen. Dies führt direkt zum basaleren Problem. Das abduktive Argument von Hill, McLaughlin, Block & Stalnaker kann nur so lange eine Anziehungskraft auf uns ausüben und einen epistemischen Wert haben, so lange kein deduktives, schlüssiges Argument vorliegt, dass die Negation der Konklusion des Abduktionsarguments zur Konklusion hat. Sollten wir zum Beispiel wissen, dass Chalmers’ Argument für den Dualismus (vgl. Chalmers 1996; 2010) schlüssig sein, dann müssen wir gar nicht mehr fragen, was die abduktiven Argumente nahelegen würden, da sie den Physikalismus zu schwach stützen, als dass sie dann noch von großer Relevanz wären. Dies mag im Fall empirischer Theorien kein Makel sein, da diese generell nicht durch rein deduktive Argumente gestützt werden. Im Fall metaphysischer Modalität hingegen wäre der Rückzug auf die
Modales Wissen durch Abduktion? � 91
Abduktion bereits ein großes Zugeständnis an den Skeptiker. Abduktionsvertreter können uns nur stark fallible, immer vorläufig bleibende Einsichten in Aussicht stellen. Natürlich ist diese Überlegung keine Widerlegung der Strategie modaler Abduktion, jedoch zeigt sie bereits, dass wir idealerweise nicht ausschließlich auf dieses Mittel beschränkt sein sollten. Im Folgenden werden wir jedoch weiter sehen, dass die Typ-Identitätstheoretiker zwar erfolgreich darin sein mögen, unter Zuhilfenahme von Abduktion ein Argument für die Identität mentaler und physischer Zustände anzugeben, dass es jedoch ein Irrtum wäre, hieraus zu schließen, dass Abduktion eine Rolle für modales Wissen spielen würde. Ich werde dem entgegen zeigen, dass die Rolle der Abduktion sich bereits erschöpft hat, bevor der Schritt von den Wahrheiten über die tatsächliche Welt zu denen über Modalität vollzogen wird.
4.1.6.2 Abduktive Schlüsse in Argumenten mit modalen Konklusionen Wir haben gesehen, dass abduktive Schlüsse für den Typ-Physikalismus eine gewisse Plausibilität haben. Wenn diese für modales Wissen jedoch eine zentrale Rolle spielen sollen, muss gezeigt werden, wie sich dies auf andere metaphysisch modale Tatsachen erweitern lässt. Stephen Biggs hat hierfür kürzlich ein Argument vorgelegt. (1) Some of the principles that underlie abduction support modal claims (more than other modal claims. (2) These principles can be balanced when applied to modal claims (in at least some cases). (3) Abduction can establish modal claims. (Biggs 2010, 298f.)
Biggs’ Argument ist schwach formuliert. Die Konklusion ist bereits dann wahr, wenn es eine einzige modale Behauptung gibt, deren Wahrheit wir mithilfe von Abduktion herausgefunden haben. Nun scheint es so, dass Abduktion eine wichtige Rolle im Argument für die Identität von Körper und Geist spielt. Diese Identität besteht notwendig, wenn sie überhaupt besteht. Somit scheint Abduktion eine wichtige Rolle zumindest für Wissen über bestimmte metaphysisch modale Wahrheiten zu spielen. Doch es muss zunächst geklärt werden, wie genau modale Abduktion funktionieren könnte, und im Verlauf dieser Betrachtung wird sich zeigen, dass es ein Fehler ist, wenn man glaubt, an den Argumenten der Identitätstheoretiker lasse sich erkennen, dass Abduktion eine wichtige Rolle für den Erwerb metaphysisch modalen Wissens spielen kann. Betrachten wir hierzu wiederum einen Beispielfall, der sich deutlich vom Schluss von der Korrelation auf die Identität unterscheidet. In diesem Fall soll
92 � Modaler Empirismus Folgendes gegeben sein. Wir haben empirisch beobachtet, dass für alle Wesen gilt: Wenn x ein Mensch ist, dann besteht x nicht aus Metall. Nicht aus Metall zu sein, folgt daraus, aus Sauerstoff und Kohlenstoff zu bestehen, und dies ist eine Eigenschaft, die alle Lebewesen teilen.60 Aus demjenigen Material zu bestehen, aus dem man tatsächlich besteht, ist nun ein typischer Kandidat für eine de re notwendige Eigenschaft. Jedoch stellt sich die Frage, wie wir herausbekommen, dass es nicht nur kontingenterweise der Fall ist, dass alle Menschen nicht aus Metall sind, sondern notwendigerweise nicht-metallisch sind. Wenn Abduktion sich als generelles Verfahren zum Erwerb metaphysisch modalen Wissens bewähren soll, müsste eine Erklärung etwa wie folgt aussehen. 1. 2.
Empirisches Datum: Es gibt keinen Menschen, der aus Metall besteht. Die beste Erklärung dafür, dass es keinen Menschen gibt, der aus Metall besteht, ist, dass Menschen mit metaphysischer Notwendigkeit nicht aus Metall bestehen. 3. Also: Wir haben gute Gründe zu glauben, dass Menschen mit metaphysischer Notwendigkeit nicht aus Metall bestehen. Doch dieses Argument ist keineswegs überzeugend, was daran liegt, dass (2) keineswegs einleuchtend ist. Vergleichen wir sie hierzu mit (4). 4. Die beste Erklärung dafür, dass es keinen Menschen gibt, der aus Metall besteht, ist, dass Menschen mit nomologischer Notwendigkeit nicht aus Metall bestehen. (4) scheint auf den ersten Blick wesentlich plausibler als (2). Wenn es nämlich keine Naturgesetze gäbe, die ausschlössen, dass Menschen metallene Kinder bekämen, dann wäre es äußerst fraglich, ob (1) noch Bestand hätte. Warum sollte es dann nicht gelegentlich passieren, dass Menschen geboren werden, die aus Metall bestehen? Nun behaupten viele Philosophen, dass (1) eine metaphysische Notwendigkeit ausdrückt. Es könnte ihnen zufolge also auch beim Fehlen eines Naturgesetzes, dass die Geburt metallener Kinder ausschließt, keine Menschen aus �� 60 Dies ist natürlich eine starke Vereinfachung, die der tatsächlichen Komplexität von Lebewesen nicht gerecht wird. Für das Beispiel ist dies jedoch nicht relevant, und daher werde ich es so einfach wie möglich halten. Tatsächlich sind auch Stickstoff, Wasserstoff, Kalzium und Phosphor in Mengen über 1% im menschlichen Körper vorhanden, hinzu kommen einige Spurenelemente, unter denen sich unter anderem die Metalle Eisen und Kupfer finden.
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Metall geben, weil es für Menschen notwendig ist, nicht-metallisch zu sein, und die Kinder aus Metall somit keine Menschen wären. Doch dies ist keineswegs etwas, was wir beobachtet haben, sondern drückt eine Überzeugung über die modalen Eigenschaften von Menschen aus, die wir auf irgendeinem anderen Weg gefunden haben müssen. Es scheint also, dass wir das Wissen darüber, dass es metaphysisch notwendig ist, dass Menschen nicht aus Metall sind, nicht aus empirischem Wissen und einem abduktiven Schluss herleiten können, sondern ein anderes Mittel brauchen, um Zugang hierzu zu erlangen. Erst wenn wir dieses metaphysisch modale Wissen bereits haben, können wir hiervon daraus schließen, dass es nicht nur eine nomologische Notwendigkeit oder einfach eine Tatsache ist, dass Menschen nicht aus Metall sind. Welche Schlüsse können wir aus diesem Beispiel für Biggs’ Thesen (1) und (2) ziehen? (1) Some of the principles that underlie abduction support modal claims (more than other modal claims). (2) These principles can be balanced when applied to modal claims (in at least some cases). (3) Abduction can establish modal claims. (Biggs 2010, 298f.)
Es scheint mir, dass die Lehre die folgende ist. (1) und (2) sind falsch. Angemessener wären sie wie folgt zu formulieren. 1. 2.
Einige Prinzipien, die Abduktion zugrunde liegen, stützen Aussagen, die leicht Schlüsse auf modale Aussagen zulassen. Diese Prinzipien können einen Beitrag dazu leisten, metaphysisch modale Wahrheiten zu entdecken.
Diese beiden Prinzipien sind damit vereinbar, dass Abduktion uns nur den Schluss von der Korrelation auf die Identität, nicht aber auf deren Notwendigkeit erlaubt. Sie erlauben jedoch keinen Schluss auf (3), sondern nur auf (4). 4. Abduktion kann einen Beitrag zur Entdeckung metaphysisch modaler Wahrheiten leisten. (4) steht Abduktion eine gewisse Rolle für metaphysisch modales Wissen zu, lässt jedoch zu, dass neben abduktivem Schließen und empirischem Wissen weiteres Wissen nötig ist, um metaphysisch modales Wissen zu erwerben. Sehen wir uns dies nochmal am Beispiel des Schlusses von Korrelation auf notwendige Identität an. Hier hilft Abduktion beim Schluss von
94 � Modaler Empirismus a. A und B sind korreliert. auf b. A und B sind identisch. und zusammen mit dem Wissen über die Notwendigkeit der Identität c. Wenn A mit B identisch ist, sind A und B notwendigerweise identisch. ergibt sich hieraus die modale Annahme d. A und B sind notwendigerweise identisch. Doch hier war bereits Wissen über die Notwendigkeit der Identität vorhanden. Ohne diese wäre nur ein Schluss von der nicht-modalen Tatsache der Korrelation von A und B auf die Identität von A und B durchführbar gewesen. Sofern Biggs also nicht zeigen kann, dass wir das Wissen über die Notwendigkeit der Identität mithilfe von Abduktion erhalten haben, zeigt sich, dass ein abduktiver Schluss allein nicht hinreichend ist, um von empirischem Wissen zu metaphysisch modalem Wissen zu gelangen. Während die Notwendigkeit der Identität sich – auf anderem Wege – recht einfach darlegen lässt (Kripke 1980, 3), haben wir im Falle unseres Wissens über de re notwendige Eigenschaften gerade das Problem, dass wir nicht wissen, wie wir von b) C hat die Eigenschaft F. auf c) C hat notwendigerweise die Eigenschaft F. schließen sollen. Da vollkommen nebulös ist, wie uns Abduktion helfen soll, diesen Schluss zu vollziehen, kann an dieser Stelle geschlossen werden, dass sie allein kein geeignetes Verfahren darstellt, um von empirischem Tatsachenwissen zu modalem Wissen zu gelangen. Nun lässt sich auch ein Urteil über Biggs’ Thesen (1) und (2) fällen. Biggs schreibt diesen zu, dass sie implizieren, dass metaphysisch modale Tatsachen sich in ihrem epistemischen Zugang nicht wesentlich von anderen Tatsachen unterscheiden, die wir nicht direkt beobachten können.
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Doch weshalb sollten wir dies glauben? Metaphysisch modale Tatsachen sind klarerweise von radikal anderer Art als Tatsachen über Gegenstände, die zu klein, zu weit entfernt o.ä. sind, um von uns beobachtet zu werden. Während Strings, Quarks, schwarze Löcher und dunkle Materie zwar nicht direkt beobachtbar sind, aber wir gerade deshalb auf sie schließen, weil wir hoffen, dass ihre kausalen Kräfte eine gute Erklärung für beobachtete Phänomene darstellen, haben nicht-tatsächliche mögliche Gegenstände – Possibilia – sicherlich keine kausalen Kräfte, deren Wirkung sich in unserer Welt beobachten lässt. Hierbei ist es egal, ob wir nun ein Bild mit konkreten möglichen Welten à la Lewis (1986) oder einen Ersatzismus wie Plantinga (1987) oder Stalnaker (1979a) akzeptieren. Angesichts dieser Schwierigkeiten zeigt sich, dass wir allein mithilfe von empirischem Wissen und abduktiven Schlussprinzipien kein Wissen über metaphysische Modalität erlangen können. Stattdessen können diese zwar eine Rolle in Argumenten spielen, die eine metaphysisch modale Konklusion haben, jedoch gerade nicht an der Stelle, die für die Modalepistemologie relevant ist, also dort, wo der Schluss vom Tatsächlichen auf das metaphysisch Modale erfolgt. Stattdessen kann Abduktion nur verschiedene nicht-modale Thesen in Argumenten mit modalen Konklusionen miteinander verknüpfen – doch dies trifft natürlich nicht ausschließlich auf abduktive Schlüsse zu und kann auch nicht zeigen, dass diese modalepistemologisch relevant sind.
4.2 Metaphysische Modalität und Kontrafaktische Konditionale Christopher Hill (Hill 2006) und Timothy Williamson (Williamson 2007; Williamson 2007a, 134ff.) haben in den letzten Jahren Ansätze entwickelt, die zeigen sollen, wie wir mit Hilfe von empirisch erworbenem Wissen über kontrafaktische Konditionale modales Wissen erwerben können. Dabei ist vor allem Williamsons Vorschlag enorme Aufmerksamkeit zugekommen. Die Strategie, welche die beiden verfolgen, besteht aus den folgenden Schritten. Erstens soll gezeigt werden, dass bestimmte Aussagen über metaphysische Modalität logisch äquivalent zu bestimmten kontrafaktischen Konditionalen (i.d. Folge KFKs) sind. Diese zu bestimmten Aussagen über metaphysische Modalität logisch äquivalenten KFKs werde ich in der Folge als „die relevanten KFKs“ bezeichnen. Zweitens wollen Vertreter einer solchen Strategie zeigen, dass wir in der Lage
96 � Modaler Empirismus sind, generell KFK-Wissen und Wissen über die relevanten KFKs im Speziellen zu erlangen.61 Da KFK-Wissen gut in Alltag und Wissenschaft eingebunden ist, wäre mit der erfolgreichen Durchführung dieser beiden Schritte gezeigt, dass wir zum Erwerb metaphysisch modalen Wissens fähig sind, sofern wir allgemeine skeptische Probleme außen vor lassen. Wir stünden nicht vor einem besonderen Problem metaphysisch modaler Skepsis. Ich werde also im Folgenden untersuchen, ob Williamsons Theorie diese beiden Punkte erfüllen kann, wobei ich die Einwände trotz einiger Bedenken (vgl. Nolan 1997) weitgehend auf den zweiten, epistemologisch zentralen, Punkt konzentrieren werde.6263 Hills Theorie werde ich anschließend kurz separat diskutieren.
4.2.1 Williamsons Lehnstuhl-Empirismus
4.2.1.1 Metaphysische Modalität und Kontrafaktische Konditionale Williamson muss uns zunächst zeigen, dass Wissen von bestimmten kontrafaktischen Konditionalen hinreichend dafür ist, Wissen über Möglichkeit und Notwendigkeit zu erwerben. Ein Weg, der dies garantieren würde, wäre, zu zeigen, dass bestimmte KFKs synonym zu Aussagen über Modalität sind. Diese Strategie sieht Williamson aufgrund von Bedeutungsunterschieden nicht als vielversprechend an. Daher versucht er, die schwächere These zu etablieren, dass die folgenden logischen Äquivalenzen bestehen.64 65
�� 61 Man könnte weiter fragen, ob eine logische Äquivalenz hinreichend ist, um KFKs als Mittel zu behandeln, um metaphysisch modales Wissen zu erwerben. Dies setzt voraus, dass wir begrenzt in der Lage sind, die logischen Folgen von dem, was wir wissen, zu erkennen, verlangt jedoch keine Akzeptanz des umstrittenen Prinzips der Geschlossenheit des Wissens im Allgemeinen. Vgl. hierzu Luper 2010. 62 Ausführliche Diskussionen über die Bedeutung der Modallogik für metaphysische Fragen finden sich in Williamson 2010 und 2013. 63 Eine noch deutlich weiter reichende Kritik an Williamsons Überlegungen findet sich in Bennett 2009. 64 Vgl. zum Zusammenhang von kontrafaktischen Konditionalen und NotwendigkeitsAussagen Kment 2006a. 65 Hierbei setzt Williamson eine realistische, im Gegensatz zu einer epistemischen, Theorie von KFKs voraus. Nach letzterer haben KFKs nur Behauptbarkeitsbedingungen und zumindest primär keine beschreibende Funktion, sondern drücken unsere epistemischen Einstellungen aus. (http://cms.uni-konstanz.de/what-if/subprojects/subproject-p1/)
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1a. □ A ↔ (¬A □→ ┴) 1b. □ A ↔ (¬A □→ A) 1c. □ A ↔ für alle p (p □→ A) 2a. ◊ A ↔ ¬ (A □→ ┴) 2b. ◊ A ↔ ¬ (A □→ ¬A) 2c. ◊ A ↔ es gibt ein p ¬ (p □→ ¬A)66 Obwohl nicht gänzlich unumstritten ist, dass diese Äquivalenzen wirklich bestehen (vgl. Nolan 1997), werde ich dies Williamson hier zugestehen, da ihre Ablehnung u.a. die problematische Konsequenz hat, dass es unmögliche Welten gibt (Williamson 2007a, 171f.). Die hier entscheidende Frage ist, ob eine derartige Äquivalenz für modalepistemologische Zwecke von Nutzen ist. Hierzu müssen die KFKs, die in 1a - 2c vorkommen, uns einen Weg bieten, Wissen über die zu ihnen logisch äquivalenten Aussagen über metaphysische Modalität zu erwerben.67 Ob dies der Fall ist, werden wir in der Folge sehen. Zuvor möchte ich jedoch herausstellen, wie sehr sich die KFKs, die in 1a - 2c vorkommen, von alltäglichen KFKs unterscheiden. Setzen wir für die linke Seite der drei Thesen 1a - 1c „Es ist notwendig, dass Gott existiert“ ein. Die rechten Seiten wären dann „Würde Gott nicht existieren, läge ein Widerspruch vor.“ (für 1a) „Würde Gott nicht existieren, würde Gott existieren.“ (für 1b) „Was auch immer der Fall wäre, Gott würde existieren.“ (für 1c) Keines dieser KFKs ähnelt denen, mit denen in Alltag und Wissenschaft routiniert hantiert wird. Dasselbe gilt für die Fälle 2a - 2c. Wenn wir „Es ist möglich, dass Geist und Körper getrennt sind.“ für die linke Seite einsetzen, ergeben sich für die rechten Seiten „Wenn Geist und Körper getrennt wären, läge kein Widerspruch vor.“ (für 2a) „Es ist nicht der Fall, dass wenn Geist und Körper getrennt wären, Geist und Körper nicht getrennt wären.“ (für 2b) „Es gibt etwas, für das nicht gilt, dass wenn es der Fall wäre, Geist und Körper nicht getrennt wären.“ (für 2c) �� Kritisch hierzu Gärdenfors 1988; Spohn 2006. 66 Die Herleitung dieser Äquivalenzen findet sich in Williamson 2007, 156ff. 67 Zur Frage, ob dies auch zeigen würde, dass KFK-Wissen Wissen über Essenzen oder de re modale Eigenschaften voraussetzt, vgl. Roca-Royes 2012.
98 � Modaler Empirismus Damit ist natürlich noch nicht gezeigt, dass es nicht machbar ist, auf Basis von einfachem KFK-Wissen zu philosophisch relevantem KFK-Wissen zu gelangen. Es wird jedoch bereits hier deutlich, dass die Erkenntnistheorie einfacher und philosophischer relevanter KFKs sich zunächst sehr zu unterscheiden scheint. Nun stellt sich die Frage, ob diese logischen Äquivalenzen uns einen epistemologischen Vorteil verschaffen können. Sind wir in der Lage, KFK-Wissen zu erwerben? Williamson versucht, dies anhand von einfachem KFK-Wissen zu zeigen.
4.2.1.2 Der Erwerb von einfachem KFK-Wissen Williamson muss zunächst zeigen, wie es uns gelingt, einfaches KFK-Wissen zu erwerben. Anschließend kann dann geprüft werden, ob sich KFK-Wissen, das relevant für den Erhalt metaphysisch modalen Wissens ist, auf ähnliche Weise erwerben lässt. Betrachten wir zunächst das einfache KFK (a). a) Wäre der Busch nicht da gewesen, wäre der Stein ins Wasser gerollt. (a □→ b) Aussagen wie (a) treffen wir im Alltag ständig, und wir alle sind sicher, dass wir Wissen über sie haben können. Doch wie haben wir dieses erworben? Wir haben nicht direkt beobachtet, dass (a) wahr ist, denn die Wahrheit von (a) ergibt sich gar nicht daraus, wie die tatsächliche, wahrnehmbare Welt beschaffen ist, sondern daraus, was in einer nicht-tatsächlichen Situation der Fall gewesen wäre. (a) ist auch weder eine logische noch eine begriffliche Wahrheit, die Aussichten, a priori Wissen darüber zu erwerben, sind also schlecht. Williamson zufolge verlassen wir uns hierbei auf unsere Imaginationsfähigkeit. Somehow you came to know the counterfactual by using your imagination. That sounds puzzling if one conceives the imagination as unconstrained. [...] What constraints imagining it one way rather than another? (Williamson 2007a, 143)
Leider gibt er keine genauere Bestimmung davon an, was Imagination ist. Zwar erklärt er, dass die Imagination wahrnehmungsartig sein kann, jedoch nicht sein muss (Williamson 2007a, 153), er bestimmt jedoch nicht, wie sie in dem Fall funktioniert, in dem sie nicht wahrnehmungsartig ist. Klar ist Williamson jedoch insofern, als es ihm hierbei eindeutig um eine Form beschränkter Imagination geht. Williamson zufolge spielt Imagination beim Erwerb modalen Wissens eine ganz andere Rolle, als Modale Rationalisten glauben. Während diese direkt
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mithilfe von Imagination Wissen von metaphysischer Möglichkeit, also Möglichkeit schlechthin, zu erwerben suchen und Imagination daher uneingeschränkt nutzen (Yablo 1993, 25ff.), spielt sie bei Williamson eine andere Rolle. Sie soll helfen, Wissen über nahe mögliche Welten zu erwerben, so dass sie gerade dahingehend beschränkt sein muss, dass sie nicht alle beliebigen Szenarien zulässt, sondern eine möglichst starke Wirklichkeitsnähe behält. (Williamson 2007a, 143.) Doch wie erreichen wir diese Wirklichkeitsnähe? Woher wissen wir, dass der Inhalt der Vorstellung des Steins, der nicht vom Busch gestoppt wird und ins Wasser rollt, näher an unserer Welt ist als der Inhalt der Vorstellung des Steins, der nicht vom Busch gestoppt wird, jedoch ganz plötzlich liegen bleibt? Williamson zufolge liegt dies daran, dass unser Imaginationsvermögen durch unsere Erfahrung, zum Beispiel unser Wissen über Naturgesetze und kausale Tendenzen, informiert wird. The default for the imagination in its primary function may be to proceed as „realistically“ as it can, subject to whatever deviations the thinker imposes to brute force: here, the absence of the bush. Thus the imagination can in principle exploit all our background knowledge in evaluating conditionals. (Williamson 2007a, 143)
In der Bewertung von KFKs bemühen wir uns also, die Situation, über die wir nachdenken, nur hinsichtlich eines einzigen Faktors zu modifizieren. Hierzu führen wir eine Art von Simulation68 durch. In dieser nutzen wir Vermögen, die wir auch in der Bewertung von Wahrnehmungseindrücken nutzen, zum Beispiel um die beiden Teile des Konditionals jeweils einzeln zu bewerten. In der Simulation verwenden wir sie hingegen, um mithilfe unserer Imaginationsfähigkeit das gesamte Konditional zu evaluieren. (Williamson 2007a, 147.) Die Simulation soll hierzu etwa wie folgt ablaufen. Wir stellen uns vor, ein Beobachter dessen zu sein, was in einer möglichen Welt passiert, in der das kontrafaktische Antezedenz besteht (Williamson 2007a, 149). Hierzu verlassen wir uns auf dieselben Annahmen über Naturgesetze und kausale Zusammenhänge, die wir auch zur Vorhersage zukünftiger Ereignisse nutzen. Williamson beansprucht nicht, hiermit eine allgemeingültige Erkenntnistheorie einfacher KFKs entworfen zu haben, da er sieht, dass imaginative Simulation weder stets nötig noch stets hilfreich für die Bewertung von KFKs ist. Er
�� 68 Hinsichtlich Simulationen lehnt sich Williamson an Theorien an, die beschreiben, wie wir die mentalen Vorgänge anderer handelnder Subjekte oder von uns selbst simulieren (vgl. Williamson 2007a, 148).
100 � Modaler Empirismus hält sie jedoch für die Methode, die hierbei die herausragende Rolle spielt (Williamson 2007a, 152).
4.2.2 Funktioniert Williamsons KFK-Erkenntnistheorie? Hier stellen sich drei Fragen, von denen nur die erste und die dritte direkt für meine Arbeit von Bedeutung sind. Die Diskussion der zweiten Frage kann jedoch darüber hinaus unmittelbar erhellend sein. Alle drei Fragen betreffen die epistemologischen Probleme, die die verschiedenartigen KFKs aufwerfen. 1. 2.
Ist Williamsons Erkenntnistheorie einfacher KFKs angemessen? Bietet Williamson eine befriedigende Erkenntnistheorie für schwierige, philosophische KFKs? 3. Zeigt Williamson, wie wir Wissen über die relevanten KFKs erhalten können, die logisch äquivalent mit Aussagen über metaphysische Möglichkeit und Notwendigkeit sind?
4.2.2.1 Wissen über einfache Kontrafaktische Konditionale Zunächst stellt sich die Frage, ob Williamsons Erkenntnistheorie gewöhnlicher KFKs angemessen ist. Nutzen wir wirklich imaginative Simulationen, wenn wir uns bei alltäglichen Ereignissen fragen, was passiert wäre, wenn ...? In einigen Fällen scheint dies zuzutreffen, zum Beispiel im Falle des Steins, der nur deshalb nicht in den See rollt, weil er sich in einem Busch verfängt (Williamson 2007, 142). Hier können wir tatsächlich den Busch imaginativ ausblenden und uns vorstellen, was dann mit dem Stein geschehen wäre. Nimtz hat jedoch eingewandt, dass keineswegs alle Fälle alltäglicher KFKs von dieser Art sind. Take Williamson's own example „If there were kangaroos, on this island, we would have seen some of them by now“. Imagining kangaroos on the island does not seem to be part of what we do to judge this to be true. We rather rely on empirical knowledge such as that the island is small and woodless, and that kangaroos are largish and do not hide. Or envisage a lawyer telling his client „If it had been your DNA they found at the scene, you would have been arrested“. Here it is knowledge of standard police procedure rather than imagination that allows him to pass this judgment. (Nimtz unv, 149)
Ist Nimtz’ Kritik berechtigt? Natürlich hat er Recht damit, dass wir empirisches Wissen für die Evaluation der KFKs einbeziehen, aber heißt dies, dass wir nur dieses nutzen? Können wir uns nicht zumindest, im Känguru-Fall, vorstellen, wie die Situation aussähe, und dies nutzen, um das KFK zu bewerten? Wir kön-
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nen uns eine kleine Insel vorstellen, auf der es Kängurus gibt, und uns vorstellen, wie wir die Insel abschreiten, und zusammen mit dem Wissen, dass Kängurus eher groß sind und sich nicht verstecken, würde es sich ergeben, dass wir in der Vorstellung Kängurus sähen. Ähnliches gilt für das DNA-Beispiel. Auch hier benötigen wir natürlich empirisches Wissen, zum Beispiel, dass die Polizei in der Lage ist, DNA-Spuren eindeutig zuzuordnen, dass sie diese als zentrales Indiz ansieht usw. Dies besagt doch aber keineswegs, dass wir uns beim Nachdenken über die Wahrheit des DNA-KFKs nicht auch vorstellen, wie ein Spezialist der Polizei die DNA-Spur zuordnet und darauf die Verhaftung des Trägers dieser DNA durchgeführt wird. Nimtz’ Hinweis auf die Verwendung unseres empirischen Wissens ist richtig, steht aber zunächst nicht im Konflikt mit Williamsons Schilderung, und hier findet sich kein Argument, um uns zu überzeugen, dass das empirische Wissen die Imagination ersetzt, statt sie zu ergänzen. Selbst wenn die Zweifel an Williamsons Erkenntnistheorie einfacher KFKs angebracht sein sollten, so lässt sich sein Ansatz zumindest an diesem Punkt doch indirekt verteidigen. Zu leugnen, dass wir Wissen über einfache KFKs haben können, ist äußerst unattraktiv, da damit alltägliches und wissenschaftliches Denken höchst problematisch würden. Wenn man eine zu umfassende Skepsis vermeiden möchte, tut man also gut daran, Williamson zuzugestehen, dass wir Wissen über einfache KFKs haben können. Wenn es ihm nun gelingt, zu zeigen, dass Wissen über philosophische KFKs bzw. Wissen über die hier relevanten KFKs im Prinzip genauso erworben werden kann wie Wissen über einfache KFKs, dann wäre metaphysisch modales Wissen nicht mehr mysteriöser als gewöhnliches KFK-Wissen, und dies wäre ein gewaltiger Schritt. Kann Williamson dies zeigen?
4.2.2.2 Philosophische und andere schwierige KFKs Betrachten wir einen für die Modalepistemologie interessanten Fall eines philosophischen KFKs. i.
Wenn ein Wesen P* dieselben physischen Eigenschaften hätte wie ein tatsächliches Wesen P, hätte es auch dieselben mentalen Eigenschaften.
Wie sollen uns unsere gewöhnlichen Fähigkeiten zum Erwerb von KFK-Wissen in diesen Fällen helfen? Wie eine imaginative Simulation in diesem Fall funktionieren soll, scheint selbst dann völlig unklar, wenn wir nicht-bildliche Imagination zulassen. Die einfachen und die philosophischen KFKs ähneln sich zwar in ihrer formalen Struktur, doch diese ist nicht hinreichend, um berechtigt eine
102 � Modaler Empirismus ähnliche Erkenntnistheorie zu unterstellen. Unterschiedliche Sätze mit gleicher Struktur können auf völlig verschiedene Weise gerechtfertigt werden, wenn es sich zum Beispiel in einem Fall um eine mathematische, im anderen um eine empirische, oder eine phänomenale Annahme handelt. Die formale Ähnlichkeit zwischen „Die Zahl 2 ist größer als die Zahl 1“ und „Tom ist größer als Jim“ – wobei „Tom“ und „Jim“ die Namen zweier Halbwüchsiger sind – ist nicht hinreichend, um zu begründen, dass man diese auf ähnliche Weise begründen oder wissen kann (Nimtz unv., 150). Stattdessen scheint es wesentlich vom Inhalt einer Annahme abzuhängen, wie diese gerechtfertigt werden kann, und dieser sorgt zum Beispiel dafür, dass mathematische Aussagen, wie auch immer genau sie gerechtfertigt werden, sich jedenfalls in dramatischer Weise anders rechtfertigen lassen als Behauptungen über den eigenen Geist, Fremdpsychisches, die unmittelbare Wahrnehmung, Zukünftiges, Vergangenes oder eben Mögliches und Notwendiges. So wäre es absurd, ein Maßband zu verwenden, um herauszufinden, ob die Zahl 2 größer als die Zahl 1 ist, obwohl dies das geeignete Mittel ist, um herauszufinden, ob Tom größer als Jim ist. Ebenso wenig ist es angemessen, ausschließlich mithilfe eines mathematischen Beweises unter Rückgriff auf mathematische Axiome zu zeigen, dass Tom größer als Jim ist, obwohl dies der geeignete Weg ist, um zu zeigen, dass die Zahl 2 größer als die Zahl 1 ist. Um uns zu überzeugen, dass wir philosophisches KFK-Wissen mithilfe derselben Fähigkeiten erlangen können, die wir zum Erwerb von einfachem KFKWissen nutzen, müsste Williamson zeigen, wie genau dies funktioniert. Ein einfaches Postulat aufgrund naturalistischer Überzeugungen und formaler Ähnlichkeiten zwischen diesen inhaltlich sehr verschiedenen KFKs kann hier nicht zeigen, was es zeigen müsste. Stattdessen müssen sich die Schritte, die wir durchführen, um einfache KFK-Überzeugungen zu rechtfertigen, ebenso für schwierige KFK-Überzeugungen durchführen lassen. Williamson zeigt uns bedauerlicherweise nicht, wie dies funktionieren soll. Betrachten wir nochmals das oben genannte Beispiel. i.
Wenn ein Wesen P* dieselben physischen Eigenschaften hätte wie ein tatsächliches Wesen P, hätte es auch dieselben mentalen Eigenschaften.
Wie sollen wir Williamsons Epistemologie für KFKs nutzen, um dieses philosophisch und modalepistemologisch relevante KFK zu evaluieren? Zwar könnte man vielleicht imaginieren, wie ein Wesen dieselben physischen Eigenschaften hat wie ich, seine mentalen Eigenschaften sich jedoch ändern, aber wie soll uns dies bei der Bewertung dieses ja sehr allgemeinen KFKs helfen? Wir müssten hierzu sichern, dass wir möglichst wirklichkeitsnah imaginieren. Doch wie
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sollen wir dies in diesem Fall tun? Williamson hatte für die einfachen Fälle erklärt, dass wir hierzu unser empirisch erworbenes Wissen über Naturgesetze und kausale Zusammenhängen nutzen. Aber hier haben wir es mit einem Fall zu tun, in dem wir gerade wissen wollen, ob es nur eine nomologisch notwendige oder eine metaphysisch notwendige Verbindung zwischen den physischen Eigenschaften und den mentalen Eigenschaften eines Wesens gibt. Wie soll unser Wissen über Naturgesetze und kausale Zusammenhänge hier eine Rolle spielen? Hierzu müssten wir doch zumindest wissen, ob die mentalen Eigenschaften von den physischen Eigenschaften nur kausal abhängen, mit ihnen identisch sind oder in einer anderen Relation zu ihnen stehen. Beispiele wie i werfen eine Reihe von Fragen auf, die sich nicht anhand von Williamsons einfachen Beispielen beantworten lassen, weil sie sich in diesen einfachen Fällen überhaupt nicht stellen. Hier müsste Williamson mehr tun, als einfach nur darauf zu verweisen, dass wir gewisse Fähigkeiten haben, die wir nutzen, um einfaches KFK-Wissen zu erwerben, und dass wir folglich annehmen können, auch Fähigkeiten zur Erlangung schwierigen KFK-Wissens zu haben. Dies ist keineswegs trivial. Die nächste Lücke zwischen einfachen und schwierigen, philosophischen KFKs öffnet sich sogleich. Hierbei geht es darum, dass wir uns in philosophischen Fragen häufig mit Zusammenhängen beschäftigen, die auch dann noch bestehen sollen, wenn die Naturgesetze sich ändern. Williamson hatte unsere Fähigkeit zur Bewertung durch Nutzung unseres Wissens über Naturgesetze und kausale Tendenzen erklärt (vgl. Kap. 3.2.2). Was soll uns dies jedoch in einem Fall wie i nutzen? Wenn i auf eine Weise verstanden werden soll, die für philosophische Zwecke interessant ist, dann soll unser Wissen über es uns zum Beispiel zeigen, ob eine nomologisch oder eine metaphysisch notwendige Verbindung zwischen Mentalem und Physischem vorliegt. Hierzu dürfen wir natürlich nicht einfach all unser Wissen über Naturgesetze nutzen, im Gegenteil, dieses muss gerade beiseite gelegt werden – schließlich wollen wir wissen, ob die mentalen Eigenschaften nur mit nomologischer oder mit metaphysischer Notwendigkeit mit den physischen Eigenschaften verbunden sind.69 �� 69 Kroedel 2012 setzt an diesem Punkt an. Er bestreitet, dass nur KFK-Wissen im Bereich des nomologisch Möglichen evolutionär erklärbar ist. Hierzu bringt er folgende Überlegung vor. Wissen über das KFK „Hätte ich eine Lampe angezündet, wäre ich nicht von einem Tiger angegriffen worden.“ ist sicherlich evolutionär wertvoll. Um dieses Wissen zu bewerten, benötige ich Wissen über die nächsten möglichen Welten. Die nächste mögliche Welt zu der, in der ich keine Lampe angezündet habe und von einem Tiger attackiert wurde, ist ihm zufolge eine, in der ein winziger Bruch der Naturgesetze mich dazu gebracht hat, eine Lampe anzuzünden. Also können wir ihm zufolge auch KFKs bewerten, die sich über den Bereich des nomologisch
104 � Modaler Empirismus Fall i ist dabei keine Ausnahme. Philosophisch interessante Thesen beanspruchen häufig, metaphysisch notwendig zu sein, also auch dann noch zu gelten, wenn die Naturgesetze außer Kraft gesetzt sind. Ebenso sind sie im Normalfall abstrakt und allgemein gehalten. ii. iii.
Wenn es einen allmächtigen, gütigen Gott gäbe, gäbe es kein Leiden auf der Welt. Wenn das Gehirn G einer Person P im Körper K wäre, dann wäre K der Körper von P.
Was auf i zutrifft, gilt auch für den Fall ii aus der Religionsphilosophie und Fall iii aus der Debatte um Personale Identität. Auch hier ist nicht klar, wie uns empirisches Wissen und Imaginationsfähigkeit die Bewertung dieser beiden KFKs erlauben sollen, da beide zumindest potenziell metaphysisch notwendig sind. Es stellt sich die Frage, wie wir uns die Anwesenheit eines transzendenten Gottes oder die Tatsache, dass einer bestimmten Person ein bestimmter Körper gehört, imaginieren sollten. Selbst wenn wir aber einen Weg finden sollten, um die einzelnen Teile dieser KFKs zu imaginieren, bleibt jedoch unklar, wie wir dies dazu nutzen sollen, um heraus zu finden, ob diese KFKs wahr sind. Wir sehen also, dass Williamsons Erkenntnistheorie einfacher KFKs nicht auf schwierige und philosophisch interessante KFKs übertragbar ist. Ich habe mir nur einige Aspekte ausgesucht, in denen schwerwiegende Disanalogien bestehen, die es unmöglich machen, die Vermögen, die wir für die Bewertung einfacher KFKs gebrauchen, auch nur annähernd für die Bewertung von KFKs wie a zu nutzen. Diese zeigen jedoch bereits eines deutlich. Wenn die KFKs, um
�� Möglichen hinaus erstrecken. Kroedels Ansatz hat zwei Probleme. Zum einen ist es nicht klar, dass eine solche nomologisch unmögliche Welt wirklich die nächste zur tatsächlichen wäre. Zum anderen ändert dieser Punkt wenig, da es uns bei der Bewertung philosophisch interessanter KFKs nicht nur um Welten geht, in denen winzige Brüche der Naturgesetze vorliegen. Um zu wissen, dass es metaphysisch notwendig ist, dass p, müssen wir auch Welten mit einschließen, in denen die Naturgesetze zum Großteil außer Kraft gesetzt oder vollständig durch andere ersetzt sind. Selbst wenn seine Überlegung schlüssig ist, zeigt sie also nur, dass der Bereich der KFKs, bei deren Bewertung wir verlässlich sind, ein wenig über den Bereich des nomologisch Möglichen heraus reicht. Für die Frage, wie wir philosophisch interessante KFKs wissen können, ist sein Gegeneinwand nicht relevant. Auch ansonsten stellt Kroedels Theorie in kaum einem Punkt eine Verbesserung gegenüber Williamsons Ansatz dar. Kroedel verlässt sich für Fragen der Modalepistemologie auf die logische Äquivalenz von „□ A“ und „Für alle p (p □→ A)“, zeigt jedoch nur, wie wir wissen können, dass A in Welten, die unserer Welt ähneln, der Fall wäre, und stellt sich somit gar nicht dem echten Problem, wie wir dies für alle möglichen Welten wissen können.
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die es uns geht, abstrakter, weiter vom Alltäglichen entfernt, allgemeiner – philosophischer – werden, wird die Schwierigkeit ihrer Bewertung nicht einfach nur graduell erhöht, sondern es treten grundlegende neue Schwierigkeiten auf, die dringend einer Lösung bedürften – zum Beispiel, dass wir die Grenzen des nomologisch Möglichen überschreiten und daher unser empirisches Wissen kaum mehr zur Bewertung der KFKs nutzbar ist.
4.2.2.3 Wissen über die relevanten Kontrafaktischen Konditionale Selbst wenn es Williamson gelänge, zu zeigen, dass wir einige philosophische KFKs analog zu einfachen KFKs wissen können, liegt noch ein drückendes Problem für seinen Ansatz vor, das – nicht nur, aber besonders deutlich – diejenigen KFKs betrifft, die logisch äquivalent zu Aussagen über metaphysische Möglichkeit und Notwendigkeit sind. Dieses Problem wurde von Melnyk (2010) und Roca-Royes (2011a) aufgeworfen. Um metaphysisch modales Wissen zu erwerben, das über begrifflich modales Wissen hinaus geht, müssen wir, sofern wir mit de re notwendigen Eigenschaften zurecht kommen müssen, diese irgendwie berücksichtigen. Hierzu müssen wir sicherstellen, dass sie in unseren imaginativen Simulationen nicht verlorengehen – denn ansonsten könnte es uns passieren, dass wir KFKs akzeptieren, die offensichtlich im Widerspruch zu unseren Überzeugungen über metaphysische Notwendigkeit stehen. Lassen wir zum Beispiel die de re notwendige Eigenschaft von Tim außer Acht, ein Mensch zu sein, dann hätten wir keinen Grund, das KFK „Wäre Tom kein Mensch, würde ein Widerspruch folgen“ für wahr zu halten. Dieses ist jedoch äquivalent zu „Es ist nicht metaphysisch notwendig, dass Tom ein Mensch ist“ und dieses wiederum zu „Es ist metaphysisch möglich, dass Tom kein Mensch ist“. Somit entsteht ein direkter Widerspruch zu „Es ist nicht möglich, dass Tom kein Mensch ist“, wobei letzteres sich aus Toms wesentlicher Eigenschaft, ein Mensch zu sein, ergibt. Wenn wir es also vermeiden wollen, so offensichtlich irreführende KFK-Annahmen zu machen, müssen wir sicherstellen, dass wir bei der Bewertung von KFKs im Blick behalten, dass bestimmte Dinge bestimmte de re notwendige Eigenschaften haben. Dies gesteht Williamson an wenig prominenter Stelle auch ein, befasst sich jedoch nicht weiter damit. If we know enough chemistry, our counterfactual development of the supposition that gold is the element with [another] atomic number [than] 79 will generate a contradiction. The reason is not simply that we know that gold is the element with atomic number 79, for we can and must vary some items of our knowledge under counterfactual supposition. Rather, general constraints on the developments of counterfactual suppositions require us to hold such constitutive facts fixed. (Williamson 2007, 110; vgl. Williamson 2007a, 164)
106 � Modaler Empirismus Sonia Roca-Royes (2011a), Tuomas Tahko (2012) und Andrew Melnyk (2010) haben jedoch in aller Schärfe darauf hingewiesen, dass dies ein massives Problem für Williamson aufwirft. Melnyk nennt hierbei zwei mögliche Arten, um Williamson anzugreifen. The first possibility is that we might be perfectly competent to assess ordinary counterfactuals but not competent to assess the special ones equivalent to necessities of identity because we simply lack the disposition to hold constitutive facts fixed. The second possibility is that we might be perfectly competent to assess ordinary counterfactuals and possess the disposition to hold constitutive facts fixed, but that this disposition should not yield knowledge because there is no such thing as metaphysical necessity. (Melnyk 2010, 305)
Die zweite Strategie erscheint mir wenig attraktiv. Ich habe in Kapitel 1 erklärt, weshalb es unattraktiv ist, zu leugnen, dass es metaphysische Modalität in irgendeiner Form gibt. Die erste Strategie jedoch deutet auf den entscheidenden wunden Punkt in Williamsons Erkenntnistheorie metaphysischer Modalität. Hierzu müssen wir sehen, dass de re notwendige Eigenschaften und konstitutive Tatsachen in einem engen Verhältnis stehen müssen. Williamson macht nicht völlig klar, wie die beiden genau zusammenhängen. Wir können uns aber an die beiden bereits dargestellten Positionen Essenzialismus und Aristotelischer Essenz-Realismus halten. Essenzialismus: Dinge haben de re notwendige Eigenschaften. Aristotelischer Essenz-Realismus: Dinge haben Essenzen. Ihre de re notwendigen Eigenschaften sind von diesen abgeleitet. Wenn Williamson sich ersterer Position anschließt, liegt es nahe, dass das Vorliegen notwendiger Eigenschaften zu den konstitutiven Tatsachen gehört oder dass dies sogar die einzigen konstitutiven Tatsachen sind. Wenn Williamson hingegen ein Aristotelischer Essenz-Realist ist, wird er wahrscheinlich annehmen, dass die konstitutiven Tatsachen das Fundament für das Vorliegen notwendiger Eigenschaften bilden. Einiges spricht dafür, dass Williamson AER vertritt (Williamson 2007a, 164), jedoch ändert dies wenig an meinem Gegenargument, so dass ich diese Frage hier nicht klären werde. In beiden Fällen ergibt sich nämlich dasselbe Problem. In der Erkenntnistheorie einfacher KFKs können wir davon ausgehen, dass wir keine de re notwendigen Eigenschaften von Dingen oder konstitutive Tatsachen modifizieren – es scheint klar, dass wir bei der kritischen Betrachtung von „Wäre der Fels nicht da gewesen, wäre der Stein ins Wasser gerollt“ nicht dazu neigen, die de re notwendigen Eigenschaften des Felsens, des Steins oder des Wassers zu verändern, denn schließlich halten wir
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ja die bekannten bestehenden Naturgesetze und sonstigen Hintergründe fest. Doch dies ist gerade dasjenige, was bei der Bewertung philosophischer KFKs und von Aussagen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, in Frage steht. Wenn wir einfach unterstellen, dass wir die de re notwendigen Eigenschaften von Dingen nicht verändern, ist der Weg zu modalem Wissen beinahe schon trivialerweise frei. Jedoch ist dies kein Gewinn, sondern das zentrale Problem für Williamsons Erkenntnistheorie metaphysischer Modalität. Sein Verfahren, das wir zur Evaluation philosophischer KFKs nutzen wollten, um daraus in einem weiteren Schritt Wissen über metaphysische Möglichkeit und Notwendigkeit zu gewinnen, verlangt schon, dass wir die de re notwendigen Eigenschaften nicht verändern. Da wir Wissen über diese nicht wieder auf KFK-Wissen stützen können, da dies in einen Regress führen würde, muss Williamson behaupten, es gebe eine andere Ursache dafür, dass wir eine Disposition dazu haben, die de re notwendigen Eigenschaften von Dingen bzw. die konstitutiven Tatsachen in unserer imaginativen Bewertung der relevanten KFKs nicht zu verändern. Hiermit ist jedoch wieder der Boden der Diskussion erreicht. Das, was wir eigentlich wissen wollten – nämlich, wie wir an Wissen über de re notwendige Eigenschaften gelangen können – wird von Williamson in seine Erkenntnistheorie metaphysischer Modalität durch die Hintertür wieder eingeführt, als Annahme darüber, wie wir de facto vorgehen, wenn wir KFKs evaluieren. Er gibt uns jedoch keinen Grund, zu glauben, dass wir die Dispositionen hätten, die de re notwendigen Eigenschaften in unserem Versuch, uns etwas realitätsnah vorzustellen, einfach festhielten Dies ist in Fällen einfacher KFKs plausibel. Wenn es aber um KFKs geht, die äquivalent zu Aussagen über metaphysische Möglichkeit und Notwendigkeit sind, wird die Frage akut, weshalb wir glauben sollten, dass wir diese Disposition haben? Diese müsste Williamson dringend beantworten. Doch er beschränkt sich auf einfache Fälle, die, wie wir gesehen haben, deutlich von den relevanten und schwierigen Fällen verschieden sind, zum Beispiel insofern, als die Naturgesetze in den einfachen Fällen als Hintergrundwissen genutzt werden können, in den schwierigen Fällen jedoch ausgeklammert werden müssen. Da Williamson die entscheidenden Probleme für die relevanten KFKs nicht löst, ja nicht einmal zeigt, wie wir diese analog zu den einfachen Fällen bewerten könnten, kann seine Theorie nicht zeigen, dass wir in der Lage sind, metaphysisch modales Wissen auf Basis von KFK-Wissen zu erwerben. Stattdessen ist sie nicht mehr als eine problematische Erkenntnistheorie einfacher kontrafaktischer Konditionale.
108 � Modaler Empirismus
4.2.3 Hills Reduktion von metaphysischer Modalität auf kontrafaktische Konditionale Während Williamson im Wesentlichen versucht, metaphysisch modales Wissen auf KFK-Wissen zu reduzieren, geht bei Christopher Hill die epistemologische Reduktion mit einer ontologischen einher. Kripke often uses the expression ‘counterfactual situation’ as an equivalent of the expression ‘metaphysically possible world that is not actual’. This suggests the view that there is an intimate relationship between claims about metaphysical possibility and counterfactual conditionals. [...] I will maintain that it is possible to explain the metaphysical modalities in terms of the subj unctive c ond itional If it were the case that...then it would be the case that ____. (Hill 2006, 219.)
Dies ist dieselbe Äquivalenz, die in Williamsons 1c angenommen wird. Dennoch untersuche ich sie hier separat, da die epistemologischen Strategien, die mit Hills Reduktion verbunden sind, sich teils leicht, teils deutlich von Williamsons unterscheiden, wenn sie auch an ähnlichen Problemen leiden. Eine Reduktion von metaphysischer Modalität auf kontrafaktische Konditionale bietet, Hill zufolge, einige Vorteile. Erstens passt sie gut zu Argumenten, die ein realistisches Bild von Modalität auf die Einbindung kontrafaktischen Denkens im Alltag stützen (Hill 2006, 219). Zweitens, so Hill, passen unsere kontrafaktischen Intuitionen gut zu unseren Intuitionen über konstitutive Eigenschaften. An dieser Stelle am wichtigsten ist der dritte Punkt. Laut Hill ermöglicht diese Reduktion eine plausible Erkenntnistheorie für metaphysische Modalität. Hill schlägt eine Reihe von Vorgehensweisen vor, um metaphysisch modales Wissen zu erwerben. Zwei von diesen sind von besonderem Interesse.
4.2.3.1 Wissen über metaphysische Notwendigkeit Zum einen können wir Hill zufolge herausfinden, dass es notwendig ist, dass p, indem wir eine Reihe von Fragen der Form „Wäre q der Fall, wäre p dann immer noch der Fall?“ stellen und bejahen. Hierbei soll q nicht für irgendetwas stehen, sondern für bestimmte Tatsachen, die die Welt drastisch anders machen würden – unter anderem schlägt Hill das Fehlen aller konkreten Gegenstände und sich ständig auflösende und neu formierende Gegenstände vor (Hill 2006, 231). Wenn wir nun feststellen, dass p auch dann noch der Fall wäre, wenn all diese kontrafaktischen Situationen tatsächlich wären, haben wir starke Gründe, zu glauben, dass p metaphysisch notwendig ist. Hill glaubt, wie Williamson, dass dies einen epistemologischen Fortschritt darstellt.
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[...] if the theory of metaphysical modalities I have recommended is right, then claims of metaphysical necessity are equivalent to generalized subjunctive conditionals. It seems reasonable to suppose that it is possible to know such conditionals, for they are concerned principally with questions of large-scale similarity, and it seems reasonable to suppose that we can know the answers to such questions, at least in some cases. (Hill 2006, 231)
Aus der Äquivalenz von Aussagen über metaphysische Notwendigkeit und KFKs sowie der epistemischen Zugänglichkeit von letzteren soll sich die epistemische Zugänglichkeit ersterer ergeben. Hierbei leidet Hills Argumentation jedoch ebenso wie die von Williamson an einigen Lücken. Erstens schlägt Hill zwar eine auf Empirie beruhende Erkenntnistheorie für KFKs vor, erklärt jedoch nicht, wie diese auf Aussagen angewendet werden soll, die auch dann noch Geltung haben sollen, wenn die Naturgesetze sich veränderten. Aber in philosophischen Diskussionen geht es häufig gerade um nomologisch Unmögliches, von dem wir wissen wollen, ob es dennoch metaphysisch möglich ist oder nicht. Zweitens gelingt es ihm nicht, für das vorgeschlagene Verfahren, das auf der Evaluation von KFKs beruht, Kriterien zu nennen, nach denen wir entscheiden können, welche KFKs interessant sind, um etwas über metaphysische Notwendigkeit herauszufinden. Da wir für q jeden beliebigen kontrafaktischen Sachverhalt einsetzen könnten und somit erst nach unendlich langer Untersuchung in der Lage wären, p gerechtfertigt als metaphysisch notwendig zu betrachten, benötigen wir entweder Kriterien, welche Instanzen von q relevant sind, oder Hill muss unterstellen, dass zumindest manche Subjekte die Disposition haben, einfach die relevanten Instanzen von q zu untersuchen. Wie wir jedoch, ohne bereits metaphysisch modales Wissen oder zumindest starke Intuitionen zu haben, wissen sollen, welche KFKs wichtig sind, um zu zeigen, dass p metaphysisch notwendig ist, bleibt völlig offen. Auch erklärt Hill nicht, weshalb wir glauben sollten, dass wir verlässlich darin sind, die richtigen KFKs auszuwählen. Es scheint also, als müssten wir auch hier bereits metaphysisch modales Wissen oder ein ebenso schwieriges Wissen investieren, um anspruchsvolles, philosophisch interessantes modales Wissen zu erhalten. Selbst wenn wir wüssten, welche KFKs relevant sind, hätte Hill immer noch das Problem, das auch Williamson in arge Nöte bringt. Es ist völlig unklar, ob wir verlässlich darin sind, die Wahrheit oder Falschheit der KFKs zu erkennen, die relevant dafür sind, etwas über metaphysische Notwendigkeit herauszufinden. Wir müssen, um metaphysisch modales Wissen zu erhalten, bereits Wissen haben, das potenziell ebenso unerreichbar ist. Da auch er keine Epistemologie für philosophisch interessante KFKs aufbietet, kann seine Theorie nicht zeigen, dass und wie wir auf empirischem Wege anspruchsvolles Wissen über metaphysische Modalität bekommen können.
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4.2.3.2 Wissen über metaphysische Möglichkeit Hill schlägt auch ein Verfahren vor, um zu zeigen, dass es metaphysisch möglich ist, dass p. Hierzu sollen wir unser Vermögen nutzen, mit dem wir sogenannte „dicke nomologische Möglichkeit“ erkennen, wobei eine Propositionen genau dann dick nomologisch möglich ist, wenn sie mit den Propositionen, die metaphysisch notwendig sind, den Naturgesetzen, den Propositionen, die die nomologisch relevanten Eigenschaften der Gegenstände, die in P vorkommen, beschreiben, kompatibel ist.70 The proposition that P is concerned with thick nomological possibility if it is compatible with the propositions that are metaphysically necessary, the propositions that count as laws of nature, and the propositions that describe the nomologically relevant properties of the objects that are mentioned in P. Thick nomological possibility thus contrasts with thin nomological possibility. The proposition that P is characterized by thin nomological possibility if it is compatible with the propositions that are metaphysically necessary and with the laws of nature. (Hill 2006, 233; meine Hervorhebung)
Nomologische Möglichkeit – dick oder dünn – ist hinreichend für metaphysische Möglichkeit. Hill hält dicke nomologische Möglichkeit deshalb für interessanter für modalepistemologische Zwecke als dünne nomologische Möglichkeit, weil sie in unserem alltäglichen Denken eine wichtigere Rolle spielt. Sätze wie „Es ist nicht möglich, mit einem solchen Fahrrad einen Triathlon zu gewinnen“, werden häufig geäußert, und in ihnen nehmen wir nicht nur auf Naturgesetze und metaphysische Modalität Bezug, sondern eben auch auf die relevanten Eigenschaften des Gegenstands, über den hier etwas ausgesagt wird – sprechen also über dicke nomologische Möglichkeit. Da derlei Urteile so häufig sind, und wir empirische Gründe haben, manche von ihnen für wahr zu halten, so Hill, stellen sie eine bessere Basis für Schlüsse auf metaphysische Möglichkeit dar als Urteile über dünne nomologische Möglichkeit, die eine wesentlich geringere Rolle im alltäglichen Denken spielen. Es lässt sich kaum vernünftig bestreiten, dass wir Wissen über dicke nomologische Möglichkeit haben, und ebenso wenig, dass aus dieser metaphysische Möglichkeit folgt. Hiermit ist tatsächlich Wissen über metaphysische Möglichkeit gesichert, das ein wenig über dasjenige hinausgeht, was wir aus einfachem Tatsachenwissen direkt ableiten können, also dasjenige der Form „a & (a → ◊ �� 70 Eine Proposition, die nur die Bedingungen i und ii erfüllt, ist dünn nomologisch möglich.
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a); Also: ◊ a“. Allerdings reicht Hills Verfahren dabei nicht bis zu anspruchsvollem metaphysisch modalem Wissen, da, wie gesagt, es hierbei häufig um nomologisch Unmögliches geht. Wenn wir zum Beispiel wissen, dass es nomologisch möglich ist, dass A ≠ B, dann können wir bereits direkt ableiten, dass A ≠ B. Wir müssen den Schritt über metaphysische Möglichkeit dann nicht mehr machen. Dieser ist nur spannend, wenn es nicht nomologisch möglich ist, dass A ≠ B – oder wir zumindest nicht wissen, ob es nomologisch möglich ist, dass A ≠ B. In genau diesen Fällen wäre es philosophisch interessant, zu erfahren, ob es metaphysisch möglich oder unmöglich ist, dass A ≠ B. Doch für diese Fälle kann Hill natürlich keine KFK-basierte Epistemologie anbieten, da er sich ja auf eine Form nomologischer Möglichkeit stützt. Daher kann seine Erkenntnistheorie in den für die Philosophie und vor allem für die Modalepistemologie interessanten Fällen nicht weiterhelfen.
4.3 Vorstellen und Wahrnehmen Auch im Modalen Empirismus kann unbeschränkte Vorstellbarkeit eine zentrale Rolle als epistemologisches Instrument spielen, wenn auch nicht auf genau dieselbe Weise wie im Modalen Rationalismus. Hanrahan (2009) hat dafür argumentiert, dass Vorstellen (Conceiving) dem Wahrnehmen (Perceiving) in mehreren Hinsichten ähnelt. Wir alle wissen zwar, dass unsere Wahrnehmung in manchen Fällen, beispielsweise bei Sinnestäuschungen oder unter extrem schlechten Sichtverhältnissen, manchmal unverlässlich ist und uns in die Irre, also zu falschen Überzeugungen, führt. Dennoch verlassen wir uns normalerweise auf unsere Wahrnehmung. Wir verstehen weitgehend, auf welchen Mechanismen diese beruht und in welchen Fällen sie in die Irre führt, und wir haben in unzähligen Fällen festgestellt, dass sie unter normalen Bedingungen verlässlich ist. Daher versucht Hanrahan, die These zu begründen, dass etwas ähnliches auch im Falle des Vorstellens zuträfe. [...] the imagination is to the possible as perception is to the actual. [...] the conditions under which we are justified in taking a perception to be veridical are analogous to the conditions under which we are justified in taking an imagined image to be a guide to the possible. (Hanrahan 2009, 290)
Wenn es Hanrahan gelingt, zu zeigen, dass unsere Vorstellung als Mittel zum Erwerb von wahren Überzeugungen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, in ähnlicher Weise verlässlich ist wie unsere Wahrnehmung, wenn es darum geht, herauszufinden, was der Fall ist, dann ist die These, wir
112 � Modaler Empirismus könnten kein schwieriges metaphysisch modales Wissen erhalten, nur noch unter Zuhilfenahme eines generellen Wahrnehmungsskeptizismus zu begründen, denn das Problem des metaphysisch modalen Wissens wäre dann ähnlich dem des Wahrnehmungswissens – ein besonders schwieriges Problem des metaphysisch modalen Wissens gäbe es dann nicht mehr. Um zu sehen, ob ihr dies gelingt, müssen wir die beiden folgenden Fragen beantworten – oder zumindest sehen, ob Hanrahan sie in befriedigender Weise beantworten kann. i.
Unter welchen Bedingungen dürfen wir uns auf unsere Wahrnehmung verlassen? ii. Weshalb sollten wir glauben, dass Vorstellen ähnlich funktioniert wie Wahrnehmen und ähnlich verlässlich ist? Bei der Beantwortung von Frage i werde ich generelle skeptische Bedenken außen vor lassen. Hanrahan schlägt vor, dass wir die Verlässlichkeit von Wahrnehmungszuständen prüfen, indem wir sie daran messen, wie gut sie zu unserer jeweiligen Gesamterklärung der Welt passen. [...] Each of us has an explanation of how the world works and this explanation is (from our individual perspectives) the best explanation in so far as it possesses more of the epistemic virtues than any of the other explanations available to us as individuals. On this theory, it is via such explanations that we can justify [...] our taking a particular sensory mental state to be a veridical perception. Specifically, we are so justified if that state and the account we can give of it via our best explanation satisfy certain requirements. (Hanrahan 2009, 290f.)
Beispielsweise muss die Betrachtung des betreffenden Wahrnehmungszustands als veridisch einen höheren Erklärungswert relativ zu unserer Erklärung haben als die Betrachtung als nicht veridisch. Außerdem muss unsere Welterklärung implizieren, dass der Zustand durch normale perzeptuelle Mechanismen hervorgebracht wurde. Daneben sollte der Zustand in den meisten Fällen deutlich und lebhaft sein. (Hanrahan 2009, 291). So ergibt sich aus Wahrnehmungseindrücken und Hintergrundinformationen zusammen ein Bild dessen, was wir über die Welt zu glauben gerechtfertigt sind. Wenn ein Wahrnehmungseindruck relativ zu unserer Welterklärung den oben genannten Standards entspricht, rechtfertigt er eine zugehörige Überzeugung, natürlich nicht völlig irrtumssicher, sondern in fallibler, revisionsfähiger Weise. Kommen wir also zur hier drängenderen Frage ii, danach, weshalb wir aus der rechtfertigenden Kraft des Wahrnehmens auf die rechtfertige Kraft des Vorstellens schließen können.
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Images and stories together justify our beliefs about what is actual. Might similar images and stories (produced through our various abilities to conceive) justify some of our beliefs about what is possible? [...] In what follows, I will argue that my ability both to call forth [certain][...] images and to tell a certain kind of story about them will justify my belief that [certain propositions are] [...] possibly true. (Hanrahan 2009, 292)
Hanrahan begründet die Analogie von Wahrnehmen und Vorstellen wie folgt. Nehmen wir an, eine Person P1 stelle sich zum Zeitpunkt t1 vor, dass S. Dann ist es ihr zufolge plausibel, anzunehmen, es gebe eine mögliche Welt, in der ein Gegenstück, P1*, existiert, das zu t1 ein epistemischer Zwilling von P1 ist, was heißt, dass P1 und P1* „share all those first person accessible properties and states that are relevant to our beliefs and our justificatory practices“ (Hanrahan 2009, 294). P1 stellt sich nun beabsichtigt vor, S sei der Fall. Hanrahan zufolge hätten wir alles, was wir uns vorstellen, veridisch oder nicht-veridisch wahrnehmen können. Also gibt es eine mögliche Welt, in der P1* wahrnimmt, dass S. An diesem Punkt hören P1 und P1* auf, epistemische Zwillinge zu sein, da sie sich hinsichtlich der Rechtfertigung für S-Annahmen unterscheiden. Für P1 und P1* stellt sich nun die Frage, was die beste Erklärung für die SVorstellung bzw. die S-Wahrnehmung ist. P1 erklärt dies am besten durch die Absicht, sich vorzustellen, dass S. Da P1* nicht beabsichtigt, S wahrzunehmen, steht eine analoge Erklärung nicht zur Verfügung. Anfangs habe ich festgehalten, dass wir unter normalen Umständen gerechtfertigt sind, unsere Wahrnehmungen für veridisch zu halten, eine S-Wahrnehmung also dadurch zu erklären, dass S der Fall ist (Hanrahan 2009, 295f.). Da P1 und P1* bis auf den kleinen Unterschied hinsichtlich S epistemische Zwillinge sind, „[P1] can't help but conclude that [...][P1*] has reasoned well here. Similarly, [P1 has][...] no reason to think that [P1*][...] was epistemically impaired, for [P1 has][...] no reason to think that [he][...] was so impaired“ (Hanrahan 2009, 297).
Wenn es eine mögliche Welt gibt, in der P1* eine S-Wahrnehmung hat und hierbei nicht an einer Halluzination oder epistemischen Beeinträchtigungen leidet, kann P1 schließen, dass P1* ein verlässlicher Zeuge dafür ist, dass es eine mögliche Welt gibt, in der S der Fall ist. Aus meiner Vorstellung von S kann ich also auf die Möglichkeit von S schließen. Hierbei kann natürlich keine infallible Verbindung von Vorstellbarkeit und Möglichkeit angenommen werden, da Wahrnehmung als Grundlage dient und selbst nicht infallibel ist. Zumindest ein Mittel, das ebenso verlässlich wie Wahrnehmen ist, wäre jedoch gefunden, wenn Hanrahan Recht hat. Können Hanrahans Überlegungen uns bei der Rechtfertigung unserer modalen Überzeugungen helfen? Ihre Theorie hat zumindest ein Problem. Unter-
114 � Modaler Empirismus stellen wir zunächst, dass sie für simple Fälle funktioniert, so im Fall, den Hanrahan nutzt. „Es hätte passieren können, dass Walter sich beim Gemüseschneiden den Finger abschneidet.“ Sicher gibt es eine Situation, in der jemand tatsächlich wahrgenommen hat, wie sich Walter beim Gemüseschneiden den Finger abgeschnitten hat. Vielleicht können solche tatsächlichen Wahrnehmungen Überzeugungen über weitere ähnliche Fälle rechtfertigen. Doch wie sollen wir in diesem Fall mit problematischen Fällen umgehen? Hanrahan scheint es für einen Vorteil zu halten, dass ihre Form des Modalen Empirismus gerade keine Rechtfertigung für Problemfälle wie die metaphysische Möglichkeit von Zombies bietet (Hanrahan 2009, 289). Nun könnte man sich als Materialist scheinbar von einer Epistemologie angezogen fühlen, die keine Aussicht bietet, zu zeigen, dass Zombies metaphysisch möglich sind. Aber diese Anziehung ist trügerisch, denn nicht nur der Zombiefall ist hiervon betroffen, sondern alle schwierigen Fälle metaphysisch modalen Wissens. Hanrahans Theorie hilft uns beispielsweise nicht weiter, wenn wir die Frage diskutieren, ob es möglich ist, dass jemand nicht die Eltern hat, die er tatsächlich hat, oder dass etwas aus einem anderen Material besteht, als aus dem, aus dem es wirklich besteht – denn wie könnte man dies in Analogie zum Vorstellen wahrnehmen? Nun könnte man antworten, dass es hierbei ja auch immer um Fälle geht, in denen höchst umstritten ist, ob die betreffenden Möglichkeiten bestehen. Aber selbst wenn dies richtig ist, besteht ein Problem. Es ist nämlich nicht so, dass wir wissen, dass dies nicht möglich ist, weil wir keine Geschichte darüber erzählen können, sondern weil in vielen Fällen gar keine wahrnehmbaren Unterschiede bestünden. Dies reduziert die beurteilbaren Möglichkeiten jedoch auf die Fälle, in denen sich ein prinzipiell perzeptuell zugänglicher Unterschied zur Wirklichkeit ergibt. Da es keinen Grund gibt, zu glauben, dass jede Veränderung so beschaffen sein müsste, muss Hanrahans Theorie also auf eine Teilklasse der möglichen Situation beschränkt werden – unglücklicherweise dürfte diese Teilklasse kaum eine der möglichen Situationen enthalten, die Philosophen interessieren. An dieser Stelle könnte Hanrahan erwidern, dass ihre Theorie dann zwar nicht vollständig ist, aber uns doch immerhin einen Weg weist, um in vielen einfachen Fällen Möglichkeitswissen zu erwerben, und dabei besser als andere Theorien erklärt, weshalb wir hierbei verlässlich sind. Man könnte sogar soweit gehen, dies als Vorteil zu betrachten. Endlich sind die Philosophen von der Illusion befreit, zu glauben, schwierige Fragen über die Beschaffenheit der Welt aus dem Lehnstuhl beantworten zu können, ohne dass wir damit unsere generellen Fähigkeiten im Umgang mit metaphysisch modalen Annahmen in Frage stellen müssten. Doch dieser Optimismus ist verfrüht. Sehen wir uns den einfachen Fall genauer an. Um unter Rückgriff auf die S-Wahrnehmung von P1* zu rechtfertigen,
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dass P1’s Imagination verlässlich zeigt, dass es metaphysisch möglich ist, dass S, müssen wir uns P1*, der wahrnimmt, wiederum vorstellen. Woher wissen wir jedoch, dass die wahrnehmende P1* möglich ist? Wiederum könnte Hanrahan entgegnen, dass sich eine Person P3 P2 vorstellen könnte, und somit eine Person P4 möglich ist, die P2 wahrnimmt. Dies wirft jedoch die Frage auf, weshalb wir glauben sollten, dass P4 möglich ist, und hierauf kann Hanrahan wieder nur mit einer ebensolchen Geschichte antworten. Dies lässt sich ad infinitum fortführen, so dass Hanrahans Ansatz vor dem Problem steht, einen infiniten Regress herbeizuführen, in dem wir immer wieder modale Annahmen machen müssen, die nach einer Rechtfertigung verlangen. Um diesen Regress zu vermeiden, muss Hanrahan an irgendeiner Stelle einfach postulieren, dass eine bestimmte Situation metaphysisch möglich ist. Hierzu ist jedoch natürlich wiederum bereits Einsicht in metaphysische Modalität nötig, die sich nicht mithilfe ihres Bildes erklären lässt, sondern ein Vermögen voraussetzt, dessen Verlässlichkeit sich nicht durch eine Analogie zu unserer Wahrnehmung demonstrieren lässt. Doch das Problem, vor dem Modalepistemologen stehen, ist in seiner drängendsten Form nicht die Frage danach, wie wir bestimmte Annahmen darüber, was metaphysisch möglich ist, unter Rückgriff auf andere Annahmen, was metaphysisch möglich ist, rechtfertigen können, sondern wie wir überhaupt herausfinden können, dass etwas Bestimmtes metaphysisch möglich ist.71 Hanrahan gibt uns kein verlässliches Mittel in die Hand, das grundlegende Arbeit beim Erwerb anspruchsvollen metaphysisch modalen Wissens leisten kann. Auch die Analogisierung von Vorstellen und Wahrnehmen ist also nicht geeignet, uns zu erklären, wie wir etwas über metaphysische Modalität herausfinden können. Daher scheint es so, dass empirische Methoden nicht geeignet sind, um uns den Erwerb von anspruchsvollem modalem Wissen zu erlauben. Keiner der Ansätze konnte zeigen, wie wir über den Bereich des nomologisch Möglichen hinaus treten können. Dies überrascht nicht, denn es scheint einleuchtend, dass empirisches Wissen nicht über die Grenzen der Naturgesetze hinaus reicht. Auch das Problem, wie wir sicher stellen können, keine notwendigen Eigenschaften außer Acht zu lassen, entzieht sich weiterhin einer Lösung. Daher wird es an dieser Stelle Zeit, eine dritte, grundlegend verschiedene Stra�� 71 Man könnte an dieser Stelle eine Kombination aus Hanrahans Ansatz und unserem einfachen modalen Wissen vorschlagen, nach dem wir auf einfachem Wege bestimmte modale Überzeugungen rechtfertigen können und dann mithilfe von Hanrahans Verfahren aus diesen weitere modale Annahmen ableiten können. Da die einfachen Wege jedoch von Tatsachen oder begrifflichen Zusammenhängen ausgehen, ist es völlig dunkel, wie wir von ihnen ausgehend zu schwierigen oder weit entfernten metaphysischen Möglichkeiten gelangen sollen.
116 � Modaler Empirismus tegie zu untersuchen, nämlich den Begrifflichen Rationalismus. Dessen Vertreter versuchen, begriffliche Kompetenz zum Fundament unseres modalen Wissens zu machen.
5 Begrifflicher Rationalismus Wir haben gesehen, dass Modale Rationalisten keine Aussicht darauf haben, eine befriedigende Erklärung unseres Zugangs zu metaphysisch modalem Wissen zu liefern. Modale Empiristen sind zwar eher in der Lage, zu erklären, wie das Verfahren zum Erwerb modalen Wissens beschaffen ist, jedoch können auch sie nicht zeigen, dass dieses Verfahren verlässlich ist und wir somit anspruchsvolles Wissen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, erwerben können. Daher werde ich nun einen dritten Ansatz untersuchen. Die Vertreter dieses Ansatzes stellen begriffliches Wissen oder das Verstehen von Begriffen in den Vordergrund ihrer Modalepistemologie. Metaphysisch modales Wissen ist den wichtigsten Vertretern dieser Strategie zufolge a priori.72 Aufgrund dieser beiden Charakteristika bezeichne ich diesen Ansatz als „Begrifflichen Rationalismus“. Unter den Begrifflichen Rationalisten haben sich zwei Philosophen besonders hervorgetan – zum einen Christopher Peacocke, zum anderen George Bealer. Peacocke versucht zu zeigen, dass sogenannte Prinzipien der Möglichkeit festlegen, was metaphysisch möglich ist, und dass wir aufgrund begrifflicher Kompetenz implizites Wissen über diese Prinzipien haben können. Bealer hingegen setzt auf Überlegungen zum Zusammenhang von Intuitionen, Wahrheit und dem sogenannten vollständigen Besitz von Begriffen, um zu zeigen, dass Intuitionen ein Mittel sind, um auf Basis begrifflicher Kompetenz Einsicht in metaphysische Modalität zu bekommen. Ich werde zeigen, dass sowohl Bealers vollständiger Begriffsbesitz als auch Peacockes Wissen über die Prinzipien der Möglichkeit zu anspruchsvoll sind. Wissen über diese erfordert jeweils schon Wissen über die Essenzen oder die modalen Eigenschaften von Gegenständen, das selbst mindestens ebenso schwierig zu erwerben ist wie Wissen über metaphysische Modalität. Zunächst werde ich jedoch (i) die Grundlagen philosophischer Semantik im 20. Jahrhundert im Abriss darstellen und dann (ii) zeigen, wie man generell von begrifflichem Wissen zu metaphysisch modalem Wissen gelangen könnte.
�� 72 Vgl. Jenkins 2010a für eine hiervon abweichende Position.
118 � Begrifflicher Rationalismus
5.1 Semantik und Metaphysik bei Frege, Kripke und im Zweidimensionalismus Kripkes Einsichten in die Existenz notwendiger Wahrheiten a posteriori und kontingener Wahrheiten a priori werden heute von nahezu allen an den zentralen Debatten beteiligten Philosophen akzeptiert. Auch die These, dass Eigennamen starre Bezeichner sind, wird kaum in Frage gestellt. Bei Kripke jedoch sind diese beiden Thesen K1: Es gibt notwendige Wahrheiten a posteriori (und kontingente Wahrheiten a priori). K2: Eigennamen und Natürliche-Art-Ausdrücke bezeichnen ihren Bezugsgegenstand starr, das heißt, sie bezeichnen ihn in jeder möglichen Welt, in der er vorkommt. eng mit anderen, weit kontroverseren Thesen zur Semantik und Metasemantik von Ausdrücken verbunden, die von entscheidender Bedeutung für Begriffliche Rationalisten sind. Darüber hinaus sind diese Entwicklungen auf von zentraler Bedeutung für die später zu diskutierenden Vertreter der zweidimensionalen Semantik, David Chalmers und Frank Jackson. Chalmers und Jackson weisen einige der zentralen Ideen Kripkes zurück, jedoch ohne K1 oder K2 aufzugeben. Um Chalmers’ Modalepistemologie zu verstehen, ist es nötig, die Grundlagen seiner Interpretation der 2DS – den Epistemischen 2DS (E2DS) – zu verstehen. Dies lässt sich am besten anhand der Dialektik der Debatte um die Semantik von Eigennamen im 20. Jahrhundert tun, deren zentrale Figuren Gottlob Frege und Kripke sind.
5.1.1 Die deskriptivistische Tradition
5.1.1.1 Frege über Sinn und Bedeutung singulärer Terme Freges berühmter Aufsatz „Über Sinn und Bedeutung“ (1892) beginnt mit einem Rätsel. Wie kann es eigentlich informative Identitätsaussagen geben?73 Wenn wir annehmen, die semantischen Eigenschaften eines Eigennamens erschöpf-
�� 73 Frege verwendet eine sehr eigentümliche Terminologie. Ich erwähne diese an den jeweiligen Stellen, verwende jedoch im Allgemeinen die Ausdrücke, die sich in der analytischen Sprachphilosophie mittlerweile etabliert haben.
Semantik und Metaphysik bei Frege, Kripke und im Zweidimensionalismus � 119
ten sich darin, welchen Gegenstand er bezeichnet, wird dies mysteriös. Klarerweise können wir mit Synonymen keine informativen Identitätsaussagen formulieren. „Barbarossa ist Barbarossa“ ist kein Satz, aus dem wir eine Erkenntnis über die Welt ziehen können. Doch wenn die semantischen Eigenschaften von Eigennamen sich im Bezug auf einen Gegenstand erschöpfen, dann wäre die Bedeutung des Satzes „Rotbart ist Barbarossa“ gar nicht verschieden von „Barbarossa ist Barbarossa“, schließlich bezeichnen „Rotbart“ und „Barbarossa“ den selben deutschen Kaiser.74 Diese Konsequenz ist jedoch absurd (Frege 1892, 25). Wir sehen sofort, dass „Barbarossa ist Barbarossa“ eine logische Wahrheit ausdrückt und keinen Erkenntnisgewinn bringt, während „Rotbart ist Barbarossa“ logisch offen ist und uns Einsichten darüber vermittelt, wie die Welt beschaffen ist. Frege zieht hieraus eine Schlussfolgerung, die das Angesicht der Sprachphilosophie bis heute geprägt hat wie kaum eine andere. Eigennamen haben ihm zufolge nicht nur einen Bezugsgegenstand, sondern auch einen Sinn, eine Art und Weise des Gegebenseins ihres Bezugsgegenstands (Frege 1892, 26f.). Dieser Sinn eines Eigennamens ist sein deskriptiver Gehalt. Während „Barbarossa“ und „Rotbart“ denselben Bezug haben, unterscheidet sich ihr deskriptiver Gehalt, und „Barbarossa ist Rotbart“ wird dadurch zu einem informativen Satz. Dies gilt nicht nur für Eigennamen, sondern für alle singulären Terme. Frege zufolge ist der Sinn eines singulären Terms die Art und Weise, wie uns sein Bezugsgegenstand gegeben ist (Frege 1892, 26). So könnte uns der Bezug von „Rotbart“ durch „der Kaiser, der den roten Bart trug“, der von Barbarossa durch „der berühmteste deutsche Kaiser des 12. Jahrhunderts“ gegeben sein, so dass „Barbarossa ist Rotbart“ den Sinn „der Kaiser, der den roten Bart trug, ist der berühmteste deutsche Kaiser des 12. Jahrhunderts“ hätte.
5.1.1.2 Konsequenzen von Freges Bild An dieser Stelle ist wichtig zu sehen, welche weit reichenden Konsequenzen Freges Bild für den Zusammenhang von Semantik, Erkenntnistheorie und Metaphysik hat. Die wichtigste hiervon ist, dass Erkenntnistheorie und Semantik eng verbunden sind. Wer den Sinn eines singulären Terms kennt, der weiß, wie der Bezug des Namens festgelegt wird, da der Bezug eines Eigennamens davon
�� 74 Hinter dieser Überlegung steckt die zusätzliche Annahme, dass die semantischen Eigenschaften von Sätzen sich aus den semantischen Eigenschaften der in ihnen enthaltenen Worte ergeben, so dass die Sätze a und b, wenn die in ihnen enthaltenen Worte dieselben semantischen Eigenschaften enthalten, auch dieselben semantischen Eigenschaften haben.
120 � Begrifflicher Rationalismus abhängt, welchen deskriptiven Gehalt dieser hat und von wem oder was dieser erfüllt wird. Dies gibt unseren begrifflichen Kompetenzen einerseits eine beträchtliche Reichweite, sorgt andererseits jedoch auch dafür, dass die Hürden für den Einzelnen, mithilfe eines singulären Terms Bezug zu nehmen, hoch werden, denn wir benötigen hierzu eindeutig charakterisierendes Wissen über den Bezugsgegenstand. Um beispielsweise mit „Barbarossa“ erfolgreich auf Friedrich I. Bezug zu nehmen, muss ein Sprecher wissen, dass Friedrich I. der berühmteste deutsche Kaiser des 12. Jahrhunderts ist. Um überhaupt irgendwie auf Friedrich I. Bezug zu nehmen, muss ein Sprecher eine oder mehrere Eigenschaften von ihm kennen, die zusammengenommen nur er hat. Ich werde weiter unten zeigen, was dies für den Zusammenhang von möglichen Welten und Annahmen über die Semantik singulärer Terme bedeutet.
5.1.1.3 Russell und Searle über die Bedeutung von Eigennamen Bei Bertrand Russell (1905; 1911; 1959) und John Searle (1958) finden sich Modifikationen von Freges Theorie, die deren Grundgedanken – der Bezug eines Eigennamens wird durch seinen deskriptiven Gehalt bestimmt – jedoch treu bleiben. Russell spitzt Freges These dahin zu, dass Eigennamen nichts weiter sind als Abkürzungen für Kennzeichnungen (Russell 1959, 37). Wenn ich den Namen „Barbarossa“ äußere, ist dies nur eine bequeme Art und Weise, „der berühmteste deutsche Kaiser des 12. Jahrhunderts“ zu äußern. Hierbei kürzt „Barbarossa“ nicht zwangsläufig im Munde jedes Sprechers dieselbe Kennzeichnung ab. Ein anderer Sprecher mag mit „Barbarossa“ „der deutsche Kaiser, der während des dritten Kreuzzugs ertrunken ist“ abkürzen. Dieses Bild führt eine assymetrische Abhängigkeit zwischen zwei semantischen Eigenschaften ein. Die Bedeutung eines Eigennamens ist gleichzeitig dasjenige, was festlegt, was der Eigenname bezeichnet. Searle relativiert die Position Russells dahin, dass er nicht mehr behauptet, ein Eigenname kürze eine einzige Kennzeichnung ab. Dies hätte ihm zufolge die unplausible Konsequenz, dass der Satz „Barbarossa ist der berühmteste deutsche Kaiser des 12. Jahrhunderts“, geäußert von einem Sprecher, der „Barbarossa“ als Abkürzung für „der berühmteste deutsche Kaiser des 12. Jahrhunderts“ nutzt, zu einer analytischen Wahrheit würde (Searle 1958, 166f.). Jedoch scheinen wir Eigennamen nicht so zu benutzen, dass ein solcher Satz analytisch wäre. Searle weicht Russells These daher dahingehend auf, dass nicht eine einzige Kennzeichnung durch den Namen abgekürzt wird und seinen Bezug festlegt, sondern dass mit einem Namen ein Bündel von Eigenschaften verbunden ist, so dass gilt, dass ein Name dasjenige bezeichnet, was die gewichtete Mehrheit der Eigenschaften hat, die durch das Bündel mit dem Namen ver-
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knüpft sind. Im Gegensatz zu Russell glaubt Searle nicht, dass das Bündel mit dem Namen synonym ist, sondern nur, dass es den Bezug des Namens festlegt (Searle 1958, 172). Bevor wir zu Kripke kommen, werde ich hier die zentralen Thesen der deskriptivistischen Tradition angeben. Diese finden sich so nicht genau bei deren Vertretern, sondern stellen eine idealisierte Rekonstruktion dar. D1: Die Bedeutung eines Namens besteht in einem deskriptiven Gehalt, der durch ein Bündel B von Kennzeichnungen angegeben wird.75 D2 betrifft die Frage, wie der Bezug eines Gegenstands festgelegt wird. Hierbei sind zwei Varianten a und b möglich. Variante a ist diejenige, die unter heutigen Neo-Deskriptivisten vertreten wird, während Variante b in der klassischen deskriptivistischen Tradition dominant war. D2: Der Bezug eines Namens in einer möglichen Welt W* wird durch B in der Weise festge legt, dass der Name den Gegenstand bezeichnet, der a. in der tatsächlichen Welt W oder b. in der möglichen Welt W* die gewichtete Mehrheit der Eigenschaften hat, die durch das mit dem Namen verbundene Bündel von Kennzeichnungen festgelegt sind. D3: Ein kompetenter Benutzer eines Namens weiß a priori, dass dieser Name den Gegenstand bezeichnet, der die gewichtete Mehrheit der Eigenschaften hat, die durch das mit dem Namen verbundene Bündel von Kennzeichnungen festgelegt sind. Aus D1 ergibt sich außerdem die modale Konsequenz D4: Es ist notwendig wahr, dass ein Name in jeder möglichen Welt den Gegenstand bezeichnet, der dort die gewichtete Mehrheit der Eigenschaften hat, die durch das mit dem Namen verbundene Bündel von Kennzeichnungen festgelegt sind. Ein Vertreter des Deskriptivismus muss nicht alle Thesen vertreten. D1 kann auch leugnen, wer D2 glaubt, schließlich kann man vertreten, dass der Bezug �� 75 Diese These und ebenso die daraus folgende These D4 werden von Searle nicht akzeptiert.
122 � Begrifflicher Rationalismus eines Namens durch eine Kennzeichnung festgelegt wird, ohne zu akzeptieren, dass diese die Bedeutung des Namens angibt. D3 ist eine These über den Zusammenhang von Wissen und Bezugnahme, die alle Deskriptivisten vertreten und folgt aus D2. D4 hingegen folgt hingegen genau dann, wenn D1 akzeptiert wird. Kripke jedoch glaubt, dass die deskriptivistischen Thesen D1 bis D3 ebenso wie die modale Konsequenz D4 falsch sind.
5.1.2 Kripke gegen den Deskriptivismus Gegen den Deskriptivismus führt Kripke drei Argumente an, die als das semantische, das epistemische und das modale Argument bezeichnet werden (vgl. Salmon 1981, 23ff.; Hughes 2004, 7ff.).
5.1.2.1 Das modale Argument Das modale Argument richtet sich nur gegen die Form des Deskriptivismus, der zufolge Eigennamen synonym mit bestimmten Kennzeichnungen sind. Dies hat, wenn man – weitgehend unkontrovers – unterstellt, dass analytische Wahrheiten notwendig sind und sich die Analytizität von „a = der F“ aus der Bedeutungsgleichheit von „a“ und „der F“ ergibt, die Konsequenz, dass „a = der F“ zu einer notwendigen Wahrheit würde. Doch wenn wir dies an einer Instanz von „a = der F“ durchspielen, scheint dies keineswegs der Fall zu sein. Es ist nicht notwendig, dass Barbarossa der berühmteste deutsche Kaiser des 12. Jahrhunderts ist. Barbarossa hätte jugendlich und noch vor dem Beginn seines Bartwuchses sterben können und wäre somit niemals zum berühmtesten deutschen Kaiser des 12. Jahrhunderts geworden, ja, er hätte noch nicht einmal Kaiser sein müssen (vgl. Kripke 1980, 71ff.; Hughes 2004, 7ff.). Analoges gilt für Aussagen wie „a ist F“, wobei F diejenige Eigenschaft ist, die in der Kennzeichnung genannt wird, die die Bedeutung von a angibt. Wenn wir „Barbarossa“ so gebrauchen würden, dass der Name „der berühmteste deutsche Kaiser des 12. Jahrhunderts“ abkürzte, dann würde „a ist F“ zu einer analytischen und somit notwendigen Wahrheit. Jedoch ist es, wie wir gesehen haben, nicht notwendig, dass Barbarossa diese Eigenschaft hat. Diese Argumentationslinie zeigt, dass die Idee, Namen seien Abkürzungen für Kennzeichnungen, in der eher simplen Form, wie sie bei den Vertretern der klassischen deskriptivistischen Semantik vertreten wird, falsch ist. Namen sind offenbar keine Abkürzungen für Kennzeichnungen, denn sie sind nicht mit ihnen synonym.
Semantik und Metaphysik bei Frege, Kripke und im Zweidimensionalismus � 123
Dieses Argument ist eng mit Kripkes Überlegungen zur Starrheit von Eigennamen verbunden. Diese besteht darin, dass Namen – im Gegensatz zu Kennzeichnungen – in jeder möglichen Welt dasjenige Ding bezeichnen, dass sie in der tatsächlichen Welt bezeichnen. Wenn dieses Ding in einer möglichen Welt nicht existiert, hat der Name dort keinen Bezug. Im Falle von Kennzeichnungen ist dies ganz anders. „Der rotbärtige deutsche Kaiser“ (Ich tue hier so, als gäbe es nur einen, der diese drei Eigenschaften vereint, obwohl es wohl mehrere gab) nimmt eben auf den Bezug, der die Eigenschaften hat, rotbärtig, deutsch und Kaiser zu sein. In manchen möglichen Welten bezeichnet dieser Ausdruck genau eine Person, in manchen kann er auch uneindeutig sein, da dort mehrere Personen diese Eigenschaft haben. Wäre die Geschichte anders verlaufen, hätte es passieren können, dass Deutschland heute noch Kaiserreich wäre, dort bis 2013 nie ein rotbärtiger Mensch geherrscht hätte und dann Peer Steinbrück, mit rot gefärbtem Bart, die Macht übernommen hätte. In dieser möglichen Welt würde „der rotbärtige deutsche Kaiser“ Peer Steinbrück bezeichnen. „Barbarossa“ jedoch bezeichnet auch in dieser möglichen Welt den, den der Ausdruck in der tatsächlichen Welt bezeichnet – nämlich Friedrich I. Für „Peer Steinbrück“ gilt selbiges, dieser Ausdruck bezeichnet in jeder möglichen Welt Peer Steinbrück. Wenn Namen starr bezeichnen, Kennzeichnungen jedoch nichtstarr, können Namen und Kennzeichnungen nicht synonym sein, da Synonyme in allen möglichen Welten denselben Bezugsgegenstand haben. Das modale Argument richtet sich nur gegen die Varianten des Deskriptivismus, denen zufolge D1 zutreffend ist. Varianten, die diese These aufgeben und die Rolle von Kennzeichnungen nicht darin sehen, die Bedeutung von Namen anzugeben, sondern nur, deren Bezug festzulegen, können sich dem modalen Argument entziehen. Dies gilt jedoch nicht für das epistemische und das semantische Argument.
5.1.2.2 Das epistemische Argument Das epistemische Argument richtet sich gegen die deskriptivistische These D2, die besagt, der Bezug eines Namens werde durch eine mit ihm verknüpfte Kennzeichnung festgelegt. Diese impliziert, dass ein Sprecher a priori wüsste, dass, wenn das Bezugsobjekt des Namens überhaupt existiert, es die Eigenschaften hat, die die Kennzeichnung festlegt. Doch es scheint nicht so zu sein, dass ein kompetenter Benutzer von „Barbarossa“ irgendwelche eindeutig charakterisierenden Eigenschaften von diesem kennen muss. Man kann durchaus auf Barbarossa Bezug nehmen, wenn man nur weiß, dass dieser irgendein mittelalterlicher europäischer Herrscher war – obwohl es hiervon viele gibt. Dies sieht man beispielsweise auch daran, dass man problemlos nach den eindeutig
124 � Begrifflicher Rationalismus charakterisierenden Eigenschaften Barbarossas fragen kann – „Wer ist Barbarossa?“ ist auch aus dem Mund eines Sprecher, der keine eindeutig charakterisierenden Eigenschaften kennt, eine Frage über Friedrich I. Es scheint also nicht so zu sein, dass der Bezug eines Namens von jedem kompetenten Sprecher mithilfe einer Kennzeichnung festgelegt wird (Kripke 1980, 87f.; Hughes 2004, 12ff.). Damit ist natürlich auch D3 als falsch erwiesen, da a priori Wissen Wissen schlechthin klarerweise impliziert.
5.1.2.3 Das semantische Argument Das semantische Argument soll ebenfalls zeigen, dass der Bezug von Namen nicht durch Kennzeichnungen festgelegt wird. Es stellt den stärksten Einwand gegen den Deskriptivismus dar. Betrachten wir wieder das Barbarossa-Beispiel. Nehmen wir an, der Bezug von Barbarossa sei durch die Kennzeichnung „der rotbärtige Kaiser“ festgelegt. Stellen wir uns nun vor, tatsächlich habe Friedrich I. gar keinen roten Bart gehabt, dies sei nur ein Mythos, der durch einen unzuverlässigen Chronisten in die Welt kam. Hingegen habe Otto der Große einen roten Bart gehabt. Wenn die deskriptivistische These D2 wahr wäre, dann würde „Barbarossa“ folglich nicht mehr Friedrich I., sondern Otto den Großen bezeichnen. Dies widerspricht jedoch unseren Intuitionen völlig. Selbst wenn die Welt so wäre, dass Otto den roten Bart gehabt hätte, würden wir keineswegs sagen, wir hätten uns wohl darüber geirrt, wen „Barbarossa“ bezeichne. Stattdessen würden wir die Schlussfolgerung ziehen, wir hätten wohl eine falsche Überzeugung über Friedrich I. gehabt (vgl. Kripke 1980, 84f.; Hughes 2004, 15f.). Ähnlich ist der Fall gelagert, in dem wir herausfänden, dass überhaupt kein Kaiser einen roten Bart hatte. Wir zögen dann nicht den Schluss, „Barbarossa“ habe keinen Bezugsgegenstand, sondern wiederum, wir hätten eine falsche Überzeugung über diesen. Der Bezug von „Barbarossa“ hängt also nicht davon ab, ob der Träger einen roten Bart hat. Wichtig für das semantische Argument ist, dass es hierbei nicht um kontrafaktische Szenarien geht, sondern um Annahmen darüber, wie die tatsächliche Welt sein könnte – darüber, was epistemisch möglich ist. Damit ist das semantische Argument auch gegen Spielarten des Deskriptivismus effektiv, die sich dem modalen Argument entziehen können, indem sie behaupten, es seien starre Kennzeichnungen, die den Bezug von Eigennamen in der Weise festlegten, dass der Eigenname sich mit metaphysischer Notwendigkeit auf denjenigen bezieht, der die Kennzeichnung tatsächlich erfüllt. Da es im semantischen Argument nicht um metaphysische Modalität geht, ist die Starrheits-Frage nicht relevant für seine Schlüssigkeit.
Semantik und Metaphysik bei Frege, Kripke und im Zweidimensionalismus � 125
5.1.3 Kripkes Schlussfolgerungen Die Konsequenzen, die Kripke (1980, 90ff.) aus diesen Überlegungen zieht, sind ausgesprochen weitreichend. Er hat zum einen eine negative, zum anderen eine positive Schlussfolgerung gezogen.
5.1.3.1 Anti-Deskriptivismus Frege, Russell und Searle hatten die These vertreten, dass die semantischen Eigenschaften von Namen und Kennzeichnungen sich stark ähneln. Diese Idee weist Kripke radikal zurück. Die semantischen Eigenschaften von Eigennamen erschöpfen sich ihm zufolge in deren Bezug. Die Bedeutung von „Barbarossa“ erschöpft sich vollständig darin, Barbarossa zu bezeichnen. Damit weist Kripke die deskriptivistische Semantik von Eigennamen vollständig zurück. Kennzeichnungen geben weder die Bedeutung von Eigennamen an, noch legen sie fest, worauf diese sich beziehen. Stattdessen, so Kripke, wird der Bezug eines Namens dadurch festgelegt, dass der Name einem Gegenstand in einer Art Taufakt – welcher verschiedenste Formen annehmen kann – zugewiesen und dann weitergegeben wird.
5.1.3.2 Die kausal-historische Theorie Der Bezug eines Namens wird, laut Kripke, überhaupt nicht durch einen deskriptiven Gehalt festgelegt, der durch eine Kennzeichnung angegeben werden könnte. Stattdessen, so glaubt er, wird der Bezug von Eigennamen kausalhistorisch festgelegt, weshalb seine Theorie als „kausal-historische Theorie“ bezeichnet wird, im Gegensatz zur deskriptivistischen Theorie von Frege, Russell und Searle. Dabei findet ein Taufakt statt, bei dem einem Objekt ein Name irgendwie zugewiesen wird. Dies kann auf ganz verschiedene Weise geschehen, beispielsweise durch Zeigen auf den Gegenstand und gleichzeitiges Nennen eines Namens, durch die Äußerung, ein Gegenstand heiße von nun an so-undso etc. Von diesem Taufakt aus führt dann eine kausale Verwendungskette von einem Sprecher zum nächsten. Damit diese Kette ununterbrochen besteht, genügt es, dass andere Sprecher den Ausdruck verwenden, wobei sie die Absicht haben müssen, den Bezug nicht zu verändern. Wer Teil dieser Kette ist und diese Anforderungen erfüllt, der nimmt mit dem Namen auf dasjenige Ding Bezug, dem dieser Name durch die Taufe gegeben wurde (Kripke 1980, 96f.; vgl. Cumming 2013, Kap 2.5).
126 � Begrifflicher Rationalismus Dies führt dazu, dass Bezugnahme für den Einzelnen weniger anspruchsvoll wird. Um mit einem Eigennamen auf ein Objekt Bezug zu nehmen, muss ich nicht in der Lage sein, es eindeutig zu identifizieren, ich kann mich sogar grundsätzlich über seine charakterisierenden Eigenschaften täuschen. Stattdessen kann ich einfach den Bezug eines Eigennamens von dem übernehmen, von dem ich den Namen gelernt habe. Damit werden Semantik und Erkenntnistheorie – im Gegensatz zu Freges Bild – weitgehend voneinander abgekoppelt.
5.1.4 Die zweidimensionale Semantik So schlagend Kripkes Einwände gegen den klassischen Deskriptivismus auch sind, so problembehaftet ist auch seine eigene Theorie. Beispielsweise taucht das Problem, das Frege zur Begründung der deskriptivistischen Semantik motivierte, in unverminderter Härte wieder auf. Kripke hat nicht einmal versucht, zu erklären, inwiefern sich „A=A“ und „A=B“ semantisch unterscheiden, sofern A und B identisch sind. Diese Schwierigkeiten haben Philosophen wie Jackson (1998, 28ff.), Lewis (1983b) und Chalmers (2002; 2004; 2006; 2010) dazu gebracht, eine Renaissance des Deskriptivismus anzustreben. Um Kripkes Einsichten in die Starrheit von Eigennamen und die Existenz notwendiger Wahrheiten a posteriori zu erklären, haben sie diesen jedoch wesentlich modifiziert und die sogenannte zweidimensionale Semantik entwickelt.
5.1.4.1 Grundlagen der zweidimensionalen Semantik Die Grundidee der zweidimensionalen Semantik ist folgende. Der Deskriptivismus beruht auf einer richtigen Idee. Sowohl der Inhalt – die Intension – als auch der Bezug – die Extension – singulärer Terme hängen von deren deskriptivem Gehalt ab, jedoch in komplexerer Weise, als Frege, Russell und Searle dies erkannt haben. Singuläre Terme haben nicht nur eine Intension, sondern eine primäre und eine sekundäre Intension.76 Diese beiden Intensionen stehen in einer engen Verbindung zu möglichen Welten, denn sie hängen damit zusammen, dass wir zwei Dimensionen möglicher Welten benötigen, um die Intension singulärer Terme zu analysieren. Worauf sich ein Ausdruck bezieht, hängt von
�� 76 Diese beiden Intensionen heißen bei verschiedenen Autoren verschieden. Da ich die zweidimensionale Semantik hier in erster Linie zur Erläuterung der Modalepistemologie von Chalmers (und Jackson) nutze, bleibe ich in Chalmers Terminologie.
Semantik und Metaphysik bei Frege, Kripke und im Zweidimensionalismus � 127
beiden Dimensionen ab. Nehmen wir den Ausdruck „Hesperus“. Dieser bezieht sich auf die Venus. Einer zweidimensionalistischen Erklärung zufolge liegt dies an zwei Faktoren. Zum einen wurde festgelegt, dass der Gegenstand, auf den „Hesperus“ sich beziehen soll, derjenige ist, der eine bestimmte Rolle spielt, zum Beispiel derjenige Stern zu sein, der abends als erster am Himmel zu sehen ist. Dies ist ein rein semantischer Faktor, der sich daraus ergibt, wie wir den Ausdruck „Hesperus“ eingeführt haben. Damit ist aber noch nicht erklärt, weshalb sich Hesperus auf die Venus bezieht. Hierzu benötigen wir den zweiten Faktor, der darin besteht, wie die Welt tatsächlich beschaffen ist – nämlich so, dass die Venus derjenige Gegenstand ist, der die Rolle spielt, die festgelegt wurde. Der Bezug hängt also von zwei Tatsachen ab, zum einen vom deskriptiven Gehalt von „Hesperus“, zum anderen davon, was diesen erfüllt (vgl. GarcíaCarpintero & Macià 2006a, 4; Stalnaker 1978, 80.). Ein anderes Beispiel mag dies noch anschaulicher machen. Worauf sich „das teuerste Kleidungsstück, das dem tatsächlichen Bundeskanzler gehört“ bezieht, hängt von zwei Faktoren ab – zum einen, wer tatsächlich der Bundeskanzler ist, zum anderen, welches sein teuerstes Kleidungsstück ist. Nehmen wir an, das teuerste Kleidungsstück der Bundeskanzlerin Merkel sei ein H&M-Hosenanzug A. In der tatsächlichen Welt bezieht sich „das teuerste Kleidungsstück, das dem tatsächlichen Bundeskanzler gehört“, auf A. Dies hätte aus zwei Gründen anders sein können – zum einen deshalb, weil Merkels teuerstes Kleidungsstück auch ein Turban aus dem 16. Jahrhundert hätte sein können, zum anderen, weil auch Steinmeier der Bundeskanzler hätte sein können, so dass sich der Ausdruck „das teuerste Kleidungsstück, das dem tatsächlichen Bundeskanzler gehört“ auf sein teuerstes Kleidungsstück bezöge, sagen wir, auf Schottenrock B. Die primäre Intension hängt, je nach Theorie, von den Umständen der ursprünglichen Bedeutungsfestlegung (Stalnaker 1978; 1999) oder der Beschaffenheit der tatsächlichen Welt (Chalmers 2006; Jackson 1998) ab (vgl. Chalmers 2006, 62f., 112ff.). Ich werde mich hier auf die Darstellung von Chalmers’ Epistemischem Zweidimensionalismus beschränken, da dieser eine zentrale Rolle für deren modalepistemologischen Ansatz spielt.
5.1.4.2 Epistemischer Zweidimensionalismus77 Der Epistemische Zweidimensionalismus zeichnet sich gegenüber anderen zweidimensionalistischen Theorien dadurch aus, wie er die Abhängigkeit erklärt, die zwischen Intensionen und möglichen Welten besteht. Chalmers zufol�� 77 Die grundlegenden Texte hierzu sind Chalmers 2004 und 2006.
128 � Begrifflicher Rationalismus ge ergibt sich die primäre Intension daraus, worauf sich ein Ausdruck in einer als tatsächliche betrachteten möglichen Welt bezieht (Chalmers 2006, 76), während die sekundäre Intension daraus folgt, worauf sich ein Ausdruck in einer als kontrafaktisch betrachteten möglichen Welt bezieht (Chalmers 2006, 101). Ein Beispiel wird dies klarer machen. „Gold“ bezieht sich in der tatsächlichen Welt auf Gold, das Element mit dem Atomgewicht 79. Da „Gold“ ein starrer Bezeichner ist, bezieht es sich in allen möglichen Welten auf dieses Element. Für viele klassische Kripkeaner (Soames 2005; Salmon 1989) ist die Geschichte an dieser Stelle beendet. Chalmers stimmt dieser Analyse jedoch nur bedingt zu. „Gold“ ist auch ihm zufolge ein starrer Bezeichner, dies heißt jedoch nur, dass Gold sich in allen möglichen Welten auf Gold bezieht, sofern wir die möglichen Welten als kontrafaktische betrachten. Dies erfasst jedoch nur die sekundäre Intension, die sich aus der Beschaffenheit der tatsächlichen Welt ergibt (Chalmers 2006, 100). Doch betrachten wir eine kontrafaktische Welt als tatsächlich, in der ein Element mit Atomzahl 80 nahezu dieselben Eigenschaften hat, wie in unserer Welt das Element mit Atomzahl 79, und von den Bewohnern der Erde in dieser möglichen Welt aufgrund dieser Eigenschaft „Gold“ genannt wurde. Dann bezeichnet „Gold“ nicht mehr das Element mit Atomzahl 79, sondern das zu Gold ähnliche Element mit Atomzahl 80 (Chalmers 2006, 77) – eben weil dies dasjenige ist, was in dieser Welt die Gold-Rolle spielt. Abstrakter betrachtet, sind tatsächliche Welten diejenigen Welten, die epistemisch möglich in dem Sinne sind, dass wir nicht a priori ausschließen können, dass sie die tatsächliche Welt sind (Chalmers 2006, 98). Insofern ist es für die primäre Intension von „Gold“ nicht relevant, dass Gold tatsächlich das Atomgewicht 79 hat, denn dies ist nicht a priori wissbar und findet somit keinen Eingang in die primäre Intension. Hingegen können wir, sofern wir den Bezug von Gold ursprünglich mithilfe von „das goldfarbene schwere Zeug“ festgelegt haben, a priori ausschließen, dass Gold grün oder leicht ist. Welten, in denen Gold grün ist, gehören nicht zu den epistemisch möglichen Welten – jedoch zu den metaphysisch möglichen.
5.1.4.3 Neo-Deskriptivismus Dies setzt natürlich voraus, dass der Bezug von „Gold“ doch wieder mithilfe eines deskriptiven Gehalts festgelegt wurde, beispielsweise das goldfarbene, schwere Zeug – abstrakter mithilfe von dasjenige, was die Gold-Rolle spielt, wobei es sich aus unserer besten Theorie davon, was Gold ist, ergibt, wie die GoldRolle bestimmt ist. Die primäre Intension von „Gold“ hängt also nicht davon ab, welche de re notwendigen Eigenschaften Gold hat, sondern davon, was wir a priori über „Gold“ wussten, nämlich, dass es bezeichnet, was die mit ihm ver-
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knüpfte Theorie erfüllt – was auch immer dieses ist. Die primäre Intension von „Gold“ ist also „das goldfarbene, schwere Zeug“, die sekundäre „das Element mit Atomgewicht 79“. Dazu gibt es die sogenannte zweidimensionale Intension, die ausdrückt, wie die sekundäre Intension von der primären abhängt. Dass die sekundäre Intension von „Gold“ „das Element mit Atomgewicht 79“ ist, ist ja nicht unabhängig von der primären Intension. „Das Element mit Atomgewicht 79“ ist deshalb die sekundäre Intension von Gold, weil das Element mit Atomgewicht 79 dasjenige ist, was tatsächlich die Eigenschaften hat, die in der primären Intension festgelegt werden, nämlich, das goldfarbene, schwere Zeug zu sein. Wäre die primäre Intension eine andere, wäre auch die sekundäre Intension eine andere – anders herum jedoch nicht. Dies findet im zweidimensionalistischen Bild seine Entsprechung darin, wie metaphysische Möglichkeit von epistemischer Möglichkeit abhängt. Bevor ich im fünften Kapitel diskutiere, wie diese zweidimensionalistischen Überlegungen für die Modalepistemologie relevant sein können, werde ich hier jedoch zwei Theorien kritisieren, die ebenfalls bei begrifflicher Kompetenz ansetzen, dabei jedoch unter anderen Voraussetzungen arbeiten. Zuvor wird dargestellt, inwiefern uns semantisches Wissen zusammen mit empirischem Wissen erlaubt, in einem bestimmten Maß auf einfache Weise metaphysisch modales Wissen zu erwerben und wo die Grenzen dieser Vorgehensweise liegen.
5.2 Begriffliches und metaphysisch modales Wissen Ich muss voran schieben, dass die beiden Überlegungen, die ich als nächstes diskutiere, nicht dafür sorgen würden, dass wir a priori modales Wissen per begrifflicher Kompetenz erlangen könnten. Sie würden nur zeigen, dass wir mithilfe empirischen und begrifflichen Wissens Einsicht in metaphysische Modalität erhalten könnten. Dies ist weniger, als sich einige Rationalisten erhoffen, aber es würde zumindest überhaupt einen Zugang zu metaphysischer Modalität sichern. Ich werde jedoch zeigen, dass auch diese Strategie vor hohen Hürden steht.78
�� 78 Die Implikation von „Es ist begrifflich notwendig, dass p.“ zu „Es ist metaphysisch notwendig, dass p.“ und den hiermit verbundenen einfachen Weg zu Wissen über metaphysische Modalität nehme ich trotz der oben geäußerten Bedenken hier von meiner Kritik aus.
130 � Begrifflicher Rationalismus
5.2.1 Begriffliches Wissen über die Starrheit von Eigennamen In der Auseinandersetzung mit Vorstellbarkeitsansätzen habe ich bereits darüber gesprochen, ob wir aufgrund begrifflicher Kompetenz – ohne bereits metaphysisch modales Wissen zu haben – wissen können, dass Folgendes gilt. Wasser = H2O → □ Wasser = H2O. Dies können wir wissen, wenn wir wissen, dass „Wasser“ und „H2O“ starre Bezeichner sind, also in jeder möglichen Welt dasjenige bezeichnen, was sie in der tatsächlichen Welt bezeichnen, was relativ einfach zu sein scheint (vgl. Kripke 1980, 3). Somit können wir Wissen über die Notwendigkeit der Identität erlangen.79 Dies ermöglicht uns allerdings noch nicht, anspruchsvolles metaphysisch modales Wissen zu erwerben, das uns Schlüsse auf die Beschaffenheit der tatsächlichen Welt erlaubt. Um zu wissen, dass □ A = B, müssen wir auf jeden Fall schon wissen, dass A = B. Interessant ist nur Wissen der Form ◊ A ≠ B, da wir hiervon auf A ≠ B schließen können, sofern „A“ und „B“ starr sind. Dieses Wissen lässt sich jedoch nur mithilfe von Starrheits-Wissen nicht erreichen. Der interessante Fall ist Wissen über das Vorliegen von Essenzen oder modalen Eigenschaften, und hier genügt Wissen über die Starrheit von Ausdrücken nicht.
5.2.2 Begriffliches Wissen über de re modale Eigenschaften Für Wissen über de re modale Eigenschaften genügt Wissen über Starrheit nicht. Wir müssten hierzu zum Beispiel zeigen, dass begriffliche Kompetenz genügt, um zu wissen, dass Barack Obama ist ein Mensch → □ Barack Obama ist ein Mensch. Können wir dies aufgrund begrifflicher Kompetenz, ohne bereits metaphysisch modales Wissen zu haben, wissen? Auf den ersten Blick enthält „Barack Obama, der ein Mensch ist, hätte auch kein Mensch sein können“ �� 79 Soames 2006, 289 behandelt auch Wissen über Notwendigkeit der Identität als Wissen über Essenzen. Da die Mittel zum Erwerb dieses Wissens jedoch verschieden sein können, behandle ich die beiden hier getrennt voneinander.
Die Prinzipien der Möglichkeit � 131
keinen begrifflichen Widerspruch. Wenn doch ein solcher vorhanden ist, muss er sich wohl aus dem Begriff „Mensch“ ergeben, etwa in der Art von Definition: „Ein Mensch ist ein zweifüßiges, federloses Säugetier, für das es wesentlich ist, zur Spezies Mensch zu gehören.“ Diese Annahme wirft jedoch zwei Probleme auf. Erstens ist es höchst dubios, ob wir wirklich etwas derartiges meinen, wenn wir sagen, jemand sei ein Mensch. Wollen wir jedem, der glaubt, ein bestimmter Mensch hätte auch nicht ein Mensch sein können, unterstellen, er verstehe nicht, was „Mensch“ bedeutet? Dies scheint zu viel verlangt. Jemand, der weiß, dass Menschen alle und nur die Säugetiere sind, die sich normalerweise auf zwei Füßen bewegen und keine Federn haben, scheint den Begriff „Mensch“ zu verstehen. Selbst ein Wissenschaftler, der umfassendes Wissen über Biologie erworben hat, müsste nicht das metaphysisch modale Wissen haben, dass Menschen notwendig Menschen sind. Wenn Begriffe jedoch so beschaffen sind, stehen wir vor einem zweiten Problem. Wir können die Begriffe zwar erfassen, aber kaum wissen, wer unter sie fällt. Wenn in „Mensch“ enthalten ist, dass jeder Mensch wesentlich ein Mensch ist, dann müssen wir bereits Wissen über Barack Obamas modale Eigenschaften haben, um zu wissen ob er ein Mensch ist. Auf den ersten Blick scheint sich aus begrifflicher Kompetenz also kein anspruchsvolles metaphysisch modales Wissen ableiten zu lassen (vgl. Nimtz 2011). Die Ansätze von Christopher Peacocke und George Bealer, die ich in diesem Kapitel untersuchen werde, können als Versuche verstanden werden, eine Konzeption des Zusammenhangs von Begriffen und metaphysischer Modalität zu entwerfen, die in der Lage sind, mit diesen beiden Problemen umzugehen. Beide wollen zeigen, wie begriffliches Wissen uns in die Lage versetzt, dasjenige zu erfassen, was die Grundlage metaphysischer Modalität bildet und auf diesem Wege herauszufinden, was metaphysisch möglich und notwendig ist.
5.3 Die Prinzipien der Möglichkeit Wir haben oben gesehen, dass Christopher Peacocke die Integration Challenge in Being Known (Peacocke 1998) explizit formuliert hat. Seine Theorie von metaphysischer Modalität und metaphysisch modalem Wissen ist ganz dem Ziel untergeordnet, eine befriedigende Lösung für diese zu finden. Die Integration Challenge lässt sich für jeden Bereich so formulieren, dass wir eine Theorie brauchen, die sowohl eine befriedigende Antwort auf die Frage nach der Onto-
132 � Begrifflicher Rationalismus logie der Gegenstände des Bereichs – zum Beispiel Abstrakta, Außenweltgegenstände, moralische Werte – bietet, als auch erklärt, wie wir epistemischen Zugang zu diesem Bereich und Wissen über die zu ihm gehörenden Gegenstände haben können. Metaphysische Modalität stellt hierfür, so Peacocke, einen besonders problematischen Fall dar. Theorien à la Lewis (1986), die metaphysische Modalität auf mögliche Welten reduzieren und diese als Konkreta betrachten, kommen ihm zufolge mit ontologischen Problemen zurecht, sind jedoch nicht in der Lage, zu erklären, wie wir Wissen darüber erwerben können, was metaphysisch möglich und notwendig ist. Auf der anderen Seite gibt es Theorien, die Modalität schlechthin als geistabhängig betrachten. Hierdurch wird der epistemische Zugang zu Modalität einfach, jedoch die Ontologie unbefriedigend. Peacocke sucht daher nach einer Theorie, die die Geistunabhängigkeit des metaphysisch Modalen anerkennt, aber trotzdem erklären kann, wie wir metaphysisch modales Wissen haben können (vgl. Roca-Royes 2010). Die Grundidee seines Ansatzes ist folgende. Was metaphysisch möglich ist, hängt von den von ihm so bezeichneten Prinzipien der Möglichkeit (PdM) ab (Peacocke 1999, 126ff.). Diese sind also konstitutiv für die Metaphysik des Modalen. Gleichzeitig sind uns diese Prinzipien der Möglichkeit dadurch zugänglich, dass wir bereits implizites Wissen von ihnen haben, wenn wir die Begriffe „metaphysisch möglich“ und „metaphysisch notwendig“ verstehen (Peacocke 1999, 162). Somit spielen sie gleichzeitig auch eine grundlegende Rolle für die Epistemologie metaphysischer Modalität. Im Folgenden werde ich untersuchen, ob Peacocke zeigen kann, dass metaphysisch modales Wissen wirklich so einfach zu haben ist, wie dies klingt. Hierfür ist vor allem wichtig, zu rekonstruieren, was die Prinzipien der Möglichkeit sind und wie wir, durch das Verstehen bestimmter Ausdrücke, Wissen über sie erwerben können.
5.3.1 Peacockes Modalmetaphysik Suppose we could give a substantive account of what is involved in a state of affairs being possible. We might then argue that understanding a necessity operator involves some grasp of this substantive account of possibility. (Peacocke 1997, 526)
Peacockes Strategie ist also, Notwendigkeit so zu erklären, dass das Verstehen von „ist notwendig“ mit Einsicht darin, was notwendig und was möglich ist, verbunden ist. Dies wiederum hängt mit den Prinzipien der Möglichkeit zusammen. Um zu verstehen, was diese laut Peacocke sind, müssen zunächst die
Die Prinzipien der Möglichkeit � 133
Ausdrücke „Interpretation“ (assignment) und „zulässige Interpretation“ (admissible assignment) geklärt werden. Diese sind wichtig, weil Peacocke hofft, mit ihrer Hilfe erklären zu können, wann etwas möglich ist. A specification is a genuine possibility iff there is some admissible assignment which counts all its members as true. (Peacocke 1997, 526.)
Spezifikationen sind, laut Peacocke, etwa das, was Primitivisten meinen, wenn sie von „ways for the world to be“ (Peacocke 1997, 526) sprechen, wobei dies hier die Art und Weise wie die Welt ist, wie sie sein könnte und wie sie nicht sein könnte, umfasst. Wenn es uns also gelingt, zu erklären, wann eine solche erlaubte Zuweisung besteht, haben wir Peacocke zufolge metaphysische Möglichkeit erklärt. Eine Zuweisung s ist hierbei ein 4-Tupel , wobei D der mit der Zuweisung verbundene Bereich, val eine Funktion von Begriffen auf Extensionen, propval eine Funktion von atomaren Begriffen auf Eigenschaften und Relationen und ext eine Funktion von Eigenschaften und Relationen auf Extensionen ist (Roca-Royes 2010). Eine Zuweisung ist genau dann erlaubt, wenn sie allen Prinzipien der Möglichkeit entspricht. Möglich sind nun genau die Welten, denen eine erlaubte Zuweisung entspricht. Wir können hier sehen, dass Peacocke klarerweise eine ersatzistische Theorie möglicher Welten vertritt. Diese sind keine Konkreta, sondern Mengen von Propositionen. Welche dieser Mengen von Propositionen mögliche Welten bilden, hängt von den Prinzipien der Möglichkeit ab. Außerdem vertritt Peacocke die These, dass metaphysische Modalität ihre Wurzeln in dem hat, was konstitutiv für Dinge, Eigenschaften und Relationen ist (Peacocke 1999, 44). Wir werden sehen, dass diese Annahme – die für ein realistisches Bild von metaphysischer Modalität fast unverzichtbar ist – die Erfolgsaussichten seiner Modalepistemologie erheblich negativ beeinflusst. Da hier die Erkenntnistheorie des Modalen im Zentrum steht, werde ich die weiteren Details seiner Metaphysik des Modalen beiseite lassen und mich direkt den Fragen zuwenden, was die Prinzipien der Möglichkeit sind und welche Rolle sie für unseren Erwerb modalen Wissens spielen.80
�� 80 Kritik an Peacockes Metaphysik des Modalen findet sich in Rosen 2002; Williamson 2002;
134 � Begrifflicher Rationalismus
5.3.2 Die Prinzipien der Möglichkeit Die Prinzipien der Möglichkeit müssen so beschaffen sein, dass sie so festlegen, was metaphysisch möglich und notwendig ist, dass zum Beispiel die Existenz notwendiger Wahrheiten, die nur a posteriori wissbar sind, erklärt werden kann. Ich werde in der Folge rekonstruieren, wie Peacocke dies gelingt. Das wichtigste Prinzip der Möglichkeit ist das Modale Extensions-Prinzip. An assignment s is admissible only if: for any concept C which is not de jure[81] rigid, the semantic value of C with respect to s is the result of applying the same rule as is applied in the determination of the actual semantic value of C. [...] For any concept C which is de jure rigid, and whose semantic value is in fact A, then for any admissible assignment s, the semantic value of C according to s is A. (Peacocke 1997, 534)
Der Fall eines starren Bezeichners ist hierbei der einfachere. Wenn C ein starrer Bezeichner ist und de facto A als semantischen Wert hat, dann sind nur die Zuweisungen erlaubt, nach denen A der semantische Wert von C ist. Dies ergibt sich direkt aus der Starrheit von C. Schwieriger ist es, wenn C ein nicht-starrer Bezeichner ist. Dann legt das Modale Extensions-Prinzip fest, dass nur die Zuweisungen erlaubt sind, die durch Anwendung derjenigen Regel entstanden sind, die auch den tatsächlichen semantischen Wert von C festgelegt hat. Eine solche Regel wäre beispielsweise die, die festlegt, dass sich „Der gegenwärtige Kaiser von Japan“ auf denjenigen bezieht, der gegenwärtig der Kaiser von Japan ist. Neben dem Modale Extensions-Prinzip sieht Peacocke noch weitere Prinzipien der Möglichkeit vor, die er als konstitutive Prinzipien bezeichnet. If P is a property which is an object x's fundamental kind, then an assignment is inadmissible if it counts the proposition x is P as false. (Peacocke 1997, 540)
Dieses Prinzip verweist darauf, dass die Zugehörigkeit zu einer grundlegenden Art notwendig für Dinge ist. Es fängt die Intuition ein, dass die Spezieszugehörigkeit wesentlich für Dinge ist, dass also zum Beispiel jeder Mensch wesentlich Mensch ist. Es garantiert damit, dass nicht-analytische Aussagen über die Spezieszugehörigkeit wie „Peter ist ein Mensch“, sofern sie wahr sind, notwendig wahr sind. Das nächste Prinzip ist eng mit der Annahme der Notwendigkeit des Ursprungs bestimmter Dinge verbunden. Wenn a von b und c abstammt, so gilt �� 81 Ein Ausdruck ist dann de jure starr, wenn seine Starrheit stipuliert wird. Starre Bezeichner, deren Starrheit nicht stipuliert ist, sind nur de facto starr. Vgl. Kripke 1980, 21 Fn21.
Die Prinzipien der Möglichkeit � 135
An assignment is inadmissible if it both counts the proposition a exists as true and counts the proposition a develops from b and c as false. (Peacocke 1997, 541)
Dies lässt sich zu dem Prinzip verallgemeinern, dass, wenn es für a konstitutiv ist, in einer Beziehung R zu b zu stehen, eine Zuweisung nicht erlaubt ist, sofern in ihr sowohl „a existiert“ wahr gemacht als auch „a steht in der R-Relation zu b und c“ falsch gemacht wird. Im Falle des Ursprungs garantiert dieses Prinzip, dass sich aus der Wahrheit von „Peters Eltern sind Paul und Mary“, obwohl dies nicht begrifflich notwendig ist, ergibt, es auch metaphysisch notwendig ist. Die konstitutiven Prinzipien müssen also sensitiv gegenüber den konstitutiven Eigenschaften von Dingen sein. Neben diesen Prinzipien der Möglichkeit, die jeweils notwendige Bedingungen dafür festlegen, dass eine Zuweisung erlaubt und ein entsprechender Sachverhalt möglich ist, gibt es noch ein weiteres Prinzip. Dieses besagt, dass die Erfüllung aller Prinzipien hinreichend für Möglichkeit ist. So wird die Brücke zwischen den Prinzipien der Möglichkeit und metaphysischer Modalität vervollständigt. Principle of Constrained Recombination. An assignment is admissible if it respects the set of conditions on admissibility given hitherto. (Peacocke 1998, 149)
Der zentrale Wert der Prinzipien der Möglichkeit besteht darin, dass sie die Integration von Metaphysik und Erkenntnistheorie erlauben. Dies gelingt dadurch, dass sie einerseits konstitutiv dafür sind, was möglich und was notwendig ist – so wird mit den notwendigen Wahrheiten a posteriori umgegangen – und dass auf der anderen Seite das Verstehen von „ist notwendig“ und „ist möglich“ mit einer impliziten Einsicht in die Prinzipien der Möglichkeit verbunden ist. Wer also versteht, was es heißt, dass etwas möglich ist, der kennt die Prinzipien der Möglichkeit implizit bereits, so dass er dieses Wissen nur noch explizit machen muss, um Wissen darüber zu erlangen, was möglich und was notwendig ist.
5.3.3 Der metaphysische Status der Prinzipien der Möglichkeit Welchen Status haben jedoch die Prinzipien der Möglichkeit selbst? Da sie die Basis von Modalität bilden und als Grundlage für modales Wissen dienen sollen, können sie nicht selbst modal sein. In diesem Punkt schließt sich Peacocke (1999, 44) Fine (1994, 3f.) und Hale (2002, 300ff.) an, denen zufolge wesentliche oder konstitutive Eigenschaften grundlegend sind und die de re notwendigen Eigenschaften aus diesen abgeleitet sind. Die Nicht-Modalität der Prinzipien der
136 � Begrifflicher Rationalismus Möglichkeit ist entscheidend dafür, dass Peacocke eine nicht-zirkuläre Bestimmung von Modalität liefern kann, in der wirklich gezeigt wird, worin diese verwurzelt ist. Allerdings sagt Peacocke nicht sonderlich viel darüber, was die Prinzipien der Möglichkeit tatsächlich sind (vgl. Heathcote 2001, 95), legt sich jedoch zumindest darauf fest, dass sie notwendigerweise gelten (Peacocke 2001, 109f.). Einige Philosophen haben zu zeigen versucht, dass der metaphysische Status der Prinzipien der Möglichkeit selbst problematisch ist (vgl. Rosen 2002; Roca-Royes 2010). Ich werde mich im Weiteren auf die epistemologischen Probleme konzentrieren, die sie aufwerfen.
5.3.4 Das Problem des Wissens über die Prinzipien der Möglichkeit Die erkenntnistheoretischen Probleme in Peacockes Theorie betreffen zum einen die Frage nach dem Wissen über die konstitutiven Prinzipien, zum anderen die Frage nach dem Wissen über das Modale Extension-Prinzip. Hier werde ich zeigen, dass ersteres problematisch ist, während letzteres uns kein anspruchsvolles modales Wissen ermöglicht.
5.3.4.1 Wissen über die konstitutiven Prinzipien Wenn es stimmt, dass die Prinzipien der Möglichkeit festlegen, was metaphysisch möglich ist und was nicht, und das Verständnis von „Möglichkeit“ uns Wissen über die Prinzipien der Möglichkeit liefert, dann können wir, wenn wir den Begriff der Möglichkeit verstanden haben, auch einfach zumindest konditionales metaphysisch modales Wissen erlangen, zum Beispiel, dass wenn x die fundamentale Art von y ist, y notwendigerweise x ist. Doch ich fürchte, Peacocke verspricht uns hier einen zu einfachen Zugang zum Paradies. Es scheint nicht so zu sein, dass sich aus dem Verstehen von „ist metaphysisch möglich“ metaphysisch modales Wissen ergibt. Zum einen ist es nicht plausibel, dass Peacockes „ist metaphysisch möglich„ dem entspricht, was wir normalerweise mit „ist metaphysisch möglich“ meinen. Nicht alle, die verstehen, was „metaphysisch möglich sein“ heißt – so wie wir diesen Ausdruck normalerweise verstehen – haben bereits implizites Wissen über die Prinzipien der Möglichkeit. Wie ließen sich sonst philosophische Debatten erklären, in denen darüber gestritten wird, was wirklich die modalen Eigenschaften bestimmter Dinge sind? Sollten wir sagen, dass Philosophen, die zum Beispiel bestreiten, dass der Ursprung eines Dings zu seinen de re notwendigen Eigenschaften gehört, einfach den Begriff der metaphysischen Möglichkeit nicht verstehen? Dies scheint äußerst seltsam, denn es scheint
Die Prinzipien der Möglichkeit � 137
keine begriffliche Verbindung zu geben. Die Position, es gebe zwar prinzipiell metaphysische Modalität, jedoch hätten Dinge keine de re notwendigen Eigenschaften, weil der Anti-Essenzialismus wahr ist – oder ganz andere de re notwendige Eigenschaften, als die meisten Philosophen – einschließlich Peacocke – glauben, birgt keinen Widerspruch in sich (vgl. Mackie 2006, 151ff.). Peacocke müsste nun jedem, dessen Meinungen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, von dem abweichen, was sich aus den PdM ergibt, absprechen, den Begriff der metaphysischen Möglichkeit zu beherrschen – eine sehr unplausible Konsequenz. Es scheint so, dass das Verfügen über den Begriff „metaphysisch möglich“ nicht hinreichend dafür ist, Wissen über die konstitutiven Prinzipien zu haben – also muss Peacocke einen anspruchsvolleren Begriff meinen. Nun kann es natürlich neben dem normalen Begriff „metaphysisch möglich“ noch einen anspruchsvolleren Begriff „metaphysisch möglich*“ geben, den Peacocke einfach so definieren kann, dass sein Erfassen Wissen über die Prinzipien der Möglichkeit impliziert. Dann haben wir das epistemologische Problem für metaphysische Modalität jedoch nur verschoben, denn nun stellt sich die Frage, woher wir wissen sollen, ob die Prinzipien der Möglichkeit wirklich einfangen, was metaphysisch möglich und notwendig ist. Nur dann liefert uns das Verstehen von „metaphysisch möglich“ wahre Überzeugungen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist. Immerhin sind die zentralen konstitutiven Prinzipien keineswegs begriffliche Wahrheiten oder ähnliches, sondern kontroverse Behauptungen darüber, was das Fundament metaphysischer Modalität ist. Wenn wir jedoch nicht direkt in der Lage sind, zu wissen, was metaphysisch möglich und notwendig ist, wieso sollten wir dann in der Lage sein, zu wissen, ob Peacockes konstitutive Prinzipien der metaphysisch modalen Realität entsprechen, indem sie wirklich abbilden, was die konstitutiven Eigenschaften von Dingen sind, wie Peacocke (1998, 144f.) es beansprucht (vgl. Roca-Royes 2010)? Um zu wissen, dass die konstitutiven Prinzipien die de re notwendigen Eigenschaften von Gegenständen angemessen abbilden, bräuchten wir jedoch wiederum Einsicht in die konstitutiven Eigenschaften von Dingen, die den weiter oben (Kap. 2, Teil 2) behandelten Essenzen zumindest sehr ähnlich sind. Erst, wenn wir eine solche haben, können wir prüfen, ob die PdM wirklich die konstitutiven Eigenschaften von Dingen einfangen. Solange wir dies nicht geprüft haben, hilft das Verstehen von „metaphysisch möglich*“ uns nicht dabei, herauszufinden, was metaphysisch möglich und notwendig ist. Wenn wir jedoch bereits eine Erkenntnistheorie konstitutiver Eigenschaften haben, und dazu über gewöhnliches empirisches und logisch-begriffliches Wissen verfügen, dann sind die PdMs erkenntnistheoretisch nicht mehr von Belang – schließlich haben wir dann bereits alles, was wir brauchen, um Wissen darüber,
138 � Begrifflicher Rationalismus was metaphysisch möglich und notwendig ist, zu erwerben. Unabhängig davon, ob wir die konstitutiven Eigenschaften von Dingen kennen können, ist das Wissen über die PdM also nicht hilfreich – denn es ist entweder unerreichbar oder unnötig. Angesichts dessen, dass das Verstehen von „metaphysisch möglich“ – normal gebraucht – uns kein Wissen über konstitutive Eigenschaften zu bringen scheint und Peacocke keine Epistemologie der PdM anbietet, können wir schließen, dass wir „metaphysisch möglich*“ normalerweise weder gebrauchen, noch, dass wir sicher sein können, dass irgendjemand diesen Begriff soweit versteht, dass er hierdurch Wissen über metaphysische Modalität hat. Peacocke hat das Problem modalen Wissens nicht gelöst – er hat es nur an eine andere Stelle verschoben.
5.3.4.2 Wissen über das Modale Extension-Prinzip Nun könnte man angesichts der unüberwindbar scheinenden Schwierigkeiten beim Erwerb von Wissen über die konstitutiven Prinzipien und Eigenschaften versuchen, zumindest eine bescheidene Variante von Peacockes Theorie weiter zu verteidigen. Hierzu könnte man rechtfertigen, dass wir zumindest wissen können, dass das Modale Extension-Prinzip wahr ist und dass uns dies zwar nicht ermöglicht, zu wissen, dass etwas metaphysisch möglich ist, aber zumindest, in einigen Fällen, herauszufinden, dass etwas unmöglich ist. MEP bietet gegenüber den konstitutiven Prinzipien den Vorteil, dass wir nicht bereits Wissen über konstitutive Eigenschaften o.ä. von Dingen brauchen, um es zu begründen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob wir hiermit irgendwelches Wissen bekommen, das sich nicht einfach aus simplen semantischen Überlegungen ergibt. Das modale Extension-Prinzip gibt eine notwendige Bedingung dafür an, dass etwas metaphysisch möglich ist. Klarerweise können wir allein mit Wissen darüber, dass MEP wahr ist, also nicht wissen, dass etwas metaphysisch möglich ist, da hierzu auch die anderen Prinzipien erfüllt sein müssen. Jedoch kann auch jedes einzelne Prinzip insoweit für den Erwerb modalen Wissens genügen, als die Nicht-Erfüllung eines Prinzips stets Unmöglichkeit impliziert. Somit könnten wir immerhin plausiblerweise annehmen, dass MEP-Wissen uns Unmöglichkeitswissen bringt, und somit auch Notwendigkeitswissen, da sich aus der Unmöglichkeit von p die Notwendigkeit von ¬p ergibt. Doch die Anforderungen an ein Vermögen, dass uns anspruchsvolles metaphysisch modales Wissen bringen soll, sind damit noch nicht erfüllt. Eine Menge an Unmöglichkeitswissen können wir nämlich bereits mithilfe von logischem oder einfachem begrifflichem Wissen erwerben. Die Frage, die sich nun stellt,
Die Prinzipien der Möglichkeit � 139
ist die, ob MEP es ermöglicht, mithilfe semantischer Überlegungen Wissen zu erlangen, das über das Wissen hinausgeht, das wir einfach durch semantische Erwägungen erlangen können. Der Starrheits-Fall sieht so aus. Wenn wir wissen, dass „C“ ein starrer Bezeichner ist, dann wissen wir, dass „C“ in jeder möglichen Welt den Gegenstand bezeichnet, den es in der tatsächlichen Welt bezeichnet. Wenn also „Barack Obama“ ein starrer Bezeichner ist, der tatsächlich Barack Obama bezeichnet, dann können wir hieraus ableiten, dass der Satz „Barack Obama ist Barack Obama“ notwendig wahr ist. So gut, so uninteressant. Wenn wir jedoch wissen, dass sowohl „Barack“ als auch „Mr. Obama“ starre Bezeichner sind, die beide Barack Obama bezeichnen, können wir hieraus schließen, dass „Barack ist Mr. Obama“ notwendig wahr ist. Dies ist natürlich eine interessantere Einsicht, aber keine, die sich nur bei Peacocke ergibt. Sobald wir wissen, dass zwei Ausdrücke „A“ und „B“ starr bezeichnen und tatsächlich dasselbe Bezugsobjekt haben, wissen wir, dass □ A = B – und wenn sie nicht dasselbe Bezugsobjekt haben, wissen wir, dass ¬◊ A = B. Doch wir haben oben (Kapitel 4.2) schon gesehen, dass metaphysisch modales Wissen, das durch Wissen über die Starrheit bestimmter singulärer Terme erreicht werden kann, weder für andere Ansätze problematisch ist, noch ausreicht, um anspruchsvolles metaphysisch modales Wissen zu erlangen. Peacockes umfangreiches Rahmenwerk kann also nur das metaphysisch modale Wissen liefern, das wir auch ohne es erlangt hätten. Wie sieht es mit dem zweiten Fall aus, nach dem für einen nicht-starren Bezeichner C nur die Zuweisungen erlaubt sind, die durch Anwendung der Regel entstanden sind, die bei der tatsächlichen Festlegung des semantischen Wertes von C zur Anwendung kamen? Nehmen wir beispielsweise „der Präsident der USA im Jahr 2011“ als Fall eines nicht-starren Bezeichners. Nach der gängigen deskriptivistischen Theorie wurde zur Festlegung seines Bezugs die Regel „Ein nicht-starrer Bezeichnet hat als Bezugsgegenstand dasjenige, was als einziges die von ihm festgelegten Eigenschaften hat“ angewendet, so dass das Bezugsobjekt von „der Präsident der USA im Jahr 2011“ derjenige ist, der die Eigenschaft hat, im Jahr 2011 Präsident der USA zu sein – Barack Obama. Kann uns dies interessantes metaphysisch modales Wissen ermöglichen? Dem scheint nicht so. Das einzige, was wir mithilfe dieses Prinzips im Falle nicht-starrer Bezeichner wissen können, ist, dass „der Präsident der USA im Jahr 2011“ nichts bezeichnen kann, was nicht Präsident der USA im Jahr 2011 ist – und alles Weitere, was einen begrifflichen Widerspruch hierzu ergeben würde. Hierfür brauchen wir jedoch keine Einsicht in metaphysische Modalität, sondern nur Wissen über begriffliche Modalität.
140 � Begrifflicher Rationalismus
5.3.5 Fazit Peacockes Prinzipien der Möglichkeit bringen erkenntnistheoretisch keinen Vorteil. Peacockes These, Wissen über die konstitutiven Prinzipien würde sich aus dem Verstehen von „metaphysisch möglich“ ergeben und es uns erlauben, Wissen über metaphysische Modalität zu erwerben, hat sich als unhaltbar erwiesen. Stattdessen setzt das Verstehen dieses Ausdrucks im Sinne Peacockes bereits Wissen über konstitutive Eigenschaften voraus, so dass auch Peacocke daran scheitert, dass er modales Wissen auf ebenso problematisches Wissen aufzubauen versucht. MEP ist zwar epistemisch teilweise zugänglich, genügt aber nicht, um anspruchsvolles metaphysisch modales Wissen zu erlangen, sondern leistet nicht mehr, als gewöhnliches logisch-begriffliches Wissen auch leistet.
5.4 Intuitionen und Begriffsbesitz George Bealer vertritt eine Variante des Rationalismus, die nicht völlig klar dem Modalen oder dem Begrifflichen Rationalismus zuzuordnen ist (vgl. Orlando 1998, 324f.). Die Basis modalen Wissens bilden ihm zufolge Intuitionen, wobei das Haben bestimmter Intuitionen eng mit begrifflicher Kompetenz verbunden ist. Um uns hiervon zu überzeugen, will er zeigen, was Intuitionen sind, dass wir sie de facto als Rechtfertigungsbasis nutzen, weshalb wir uns auf sie verlassen müssen und weshalb wir uns auf sie verlassen dürfen. Wir werden im Folgenden sehen, dass das Haben von Intuitionen sich Bealer zufolge aus dem Besitz von Begriffen ergibt – wobei Bealer eine sehr anspruchsvolle Bestimmung von Begriffen und Begriffsbesitz vertritt (Bealer 2000, 10ff.). Außerdem wird klar, warum er sie Vorstellbarkeit für überlegen hält (Bealer 2002, 76) und ob es ihm gelingt, zu zeigen, dass wir sie als verlässliches Mittel betrachten können, um Einsicht in metaphysische Modalität zu gewinnen.
5.4.1 Intuitionen bei Bealer Bealer hält Intuitionen für intellektuelle Anmutungen (intellectual seemings). For you to have an intuition that A is just for it to seem to you that A. Here 'seems' is understood, not as a cautionary or 'hedging' term, but in its use as a term for a genuine kind of conscious episode. For example, when you first consider one of de Morgan's laws, often it neither seems to be true nor seems to be false; after a moment's reflection, however,
Intuitionen und Begriffsbesitz � 141
something new happens: suddenly it just seems true. Of course, this kind of seeming is intellectual, not sensory or introspective (or imaginative). For this reason, intuitions are counted as „data of reason“ not „data of experience.“ (Bealer 2000, 3)
Intuitionen sind Bealer zufolge nicht mit Überzeugungen identisch, was wir daran sehen können, dass es einem Subjekt S so scheinen kann, dass p, ohne dass S glaubt, dass p, zum Beispiel im Fall der Müller-Lyer-Illusion, in der die Pfeile auch dann noch verschieden lang scheinen, wenn wir längst wissen, dass sie gleich lang sind (Bealer 2000, 3.). Für den Fall intellektueller Anmutungen wäre das Ziegenproblem aus der Mathematik zu nennen, in dem es darum geht, ob es bei einem Glücksspiel, bei dem sich hinter zwei Toren eine Ziege – also eine Niete – hinter dem dritten ein Gewinn verbirgt, rational ist, nach der Auswahl des ersten Tores, jedoch während dieses noch verschlossen ist, das Tor nochmals zu wechseln, wenn der Glücksspielleiter eines der beiden anderen Tore öffnet und damit zeigt, dass sich dahinter eine Ziege befindet. Aus stochastischen Gründen ist ein Wechsel sinnvoll (Rosenhouse 2009, 20ff.). Dennoch bleibt bei vielen, die das Problem verstanden haben, die Intuition, es sei gleichgültig, obwohl sie wissen, dass dem nicht so ist, und es somit auch nicht mehr glauben.
5.4.2 Intuitionen und modales Wissen Bevor ich mich der Frage zuwende, ob Bealer uns gute Gründe dafür gibt, Intuitionen für verlässlich zu halten, muss gezeigt werden, weshalb Intuitionen nicht nur generell, sondern gerade für metaphysisch modales Wissen wichtig sind. Dies funktioniert grundlegend wie folgt. Wir wissen beispielsweise empirisch, dass Wasser H2O ist und wollen nun zu dem Wissen gelangen, dass Wasser notwendig H2O ist. Die Intuition, die wir hierfür zugrunde legen, muss letztlich die Annahme rechtfertigen, dass Wasser ist H2O → □ Wasser ist H2O. Dies soll etwa wie folgt funktionieren. Consider the following categorical principle: if a sample of a given purely compositional stuff has such-and-such composition, then, necessarily, all other samples of that purely compositional stuff also have that composition. This principle is semantically stable, so the analysis of what it is to understand our concepts tells us that if we determinately understand the concepts involved in the principle, then our intuitions concerning the principle will be reliable. Accordingly, the principle can be known a priori. (Bealer 2002, 107)
142 � Begrifflicher Rationalismus Das Argument beruht also auf empirischem Wissen über einen Einzelfall und intuitivem Wissen von einem Prinzip, das semantisch stabil sein muss. Semantisch stabil sind diejenigen Sätze, die sich in Gemeinschaften mit qualitativ identischen epistemischen Situationen nicht unterscheiden (Bealer 2002, 72). Hierbei handelt es sich um die Fälle, die gegenüber Zwillingserde-Intuitionen immun sind. Die Faktoren, die dazu führen könnten, dass ein Satz nicht semantisch stabil ist, sind solche, die dazu führen können, dass zwei verschiedene Sätze in zwei Gemeinschaften, die sich in qualitativ identischen Situationen befinden, die gleiche kognitive Rolle spielen (Bealer 2002, 72, Fn.1). Beispielsweise könnten wir keine verlässliche Intuition haben, die besagt, dass Wasser, wenn es H2O ist, notwendig H2O ist, weil die Bedeutung von „Wasser“ und somit auch von „Wasser = H2O“ davon abhängt, was Wasser tatsächlich ist – und dies kann unabhängig von unserer epistemischen Situation variieren (Bealer 1996, 134.). Daher glaubt Bealer, dass wir □ Wasser = H2O nicht einfach auf direktem Wege auf Grundlage unserer Intuitionen rechtfertigen können. 1. Wasser ist H2O. (empirisches Wissen) 2. Wenn Wasser H2O ist, ist □ Wasser □ H2O. (intuitives Wissen) 3. Also: □ Wasser ist H2O. 2 würde gegen die Stabilitätsklausel verstoßen. Daher muss das Argument stattdessen wie folgt aussehen. Wasser ist H2O. (empirisches Wissen) Für jeden rein kompositionalen Stoff x gilt: Wenn eine Probe (sample) von x eine bestimmte Zusammensetzung hat, haben alle Proben von x diese Zusammensetzung. (intuitives Wissen) 3. Wasser ist ein rein kompositionaler Stoff. 4. Also: □ Wasser ist H2O. 1. 2.
Nun ist Prämisse 2 laut Bealer unproblematisch. Wie können wir jedoch 3 rechtfertigen? Hierzu beruft sich Bealer auf den Akt der Einführung des Ausdrucks „Wasser“ in unsere Sprache. Stark vereinfacht, so Bealer, können wir uns dies so vorstellen, dass derjenige, der „Wasser“ eingeführt hat, in diesem Taufakt unter anderem die Kategorie der Dinge festgelegt hat, zu denen Wasser gehören sollte, nämlich: rein kompositionale Stoffe (Bealer 2002, 108). Zwar erklärt Bealer, dass die Geschichte ein ganzes Stück komplexer ausfallen muss, aber die Details sind hier nicht wichtig. Entscheidend ist, dass wir 3 auf Basis impliziter
Intuitionen und Begriffsbesitz � 143
Festlegungen, die im Taufakt vorgenommen wurden, a priori wissen können (Bealer 2002, 109).
5.4.3 Intuitionen statt Vorstellbarkeit Obwohl Bealer glaubt, dass wir metaphysisch modales Wissen a priori erlangen können, setzt er sich deutlich von der Kripke-Tradition ab, die Vorstellbarkeit hierbei ins Zentrum rückt. Ein erstes Problem hierfür sieht er darin, dass die Vorstellbarkeit von p selbst keine nicht-modale Tatsache ist (Bealer 2002, 77). But in order to acquire evidence (reasons), something must actually happen: a datable psychological episode must occur (the occurence of a sensation, an introspective or imaginative experience, a seeming memory, an intuition). (Bealer 2002, 78)
Wenn wir uns nun einfach vorstellen, dass p, und somit auf die Vorstellbarkeit von p schließen, haben wir zwar einen tatsächlichen Vorgang zur Grundlage unseres modalen Wissens gemacht, aber, so Bealer, keinerlei Grund dafür genannt, weshalb wir glauben sollten, dass dieses tatsächliche Vorstellen von p mit der metaphysischen Möglichkeit von p einhergeht. Um zu begründen, dass eine solche Verbindung besteht, müssten wir uns wieder auf Intuitionen verlassen. Vorstellbarkeit kann keine eigene grundlegende Rolle in modalepistemologischen Fragen spielen.
5.4.4 Die Verlässlichkeit von Intuitionen Während sich in Kapitel II gezeigt hat, dass Vorstellbarkeit wirklich keinen Weg zu modalem Wissen eröffnet, ist fraglich, weshalb wir glauben sollten, dass eine intellektuelle Anmutung, eine Intuition, besser geeignet ist, um modales Wissen – und generell Wissen – zu erwerben. Hierfür gibt Bealer zwei Argumente. Das erste ist ein Argument dafür, dass wir uns auf Intuitionen verlassen müssen. Das zweite erklärt, weshalb wir dies auch tatsächlich dürfen.
5.4.4.1 Intuitionen als Grundlage empirischen Wissens Die zentrale Herausforderung für eine Theorie, die auf Basis von Intuitionen arbeitet, stellt laut Bealer der Empirismus dar (Bealer & Strawson 1992; Bealer 2002, 4f.). Dieser besagt ihm zufolge, dass nur Daten über Beobachtungen und phänomenale Zustände rechtfertigende oder widerlegende Kraft für unsere
144 � Begrifflicher Rationalismus Annahmen über die Beschaffenheit der Welt haben (Prinzip des Empirismus) (Bealer 2000, 5). Das Problem entsteht, wenn wir dieses empiristische Prinzip mit den beiden Annahmen verbinden, dass i. eine Theorie genau dann gerechtfertigt ist, wenn sie die einfachste Erklärung für diese Daten bietet (Prinzip des Holismus) und ii., dass die Naturwissenschaften diese Theorie sind (Prinzip des Naturalismus). Diese Prinzipien enthalten zum Beispiel die Ausdrücke „Theorie“ und „Erklärung“, die selbst in der einfachsten Formulierung der Naturwissenschaften nicht vorkommen (Bealer 2000, 6). Somit könnten die Prinzipien selbst nicht naturwissenschaftlich formuliert werden, und wären folglich nach den Standards, die das Prinzip des Empirismus festlegt, nicht gerechtfertigt. Da Bealer Holismus und Naturalismus akzeptiert, muss ihm zufolge der Empirismus verworfen werden und das Prinzip des Empirismus durch das Prinzip des sogenannten Moderaten Rationalismus ersetzt werden, das besagt, dass A person's phenomenal experiences and intuitions comprise the person's basic evidence. (Bealer 2000, 7)
Intuitionen stellen eine Rechtfertigung für die Akzeptanz der Prinzipien dar, und somit verschwindet das Problem der fehlenden Rechtfertigung.82 Wie ist dieses Argument zu bewerten? Zunächst müssen wir, so denke ich, Bealer zustimmen, dass ein radikaler Empirismus, der besagt, alle TatsachenBehauptungen könnten, wenn überhaupt, nur empirisch gerechtfertigt werden, vor einem Rechtfertigungsproblem steht. Das Problem in seinem Argument ist, dass es nicht zeigt, dass die Ersetzung von Empirismus durch Moderaten Rationalismus die einzige Lösung darstellt. Erstens könnten wir auch Holismus oder Naturalismus aufgeben – dies ist zwar unbequem, aber Intuitionen als Rechtfertigung für Annahmen über die Beschaffenheit der Welt zuzulassen, scheint vielen Philosophen ebenso unattraktiv (vgl. Cappelen 2012, 2f.). Zweitens könnte auch ein anderes Prinzip die Leistung erbringen, die das Prinzip des Moderaten Rationalismus erbringt. Die kritische Frage ist nicht, ob Intuitionen eine Rechtfertigung für die Prinzipien bieten würden – dies könnten eventuell auch Überzeugungen leisten, die wir auf irgendeinem anderen Wege erworben haben
�� 82 Vgl. Bonjour (1998) für ein ähnliches Argument gegen den Empirismus. Bonjours Argument beruht darauf, dass die These, Erfahrungen könnten Annahmen rechtfertigen, selbst nicht durch die Erfahrung gerechtfertigt werden kann. Casullo (2003, 117-120) hat jedoch darauf hingewiesen, dass dieser Einwand ebenso gegen den Moderaten Rationalismus erhoben werden kann, da dessen Grundannahme ebenso wieder vor dem Problem steht, dass die Mittel, die sie zur Rechtfertigung erlaubt, ihre eigene Rechtfertigung nicht ermöglichen. Vgl. Nimtz 2009, 15f.
Intuitionen und Begriffsbesitz � 145
– sondern, ob Bealer zeigen kann, dass wir Grund haben, zu glauben, dass Intuitionen wirklich rechtfertigende Kraft haben. Wenden wir uns dieser Frage zu.
5.4.4.2 Das Argument vom Begriffsbesitz Laut Bealer stützen Philosophen ihre Argumente ständig auf Intuitionen, so dass wir prima facie Grund zur Annahme haben, dass, wenn die Philosophie verlässlich ist, Intuitionen verlässlich sind (Bealer 1996, 131f). Doch auf diese Beobachtung kann man auf verschiedene Weisen reagieren. Lycan (1995, 144) akzeptiert diese Subjunktion, schließt jedoch aus ihr, dass die Verlässlichkeit der Philosophie gering ist, weil Intuitionen nur eine sehr schwache rechtfertigende Rolle spielen können und nicht besonders verlässlich sind. Cappelen (2012, 18ff.) hingegen bestreitet, dass sich Philosophen überhaupt in größerem Umfang auf Intuitionen stützen.83 Bealer möchte jedoch stattdessen zeigen, dass Intuitionen verlässlich sind, da eine starke modale Verbindung zwischen dem Haben der Intuition, dass p, und dem Bestehen der Tatsache, dass p, besteht (Bealer 2000, 7). Hierzu legt er zwei Argumente vor, nämlich das Argument from Evidence und das Argument from Concepts. Hier ist besonders letzteres von Interesse, das Bealer in A Theory of the A priori (Bealer 2000; vgl. Bealer 2002, 102ff.) formuliert hat. Unser intuitives Wissen, – also solches, das wir durch intellektuelle Anschauung gewonnen haben – beruht laut Bealer darauf, dass wir in der Lage sind, vollständigen Begriffsbesitz (determinate concept possession) zu erlangen, und zwar in dem Sinne, dass dies metaphysisch möglich ist. Diese Verbindung zwischen dem Haben von Intuitionen und dem Besitzen von Begriffen macht Bealer zu einem Begrifflichen Rationalisten. Hierbei ist die Verbindung derart, dass jemand nur dann einen Begriff vollständig besitzt, wenn er bestimmte Intuitionen hat.84 In Bealers Beispiel führt eine Person P den Begriff „chromisch“ durch Gebrauch für alle phänomenalen Farben ein, jedoch nicht für schwarz und weiß. P hat jedoch noch nie einen Grau-Eindruck gehabt. Als P das erste Mal einen Grau-Eindruck hat, so Bealer, wird sie, sofern ihr Begriff des Chromischen eindeutig bestimmt ist, eine klare Intuition dazu haben, ob Grau unter „chromisch“ fällt oder nicht (Bealer 2000, 13.). Sofern sie diese Intuition nicht hat, ist sie laut Bealer keine vollständige Besitzerin von „chromisch“.
�� 83 Malmgren 2013 bietet eine ausführliche Kritik an Cappelens Argumentation. 84 Vgl. Kim 1998, 308 für Kritik an der von Bealer vorgenommenen Verknüpfung von Begriffsbesitz und dem Haben bestimmter Intuitionen.
146 � Begrifflicher Rationalismus Begriffsbesitz und das Haben bestimmter Intuitionen gehen also miteinander einher. Auf Basis dieses Begriffsbesitzes können wir, so Bealer, metaphysisch modales Wissen und Tatsachenwissen erhalten. Bealer gibt nicht wirklich ein Argument für seine Annahme, wir könnten vollständige Begriffsbesitzer werden, sondern verweist darauf, dass es unbegründet wäre, dies zu bestreiten (Bealer 2000, 12). Nun scheint die Behauptung, wir könnten einige Begriffe vollständig besitzen, auf den ersten Blick wirklich harmlos. Jedoch meint Bealer mit „Begriff“ nicht das, was wir normalerweise damit bezeichnen und was seine These schon beinahe trivial machen würde. Begriffe sind Bealer zufolge – ebenso wie Propositionen – geistunabhängige Gegenstände (Bealer 1998, 262), und da sie ihm zufolge zur selben Art von Gegenständen gehören, gelten die ontologischen Tatsachen, die Propositionen betreffen, auch für Begriffe. Propositionen sind ihm zufolge „the primary bearers of truth, possibility, necessity, impossibility, logical truth, etc.“ (Bealer 1998, 263) und existieren ante rem (Bealer 1998, 264). Wenn wir nun Propositionen und Begriffe so auffassen, wird die Idee, wir könnten durch das vollständige Erfassen von Begriffen Wissen über notwendige Wahrheiten herausfinden, harmlos, da Begriffe ja in den Propositionen vorkommen, die die Träger von Notwendigkeit sind. Wer den Begriff des Wissens, der Verursachung o.ä. erfasst, wird folglich in der Lage sein, Schlüsse über deren wesentliche und somit über ihre de re notwendigen Eigenschaften zu ziehen. Wenn wir vollständige Begriffsbesitzer im Sinne Bealers wären, hätten wir daher anspruchsvolles metaphysisch modales Wissen (vgl. Nimtz unv., 278). Doch können wir dies sein?
5.4.5 Probleme für Bealers Theorie Bealers Theorie stellt zwar einen gut ausgearbeiteten Entwurf dazu dar, wie wir Wissen über metaphysische Modalität erwerben können, hat jedoch auch eine ganze Reihe von Schwachpunkten. Ich werde mich hier auf den Aspekt konzentrieren, der mir am problematischsten scheint und dem in der Literatur die meiste Aufmerksamkeit zuteil wurde (vgl. Kim 1998; D. Sosa 1998; Tomberlin 1998; Orlando 1998; Nimtz 2011), nämlich die Frage, ob vollständiger Begriffsbesitz im Sinne Bealers uns hier weiterhilft. Diese lässt sich wiederum in zwei Fragen aufteilen. Zum einen ist nicht völlig klar, ob es überhaupt stimmt, dass es metaphysisch möglich ist, vollständigen Begriffsbesitz im Sinne Bealers zu erreichen. Zum zweiten stellt sich die Frage, ob uns diese metaphysische Möglichkeit überhaupt weiterhelfen würde. Ich werde zeigen, dass in beiden Fällen gehörige Zweifel angebracht sind.
Intuitionen und Begriffsbesitz � 147
5.4.5.1 Begriffsbesitz für nicht-allmächtige Wesen Wenn man „Begriff“ so bestimmt, dass ein Begriff per Definition die Natur des Gegenstands, den er herausgreift, richtig einfängt, dann wird die These, wir könnten vom Begriffsbesitz zu Wissen über die Natur des Gegenstands, somit auch über seine modalen Eigenschaften gelangen, trivial. Allerdings stellt sich die drängende Frage, ob es wirklich auch nur metaphysisch möglich ist, einen solchen Begriff zu besitzen – zumal, ohne die Natur des Gegenstands in Frage bereits unabhängig vom Besitz des Begriffs zu kennen. Die Beantwortung dieser Frage wird noch dringlicher, wenn wir betrachten, welches Wissen Bealer allein auf Basis vollständigen Begriffsbesitzes für erreichbar hält. x determinately possesses a given concept iff, for associated test property-identities p: x would have intuitions which imply that p is true iff p is true. (Bealer 2000, 15)
Um einen Begriff vollständig zu besitzen, muss ein Subjekt also für tatsächlich vorliegende Eigenschaftsidentitäten – und nur für diese – die Intuition haben, dass diese vorliegen. Wer zum Beispiel über die Begriffe „dreieckig“ und „zweidimensional mit Winkelsumme 180 Grad“ verfügt, müsste somit die Intuition haben, dass die Eigenschaft, dreieckig zu sein, mit der Eigenschaft, ein zweidimensionaler Gegenstand mit einer Winkelsumme von 180 Grad zu sein, identisch ist (Bealer 2000, 15f.). Angesichts Bealers anspruchsvoller Bestimmung davon, was Begriffe sind und was es heißt, einen Begriff zu besitzen, dreht sich die argumentative Last, entgegen seiner Annahme, um, wie sich an einem Beispiel zeigt. Den Begriff „Verursachung“ vollständig zu besitzen, ohne bereits auf Basis empirischer Untersuchungen alle Eigenschaften zu kennen, die mit verursacht sein identisch sind, wirkt magisch, und wenn wir akzeptieren sollen, dass wir auch nur potenziell vollständige Begriffsbesitzer sind, müsste Bealer gute Gründe für diese Annahme liefern und erklären, wie wir dies anstellen. Da er dies nicht leistet, sollten wir äußerst skeptisch hinsichtlich der Annahme sein, wir – oder irgendein anderes nicht-allmächtiges Wesen – könnten vollständigen Begriffsbesitz erlangen. Diese Analyse muss in gewisser Weise eingeschränkt werden. Für Gegenstände, für die gilt, dass alle wahren Sätze, die ihre Eigenschaftsidentitäten beschreiben, analytisch sind, ist der Anspruch, wir könnten die entsprechenden Begriffe ohne vorherige Kenntnis der Natur des Gegenstandes besitzen, weit weniger problematisch. Allerdings sind solche Gegenstände, sofern es sie gibt, hier nicht von großem Interesse, schließlich geht es hier – und auch Bealer erhebt diesen Anspruch – nicht nur um analytische Wahrheiten, sondern auch
148 � Begrifflicher Rationalismus um Wissen über synthetische Wahrheiten, das sich nicht mit simpler begrifflicher Analyse erwerben lässt. Genau dieses Wissen ist es, was für die Frage nach anspruchsvollem modalem Wissen interessant ist. Die Beispiele, die Bealer gibt, sind fast alle der Mathematik entnommen. Nun sind mathematische Wahrheiten zwar keine klaren Fälle analytischer Wahrheiten (vgl. Rey 2008, Kapitel 2.1), aber unser Wissen über mathematische Begriffe und Gegenstände ist dennoch klarerweise sehr verschieden von unserem Wissen über die meisten anderen Gegenstände. Wenn Bealer also zeigen will, dass wir Wissen über philosophisch interessante Dinge wie Verursachung, den menschlichen Geist oder Gott mithilfe vollständigen Begriffsbesitzes erwerben können, müsste er dies anhand solcher Dinge zeigen. Dass er dies nicht tut, ist angesichts der Probleme, mit denen sein Ansatz behaftet ist, wenig verwunderlich (vgl. Vaidya 2007, Kap. 6). Die Prämisse, vollständiger Begriffsbesitz sei metaphysisch möglich, ist also schon äußerst fraglich.
5.4.5.2 Besitzen wir Begriffe tatsächlich vollständig? Ein zweiter Punkt wiegt ähnlich schwer. Nehmen wir zugunsten Bealers an, es sei metaphysisch möglich, vollständigen Begriffsbesitz zu erlangen. Dies hat kaum Bedeutung für unsere tatsächliche Fähigkeit, auf Basis vollständigen Begriffsbesitzes Wissen über metaphysische Modalität zu erhalten (vgl. Nimtz 2011, 1168ff.). Was, wenn es zwar metaphysisch möglich, aber nomologisch unmöglich ist, vollständiger Begriffsbesitzer zu sein? Oder wenn unsere Welt einfach so weit von den möglichen Welten entfernt ist, in denen wir vollständige Begriffsbesitzer sind, dass niemals jemand tatsächlich vollständiger Begriffsbesitzer war, ist oder sein wird? Bealer gibt keine Argumente für die Annahme, wir seien annähernd vollständige Begriffsbesitzer, und er gesteht sogar ein, dass es fraglich ist, ob wir diesen auch nur nahe kommen (Bealer 1996b, 3; vgl. Cappelen 2012, 104). Insofern kann seine Theorie selbst unter der Annahme, vollständiger Begriffsbesitz sei metaphysisch möglich, nur eine Erkenntnistheorie für die in Sachen Begriffsbesitz besten möglichen Welten liefern. Einen Grund für die Annahme, dies sei ein Weg, wie wir als Menschen in der tatsächlichen Welt anspruchsvolles Wissen von metaphysischer Modalität erhalten könnten, liefert seine rationalistische Theorie jedoch nicht, so dass seine auf dem Haben von Intuitionen basierende Erkenntnistheorie metaphysischer Modalität ihr Ziel nicht erreichen kann.
Intuitionen und Begriffsbesitz � 149
5.4.6 Bealers Argument gegen den Materialismus Bealers Argument gegen den Materialismus kann als Erweiterung von Kripkes Argument verstanden werden, das dieses an einem wichtigen Punkt modifiziert. Daher werde ich es hier kurz separat diskutieren.
5.4.6.1 Das Argument Das Argument ist ähnlich aufgebaut wie Kripkes, unterscheidet sich jedoch in einem wichtigen Aspekt. Bealer nimmt um des Arguments willen an, wir hätten empirisch herausgefunden, dass man, um C-Fasern zu haben, mindestens 74,985,261 funktional zusammenhängende nicht-bewusste Teile haben muss. Dann, so Bealer, lässt sich mit folgendem Argument zeigen, dass der Materialismus falsch ist. (1) It is possible that there could be a being who is in pain but lacks parts that have 74,985,263 or more functionally related non-conscious parts. (2) It the property of being in pain = the property of having firing C-fibers, then necessarily, for all x, if x is in pain, x has firing C-fibers. (3) Necessarily, for all x, if x has firing C-fibers, x has some parts that have 74,985,263 or more functionally related non-conscious parts. ______________ Therefore, the property of being in pain ≠ the property of having firing C-fibers. (Bealer 1994, 202)
Was macht dieses Argument aus? Im Gegensatz zu Kripkes und vor allem Chalmers’ Argument fällt auf, dass die Möglichkeitsthese als nicht weiter gerechtfertigte Prämisse (1) vorkommt. Dies kann Bealer dadurch rechtfertigen, dass er glaubt, dass wir Prämissen wie (1) auf Basis unserer rationalen Intuitionen rechtfertigen können, sofern sie semantisch stabil sind (vgl. D. Sosa 1998, 319).85 Hierzu muss er erklären, wie es im Falle semantischer Instabilität zu falschen Intuitionen kommen kann. Entscheidend hierfür sind wissenschaftliche Essenzen.
�� 85 Chalmers 2010, 204 argumentiert dafür, dass semantische Stabilität kein geeignetes Kriterium ist und durch semantische Neutralität ersetzt werden soll, wobei gilt, dass ein Ausdruck semantisch neutral ist, wenn „the secondary intension of [it] must be determined a priori: that is, for all scenarios v1 and v2 and all worlds w, the extensions of [it] at (v1, w) and at (v2, w) coincide.“ Dies ist jedoch eine technische Schwierigkeit am Rande, um die ich mich hier nicht weiter kümmern werde.
150 � Begrifflicher Rationalismus When we report our pro-SE [SE = Wissenschaftlicher Essenzialismus] intuitions (for example, twin-earth intuitions), what we say is strictly and literally true, and we are reporting ordinary possibilities. But when we report our apparently anti-SE intuitions [zum Beispiel, dass Wasser auch nicht H2O sein könnte], we confuse ordinary possibility with the possibility of a certain kind of epistemic situation. For example, when we say 'It could have turned out that some samples of water contained no hydrogen', what we say is strictly and literally false. The intuition is true but incorretly reported. The correct report would be something like this: 'It is possible for there to be a population of speakers in an epistemic situation qualitatively identical to ours and they use the expression „water“ to refer to something other than water[...]. (Bealer 1994, 193)
Unsere Intuitionen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, führen uns also dadurch manchmal in die Irre, dass wir uns darüber täuschen, was genau sie eigentlich besagen, beziehungsweise sie falsch wiedergeben. Die Intuitionen, bei denen uns dies passieren kann, sind die, die semantisch instabile Aussagen betreffen, bei denen wissenschaftliche Essenzen dazu führen können, dass diese Aussagen in qualitativ identischen Gemeinschaften verschiedene Propositionen ausdrücken. Um zu sehen, ob (1) einer solchen Schwierigkeit unterliegt, schlägt Bealer vor, eine Paraphrase vorzunehmen, die dann so aussähe. [(1*)] 'It is possible for there to be a population of speakers in an epistemic situation qualitatively identical to ours who would make a true statement identical to ours who would make a true statement by asserting „It is possible that there could be a being who is in pain but lacks parts that have 74,985,263 or more functionally related non-conscious parts.“ (Bealer 1994, 202)
Entscheidend ist nun, dass für „Schmerzen“ nicht funktioniert, was für „Wasser“ funktionierte. Es gibt keine Sprecher in qualitativ identischer epistemischer Situation, die, wenn sie (1) äußern würden, etwas anderes als wir meinen würden. „Schmerzen“ gehört nicht zu den Ausdrücken, deren semantische Eigenschaften durch Tatsachen über wissenschaftliche Essenzen beeinflusst würden. Dadurch, dass Bealer statt über „das Feuern von C-Fasern“ über „74,985,263 or more functionally related non-conscious-parts“ (Bealer 1994, 202) spricht, vermeidet er auch, dass durch den physikalischen Ausdruck semantische Instabilität entsteht. Folglich dürfen wir von (1*) auf (1) schließen, und das Argument kann nicht geblockt werden.
5.4.6.2 Der Fehler in Bealers Argument Wie ist dieses Argument zu bewerten? Bealer konzentriert sich ausschließlich darauf, zu zeigen, weshalb (1) nicht durch wissenschaftlichen Essenzialismus
Intuitionen und Begriffsbesitz � 151
zurückgewiesen werden kann. In diesem Punkt ist das Argument tatsächlich Kripkes überlegen, und wäre dies das einzige Problem für Gegner des Materialismus, so könnten sie Bealers Neuformulierung als Triumph betrachten. Dies setzt jedoch bereits voraus, dass wir im Falle semantischer Stabilität verlässlich darin sind, wahre Annahmen über metaphysische Möglichkeit zu machen. Hierfür hatte Bealer das Argument from Concepts geliefert, das sich jedoch nicht als überzeugend erwiesen hat, sondern mindestens zwei große Schwachstellen hat. Daher setzt Bealers Argument Materialisten nicht mehr unter Zugzwang als Kripkes. Materialisten können einfach darauf verweisen, dass (1) falsch ist, und dass die Intuitionen, die viele dazu führen, (1) zu akzeptieren, erst einmal als verlässlich erwiesen werden müssten, um auf sie ein Argument zu gründen, dessen Konklusion eine starke ontologische These enthält. Solange Bealer dies nicht leistet, stellt sein antimaterialistisches Argument trotz der leichten Verbesserung hinsichtlich der Formulierung von These (1) keinen wesentlichen Fortschritt dar und scheitert wie Kripkes Argument daran, dass die modale Annahme nicht angemessen gerechtfertigt werden kann.
6 Zwischenfazit: Modales Wissen und Modaler Realismus An diesem Punkt wird es Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen, denn von nun an ändert sich die Dramaturgie. Bisher habe ich Ansätze kritisch untersucht und zurückgewiesen, denen allen ein realistisches Bild von metaphysischer Modalität zugrunde lag. Grundlage dieses realistischen Bild ist die Annahme, dass de re Modalität die entscheidende Wurzel für metaphysische Modalität ist. Wenn es metaphysisch notwendig ist, dass p, dann liegt dies in den meisten interessanten Fällen daran, dass ein bestimmtes Ding eine bestimmte Eigenschaft notwendigerweise hat. Die Ansätze, die ein solches Bild akzeptieren, sind allesamt dabei gescheitert, zu zeigen, wie wir anspruchsvolles modales Wissen erwerben können. Dies ist eigentlich kaum überraschend. Wie Williamson (2007a, 136f.) richtig bemerkt, wäre es überraschend, wenn wir mit einem Sensor für de re Modalität ausgestattet wären. Williamson versucht dieses Fehlen zu Umgehen, indem er KFKs ins Zentrum stellt, scheitert allerdings daran, dass zur Einsicht in die relevanten KFKs Wissen über Essenzen bzw. konstitutive Eigenschaften nötig wäre – und natürlich haben wir auch für diese keinen Sensor. Williamson ist nicht der einzige, dessen Modalepistemologie darunter leidet, dass sie eine funktionierende Epistemologie von Essenzen voraussetzt, ohne diese zu erklären. Auch Vaidya (2010), Lowe (2008), Bealer (2000; 2002; 2004) und Peacocke (1997; 1998) müssen auf die ein oder andere Weise Wissen über Essenzen investieren, von dem sie jedoch nicht zeigen können, dass wir es haben können. Anderen, wie Yablo (1993), Hanrahan (2009) und Biggs (2010) gelingt es nicht, die Verlässlichkeit des Verfahrens nachzuweisen, mit dem sie Einsicht in metaphysische Modalität gewinnen möchten.
6.1 Modaler Skeptizismus? Am Anfang der Arbeit habe ich ein Quadrilemma angeführt und gezeigt, welche modalepistemologische Position welcher These widerspricht. a) Es gibt metaphysisch‐modale Tatsachen, die sich nicht aus begrifflichen, logisch‐mathematischen, nomologischen und nicht‐modalen Tatsachen ergeben– gleich, ob man diese für sich betrachtet oder zusammennimmt.
154 � Zwischenfazit: Modales Wissen und Modaler Realismus
b) Wir haben Wissen – entweder empirisch oder a priori – darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist. c) Empirisches Wissen reicht nicht über den Bereich nomologischer Modalität hinaus. d) A priori Wissen reicht nicht über den Bereich des Mentalen und des logisch-begrifflich Modalen hinaus. Ich habe gezeigt, dass Modale Rationalisten und Begriffliche Rationalisten (d) zurückweisen, aber keine überzeugende Begründung hierfür liefern. Keiner ihrer Ansätze zeigt, dass wir a priori Einsicht in geistunabhängige Modalität erlangen können. Modale Empiristen hingegen sind daran gescheitert, dass sie nicht zeigen konnten, wie wir auf empirischem Weg anspruchsvolles modales Wissen erwerben können. Insofern besteht (c) in einer dahingehend modifizierten Form, dass es zwar durchaus möglich ist, empirisch herauszufinden, dass ◊ p – im einfachsten Fall, indem wir empirisch herausfinden, dass p – wir aber kein anspruchsvolles, philosophisch interessantes modales Wissen auf diese Weise erlangen können (vgl. Sidelle 2002, 319). Ich habe mich weitgehend darauf konzentriert, zu zeigen, dass die verschiedenen einzelnen Ansätze nicht überzeugend sind. Nun bliebe immer noch die Option, dieses Scheitern zu akzeptieren, aber hieraus nicht den Schluss zu ziehen, dass wir kein Wissen über realistisch verstandene metaphysische Modalität haben können, sondern nur, dass die bestehenden Ansätze falsch sind und wir uns einfach mehr Mühe geben müssen. Doch dieser Schritt ist angesichts dessen, wie systematisch die vorhandenen Ansätze scheitern, äußerst unattraktiv. Alle Ansätze scheitern nämlich an sehr ähnlichen Schwierigkeiten. Da metaphysische Modalität dem Standardbild zufolge ihre Wurzeln in de re Modalität oder gar Essenzen hat, benötigen wir für Wissen, dass etwas metaphysisch möglich oder notwendig ist, ein Vermögen, dass explizit sensitiv gegenüber diesen ist. Die vorhandenen Ansätze scheitern fast allesamt daran, dass sie entweder (i) de re modale Eigenschaften nicht angemessen einfangen oder dass sie (ii) bereits Wissen über de re Modalität in Form von Essenz-Wissen voraussetzen. Die wenigen Ansätze, die direkt versuchen, zu zeigen, wie wir Essenz-Wissen haben können, scheitern dann daran, dass sie nicht erklären können, weshalb wir glauben sollten, dass uns Essenzen in angemessener Weise epistemisch zugänglich sind. Es scheint einfach nicht so zu sein, dass wir einen Sensor für Essenzen oder ein äquivalentes Vermögen hätten.
Modaler Antirealismus! � 155
Das grundlegende Probleme ist also, dass Modaler Realismus zum Modalen Skeptizismus führt. Also können wir den Schluss ziehen, dass wir (a) oder (b) aufgeben müssen. a) Es gibt metaphysisch‐modale Tatsachen, die sich nicht aus begrifflichen, logisch‐mathematischen, nomologischen und nicht‐modalen Tatsachen ergeben– gleich, ob man diese für sich betrachtet oder zusammennimmt. b) Wir haben Wissen – entweder empirisch oder a priori – darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist. Dies gibt uns zwei Optionen. Zum einen können wir einfach e) Wir haben kein metaphysisch modales Wissen. akzeptieren. Dann könnte ich jetzt mit einer Verteidigung des Modalen Skeptizismus schließen. Dies ist jedoch nicht der Weg, den ich einschlagen werde. Weshalb sollten wir ein realistisches Bild von metaphysischer Modalität aufrecht erhalten, wenn der Preis ist, dass wir keinen epistemischen Zugang zu dieser bekommen? Haben wir dann noch ausreichend starke Gründe, um dieses realistische Bild zu akzeptieren? Wenn wir Peacockes Integration Challenge betrachten, dann ist Skeptizismus in der Erkenntnistheorie ein sehr hoher Preis für Realismus in der Metaphysik.
6.2 Modaler Antirealismus! Daher werde ich mich auf These (a) konzentrieren. Hierbei wird sich zeigen, dass wir die zentralen Daten über metaphysische Modalität, nämlich Notwendigkeiten a posteriori, auch innerhalb eines moderat antirealistischen Bildes von Modalität erklären können. Dieses Bild ist moderat, insofern akzeptiert wird, dass es metaphysisch modale Wahrheiten gibt, die auch nicht mit Vorstellbarkeitstatsachen zusammenfallen. Es ist antirealistisch darin, dass nicht angenommen wird, dass die modalen Wahrheiten und Tatsachen unabhängig von begrifflichen Wahrheiten und Tatsachen bestehen. Ich werde in der Folge in engem Anschluss an Chalmers den Epistemischen Zweidimensionalismus verteidigen, wobei ich zeigen werde, dass dieser hinsichtlich der wichtigsten Punkte die Integration Challenge meistert. Der Epistemische Zweidimensionalismus ist epistemologisch der zentrale Hoffnungsträger und auch metaphysisch aufgrund seiner Klarheit und Sparsamkeit nicht so unattraktiv, wie dies
156 � Zwischenfazit: Modales Wissen und Modaler Realismus
eine Reihe von Essenzialisten nahegelegt hat. Dennoch werde ich auch Chalmers an einer entscheidenden Stelle widersprechen, die die Verbindung von Modalität und Aktualität betrifft.
7 Epistemischer Zweidimensionalismus Die nächste Theorie, die ich untersuchen werde, der Epistemische Zweidimensionalismus (E2DS), unterscheidet sich in zwei Punkten grundlegend von den bisherigen. Zum einen bietet sie, so werde ich argumentieren, eine weitgehend einleuchtende Erkenntnistheorie. Ihrem Hauptvertreter, David Chalmers, gelingt es, zu erklären, wie wir eigentlich herausfinden können, was metaphysisch möglich ist. Hierzu gibt er eine anti-realistische Neubestimmung davon, was es heißt, dass etwas metaphysisch möglich oder notwendig ist. Doch diese Neubestimmung, die epistemologisch so vorteilhaft ist, hat Konsequenzen, die hierüber hinaus gehen. Metaphysische Modalität à la Chalmers ist, trotz einiger Gemeinsamkeiten, etwas grundlegend anderes als dasjenige, was die bisherigen Ansätze unter metaphysischer Modalität verstanden haben. Dies wirft neue Probleme für modale Argumente auf, die ich jedoch erst am Ende dieses Kapitels diskutieren werde. In diesem Kapitel werde ich erstens die These verteidigen, dass Chalmers’ metaphysische Modalität epistemologisch zugänglich ist und außerdem ausreicht, um die wichtigsten Daten, die Kripke antrieben – Notwendigkeiten a posteriori – zu erklären. Deshalb sollten wir sein Bild von Modalität und modalem Wissen akzeptieren. Zweitens werde ich diesen Ansatz gegen eine Reihe von Einwänden verteidigen. Bestimmte Überzeugungen oder Intuitionen, die besagen, dass metaphysische Modalität in de re Modalität verwurzelt ist, sind für einen Vertreter von E2DS nur schwer erklärbar. Ich werde jedoch zeigen, dass diese Überzeugungen und Intuitionen instabil und nicht als verlässlich erwiesen sind. Daher ist es kein größeres Problem, dass sie nur schwierig in Chalmers Bild zu integrieren sind. Diese Neubestimmung von Modalität hat jedoch, und dies ist der dritte Punkt, den ich diskutieren werde, einschneidende Konsequenzen für die Relevanz des Modalen für Fragen nach der Beschaffenheit der wirklichen Welt. Modale Argumente verlieren durch die Ablehnung des realistischen Bildes von Modalität entscheidend an Relevanz. Um dies zu zeigen, werde ich mich ausführlich auf Chalmers’ modales Argument gegen den Materialismus einlassen. An diesem lässt sich zeigen, wie die epistemologischen Vorteile des Epistemischen Zweidimensionalismus mit der Aufgabe des klassischen Bildes von metaphysischer Modalität verbunden sind. Hierdurch zeigt sich, dass die Hoffnung auf modale Argumente, deren Prämissen ausreichend gerechtfertigt werden können und die dennoch interessante ontologische Konklusionen haben, trügerisch ist.
158 � Epistemischer Zweidimensionalismus Entsprechend, so werde ich argumentieren, sind alle Prämissen in Chalmers’ antimaterialistischem Argument plausibel – außer die, in der der Schluss von metaphysischer Möglichkeit à la Chalmers auf die Tatsachenebene erfolgt. Ich werde hier zunächst Chalmers’ Bild von metaphysischer Modalität und Modalität im Allgemeinen darstellen, welches sich deutlich vom Essenzialismus der klassischen Kripkeaner unterscheidet. Hierbei werde ich zunächst die Metaphysik (1) und dann die Erkenntnistheorie (2) von Modalität behandeln. Gesondert wird hierbei diskutiert, wie die Existenz von Notwendigkeiten a posteriori in einem solchen Bild erklärt werden kann (3). Im nächsten Schritt werde ich Chalmers’ Argument gegen den Materialismus rekonstruieren (4). Bevor ich Einwände gegen seinen Ansatz diskutiere, werde ich die beiden zentralen Vorteile seiner Theorie darstellen, von denen einer die Erkenntnistheorie, der andere die Metaphysik des Modalen betrifft (5). In der Verteidigung gegen Kritiker (6) diskutiere ich in gebotener Kürze Einwände gegen die Vorstellbarkeitsprämisse in seinem modalen Argument gegen den Materialismus (6a). Anschließend wende ich mich denjenigen Kritikern zu, die Chalmers’ Metaphysik oder Erkenntnistheorie des Modalen grundsätzlich in Frage stellen (6b & 6c), und werde zeigen, dass ihre Argumente nicht schlüssig sind. Am Ende jedoch werde ich deutlich machen, dass Chalmers’ antimaterialistisches Argument aufgrund seiner Neubestimmung von metaphysischer Modalität unschlüssig ist, seine Modalepistemologie und -metaphysik aber trotzdem akzeptiert werden sollten – was starke negative Auswirkungen auf die Bedeutung des metaphysisch Modalen für philosophische Argumente und die Philosophie hat (7). Ich konzentriere mich in meiner Darstellung weitgehend auf Chalmers’ neuesten Aufsatz (2010) zur Modalepistemologie und zum zweidimensionalistischen modalen Argument gegen den Materialismus, in dem eine Reihe von Kritikpunkten, die seit The Conscious Mind (Chalmers 1996) vorgebracht wurden (vgl. zum Beispiel Balog 1999; Brueckner 2001), bereits bedacht wurde, so dass ich diese Kritikpunkte beiseite lassen werde.
Zu meiner Auslegung von Chalmers In Chalmers’ Texten zum Thema Modalität finden sich, ähnlich wie bei Kripke (1980), Stellen, die ihn eher als Realisten bezüglich metaphysischer Modalität erscheinen lassen, ebenso wie Hinweise auf eine antirealistische Position. Ich habe mich hier entschieden, Chalmers als Anti-Realisten zu interpretieren. Dies hat drei Gründe. Zum einen ist seine Position meiner Ansicht nach dadurch eine interessante Alternative zur essenzialistischen und ersatzistischen Standardposition. Zum zweiten ermöglicht es die antirealistische Lesart, Chalmers’ Theorie
Chalmers’ Bild von Modalität � 159
deutliche erkenntnistheoretische Vorteile zuzugestehen. Wenn man ihn hingegen als Realisten interpretiert, bietet sein ganzes zweidimensionalistisches Rahmenwerk letztlich keine epistemologische Verbesserung, denn Einsicht in de re Modalität ist mit ihr nicht zu erlangen, wie Roca-Royes (2011, 32ff.) gezeigt hat.1 Bei dieser findet sich auch eine Rekonstruktion von Chalmers’ Bild von Modalität, in der dieser stärker als hier als Modaler Realist dargestellt wird (Roca-Royes 2011, 24ff.).86 Drittens schließlich scheint mir auch die Textgrundlage eindeutig für diese Auslegung zu sprechen. Die hierfür entscheidenden Passagen werde ich am Ende des Kapitels diskutieren.87
7.1 Chalmers’ Bild von Modalität 7.1.1 Modaler Apriorismus und Modaler Monismus Die meisten Modalmetaphysiker (vgl. Kripke 1980, 42) sind der Meinung, metaphysische Modalität sei nicht vollständig abhängig von uns, unseren Überzeugungen, mentalen Zuständen, logischer und begrifflicher Modalität sowie empirischen Tatsachen. Ihnen zufolge hat sie ihre Grundlage darin, dass Dinge de re notwendige Eigenschaften oder Essenzen haben. Ich habe gezeigt, dass dies zu schwerwiegenden – plausiblerweise nicht lösbaren – epistemologischen Problemen führt. Chalmers erklärt anders, was metaphysische Modalität ist. Diese hat ihm zufolge, ebenso wie alle anderen Formen von Modalität, ihre Wurzeln im Bereich des Rationalen – in logisch-begrifflicher Modalität. Diese ist seiner Ansicht nach die grundlegende Art von Modalität (Chalmers 2010, 191). Wie kann dies sein? Wir hatten gesehen, dass Kripke durch seine Entdeckung notwendiger Wahrheiten a posteriori dazu gebracht wurde, eine zweite grundlegende Art von Modalität – metaphysische Modalität – neben logischbegrifflicher Modalität zu akzeptieren. Wie kann Chalmers nun versuchen, seine Spielart von metaphysischer Modalität wieder an logisch-begriffliche Modalität zu binden? Hierzu nutzt er das Rahmenwerk des Epistemischen Zweidimensionalismus. Diesem zufolge gibt es nur einen Bereich des Möglichen und nur �� 86 Vgl. hierzu auch meine Rekonstruktion von Roca-Royes' Kritik an nicht-epistemischen Vorstellbarkeitsansätzen in Kapitel 2 dieser Arbeit. Wenn man Chalmers als Realisten interpretiert, trifft ihn diese Kritik. 87 Diese Lesart nähert Chalmers stark einer normativistischen Position an, wie Thomasson (2009; 2010; 2013) sie vertritt, ohne sich jedoch, wie diese, darauf festzulegen, dass Aussagen über Möglichkeit und Notwendigkeit nicht zur Beschreibung der Realität dienen.
160 � Epistemischer Zweidimensionalismus eine Menge möglicher Welten (Chalmers 2010, 190). Dennoch ergibt sich ein Unterschied zwischen primärer Möglichkeit einerseits und sekundärer oder metaphysischer Möglichkeit andererseits, der es ermöglicht, Notwendigkeit a posteriori zu erklären. Etwas vereinfacht ergibt sich folgendes Bild. Wenn es begrifflich konsistent ist, dass p, dann ist es auch primär möglich, dass p. Was begrifflich konsistent ist, ergibt sich aus der primären Intension eines Ausdrucks. Diese ist, zumindest wenn wir es mit einem Term zu tun haben, der eine zu spielende Rolle vorgibt, wie zum Beispiel ein Natürliche Art-Ausdruck, nicht sensitiv gegenüber der intrinsischen Beschaffenheit der Welt, hängt also nur davon ab, welche begrifflich vorgegebenen Rollen zu spielen sind, und nicht davon, wer oder was diese Rolle tatsächlich, kontingenterweise, spielt. Im Falle von Nicht-Rollen-Termen werden direkt Eigenschaften herausgegriffen, jedoch auf transparente Weise. Die primäre Intension von „Wasser“ ist beispielsweise „dasjenige, was die Wasser-Rolle spielt“ – und diese hängt nicht davon ab, ob es tatsächlich H2O oder XYZ ist, dass die Wasser-Rolle spielt. Daher, so Chalmers, ist es epistemisch notwendig, dass Wasser = dasjenige, was die Wasser-Rolle spielt, jedoch epistemisch kontingent, ob Wasser = H2O, Wasser = XYZ oder Wasser = .... Dies hängt dadurch mit möglichen Welten zusammen, dass die primäre Intension von Wasser nicht davon abhängt, welche Welt die tatsächliche ist, so dass es primär möglich ist, dass p, wenn es eine mögliche Welt, betrachtet als tatsächliche, gibt, in der p der Fall ist. Wenn eine Welt die tatsächliche ist, dann ergibt sich aus ihrer Beschaffenheit, welche Gegenstände es sind, die die durch Rollen-Terme – zum Beispiel „dasjenige, was tatsächlich die Wasser-Rolle spielt“ – festgelegten Rollen spielen. Ist eine Welt, in der XYZ die Wasser-Rolle spielt, die tatsächliche, dann ist Wasser = XYZ wahr. Es gibt, in Chalmers’ Terminologie, eine Welt, die Wasser = XYZ verifiziert. Folglich ist es primär möglich, dass Wasser = XYZ (Chalmers 2010, 143ff). Primäre Möglichkeit: Es ist genau dann primär möglich, dass p, wenn es eine mögliche Welt, betrachtet als tatsächliche, gibt, in der p der Fall ist. Jetzt können wir zur sekundären Intension eines Ausdrucks kommen. Wir können a priori die primäre Intension vieler Ausdrücke kennen. Was uns jetzt noch fehlt, ist das Wissen, wie eigentlich die tatsächliche Welt beschaffen ist – im Beispiel, was es tatsächlich ist, das die Wasser-Rolle spielt. Wenn wir dieses Wissen hinzunehmen, ergibt sich aus dem a priori Wissen, dass Wasser dasjenige ist, was tatsächlich die Wasser-Rolle spielt und dem a posteriori Wissen davon, dass H2O tatsächlich die Wasser-Rolle spielt, dass „Wasser“ sich, in jeder möglichen Welt, betrachtet als nicht-tatsächliche, kontrafaktische, auf H2O
Chalmers’ Bild von Modalität � 161
bezieht. Dies ist die sekundäre Intension von „Wasser“. Hierbei sind wir auf der Ebene von sekundärer oder metaphysischer Möglichkeit, so wie Chalmers sie bestimmt (◊MC) angelangt.88 Chalmers’ Metaphysische Möglichkeit (◊MC): Es ist genau dann metaphysisch möglich, dass p, wenn es eine mögliche Welt, betrachtet als kontrafaktische gibt, in der p der Fall ist. Chalmers verankert metaphysische Modalität also in logisch-begrifflicher Modalität. Damit vertritt er eine Position, die er als „Modalen Rationalismus“ (Chalmers 2010, 191) bezeichnet. Da ich dieses Etikett bereits für eine andere Position reserviert habe, werde ich dies als „Modalen Apriorismus„ bezeichnen. Die Grundidee hierbei ist eben die, dass metaphysische Modalität, ebenso wie primäre Modalität, ihre Quellen im Bereich logisch-begrifflicher Modalität hat. By contrast, the picture in which the metaphysical modality is grounded in the logical modality yields a simple explanation and a simple epistemology. (Chalmers 2010, 191)
Mit diesem Modalen Apriorismus geht eine Festlegung auf eine weitere These zur Metaphysik des Modalen einher, nämlich auf den Modalen Monismus. (Modaler Monismus (MM)): Es gibt nur einen grundlegenden Raum möglicher Welten. Die Differenz zwischen primärer und metaphysischer Modalität ergibt sich aus der unterschiedlichen Betrachtung dieser Welten (Chalmers 2010, 190). Die Akzeptanz des Modalen Monismus unterscheidet Chalmers grundlegend von den meisten anderen Philosophen, die sich mit Modalität befassen. Die Standardposition hierzu ist der Modale Dualismus, der besagt, dass es zwei grundlegende Formen von Modalität gibt, nämlich logisch begriffliche Modalität einerseits und metaphysische Modalität andererseits.89
�� 88 Diese Erklärung gilt nur für a posteriori Notwendigkeiten. Bei a priori Notwendigkeiten ist der Fall einfacher, da hier primäre und sekundäre Intension zusammenfallen und wir somit gar kein empirisches Wissen benötigen, um Einsicht darein zu erhalten, ob etwas notwendig oder kontingent ist. Da, wie im ersten Kapitel gezeigt, a priori Notwendigkeiten weit weniger problematisch, aber auch weit weniger interessant als a posteriori Notwendigkeiten sind, werde ich mich hier nicht weiter mit ihnen befassen. 89 Van Inwagen (1998, 71) vertritt eine andere Art Modalen Monismus. Ihm zufolge gibt es ebenfalls nur eine basale Art von Modalität: metaphysische Modalität. Logisch-begriffliche Modalität hingegen lehnt er ab und schlägt vor, sich hier auf Konsistenz zu konzentrieren.
162 � Epistemischer Zweidimensionalismus
7.1.2 Ist Chalmers ein modaler Antirealist? Ich habe den Epistemischen Zweidimensionalismus (E2DS) hier mehrmals als „antirealistisch“ bezeichnet. Chalmers selbst hält sich selbst nicht für einen Antirealisten hinsichtlich metaphysischer Modalität. I think [my view] is a view on the metaphysical modality is perfectly real and is constitutively tied to the logical (or epistemic) modality. [...] At best, this picture is antirealist about a certain conception of metaphysical modality, but I do not think that this conception should be taken as defining the notion. Likewise, the belief that one has a priori access to modality does not make one an antirealist about modality any more than the belief that one has a priori access to mathematic truths makes one an antirealist about mathematics. (Chalmers 2010, 190)
Wenig hängt daran, ob wir einen zweidimensionalistischen Ansatz antirealistisch nennen, oder nicht. Da Chalmers glaubt, dass metaphysische Modalität ihre Wurzeln in logisch-begrifflicher Modalität hat, schreibe ich seiner Theorie dieses Etikett zu, da sie im Gegensatz zur realistisch-essenzialistischen Standardposition steht. Epistemologische Belange – zum Beispiel ob unser Zugang zu metaphysischer Modalität a priori oder a posteriori ist – beziehe ich in meine Bestimmung von Realismus und Antirealismus nicht ein.
7.2 Notwendigkeit a posteriori in Chalmers’ Bild Was verbindet nun metaphysische Möglichkeit à la Chalmers (i.d. Folge ◊MC) obwohl sie doch, im Gegensatz zu Kripkeanischer metaphysischer Möglichkeit (i.d. Folge ◊MK) ihre Wurzeln in logisch-begrifflicher Modalität hat, mit dieser klassischen Form von metaphysischer Modalität? Mir scheint, die Überlegung hinter dieser Assimilation ist folgende. Metaphysische Möglichkeit unterscheidet sich von logisch-begrifflicher Möglichkeit dadurch, dass sie sensitiv demgegenüber ist, welche Welt tatsächlich ist, welche Dinge tatsächlich die begrifflichen Rollen spielen. Dies ermöglicht auch eine Erklärung dafür, weshalb es Notwendigkeit a posteriori gibt. Die Fähigkeit, eine Erklärung für das Bestehen von Notwendigkeit a posteriori zu liefern, unterscheidet ◊MC von logisch-begrifflicher Modalität und verbindet sie mit ◊MK. Dies ist zumindest ein Grund, um zu glauben, dass ◊MC diejenige Art von Möglichkeit ist, die Kripke als ◊MK charakterisiert hat. Es ist klar, weshalb ◊MC sensitiv gegenüber Tatsachen ist, denn die sekundäre Intension eines Ausdrucks bezieht in einigen Fällen die empirische Information mit ein, welche Dinge tatsächlich welche Rollen spielen.
Notwendigkeit a posteriori in Chalmers’ Bild � 163
Auch Notwendigkeit a posteriori kann mithilfe von ◊MC erklärt werden, und zwar, ohne auf de re notwendige Eigenschaften von Dingen zurückzugreifen. Wir benötigen nur tatsächliche Eigenschaften und semantische Tatsachen. Es gibt Chalmers zufolge keine Propositionen, die sowohl notwendig als auch a posteriori sind, sondern nur Sätze (Chalmers 2002, 162f.). Wenn wir beispielsweise „Wasser ist H2O“, ein klassisches Beispiel für eine notwendige, aber nur a posteriori wissbare Wahrheit, betrachten, dann gilt, dass dieser Satz zwei Propositionen ausdrückt. Die primäre Intension des Satzes ist „Dasjenige, was auch immer tatsächlich die Wasser-Rolle spielt, ist H2O.“ Dies ist sowohl metaphysisch kontingent als auch nur a posteriori wissbar. Sowohl hätte die Welt so beschaffen sein können, dass etwas anderes als H2O die Wasser-Rolle gespielt hätte, als auch können wir nicht a priori ausschließen, dass etwas anderes als H2O die WasserRolle spielt. Die sekundäre Intension hingegen ist „H2O ist H2O“, was sowohl metaphysisch notwendig als auch a priori wissbar ist. Chalmers zufolge sind alle Notwendigkeiten a posteriori von derselben Art (Chalmers 2010, 167; 185). Sie haben eine kontingente primäre, jedoch eine notwendige sekundäre Intension. Die Kontingenz der primären Intension sorgt für die primäre Kontingenz, und somit auch dafür, dass es nicht a priori ausschließbar ist, dass sie falsch sind. Die Notwendigkeit der sekundären Intension hingegen stellt sicher, dass sie metaphysisch notwendig sind. „Wasser = H2O“ ist ein solcher Fall. Es ist primär möglich, dass Wasser nicht H2O ist, wir können dies nicht a priori ausschließen. Da „Wasser“ jedoch starr dasjenige bezeichnet, was es tatsächlich bezeichnet, ist es metaphysisch notwendig, dass Wasser = H2O. Notwendige Wahrheiten a posteriori mit notwendiger primärer Intension gibt es Chalmers zufolge nicht. Diese müssten so beschaffen sein, dass sie vorstellbar, aber nicht einmal primär möglich wären. Ich werde mich weiter unten mit Chalmers’ Gründen und den Gegenargumenten für die These befassen, es könne solche sogenannten Starken Notwendigkeiten geben. Es ist fraglich, was dies für typische Instanzen von Notwendigkeiten a posteriori bedeutet, in denen es nicht um Identität, sondern um de re modale Eigenschaften geht. Wie sollte ein Vertreter von E2DS mit paradigmatischen Fällen wie „Queen Elizabeth II ist die Tochter von George VI. und Elizabeth Bowes-Lyon“ umgehen? Hier stehen ihm zwei Wege offen. Einerseits könnte man behaupten, es sei eine begriffliche Wahrheit, dass jeder Mensch Kind derjenigen ist, deren Kind er tatsächlich ist. Zusammen mit der empirischen Information, dass Queen Elizabeth die Tochter von George VI. und Elizabeth BowesLyon ist, ließe sich dann die Notwendigkeit a posteriori des obigen Satzes erklären. Andererseits könnte man einfach bereit sein, die Kontingenz dieses Satzes
164 � Epistemischer Zweidimensionalismus zu akzeptieren. Ich möchte hier nicht diskutieren, welcher Weg angemessen ist, sondern nur darauf verweisen, dass E2DS ein Weg offen steht, um auch mit solchen Fällen umzugehen.
7.3 Die Epistemologie metaphysischer Modalität Dieses Bild von Modalität bietet Chalmers die Möglichkeit, den epistemischen Zugang zu primärer ebenso wie zu metaphysischer Modalität nur auf der Grundlage von Wissen über begriffliche Modalität und über empirische Tatsachen zu sichern. Hierbei ist Vorstellbarkeit die Ausgangsbasis, die uns zunächst Wissen darüber, was primär möglich ist, erlaubt. In einem zweiten Schritt kann man dann, unter bestimmten Umständen, auf Basis von diesem, Wissen darüber erwerben, was metaphysisch möglich ist.
7.3.1 Die Grundlage: Vorstellbarkeit Die Basis unseres Zugangs zu Modalität stellt auch bei Chalmers Vorstellbarkeit dar, womit er allerdings nicht das Gleiche meint wie Kripke (1980) oder Yablo (1993). Chalmers unterscheidet gleich hinsichtlich drei verschiedener Bestimmungen zwischen Arten von Vorstellbarkeit, von denen ich zwei in diesem Abschnitt diskutieren werde. Die dritte Unterscheidung macht er zwischen primärer und sekundärer Vorstellbarkeit (Chalmers 2010, 146), die ich nur am Rande beachten werde, da sekundäre Vorstellbarkeit bei der Nutzung für modalepistemologische Zwecke im Wesentlichen die selben Probleme aufweist wie Kripkes nicht-epistemische Vorstellbarkeit. Außerdem spielt sie auch in Chalmers’ Argument gegen den Materialismus keine Rolle. Wenn ich in diesem Kapitel über Vorstellbarkeit spreche, dann ist hiermit immer primäre Vorstellbarkeit gemeint. Chalmers versucht, wie die Vertreter des Begrifflichen Rationalismus, Analytizität, begriffliche Konsistenz o.ä. zum Ausgangspunkt seiner Modalepistemologie zu machen. Conceivability is to be understood as an epistemic notion, defined in epistemological (and perhaps psychological) terms. To a first approximation, we can say that a sentence S in conceivable when S expresses a coherent hypothesis: one that cannot be ruled out a priori. (Chalmers 2010, 143)
Die Epistemologie metaphysischer Modalität � 165
Damit fällt Vorstellbarkeit zumindest annähernd mit logisch-begrifflicher Konsistenz zusammen, denn Chalmers zufolge sind es logische und begriffliche Widersprüche, die dafür sorgen, dass etwas unvorstellbar ist.90 Es ist wichtig zu sehen, dass Vorstellbarkeit daher nicht davon abhängt, was im Geist kontingenter Wesen vor sich geht oder vor sich gehen kann, sondern davon, welche Schlüsse auf Basis begrifflicher Zusammenhänge erlaubt sind – davon, was rational ist (Chalmers 2010, 191). Hierdurch unterscheidet sich Chalmers’ Position von Ansätzen wie dem Konventionalismus Sidelles (1989).91 In Chalmers’ Zweidimensionalismus fügt sich Vorstellbarkeit so ein, dass es genau dann vorstellbar ist, dass p, when the subject can imagine a coherent situation that verifies S, where a situation verifies S when, under the hypothesis that the situation actually obtains, the subject should conclude that S. (Chalmers 2010, 146)
Oder, um die Verbindung zu Intensionen zu schlagen, To primarily conceive (P & ¬Q) is to conceive of a state of affairs in which the primary intension of P & ¬Q is verified (Vaidya 2008, 194)
Es ist also genau dann vorstellbar, dass p, wenn „p“ eine nicht notwendig falsche primäre Intension hat.
7.3.1.1 Ideale & prima facie Vorstellbarkeit Apriorizität und begriffliche Kohärenz werden so zu zentralen Säulen von Vorstellbarkeit. Doch Chalmers unterscheidet Vorstellbarkeit hinsichtlich dreier Bestimmungen. Eine erste Unterscheidung besteht zwischen dem, was auf den ersten Blick – prima facie – vorstellbar ist und dem, was für einen Vorsteller mit unbegrenzten Ressourcen – ideal – vorstellbar ist. Beispielsweise ist eine komplexe mathematische Falschheit, die nicht direkt als solche erkennbar ist, prima facie, jedoch nicht ideal vorstellbar (Chalmers 2002, 147). Wenn ich in der Folge über Vorstellbarkeit spreche, werde ich immer primäre ideale Vorstellbarkeit meinen. Am Ende wird die Frage untersucht, ob wir, als nicht-ideale Vorsteller, nahe genug an ideale Vorstellbarkeit kommen können. Zwischen diesen beiden �� 90 Wie genau mathematisches Wissen für Vorstellbarkeit relevant ist, werde ich hier nicht diskutieren, da es eigene Schwierigkeiten aufwirft für die Frage nach der Erwerbbarkeit anspruchsvollen modalen Wissens keine wichtige Rolle spielt. 91 Der Normativismus von Thomasson (2009; 2010; 2013) steht zwischen diesen beiden Positionen.
166 � Epistemischer Zweidimensionalismus führt Chalmers noch die sogenannte secunda facie Vorstellbarkeit ein, wobei es genau dann secunda facie vorstellbar ist, dass p, wenn es nach einigem gründlichem Überlegen noch vorstellbar ist, dass p. Auf die Rolle von secunda facie Vorstellbarkeit werde ich ebenfalls weiter unten zu sprechen kommen. Hierbei wird zu klären sein, ob diese idealer Vorstellbarkeit nahe genug kommt, um uns zu erlauben, zu beurteilen, ob etwas ideal vorstellbar ist.
7.3.1.2 Positive & negative Vorstellbarkeit Die nächste Unterscheidung besteht zwischen positiver und negativer Vorstellbarkeit. p ist für S genau dann negativ vorstellbar, wenn S p nicht a priori ausschließen kann, während p für S genau dann positiv vorstellbar ist, wenn S eine positive Konzeption von p formen kann, sich also auf kohärente Weise eine Situation vorstellen kann, in der p der Fall ist (Chalmers 2010, 144). Hierbei gilt, dass positive Vorstellbarkeit negative impliziert, anders herum jedoch nicht, da es sein kann, dass ich zwar nicht in der Lage bin, eine positive Konzeption von p zu formen, aber die Falschheit von p auch nicht a priori ausschließen kann (Chalmers 2010, 144). Da negative Vorstellbarkeit sehr viel klarer bestimmt ist als positive, werde ich mich auf diese konzentrieren. Wenn ich also in der Folge über Vorstellbarkeit spreche, werde ich primäre ideale negative Vorstellbarkeit meinen.
7.3.2 Vorstellbarkeit und primäre Möglichkeit Ich hatte betont, dass primäre Möglichkeit sich aus der Betrachtung möglicher Welten als tatsächlich ergibt, und dass dies eng mit begrifflicher Konsistenz verbunden ist. Da auch Vorstellbarkeit annähernd dasselbe wie begriffliche Konsistenz ist, sollte der Übergang von Vorstellbarkeit zu primärer Möglichkeit denkbar einfach sein. Dennoch gibt es Philosophen, die diesen Schritt für problematisch halten. Dies wird vor dem Hintergrund der zweidimensionalen Semantik verständlich. Es ist bereits dann vorstellbar, dass p, wenn „p“ eine nicht notwendig falsche primäre Intension hat. p ist jedoch nur dann primär möglich, wenn es eine mögliche Welt, betrachtet als tatsächliche, gibt, in der p der Fall ist. Um von Vorstellbarkeit auf primäre Möglichkeit schließen zu dürfen, muss ausgeschlossen werden, dass es Fälle gibt, in denen wir uns p vorstellen können, obwohl es keine mögliche Welt, betrachtet als tatsächliche, gibt, in der p der Fall ist. Anders gesagt, müssen wir ausschließen, dass es zwar ein so genanntes „Szenario“ gibt, dass p verifiziert, es aber keine Welt gibt, die p verifi-
Die Epistemologie metaphysischer Modalität � 167
ziert. Ein Szenario entspricht hierbei einer maximalen, a priori konsistenten Hypothese (Chalmers 2010, 168).92 Vaidya (2008), Kallestrup (2006) und andere haben die Position vertreten, es gebe gute Gründe für die Annahme, dass es solche Umstände gibt. Ich werde weiter unten diskutieren, ob die Argumente, die sie hierfür vorlegen, überzeugen können.
7.3.3 A priori Wissen über metaphysische Möglichkeit Ich habe die grundlegende Verbindung von primärer und metaphysischer Möglichkeit am Anfang dargestellt. Hier geht es nun darum, wie wir a priori Wissen über letztere bekommen können. Von (1) „Es ist primär möglich, dass Wasser = XYZ“ können wir nicht auf (2) „Es ist metaphysisch möglich, dass Wasser = XYZ“ schließen – schließlich ist nicht alles, was primär möglich ist, auch metaphysisch möglich. Dennoch können wir aus (1) interessante Schlüsse über metaphysische Möglichkeit ziehen. Damit (1) wahr ist, muss es eine mögliche Welt, betrachtet als kontrafaktische geben, in der XYZ die Wasser-Rolle spielt (Chalmers 2010, 151). Aus (1) können wir daher zwar nicht auf (2), aber auf (2*) „Es ist metaphysisch möglich, dass das, was die Wasser-Rolle spielt = XYZ“ schließen. Das heißt, in Chalmers’ Terminologie, dass wir mithilfe von Wissen über primäre Möglichkeit Wissen über die strukturellen Profile, nicht aber die intrinsischen Profile metaphysisch möglicher Welten gewinnen können (Chalmers 2010, 151). Damit haben wir die Grundlagen von Chalmers’ Modalmetaphysik und Modalepistemologie. Vor diesem Hintergrund kann ich nun Chalmers ’ Argument gegen den Materialismus rekonstruieren und erklären. Im nächsten Schritt werde ich dann die Annahmen hinter diesem Argument und seinem Bild von metaphysischer Modalität kritisch untersuchen. Zwar ist das Argument nicht von direkter Bedeutung für die Bewertung von Chalmers’ Modalepistemologie – ich werde sogar behaupten, dass das Argument unschlüssig ist, obwohl die Erkenntnistheorie weitgehend richtig ist – jedoch hilft es ungemein, um zu sehen, wie Vorstellbarkeit, die verschiedenen Formen von Möglichkeit und Aktualität in Chalmers’ Bild miteinander verwoben sind.
�� 92 An dieser Stelle definiert Chalmers „Welten“ so, dass eine Welt einer maximalen, metaphysisch möglichen, Hypothese entspricht. Hier nutzt er „metaphysisch möglich“ als Synonym für „schlechthin möglich“ – im Gegensatz zu den meisten anderen Stellen.
168 � Epistemischer Zweidimensionalismus
7.4 Chalmers’ modales Argument gegen den Materialismus Chalmers’ modales Argument gegen den Materialismus hat sich ebenso wie seine Modalepistemologie in den letzten 15 Jahren, seit dem Erscheinen von The Conscious Mind (Chalmers 1996), erheblich entwickelt. Ich werde mich weitgehend auf seine neueste Darstellung konzentrieren. Diese nimmt ihren Ausgang beim klassischen Vorstellbarkeitsargument gegen den Materialismus, das Chalmers wie folgt darstellt.
7.4.1 Das klassische modale Argument 1. P & -Q is conceivable. 2. If P & -Q is conceivable, P & -Q is metaphysically possible. 3. If P & -Q is metaphysically possible, materialism is false. 4. Materialism is false. (Chalmers 2010, 142)
Wir haben bereits gesehen, dass Prämisse 2 sehr problematisch ist. Den Modalen Rationalisten gelang es nicht, eine Konzeption von Vorstellbarkeit zu entwickeln, die uns erlaubt, zu wissen, ob wir uns etwas vorstellen können, und gleichzeitig die Wahrheit von 2 zulässt. „P“ steht hier für die Gesamtheit der mikrophysikalischen Wahrheiten über unsere Welt, „Q“ für die phänomenalen Wahrheiten. Um 1 anzugreifen, muss man also behaupten, es sei nicht einmal vorstellbar, dass P & ¬Q. Ich werde diesen Punkt nur sehr knapp behandeln.93 Prämisse 3 schließlich dient dazu, vom Bereich des Möglichen hin zum Bereich des Tatsächlichen zu gelangen, konkreter dazu, zu zeigen, wie Modalität und die Wahrheit des Materialismus zusammenhängen. Wir hatten oben schon gesehen, dass 3 sehr plausibel ist, wenn wir die klassische Konzeption von metaphysischer Modalität zugrunde legen. Allerdings wird sich zeigen, dass Chalmers, um 2 plausibel zu machen, 3 wesentlich uminterpretieren muss, und sich die Frage stellt, ob er damit nicht die Relevanz des Modalen aufgeben muss. Zunächst jedoch wird es darum gehen, was Chalmers unter der Vorstellbarkeit und der Möglichkeit von P & ¬Q versteht, da dieses Verständnis aufzeigt, wie Chalmers Prämisse 2 im Angesicht notwendiger Wahrheiten a posteriori rechtfertigt. Um dies zu leisten, muss seine Variante des antimaterialistischen Arguments eine Gestalt haben, die sich vom klassischen Vorstellbarkeitsargument �� 93 Vgl. kritisch zu dieser Prämisse Perry 2003, 71ff.; Beckermann 2008, 441ff.; Dennett 2005, 1ff.
Chalmers’ modales Argument gegen den Materialismus � 169
äußerlich leicht, innerlich jedoch grundlegend unterscheidet. Dieses neue modale Argument gegen den Materialismus baut auf dem Rahmenwerk von E2DS auf.
7.4.2 Das zweidimensionale Argument Das neue, zweidimensionale Argument sieht in seiner neuesten Fassung bei Chalmers wie folgt aus. 1. P & ¬Q is conceivable. 2. If P & ¬Q is conceivable, then P & ¬Q is 1-possible. 3. If P & ¬Q is 1-possible, then P & ¬Q is 2-possible or Russellian monism is true. 4. If P & ¬Q is 2-possible, materialism is false. 5. Materialism is false or Russellian monism is true. (Chalmers 2010, 152)
Der Einfachheit halber werde ich das Argument zunächst wie folgt formulieren und weiter unten auf eine Schwierigkeit zu sprechen kommen, die sich durch mögliche Unterschiede zwischen Chalmers’ metaphysischer Möglichkeit, also sekundärer Möglichkeit (2-possibility), und metaphysischer Möglichkeit, so wie sie normalerweise verstanden wird, ergibt. 1. 2.
Es ist vorstellbar, dass P & ¬Q. Wenn es vorstellbar ist, dass P & ¬Q, dann ist es primär möglich, dass P &¬Q. 3. Wenn es primär möglich ist, dass P & ¬Q, dann ist es metaphysisch möglich, dass P & ¬Q oder der Russell-Monismus ist wahr. 4. Wenn es metaphysisch möglich ist, dass P & ¬Q, dann ist der Materialismus falsch. 5. Also: Der Materialismus ist falsch oder der Russell-Monismus ist wahr. Um dieses Argument zu verstehen, muss natürlich geklärt werden, was der Russell-Monismus ist. Dies werde ich jedoch erst weiter unten tun, wenn dieser relevant wird. Dieses Argument enthält keine offenkundig falsche Prämisse – jedoch zumindest zwei, die heftig umstritten sind. Prämisse 1 ist ein besonderes Problem des Zombiearguments. Prämisse 3 wird weitgehend akzeptiert. Prämisse 4 ist, in der Form, in der ich sie wiedergegeben habe, kaum kontrovers (s. Einleitung). Jedoch wird noch die Frage zu diskutieren sein, wie ähnlich sich klassische Kripkeanische metaphysische Möglichkeit und Chalmers’ metaphysische Möglichkeit sind und ob letztere ebenso wie erstere relevant für Argumente ist, in
170 � Epistemischer Zweidimensionalismus denen Wissen über die Beschaffenheit der tatsächlichen Welt gewonnen werden soll. Es wird sich zeigen, dass Prämisse 4 aufgrund von Chalmers’ Verständnis von metaphysischer Modalität äußerst problematisch ist. In der Debatte um den Materialismus hat sich die Aufmerksamkeit von Chalmers’ Gegnern weitgehend auf Prämisse 2 konzentriert, so dass ich mich hier ausführlich mit ihr und den Einwänden gegen sie befassen werde. Hierbei werde ich zeigen, dass es gute Gründe gibt, 2 zu akzeptieren. Chalmers’ Bild von Modalität ist so entworfen, dass die Wahrheit von 1 plausibel, die von 2 und 3 garantiert ist. Der Preis dafür ist, dass 4 sehr viel problematischer wird, als sie wäre, wenn Chalmers das normale, realistische Bild von metaphysischer Modalität akzeptieren würde.
7.4.3 Prämisse 1: Die Vorstellbarkeit von P & ¬Q Wenn Chalmers die Vorstellbarkeit von P & ¬Q behauptet, dann meint er hiermit, dass es nicht logisch oder begrifflich widersprüchlich ist, dass P der Fall ist, ohne dass Q der Fall ist. Hierbei steht „P“ für die Gesamtheit der wahren Sätze über das Mikrophysische, „Q“ für die Gesamtheit der wahren Sätze über phänomenale Zustände. Die These, P & ¬Q sei vorstellbar, ist also bereits dann wahr, wenn wir uns ein minimales physikalisches Duplikat unserer Welt vorstellen können, in dem eine einzige Veränderung im Bereich des Phänomenalen vorliegt. Damit verlangt Prämisse 1 viel weniger als eine analoge Prämisse, die die Vorstellbarkeit eines Zombies, also eines physikalischen Doppelgängers eines tatsächlichen Menschen, jedoch ohne phänomenale Zustände, behauptet. Schließlich darf ein Zombie keinerlei phänomenale Zustände haben, muss aber dennoch physisch-funktional vollkommen identisch zu einem Wesen mit phänomenalen Zuständen sein. Im Gegensatz hierzu genügt es für die Möglichkeit von P & ¬Q, wenn in einer physisch-funktionalen Kopie der tatsächlichen Welt ein einzelner phänomenaler Zustand nicht vorhanden ist, der in der tatsächlichen Welt vorhanden ist. Auf den ersten Blick scheint die Behauptung, es sei vorstellbar, dass P & ¬Q, sehr bescheiden.
7.4.4 Prämisse 2 und Prämisse 3: Vorstellbarkeit, primäre Möglichkeit und metaphysische Möglichkeit Ich habe bereits kurz angerissen, wie die beiden Schlüsse von Vorstellbarkeit zu primärer Möglichkeit und von dieser zu metaphysischer Möglichkeit gerechtfertigt werden. Hier werde ich darauf eingehen, wie im speziellen Fall von P & ¬Q
Chalmers’ modales Argument gegen den Materialismus � 171
die Verbindung der beiden Arten von Möglichkeit beschaffen ist, wobei ich zwei Fälle ausführlich und einen Fall ganz kurz behandeln werde.
7.4.5 Identische primäre und sekundäre Intensionen Wenn sowohl „P“ als auch „Q“ jeweils eine identische primäre und sekundäre Intension haben, dürfen wir klarerweise ganz einfach von der primären auf die metaphysische Möglichkeit von P & ¬Q schließen. Doch welche Gründe haben wir für die Annahme, „P“ und „Q“ hätten jeweils identische primäre und sekundäre Intensionen? Für „Q“ hält Chalmers dies für sehr plausibel. „There does not seem to be [a] strong dissociation between appearance and reality in the case of consciousness [...]. (Chalmers 2010, 149) Im Falle von „P“ ist er jedoch weit weniger sicher. Zwar hält er es nicht für abwegig, dass auch „P“ dieselbe primäre und sekundäre Intension hat, will dies jedoch nicht zur Grundlage seines Arguments machen. Da es auch Philosophen gibt, die im Falle von „Q“ bestreiten, dass primäre und sekundäre Intension identisch sind – wozu man unterstellen muss, dass der Bezug von „Q“ nicht ausschließlich mithilfe primär notwendiger Eigenschaften festgelegt wird – werde ich mich hier dem Fall zuwenden, dass mindestens „P“ oder „Q“ keine identische primäre und sekundäre Intension haben.
7.4.6 Verschiedene primäre und sekundäre Intensionen Wenn mindestens „P“ oder „Q“ verschiedene primäre und sekundäre Intensionen haben, dürfen wir von der primären Möglichkeit von P & ¬Q nicht auf die metaphysische Möglichkeit von P & ¬Q schließen. Doch wir haben ja gesehen, dass wir dennoch einen Schluss durchführen dürfen, nämlich darauf, dass es metaphysisch möglich ist, dass dasjenige, das die Rollen spielt, die durch „P“ festgelegt werden, vorhanden ist, ohne dass etwas die Rolle spielt, die durch „Q“ bestimmt wird.94 (Ich werde dies i.d. Folge als RP & ¬RQ abkürzen.) Was für eine Welt ist dies? Hier sind drei Fälle zu unterscheiden – identische primäre und sekundäre Intension von „Q“ bei verschiedener primärer und sekundärer Intension von „P“, verschiedene primäre und sekundäre Intension von „Q“ bei identischer primärer und sekundärer Intension von „P“ und schließlich ver-
�� 94 Die Festlegung auf Rollenterme stellt eine Vereinfachung dar, die in diesem Fall aber unproblematisch ist.
172 � Epistemischer Zweidimensionalismus schiedene primäre und sekundäre Intension von „P“ und von „Q“. Den ersten und letzten Fall werde ich ausführlich besprechen, den zweiten nur kurz. Ich werde kurz voraussetzen, dass „Q“ eine identische primäre und sekundäre Intension hat, so dass wir aus der primären Möglichkeit von P & ¬Q auf die metaphysische Möglichkeit von RP & ¬Q schließen dürfen. Eine Welt, in der RP & ¬Q gilt, ist, physikalisch ein strukturelles Duplikat unserer Welt, jedoch potenziell intrinsisch verschieden, und diese intrinsische Differenz muss dafür verantwortlich sein, dass ¬Q.. Dann müssen es die intrinsischen Eigenschaften der physischen Gegenstände sein, die für diese Verschiedenheit sorgen. Die Position zur Metaphysik des Mentalen, die sich hieraus ergibt, ist der sogenannte Russell-Monismus, der besagt, dass die intrinsischen Eigenschaften physischer Gegenstände dafür sorgen, dass es phänomenale Zustände gibt, während die strukturellen Eigenschaften hierfür nicht hinreichend sind. Sie müssen es sein, die die festgelegten Rollen füllen. Um aufgrund ihrer intrinsischen, nicht ihrer strukturellen Eigenschaften phänomenales Bewusstsein hervorzubringen, müssen sie protophänomenal sein. Ist der Russell-Monismus eine Form des Physikalismus? If Russellian monism is true, then when we conceive of zombies, we hold fixed the structural properties of physical systems in the actual world but not their intrinsic properties (which are protophenomenal properties). If these intrinsic protophenomenal properties qualify as physical properties, then the zombies we conceive of are not full physical duplicates, and any full physical duplicates will also be phenomenal duplicates. On this understanding, Russellian monism qualifies as a form of physicalism. However, because it relies on speculation about the special nature of the fundamental properties in microphysics, it is a highly distinctive form of physicalism that has much in common with property dualism and that many physicalist will want to reject. (Chalmers 2010, 152)
Der Russell-Monismus, der laut Chalmers die einzige Form des Materialismus ist, die nicht durch sein Argument betroffen ist, unterscheidet sich also deutlich von den typischerweise vertretenen materialistischen Theorien. Was ist jedoch, wenn sich auch die primäre und sekundäre Intension von „Q“ unterscheiden? Wenn „P“ zugleich eine identische primäre und sekundäre Intension hat, dann gibt es ein minimales physisches Duplikat unserer Welt, in der dasjenige, was in dieser Welt die Q-Rolle spielt, nicht besteht. Dann gibt es in dieser Welt Zustände, die strukturell mit den tatsächlichen phänomenalen Zuständen identisch sind, und die nicht durch P hervorgebracht werden. Die tatsächlichen Bewusstseinszustände wären dann eventuell zwar wirklich physisch, aber es gäbe Zustände, die strukturell mit ihnen identisch sind, jedoch nicht von physischen Zuständen abhängig sind – keine für Materialisten attrak-
Chalmers’ modales Argument gegen den Materialismus � 173
tive These, da dann die Minimalanforderung der globalen Supervenienz nicht mehr erfüllt wäre. Wenn weder „P“ noch „Q“ eine identische primäre und sekundäre Intension haben, gibt es zumindest eine mögliche Welt, in der etwas die P-Rolle spielt, ohne dass dort etwas die Q-Rolle spielt. Dies hätte die Konsequenz, dass die strukturellen Eigenschaften des Physischen nicht hinreichend sind, um die strukturellen Eigenschaften phänomenaler Zustände hervorzubringen. Stattdessen müssen zumindest an einem Punkt intrinsische Eigenschaften ins Spiel kommen. Dies kann entweder dadurch geschehen, dass die intrinsischen Eigenschaften des Physischen nötig für die strukturellen Eigenschaften des Phänomenalen sind, oder darüber, dass es intrinsische Eigenschaften phänomenaler Zustände gibt, die auch dann noch dazu führen können, dass Q, wenn P & ¬RQ. Ersteres führt wieder in eine Variante des Russell-Monismus, letzteres wieder zu einer Theorie, nach der die primäre Intension von „Q“ falsch sein kann, obwohl die sekundäre Intension von „P“ wahr ist – was die Bedingung globaler Supervenienz des Mentalen über dem Physischen verletzt. Daher sind beide, wie gezeigt, keine attraktiven Positionen für Materialisten (Chalmers 2010, 153).
7.4.7 Prämisse 4: Die metaphysische Möglichkeit von „P & ¬Q“ und die Falschheit des Materialismus Ich habe bereits im ersten Kapitel gezeigt, weshalb wir von der metaphysischen Möglichkeit von „P & ¬Q“ auf die Falschheit des Materialismus schließen können. Dies liegt daran, dass die metaphysische Möglichkeit von „P & ¬Q“ im Widerspruch zur materialistischen Minimalthese steht, es liege eine Beziehung globaler Supervenienz des Mentalen über dem Physischen vor. Die meisten Philosophen scheinen dies auch von Chalmers’ Prämisse iv zu glauben. Dennoch liegt ein Einwand nahe, der auf Chalmers’ Verständnis von metaphysischer Möglichkeit beruht. Im Vergleich zu einer klassischen Kripkeanischen Position nähert Chalmers metaphysische Modalität nämlich viel stärker an logisch-begriffliche Modalität an. Dadurch stellt sich die Frage, ob Prämisse iv noch wahr ist. Diese werde ich erst am Ende des Kapitels diskutieren, da sie Überlegungen zur generellen Relevanz metaphysischer Modalität im Epistemischen Zweidimensionalismus erfordert, die eine gesonderte Diskussion verlangen.
174 � Epistemischer Zweidimensionalismus
7.5 Zwei große Vorteile des zweidimensionalistischen Bildes Bevor ich mit der Diskussion der Einwände gegen Chalmers’ Ansatz beginne, werde ich hier zwei große Vorteile seines Bildes von Modalität darstellen.
7.5.1 Grundlegendes Wissen über metaphysische Modalität Alle realistischen, essenzialistischen Ansätze verfahren bei der Entwicklung eines Verfahrens zum Erwerb metaphysisch modalen Wissens etwa wie folgt. Ein Verfahren wird vorgeschlagen – zum Beispiel Vorstellbarkeitstests, oder die Evaluation kontrafaktischer Konditionale. Doch wie können wir prüfen, ob diese Verfahren verlässlich sind, oder auch nur erklären, weshalb wir dies glauben sollten? Hierzu sind irgendwelche Vorannahmen darüber, was metaphysisch möglich und notwendig ist, nötig – und es stellt sich die Frage, weshalb wir glauben sollten, dass diese wahr sind. Besonders deutlich wird dies beispielsweise bei Kripke. Ob es in seinem Sinne vorstellbar ist, dass p, können wir erst wissen, wenn wir bereits wissen, ob p metaphysisch möglich ist. Hierzu genügt manchmal begriffliches Wissen, in den interessanten Fällen jedoch benötigen wir bereits Wissen darüber, was möglich ist oder zumindest, wie sich das Tatsächliche und das metaphysisch Modale zueinander verhalten. Moderat antirealistische Zweidimensionalisten können dieser Herausforderung etwas entgegen setzen. Dadurch, dass empirische und begriffliche Tatsachen allein konstitutiv für metaphysisch modale Tatsachen sind, wird völlig klar, weshalb empirische und begriffliche Einsichten uns Einsicht darein erlauben, was metaphysisch möglich und notwendig ist. Wir haben es nicht mit einem teilweise unabhängigen Bereich zu tun, dessen epistemische Zugänglichkeit völlig in Frage steht, sondern metaphysische Modalität ist in ein systematisches Geflecht von Tatsachen eingebunden. Metaphysisch modale Wahrheiten folgen systematisch aus empirischen und begrifflichen Wahrheiten, so dass es kein Problem dabei gibt, die Grundlage metaphysisch modalen Wissens angeben zu müssen. Zwar haben auch Modale Rationalisten wie Vaidya oder Modale Empiristen wie Hill Versuche unternommen, Modalität auf etwas anderes zu gründen. Im Falle Vaidyas bringt dies jedoch keine Besserung, weil der Bereich der Essenzen nicht besser in übergreifende Zusammenhänge, über die wir schon Wissen haben, integriert ist als der Bereich des metaphysisch Modalen – im Gegenteil. Im Fall von Hill hingegen ist es zwar so, dass KFKs besser in ein Wissensgeflecht und die alltägliche und wissenschaftliche Praxis eingebunden sind als meta-
Zwei große Vorteile des zweidimensionalistischen Bildes � 175
physische Modalität, jedoch, wie ich gezeigt habe, Wissen über diejenigen KFKs, die hilfreich für den Erwerb modalen Wissens wären, bereits EssenzWissen voraussetzt, so dass im Prinzip dasselbe Problem entsteht wie für Vaidya. In diesen Ansätzen bräuchten wir wiederum eine Basis für EssenzWissen, an der wir unsere Überzeugungen, Intuitionen oder ähnliches über Essenzen prüfen oder ihre Verlässlichkeit aufzeigen könnten – eine Herausforderung, an der sowohl rationalistische als auch empiristische Theorien scheitern.
7.5.2 Die Quelle metaphysischer Modalität Wer behauptet, Gegenstände eines bestimmten Bereichs gebe es, sollte idealerweise erklären, wie diese Gegenstände sich in einer natürlichen Welt verorten lassen (vgl. Jackson 1998; kritisch McDowell 1994, 66ff.; Price 2009). Wieso ist es notwendig, dass Wasser = H2O, oder dass Barack Obama ein Mensch ist? Was ist die Quelle modaler Tatsachen? Modale Realisten aller Couleur antworten hierauf, dass Dinge de re modale Eigenschaften haben. Wasser hat eben die de re notwendige Eigenschaft, seine tatsächliche Mikrostruktur zu haben. Obama hat die de re notwendige Eigenschaft, ein Mensch zu sein. Dies ist natürlich zunächst einmal nur eine Verschiebung. Die Frage, weshalb es eigentlich so ist, dass Dinge de re modale Eigenschaften haben, drängt sich unmittelbar auf. Die einfachste Antwort hierauf geben Primitivisten.95 De re modale Eigenschaften haben keine weitere Quelle. Sie sind einfach in der Welt, Dinge haben einfach de re modale Eigenschaften. Die meisten Mögliche-WeltenErsatzisten vertreten eine solche primitivistische Definition (Melia 2003, 81ff.). Essenzialisten wie Fine (1994), Hale (2002) und Lowe (2008) hingegen geben die Antwort, dass de re modale Eigenschaften sich aus den Essenzen von Gegenständen ergeben, wobei die Essenz „the very being of any thing, whereby it is, what is it“ (Lowe 2008, 34), ist. David Lewis schließlich verortet die Quelle modaler Eigenschaften in konkreten möglichen Welten (Lewis 1986). Diese drei Antworten haben eines gemeinsam. Die Grundlage von Modalität ist etwas, wozu wir, zumindest mit gewöhnlichen Mitteln wie empirischem Wissen und begrifflicher Kompetenz, keinen epistemischen Zugang haben können (vgl. Thomasson 2013, 152). Daher bieten diese Quellen scheinbar keine neue Möglichkeit, einen epistemischen Zugang zu metaphysischer Modalität zu bekommen. �� 95 Melia 2003 bezeichnet diese Position als „Modalismus“.
176 � Epistemischer Zweidimensionalismus Zum anderen, und dies ist hier der wichtige Punkt, sind die Gegenstände, die die Grundlagen metaphysischer Modalität bilden sollen, einigermaßen suspekt. Wie kommen die Essenzen oder die modalen Eigenschaften in die Welt? Wie verhalten sie sich zu den Dingen oder Eigenschaften, die den Gegenstand der (Natur-)Wissenschaften bilden? (vgl. Thomasson 2010, 136; Della Rocca 2002). Dazu kommen Probleme für die einzelnen Ansätze. Mögliche Welten à la Lewis sind zwar klar definiert, nämlich als konkrete Gegenstände, Universen, die raumzeitlich vollständig von der tatsächlichen Welt isoliert sind. Jedoch ist zum einen der ontologische Ballast, den man hiermit auf sich nimmt, enorm – und die Akzeptanz solcher konkreter möglicher Welten erscheint vielen Philosophen so unattraktiv, dass sie kaum bereit wären, diese Pille zu schlucken – selbst, wenn dies viele Probleme lösen würde (vgl. Melia 2003, 111; Sider 2003, 193). Besonders schwerwiegend ist jedoch, dass fraglich ist, was diese möglichen Welten eigentlich mit Möglichkeit zu tun haben. Wenn jemand sagt, es sei metaphysisch möglich, oder die Welt hätte so sein können, dass p, will er normalerweise über etwas sprechen, das nicht der Fall ist. Doch Lewis’ mögliche Welten gehören zum Bereich des Tatsächlichen, die Gegenstände, die in diesen existieren, sind ebenso real wie wir. Ich kann hier nicht in die Details gehen, doch zumindest wirkt es äußerst fragwürdig, solche Welten als Wahrmacher für Aussagen über metaphysische Möglichkeit zu nutzen. Primitivisten schließlich sind, ähnlich wie Essenzialisten, auf die Existenz von Eigenschaften festgelegt, zu denen uns zunächst einmal der Zugang fehlt und die nur schwer in ein naturalistisches Weltbild integriert werden können (vgl. Thomasson 2010, 136). Zweidimensionalisten haben hier deutliche Vorteile. Empirische Tatsachen, tatsächliche Eigenschaften und begriffliche Tatsachen sind allesamt Dinge, auf die wir in einer ganzen Reihe von Kontexten sowieso festgelegt sind. Dies sind allesamt keine Gegenstände, die wir nur postulieren, um zu erklären, wie eine isolierte Art von Aussagen wahr gemacht werden kann oder um philosophische Probleme zu lösen. Stattdessen setzt E2DS nur Dinge und Tatsachen voraus, die in wissenschaftlichen Theorien eine Rolle spielen und die auf den ersten Blick keinen Verdacht erregen.
7.6 Einwände In diesem Abschnitt werde ich eine Reihe von Einwände gegen Chalmers’ Argument gegen den Materialismus und vor allem gegen seinen Epistemischen Zweidimensionalismus diskutieren, die ich allesamt zurückweisen werde. In den nächsten beiden Abschnitten werde ich dann selbst einen Einwand formu-
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lieren, der auf Basis der Akzeptanz des zweidimensionalistischen Bildes zeigt, weshalb Chalmers’ Argument nicht schlüssig ist.
7.6.1 Die Vorstellbarkeitsthese
7.6.1.1 Können wir überhaupt wissen, dass etwas ideal vorstellbar ist? Ein möglicher simpler Einwand gegen Chalmers könnte wie folgt aussehen. Wir können aufgrund der Begrenztheit unserer Ressourcen nie wissen, ob es ideal vorstellbar ist, dass p. Somit können wir nur wissen, dass es prima facie vorstellbar ist, dass p. Prima facie Vorstellbarkeit ist jedoch zu schwach, als dass wir sie als verlässlichen Indikator für metaphysische Möglichkeit betrachten sollten, erst recht wenn es um so kontroverse Fälle wie die Möglichkeit von P & ¬Q geht. Somit bietet uns Chalmers kein geeignetes Mittel zum Erwerb modalen Wissens an und wir haben keine guten Gründe, zu glauben, dass es möglich ist, dass P & ¬Q. Komplexere Varianten dieses Einwandes wurden tatsächlich vorgebracht, zum Beispiel von Worley (2003), Bailey (unv.) und Hanrahan (2009). Hanrahan führt hierbei das Problem der Unvollständigkeit des idealen Vorstellens an, das ihrer Meinung nach sowohl auf positive als auch auf negative Vorstellbarkeit zutrifft (Hanrahan 2009, 285). Wenn jemand beispielsweise behauptet, es sei ideal positiv vorstellbar, dass p, kann ein modaler Skeptiker ihn stets herausfordern, eine vollständige Beschreibung der Welt, in der p der Fall sein soll, zu geben, was jedoch unmöglich ist, da hierzu eine unendliche Menge an Propositionen nötig ist. […] the demands of this persistent modal skeptic can and should ultimately require me to construct a maximally consistent set of propositions, not just in principle but in practice. But, again, no one can ever meet this requirement; so ideal positive primary conceivability can't provide us with a guide to possibility. (Hanrahan 2009, 285)
Auch ideale negative Vorstellbarkeit führt ihrer Ansicht nach nicht in eine bessere Position, da diese den vollständigen Ausschluss von Widersprüchen zu einer für möglich gehaltenen Proposition p erfordert. Auch hier kann der Skeptiker stets annehmen, dass auch dann, wenn man bereits eine Vielzahl von Propositionen untersucht hat, noch weitere gelten, die von p impliziert werden und daher zu einem Widerspruch führen (Hanrahan 2009, 287).
178 � Epistemischer Zweidimensionalismus
7.6.1.1.1 Secunda facie Vorstellbarkeit Cases of secunda facie positive conceivability, where a prima facie positive conceivability judgment survives a reasonably searching process of rational reflection, are a still stronger guide to possibility. In the great majority of cases with a gap between prima facie and ideal conceivability, the prima facie judgment is easily undermined by a little reflection. Gaps between secunda facie positive conceivability and ideal positive conceivability seem to be very rare […]. (Chalmers 2002, 160)
Um festzustellen, ob es secunda facie vorstellbar ist, dass p, müssen wir also gründlich darüber nachdenken, ob etwas wirklich vorstellbar ist – im Unterschied zu prima facie Vorstellbarkeit. Jedoch ist es nicht erforderlich, wie im Fall idealer Vorstellbarkeit, vollständig über alle bestehenden Propositionen reflektiert zu haben, um einen eventuellen Konflikt absolut sicher auszuschließen. Die Frage ist nun, ob secunda facie Vorstellbarkeit ausreichend ist, um modale Einsichten zu begründen. Secunda facie primäre Vorstellbarkeit ist tatsächlich ein recht zuverlässiger Führer zu primärer Möglichkeit, allerdings, klarerweise kein infallibler. Lücken zwischen negativer secunda facie Vorstellbarkeit und negativer idealer Vorstellbarkeit können nur dadurch entstehen, dass wir begriffliche Widersprüche trotz längerer Prüfung übersehen, und es wäre unplausibel, zu unterstellen, dass uns dies bei simplen Sachverhalten häufig passiert. Dies heißt, dass wir uns in simplen Fällen durchaus auf sie verlassen können und sie auch in komplexen Fällen durchaus ein Argument für die damit verbundene modale Annahme darstellt. Gäbe es in der Debatte zwischen Materialisten und Antimaterialisten ansonsten keine wichtigen Argumente, sollten wir uns vielleicht durch Überlegungen auf Basis von secunda facie Vorstellbarkeitsthesen überzeugen lassen, den Materialismus aufzugeben. Doch so sieht die Situation nicht aus. Auf der einen Seite steht eine ganze Reihe von Argumenten gegen den Materialismus, die nicht nur auf phänomenalem Bewusstsein, sondern auch auf Personaler Identität, Intentionalität etc. gründen (vgl. Barnett 2010; Hasker 2010; Nida-Rümelin 2006; 2010; Burge 2010; Koons & Bealer 2010, Kap II und III). Auf der anderen Seite stehen mächtige Argumente für den Materialismus, die auf Sparsamkeit, der kausalen Wirksamkeit des Mentalen u.ä. beruhen (Papineau 1998; Kim 2005, Kap.1; Lewis 1966; 1995). Selbst wenn wir Chalmers’ weitere Prämissen allesamt akzeptieren, kann sein Argument aufgrund der Nutzung von nicht-idealer secunda facie Vorstellbarkeit also kein knockout-Argument gegen den Materialismus sein, sondern nur ein zusätzliches, wenn auch recht starkes Argument in der Diskussion.
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7.6.1.1.2 Lokale ideale Vorstellbarkeit Chalmers widerspricht der These, wir könnten nie wissen, ob etwas ideal vorstellbar ist (vgl. Bailey unv.). Zwar gesteht er ein, dass wir keine idealen Vorsteller sind, aber dies zeigt seiner Ansicht nach nicht, dass wir niemals wissen, ob eine bestimmte Proposition ideal vorstellbar ist. Although we are nonideal, we can know that it is not ideally conceivable that 0=1 and that it is ideally conceivable that someone exists. We know that certain things about the world (say, that all philosophers are philosophers) are knowable a priori and that certain things about the world (say, that there is a table in this room) are not so knowable even by an ideal reasoner. Likewise, reasoning of this sort gives us very good reason to think that there is no a priori entailment from physical to phenomenal truths and that zombie hypotheses are conceivable even for an ideal reasoner. (Chalmers 2010, 155)
Diese Antwort ist leider äußerst unbefriedigend. Zwar zeigt sie tatsächlich überzeugend, dass wir manchmal wissen können, dass etwas ideal vorstellbar oder unvorstellbar ist, jedoch nur anhand von Beispielen, die sich in entscheidenden Punkten von den schwierigen modalepistemologischen Fragen unterscheiden. „0= 1“, eine simple falsche mathematische These, ist verdächtig, analytisch falsch zu sein. „Jemand existiert“ hingegen ist nicht nur möglich, sondern wir wissen, dass es wahr ist, so dass wir über den Weg von Tatsächlichkeit zu Möglichkeit zu Vorstellbarkeit herausfinden können, dass dies vorstellbar ist. Die These, alle Philosophen seien Philosophen, ist analytisch, und dass wir eine völlig kontingente Tatsache wie „In diesen Raum ist ein Tisch“ nicht a priori wissen können, stand ebenfalls nie zur Debatte. Außerdem handelt es sich bei den beiden letzten Fällen sicher um Spezialfälle, da es in ihnen nicht um die Beschaffenheit der Außenwelt, sondern unsere Fähigkeit, Wissen über diese zu erwerben, geht, so dass die Unabhängigkeit der a priori einzusehenden Propositionen von unseren mentalen Zuständen sehr fraglich wird. Der Schluss, diese Einsichten ließen sich auch für Fälle wie P & ¬Q anwenden, wird durch deutliche Unterschiede zu diesem Fall unzulässig. Hier geht es um einen Fall, in dem wir a priori Wissen über die Möglichkeit eines Sachverhalts erwerben sollen, von dem wir wissen, dass er nicht vorliegt, oder zumindest alle glauben, dass er nicht vorliegt. In einem derart kontroversen Fall genügt es nicht, zu wissen, dass wir für manche einfachen Propositionen entscheiden können, ob sie ideal vorstellbar sind, sondern wir bräuchten gerade eine Möglichkeit, zu sehen, wie wir mit komplexen Fällen umgehen. Chalmers’ Einwand gegen Bailey kann also nur solange als angemessen gelten, bis Chalmers versucht, ihn von simplen modalen Wahrheiten oder Wahrheiten über unseren Geist oder die Mathematik auf einen schwierigen Fall wie P & ¬Q aus-
180 � Epistemischer Zweidimensionalismus zuweiten. In diesem dürfen wir nicht davon ausgehen, uns lokal wie ideale Vorsteller zu verhalten. Auch Roca-Royes schlägt vor, eine Variante lokaler idealer Vorstellbarkeit zu nutzen, um einen Weg zwischen Skylla und Charybdis zu finden. At an individual level, it would suffice to argue that we, as we are, are local ideal conceivers. (i.e., that some contents are simple enough for us, as we are, to have sufficiently reliable modal judgments about them). (Roca-Royes 2011, 26)
Das Problem hierbei ist, dass Roca-Royes uns ebenso wenig wie Chalmers einen Grund zu der Annahme liefert, dass der Fall von P & ¬Q – immerhin in seinen verschiedenen Varianten in der Philosophie seit der Neuzeit präsent und noch immer diskutiert – zu den einfacheren Fällen gehören könnte, in die wir per lokaler idealer Vorstellbarkeit Einsicht erlangen können. Im Gegenteil, die Vielzahl an Vorschlägen, wie man auf Chalmers’ Herausforderung antworten könnte, zeigt gerade, dass P & ¬Q zu den schwierigen Fällen gehört. So macht ihr Vorschlag nur noch deutlicher, dass wir zwar in einigen simplen Fällen Grund zur Annahme haben, wir könnten wissen, ob etwas ideal vorstellbar ist, in all den Fällen, die Philosophen interessieren und die noch immer umstritten sind, müssen wir jedoch davon ausgehen, dass wir es nicht mit einfachen Beispielen zu tun haben. Die Einwände, die darauf abzielen, dass wir nicht wissen können, ob es ideal vorstellbar ist, dass P & ¬Q, haben durchaus einige Schlagkraft, und zeigen, dass wir nicht völlig sicher sein können, dass Chalmers’ erste Prämisse wahr ist. Wenn wir aber nicht allgemein jegliches Wissen darüber, dass etwas begrifflich möglich ist, in Frage stellen wollen, sollten wir Chalmers zugestehen, dass die secunda facie Vorstellbarkeit von P & ¬Q zumindest einen sehr guten Grund dafür darstellt, zu glauben, es sei auch ideal vorstellbar, dass P & ¬Q – immerhin heißt dies ja nichts anderes, als dass wir aus dem Nichtfinden eines begrifflichen Widerspruchs daraus schließen, dass ein solcher nicht auffindbar ist. Zwar bleiben im Falle von P & ¬Q aufgrund der umstrittenen Semantik phänomenaler Begriffe deutlichere Restzweifel als in vielen anderen Fällen. Dennoch sind die skeptischen Zweifel an der Vorstellbarkeit allein zwar ein bedenkenswerter Punkt, stellen aber keinen wirklich schlagenden Einwand gegen Chalmers’ Argument dar. Wissen über begriffliche Möglichkeit scheint auch im wissenschaftlichen Bereich durchaus eine Rolle zu spielen. Gerade in Bereichen wie der theoretischen Physik ist die Entscheidung darüber, ob etwas überhaupt begrifflich konsistent ist, ein relevanter Faktor für die Entscheidung darüber, ob sich empirische Untersuchungen lohnen.
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7.6.1.2 Ist es secunda facie vorstellbar, dass P & ¬Q? Die bisherigen Einwände waren skeptischer Natur. Sie bestritten, dass wir wissen können, ob es ideal vorstellbar ist, dass P & ¬Q Eine direktere Strategie besteht darin, zu behaupten, dass dies unvorstellbar ist. Auch diese wurde eingeschlagen, und ich werde hier kurz auf sie eingehen.
7.6.1.2.1 A priori Physikalismus A priori Physikalisten vertreten die These, die Wahrheiten über das Mentale seien a priori aus den physisch-funktionalen Wahrheiten ableitbar. Wer eine vollständige physisch-funktionale Beschreibung meines Körpers und seiner Umgebung hätte, müsste so prinzipiell ohne weitere empirische Informationen, nur aufgrund logisch-begrifflicher Kompetenz in der Lage sein, zu wissen, in welchen mentalen Zuständen ich mich befinde. Die Debatte darüber, ob zwischen physisch-funktionalen Zuständen und mentalen, insbesondere phänomenalen, Zuständen eine prinzipiell nicht schließbare epistemische Lücke klafft oder nicht, ist ein eigenes Thema und zu komplex, um sie hier darzustellen. Hier sei nur auf die Frage der argumentativen Last eingegangen, und diese sehe ich klar auf Seiten der a priori Physikalisten. Auf den ersten Blick scheint es so, dass zwischen „Person A befindet sich im physisch-funktionalen Zustand P“ und „Person A befindet sich im phänomenalen Zustand Q“ eine Lücke besteht. Wir scheinen uns eine Person vorstellen zu können, die auf der physischfunktionalen Ebene einem Schmerz Erleidenden völlig gleicht, dabei jedoch keinen Schmerz empfindet. Dies genügt für Chalmers’ Prämisse 1 völlig. Um die Unvorstellbarkeit von P & ¬Q zu demonstrieren, müsste ein A priori Physikalist wirklich zeigen, wie dies beispielsweise im Fall von Schmerzen funktionieren soll. Dabei steht er vor der großen Herausforderung, dass der Schmerz-Begriff wesentlich phänomenal und somit nicht rein physisch-funktional ist, dass es keine begriffliche Verbindung zwischen „a hat Schmerzen“ und „a verhält sich auf die-und-die-Weise“ zu geben scheint. Ein A priori Physikalist müsste also nachweisen, dass die begriffliche Konsistenz von „a hat Schmerzen, zeigt aber keinerlei typisches Schmerzverhalten“ nur scheinbar besteht.96
�� 96 Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten hierzu, die ich hier jedoch nicht angemessen diskutieren kann und muss, da sie nicht entscheidend für die modalepistemologisch interessanten Aspekte von Chalmers' Argument sind. Zusammenfassungen der Position und der Schwierigkeiten, denen sich ihre Vertreter ausgesetzt sehen, finden sich in Chalmers 2003 und Stoljar 2009, Kap. 8. Vgl. Block & Stalnaker 1999; Chalmers 1999; Chalmers & Jackson 2001; Tye 1999; McLaughlin 2001; Gertler 2001; 2002 für die Diskussion um Prämisse 1.
182 � Epistemischer Zweidimensionalismus
7.6.1.2.2 Setzt die Vorstellbarkeit von P & ¬Q schon den Epiphänomenalismus voraus? John Perry (2001) vertritt die Position, die Vorstellbarkeitsthese sei nur dann plausibel, wenn wir bereits einen Epiphänomenalismus vertreten.97 Since the antecedent physicalist thinks that conscious mental states bring about changes in the world, it seems that a world without them will have to differ in some way from ours. Either the changes won't occur, or they will occur but will be caused by something else. If conscious states make a difference in the way our bodies work and ultimately in how we behave, and they are absent in the zombie worlds, then how could everything in the physical world be the same as it is in our world? (Perry 2001, 73)
Mir scheint allerdings, dass Perry hier nicht genügend auf den Unterschied zwischen Vorstellbarkeit und echter Möglichkeit achtet. Zwar schließt der Physikalismus aus, dass eine Zombie-Welt metaphysisch möglich ist, jedoch nicht, dass sie vorstellbar ist. Hierzu müsste die kausale Wirksamkeit mentaler Zustände nämlich nicht nur de facto vorhanden sein, sondern es müsste eine begriffliche Wahrheit sein, dass mentale Zustände kausal wirksam sind. Wenn wir es nur mit einer metaphysisch notwendigen Tatsache zu tun haben, dann beeinflusst diese nicht die Vorstellbarkeit. Um die These zu etablieren, dass dies eine begriffliche Wahrheit ist, muss Perry die Wahrheit des A priori Physikalismus bereits annehmen. Um dies zu rechtfertigen, müsste er aber das leisten, was auch andere A priori Physikalisten leisten müssen, nämlich die begrifflichen Verbindungen zwischen phänomenalen und physisch-funktionalen Zuständen aufzeigen – was er jedoch nicht tut.
7.6.2 Von Vorstellbarkeit zu epistemischer Möglichkeit: Modaler Monismus und Modaler Rationalismus Um den Übergang vom Bereich des Vorstellbaren zum Bereich des Modalen zu sichern, braucht Chalmers seinen Modalen Apriorismus und Modalen Monismus. Diese wurden jedoch heftig attackiert.
7.6.2.1 Das Problem starker Notwendigkeiten Chalmers’ Analyse zufolge kann es nur eine Art von Notwendigkeiten a posteriori geben, nämlich Sätze, die eine kontingente primäre Intension, jedoch eine
�� 97 Eine ähnliche Überlegung findet sich bei Garrett 2009.
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notwendige sekundäre Intension haben. Auf dieser Annahme beruht der Übergang von Vorstellbarkeit zu epistemischer Möglichkeit. Eine Reihe von Philosophen hat dieser These jedoch widersprochen. Sie argumentieren dafür, dass es auch Sätze gibt, die notwendig wahr, aber nur a posteriori wissbar sind, obwohl sie eine notwendige primäre Intension haben. Ein solcher Satz wäre einer, that is falsified by some positively conceivable situation considered as actual, but which is nonetheless true in all possible worlds considered as actual. (Chalmers 2002, 189.)
Die Argumente für die Annahme, es gebe solche sogenannten „Starken Notwendigkeiten“, sind von zweierlei Art. Zum einen kann man theoretische Gründe für die Annahme finden, es gebe solche. Zum anderen kann man versuchen, konkrete Fälle Starker Notwendigkeiten auszumachen. Letztere Strategie wird in Chalmers (2010) ausführlich diskutiert. Doch dies liegt meiner Ansicht nach an einer Inkonsequenz in seinem System. Auf der einen Seite legt er sich explizit darauf fest, dass metaphysische Modalität ihre Wurzeln in logischbegrifflicher Modalität und sogar in Vorstellbarkeit hat (Chalmers 2010, 190f.). Auf der anderen Seite zieht er nicht die Konsequenz, Starke Notwendigkeiten für a priori unmöglich zu erklären – was sie jedoch sind, wenn seine Konzeption von Modalität richtig ist. Notwendige Wahrheiten a posteriori mit notwendiger primärer Intension sind aufgrund von Chalmers’ Definition von primärer Modalität ausgeschlossen, denn was primär möglich ist, ergibt sich daraus, was begrifflich konsistent oder inkonsistent ist, nicht daraus, wie die Welt unabhängig von diesen beschaffen ist. Daher sollte Chalmers keine lange, weitgehend isolierte, Diskussion darüber führen, ob die Argumente für starke Notwendigkeiten schlüssig sind, was die Nachteile Starker Notwendigkeiten sind etc. Chalmers müsste stattdessen darauf verweisen, dass sein Bild von Modalität Starke Notwendigkeiten begrifflich ausschließt und dass die Frage nach ihrer Existenz untrennbar mit der Wahrheit oder Falschheit von E2DS verknüpft ist. Wenn es Starke Notwendigkeiten gibt, ist Chalmers’ Bild von Modalität grundlegend falsch. Man kann die Diskussion um diese also nicht von der großen Frage nach der Richtigkeit von Chalmers’ Bild isolieren, um den Schluss von Vorstellbarkeit auf primäre Möglichkeit in Frage zu stellen. Zwar tut Chalmers dann genau das Richtige, indem er zeigt, dass wir keine Gründe haben, an Starke Notwendigkeiten zu glauben (Chalmers 2010, 165-184), aber die Konsequenz hieraus ist nicht nur, wie Chalmers zu glauben scheint, dass Prämisse 2 seines Arguments gestützt wird. Stattdessen ist die Nichtexistenz Starker Notwendigkeiten entscheidend dafür, dass seine Bestimmung sowohl von primärer als auch von metaphysischer Modalität angemessen ist, und damit auch dafür, dass aus primärer Möglichkeit stets metaphysische Möglichkeit folgt, sofern primäre und sekun-
184 � Epistemischer Zweidimensionalismus däre Intension identisch sind. Wenn Chalmers nun gute Gründe geliefert hat, um sein Bild von Modalität zu akzeptieren, dann ist er nicht mehr gezwungen, jeden einzelnen Vorschlag dafür, was eine Starke Notwendigkeit sein könnte, zu diskutieren. Stattdessen sind diejenigen, die glauben, ein Beispiel für eine Starke Notwendigkeit gefunden zu haben, in der Pflicht, zu zeigen, dass es sich wirklich um eine solche handelt. Wer behauptet, es gebe Starke Notwendigkeiten, muss sich darauf festlegen, dass es logisch-begriffliche Eigenschaften gibt, die prinzipiell nicht a priori zugänglich sind. Ich verweise daher an dieser Stelle auf das letzte Kapitel, in dem ich mich mit der realistischen Bedrohung für das zweidimensionalistische Bild befasse. Wenn nämlich gezeigt ist, dass keine guten Argumente dafür vorliegen, dieses Bild in Frage zu stellen, zeigt sich auch, dass die Sorge um das Bestehen starker Notwendigkeiten unnötig ist. Gegen diese Überlegung lässt sich der folgende Einwand vorbringen. Chalmers bestimmt primäre Möglichkeit so, dass „when the primary intension of S is true at some centered world (i.e., when some centered world verifies S), S is primarily possible.“ (Chalmers 2010, 147). Argumente auf Basis Starker Notwendigkeiten bauen auf der Annahme auf, es gebe Instanzen von S, die vorstellbar sind, obwohl es keine Welt gibt, die S verifiziert. Doch durch diese Überlegung wird es nicht plausibler, dass es Starke Notwendigkeiten gibt. Diese würden nämlich voraussetzen, dass der Raum der möglichen Welten durch Faktoren außer logisch-begrifflicher Konsistenz und empirischen Tatsachen begrenzt wird. Empirische Tatsachen sind für primäre Möglichkeit irrelevant. Logisch-begriffliche Konsistenz hingegen ist entscheidend für Vorstellbarkeit. Wenn also eine Lücke zwischen dieser und primärer Möglichkeit bestehen soll, müsste diese dadurch entstehen, dass es eine grundlegende Form von Modalität gibr, deren Beschaffenheit sich nicht daraus ergibt, was logisch-begrifflich konsistent ist. Dies kann aber nur dann der Fall sein, wenn Chalmers’ Bild von Modalität grundlegend falsch ist, so dass dieser Einwand ebenso weiter unten im Rahmen der Diskussion um dieses mitdiskutiert wird. Wenn Chalmers Recht hat, dass es nur eine grundlegende Art von Modalität gibt, dann impliziert Vorstellbarkeit primäre Möglichkeit.
7.6.2.2 Vaidya gegen den Modalen Monismus Anand Vaidya (2008) befasst sich ebenfalls mit Starken Notwendigkeiten, hält diese jedoch eher für ein Symptom, denn für die Krankheit selbst. Der Übergang von Vorstellbarkeit zu primärer Möglichkeit setzt ihm zufolge die Wahrheit des Modalen Monismus voraus, die Vaidya in Frage stellt. Ich habe gezeigt, wie Chalmers Vorstellbarkeit und primäre Möglichkeit zusammenführen will. Diese
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Verbindung ist ihm zufolge deshalb so unproblematisch, weil Vorstellbarkeit sowohl darüber bestimmt werden kann, dass p vorstellbar ist, wenn wir nicht a priori ausschließen können, dass p, als auch darüber, dass p vorstellbar ist, wenn „p“ eine nicht notwendig falsche primäre Intension hat, es also eine mögliche Welt gibt, die, betrachtet als tatsächlich, p verifiziert. Dies sind jedoch keine identischen Bestimmungen. Die erste ist epistemologisch, die zweite metaphysisch. Voraussetzung dafür, dass diese Bestimmungen zusammenfallen ist, dass der Bereich des Modalen vollständig in einer Abhängigkeitsbeziehung zum Bereich des Apriorischen steht. Wenn dies nicht der Fall ist, dann könnten wir nie sicher sein, dass Vorstellbarkeit wirklich mit primärer Möglichkeit einhergeht, denn dann könnte es passieren, dass es Instanzen von p gibt, für die gilt, dass die primäre Intension von „p“ nicht notwendig falsch, p also vorstellbar ist, es aber dennoch keine mögliche Welt gibt, die p verifiziert. Vaidyas Strategie besteht nun darin, zu zeigen, dass die Annahme, es gebe nur eine Form von Modalität, und zwar logische Modalität, aus der sich primäre und metaphysische Modalität dann daraus ergeben, wie wir bestimmte mögliche Welten betrachten, falsch ist.98 Wenn er dies zeigen kann, dann nimmt er Prämisse 2 damit ihre Basis, da der Bereich der wirklich möglichen Welten dann nicht mehr alle logisch möglichen Welten enthält. Vaidya bestreitet also folgende These. (Modaler Monismus (MM)): Es gibt nur eine grundlegende Form von Modalität, und zwar logische Modalität. Metaphysische und epistemische Modalität sind von dieser abgeleitet. (vgl. Chalmers 2010, 184ff.) Das hierauf fußende Argument sieht so aus. V1. Der Modale Monismus ist falsch. V2. Wenn der Modale Monismus falsch ist, dann besteht keine strikte Verbindung zwischen Vorstellbarkeit und epistemischer Möglichkeit, so dass Prämisse 2 in Chalmers’ Argument falsch ist. VK: Prämisse 2 in Chalmers’ Argument ist falsch. Zunächst müssen wir sehen, wie Vaidya V1 begründet.99 Vaidyas Argument der verschiedenen Logiken sieht wie folgt aus. �� 98 Chalmers antwortet selbst auf Vaidya, scheint mir jedoch den entscheidenden Schwachpunkt in dessen Argument zu übersehen. Vgl. Chalmers 2010, 188 Fn 3. 99 An dieser Stelle konzentriere ich mich auf sein direkt gegen Chalmers gerichtetes Argument auf Basis verschiedener Logiken (Vaidya 2008, 199f.). Einwände auf Grundlage der Nicht-
186 � Epistemischer Zweidimensionalismus (1) Logical modality is characterized minimally by S4 □p →□□p, and maximally by S5 ◊p → □◊p. (2) Logical modality is co-extensive with metaphysical modality; so that p is logically necessary if p i metaphysically necessary. Assumptio for reductio. (3) If a modality M has a characteristic axiom A, and M is co-extensive with M*, then M* has A as a characteristic axiom. (4) So, metaphysically modality is characterized minimally by S4 and maximally by S5. (5) S5 entails S4. (6) S4 is inconsistent with out intuitions about de re modal properties of certain kinds of objects. (7) So, neither S4 nor S5 are characteristic of metaphysical modality. (8) So, logical modality is not co-extensive with metaphysical modality; that is, it is false that p is logically necessary iff p is metaphysically necessary. (Vaidya 2008, 199)
Ich habe zwei grundlegende Einwände gegen Vaidya. Der erste zielt darauf ab, dass Vaidyas Argument selbst unter der Annahme, es gebe de re Modalität, unschlüssig ist. Der zweite weist darauf hin, dass die Investition dieser Annahme dafür sorgt, dass Vaidyas Argument bereits voraussetzt, was es zeigen soll. Die Prämissen (1), (3), (4), (5) sind unproblematisch. (2) und (6) sind, so wie Vaidya sie hier kombiniert, jedoch höchst kritisch. Zunächst ist (2) eine Annahme, denen Modale Monisten in der Form, wie sie bei Vaidya steht, nicht zustimmen müssen. Richtig ist, dass Chalmers glaubt, es gebe keine zwei grundlegenden Arten von Modalität. Jedoch liegt metaphysische Möglichkeit seinem Bild zufolge keineswegs schon dann vor, wenn logische Möglichkeit vorliegt – schließlich akzeptiert auch er die Existenz von Notwendigkeiten a posteriori. Für die logische Möglichkeit von p genügt es, dass es eine mögliche Welt, betrachtet als aktual oder als kontrafaktisch gibt, in der p der Fall ist. Damit p metaphysisch möglich ist, muss es hingegen eine mögliche Welt, betrachtet als kontrafaktische, geben, in der p der Fall ist. Worum es ihm nämlich klarerweise geht, ist die Annahme Modaler Monisten, damit etwas schlechthin in irgendeiner Form möglich sei, genüge es, dass es logisch möglich sei. In (2) unterstellt Vaidya Chalmers jedoch, dass dieser metaphysische Möglichkeit für dasselbe halte wie Möglichkeit schlechthin in irgendeiner Form. Natürlich kann man den Ausdruck so verwenden, aber in aller
�� Neutralität von logischer im Gegensatz zu metaphysischer Modalität und der Nichtbeachtung verschiedener Quellen werde ich in meiner allgemeineren Verteidigung des zweidimensionalistischen Bildes von Modalität diskutieren. (Vaidya 2008, 197f.) Während ich gegen ersteres nur eine Verteidigung vorbringe, werde ich anhand letzterer zeigen, dass das Kripke-Bild nicht nur nicht besser, sondern schlechter, dasteht als zweidimensionalistische Bild.
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Regel meint Chalmers etwas anderes, wenn er über metaphysische Möglichkeit spricht – nämlich 2-Möglichkeit (Chalmers 2010, 147f.).100 Betrachten wir jetzt Prämisse (6). Sie besagt, dass die Logik, die charakteristisch für logische Modalität ist, mit unseren Intuitionen über de re Modalität nicht vereinbar ist. Damit steht Vaidya jedoch vor einem schwerwiegenden Dilemma. Entweder diese Intuitionen sollen dieselbe Form metaphysischer Modalität betreffen wie in (2). Dann ist (6) falsch, denn unsere Intuitionen besagen nicht, dass es nicht irgendwie möglich ist, dass jemand zum Beispiel andere Eltern hat, als er tatsächlich hat – im Gegenteil.101 Unsere Intuitionen besagen, dass dies logisch sehr wohl möglich ist, und wenn Vaidya „metaphysisch möglich„ so verwendet wie in (2), dann genügt dies, um (6) falsch zu machen. Wenn er hingegen hier über metaphysische Möglichkeit, so wie Chalmers sie meist charakterisiert, sprechen will, nämlich so, dass p genau dann metaphysisch möglich ist, wenn es eine mögliche Welt, betrachtet als kontrafaktische, gibt, in der p der Fall ist, dann geht es in (6) nicht um dieselbe Form von Modalität wie in (2). Es geht dann in (6) um 2-Modalität, die nicht mit logischer Modalität identisch ist. Wenn wir diese zwei verschiedenen Lesarten von „ist metaphysisch möglich“ sauber trennen, dann wird klar, dass Vaidyas Argument nur auf einer Vermischung dieser beiden Lesarten beruht.102 Nach der ersten würde ein Modaler Monist (2) gar nicht behaupten, nach der zweiten wäre (6) gar nicht wichtig für die Wahrheit von (2), da wir es dann in (2) mit metaphysischer Modalität1 – Modalität schlechthin, und in (6) mit metaphysischer Modalität2 – subjunktiver Modalität, also logischer Modalität in einer als kontrafaktisch betrachteten Welt, zu tun haben. Die Annahme, es gebe eine nicht a priori zugängliche Modalität de re war gerade die Motivation für die Annahme von metaphysischer Modalität2 und ist somit für Prämisse (6) notwendig. Um Prämisse (2) zu akzeptieren, muss man jedoch eben diese Annahme über Bord werfen, was (6) wiederum unplausibel macht. Vaidyas Argument kann den Modalen Monismus, wenn dieser sauber formuliert wird – wobei man „metaphysisch möglich“ entweder als Synonym für �� 100 Diese Verwirrung hat Chalmers teilweise selbst verschuldet, weil er „metaphysisch möglich“ meist so verwendet, dass es dasselbe wie „sekundär möglich“ bedeutet, an einigen Stellen jedoch, hiervon abweichend, metaphysische Möglichkeit und Möglichkeit schlechthin gleichsetzt. Vgl. Chalmers 2010, 168. 101 Ich gestehe Vaidya hier einfach zu, dass unsere Intuitionen dies besagen, und erkläre weiter unten, weshalb diese Intuitionen zum einen nicht schwerwiegend sind und zum anderen dafür sorgen, dass Vaidya in seinem Argument eine petitio principii begeht. 102 Howell 2008 begeht einen sehr ähnlichen Fehler.
188 � Epistemischer Zweidimensionalismus „subjunktiv möglich“ oder für „schlechthin irgendwie möglich“, aber nicht für beide, nutzt, nicht gefährden. Dies lässt uns auch noch klarer sehen, inwiefern Chalmers’ Prämisse 2 vom Modalen Monismus abhängt. Damit 2 wahr ist, ist es nicht nötig, dass Vorstellbarkeit und metaphysische Möglichkeit2 verbunden sind – diese problembehaftete Verbindung will Chalmers mit seinem Argument ja gerade umgehen – sondern sie verlangt, dass Vorstellbarkeit und metaphysische Möglichkeit1 zusammenhängen. Da de re Modalität nur metaphysische Möglichkeit2 betrifft – schließlich kennen wir die de re notwendigen Eigenschaften von Dingen nicht a priori – können Intuitionen über diese die Verbindung von Vorstellbarkeit und metaphysischer Möglichkeit1 nicht in Frage stellen. Der zweite Punkt ist noch grundlegender. Vaidya setzt voraus, dass metaphysische Modalität sich aus de re Modalität ergibt. Damit setzt er voraus, dass der epistemische Zweidimensionalismus und der zugrunde liegende Modale Monismus falsch sind, denn diesen zufolge ergibt sich metaphysische Modalität aus logisch-begrifflicher Modalität und empirischen Tatsachen. Wenn wir jedoch Chalmers’ Idee ernst nehmen, dass Modalität in Apriorizität verwurzelt ist und metaphysische Modalität sich aus a priori zugänglicher logisch-begrifflicher Modalität und Tatsachen ergibt, wird klar, dass Vaidyas Argument ihm auch aus diesem Grund nichts anhaben kann. Intuitionen über de re Modalität sind nur dann relevant für die Bestimmung metaphysischer Modalität, wenn E2DS sowieso falsch ist. Das Argument von Vaidya ist somit dialektisch ineffektiv, denn es beruht auf der Richtigkeit unserer Intuitionen über de re Modalität. Wenn diese richtig sind, ist E2DS falsch – aber gerade dies hätte Vaidya zeigen müssen. Ich werde weiter unten darauf eingehen, weshalb diese Intuitionen kein sonderlich starkes Argument gegen den Modalen Monismus darstellen.
7.6.2.3 Begriffliche Unbestimmtheit und Einsicht in primäre Intensionen Biggs & Wilson (2011) halten das zweidimensionalistische Bild von Modalität prinzipiell für angemessen. Allerdings halten sie Vorstellbarkeit nicht für ein geeignetes Mittel, um Wissen über primäre Möglichkeit zu erhalten, und schlagen stattdessen ein abduktionsbasiertes Verfahren hierzu vor. Hier soll es in erster Linie um ihre Kritik an vorstellbarkeitsbasierten Verfahren gehen. In dieser steht das Problem begrifflicher Unbestimmtheit im Vordergrund, das ihrer Ansicht nach dafür sorgt, dass Vorstellbarkeit – selbst ideale Vorstellbarkeit – nicht geeignet ist, um Wissen über primäre Intensionen und somit primäre Möglichkeit zu erlangen. Das Grundproblem hierfür sehen sie in der Unbestimmtheit von Ausdrücken für natürliche Arten.
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Now, the „core thesis“ of E2D [...] is that a sentence is a priori just in case its primary intension is true at every scenario, which implies that a sentence isn't a priori if its primary intension is indeterminate at even one scenario. If all natural kind predicates are to some extent indeterminate, then no sentences are a priori, and the project of reforging the necessity-a priority link collapses. (Biggs & Wilson 2011)
Nun stellen sich zwei Fragen. Zum einen danach, weshalb wir glauben sollten, dass alle Natürliche Art-Ausdrücke unbestimmt sind – zu dieser komme ich gleich. Zum anderen ist fraglich, ob ein Satz nicht bereits dann a priori ist, wenn seine primäre Intension in jedem Szenario, in dem sie bestimmt ist, wahr ist, und nicht erst dann, wenn sie in jedem Szenario bestimmt und wahr ist, was zum Beispiel der Zweidimensionalist Frank Jackson sowieso zu akzeptieren scheint (vgl. Jackson 1998, 54ff.).
7.6.2.3.1 Generelle Unbestimmtheit der primären Intension? Weshalb sollten wir glauben, dass viele Sätze eine unbestimmte primäre Intension haben? Biggs und Wilson führen dies darauf zurück, dass in vielen Fällen die Anwendung auf neue Fälle scheinbar willkürlich ist. Sie nennen ein Beispiel von Wilson (1982), der sich einen isolierten Stamm ausdenkt, dessen Anwendung von „Vogel“ auf Flugzeuge davon abhängt, ob sie zunächst ein Flugzeug auf dem Boden oder im Flug sehen. Wenn diese Anwendung von einem reinen Zufall abhängt, so Wilson und Biggs & Wilson, war zuvor die Extension des Begriffs nicht vollkommen festgelegt. Die beiden nennen weitere Beispiele, großteils aus der Geschichte der Chemie und der Physik, in denen die Anwendung von Ausdrücken auf neue Fälle kontrovers war – zum Beispiel aus neuerer Zeit die Entscheidung, Pluto nicht mehr als Planeten zu klassifizieren. In all diesen Fällen ist ihrer Meinung nach die Entscheidung der Anwendbarkeit auf neue Fälle von Faktoren abhängig, „whose influence is not antecedently encoded in the term/concept.“ (Biggs & Wilson 2011). Direkt nach diesen Beispielen beginnen Biggs & Wilson mit der Diskussion von Lösungsvorschlägen für den Fall, dass sehr viele oder alle unsere Begriffe unbestimmt sind. Was sie jedoch nicht liefern, ist ein Argument dafür, dass wirklich ein großer Anteil oder gar alle unserer Begriffe unbestimmt sind. Die Beispiele aus der Physik und der Chemie sind klarerweise von sehr eigener Art. Sie sind Phasen der Wissenschaftsentwicklung entnommen, in denen paradigmatische Veränderungen stattfanden, weil Daten nahelegten, dass das begriffliche Rahmenwerk ungeeignet war. Im Fall des Ausschlusses von Pluto beispielsweise war es so, dass vor der Neudefinition keine klare begriffliche Trennung zwischen Pla-
190 � Epistemischer Zweidimensionalismus neten und Asteroiden bestand. Doch durch die neue Definition wurde eine solche klare Trennung eingeführt – wenn auch mit der Konsequenz, dass einige Himmelskörper, die wir Planeten nennen, der Definition zufolge keine solchen mehr wären. So scheint es zwar eine begriffliche Unbestimmtheit gegeben zu haben, doch diese war erkennbar und konnte beseitigt werden. Zum anderen stellt sich die Frage, ob „Planet“ ein Natürliche Art-Ausdruck ist. Es scheint mehr oder weniger willkürlich, ob man die Bereinigung des eigenen Orbits zur Bedingung für den Planeten-Status macht. Der „Vogel“-Fall hingegen ist zwar sicher vorstellbar, jedoch sehr künstlich. Vögel können ebenfalls am Boden gesehen werden. Warum sollten die Angehörigen des Stammes nicht Flugzeuge zunächst nicht als Vögel einordnen, solange sie nicht um ihre Flugfähigkeit wissen, weil sie sie nur am Boden sehen, und sie dann „Vögel“ nennen, sobald sie ein fliegendes Flugzeug wahrnehmen. Es ist auch völlig unklar, ob der genannte Stamm „Vogel“ wirklich als Natürliche Art-Ausdruck benutzt. Nehmen wir an, der Begriff würde klarerweise Bären aus der Klasse der Vögel ausschließen. Dann dürften Bären auch in einer möglichen Welt, in der sie fliegen könnten, nicht zu den Vögeln gehören. Doch dies scheint ad hoc. Wenn Flugzeuge aufgrund ihrer Flugfähigkeit Vögel sind, dann sollten auch kontrafaktische flugfähige Bären zu den Vögeln gehören. Dann ist „Vogel“ jedoch kein starrer Bezeichner, und damit, nach gängiger Meinung, auch kein Natürliche Art-Ausdruck. Biggs und Wilson müssten, über besonders schwierige Fälle hinausgehend, zeigen, dass begriffliche Unbestimmtheit die Regel ist. Dies leisten sie jedoch nicht, so dass wir weiter davon ausgehen können, dass es a priori Wissen über begriffliche Zusammenhänge gibt, und E2DS die Existenz von Notwendigkeiten a posteriori und Tatsachen-Sensitivität von metaphysischer Modalität erklären kann.
7.6.2.3.2 Apriorizität, Wahrheit der primären Intension und Unbestimmtheit Ebenso ist fraglich, ob die Behauptung von Biggs und Wilson, dass einzelne Fälle von Unbestimmtheit der primären Intension dazu führen, dass ein Satz nicht a priori ist, zutrifft. Im Gegensatz hierzu könnte man auch behaupten, dass ein Satz bereits dann a priori ist, wenn seine primäre Intension in allen Szenarien, in denen sie bestimmt ist, wahr ist. Biggs und Wilson nehmen hingegen an, dass ein Satz nur dann a priori ist, wenn seine primäre Intension in allen Szenarien wahr ist. Dies ist sicherlich keine triviale Behauptung, und Biggs & Wilson geben kaum Gründe, sie für wahr zu halten. Um einen effektiven Angriff auf Chalmers’ Erkenntnistheorie stützen zu können, wäre hier eine stärkere Begründung nötig.
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7.6.3 De re Modalität und realistische Intuitionen Ein zentrales Datum, das für die Akzeptanz klassischer metaphysischer Modalität – völlig losgelöst von logisch-begrifflicher Modalität – sprach, nämlich notwendige Wahrheiten a posteriori, kann auch in einer zweidimensionalistischen Analyse erklärt werden. Ein anderer Punkt, auf den sich Kripkes Argumente für diese Kategorie stützt, sind bestimmte Intuitionen darüber, dass Dinge de re notwendige Eigenschaften haben.103 Wenn die modalen Eigenschaften von Dingen entscheidend dafür sind, was metaphysisch möglich und notwendig ist, sind Modaler Apriorismus und Modaler Monismus, die das Fundament von Chalmers’ Metaphysik und Epistemologie von Modalität bilden, falsch. Vielen Philosophen erscheint es nicht nur so, dass der Satz „Barack Obama ist ein Mensch“ eine notwendige Wahrheit a posteriori darstellt, sondern auch, dass Barack Obama ganz unabhängig von unserer Bezugnahme, unserem Wissen etc. einfach die Eigenschaft, ein Mensch zu sein, notwendigerweise hat. Bestimmte Intuitionen deuten darauf hin, dass die Quelle metaphysischer Modalität in den Dingen selbst liegt. Viele Philosophen und Laien haben außerdem die Intuition, dass bestimmte Eigenschaften zur Natur bestimmter Dinge gehören, dass es Teil ihres Wesens ist, diese Eigenschaften zu haben. Einige haben hieraus den Schluss gezogen, dass Essenzen grundlegender sind als de re modale Eigenschaften und die Quelle metaphysischer Modalität sind (Fine 1994, 3). Es stellt sich die Frage, wie mit diesen realistischen Intuitionen umzugehen ist. Denn es scheint, dass das zweidimensionalistische Bild von metaphysischer Modalität de re modale Eigenschaften von Dingen oder gar Essenzen nicht in den Blick bekommt (Fiocco 2007a, 395).104 Ich werde später mehr dazu sagen, welche Auswirkung diese andere Bestimmung von Modalität hinsichtlich deren ontologischer Relevanz hat. Hier geht es mir zunächst darum, zu fragen, ob sie angesichts von realistischen Intuitionen zu modalen Eigenschaften legitim ist. Kurzum, ich halte diese Intuitionen nicht für ein besonders schwerwiegendes Problem. Erstens stellen sie nur einen Teil der Daten aus einer Vielzahl dar,
�� 103 Chalmers 2010, 189 nennt eine ähnliche Überlegung, die darauf beruht, dass wir ein „pretheoretical grip on the notion of the way things really could have been“ hätten. 104 Chalmers' Auseinandersetzung mit de re Modalität beschränkt sich auf eine einzige Fußnote. Hier schreibt er, dass sich de re Modalität aus de dicto Modalität und nichtmodalen Tatsachen ergibt – wie genau dies jedoch funktionieren soll, erläutert er nicht. Da er außerdem schreibt, dass es sein könnte, dass die de re modalen Eigenschaften eines Dinges davon abhängen, wie dieses Ding herausgegriffen wird, hat er jedenfalls etwas deutlich anderes im Sinne als die meisten anderen Philosophen. vgl. Chalmers 2010, 188, Fn. 3.
192 � Epistemischer Zweidimensionalismus und kein Philosoph hat bisher überzeugend erklären können, weshalb unsere rationalen Intuitionen verlässlich hinsichtlich der Geist-unabhängigen Welt sein sollten. Selbst wenn wir stabile Intuitionen hätten, die sich nicht im Widerspruch zu anderen Daten befänden, sollten wir ihnen daher nicht zu viel Gewicht beimessen. Zweitens ist es sehr zweifelhaft, ob Philosophen, die sich mit metaphysischer Modalität befassen, so stabile Intuitionen hinsichtlich des Bestehens modaler Eigenschaften und Essenzen haben, wie sie oft anzunehmen scheinen. Ich wähle ein typisches Beispiel aus der Literatur. Elizabeth II. ist notwendig Kind ihrer tatsächlichen Eltern. Dies ist ein typisches Beispiel für die Notwendigkeit des Ursprungs. Nun stelle man sich das Folgende vor.105 Unmittelbar nach der Zeugung ersetzen verrückte Aliens die befruchtete Eizelle, aus der Elizabeth II. tatsächlich hervorgegangen ist, durch eine qualitativ völlig identische Kopie und vernichten die tatsächliche Eizelle. Der Mensch, der aus dieser Eizelle erwächst, ist in keiner Hinsicht von der tatsächlichen Elizabeth II. verschieden. Ist dieser Mensch Elizabeth II. oder nicht? Nicht alle Philosophen würden dies inbrünstig verneinen (Vgl. Mackie 2006, 47ff.). Ähnliches gilt für Annahmen wie Menschen sind notwendig Säugetiere. Auch hier könnten wir, wenn wir die Naturgesetze ignorieren, verrückte Szenarien entwerfen, wie ein Mensch, der Stück für Stück, Atom für Atom, unter Erhaltung seiner mentalen Zustände, in eine primär aus Metall bestehende Kreatur verwandelt wird. Meine Intuitionen dazu, ob und wann diese Kreatur aufhört, Mensch zu sein, sind schwach – obwohl klar ist, dass er irgendwann kein Säugetier mehr ist. In den Beispielen, die zur Prüfung unserer realistischen Intuitionen genutzt werden, sind viele Philosophen nicht wild genug, um zu testen, ob unsere Intuitionen wirklich in Richtung einer absoluten Notwendigkeiten deuten. Es ist zu bedenken, dass es hier wirklich darum geht, dass keine noch so abstruse Veränderung des Wirklichen ausgeschlossen sein soll, sofern sie nur schlechthin möglich ist. Dann jedoch dürfen wir unsere Intuitionen nicht nur an Fällen prüfen, die sich nur wenig von der Realität unterscheiden, denn sonst laufen
�� 105 Ich setze hier voraus, dass es zumindest vorstellbar ist, dass die Naturgesetze anders hätten sein können, als sie es tatsächlich sind.
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wir Gefahr, doch nur etwas über eine stärker eingeschränkte Form von Notwendigkeit herausgefunden zu haben. Ich habe Gründe dafür gegeben, dass wir uns nicht darauf verlassen dürfen, dass unsere Intuitionen über de re modale Eigenschaften verlässlich sind.106 Außerdem scheinen diese nicht so stabil zu sein, wie häufig angenommen wird. Der Preis, einige Dinge zu akzeptieren, die diesen Intuitionen zuwiderlaufen, ist daher nicht sonderlich hoch – keineswegs so hoch, dass wir eine ansonsten so nützliche Theorie wie E2DS deshalb verwerfen sollten.107
7.7 Epistemischer Zweidimensionalismus und modale Argumente Ich habe schon erklärt, dass wir realistischen, essenzialistischen Intuitionen nicht zu viel Gewicht geben sollten. Aber die Frage, wie das Verhältnis zwischen normaler metaphysischer Modalität, metaphysischer Modalität à la Chalmers und logisch-begrifflicher Modalität genau beschaffen ist, ist dennoch wichtig. Philosophen haben primär deshalb so viel Interesse an metaphysischer Modalität, weil diese mit einem großen Versprechen einhergeht. Wenn wir aus dem Lehnstuhl heraus anspruchsvolles Wissen darüber erwerben können, wie die Welt hätte sein können, dann ermöglicht dies genuin philosophisches Wissen darüber, wie die Welt tatsächlich ist. Doch dieses Versprechen beruht gerade darauf, dass metaphysische Modalität eine viel stärkere Verknüpfung mit Tatsachen haben soll als logisch-begriffliche Modalität. Aus der logischbegrifflichen Möglichkeit, dass a existiert, ohne dass b existiert, lässt sich nicht darauf schließen, dass a ≠ b. Aus der metaphysischen Möglichkeit der Existenz von a ohne die Existenz von b hingegen schon, denn es geht hierbei ja nicht um begriffliche Konsistenz, sondern wirklich darum, ob die Welt hätte so sein können, dass a existiert, b aber nicht – ob ein Gegenstand a hätte existieren kön-
�� 106 Weitere Argumente gegen die Verlässlichkeit modaler Intuitionen finden sich in Ladyman, Ross, Spurrett & Collier 2007, 13f. 107 Es gibt ein weiteres Argument gegen die Verlässlichkeit realistischer Intuitionen, das ich hier jedoch nur erwähnen und nicht ausführen kann. Dieses beruht auf entwicklungspsychologischen Daten und ihrer Anwendung auf philosophische Argumentationen und liefe letztlich darauf hinaus, dass realistische Intuitionen bzw. modaler Eigenschaften als Relikt aus kindlichem oder vormodernem Denken zu betrachten wären. Leider sind die entwicklungspsychologischen Daten hierzu nicht eindeutig und die Übertragung auf philosophische Theorien wäre ein langwieriges Manöver, das ich hier nicht durchführen kann. Erste Schritte in diese Richtung finden sich bei Oesterdiekhoff 2012, Kap. 17.
194 � Epistemischer Zweidimensionalismus nen, ohne dass ein bestimmter Gegenstand b existiert. Wenn a ohne b hätte existieren können, dann kann a klarerweise nicht mit b identisch sein. Fiocco hat sehr deutlich darauf hingewiesen, dass die Akzeptanz eines zweidimensionalistischen Bildes starke Auswirkungen darauf hat, was wir mithilfe modaler Argumente über die Beschaffenheit der tatsächlichen Welten lernen können. Of course, if one believes that the nature of modal reality is wholly determined by the conceptual and linguistic practices of conscious beings, then it is appropriate to explicate the notion of conceivability in terms of conceptual possibility. But if one holds this view, one must forswear any realist inclination and with these any ambition to provide insight into the world as it is in itself. Once one has done this, modal epistemology seems to lose its metaphysical cachet. (Fiocco 2007a, 397)108
Metaphysische Modalität à la Chalmers (◊MC) ist zwar, entgegen Fioccos Darstellung, nicht einfach mit begrifflicher Modalität gleichzusetzen, da sie im Gegensatz zu dieser sensitiv gegenüber empirischen Tatsachen ist. Andererseits ist sie auch nicht mit metaphysischer Modalität, wie sie Kripke bzw. der Kripkeanische Mainstream verstehen, (◊MK) identisch, da sie sich vollständig aus begrifflicher Modalität und der Beschaffenheit der tatsächlichen Welt ergibt. Die Frage ist, inwiefern ◊MC die Rolle in modalen Argumenten spielen kann, die ◊MK spielt. Chalmers sieht dieses Problem klar, wenn er fragt „If this modality is grounded in the rational domain, then how can it drive ontological conclusions?“ (Chalmers 2010, 191), doch er ist der Meinung, dass die in dieser Frage zum Ausdruck kommende Sorge unnötig ist. [...] it is obvious that modal notions from the rational domain have a bearing on ontology. For example, a priori entailment from unmarried men to bachelors gives us reason to accept that bachelors are not an ontological extra. (Chalmers 2010, 191)
Chalmers nennt also einen Fall, in dem wir von der begrifflichen Notwendigkeit von „Unverheiratete Männer sind Junggesellen“ auf die ontologische These schließen, dass es neben unverheirateten Männern nicht noch zusätzliche
�� 108 Fiocco 2007, 395 vertritt die These, dass die meisten Philosophen dies aufgrund von Chalmers' unglücklicher Nutzung des Ausdrucks „epistemische Möglichkeit“, mit dem er eigentlich begriffliche Möglichkeit meint, übersehen. Während ich ihm zustimme, dass Chalmers' Ausdrucksweise an dieser Stelle verwirrend ist, scheint mir, dass den meisten Philosophen bewusst ist und dass Chalmers (2010, 145f.) auch explizit macht, dass „ist epistemisch möglich“ soviel heißt wie „kann nicht a priori, d.h. mit rein logisch-begrifflichem Wissen ausgeschlossen werden.“ Dies lässt Fioccos These, dass ◊MC nicht dasselbe leisten kann wie ◊MK, jedoch unbeschadet.
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Junggesellen gibt. Dies scheint wirklich unproblematisch. Aber dieser Fall ist von ganz anderer Art als die anspruchsvollen modalen Argumente, zu denen die Argumente gegen den Materialismus von Kripke, Bealer und Chalmers gehören. Erinnern wir uns. Am Anfang meiner Arbeit (Kap. 1.5) habe ich eine Strategie genannt, um metaphysisch modales Wissen durch begriffliches Wissen zu erlangen, nämlich durch den Schluss □b p →□m p. Wenn es begrifflich notwendig ist, dass p, dann ist es auch metaphysisch notwendig, dass p, und, noch klarer, wenn es begrifflich notwendig ist, dass p, dann ist es der Fall, dass p. Dieser Ansatz weist zwar durchaus auch einige Schwierigkeiten auf, die sich durch kontingente Wahrheiten a priori ergeben. Doch diese muss ich hier gar nicht diskutieren, denn selbst wenn man Chalmers diese Strategie zugesteht, kann dies seine Prämisse 4 nicht stützen. Chalmers’ Argument gegen den Materialismus ist nämlich deutlich anders aufgebaut. Hier geht es nicht darum, eine These darüber, dass etwas metaphysisch notwendig ist, zu begründen. Stattdessen soll hier auf Basis von Wissen über metaphysische Möglichkeit ein Schluss auf die Beschaffenheit der tatsächlichen Welt gezogen werden. Daraus, dass es begrifflich möglich ist, dass p, folgt nicht, dass es metaphysisch möglich ist, dass p – schließlich ist unkontrovers, dass es notwendige Wahrheiten a posteriori gibt, die begrifflich nicht notwendig sind – und schon gar nicht, dass p der Fall ist. Die Abkehr von begrifflicher Möglichkeit als grundlegender Art von Möglichkeit war ja gerade die Bedingung dafür, dass Kripke auf Basis einer Möglichkeitsannahme eine ontologische These begründen konnte. Hingegen hätte bereits selbst ein logischer Empirist bereitwillig akzeptieren können, dass Wissen über begriffliche Notwendigkeit uns in die Lage versetzt, bestimmte, aber eher anspruchslose, ontologische Schlüsse zu ziehen. Chalmers diskutiert jedoch keinen Fall, der auch nur strukturell zu seiner Prämisse iv identisch ist und den wir als unproblematisch betrachten, sondern zeigt nur, dass die Art von Schlüssen, die schon immer für unproblematisch gehalten wurde, unproblematisch ist. Dies lässt sich noch auf andere Weise zeigen. Wissen, dass Junggesellen keine ontologische Zugabe zu unverheirateten Männer sind, erlaubt uns nicht, unsere Welt von anderen logisch möglichen Welten zu unterscheiden, da es ja gar keine logisch möglichen Welten gibt, in denen die Junggesellen eine ontologische Zugabe zu den unverheirateten Männern sind. Wer versucht, den Unterschied zwischen einer Welt, in der die Junggesellen eine ontologische Zugabe sind, und denen, in denen sie keine solche Zugabe sind, zu beschreiben, wird schnell scheitern. Zu wissen, dass der Materialismus falsch ist, würde uns sehr wohl in die Lage versetzen, unsere Welt von anderen logisch möglichen Welten
196 � Epistemischer Zweidimensionalismus zu unterscheiden, nämlich von all denen, in denen der Materialismus wahr ist. Somit scheint Wissen, dass der Materialismus falsch ist, sehr viel mehr Substanz zu haben als Wissen, dass die Junggesellen ontologisch nicht zu den unverheirateten Männern hinzukommen. Wir haben es mit verschieden anspruchsvollen Formen von Tatsachenwissen zu tun. Diese Überlegung kann die Sorge um die Relevanz von Modalität à la Chalmers also nicht schmälern. Chalmers hat einen zweiten Gegeneinwand, der auf der Bestimmung des Materialismus aufbaut. Furthermore, materialism is itself a modal thesis [...], so the analysis of modality quite reasonably drives conclusions about materialism. (Chalmers 2010, 191)
Doch diese Annahme ist nicht sonderlich klar, und auf jeden Fall problematisch. Viele Materialisten würden zwar zustimmen, dass der Materialismus eine modale These ist, jedoch entschieden eine metaphysisch modale. Gleichzeitig ist das dominante Bild von Modalität der Modale Dualismus, nach dem es zwei grundlegende Arten von Modalität gibt – logische und metaphysische.109 Wenn es jedoch zwei grundlegende Arten von Modalität gibt, dann ist der Schluss von „Der Materialismus ist eine modale These“ zu „Die Analyse von Modalität ermöglicht Schlüsse über den Materialismus“ nur dann gerechtfertigt, wenn wir es in beiden Fällen mit der gleichen Art von Modalität zu tun haben – von der Modalität schlechthin zu sprechen, macht im Modalen Dualismus gar keinen Sinn. Nun ist der Materialismus eine metaphysisch modale These – aber eben im Sinne von Soames’ Kripke, dem zufolge metaphysische Modalität gar nicht vollständig von logisch-begrifflicher Modalität abhängt, sondern sich aus den modalen Eigenschaften von Dingen ergibt. Chalmers liefert keine Analyse dieser Form von Modalität – was er mit „metaphysische Modalität„ meint, ist eine Form von logisch-begrifflicher Modalität, angereichert mit nicht-modalen Tatsachen. Seine These über den modalen Charakter des Materialismus übersieht, dass der modale Charakter bestimmter Sorten von Materialismus von der Akzeptanz des Modalen Dualismus durch seine Vertreter abhängt. Chalmers darf sich nicht darauf verlassen, dass Materialisten ihre Position immer noch als metaphysisch modal charakterisieren würden, wenn sie sein Bild von metaphysischer Modalität damit akzeptieren müssten. Dann wäre ihr Materialismus nämlich keine rein ontologische Theorie, sondern eine, die auch starke semantische
�� 109 Die noch radikaler anti-zweidimensionalistische Position, nach der es nur metaphysische Modalität als grundlegende Art von Modalität gibt, während die Rede von logischer Modalität als irreführend angesehen wird, da es hierbei streng genommen nur um Kohärenz geht, findet sich bei Van Inwagen 1998 und Bealer 2002, 79.
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Implikationen hätte. Viele Materialisten glauben jedoch nicht, dass sich das Mentale begrifflich auf das Physisch-Funktionale reduziert werden kann. Es ist fraglich, ob sie sich darauf einlassen müssen, dass der Materialismus auch Chalmers-metaphysisch notwendig ist. Der Materialismus kann also nur solange bedenkenlos als modale These interpretiert werden, solange wir damit klassische, realistisch verstandene, metaphysische Modalität meinen. Auch an dieser Stelle haben wir also von Chalmers kein Argument bekommen, das zeigen könnte, dass Wissen über ◊MC anspruchsvolle ontologische Schlüsse zulässt.110 Dadurch haben wir Grund zu der Annahme, dass wir durch die Akzeptanz des zweidimensionalistischen Bildes von Modalität zwar epistemischen Zugang zu metaphysischer Modalität bekommen, diese jedoch nicht mehr so relevant ist, wie sie wäre, wenn das klassische, essenzialistische Bild zuträfe. Es kann kaum überraschen, dass dieses Problem besteht – obwohl Chalmers und auch der Großteil seiner Kritiker ihm kaum Aufmerksamkeit widmen. Wenn metaphysische Modalität letztlich abhängig von logisch-begrifflicher Modalität ist, wäre es überraschend, wenn sie mehr Relevanz für ontologische Fragestellungen als diese hätte. Dadurch, dass Chalmers Notwendigkeit a posteriori in sein Bild integrieren kann, scheinen viele Philosophen – Freunde wie Gegner von E2DS – den Eindruck bekommen zu haben, die zweidimensionalistische Analyse von metaphysischer Modalität integriere diese einfach nur in ein größeres Bild. Doch dies trifft nur zu, wenn wir metaphysische Modalität ausschließlich dadurch bestimmen, die Form von Modalität zu sein, die Notwendigkeit a posteriori erklären kann. Hätte Kripke nicht mehr als dies getan, dann wäre Chalmers’ Theorie einfach als Analyse metaphysischer Modalität zu verstehen. Chalmers ist es gelungen, ohne Berufung auf seltsame Entitäten wie Essenzen, konkrete mögliche Welten, de re modale Eigenschaften oder Ähnliches zu erklären, wie es Notwendigkeiten geben kann, über die wir nur empirisch Wissen erwerben können.111
�� 110 Vgl. zum Verhältnis zwischen begrifflicher Modalität und Tatsachen Juhl & Looms 2010, 129ff. 111 Soames 2005; 2006a; 2011 vertritt genau die entgegengesetzte Position, nach der Kripkes große Leistung die essenzialistische Erklärung für notwendige Wahrheiten a posteriori war, während die Zweidimensionale Semantik auf einer Unterschätzung der Relevanz von Kripkes Einsichten beruht und dessen entscheidende Erkenntnisse aus den Augen verliert. Angesichts der Dunkelheit des Essenzialismus und der epistemologischen Probleme aller Formen des Modalen Realismus scheint mir Soames' prinzipielle Ablehnung einer zweidimensionalistischen Erklärung von Notwendigkeit a posteriori jedoch unangemessen.
198 � Epistemischer Zweidimensionalismus Doch Kripke, oder zumindest die klassischen Kripkeaner (Soames 2011; Tahko 2009; unv.; unva.), haben aus der Existenz notwendiger Wahrheiten a posteriori den viel weiter reichenden Schluss gezogen, dass es eine Form von Modalität gibt, die sich aus den modalen Eigenschaften der tatsächlichen Gegenstände ergibt. Genau dieser Schritt – die Akzeptanz eines essenzialistischen Bildes von metaphysischer Modalität – ist es, der es erlaubt, modale Argumente mit anspruchsvollen ontologischen Konklusionen zu entwerfen. Ich habe jedoch gezeigt, dass durch diesen Schritt der epistemische Zugang dazu, was metaphysisch möglich und notwendig ist, versperrt wird. Dieses Problem besteht für Modale Rationalisten, Modale Empiristen und Begriffliche Rationalisten gleichermaßen. Die Akzeptanz eines antirealistischen Bildes von metaphysischer Modalität erlaubt uns diesen epistemischen Zugang wieder. Wenn man jedoch metaphysische Modalität auf Basis von logisch-begrifflicher Modalität rekonstruiert, wird es äußerst fraglich, ob sie trotzdem weiter in der Lage ist, eine tragende Rolle in Argumenten mit ontologischen Konklusionen zu spielen (vgl. Balog 1999, 503). Das große Interesse analytischer Philosophen an Modalität seit Naming and Necessity (Kripke 1980) beruht darauf, dass Kripkes Entdeckung von Notwendigkeit a posteriori ihn dazu verleitete, eine grundlegende Art von Modalität zu postulieren, die von logisch-begrifflicher Modalität unabhängig ist – und dass die große Mehrheit der Philosophen diesen Schritt mitgegangen ist. Mangels zweidimensionalistischem Instrumentarium und aufgrund vorhandener realistischer Intuitionen lag es nahe, die Existenz notwendiger Wahrheiten a posteriori mithilfe von de re notwendigen Eigenschaften zu erklären. Wir haben jedoch im Rahmen der zweidimensionalistischen Erklärung der Tatsachensensitivität von metaphysischer Modalität gesehen, dass dieser Schritt zur Erklärung von Notwendigkeit a posteriori nicht nötig ist. Folglich müssen wir auch die unangenehme Einsicht akzeptieren, dass das Bauen auf modale Argumente ein Irrweg ist. Der einzige Grund, der noch bleibt, um überhaupt an eine völlig von uns unabhängige Form von Modalität zu glauben, wenn Notwendigkeit a posteriori durch Semantik und empirische Tatsachen erklärt wird, sind modale Intuitionen. Doch diese sind instabil und ihre Verlässlichkeit konnte nie nachgewiesen werden. Es ist an der Zeit, die Konsequenzen hieraus zu ziehen und den modalen Charakter philosophischer Analyse abzustreifen.
Was bleibt von Chalmers’ antimaterialistischem Argument? � 199
7.8 Was bleibt von Chalmers’ antimaterialistischem Argument? Wir können jetzt erkennen, an welcher Stelle Chalmers’ antimaterialistisches Argument unschlüssig wird. Die problematische Prämisse – die in der Literatur überraschend wenig Aufmerksamkeit bekommen hat – ist die Prämisse, in der der Übergang von ◊MC zur Falschheit des Materialismus vollzogen wird. Während dies im Falle von ◊MK völlig unproblematisch ist, ist die Verbindung von ◊MC und ontologischen Thesen mehr als problematisch. Solange wir im Auge behalten, dass de re Modalität keinen Eingang in das zweidimensionalistische Bild findet, haben wir keinen Grund, diesen Übergang zu akzeptieren. Es sei erwähnt, dass Chalmers noch ein Ausweg offenbleibt, den er und Frank Jackson (Chalmers & Jackson 2001) auch begangen haben. Dieser Weg besteht darin, dafür zu argumentieren, dass (i) reduktive Erklärung eine notwendige Bedingung für ontologische Integration ist, und dass (ii) reduktive Erklärungen nicht ohne begriffliche Ableitbarkeit funktionieren. Dann genügt es, zu zeigen, dass P & ¬Q vorstellbar ist, um zu zeigen, dass Q nicht auf P reduziert werden kann und somit ontologisch nicht auf P zurückführbar ist. Ich werde diese Strategie hier nicht diskutieren, jedoch kurz auf ihre Schwierigkeiten hinweisen. Sowohl (i) als auch (ii) sind kontrovers. Beispielsweise haben Block & Stalnaker (1999) gegen (ii) argumentiert, dass begriffliche Ableitbarkeit generell keine notwendige Bedingung für reduktive Erklärungen darstellt, und Vertreter der Phenomenal Concept Strategy haben zu zeigen versucht, dass (i) zwar im Allgemeinen wahr ist, im Falle phänomenaler Zustände aber aufgrund der besonderen Beschaffenheit phänomenaler Begriffe nicht gilt. Ihnen zufolge können phänomenale Zustände materiell sein, ohne reduktiv erklärbar zu sein.112 Allgemein vertreten A posteriori Physikalisten die These, dass entweder (i) oder (ii) falsch ist – mit verschiedenen Begründungen. Chalmers bleibt hier also ein Ausweg – aber ein äußerst umstrittener. Materialisten steht ein Bündel an Strategien zur Verfügung, um diesem Argument zu entgehen. Dagegen ist das modale Argument meiner Ansicht nach nur an einer Stelle effektiv angreifbar – die Prämissen i, ii und iii, die Vorstellbarkeit, primäre und metaphysische Möglichkeit betreffen, sind alle gut begründet. Der kritische Punkt ist sein Antirealismus. Dieser nimmt seinem modalen Argument – und plausiblerweise allen zwei-dimensionalistischen anspruchsvollen modalen Argumenten – die Fähigkeit, ontologische Schlussfolgerungen zu rechtfertigen.
�� 112 Vgl. hierzu die Beiträge in Alter & Walter 2008.
200 � Epistemischer Zweidimensionalismus
7.9 Konsequenzen für die Philosophie Wenn die bisher vorgebrachten Überlegungen richtig sind, dann ist entweder metaphysische Modalität unabhängig von logisch-begrifflicher Modalität, aber epistemisch unzugänglich, oder wir haben Zugang zu metaphysischer Modalität, diese ist aber an logisch-begriffliche Modalität gebunden und somit nicht in der Lage, eine Rolle in anspruchsvollen ontologischen Überlegungen zu spielen. Ich habe die These stark gemacht, dass Letzteres plausibler ist, weil eine völlig grundlegende metaphysische Modalität nicht nur erkenntnis-theoretisch schwierig, sondern auch ontologisch dubios ist. Was ergibt sich hieraus für die analytische Philosophie? Zum ersten ergibt sich, dass Philosophen die Annahme aufgeben sollten, Modalität sei ein eigenständiger Bereich des Seienden. Die Notwendigkeiten a posteriori, die sie – und mich, wie die Existenz dieser Arbeit beweist – hierzu verleitet haben, können erklärt werden, ohne eine neuartige, philosophisch spannende, aber in metaphysischer und erkenntnistheoretischer Hinsicht sehr problematische Form von Modalität zu postulieren. Diese Erklärung zeigt, dass wir weiterhin, oder wieder, davon ausgehen können, dass logisch-begriffliche Modalität die grundlegende Art von Modalität ist. Alle anderen Formen von Modalität können als relativierte Formen von dieser aufgefasst werden. Chalmers’ metaphysische Modalität als diejenige Art von Modalität, die Notwendigkeit a posteriori erklärt, nimmt hierbei zwar eine hervorragende, aber keineswegs einzigartige Position ein – sie ist eher Erste unter Gleichen als absolute Herrscherin. Für Fragen nach der Beschaffenheit der wirklichen Welt ist sie nicht interessanter als logisch-begriffliche Modalität. Da diese keine anspruchsvollen ontologischen Schlüsse erlaubt, ist das umfassende Interesse an Modalität in der theoretischen Philosophie nicht gerechtfertigt. Was sollten Philosophen tun, wenn metaphysische Modalität keine tragende Rolle mehr in ihren Überlegungen spielen kann? Ich glaube, mit Chalmers & Jackson (2001), gegen Williamson (2007a) und Soames (2011), dass begriffliche Überlegungen eine große Relevanz für die Beantwortung grundlegender „Was ist ...?“-Fragen haben, und dass Begriffsanalyse weiterhin eine wichtige Rolle spielen kann. Dazu gibt es eine Vielzahl lohnender Untersuchungen in allen Bereichen der theoretischen Philosophie, in denen wir auch ohne metaphysisch modales Wissen noch Einsicht in vieles gewinnen können. Ein wichtiger Schritt hierzu ist, sich aus dem Bann metaphysischer Modalität zu lösen und die Hoffnung aufzugeben, mit dem richtigen Verfahren könnten wir etwas über de re modale Eigenschaften, Essenzen oder Ähnliches herausfinden, was es uns er-
Konsequenzen für die Philosophie � 201
möglicht, philosophisch anspruchsvolles ontologisches Wissen zu erlangen. Dieses scheinbar so verheißungsvolle Projekt litt von Anfang an darunter, dass es mysteriöse Entitäten postulierte und magische Fähigkeiten erforderte, um Einsicht in deren Beschaffenheit zu erlangen. Wenn wir es schaffen, uns von seinem Zauber zu lösen, wird dies die Konzentration auf sinnvollere Untersuchungen ermöglichen. Dies ist ein geringeres Opfer, als es den Anschein haben kann. Wie Van Inwagen (1998) festgestellt hat, gibt es sowieso kaum einen Philosophen, der aufgrund modaler Argumente seine Überzeugungen darüber, wie die Welt ist, revidiert hat.
8 Fazit Ich habe die soeben abgeschlossene Untersuchung vor dem Hintergrund von Kripkes Bild von metaphysischer Modalität unternommen und versucht, herauszufinden, wie wir wissen können, was metaphysisch möglich und notwendig ist. Hierbei hat sich jedoch gezeigt, dass die Akzeptanz von Kripkes Bild direkt dazu führt, dass wir kein anspruchsvolles Wissen über metaphysische Modalität erwerben können. Keines der diskutierten Verfahren ist hierfür geeignet, und dies scheint nicht daran zu liegen, dass sich die Erkenntnistheoretiker bisher nicht genügend angestrengt haben. Stattdessen habe ich nahegelegt, dass realistisch verstandene metaphysische Modalität aus prinzipiellen Gründen stets unzugänglich bleiben müsste, denn wir sind weder a priori noch mit empirischen Mitteln in der Lage, Einsicht in das Vorhandensein oder in die Abwesenheit notwendiger Eigenschaften von Gegenständen zu erlangen. Dabei hat sich gezeigt, dass die verschiedenen modalepistemologischen Ansätze alle an ähnlichen Problemen leiden. Entweder berücksichtigen sie modale Eigenschaften nicht ausreichend, oder sie setzen bereits Wissen über diese oder genauso schwieriges und problematisches Wissen voraus. Um einem Modalen Skeptizismus zu entgehen, habe ich vorgeschlagen, ein moderat antirealistisches Bild von Modalität zu akzeptieren. Dieses Bild macht Modalität epistemisch zugänglich und erklärt gleichzeitig die wichtigsten Kripkeanischen Daten – notwendige Wahrheiten a posteriori. Zugleich kann dieses antirealistische Bild erklären, wie modale Tatsachen in die Welt kommen, ohne dass wir uns auf die Existenz modaler Eigenschaften, Essenzen oder anderer seltsamer Gegenstände festlegen müssen. Der Verlust, der hiermit einhergeht, ist, dass uns Wissen über metaphysische Modalität nicht mehr in die Lage versetzt, Wissen über die Beschaffenheit der tatsächlichen Welt zu bekommen – worauf viele Philosophen ihre Hoffnungen gesetzt haben. Da wir unsere Wünsche, wie die Welt sein sollte, jedoch nicht zur Rechtfertigung unserer Überzeugungen darüber, wie die Welt ist, nutzen sollten, ist dies zwar eine bittere Pille. Das schlankere, antirealistische Bild von Modalität, das Chalmers’ Epistemischer Zweidimensionalismus uns malt, bietet jedoch so viele Vorteile, dass wir bereit sein sollten, diese Pille zu schlucken.
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Index A posteriori Physikalismus 28, 30, 199 a priori 3f., 9, 11f., 14, 17, 22f., 35, 37, 45, 50, 53, 81, 117, 123, 129, 154, 162f., 165ff., 179, 181, 183ff., 187ff., 203 A priori Physikalismus 28, 30, 181f. Abduktion 4, 30, 45, 82, 84, 87f., 90f., 93ff., 188 abduktiver Schluss Siehe Abduktion abduktives Argument Siehe Abduktion Absurdität 46 Aktualität 6, 167 Analogieargument 45 analytisch 9, 11, 14, 23f., 35, 50, 120, 122, 134, 147, 164, 179 ante rem 146 Anti-Essenzialismus 11 Antirealistischer Reduktionismus 27 Argument gegen den Materialismus 21, 60, 67, 151, 157f., 164, 167f., 176, 199 Aristotelischer Essenz-Realismus Siehe Essenz-Realismus Artzugehörigkeit 14, 134 Ayer 9 Bailey 177, 179 Bealer 5f., 9, 22, 30, 117, 131, 140, 143, 145ff., 151, 153, 195 begriffliche Unbestimmtheit 188, 190 Begrifflicher Rationalismus 4, 20, 22ff., 30, 38, 76, 116f., 140, 154, 164, 198 Begriffsanalyse 24 Benacerraf-Trilemma 21 Bewusstsein 17, 172 Biggs 85f., 91, 93f., 153, 188ff. Block 28, 30, 82, 86, 90, 199 Byrne 39, 56 Chalmers 4ff., 9, 21f., 27, 29f., 37, 45, 47, 58, 64, 67, 90, 118, 126f., 149, 155, 157ff., 161f., 164ff., 172ff., 176ff., 186, 188, 190, 193ff., 199f., 203 Descartes 9 deskriptiver Gehalt 65, 119f., 126ff. Deskriptivismus 118, 121ff., 126, 128 Disposition 109 Dualismus 9, 30, 90
echte Definition 78 Eigenname 27, 31f., 60, 118ff., 123, 125f., 130 Eigenschaft 16f., 72, 75, 77, 89, 120, 122f., 133, 172f., 176, 191 – akzidentielle 65 – konstitutive 17, 108, 135, 137, 140 – mentale 101, 103 – modale 3, 6, 10f., 14f., 17, 24, 26, 33ff., 56f., 65, 67ff., 78, 93, 105ff., 115, 117, 130, 159, 163, 176, 188, 191, 198, 203 – physische 101, 103 – semantische 118, 125 – wesentliche 4, 18, 34, 68, 105, 135 Eigenschaftsidentität 147 Empfindung 29 Empirismus 9, 11f., 19, 25, 27, 96, 144 Epiphänomenalismus 182 Epistemischer Zweidimensionalismus Siehe Zweidimensionalismus epistemisches Glück 72f. Erkenntnistheorie 1, 11, 19, 25, 33, 47, 70, 76, 98, 100, 102, 106ff., 111, 119, 126, 133, 135, 137, 140, 155, 157f., 167, 190, 203 Ersatzismus 26, 95, 133, 158, 175 Essenz 4, 9, 17f., 27, 38, 68ff., 73ff., 77f., 117, 130, 149, 153f., 159, 174ff., 191, 197, 200, 203 Essenzialismus 11f., 18, 34, 68, 106, 150, 156, 158, 162, 174, 176, 193, 197f. Essenz-Realismus 18, 26, 38, 68f., 76, 106 Extension 126, 189 fallibel 43, 50, 112 Fehlertheorie 53, 56f., 60, 64 Fine 17, 38, 68, 135, 175 Fiocco 194 Frege 118, 125f. Gettier 72 Gott 104, 148 Gottesbeweis 40 Gregory 39, 43f., 46, 48 Hale 17, 38, 135, 175 Halluzination 113 Hanrahan 82, 111, 113f., 153, 177 Hetherington 48, 52
228 � Index Hill 28, 30, 63f., 66, 82, 85, 90, 95, 108, 110, 174 Holismus 144 Hume 9, 69 Identität 14, 25, 32f., 56, 59f., 64, 84f., 87, 89, 91, 93f., 118, 130, 163 Identitätstheorie 29, 60, 62f., 83, 90f. Imagination 44, 46, 71f., 98f., 101, 104, 107 – bildliche 101 – gegenständliche 44 – propositionale 44 Intension 10, 35, 126ff., 160, 162f., 165f., 171ff., 182, 189 Intentionalität 178 Intuition 14, 23, 32, 108, 117, 124, 134, 140f., 143ff., 148ff., 187f., 191ff., 198 Jackson 30, 118, 126, 189, 199f. Kallestrup 167 kausal-historische Theorie 125 Kennzeichnung 65, 120, 122f., 125 Kim 28, 87, 90 Konsistenz 3, 11, 24, 38, 50, 160, 164, 166f., 181, 183f., 193 konstitutive Tatsachen 106 konstitutives Prinzip 135 kontingente Wahrheit a priori 12, 20, 118 kontrafaktische Konditionale 4, 23, 95f., 98ff., 104ff., 111, 153, 174 Konvention 27 Konventionalismus 165 Kripke 3, 5f., 9, 12ff., 19ff., 29, 31, 37, 41, 47, 51, 53, 56f., 60, 62ff., 75, 84, 118, 121f., 125f., 149, 151, 157, 159, 164, 174, 191, 194ff., 203 Kvanvig 72 Leibniz 9 Levine 30 Lewis 26, 28, 68, 95, 126, 132, 175f. Logik 3, 7, 23, 37, 50, 56, 185, 187 Logischer Empirismus 9, 195 Lowe 5, 38, 70, 75, 77f., 153, 175 Material 14 Materialismus 4f., 27ff., 31, 37, 40, 60f., 63ff., 85, 87, 91, 149, 151, 164, 168ff., 172f., 178, 195f., 199 Mathematik 7, 21, 23, 40f., 45, 102, 141, 148, 165
McLaughlin 28, 30, 82, 85f., 90 Mechanismus 43, 48, 112 Melnyk 105f. mentaler Zustand 17, 60, 86, 181f. Menzies 46f. Metaphysik 1, 25, 27f., 30f., 118f., 132f., 135, 158 Modalepistemologie 4f., 13, 31, 58, 68, 82, 102, 111, 115, 117f., 129, 133, 153, 164, 167, 179, 191 Modaler Antirealismus 22, 155, 162, 174, 199 Modaler Apriorismus 159, 161, 182, 191 Modaler Dualismus 161, 196 Modaler Empirismus 4, 22f., 30, 45, 49, 81f., 111, 114, 117, 154, 174, 198 Modaler Monismus 159, 161, 182, 184ff., 191 Modaler Rationalismus 4, 22f., 30, 37f., 41, 45, 49, 54, 81f., 117, 140, 154, 168, 174, 198 Modaler Realismus 22, 153, 155, 159, 175 Modaler Skeptizismus 7, 22, 24, 81, 153, 155, 177, 203 modales Argument 5, 27, 63, 157, 194, 199, 201 modales Wissen 3f., 6f., 12, 20, 22f., 37, 39, 41, 45, 47, 56, 58, 67, 71, 73f., 78, 81, 84, 88, 91, 93ff., 98, 112, 116f., 129, 131, 133, 135f., 139ff., 148, 153f., 157, 174, 177, 195 Modalität 1ff., 9f., 12, 19, 25, 37, 45, 53, 81, 108, 132, 135, 154, 156ff., 164, 167f., 170, 174f., 182ff., 196ff., 200, 203 – begriffliche 5, 15, 21, 34, 57, 139, 159, 161f., 164, 173, 180, 183, 188, 193ff., 198, 200 – de dicto 10, 14 – de re 10f., 15, 25, 33, 35, 55, 57, 59, 130, 136f., 153f., 157, 159, 163, 175, 186, 188, 191, 193, 198ff. – epistemische 128f., 183 – metaphysische 2ff., 16ff., 21, 23ff., 28, 37f., 42, 47ff., 51f., 56f., 59, 63, 66, 68, 81, 84, 90, 92, 95, 103, 106ff., 115, 117, 129, 131ff., 138f., 143, 145f., 148, 150f., 153, 157f., 162ff., 167ff., 172ff., 183, 186ff., 190, 192ff., 196ff., 203 – Modalität schlechthin 2f., 15, 38, 99, 132, 192
Index � 229
– nomologische 2, 11, 21, 23, 93, 103, 110, 115 – primäre 160, 163f., 166f., 170f., 183ff., 188, 199 – sekundäre 161, 169 – unbedingte 2 Moderater Rationalismus 144 mögliche Welt 3, 26, 113, 120, 123, 126ff., 132f., 148, 160, 166f., 176, 185ff., 197 Mögliche Welten-Realismus 26 Möglichkeit Siehe Modalität, Siehe Modalität – begriffliche Siehe Modalität, begriffliche – metaphysische Siehe Modalität, metaphysische Möglichkeit schlechthin Siehe Modalität schlechthin Nagel 64 Name Siehe Eigenname Naturalismus 144 Natürliche Art-Ausdruck 31f., 60, 160, 188ff. Nimtz 17, 77, 100 notwendig Siehe Notwendigkeit notwendige Wahrheit a posteriori 13f., 25, 27, 31f., 34, 49, 55, 60, 65, 67, 118, 126, 135, 157ff., 162f., 182, 186, 190f., 195, 197f., 200 Notwendigkeit Siehe Modalität Notwendigkeit a posteriori Siehe notwendige Wahrheit a posteriori Ontologie 3 Papineau 28, 55 Peacocke 5, 22, 25, 117, 131ff., 135f., 138, 140, 153, 155 Perry 182 Personale Identität 104, 178 Philosophie des Geistes 27, 31, 85 Physikalismus Siehe Materialismus Plantinga 95 Possibilia 95 primäre Intension Siehe Intension Primitivismus 26, 133, 175f. Prinzip – konstitutives 136f. Prinzipien der Möglichkeit 117, 131f., 134ff., 140 Proposition 34, 41, 48, 55, 72, 74, 79, 88, 133, 146, 150, 177ff.
Putnam 37 Quine 10f., 17, 50 Rationalismus 129, 140 Reid 39 Religionsphilosophie 104 Roca-Royes 21, 42, 45, 50f., 58, 105f., 159, 180 Russell 120, 125f. Russell-Monismus 169, 172f. Searle 120, 125f. sekundäre Intension Siehe Intension Semantik 1, 4, 31, 34, 55, 77, 117, 119, 122, 124, 126f., 138, 150, 163, 180, 196, 198 semantische Stabilität 142, 151 Shoemaker 66 Sidelle 22, 27, 165 Simulation 99ff., 105 singulärer Term 119, 126 Sinn 118f. Skeptizismus 7, 48, 112, 155 Soames 6 Spezifikation 133 Sprachphilosophie 5, 119 Stalnaker 28, 30, 82, 86, 90, 95, 199 Starke Notwendigkeit 163, 183 starre Bezeichner Siehe Starrheit Starrheit 27, 31f., 56, 60, 118, 123f., 126, 128, 130, 134, 139, 163 Stochastik 141 Supervenienz 28f., 173 synthetisch 148 Tahko 106 Taufe 125, 143 Thomasson 22 tiefe Erklärung 17 Transparenz 42, 44 Ursprung 14, 134, 136, 192 Vaidya 5, 38, 70ff., 75, 153, 167, 174, 184ff. Van Cleve 39, 42f. Van Gulick 17 Van Inwagen 24, 63, 201 Verfahren 44, 78, 117, 153, 174 Verlässlichkeit 25, 48f., 74, 112, 143, 145, 153, 175 Verstehen 4, 23, 71ff., 117, 132, 135, 137 Verursachung 148
230 � Index Vorstellbarkeit 4, 23, 28ff., 37ff., 55ff., 60, 62ff., 81, 111, 130, 140, 143, 158, 164ff., 170, 174, 177, 182ff., 188, 199 – begriffliche 44 – bildliche 40f. – ideale 46f., 165, 177ff., 181, 188 – lokale ideale 179f. – negative 166, 177 – positive 166 – prima facie 165, 177 – primäre 178 – secunda facie 166, 178, 180 Wahrnehmung 4, 45, 48, 82, 111ff., 115 Widerspruch 11, 24, 46, 131, 165, 177 Williamson 5, 24, 81f., 95f., 98ff., 102f., 105ff., 153, 200
Wilson 188ff. Wissen über metaphysische Modalität Siehe modales Wissen Wittgenstein 16 Worley 177 Yablo 3, 5, 9, 22, 30, 38f., 42, 44f., 57, 153, 164 Zombie 28f., 31, 37, 170, 182 Zweidimensionale Semantik Siehe Zweidimensionalismus Zweidimensionalismus 4ff., 34, 47, 76, 118, 126f., 129, 155, 157, 159, 163, 165f., 169, 173f., 176, 183, 188ff., 194, 197ff., 203 Zwillingserde 142