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German Pages 248 [249] Year 1970
Werner Krause Wirtschaftstheorie unter dem Hakenkreuz
D E U T S C H E A K A D E M I E DER W I S S E N S C H A F T E N Z U Schriften des Instituts für Wirtschaftswissenschaften Nr. 31
BERLIN
Werner Krause
Wirtschaftstheorie unter dem Hakenkreuz Die bürgerliche politische Ökonomie in Deutschland während der faschistischen Herrschaft
A K A D E M I E - V E R L A G
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BERLIN 19 6 9
Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, 108 Berlin, Leipziger StraBe 3—4 Copyright 1969 by Akademie-Verlag GmbH Lizenznummer: 202 • 100/29/69 Entwurf des Broschurumschlages: Nina Striewski Offietnachdruck und buchbinderische Weiterverarbeitung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", SS2 Bad Langensalza Bestellnummer: 2071/31 • ES 5'B 2 17.—
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
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I.
Die NSDAP und ihre ökonomische Propaganda bis 1933
13
n.
Hitler an der Macht. Zur Ökonomik und Wirtschaftspolitik im "Dritten Reich"
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QI.
Die Gleichschaltung der Ökonomen
59
IV.
Auf der Suche nach der "völkischen Lehre"
75
V.
Das Schicksal einiger Schulen und Richtungen
105
VI.
Die "gelenkte Wirtschaft" und die ökonomische Theorie
139
VH. Die Entstehung des Neoliberalismus in Deutschland
178
Zusammenfassende Schlußbemerkungen
199
Anmerkungen
207
Personenregister
241
5
I. Einleitung
Nachdem im Hai 1945 das Schicksal des hitlerfaschistischen Deutschen Reiches endgültig besiegelt, mit dem Potsdamer Abkommen der Anti-Hitlerkoalition ein Schlußstrich unter eines der finstersten Kapitel der deutschen Geschichte gezogen wurde und sich die Perspektive eines neuen, anderen Deutschlands eröffnete, stand auch die deutsche Wissenschaft vor einem Scheideweg. Es ist nicht erst heute, zwei Jahrzehnte nach diesem neuen Anfang, offensichtlich geworden, daß auch die Wirtschaftswissenschaft und mit ihr die politische Ökonomie in den beiden deutschen Staaten einen grundsätzlich verschiedenen Weg geht. Von den zahlreichen Anhaltspunkten, die es dafür gibt, soll hier nur auf zwei hingewiesen werden. Das eine Kriterium ist das der Erben, das andere das des Erbes der ökonomischen Forschung und Lehre. Während in der Deutschen Demokratischen Bepublik neben den älteren marxistischen Politökonomen, die während der Zeit der faschistischen Barbarei in Deutschland in der Emigration lebten und wichtige Beiträge zum Kampf gegen den Hitlerfaschismus leisteten, eine neue Generation marxistischer Ökonomen heranwächst, ist das Personal an Lehr- und Forschungskräften in der Bundesrepublik aus anderem Holz geschnitzt. An den westdeutschen Lehranstalten für die Wirtschaftswissenschaft besteht eine ähnliche Situation wie auf anderen Gebieten des westdeutschen öffentlichen Lebens. So, wie heute noch die ehemaligen faschistischen Blutrichter ihre Richterroben anbehalten dürfen, so, wie neben der Justiz auch die Polizei, der Diplomatische Dienst, die örtlichen Verwaltungen, ja sogar das Bonner Kabinett mit alten Faschisten durchsetzt sind, genauso treffen wir an den westdeutschen Hochschulen heute noch Uberaus viele ehemalige aktive Angehörige der faschistischen Organisation auf den Lehrstühlen für Ökonomie an. Ein Blick in die Verzeichnisse der wirtschaftswissenschaftlichen Hochschullehrer beweist d a s . 1 Im Jahre 1938 gehörten von den wirtschaftswissenschaftlichen Hochschullehrern, die damals nähere Angaben über ihren Werdegang machten, 186 einer faschistischen Organisation, wie der NSDAP, der SA oder der SS an. Der größte Teil von ihnen lebt noch heute in der Bundesrepublik oder in Westberlin. Berücksichtigt man die natürlichen Abgänge durch Tod, dann ist die Zahl von 52 habilitierten Hochschullehrern der Wirtschaftswissenschaften, die sich von den 186 Faschisten von 1938 in Westdeutschland restauriert haben, außerordentlich hoch. Wenn man ferner berücksichtigt, daß es sich dabei durchweg um "ältere Herren"
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handelt, also gerade um jene Leute, die in den Hochschulgremien und -Organen den größten Einfluß besitzen, und daß diese Übriggebliebenen sich auf einem zusammengeschrumpften Teil Deutschlands wiederfanden, so muß man geradezu von einer Konzentration ehemaliger Mitglieder der NSDAP auf den westdeutschen und westberliner Lehrstühlen sprechen. Sicher ist zwischen einzelnen Personen zu differenzieren, und es mögen wesentliche Unterschiede zwischen führenden Leuten in der faschistischen Partei und ihren Mitläufern bestehen. Es soll an dieser Stelle auch keine Wertung der individuellen politischen Haltung einzelner westdeutscher Professoren vorgenommen werden. Die lange Liste von Professoren, die sich einmal durch ihre Mitgliedschaft zu einer bedeutenden faschistischen Organisation offen zum Faschismus bekannt haben und die von der Gesellschaft für Wirtpchaftsund Sozialwissenschaften, Verein fUr Sozialpolitik, heute als deutsche Gelehrte präsentiert werden, wirft ein bezeichnendes Licht auf das Hochschulwesen in der Bundesrepublik und macht klar, wer die Erben der bürgerlichen politischen Ökonomie im westlichen Teil Deutschlands sind. Mit der Frage der damaligen Mitgliedschaft zahlreicher westdeutscher Hochschullehrer zu faschistischen Organisationen ist das Problem der faschistischen Infiltration natürlich bei weitem nicht erschöpft. Noch viel beachtenswerter als die Besetzung wichtiger Positionen durch alte Faschisten ist die empörende Tatsache, daß Geist und Methode der Hitlerfaschisten bereits wieder In so erschreckendem Maße Auferstehung feiern. Auch ein bedeutender Teil der westdeutschen bürgerlichen Ökonomen betreibt heute wieder das Geschäft des Antikommunismus und des Revanchismus, wenn auch nicht mehr unter der Hakenkreuz-, sondern unter der NATO-Flagge. Aber diese Frage gehört bereits nicht mehr zum Gegenstand der vorliegenden Untersuchung; der Gegenstand besteht vielmehr In der Darstellung der deutschen bürgerlichen politischen Ökonomie der Jahre 1933 bis 1944. Zu einem gewissen Teil ist die Einschätzung der ökonomischen Theorien und ihrer Wirksamkeit durch die marxistische Kritik mehr als ein theoriegeschichtliches Problem. Sie wirft direkt auch das Problem unserer Auseinandersetzung mit der bürgerlichen polltischen Ökonomie auf, berührt also gleichfalls ein methodologisches Problem unserer eigenen Forschungsarbeit. Einige Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung bestätigen die kürzlich von H. Meißner getroffene Feststellung, daß in unserer Literatur "lange Zeit die 2 Vielfältigkeit ideologischer Erscheinungen vergröbert" wurde. Meißner hatte bei seiner Analyse der Ursachen und Erscheinungsformen der Vereinfachungen und Vergröberungen auf drei Problemkreise unserer Theorien-Kritik aufmerksam gemacht, nämlich auf die ungenügende Kenntnis und Anwendung des philosophischen Instrumentariums, auf die Notwendigkeit neuer theoretischer Verallgemeinerungen und auf die Probleme der Methodenlehre. Der Anlaß scheint jedoch gegeben, außerdem auf eine simple Feststellung hinzu8
weisen, deren Wahrheitsgehalt seit langem feststeht und die geradezu ein Axiom der marxistischen Gesellschaftswissenschaft geworden ist: eine wirkliche Analyse der historischen Wirksamkeit einer ökonomischen Theorie kann man nur durch genaue Kenntnis der realen Prozesse in der gesellschaftlichen Basis und der vielfältigen Erscheinungen in der Ideologie erreichen. Wird dieses Prinzip auch allgemein aneikannt und klingt dessen Formulierung beinahe banal, so wird in der Praxis noch allzuoft dagegen verstoßen. Die weißen Flecken in der wirtschaftshistorischen und anderen gesellschaftswissenschaftlichen Forschimg haben naturgemäß den leichtfertigen Verallgemeinerungen Vorschub geleistet. In bezug auf die vorliegende Thematik kann sich die marxistische Theorienkritik weder auf eine detaillierte Analyse der Wirtschaft im faschistischen Deutschland noch auf eine ausreichende Aufberei3 tung des Ideengutes jener Zeit stutzen. Gegenwärtig gibt es in der marxistischen Literatur recht wenig Darstellungen und Analysen der bürgerlichen politischen Ökonomie zur Zeit der faschistischen Herrschaft in 4 Deutschland. Allzu selten sind auch marxistische Arbeiten Uber die Situation in den faschi6 5 stischen Hochschulen. Dem Beispiel von Klaus MUller , eine Monographie Uber einen namhaften Ökonomen anzufertigen, der im faschistischen Deutschland gewirkt hat, ist bislang noch kein anderer DDR-Autor gefolgt. Dagegen haben die Soziologen unserer Republik beachtenswerte Untersuchungen Uber die bürgerliche Soziologie in ihrem Verhältnis zum 7 Faschismus vorgelegt. Dem Analytiker bedeutungsvoller ökonomischer Theorien ist mit dem, was sich als parteitreue Wirtschaftstheorie der Faschisten offerierte, ein undankbares Betätigungsfeld gegeben. Die Geschichte des ökonomischen Denkens in Deutschland ist zwar durchaus nicht arm an besonders oberflächlichen Theoremen und abstrusen Dogmen, doch hatte die Verknüpfung der Vulgärökonomie mit mystischen, verlogenen und menschheitsfeindlichen Lehren bis 1932 noch nicht dieses Ausmaß angenommen. Das lange und weltgehende Schweigen Uber pro-faschlstlsche ökonomische Theorien, das wir heute konstatieren kämen, kommt sicher einem vernichtenden Urteil Uber den Bankrott, die Niveaulosigkeit und den barbarischen Charakter der ökonomischen Lehren gleich, die von den deutschen Faschisten sanktioniert wurden. Weit verbreitet war die Meinung unter den Marxisten, daß es wenig sinnvoll sei, der faschistischen Ideologie auf ökonomischem Gebiet Beachtung zu schenken. F. Oelßner hat in seinem Schlußwort auf der internationalen Konferenz der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, auf deren Tagesordnung die Einschätzung der modernen bürgerlichen politischen Ökonomie stand, eindeutig darauf hingewiesen, daß das ein gefährlicher Irrtum ist. Während e r sich mit der falschen Auffassung auseinandersetzte, daß man sich mit den ökonomischen Ansichten der offenen, brutalen Verteidiger des Monopolkapitals nicht zu 9
beschäftigen brauche, da sie von keinem wissenschaftlichen Interesse seien bzw. ihre Widerlegung keine besonderen Anstrengungen erfordern würde, erklärte er vor den Konferenzteilnehmern: "Die internationale Arbeiterbewegung und besonders wir Deutschen haben eine sehr lehrreiche Erfahrung mit den ökonomischen Theorien der Nazis gemacht. Die waren auch so offen apologetisch und noch dazu so dumm, daß wir es f(ir unter unserer marxistischen Wtirde gehalten haben, uns ernsthaft mit diesen Theorien auseinanderzusetzen. Aber wie Sie wissen, haben die Nazis breite Schichten, besonders des Kleinbürgertums, gerade mit diesen dummen ökonomischen Theorien für sich gewonnen, und wir können heute alle mit Bestimmtheit sagen: wir hätten damals besser daran getan, größere intellektuelle Anstrengungen zur Zerschlagung dieser nazistischen ökonomischen Theorien zu machen, obwohl der intellektuelle Genuß dabei weiß Gott minimal gewesen wäre. Also hüten wir uns g davor, uns als ästhetische Genießer in einen Elfenbeinturm zurückzuziehen." Aus ganz anderen Gründen wird in Westdeutschland, wo im öffentlichen Leben manche Züge einer Renaissance faschistischen Gedankengutes erkennbar sind, wo eingefleischte Faschisten ungestraft ihre Memoiren veröffentlichen dürfen und wo namhafte Mitglieder der ehemaligen NSDAP wichtige Regierungsstellen bekleiden und andere öffentliche Ämter einnehmen, die ökonomische Lehre, die die faschistische Partei verbreiten ließ, geflissentlich übergangen. Wenn die offizielle westdeutsche Ökonomie heute einen Mantel des Schweigens Uber die bürgerliche Ökonomie ausbreitet, die noch vor 20 Jahren die regierungsamtliche Lehre in Deutschland war, dann sicher nicht aus dem gleichen Grund, den wir dem objektiven Forscher der ökonomischen Theoriengeschichte unterstellen, also einem Zurückschrekken vor dem äußerst vulgären Charakter dieser Lehren. Die Motive für die Zurückhaltung, die sich moderne bürgerliche Dogmenhistoriker den damaligen ökonomischen Lehren gegen Uber auferlegen, sind andere. Einer der Gründe ist objektiver Natur. Das Kriegsende mit der Zerstörung des faschistischen deutschen Staates war gleichzeitig ein deutlich sichtbarer Bankrott der faschistischen Demagogie. Gegenwärtig vollzieht sich die Entwicklung in Westdeutschland unter Bedingungen, die es den Ideologen des Monopolkapitals nicht geraten erscheinen lassen, offen auf allzu diskreditierte Lehren und Losungen zurückzugreifen. Besondere politische Verhältnisse fordern ihre spezifische Ideologie. Das trifft in besonderem Maße auch auf die ökonomische Lehre zu. Man spekuliert heute auf den Erfolg der christlichen Soziallehre, des Neoliberalismus und des Keynesianismus, wenn es gilt, die Ausbeuterordnung politökonomisch zu rechtfertigen. Ein anderer Grund für das Verschweigen der jüngeren Geschichte der politischen Ökonomie ist subjektiver Natur. Die Ideologen der Bourgeoisie
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schrecken heute davor zurück, ihre eigene faschistische Vergangenheit zu offenbaren. Allzuviele der heutigen Ökonomen, die auf westdeutschen Lehrstühlen, in Regierungsämtern 10
oder auf hochdotierten Posten der Monopole sitzen, haben eine anrüchige politische Vergangenheit. Allzuoft geht die Rückblende auf die deutsche Vergangenheit deshalb an den Ökonomen vorbei. Eine offene Frage ist es allerdings, ob und in welcher Hinsicht wir von der Existenz einer faschistischen ökonomischen Lehre oder gar von einer faschistischen politischen Ökonomie sprechen diirfen. Es ist die Aufgabe dieser Untersuchung, ein Urteil darüber zu fällen, in welchem Maße die bürgerliche politische Ökonomie in Deutschland in den zwölf Jahren des "Dritten Reiches" modifiziert worden ist, genauer gesagt, in welchem Maße sich die ökonomische Lehre den neuen Verhältnissen anzupassen vermochte. Der relativ kurze Zeltabschnitt dieses Teils deutscher Geschichte scheint der Ausreifung einer neuen Lehre wenig Raum zu lassen. Allerdings ist das Geburtsjahr einer Lehre nicht unbedingt mit dem Jahr ihrer regierungsamtlichen Tolerierung und Förderung gleichzusetzen. Hat es aber in Deutschland schon vor 1933 eine faschistische ökonomische Lehre gegeben? Und wann Uberhaupt können wir davon sprechen, daß die ökonomische Lehre in Deutschland "faschistisch" wurde ? Ohne den Ergebnissen dieser Untersuchung vorzugreifen, muß darauf hingewiesen werden, daß es von vornherein nicht ratsam erscheint, von "faschistischer politischer Ökonomie" zu sprechen. Der Begriff "Faschismus" drückt eine spezifische Staats- und H e r r schaftsform aus und charakterisiert die Liquidierung der bürgerlichen Demokratie durch die herrschende Monopolbourgeoisie. 11 Faschismus ist aber andererseits nicht schlechthin mit einer besonderen Wirtschaftsformation oder einer eindeutig zu typisierenden Form der Wirtschaftsführung gleichzusetzen. Das Wort "faschistisch" drückt auch keine bestimmte Variante und Stufe bürgerlichen ökonomischen Denkens aus. Natürlich gibt es faschistische Lehren. Da der Faschismus eine Negierung der bürgerlichen Demokratie darstellt und da die faschistischen Ideologen gegen die Demokratie polemisieren, muß eine spezifische faschistische Staatslehre existent sein. Weil Faschismus jedoch kein Ausdruck einer bestimmten ökonomischen Struktur ist, kann man ökonomisches Denken nicht als faschistisch qualifizieren. Sprechen wir also, da der Begriff "Faschismus" den ökonomischen Bereich nur partiell und temporär, nicht aber grundlegend berührt, nicht von faschistischer politischer Ökonomie, sondern von der Frage, ob und wie die bürgerliche politische Ökonomie zur Zeit der faschistischen Herrschaft (thematisch beschränkt auf Deutschland) modifiziert worden ist und ob sie sich gar, auf Grund der veränderten politischen und ökonomischen Verhältnisse, grundlegend zu wandeln vermochte. Die Charakterisierung der Eigenarten der bürgerlichen politischen Ökonomie und die Darstellung des Schicksals ihrer Schulen und Richtungen machen den Hauptgegenstand der Untersuchung aus. Mit ihr will der Autor einen ersten Versuch machen, einen Beitrag 11
zur Aufhellung der Probleme eines kurzen, aber nicht unbedeutenden Abschnitts der Geschichte des ökonomischen Denkens zu leisten. Die vorliegende Studie ist aus einer Habilitationsschrift hervorgegangen, die der Autor im Juli 1967 an der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst verteidigt hat. Bei der Überarbeitung zur Drucklegung sind mir zahlreiche Vorschläge zur Gestaltung des Manuskripts zugegangen und ich möchte an dieser Stelle allen meinen Beratern und Kritikern, insbesondere den Kollegen Dr. habil. Hermann Lehmann, Prof. Dr. habil. Kurt Braunreuther, Prof. Dr. habil. Herbert Meißner, Dr. habil. Klaus Müller und Dipl. -Phil. Erich Sommerfeld Dank sagen. Von den vielen Helfern, die mir wertvolle Literaturhinweise gegeben haben, danke ich vor allem meinen Kollegen Dipl.oec. Achim Schönbach und Dipl.oec. Anni Tobien für ihre uneigennützige Unterstützung.
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I. Die NSDAP und ihre ökonomische Propaganda bis 1933
Die systematische Verbreitung von Ideen, die den werktätigen Massen eine Verbesserung ihrer ökonomischen Lage versprachen, gehört um so mehr zum festen Bestandteil bürgerlicher Publizistik und Parteipolitik, je stärker die Arbeiterbewegung eine reale Gefahr fUi die Existenz der bürgerlichen Gesellschaft zu werden beginnt. Als diese Gefahr für die Bourgeoisie mit der geschichtlichen Erfahrung der Pariser Kommune und dem Werden einer starken, klassenbewußten Organisation des Proletariats zunehmend in das Bewußtsein des Bürgertums eindrang, übernahmen Parteipolitiker, Schriftsteller, Journalisten, Wissenschaftler, Demagogen und Philantropen die Aufgabe, eine gerechtere Verteilung der Güter dieser Erde unter Beibehaltung der kapitalistischen Produktionsweise in Aussicht zu stellen. Man pries soziale Reformen als Rettung in der Not an und glaubte, damit den revolutionären Parteien und Gewerkschaften wirksam den Wind aus den Segeln nehmen zu können. In der Arbeiterbewegung selbst fand ständig ein Prozeß der Lösung von dem utopischen, reformistischen, antirevolutionären, vom Bürgertum beeinflußten Gedankengut statt und die Geschichte des revolutionären Proletariats ist u. a. eine Geschichte der Auseinandersetzung mit dem Reformismus. Schließlich wurde vor allem der Kampf gegen den Versuch, die marxistische Lehre zu revidieren, eine Tagesaufgabe an der ideologischen Front. An dieser Stelle soll jedoch ausschließlich darauf eingegangen werden, wie au ße rh a l b der Arbeiterbewegung eine bedeutungsvolle Diskussion um soziale Reformen stattfand. Die bürgerliche Reformbewegung konnte sich nicht in reiner Sozialdemagogie erschöpfen. Sollte sie nachhaltige Wirkung erzielen, wollte man also die Arbeiterklasse tatsächlich von ihrem revolutionärsten Teil trennen, die Massen von der sozialistischen Revolution und der marxistischen Lehre entfremden, dann mußten zweifellos einige reale Schritte zur Verbesserung der Lage der Ausgebeuteten gemacht werden. Die von bürgerlicher Seite ins Leben gerufenen sozialen Reformen tragen daher den Charakter eines Kompromisses, das den werktätigen Massen von der Bourgeoisie offeriert wird. Diese Reformen läßt sich die Bourgeoisie abringen, weil sie ihr als das kleinere Übel erscheinen und weil die Furcht vor der Revolution Zugeständnisse erheischt. Die sozialen Reformen nimmt die Bourgeoisie zurück, wenn die Konstellation des Klassenkampfes ihr das erlaubt. In Krisenzeiten nimmt jedoch die bürgerliche Reformpropaganda zu, und jede Gruppe, der etwas daran liegt, Wählerstimmen einzufangen und die Aureole einer "Volkspartei" zu erlangen,
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nimmt in ihr politisches Programm auch Versprechungen bzw. Forderungen nach einer Verbesserung der ökonomischen Lage des angesprochenen Bevölkerungsteils, wenn nicht gar des ganzen Volkes, auf. Zu Beginn der bürgerlichen Gesellschaft war die bürgerliche Propaganda sozialer Eefor men noch eine Ausnahmeer scheinung. Die soziale Frage ist allerdings auch schon bei frühen Denkern des deutschen Bürgertums hier und da aufgetaucht, so z.B. in den Utopien 12 13 C . W . Frölichs und Ziegenhagens , in dem Versuch des Idealistischen Philosophen J . G. Fichte, unter Anwendung der politischen Ökonomie den Widerspruch zwischen dem 14 Naturrecht und den Einrichtungen des alten Regimes aufzuheben oder in den konkreten 15 Vorschlägen L. Galls, die bestehende Gesellschaft "vernünftiger" zu gestalten. Von den utopischen Konstruktionen mehr oder weniger isolierter Menschenfreunde abgesehen, hat es auch im Bereich der offiziellen Staatspolitik Bestrebungen zu progressiven ökonomischen Reformen gegeben, jedoch ist die Sozialreform noch in den vierziger 16 Jahren des 19. Jahrhunderts nur mit wenigen Ausnahmefällen in Erscheinung getreten.
Von einiger Bedeutung
war in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Wirken von H. Schulze-Delitzsch, der mit Hilfe der Genossenschaftsbewegung das Kleinbürgertum stärker an die Bourgeoisie ketten wollte. Gleichzeitig propagierte er unter den Arbeitern, daß man den unangenehmen Folgen, die der Kapitalismus mit sich bringe, durch Spartätigkeit und Aneignung von Bildung entgehen könne. Eine gewisse Breitenwirkung erlangte die Reformpropaganda im deutschen Bürgertum erst mit dem Auftreten der Kathedersozialisten, die zum großen Teil Ökonomen waren, die an den Hochschulen die Volkswirtschaftslehre im Geiste von W. Roscher lehrten. Mit der Historischen Schule hielt der Sozialreformismus seinen Einzug in die deutsche bürgerliche Wirtschaftstheorie. Roscher hatte den Reformismus bereits "historisch begründet", hatte die Anpassung an die wandelbaren Wirtschaftsreformen empfohlen und die Revolution als 17 Hildebrand "widerrechtliche", daher "unnatürliche" Durchführung von Krisen diskreditiert. hatte den vulgären Historismus mit der Ethik verknüpft und die Mitwirkung der Nationalökonomie an der Heilung sozialer Schäden empfohlen. Die jüngere Historische Schule nahm schließlich die sozialreformerische Propaganda in weitgehendem Maße in ihre ökonomische Konzeption auf. Von bürgerlichen Gegnern wurden ihre Anhänger, da es sich vorwiegend um Hochschullehrer handelte, als "Kathedersozialisten" bezeichnet, ein Name, der sich bald zur Charakterisierung jener bürgerlichen Sozialreformatoren allgemein durchsetzte.
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In J . St. Mill hatten die deutschen Kathedersozialisten ihr klassisches Vorbild gefunden. Victor Aimé Huber, ein Anhänger des monarchischen Absolutismus, dessen Auffassung von der Monarchie historisch bereits überholt war, war mit seinem Sozialprogramm, das fast alle Elemente des Kathedersozialismus vorwegnahm, in den sechziger Jahren noch 14
Immer eine Ausnahmeerscheinung.
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Nach der Gründung einer von der bürgerlichen Be-
wegung getrennten Arbeiterpartei auf dem Eisenacher Kongreß im Jahre 1869 wird die bürgerliche Beformpropaganda nicht mehr im Alleingang durchgeführt. Die siebziger Jahre bieten das Bild einer breiten Entfaltung der Reformagitation unter den deutschen Professo20
ren der Nationalökonomie.
DiCHlldebrandsche Forderung, die Ethik mit der National-
ökonomie zu verbinden, wurde jetzt aktueller denn je. Eine Flut von Vorträgen und Schriften über die soziale Frage erfaßte das öffentliche Leben. A. Schaffte, G. v. Schmoller, L. Brentano, G. F. v. Schönberg und A. Wagner richteten Appelle an die Öffentlichkeit, die Gegensätze von Lohnarbeitern und Kapitalisten zu versöhnen, wobei sie oftmals recht heftig gegen die konformistischen Auffassungen der bisherigen Volkswirtschaftslehre polemisierten. Schließlich schuf man sich sogar ein Gremium, den "Verein für Sozialpolitik", in dessen Rahmen man unter Hinzuziehung von Praktikern, Verwaltungsbeamten aus den staatlichen Institutionen und privaten Unternehmern, ja selbst von "Gegnern" der Historikerschule, periodisch zu Tagungen zusammen kam und eine Schriftenreihe herausgab. Es bildeten sich innerhalb des Kathedersozialismus zwei Richtungen heraus, die entweder ihrem Lehrmeister L. Brentano folgten oder aber dem langjährigen Vorsitzenden des Vereins für Sozialpolitik G. v. Schmoller. L. Brentano war mit der Praxis der Trade Unions, den reformistischen englischen Gewerkschaften, sehrvertraut und erblickte in diesen das Vorbild für die Lösung der sozialen Frage in Deutschland. Die Brentanosche 21
Praxis
stellte die liberale Richtung des Kathedersozialismus dar und war, da sie sich
wirkungsvoller als die Schmollergruppe um den Einfluß auf die Gewerkschaften und die rechte Führung 22 der Sozialdemokratie bemühte, sicher auch die gefährlichere für die Arbeiterbewegung. Die andere Richtung .des Kathedersozialismus, deren anerkanntes Haupt G. v. Schmoller war, trat für eine Sozialreform auf der Basis des junkerlich-bourgeoisen Staates in seiner monarchischen Form ein. Diese Haltung hat ihnen die Bezeichnung "Etatisten" und verschiedentlich auch "Staatssozialisten" eingetragen. Beide Richtungen des Kathedersozialismus waren in der Durchsetzung ihrer Reformvorschläge anfangs nicht sehr erfolgreich. Zwar gab es Anfang der achtziger Jahre Korrumpierungsversuche durch einige
sozialpolitische Zugeständnisse an die Arbeiter und
durch die Einleitung einer "milden Praxis" des Sozialistengesetzes. Die Reaktion verfolgte jedoch diese Kompromißbereitschaft im praktischen Klassenkampf mit wütendem Haß. Erst zu Beginn der neunziger Jahre wurden die Aussichten für die Kathedersozialisten günstiger. Nach dem Fall des Sozialistengesetzes und dem Sturz Bismarcks im Jahre 1890 hoffte Wilhelm n . , eine glücklichere Politik gegen die Sozialdemokraten zu machen. Die kaiserliche Regierung schwenkte von der "Politik der Peitsche" in Form der Sozialistenverfolgung
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mit Hilfe des "Gesetzes zur Bekämpfung der gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" mehr zur "Zuckerbrotpolitik" Uber und verkündete einige soziale Reformen. Jetzt brach ein literarischer Frühling für die Kathedersozialisten an; sie setzten Bich gegen die konservativen Elemente, die wie H. v. Treitschke auf einer unnachgiebigen Position beharrten, Jetzt naturgemäß öfter durch. "Die Ideologen dfer Bourgeoisie waren in der Bekämpfung der Arbeiterbewegung ähnlich differenziert wie die Unternehmer selbst. Es handelt sich um zwei Grundmethoden, die des konservativen Scharfmachertums und die der liberalen Zugeständnisse. Die einen bezweckten die Niederschlagung der Arbeiterbewegung, 23 die anderen ihre Zersetzung." Der schon durch Bismarck unter Wilhelm I. eingeleitete neue Kurs in der Sozialpolitik verstärkte "staatssozialistische" Illusionen und die Sozialdemokratie hatte ihnen Rechnung zu tragen. Um die Jahrhundertwende faßte schließlich der bürgerliche Reformismus durch den Vorstoß von E. Bernstein und anderen in der Arbeiterbewegung Fuß. 24 25 Auch der von F. Naumann geführte, 1896 bis 1903 tätig gewesene "Nationalsoziale Verein" sollte dazu dienen, die deutsche Arbeiterklasse zu einer Unterstützung des Imperialismus und zur Aufgabe des Kampfes gegen ihn zu verleiten, indem sowohl einer aggressiven Außenpolitik als auch einer kompromißlerischen, reformfreudigen Innenpolitik das Wort geredet wurde. Naumann scheiterte nicht nur wegen der Weigerung der Bourgeoisie, ihr Bündnis mit dem Junkertum aufzugeben, sondern auch an dem Widerstand, den die deutschen Arbeiter gegenüber einer proimperialistischen Politik leisteten. Insgesamt trat die ökonomische Propaganda der Bourgeoisie vor dem ersten Weltkrieg wieder etwas in den Hintergrund. Zum Teil wurde ihre wichtigste Aufgabe, ein wesentlicher Faktor gegen die sozialistische Revolution und die marxistische Lehre zu sein, jetzt wirkungsvoller von dem Opportunismus in der Arbeiterbewegung selbst erfüllt, zum Teil wurde diese Art bürgerlicher Propaganda von der chauvinistischen Propaganda der SäbelraBseler übertönt. Mit dem militärischen und politischen Zusammenbruch des monarchistischen Regimes bekam die ökonomische Propaganda der Bourgeoisie neue Aktualität. In der Weimarer Republik wurden soziale Reformen als Gegengewicht gegen die "Gefahr der Räterepublik" ins Treffen geführt. Man erfand die Lüge, daß die "Sozialisierung" auf dem Marsch sei und als sich schließlich in den zwanziger Jahren der Imperialismus in Deutschland restaurierte und mit einem republikanisch-demokratischen Mantel drapierte, hat die Bourgeoisie in den kritischen Zeiten der ökonomischen und politischen Krisen immer wieder zu sozialer Demagogie und sozialen Heilpflastern zurückgegriffen. Man vermag allein an dem Wirken 26
des Bodenreformers A. Damaschke
zu ermessen, welch fruchtbarer Boden das imperia-
listische Deutschland für bürgerliche soziale Heilslehren darstellte. 16
Auch die faschistische Hitlerpartei, die sich Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei nannte, nutzte die soziale Demagogie weitgehend zum Fang von Anhänger- und Wählermassen aus. Sie machte sich die antikapitalistische Stimmung der Nachkriegszeit unter breiten Bevölkerungskreisen, insbesonders unter den Arbeitslosen, den Proletariern und den Mittelschichten, zunutze, und ließ ihre Propagandaredner wacker gegen den "Mammonismus" zu Felde ziehen. Das war eine gezielte Aktion, um sich den Massen als wirksamer Faktor gegen das Großkapital anzubieten. Dabei waren die Reform Vorschläge, die die Hitlerpartei offerierte, gewollt unscharf formuliert. Überhaupt entbehrte die sozialpolitische und ökonomische Propaganda der Hitlerfaschisten der Geisteshöhe anderer Anwälte des Monopolkapitals. Die sowjetische Gelehrte M. N. Smit hat völlig recht, wenn sie bemerkt, daß zwischen den Wegbereitern des Faschismus, darunter verschiedenen bürgerlichen Ökonomen, und den faschistischen Ideologen selbst ein Gefälle im Niveau zu verzeichnen ist. Die reaktionäre Politökonomie, der Wegbereiter des Faschismus, haltein ihren Konstruktionen noch etwas Scheinwissenschaftliches aufrecht, wolle ihre "Theorien" in einer pseudowissenschaftlichen Form vermitteln, indem sie in ihren Darlegungen eine bestimmte Folgerichtigkeit wahrt, meinte M. N. Smit. Dies alles erscheine den faschistischen "Weisen" bereits als überflüssig. Ihnen seien nicht nur eventuelle Konstruktionen Uber ursächliche Zusammenhänge und wissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten fremd, sie würden auch konsequent die 27
scheinwissenschaftliche Form der Darlegung verwerfen.
Wir können dieser Meinung
nur beipflichten. Die Hitlerfaschisten haben keine ernsthaften Beiträge zur ökonomischen Theorie geliefert, sondern lediglich in pseudowissenschaftlicher Form über ökonomische Probleme argumentiert. Die Bezeichnung "ökonomische Theorien" wäre für die Äußerungen in den 28 Traktaten der zuständigen Sprecher der NSDAP völlig fehl am Platze. Die Primitivität der Argumentation verhinderte nicht ihren Erfolg. "Die eklektizistische, reaktionäre Ideologie der Nazis wurde zu einem überaus gefährlichen Instrument zur I r r e führung der Volksmassen. Die Hitlerfaschisten verstanden besser als jede andere rechtsextremistische Gruppe, daß die Errichtung einer faschistischen Diktatur einer festen Stütze in den Massen des Volkes bedurfte. Die Nazis verstanden am besten, welche Bedeutung einer massiven sozialen und nationalen Demagogie sowie einer radikalen Praxeologie beizumessen war. Deshalb machten sie vor allem den Kleinbürgern und Bauern, aber auch den Arbeitern lügnerische Versprechungen, die ebenso inhaltlos waren wie ihre Forderung nach Brechung der Zinsknechtschaft . Dabei bezogen die Nazis sich auf die tatsächliche Notlage des Volkes, auf das tatsächliche Elend der Erwerbslosen und auf die tatsächliche Existenzangst der von der Krise bedrohten kleinbürgerlichen Schichten und erreichten 29 damit, daß viele ihren Versprechungen Glauben schenkten." 17
Mit der beginnenden Konjunktur und der Festigung des Weimarer Staates in der Periode der relativen Stabilisierung war die Bedeutung der NSDAP gesunken. In der Reichstags30 wähl vom 7. Dezember 1924 erhielten die Faschisten nur 900 000 Stimmen. Als die Wirtschaftskrise in Deutschland nie gekannte Ausmaße annahm, kam die Hochkonjunktur der Faschisten. "Weil die Nazis mit der Wirksamkeit rückschrittlicher Auffassungen in großen Teilen des deutschen Volkes rechneten, 31 konnte ihre Demagogie wirksam werden und ihre Ideologie sich rasch verbreiten." Die NSDAP erhöhte ihre Zahl der Wahlstim32 men von 810 000 im Jahre 1928 auf 6,4 Millionen Stimmen am 14. September 1930. Die Anfänge der NSDAP gehen auf die Zeit unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg zurück. Der erste "HausÖkonom" der Hitlerpartei, der für jene Propaganda in der Frühzeit der deutschen Faschistenbewegung weitgehende Privilegien besaß, war der in den zwanziger Jahren sehr exponierte Faschist Gottfried Feder. Wie ein Hitler-Biograph, der englische Historiker A. Bullock, berichtete, war G. Feder bereits "ein in München recht bekannter 33 Wirtschaftsphantast", als ihn Hitler im Jahre 1919 kennenlernte. Hitler, der damals als sogenannter "Bildungsoffizier" des Nachrichtenbüros der Politischen Abteilung in der bayrischen Armee den Auftrag hatte, Soldaten von sozialistischen, pazifistischen und demokratischen Ideen abzuhalten, begegnete Feder auf einem politischen Lehrgang der Reichswehr und als Redner der sogenannten "Deutschen Arbeiterpartei", die Hitler als
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siebentes Mitglied in ihren Ausschuß aufnahm. Der Ingenieur G. Feder, der im Jahre 1917 einen "Deutschen Kampfbund zur Brechung der Zinsknechtschaft" gegründet hatte, gilt als der eigentliche Verfasser34der wichtigsten Programmschriften der NSDAP. Feder forderte 1919 in einem Manifest die "Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes", die e r als "Radikalmittel zur Gesundung der leidenden Menschheit" anpries. Feder zieht gegen den "Mammonismus" zu Felde, unter dem e r sowohl "internationale Ubergewaltige Geldmächte, überstaatliche Finanzgewalt, das internationale Großkapital" versteht wie auch eine unsittliche Geistesverfassung, eine unersättliche Erwerbsgier und die "rein aufs Diesseitige gerichtete Lebensauffassung". Feder sieht als Hauptquelle dieses Mammonismus den "mühe- und endlosen Güterzufluß, der 35 durch den Zins geschaffen wird". Das Federsche "Manifest" muß als ein Versuch gewertet werden, mit Hilfe einer pseudo-revolutionären Phraseologie der marxistischen Arbeiterbewegung Konkurrenz zu machen. Bezeichnenderweise schließt die Schrift mit den Worten "Reicht mir die Hände, 36 Werktätige aller Länder, vereinigt Euch!". Feder operiert mit Begriffen und Phrasen wie "Weltrevolution", "Befreiung der schaffenden Arbeit", "Sozialismus" und sucht den Eindruck zu erwecken, für eine radikale Veränderung der Gesellschaftsordnung einzutreten. Unter Beibehaltung des Privateigentums im allgemeinen soll ein Eingriff in eine 18
bestimmte Sphäre des Privateigentums erfolgen, und mit dieser Zerstörung nur einer der Bastionen der Großbourgeoisie, die Feder für die wesentliche hält, verspricht er die Kurierung aller sozialen Gebrechen der modernen Gesellschaft. So meint Feder, daß man alle Steuern abschaffen könnte. Die Einkünfte aus den Staatsbetrieben, wie z.B. Post, Eisenbahn, staatliche Forsten und Bergwerken wären ausreichend, um die Verwaltungsausgaben des Staatshaushalts zu decken, wenn diese Einkünfte nicht länger dazu verwendet werden würden, dem "Großkapital" Tribut zu zahlen. Um die Staatsschuld zu tilgen, schlägt Feder vor, alle Kriegsanleihen, Schuldtitel des Reiches und der Bundesstaaten sowie alle Schuldverschreibungen der Verwaltungen unter Aufhebung der Zinspflicht zu gesetzlichen Zahlungsmitteln zu erklären, alle festverzinslichen Papiere, Pfandbriefe, Industrieobligationen, Hypotheken usw. in 20 bis 25 Jahren zinslos zurückzuzahlen und das gesamte Geld- und Kreditwesen zu monopolisieren. Um der Gefahr der Inflation entgegenzutreten, soll eine Einziehung von Vermögen in Form einer differenzierten Abgabe der oben erwähnten Verbindlichkeiten des Reiches und der Länder erfolgen. Das Federsche "Manifest" enthält bereits wesentliche Züge der Ideologie der später gegründeten NSDAP. Mit der Behauptung, daß sich die "Nationalisierung in Rußland" bereits als ein Fehlschlag erwiesen habe und daß nur "blutiger Terror, gestützt auf chinesische und lettische Söldnerscharen, die roten Diktatoren vor der Rache des enttäuschten Volkes 37 zu schützen vermag",
betreibt er das Geschäft des Antibolschewismus. Auch der Anti-
semitismus ist, vorläufig noch in vorsichtigen Äußerungen, enthalten. So meint er, daß die Entwicklung in Deutschland den gleichen Weg nehmen werde, wenn man u.a. weiterhin "Angehörige einer dem deutschen Volke im innersten wesensfremden Rasse in der Regierung belasse". 38 Feder tritt als Radikaler auf und gibt vor, weiterzugehen als die Marxi39 sten, die den Zins nicht angetastet hätten. Jedoch spricht er sich gleichzeitig gegen die Antastung des Privateigentums überhaupt aus. "Die Brechung der Zinsknechtschaft", so betont er, hätte "nicht das geringste mit unserer gesamten wertschaffenden Arbeit zu tun, insofern, als dem Unternehmergeist, der schaffenden Arbeit, der Erzeugung von 40 Gütern, dem Erwerb von Reichtum in gar keiner Weise ein Hemmnis bereitet w i r d . . . " "Der Gedanke will eine geschlossene Front der ganzen werktätigen Bevölkerung herstellen, vom besitzlosen Arbeiter, der - wie wir gesehen haben - sehr kräftig im Wege der indirekten Steuer für die Befriedigung des Leihkapitals herangezogen wird, über die gesamte bürgerliche Schicht der Beamten und Angestellten, des bäuerlichen und kleingewerblichen Mittelstandes hinweg . . . bis weit hinaus zu den führenden Köpfen, Erfindern und Direktoren unserer Großindustrie, die allesamt und sonders mehr oder weniger in den Krallen des 41 Großleihkapitals stecken..." Die "Voll-Sozialisierung" bedeute den wirtschaftlichen Untergang, den völligen Staatsbankrott, daher mtlsse nicht Vergesellschaftung, sondern 19
E n tgesellschaftung die Losung sein.
42
Arbeiter und Arbeitgeber gehörten zusammen,
sie hätten das gleiche Ziel, und die selbstverständlichen Gegensätze zwischen ihnen, die rein menschliche Gegensätze wären, seien viel weniger wichtig als das gemeinsame große Interesse von Arbeltgeber und Arbeitnehmer. Diese Gegensätze könnten auf dem Weg des Betriebsvertrages und der Betriebsorganisation zur beiderseitigen Befriedigung gelöst J
4 2
werden. Somit richtet sich das Federsche Programm auch gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung, der die Schuld an dem Elend des Volkes zugeschoben wird, weil sie trügerische Hoffnungen erweckt habe, den Klassenfrieden nicht bringe und keine Arbeit beschaffen könne Die Federsche Zins- und Steuerpolemik ist Uberhaupt nur durch die Klassenkampfsituation jener Zeit erklärlich. Feder tritt mit seiner Konzeption an die Öffentlichkeit, als die Arbeiterklasse in der Novemberrevolution eine empfindliche Niederlage erlitten hatte, die politische Atmosphäre aber noch recht erhitzt war. Der brutale Terror der Konterrevolution fand seine taktische Ergänzung durch sozialpolitische Zugeständnisse und soziale Demagogie. Feder gehörte zu den Vertretern der Reaktion, die den Haß der werktätigen Schichten auf einen T e i l des Kapitals unter ausdrücklicher Betonung der N o t w e n d i g k e i t der Beibehaltung des Kapitalverhältnisses lenken. Hinter der dilettantisch vorgetragenen Polemik gegen den Zins schimmert unter anderem eine Aversion gegen das Wucherkapital durch. Und wer gegen den Wucherzins wetterte, konnte unbedingt auf offene Ohren breitester Bevölkerungskreise rechnen, in denen der Wucher als unmoralisch verurteilt wurde. Wuchern gilt allgemein als eine antisoziale Handlung, da der Angriff auf das Vermögen des Schuldners, den dieser Vorgang beinhaltet, in seiner äußeren Form legitim, aber gleichzeitig unter Ausnutzung einer Zwangslage des Schuldners vor sich geht. Im Jahre 1919 war fast das ganze deutsche Volk in der Situation des Schuldners, der in seiner Zwangslage durch ausländische und inländische Gläubiger erpreßt wurde. Als einer der wichtigsten Gläubiger erschien dem DurchschnittsbUrger neben den Siegermächten, die auf die Zahlung von Reparationen und Kriegsschulden drängten, der deutsche Staat mit seiner unersättlichen Forderung nach Steuern und anderen Abgaben. Die Beschneidung staatlicher wie privater Forderungen an den Staatsbürger und Konsumenten war eine äußerst populäre Losung, die Feder benutzte, um einen politischen Effekt zu erzielen. Übrigens haben selbst die europäischen Regierungen in der Nachkriegszeit den Unmut Uber hohe Belastungen auf einen Teil der Unternehmerschaft abzulenken verstanden. Dazu schrieb Keynes im Jahre 1919: "Durch fortgesetzte Inflation können Regierungen sich insgeheim und unbeachtet einen wesentlichen Teil des Vermögens ihrer Untertanen aneignen. Auf diese Weise konfiszieren sie nicht nur, sondern sie tun es auch w i l l k ü r l i c h , während viele arm werden, werden einige in der Tat reich... Diejenigen, denen das 20
und
System über Verdienst und sogar über Ihre Erwartung oder Ihre Wünsche hinaus Gewinn bringt, werden Kriegsgewinner und sind der Bourgeoisie, die durch die Inflation arm geworden ist, nicht weniger verhaßt als dem Proletariat... Doch jetzt, da der Krieg vorUber ist, setzen die meisten (Regierungen) . . . aus Schwachheit den gleichen Mißbrauch fort. Darüber hinaus aber versuchen die europäischen Regierungen, unter denen viele gegenwärtig ebenso wahllos in ihren Mitteln wie schwach sind, die Empörung des Volkes Uber die mehr und mehr an den Tag tretenden Folgen ihrer Mißherrschaft auf eine als Kriegs44
gewinner bekannte Klasse abzulenken." Feder gehörte zu den Autoren, die gleichfalls das Feuer auf einen mißliebigen Teil der Bourgeoisie richten, ohne das kapitalistische System insgesamt in Frage zu stellen. In der Folgezeit wird die Federsche Konzeption in die Phraseologie der sich formierenden NSDAP Übernommen. Adolf Hitler hatte in seiner autobiographischen Schrift berichtet, daß ihm Feders Konzeption als eine geeignete Ergänzung seines Programms gegen den Marxismus, die parlamentarische Demokratie, das "Judentum", den Pazifismus und den Versailler Friedensvertrag erschien. Hitler, der sich wenig Gedanken um die sozialökonomischen Aspekte gesellschaftlicher Erscheinungen machte, begrüßte das Federsche Elaborat enthusiastisch als Bereicherung seiner eigenen Vorstellungen, wie er sonst nur selten fremden Ansichten huldigte. So schrieb er in "Mein Kampf": "Den Unterschied dieses reinen Kapitals als letztes Ergebnis der schaffenden Arbeit gegenüber einem Kapital, dessen Existenz und Wesen ausschließlich auf Spekulation beruhen, vermochte ich früher noch nicht mit der wünschenswerten Klarheit zu erkennen. Es fehlte mir hierzu die erste Anregung, die eben nicht an mich herankam. Dieses wurde nun auf das gründlichste besorgt von . . . Gottfried Feder. Zum ersten Male in meinem Leben vernahm ich eine prinzipielle Auseinandersetzung mit dem internationalen Börsen- und Leihkapital. Nachdem ich den ersten Vortrag Feders angehört hatte, zuckte mir auch sofort der Gedanke durch den Kopf, nun den Weg zu einer der wesentlichsten Voraussetzungen zur Gründung einer neuen Partei gefunden zu haben. Das Verdienst Feders beruhte in meinen Augen darin, mit rücksichtsloser Brutalität den ebenso spekulativen wie volkswirtschaftlichen Charakter des Börsenund Leihkapitals festgelegt, seine urewige Voraussetzung des Zinses aber bloßgelegt zu haben. Seine Ausführungen waren in allen grundsätzlichen Fragen so richtig, daß die Kritiken derselben von vornherein weniger die theoretische Richtigkeit bestritten, als vielmehr die praktische Möglichkeit ihrer Durchführung anzweifelten. Allein was so in den Augen anderer eine Schwäche der Federschen Darlegungen war, bildete in den meinen ihre Stärke. Die Aufgabe des Programmatikers ist nicht, die verschiedenen Grade der Erfüllbarkeit einer Sache festzustellen, sondern die Sache als solche klarzulegen; das heißt: er hat sich weniger um den Weg als das Ziel zu kUmmern."
45
Hitler gibt auch unumwunden 21
zu, weshalb ihm Feders Thesen zur Vervollständigung seiner eigenen Ansichten besonders geeignet erscheinen. Sie lassen die Möglichkeit zu, nur jenen bestimmten, in den Augen der Volksmassen besonders diskreditierten Teil des Kapitals polemisch anzugreifen und dabei gleichzeitig einen anderen Teil des Kapitals propagandistisch aufzuwerten. "Als ich den ersten Vortrag Gottfried Feders über die Brechung der Zinsknechtschaft anhörte, wußte ich sofort, daß es sich hier um eine theoretische Wahrheit handelt, die von immenser Bedeutung fUr die Zukunft des deutschen Volkes werden müßte. Die Scheidung des Börsenkapitals von der nationalen Wirtschaft bot die Möglichkeit, der Verinternationalisierung der deutschen Wirtschaft entgegenzutreten, ohne zugleich mit dem Kampf gegen das Kapital 46 Uberhaupt die Grundlage einer unabhängigen völkischen Selbsterhaltung zu bedrohen." Diese demagogische Variante eines Feldzuges gegell das Leihkapital war damals übrigens keine Einzelerscheinung. Seit 1920 wurden im "Reichswart" des Grafen E. zu Reventlow zahlreiche Aufsätze veröffentlicht, die auf der gleichen Ebene lagen. Auch Rudolf Jung, Faschistenführer in der Tschechoslowakei, hat in seiner Schrift "Der nationale Sozialismus" der Polemik gegen Zinswucher und Bodenspekulation besonderen Raum gewidmet. "Der deutsche Kampfbund zur Brechung der Zinsknechtschaft", von Feder wurde e r als "Wegbereiter für den Nationalismus in finanz- und wirtschaftlicher Beziehung" bezeichnet, ging später ganz in der NSDAP auf. Sein Organ, die Zeitschrift "Finanz- und Geldsachen" wurde mit dem Hinweis eingestellt, daß der "Völkische Beobachter", das Organ der NSDAP, inzwischen genügend ausgebaut sei. Im Februar 1920 stellte der Soldatenspitzel Adolf Hitler mit dem Gründer der Partei Anton Drexler und Gottfried Feder das Programm der Partei auf, die sich von hier an "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei" nannte. Es war ein 25-Punkte-Programm, das neben seinen nationalsozialistischen Forderungen ("Zusammenschluß aller Deutschen", "Aufhebung der Friedensverträge von Versailles und St. Germain", "Wir fordern Kolonien") seiner antisemitischen und ausländerfeindlichen Note auch soziale Aspekte enthielt. So hieß es z.B. darin: "Alle Staatsbürger müssen gleiche Rechte und Pflichten besitzen. Die Tätigkeit des Einzelnen darf nicht gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen . . . Daher fordern wir: Abschaffung des Arbeits- und mühelosen Einkommens, Brechung der Zinsknechtschaft, . . . restlose Einziehung aller Kriegsgewinne, Verstaatlichung aller bereits vergesellschafteten Betriebe, Gewinnbeteiligung an Großbetrieben, . . . sofortige Kommunalisierung der Großwarenhäuser und ihre Vermietung zu billigen Preisen an kleine Gewerbetreibende . . . Bodenreform, Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichen Enteignung von Boden für gemeinnützige Zwecke. Abschaffung des Bodenzines und Verhinderung 47 jeder Bodenspekulation..."
22
Die Folgezeit lieferte zahlreiche Beweise sowohl für die Tatsache, daß es der Clique um Hitler niemals ernsthaft um die Erfüllung der sozialen Forderungen des eigenen Programms ging, sondern um die Gewinnung von Anhängern mit Hilfe dieses demagogischen Programms, als auch für die Tatsache, daß es unter den faschistischen Führern Auseinandersetzungen um die Auslegung dieser Programmpunkte gab und sich ein nicht geringer Teil der Mitgliedschaft der Partei wegen dieser Forderungen trügerischen Hoffnungen hingab. Hitler hatte in seinen Heden Anfang der zwanziger Jahre das "Wohlergehen des Volkes" mit dem Sozialismus identifiziert, und diese Phrase paßte in seine Pläne, Macht zu erringen. Auf diese Weise wurde der Hitlersche "Sozialismus" mit einem extremen Nationalismus identifiziert. Folgerichtig nahm Hitler in seine Partei demoralisierte Elemente aller Klassen und Schichten der Bevölkerung auf. Das Programm der NSDAP darf nicht einmal zum Zeitpunkt seines Entstehens als eine klare Orientierung auf das Ziel der Hitlerpartei angesehen werden, sondern lediglich als ein Lockmittel, ein Instrument, um zu einer "Gefolgschaft" zu kommen. Gottfried Feder blieb es überlassen, dieses Programm mundgerecht zu servieren. Während andere Hitleranhänger in ihren Propagandareden nur gelegentlich oder gar nicht auf die Programmpunkte zurückkamen, bestätigte sich Feder wiederholt als Kommentator der ökonomischen Teile des Programms. Wichtigstes Merkmal des Kommentars zu den ökonomischen Programmforderungen, die Feder schon im September 1923, also noch vor dem Hitlerputsch im November 1923 verfaßte, ist die Betonung, daß die Hitlerpartei das Privateigentum nicht antaste, sondern seine "Bedeutung voll und ganz anerkenne".^^ Beeilten sich die Faschisten mit der Versicherung, das Privateigentum nicht anzutasten, so war der Angriff auf das Eigentum bestimmter Bevölkerungsgruppen, z . B . das der jüdischen, ein ins Auge fallender Widerspruch. Die Hitlerpartei hat sich in ungleich stärkerem Maße den Antisemitismus zu eigen gemacht, als er im Federschen Manifest von 1919 verankert war. Um den Eingriff in das Eigentum von jüdischen deutschen Bürgern zu rechtfertigen, konstatiert Feder einen "sehr feinen Unterschied zwischen Eigentum und Besitz", d.h. zwischen Eigentum der Nichtjuden und Besitz jüdischer Bürger: "Besitz muß gar nicht notwendigerweise Eigentum sein, es muß Besitz nicht selbsterschaffen sein. Beim Besitz wird nicht mehr nach der Herkunft des Besitzes gefragt. Der Jude hat vom Eigentum der arischen Völker Besitz ergriffen 49 und beherrscht nun die Schöpfer durch seine Geldmacht." So paßt Feder schließlich das Gelöbnis, das Privateigentum nicht anzutasten, dem antisemitischen Dogma seiner Partei an und erreicht mit diesem Kunstgriff gleichzeitig, 23
daß den Besitzlosen und Besitzgierigen unter den Anhängern der Hitlerpartei die Fleischtöpfe reicher jüdischer Bürger in Aussicht gestellt werden. Im großen und ganzen muß das Federsche Elaborat als utopisch und primitiv betrachtet werden. Utopisch ist es deshalb, weil es nicht möglich ist, den Kapitalismus erhalten zu wollen und für die für ihn lebenswichtigen Attribute, wie Zins und Staatsanleihe, zu amputieren. Feder ist von der Großartigkeit seiner Leistung überzeugt. Er glaubt nicht nur, Karl Marx überwunden zu haben, sondern schmäht auch die zeitgenössischen bürgerlichen politischen Ökonomen. Das, was wir heute Nationalökonomie nennen würden, so schreibt er, sei nur eine privatkapitalistische Anweisung zu persönlicher Bereicherung und ein großangelegter Begründungsversuch für die wucherkapitalistische Ausraubung der schaffenden Völker. Es sei bemerkenswert, daß sich unter den Dozenten der Nationalökonomie 50 ein überaus großer Prozentsatz von Juden befinde.
Im übrigen macht er den zünftigen
National Ökonomen den Vorwurf, daß das A und O ihrer volkswirtschaftlichen Weisheit die Gegnerschaft gegen das Zinsbefreiungsproblem s e i . 5 1 Für die Primitivität, mit der Feder an die Auseinandersetzung mit ökonomischen Problemen geht, hier ein Beispiel. So schreibt er über den Kredit: "Der wahre Sinn des Kredites, des Glaubens an die größere wirtschaftliche Tüchtigkeit eines anderen ist doch der, daß der Besitzer von erspartem Gelde sich nicht in der Lage sieht, selbst sein Geld nutzbringend zu verwenden, er sieht sich daher nach jemandem um, zu dem er das Vertrauen haben kann, daß er diesem sein Geld anvertrauen kann und der ihm die Gewähr bietet, daß er ihm seine Ersparnisse nach Bedarf auch wieder voll und ungeschmälert zurückgibt. Mit dieser Zurückgabe des geliehenen Geldes ist Leistung und Gegenleistung abgeschlossen und ein eigener Anspruch auf eine besondere Vergütung kann weder sittlich noch wirtschaftlich begründet werden." 5 2 Hier wird der Zins als eine unsittliche und überflüssige Forderung interpretiert. Zu glauben, die Kapitalanleihe wäre unter kapitalistischen Bedingungen ohne Zins möglich, bleibt tatsächlich reine Phantasterei. Der Zins ist das natürliche Attribut eines Wirtschaftssystems, das das Kapitalsverhältnis zu seiner Grundlage hat. Ein Eigentümer einer Geldsumme hat die Macht, den Zins, einen gewissen Teil des durch sein Kapital produzierten Profits, an sich zu ziehen. Gäbe er die Geldsumme nicht einem anderen, so könnte dieser andere nicht mit dieser Geldsumme als Kapitalist fungieren und den Profit nicht produzieren. Wie Marx dazu bemerkt, beruht die "Gerechtigkeit der Transaktionen, die zwischen den Produktionsagenten vorgehen, darauf, daß die Transaktionen aus den Produktionsverhältnissen als natürliche Konsequenz entspringen". Die juristischen Formen, nach denen die ökonomischen Handlungen als Willenshandlungen der Beteiligten erscheinen, "können als bloße Formen diesen Inhalt nicht bestimmen. Sie drücken ihn nur aus. Dieser Inhalt 24
ist gerecht, sobald er der Produktionsweise entspricht, ihr adäquat i s t . "
53
Im "Deutschen Staat", einer späteren Schrift Feders, sind mehrere Aspekte bemerkenswert. So z.B. die Weiterführung der schon im Federschen "Manifest" enthaltenen sozialen Demagogie. Feder führt eine Polemik gegen den "volkswirtschaftlichen Widei^lnn der kapitalistischen Idee der Rentabilität", nach der nicht das, was notwendig war, produziert 54
wurde, sondern das, was sich "rentierte".
Der bisherigen Praxis stellt er die Forderung
gegenüber, daß das, was sich der Mensch erschaffe, auch sein eigen sein solle. Als Hemmnis zur Verwirklichung muß der Antisemitismus herhalten. Dem schaffenden55Geist stehe der raffende, räuberische Geist gegenüber, dessen Träger die Juden seien.
Immer wie-
der taucht der unsinnige Vorwurf auf, der Jude habe sich von der Produktion ferngehalten, so, als ob dies auf freien Entschluß hin geschehen sei. Feder hat sich jetzt völlig auf den Rassismus der Hitlerpartei festgelegt. Auch in der Frage der Apologie des Privateigentums wird im "Deutschen Staat" die Argumentation völlig im Sinne des Programms der Hitlerpartei geführt. Während die prophetische Ankündigung, daß . . . ein "neues Wirtschaftsrecht entstehen und die grauenhafte zinskapitalistische Wirtschaftsform wegfegen und damit den Kern der sozialen Frage lösen wird", noch der Köder für die besitzhungrigen Anhänger ist, denen ein "neues Eigentumsrecht" in Aussicht gestellt wird, werden gleichzeitig die Besitzenden beruhigt. Daher heißt es, der Nationalsozialismus schließe "keineswegs das Privateigentum aus. Im Gegenteil. 56 Der Nationalsozialismus erkennt die Bedeutung des Eigentums voll und ganz an." "Alle Arten von Sozialisierung oder Nationalisierung im marxistischen Sinn lehnt der 57
Nationalsozialismus ab."
Das ist nicht nur für die Kleineigentümer formuliert worden,
sondern auch für die Großbourgeoisie, denn es heißt weiter, daß "es für die Anerkennung des Privateigentums ganz bestimmte Grenzen zu ziehen gibt, nämlich da, wo übergroßer Besitz zum Machtinstrument wird und sich in ausbeuterischer Weise gegen das Wohl der 58
Gesamtheit wendet".
Aber . . . "daß diese Grenze nach oben für das Eigentum sehr hoch
gezogen werden kann, geht daraus hervor, daß der Nationalsozialismus auch größte industrielle Werke, solange sie im Privatbesitz der Schöpfer bleiben (wir denken an Krupp, Mannesmann, Thyssen) usw., keineswegs als den Interessen der Gesamtheit zuwiderlaufend ablehnen wird, besonders dann nicht, wenn die Besitzer dieser großen Werke Empfinden und Verständnis für die sozialen Fragen haben, und die richtigen Grenzen zu finden wissen zwischen eigenen angemessenen Gewinnen aus der Produktion, einer auskömmlichen Preisgestaltung für den Absatz und die Bedarfsdeckung der Volkswirtschaft und einer entsprechenden und würdigen Form der Teilnahme der Arbeiterschaft an den Erträgnissen 59
der Werke."
Man habe keine Ursache, "Uber unser Unternehmertum vor dem Kriege
besondere Klage zu führen. Männer wie Alfried Krupp, Mannesmann, Werner Siemens, 25
Thyssen, Borsig, Krauß, Maffei usw." hätten sich in sozialer Hinsicht einen Ehrenplatz in der Geschichte der deutschen Industrie gesichert, weil sie nicht von einseitigem Gewinn60
streben beherrscht gewesen seien.
Es liege zwar eine Gefahr in der Tendenz zum Groß-
betrieb, weil die Beherrschung des Marktes und die Preisdiktatur durch die Syndikate drohe, jedoch könnten gewisse Industrien eben nur als Großbetrieb wirklich wirtschaftlich arbeiten. Es gäbe daher keine Veranlassung, beispielsweise in der Schwerindustrie grundlegende Änderungen anzustreben. Das ist deutlich genug. Nicht die Bourgeoisie schlechthin hat um ihren Besitz zu fürchten, wenn die Hitlerpartei zur Macht kommt, sondern allenfalls ein paar judische Bourgeois, denen die Schuld an Mißwirtschaft, sozialer Ungerechtigkeit und Nachkriegsfolgen in die Schuhe geschoben wird. So suchen die deutschen Faschisten einer Alternativlösung zu entgehen; denn ihr Programm enthält nicht ein pro und contra für das Privateigentum der nichtjüdischen Bevölkerung, sondern genau genommen ein pro für das Privateigentum der nichtjüdischen Bevölkerung und ein Vogelfreierklären erst der jüdischen Person, schließlich auch der Sachwerte jüdischer Bürger. Die "grundsätzliche Anerkennung des Privateigen61
tums sei zutiefst verankert in der klaren Erkenntnis arischer Geistesstruktur."
Mit der
zweiten Seite dieser Stellung zum Privateigentum sollten nicht nur die emotionalen Haßempfindungen der Werktätigen von den Ausbeuterklassen schlechthin auf einen Bevölkerungsteil gelenkt werden, deren Außenseiterstellung biologisch erklärt wurde, sie wurde faktisch auch zur Reserve an Sachwerten und Dienststellungen zur inländischen Befriedigung der Raubgelüste und Geltungsbedürfnisse der Parteigänger. Feder bleibt bis 1933 die entscheidende Autorität innerhalb der NSDAP in ökonomischen Fragen. Seine Hauptschrift "Der deutsche Staat auf nationaler und sozialer Grundlage. Neue Wege in Staat, Finanz und Wirtschaft" erscheint erstmalig 1923 und erlebt mehrere Auflagen. Andere Publikationen modifizieren nur die darin enthaltenen Ansichten. In der Schrift "Der Staatsbankrott die Rettung" suchte er die "Torheit" des staatlichen Anleihewesens aufzuzeigen. Er wies dort auf die unzähligen Steuergesetze hin, die die Lebenshaltung der breiten Massen verteuern würden und "deren Ergebnisse restlos für den Zinsendienst verwendet werden" müßten. In einer ähnlichen Veröffentlichung unter dem Titel "Der kommende Steuerstreik" wollte Feder an Hand der Hochflut von Steuergesetzen aus den Jahren 1920 und 1921 und des Reichshaushalts von 1918 nachweisen, daß "die gesamte Finanzverwaltung des Reiches und der Staaten restlos in den Zinsendienst für das Großleihkapital eingespannt ist." Nach der Meinimg von Feder, die er in seiner Schrift Uber den "Staatsbankrott" vertritt, könnte die Einstellung der Zinszahlung aus den öffentlichen Anleihen unter gleichzeitiger Umwandlung der Anleihetitel in zinsloses Bankguthaben Staat und Volk aus seiner zinspflichtigen Verschuldung befreien. 26
Wirtschaftliche Probleme berührten vor 1933 noch eine ganze Anzahl von Faschisten in ihren Propagandaschriften, so z . B . O. Bongart ("Gold oder Blut"), H. Dräger ("Arbeitsbeschaffung durch produktive Kreditschöpfung"), A. Herrmann ("Verstaatlichung des Giralgeldes"), F . Hildebrandt ("Nationalsozialismus und Landarbeiterschaft"), F . Hochstetter ("Leihkapital und Goldwährung als Grundlagen der Geldversklavung in Deutschland"), F . Lawaczeck ("Technik und Wirtschaft im dritten Reich"), E. Schach ("Nationalsozialismus und Genossenschaftswesen") und V. Silesius ("Wirtschaftschaos oder geordnete Volkswirtschaft"), um nur einige von ihnen zu nennen. Im Zusammenhang mit unserem Thema verdienen jedoch neben G. Feder nur noch H. Buchner, M. Frauendorfer und G. Strasser näher betrachtet zu werden. Buchners "Grundriß einer nationalsozialistischen Volkswirtschaftstheorie" hatte im Jahre 1933 bereits die 5. Auflage erlebt. Buchner hatte seine politischen Ansichten bereits in den Schriften "Die goldene Internationale. Vom Finanzkapital, Tributsystem und seinen Trägern", "Die sozialkapitalistischen Konsumvereine" und "Warenhauspolitik und Nationalsozialismus" publiziert. H. Buchner lieferte 1928 mit seiner Hetzbroschüre "Dämonen der Wirtschaft" ein Musterbeispiel von Demagogie. E r konstruierte darin "Porträts" von jüdischen Unternehmern und "schilderte", wie die ahnungslosen und fleißigen "Arier" von 62
den raffgierigen, sadistischen jüdischen Dämonen der Wirtschaft ausgebeutet wurden. Sein "Grundriß" ist von besonderem Interesse, weil hier, im Gegensatz zu Feder, der Versuch unternommen wird, eine Theorie unter Anknüpfung an die ältere deutsche Vulgärökonomie aufzustellen. Was Buchner an "Theorie" zu bieten hat, ist allerdings keineswegs originell, ein großer Teil seiner Ausführungen erschöpfen sich in Anklagen an die zeitgenössische ökonomische Ordnung, in unqualifizierten Angriffen auf den Marxismus und in einer Propagierung der faschistischen Ideologie, wie man sie auch bei anderen faschistischen Predigern nachlesen kann. Doch Buchner, mit einem Doktortitel versehen und zu den Intellektuellen zählend, versucht, eine Brücke zwischen der alten Volkswirtschaftslehre und dem Federschen Wirtschaftsprogramm zu schlagen. Darin besteht seine Ausnahmestellung und dadurch ist sein "Grundriß" für uns besonders beachtenswert. Buchner ist leicht geneigt, die ältere bürgerliche Vulgärök onomieder Vaterschaft oder sonstiger Verwandtschaft des Marxismus anzuklagen. Deshalb findet er für sie oft harte 63 Worte. So wird den Physiokraten ihr Liberalismus vorgeworfen,, wird von Bicardoscher 64 Aufklärungsmanie gesprochen und die klassische Wertlehre als unwissenschaftlich dekla65 riert.
Die reaktionäre Bomantische Schule wird dagegen von Buchner auf den Schild ge-
hoben, und ihrem bedeutendsten Repräsentanten, Adam Müller, der zu Beginn des 19. J a h r hunderts die klassische bürgerliche politische Ökonomie vom Standpunkt der Feudalaristo27
kratie kritisierte, wird die zweifelhafte Ehre zuteil, als Vorläufer des deutschen Faschismus nominiert zu werden. So führt Buchner über A. Müller aus: "Er stellt die alten Begriffe der Familien- und Körperschaftsrechte in den Vordergrund, betont Zusammenhang und Einheit aller sozialen Elemente aus ihrer geschichtlichen Bestimmtheit, spricht dem Grundeigentum den Charakter des freien Privateigentums ab, stellt die Wechseldurchdringung der zunftmäßigen Körperschaften, die ökonomische Gegenseitigkeit von Gewerbe und Landwirtschaft in den Vordergrund, verwirft andererseits freien Wettbewerb und Gewerbefreiheit, sieht die Hauptgrundlage der Volkswirtschaft in einer Art nationalen, amtsmäßigen Arbeit innerhalb des gebundenen Eigentums korporativen Charakters. Seine Produktivitätslehre ist im Grunde nationalsozialistisch im eigentlichen Sinne des Wortes.
66
Erscheinen die Parallelen, die Buchner zwischen der polit-ökonomischen Romantik A. Müllers und den sozialen Losungen der deutschen Faschisten manchmal auch etwas weit hergeholt und konstruiert, so steht doch außer Frage, daß die Romantische Schule den faschistischen Demagogen manchen Anknüpfungspunkt geboten hat. Der Kampf gegen die liberalistische klassische Schule der bürgerlichen politischen Ökonomie und gegen den. Materialismus, die Hervorhebung der Rolle des Staates im Wirtschaftsleben, die Lehre vom "geistigen Kapital", die Staatsmännern, Beamten und Offizieren viel Schmeichelhaftes bot, und der Mystizismus haben genügend gemeinsame Standpunkte ergeben. A. Müller hatte das alte feudale Regime vor der Großen Französischen Revolution verteidigt. Die Feder und Buchner können aus seinem Vokabular vieles entnehmen, weil sie das historisch überlebte Regime der Monopolbourgeoisie gleichfalls gegen eine revolutionäre Bewegung verteidigen wollen. In der Interpretation von Buchner erscheint G. Feder, dervon ihm sehr häufig als Autorität zitiert wird, geradezu als der Adam Müller der Gegenwart. Neben A. Müller erhalten von den Ökonomen noch J . H. v. Thünen (wegen seiner Eingliederung aller Volkswirtschaftszweige und seiner reformistischen Lohntheorie), Friedrich List (wegen seiner Forderung nach "nationalpolitisch orientierter Raumwirtschaft") ein Sonderlob. Auch der Merkantilismus, wie Buchner ihn versteht, erhält wegen seiner "völkischen" Leistungen ein paar freundliche Worte.
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Im allgemeinen kehrt der Autor jedoch immer wieder zur Romantik zurück, sie ist für ihn die "beste geschichtliche deutsche Volkswirtschaftslehre", deren Wesenszüge im Wirtschaftsideal des Nationalismus wieder zutage treten würden.
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Büchner selbst definiert die "nationalsozialistische Volkswirtschaftslehre als staatspolitisch organisierte Gliederungsordnung der volksgenossenschaftlichen Gesamtlebensverrich68
tung".
Doch der Leser, der eine der Vulgärökonomie entsprechende polit-ökonomische
Abhandlung in der Hand zu halten glaubt, wird betrogen. Nur einer einzigen ökonomischen Kategorie wird im "Grundriß einer nationalsozialistischen Volkswirtschaftstheorie" Beachtung geschenkt, dem Wert. Die Art und Weise, in der das geschieht, unterscheidet sich jedoch kaum von der Methode, mit der der Autor anderen Problemen zu Leibe geht. Die Marxsche Wertlehre wird auf wenigen Zeilen von Buchner mit der unbegründeten Behauptung als unrichtig zurückgewiesen, daß Wert "an Streben, an ein Gewolltes, Geistiges, an Ziel und Zweck wesenhaft geknüpft" sei und "alle Leistungen des spezifischen Unternehmers, der Verwaltung, des Umsatzes, der Verteilung müßten als selbständige, miterzeugende 69 Elemente der Wertgewinnung anerkannt und in die Wertlehreeinbezogenwerden". Der Rest der Abhandlung besteht aus der Propagierung faschistischer Ideen, meist unter ausdrücklicher Berufung auf Feder; so bei der demagogischen Losung, daß sich das Privateigentum dem Gemeinwohl unterzuordnen habe; bei der Forderung nach Ausgabe zinsloser Gutscheine zur Finanzierung staatlicher Unternehmen und nach Vermeidung von Staatsanleihen, der Ablehnimg indirekter Steuern für Gebrauchsguter und Dienstleistungen, der Anpreisung einer Wohnungsbau- und Sozialversicherungspolitik, der Rechtfertigung des FUhrerprinzips in der Wirtschaft und ähnlichem. Einen besonderen Platz nimmt bei Buchner die Propagierung des Ständestaats ein. Die geistigen Anleihen hierzu sind unverkennbar bei dem faschistischen Italien Benito Mussolini und bei Othmar Spanns "universalistischer" Theorie aufgenommen worden. Das italienischfaschistische Korporationssystem faßte Unternehmerorganisationen und Gewerkschaften zum Zwecke der Abwürgung der Arbeiterbewegung in gemischten Organen zusammen. Die dazu geschaffenen Zentral- und Provinzkomitees sollten unter der Bezeichnung "Korporationen" alle Unternehmer-, Arbeiter- und übrigen Organisationen nach besonderen Pro70
duktionszweigen repräsentieren.
Buchner preist die italienische Praxis der Vereinigung
von Unterdrückung der Werktätigen mit sozialer Demagogie als "Verwirkliqhung eines nationalsozialistischen Grundgedankens, der berufen ist, eine Brücke zu schlagen zwischen Arbeit und Kapital, Maschine und Handarbeit, Alleinbetrieb und Körpersehaftswirtschaft, und der das Tor mit öffnet zum großen noch verschlossenen Gebiet der volksgemeinschaft71
liehen Sozialpolitik." Neben der ausdrücklichen Berufung auf die Praxis des Mussolini-Staates sieht Buchner außerdem noch den Spannschen "wahren Staat" als Vorbild für den zukünftigen deutschen faschistischen Staat an. Er Ubernimmt von Spann vor allem den "Ständestaaf'-Gedanken, dessen Gliederungsprinzipien der wirtschaftlichen Einheiten und Zusammenschlüsse
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sowiedessen Ansichten von der Vielfalt der Eigentumsformen, H. Buchners Ansichten Uber die berufsständische Ordnung wichen allerdings in einigen Details von der Auffassung M. Frauendorfers ab, der als der zuständige Parteiinterpret in dieser Frage galt. Wie H. Maier in seinem Buch über die katholische Soziallehre schreibt, sind "diese berufsständischen Ansichten nicht erst jüngeren Datums. Sie dienten bereits in der Periode des Aufstiegs der Bourgeoisie als ideologisches Kampfmittel der feudalen Reaktion. Die Klasseninteressen des Feudaladels forderten die Konservierung der bestehenden Klassenverhältnisse und fanden ihren ideologischen Ausdruck in der Verherrlichung der bestehenden Ständehierarchie. Die revolutionäre Bourgeoisie dagegen kämpfte für die Beseitigung der feudalen Ständeprivilegien, die immer mehr zu einem Hemmnis reibungsloser Mehrwertproduktion wurden. Es war daher auch nicht verweunderlich, wenn nach dem Sieg der kapitalistischen Produktionsverhältnisse die klerikalen Theoretiker gegen die kapitalistische Bürgerwelt, gegen die Welt der verlorenen Illusionen, gegen die Versachlichung und Verdinglichung der zwischenmenschlichen Beziehungen, gegen die zugespitzten sozialen Widersprüche protestierten, indem sie auf die angeblich idyllischen mittelalterlichen Verhältnisse hinwiesen. . . . Vor allem sahen die reaktionären Kleriker mit Sorge, daß sich unter den kapitalistischen Produktionsverhältnissen das P r o l e t a r i a t
entwickelte,
dessen
historische Mission in der Beseitigung der Bedingungen jeglicher Ausbeutung des Menschen durch den Menschen liegt... Um die mit der Entstehung des Totengräbers der bestehenden bürgerlichen Gesellschaftsordnung verbundene Gefahr für die Ausbeuterordnung paralysieren zu können, sei eine Gesellschaftsordnung vonnöten, verkündete ein großer Teil der klerikalen Sozialtheoretiker, die durch Zusammenschluß der isolierten Individuen und Familien der Atomisierung aller Volkselemente entgegenwirken und somit den Klassenkampf beilegen 72 könne." Mit Recht konnte Maier darauf verweisen, daß die berufsständische Ordnung, die einen 73 unverkennbaren Angriff auf die bürgerlich-parlamentarische Ordnung darstellt, sowohl 74 durch den italienischen Faschistenführer Benito Mussolini als auch durch die deutschen 75 Hitlerfaschisten proklamiert worden ist.
Wenn man sich die Bedeutung der Themen Ver-
sailles, Marxismus- und "Judentum" veranschaulicht, die die Agitatoren der NSDAP ihnen beimaßen, dann kommt man allerdings nicht umhin, festzustellen, daß das Thema Ständeordnung demgegenüber nur eine zweitrangige Rolle spielte. Die Frage liegt nahe, weshalb die Faschisten in ihrer Propaganda auf eine derartige Konzeption überhaupt zurückgriffen. Hitler selbst hatte die Sache in seinem Buch "Mein Kampf" fast gänzlich unerwähnt gelassen, was als ein Zeichen dafür angesehen werden kann, daß er ihr nur sekundäre Bedeutung beimaß. Lediglich im Zusammenhang mit der Erörterung des Verhältnisses der NSDAP zur Geweifeschaft kommt er einmal darauf zu sprechen. 30
Nach der Erklärung, daß e r gegen jeden Streik sei, sobald ein "nationalsozialistischer Staat" bestehe, führt e r aus: "Den Wirtschaftskammern selbst wird die Verpflichtung zur Inbetriebhaltung der nationalen Wirtschaft und zur Beseitigung von den diese schädigenden Mängeln und Fehlern obliegen. Was heute durch die Kämpfe von Millionen ausgefochten wird, muß dereinst in Ständekammem und im zentralen Wirtschaftsparlament seine Erledigung finden. Damit toben nicht mehr Unternehmertum und Arbeiter im Lohn- und Tarifkampf gegeneinander, die wirtschaftliche Existenz beider schädigend, sondern lösen diese Probleme ge76 meinsam an höherer Stelle . . . " Daß das erwähnte Wirtschaftsparlament keineswegs als eine demokratische Einrichtung zu betrachten sei, hatte Hitler zuvor unmißverständlich ausgedrückt, als e r erklärte, daß hinsichtlich wirtschaftlicher Belange selbst in den "beruflichen ständischen Kammern" nicht demokratisch verfahren werden 77 dürfe. "In keiner Kammer und in keinem Senat findet jemals eine Abstimmung statt." 78 Es ist sicher kein Zufall, daß sowohl die faschistische Mussolinipartei Italiens als 79 auch die Hitlerpartei auf den Ständegedanken der katholischen Kleriker zurückgriff. Für ein politisches Regime, das unter Wahrung der Interessen der Bourgeoisie einerseits mit sozialen Phrasen operierte, andererseits aber alle sozialistischen und demokratischen Regungen und Einrichtungen zu unterdrücken beabsichtigte, bot sich die berufsständische Ordnung, wovon das Korporationssystem der italienischen Faschisten eine Variante war, als eine Möglichkeit an, den beabsichtigten sozialökonomischen Veränderungen eine Form zu geben, die gedanklich bereits ausgearbeitet vorlag. Die berufsständische Ordnung war ein erzwungener "Frieden" zwischen den Klassen, und sie ermöglichte, den T e r r o r durch eine Demagogie zu verbrämen. Heuchlerisch konnte verkündet werden, daß Kapital und Arbeit durch Zusammenschluß "friedlich" zusammenwirkten. Der Faschist M. Frauendorfer brachte zum Ausdruck, daß der Berufsständegedanke, als er als 25. Punkt in das Parteiprogramm aufgenommen wurde, nicht dem Impuls der Parteimitglieder zufolge akzeptiert wurde, sondern von den Schöpfern des Programms aus pragmatischen Erwägungen einbezogen wurde: "Wohl die wenigsten werden sich aber am 24. Februar 1920 der Bedeutung bewußt gewesen sein, die in diesem Bekenntnis der jungen Bewegung zum ständischen Gedanken lag. Noch fehlten ja mehr als zwei Jahre an dem Zeitpunkt, zu dem Mussolini seinen Marsch auf Rom antreten sollte, um in der folgenden Zeit durch seine "Korporationen" und "Syndikate" mit der "Carta del Lavoro", der Verfassung der Arbeit, vom 21. April 1927 als Krönung der Welt ein großartiges Beispiel zu geben für die Gedanken, die die nationalsozialistische Bewegung mit untrüglichem Gefühl für die Zukunft zu den ihren gemacht hatte und die heute daran sind, sich als Lehre vom ständischen, 80 organischen Staate durchzusetzen."
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Man erhob also den Anspruch, den Ständegedanken zu einem Zeltpunkt in das Programm aufgenommen zu haben, als das italienische Beispiel in der Praxis noch nicht vorlag, und verhehlte gleichzeitig nicht die enge Verwandtschaft beider Konzeptionen. Frauendorfer gibt als Motiv für die Aufnahme des Ständegedankens folgendes an: "Überwindung der drei Erscheinungsformen des liberalistisch-marxietischen Systems: der Demokratie, des Pazifismus und des Kollektivismus . . . Aus diesen Grundgedanken heraus bekennen wir Nationalsozialisten uns zum organischen Staatsgedanken, zum ständischen Staate, 81
als der Ausdrucksform wahren Gemeinschaftslebens, und damit zum Soziallsmus." . . . "Der Nationalsozialismus will nicht nur die "Wirtschaftsdemokratie" ersetzen durch eine ständische Organisation der Wirtschaft, sondern er wird den demokratischen Gedanken überwinden durch den ständischen, in die Tat umgesetzt durch berufsständische Gliederung 82 des deutschen Volkes."
. . . "Das Leitmotiv aber für alle Stände muß in erster Linie sein
'miteinander' nicht 'gegeneinander' . . . " und durch Verwirklichung des Gemeinschaftsgedankens werde die "Gefahr ständischer Volks Zersplitterung und gegenseitiger Befehdung ausgeschlossen sein. Aber noch zu einer Aufgabe überragendster Bedeutung ist der ständische Aufbau berufen: der endgültigen Beilegung des latenten Kriegszustandes zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern , worin wohl einer der Hauptgründe der heutigen Volkszersplit83 terung zu sehen i s t . "
Diesen Klassenfrieden erreiche man "dadurch, daß man den lohn-
arbeitenden Menschen das erschütternde und entmutigende Gefühl nimmt, lediglich Objekt der Wirtschaftsführung zu sein. Die Richtung, in der dies geschehen kann, ist etwa im heutigen Betriebsrätegesetz angedeutet, dem entsprechend auch in den höheren wirtschaftlichen Vertretungen eine grundsätzliche Teilung der Vertreter nach den verschiedenen Be84 rufsformen, Unternehmer, Angestellte und Arbeiter, durchzuführen sein wird." Mit Hilfe des "ständischen Aufbaus" solle ferner eine reinliche Scheidung von Politik und Geschäft eintreten. Um gerade dadurch ein wirkliches Zusammenarbeiten von Staat und Wirtschaft zu ermöglichen, "soll an Stelle der Demokratie eine organische Gliederung treten, um die jetzige Atomisierung durch das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu ersetzen. Der ständische Aufbau wird das Mittel sein, um dem Klassenkampf seine Grundlagen zu entziehen und ihn zu ersetzen durch eine organische Vertretung aller Interessen und geistige Teilnahme jedes einzelnen. Und das, was für die Nationalsozialisten Kapitalismus ist, unsittlicher Erwerb, Besitz und Gebrauch von Kapital, wird 85 unmöglich gemacht sein durch ein System gegenseitiger Verantwortung und Kontrolle." Damit hat Frauendorfer offen dargelegt, daß das reaktionäre Dogma von der Beilegung des Klassenkampfes der Kernpunkt des faschistischen Ständegedankens ist. Selbstverständlich ist die Idee, der Klassenkampf würde durch zwangsweisen Zusammenschluß von Unternehmern und Arbeitern in Berufsverbänden notwendig überlebt sein und aufhören, eine reine 32
Utopie. Die Gefahr dieser demagogischen Lehre liegt in der Absicht, in den Arbeitern das Gefühl zu erwecken, daß sie bei ständischer Organisation nicht mehr Ausbeutungsobjekt seien. Die Vertreter des Ständegedankens spekulieren darauf, daß das Klassenbewußtsein der Arbeiter durch das Gefühl überdeckt wird, ihre Interessen würden in dem Berufsstand vertreten und daß ein Klassenantagonismus daher gar nicht mehr bestehe. So schreibt Frauendorfer: "Die Vereinbarung der Arbeitsbedingungen, insbesondere der Abschluß der Tarifverträge, wird eine Aufgabe dieser inneren Ausgleichstätigkeit der ständischen Verbände sein. Dadurch, daß die Gliederung nach Erwerbsformen, die unbedingt nebeneinander stehen, jedem Gliede die Erfüllung seiner Aufgaben und Vertretung seiner Ansprüche ermöglicht, wird es dem einzelnen Teil des Standes und dem Einzelnen als Angehörigen des Teiles leicht sein, den Blick von den gesicherten Teilinteressen zu erheben und das Ganze, den Stand, im Auge zu behalten. Damit aber, daß die Arbeitgeberverbände wirklich in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen, daß der Gewerkschaftsgedanke als Teil des ständischen Gedankens anerkannt ist, werden Unternehmer, Angestellte und Arbeiter sich auf einer Ebene gegenüberstehen. . . . Ein Klassenkampf vollends wird dadurch schon rein gedanklich unmöglich sein, wie die Tatsache, daß sich jemand als Angehöriger einer Klasse fühlen könnte. Denn irgendwelche Interessen oder Aufgaben, deren Bereich sich mit dem 86 decken könnte, was heute als Klasse gilt, gibt es nicht." Neben der drohenden Verschüttung des Klassenbewußtseins liegt eine reale Gefahr vor, wenn mit der Hilfe der Ständeideologie Zwangs Vereinigungen von Unternehmer- und Arbeiterorganisationen (Gewerkschaften) vorgenommen werden und die Kampforganisation der Arbeiterklasse praktisch aktionsunfähig gemacht und sie der Willkür der Unternehmer und der faschistischen Funktionäre ausgesetzt wird. Vorläufig allerdings, vor dem 30. Januar 1933, war der Punkt 25 des Programms der NSDAP noch nicht in die Praxis umgesetzt und stand lediglich als politische Forderung auf dem Papier. Die berufsständische Idee sahen die Faschisten zunächst lediglich als eine notwendige Ergänzung ihrer chauvinistischen, antisemitischen und antimarxistischen Hetze an, und einem zweitrangigen Parteimitglied, Frauendorfer, blieb es überlassen, die entsprechenden Ausführungen darüber zu machen. G. Feder, der eigentlich Programmatiker der NSDAP, hatte sich vor 1933 bis auf wenige Wiedergaben der Programmpunkte kaum näher Uber die Frage der ständischen Ordnimg ausgelassen. Es ist eine bemerkenswerte Erscheinung, daß die "Theoretiker" der NSDAP, die sich genau wie Hitler niemals auf ein konkretes Zukunftsprogramm festlegten, weitaus weniger Uber dieses Problem meditierten als Ständetheoretiker außerhalb der NSDAP, die geneigt waren, allzu voreilige Schlüsse aus dem Vorhandensein des Programmpunktes zu ziehen. Eilfertig hatte man aus der Verbeugung, die G. Feder einmal vor der Spannschen 33
Lehre gemacht hatte und bei der er von einem "Sieg der herausziehenden universalistischen 87 Gesellschaftsordnung" gesprochen hatte, geschlossen, daß sich die NSDAP auf die Ständelehre Othmar Spanns festlegen werde. Dem standen jedoch die beträchtlichen Meinungsverschiedenheiten Uber die Rassenlehre, Ober die Bolle der Kirche und Religion und Uber die hierarchische Gliederung der Stände bei Spann entgegen. Immerhin ist es eine feststehende Tatsache, daß die Ständeideologie Bestandteil der sozialpolitischen Propaganda der Hitlerfaschisten war und daß diese Propaganda mit der klerikalen Soziallehre des Katholizismus weitgehende Übereinstimmung aufwies. Es muß jedoch ergänzend vermerkt werden, daß in der Mitte des Jahres 1933 in der Frage des "ständischen Aufbaus" ein Kurswechsel eintrat. Nachdem Hitler Reichskanzler geworden und seine politische Macht in wenigen Monaten gefestigt war, konnte die NSDAP nicht umhin, in einigen sozialpolitischen Fragen, die sie in ihrer Propaganda vor dem 30. Januar 1933 nicht umgehen konnte, Farbe zu bekennen. Es ist bekannt, wie Hitler die Vertreter des Finanzkapitals und der Großindustrie schon vorher davon in Kenntnis gesetzt hatte, daß die polemischen Ausfälle gegen das Privateigentum und fUr die "Brechung der Zinsknechtschaft" keinesfalls ernst zu nehmen seien. Am 20. Februar 1933 hatten Hitler und Göring den Monopolherren noch einmal das neue Regime schmackhaft gemacht und versprochen, daß so bald keine Wahlen mehr stattfinden würden. Irgendwie mußte man schließlich auch zur offenen Frage des "ständischen Aufbaus" Stellung nehmen. Eine konkrete Antwort wurde lange Zeit hinausgezögert, bis schließlich, nach dem Rücktritt Hugenbergs, der neue Wirtschaftsminister Kurt Schmitt "führende Persönlichkeiten der Wirtschaft und der Presse" einlud, denen er laut "Völkischem Beobachter" vom 13. Juli 1933 folgendes mitteilte: "Der ständische Aufbau, der in unserem Reich selbstverständlich kommen muß und dessen Nichtvorhandensein gerade jetzt sehr schmerzlich empfunden wird, ist im Augenblick abgestoppt und zurückgehalten worden, nicht, weil er nicht kommen soll, sondern weil die Gefahr bestand, daß eine ganze Reihe unberufener Elemente versuchte, auf diesem Gebiet Experimente zu machen, die Wirtschaft zu stören, sich Einflußsphären zu schaffen, Stellungen auszubauen und alle möglichen Absichten durchzuführen. Es ist deshalb der Wille des Führers, hier zunächst einmal eine klare Linie zu ziehen und den Weg der langsamen und gesunden Entwicklung zu gehen." Im Anschluß an die Rede dankte Krupp von Bohlen-Halbach, 88
der Führer des Reichsverbandes der deutschen Industrie, dem Minister. Nach diesen Darlegungen sollte der "ständische Aufbau" auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Bezeichnenderweise schwieg man sich auch auf dem Parteitag, der Anfang September 1933 in Nürnberg stattfand, darüber aus. Als einziger Redner ging G. Feder, der im Schmittschen Wirtschaftsministerium den Posten eines Staatssekretärs erhalten hatte (und den er verlor, als H. Schacht Wirtschaftsminister wurde), mit ein paar nichts34
sagenden Floskeln darauf ein. Das Nächstliegende für den ständischen Aufbau der Wirtschaft sei die Zusammenfassung der wirtschaftlichen Tätigkeit nach den großen Sachgebieten, vor allem der Nahrung, der Wohnung und Kleidung, führte e r aus und philosophierte darüber, ob Technik und Handel ein Stand sei. Beides verneinte er: "Daß man aus dem Handel einen eigenen Stand zu machen versucht hat und tatsächlich auch bis zu einem gewissen Grade 89 den Handel verselbständigt hat, ist typisch jUdisch." Punktum, weiter nichts. Historisch gesehen, war das der parteiamtliche Abgesang der Passage Uber die ständische Ordnung im Programm der NSDAP. Was jetzt noch folgt, ist die Tatsache, daß seitens der Hitlerfaschisten einige gesetzliche Regelungen als Beginn des ständischen Aufbaus ausgegeben werden und daß ihre Ideologen gegen die ständische Idee, vor allem gegen die Identifizierung des Universalismus O. Spanns mit dem "Nationalsozialismus" A. Hitlers zu polemisieren beginnen. Im übrigen aber geht man zur Tagesordnung über und vermeidet nach Möglichkeit weitere Erörterungen der ständischen Frage, die nach der Novemberrevolution in Deutschland eine beträchtliche Ausbreitung erfahren hatte. Damals war die Flut von Schriften über die Ständelehre eine der Formen der Reaktion auf die revolutionäre Arbeiterbewegung, eine Form der bürgerlichen Opposition gegen die sozialistische Revolution, des Widerstands gegen die latente "Gefahr" des Systems der Arbeiter- und Soldaten-Räte. Die Hitlerpartei hat sich damals diesem Trend angeschlossen, im Jahre 1933 hätte sie sicher diesen Punkt gern ungeschrieben gemacht. In der Realität mußte sich nämlich eine berufsständische Organisation der Wirtschaft als höchst unzweckmäßig erweisen. Wie bereits erwähnt wurde, boten die Hitlerfaschisten der Öffentlichkeit propagandistisch einige gesetzliche Regelungen als Äquivalent bzw. als Beginn des "ständischen Aufbaus" an. Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß die faktische Durchführung dieser Maßnahmen, wie 90 z.B. die Einrichtung eines Reichsnährstandes, im unübersehbaren Gegensatz zu den vorher propagierten Maßnahmen steht. Der bereits am 3. Mai 1933 gegründete "Reichsstand des deutschen Handwerks" trat zunächst nur an die Stelle des im Oktober 1933 schließlich aufgelösten "Reichsverbandes des deutschen Handwerks", einer Gründung des Jahres 1919. Ende November 1933 wurde das Gesetz zum vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks erlassen, das deutlich machte, worauf es den Machthabern ankam, nämlich auf die Einführung allgemeiner Pflichtinnungen und einem strengen Zentralismus nach dem Fiihrerprinzip. H. Maier hat die neuentstandenen Gebilde mit Recht als Zwangskartelle qualifiziert. Es ist jedoch verfehlt, diese Maßnahmen als "ernsthafte Schritte zur Etablierung einer berufsständischen Ordnung" zu bezeichnen. Frauendorfer hat nach 1935 selbst eingestanden, daß der Reichsnährstand, so wie er schließlich als ein Gebilde existierte, das aus pragmatischen wirtschafts- und parteipolitischen'Erwägungen geschaffen wurde, und deren Funktion 35
von Herfahrth und Maler durchaus richtig charakterisiert worden ist, nichts mehr mit dem propagandistisch herausgestellten Projekt der berufsständischen Ordnung gemein hatte. So schreibt Frauendorfer als "Leiter des Amtes für ständischen Aufbau der NSDAP" z.B. mehrere Jahre nach dem Erscheinen seiner Schrift Uber den "ständischen Gedanken im Nationalsozialismus", in der die berufsständische Gliederung des deutschen Volkes" als Kernstück der zukünftigen Ständeordnung angesehen wurde: Im Reichsnährstand "sind nicht nur die Bauern in weitestem Sinne als Erzeuger der landwirtschaftlichen Produkte, sondern ebenfalls alle Bearbeiter und Vorarbeiter dieser Erzeugnisse erfaßt . . . Sicherlich genügt es nicht, diese gewaltige Organisation als einen einheitlichen Stand entsprechend ihrem Namen Reichsnährstand aufzufassen. Denn schon eine flüchtige Betrachtung der Aufgaben von Reichsnährstand auf der einen Seite und Bauernschaft auf der anderen läßt deutlich erkennen, daß hier zwei ihrem Wesen nach verschiedene Gebilde zusammengefaßt sind. Denn die Notwendigkeit, außer den Erzeugern auch noch die Bearbeiter und Vorarbeiter landwirtschaftlicher Produkte gemeinsam zu erfassen, findet ihre Begründung einzig und allein in der Absicht, das gesamte Ernährungswesen nach einheitlichen Gesichtspunkten einzurichten. . . . Die Bauernschaft als Zusammenfassung aller^ Angehörigen einer bestimmten Lebensform stellt in der Tat eine jener großen Gruppen unseres Volkes dar, die wir als Stand bezeichnen. Denn ihre Mitglieder sind - und dies gilt besonders fUr das Zeitalter des Nationalsozialismus - nicht nur durch die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit, sondern, was entscheidend ist, durch eine gemeinsame ethische Auffassung verbunden. Es ist ganz klar, daß diese Gemeinsamkeit mit dem Bauernhof enden muß, denn der Besitzer einer Konservenfabrik ist ebensowenig ein Bauer wie etwa ein Eierhändler, sondern er gehört ständisch gesehen eben der Industrie an, während der andere ein Händler ist. Die Fragestellung, die sich aus dieser Erkenntnis zwingend ergibt, ist die, ob die Erfassung des nichtbäuerlichen Teiles des Reichsnährstandes primär durch diesen oder aber durch jene Organisationen zu erfolgen habe, denen der einzelne als Industrieller, Händler oder Handwerker aus diesen Gesichtspunkten heraus angehört. Einzig und allein das Stadium der 91 Verwirklichung einer ständischen Ordnung in Deutschland kann die Antwort darauf geben." Hier bekennt Frauendorfer eindeutig, daß die Zusammenfassung nach Berufen als grundsätzliches Organisationsprinzip als eine Utopie erkannt wurde und daß deren Durchsetzung wirtschaftsplltlscher Unsinn gewesen wäre. Dagegen bot die Zwangsvereinigung von Unternehmern und Arbeitern verschiedener Berufe die Möglichkeit, einen politischen Effekt zu erzielen. Frauendorfer meint, daß es nunmehr gelte, "durch neue Ordnung in erster Linie sozialpolitische Ziele zu verfolgen. Denn wenn die ständische Ordnung das Instrument sein soll, jeden Klassenkampf unmöglich zu machen durch Zusammenführung derjenigen Menschen, die bisher in feindliche Klassen «getrennt waren, so ist es eine 36
zwingende Notwendigkeit, Bereiche zu erfassen, in denen solche feindseligen Gruppen bestanden. Denn der Klassenkampf tobte ja nicht zwischen den einzelnen Berufen unseres Volkes, etwa zwischen den Mechanikern auf der einen und den Buchdruckern auf der anderen Seitej sondern innerhalb der einzelnen Wirtschaftszweige waren die dort Tätigen in soziale Gruppen, in Klassen gespalten. Deswegen ist es das grundsätzlichste Erfordernis, diese Volksgenossen auch bewußt für diesen Wirtschaftszweig, für den sie schaffen und von dem 92 sie leben, zusammenzuschließen." Daneben verfolgte Frauendorfer die Taktik, so viele wirtschaftspolitische Maßnahmen wie möglich als "erste Ansatzpunkte für die Verwirklichung des ständischen Aufbaus" auszugeben.Dabei geht er sogar so weit, die Zerschlagung der Gewerkschaften und die Einrichtung des faschistischen Gewerkschaftsersatzes, der Zwangsorganisation "Deutsche Arbeitsfront", als einen Beginn zu deklarieren: "Es ist kein Zweifel, daß die Deutsche Arbeitsfront den bedeutendsten Ansatzpunkt filr die Verwirklichung des ständischen Aufbaus in Deutschland darstellt. Nicht nur deshalb, well sie durch die Millionenzahl ihrer Mitglieder praktisch heute schon zwei Drittel aller schaffenden Deutschen umfaßt, sondern auch deswegen, weil in ihr die grundsätzlichen Erfordernisse einer ständischen Ordnung bereits verwirklicht sind . . . Der regionale Aufbau der Deutschen Arbeitsfront entspricht den oben gekennzeichneten Notwendigkeiten der regionalen Gliederung des ständischen Aufbaus ebensosehr, wie ihre fachliche Einteilung dem Grundsatz der Bildung von Wirtschaftsverbänden gemäß ist. Damit 93 sind bereits die beiden wichtigsten Grundsätze einer ständischen Ordnung verwirklicht." Auch F. Völtzer geht mit diesem Argument hausieren: "In den Reichsbetriebsgemeinschaften findet der deutsche Arbeiter seinen Stand, seine94Bindung an Unternehmen, Wirtschaftszweig und damit Berufsstand", schreibt Völtzer. Es seien "im berufsständischen 95 Sinne hier die Grundlagen echter ständischer Ordnung bereits gegeben". Die Argumentation stellt nichts anderes als den Versuch einer Ehrenrettung dar. Fakt ist, daß der propagierte "ständische Aufbau" in der Mitte des Jahres 1933 endgültig aufgegeben wurde und daß Maßnahmen wie die durch das "Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft" vom 27. Februar 1934 erfolgte Umwandlung der Unternehmerverbände in "Reichsgruppen" nichts anderes bedeutete als eine straffere Organisation der Wirtschaft, die zugunsten der Monopole und gegen die Außenseiter betrieben 96 wurde.
Wenn der bürgerliche Ökonom Adolf Weber daher 1936 schreibt: "Berufsständig
kann heute nur den Sinn haben, durch Zusammenschluß der Einzelnen eine möglichst zweckmäßige und möglichst erfolgreiche Sicherung der Funktionen und Funktionszusammenhänge im Interesse der Volkswirtschaft und der Volksgemeinschaft zu erzielen," 97 dann bringt er damit nur zum Ausdruck, daß die Idee der Ständeordnung in der Zeit der faschistischen 98 Herrschaft nur noch als Stütze bei der Durchsetzung staatsmonopolistischer Maßnahmen 37
gebraucht wurde. Nach kurzer Zeit hatte sich die faschistische Propaganda zur Frage des "ständischen Aufbaus" vollständig ausgeschwiegen, nach der "Gleichschaltung" des gesellschaftlichen Lebens benötigte man im Hitlerstaat die demagogische Losung nicht mehr. Den Abbruch des "ständischen Aufbaus" hat man schließlich gelegentlich mit dem Hinweis auf "realistische Politik" zu rechtfertigen versucht. So schreibt Völtzer: "Die im Frühjahr 1933 unternommenen dilettantischen Versuche, an Hand von allein theoretisch gewonnenen Erkenntnissen mit Beißbrett, Zirkel und bunten Stiften in wenigen Wochen den sogenannten ständischen Aufbau zu machen, wurden daher mit Recht vom Führer mit dem kurzen Hinweis abgetan, daß dies nicht eine Sache von Wochen, sondern eine Angelegenheit des Jahrhunderts sei. Das aber will besagen, daß die heue Ordnung eben nicht theoretisch gebildet werden, sondern allein aus dem Lebenskampf, im tätigen Zusammenspiel und in wechselseitiger Befruchtung von praktischer Gestaltung und wissenschaftlicher Erkenntnis 99 100 erwachsen kann." Und Uber die Federsche Vorstellung von der Ständeordnung meint Adolf Weber: "In der Praxis hat sich der Nationalsozialismus auf derartige Theorien nicht eingelassen. E r hat den gesunden Menschenverstand zu Bäte gezogen und die gegebenen unmittelbaren Bedürfnisse berücksichtigt und danach auf der Grundlage seiner Anschauung gehandelt. Man hütet sich dabei wohlweislich vor einer Schabionisierung, hatte Verständnis d a f ü r d a ß nicht alle Gruppen der Wirtschaft nach ein für allemal festgelegten Prinzipien organisiert werden können, wenn man die Hauptsache, den Dienst am Volke, im Auge behalten w i l l . " 1 0 1 So wurde die Ständeideologie im Hitler-Deutschland wesentlich rascher zu Grabe getragen als das Korporationssystem in Italien, das dort einige Jahre eine Bolle gespielt hatte. Es ist bezeichnend, daß weder Feder noch Buchner nach 1933 eine größere Bolle in der Hitlerpartei oder in der Wirtschaftspolitik spielten. Wie diese verschwanden auch andere Autoren von der polltischen Bühne, und ihre Schriften, einstmals als sogenannte Standardwerke der "Nationalsozialistischen Bibliothek" angepriesen, wurden von den Kumpanen weitgehend verleugnet und totgeschwiegen. Das Schicksal des berüchtigtsten dieser Autoren, G. Feder, ist beispielhaft für viele Schriftsteller aus der sogenannten "Kampfzeit". Während e r noch im Jahre 1931 einen verheißungsvollen Posten bekam, nämlich den des Vorsitzenden des Reichswirtschaftsrats der NSDAP, erntete e r nach der politischen Machtübernahme keineswegs die Früchte, die er als Mitverfasser des Parteiprogramms und als der prominenteste Wirtschaftsexperte der deutschen Faschisten sich wohl ausgerechnet hatte. Nach dem Rücktritt Hugenbergs, der für einige Zeit als Mitglied der Deutschnationalen Partei das Ressort des Wirtschaftsministers im Hitlerkabinett innehatte, bekam Feder im Juni 1934 lediglich einen Staatsse102
kretärposten im Wirtschaftsministerium zugesprochen. 38
Wenig später, im Dezember des
gleichen Jahres, wurde Feder, der nur sechs Jahre älter als Hitler war, schließlich In den Ruhestand versetzt. FUr den einundfUnfzigjährigen Gefolgsmann Hitlers war damit die polltische Laufbahn, wie für manchen anderen Wirtschaftsexperten der NSDAP, bereits zu Ende. Im Übrigen gab es gewichtige GrUnde genug dafür, warum sich die Hitlerpartei im Jahre 1933 umorientieren und nach neuen Sprechern und neuen Losungen auf ökonomischem Gebiet umsehen mußte. Die sozialpolitische Phraseologie, der man sich bediente, um Anhänger zu werben, konnte andererseits dazu beitragen, einen anderen gewichtigen Teil der Anhängerschaft abzustoßen. Der einflußreichste Mann in der NSDAP, Adolf Hitler, hatte sich mit Haut und Haaren den Interessen der reaktionärsten Teile der herrschenden Klasse verschrieben. Doch wäre es sehr vereinfacht zu sagen, daß die Großbourgeoisie ohne weiteres und sofort mit fliegenden Fahnen zur NSDAP Ubergegangen wäre und sich Hitler sofort bedenkenlos zu ihrem Beschützer auserkoren hätte. Die antikapitalistische Phraseologie, deren sich einige der bedeutendsten Anhänger Hitlers, vor allem Feder und G. Strasser bedienten, riefen bei 103 einem großen Teil der Monopolisten eine gewisse Skepsis hervor. Man war nicht ganz sicher, ob Hitler nicht doch einige der sozialen Reformen praktizieren würde, von denen seine "Wirtschaftsexperten" oft sprachen. Ein kleinerer Teil der Monopolbourgeoisie wurde auch durch den Antisemitismus der deutschen Faschisten vor den Kopf gestoßen. Hitler suchte sowohl die Bedenken der Monopolisten zu zerstreuen als auch die antikapitalistischen Ausfälle seiner Anhänger zu zUgeln. Die Propagandisten der Hitlerpartei hatten dem deutschen Volk im allgemeinen und ihren Gefolgsleuten im besonderen viel versprochen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß das Parteiprogramm Punkte enthielt, die erhebliche soziale Reformen versprachen, wenn Hitler an die Macht kommen sollte. Neben den nationalistischen Losungen hatte die Sozialdemagogie der Hitlerpartei eine wachsende Anhängerschar gesichert. Georgi Dimitroff wies auf dem 7. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale darauf hin, daß der Deckmantel der sozialen Demagogie dem Faschismus die Möglichkeit gegeben hat, "die durch die Krise aus ihrem Geleise geworfenen Massen des Kleinbürgertums und 104 sogar manche Teile der rückständigsten Schichten des Proletariats mitzureißen...". "Dem Faschismus gelingt es, die Massen zu gewinnen, weil er in demagogischer Weise an ihre brennendsten Nöte und Bedürfnisse appelliert... Der Faschismus erstrebt die zügelloseste Ausbeutung der Massen, tritt aber mit einer raffinierten antikapitalistischen Demagogie an sie heran, macht sich den tiefen Haß der Werktätigen gegen die räuberische Bourgeoisie, gegen die Banken, die Trusts und die Finanzmagnaten zunutze und stellt Losungen auf, 105die im gegebenen Moment für die politisch unreifen Massen am verlockendsten s i n d . . . "
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Hitler war im Gebrauch sozialer Phrasen zurückhaltender als seine Gefolgsleute, e r legte sich in dieser Beziehung selten eindeutig fest, was unzweifelhaft aus Rücksichtnahme auf die Bourgeoisie geschah. 1h seinem Buch "Mein Kampf" beispielsweise äußert e r nur wenige, unklare und unverbindliche Meinungen, wie "Arbeitslosigkeit untergräbt die Moral der Menschen", "die Welt der Reichen ist gedankenlos", "Kampf gegen Beseitigung unsozialer Vorgänge" u . ä . Auffallend ist auch die Zurückhaltung, die den Rednern der Partei auferlegt wurde, wenn es im Reichstag zu wirtschaftspolitischen Debatten kam. Während die Agitatoren der NSDAP, was andere Lebensfragen der Nation betrifft, unaufhörlich ein rednerisches Trommelfeuer auf die Massen herabregnen ließen, haben sie sich in der Frage der Konjunkturpolitik in der Öffentlichkeit sehr lange Zurückhaltung auferlegt. Darüber schreibt Grotkopp: "Wenig besagte die Mitwirkung von Nationalsozialisten an den öffentlichen Debatten. Die Nationalsozialisten blieben meistens unter sich , wenn sie diese Fragen zu klären versuchten. . . , aber sie waren ja nicht an der Änderung des Wirtschaftskurses der Regierung, sondern an einem Sturz des Regimes interessiert. An den Debatten nahmen sie zwar ab 1932 ein steigendes Interesse, wie - abgesehen von der Sonderstellung Jessens - Daitz, Junke, Keppler, Thohms und vor allem G. Strasser, aber sie griffen selten aktiv ein. Als theoretisch beachtlich galten die Beiträge von A. R. Hermann, der zeitweilig Schriftleiter der Deutschen Volkswirtschaft war, und von A. Forstmann, dessen 1933 erschienenes Buch 'Wege zu nationalsozialistischer Geld-, Kredit- und Währungspolitik' stark beachtet wurde." Ein enger Gefolgsmann von Hitler, der der antikapitalistischen Phraseologie im Partei107 Programm
größere Bedeutung beigemessen hatte als Hitler, war Gregor Strasser. Als
Führer der NSDAP in Norddeutschland und mit Hilfe einer Zeitung (der von seinem Bruder Otto Strasser redlgierten "Berliner Zeltung") und einer Zeitschrift (den "Nationalsozialistischen Briefen") propagierte e r die Verstaatlichung der Schwerindustrie und des Großgrundbesitzes zugunsten eines sogenannten "Staatsfeudalismus". Strasser suchte auch Kontakte 108 zu den rechtssozialistischen Gewerkschaften. Hitler hatte für diese Ideen von Anfang an wenig übrig gehabt, da sie ihm die Suche nach Förderern innerhalb der Industrie und des Großgrundbesitzes erschwerte. Tatsächlich kam es in wichtigen Fragen zu Differenzen zwischen Hitler und G. Strasser. So agitierte Strasser in den Jahren 1925/26 für die Enteignung der deutschen Fürstenhäuser; Hitler, der von der Herzogin von Sachsen-Anhalt eine finanzielle Unterstützung erhielt, war dagegen. Für kurze Zeit konnte Strasser sogar sein Programm durchsetzen, bevor Hitler später erreichte, daß Strasser überstimmt wurde. Strasser war im Jahre 1932 der offizielle Wortführer der NSDAP in wirtschaftspoliti109 sehen Fragen,
er war beispielsweise ihr Redner, als am 10. Mai 1932 im Reichstag
Uber die "Arbeitsbeschaffung" diskutiert wurde. 40
Eine größere Unterstützung seitens der Großbourgeoisie erhielt die Hitlerpartei im Jahre 1929, als der Vorsitzende der Deutschnationalen Partei, Alfred Hugenberg, der Uber ein beträchtliches Vermögen und Uber wichtige Verbindungen zum Finanz- und Industriekapital sowie zu Presse und Film verfügte, nach einem Verbündeten suchte. Dieser Mann der deutschen Monopole attackierte mit allen seinen Mitteln, die ihm in so reichlichem Maße zur Verfügung standen, den Young-Plan, der die deutschen Reparationsleistungen für die nächsten 59 Jahre fixiert hatte. Hugenberg paktierte mit Hitler, weil dieser ihm immerhin eine Streitmacht von 120 000 Parteimitgliedern zuzuführen in der Lage war und die Stimmen der Wähler der NSDAP ein Äquivalent für den bedeutenden Stimmenverlust seiner eigenen Partei (1928 verloren die Deutschnationalen 1,9 Millionen Wählerstimmen) darstellten. Die erste gemeinsame Aktion von Hugenberg und Hitler endete zwar mit deren Niederlage (beim Volksentscheid und im Reichstag wurde der Young-Plan angenommen) aber für die Hitlerpartei war die Affäre von größter Bedeutung: Albert Voegler, Generaldirektor der Vereinigten Stahlwerke, Hjalmar Schacht, Reichsbankpräsident, und andere Vertreter der Monopolbourgeoisie, Gegner des Young-Plans, waren auf die NSDAP aufmerksam geworden und sie begannen, sie in größerem Umfang zu finanzieren.
Das Geld von Emil
Kirdorf und Fritz Thyssen floß auch in die Parteikasse, als Hitler sich nach der Niederlage bei der Anti-Young-Plan-Kampagne von den Hugenbergschen Deutschnationalen distanzierte. Von wesentlicher Bedeutung war Hitlers Zusammenkunft mit einer größeren Anzahl der bedeutendsten deutschen Monopolisten, die Thyssen im Januar 1932 im Düsseldorfer Industrieklub arrangiert h a t t e . 1 1 1 Hitler strich vor den Herren seinen Antikommunismus h e r aus und malte das Schreckgespenst der "bolschewistischen Bedrohung" an die Wand. Er schockierte die Anwesenden mit dem Hinweis auf die Radikalisierung der Massen infolge der überaus schlechten ökonomischen Lage und die Ohnmacht der bisherigen Kabinette, diese Lage zu konsolidieren. Hitler wies auf die erfolglosen Versuche der Regierungen hin, durch Notverordnungen Ordnung zu schaffen und diffamierte somit geschickt die bürgerliche Demokratie als ein untaugliches Mittel, eine günstige Atmosphäre zum Profitmachen zu schaffen. Als Alternative fUr die "innere geistige Verwirrung und Verirrung" bot e r ihnen die politische Macht seiner Clique: "Denn nicht die deutsche Machtentwicklung, sondern auch bei uns hat erst der Machtstand der Wirtschaft die allgemeinen Voraussetzungen fUr die Blüte geschaffen. Es heißt in meinen Augen das Pferd von rückwärts aufzäumen, wenn man heute glaubt, mit wirtschaftlicher Methodik etwa die Machtstellung Deutschlands wiedergewinnen zu können, statt einzusehen, daß die Machtpositionen die Voraussetzung auch f ü r die Hebung der wirtschaftlichen Situation i s t . " E r prahlte mit der Ellenbogenstärke seiner Anhängerschaft ( " . . . eine Organisation, die brutal ihren Willen d u r c h s e t z t . . . " und " . . . wir bekennen uns stolz zu unserer Unduldsamkeit..."), wetterte gegen den Vertrag 41
von Versallies ( " . . . die Folgeerscheinung unserer langsamen geistigen Verwirrung und Verirrung") und offerierte sich als Sturmbock gegen den Marxismus ( " . . . wir haben den unerbittlichen Entschluß gefaßt, den Marxismus bis zur letzten Wurzel In Deutschland auszurotten..."). Hitler gab nicht nur zu verstehen, daß ein durch die faschistische Partei regiertes Deutschland keine Opposition gegen das Monopolkapital kennen wlirde, er schmeichelte den Industriellen auch dadurch, daß er sie nicht nur als "schöpferische Persönlichkeiten", sondern auch als Vertreter der Interessen der Nation ansprach. Es gelang ihm, wesentlich seine Zuhörer davon zu Uberzeugen, daß sein Programm gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung ihr Programm sei. Von dieser Zeit ab flössen die Gelder der Großbourgeoisie noch reichlicher als bisher in die Kassen der NSDAP. Es ist verständlich, daß Hitler und seine getreuesten Anhänger sich in der antikapitalistischen Propaganda jetzt mehr Zurückhaltung auferlegten. Dagegen 112
bediente sich G. Strasser noch im Mai 1932 einer antikapitalistischen Phraseologie. In einer Reichstags rede zur Frage der Arbeitsbeschaffung wies er darauf hin, daß die NSDAP dadurch an Anhängerschaft gewonnen habe, daß Arbeitslosigkeit und Not herrsche, 113 und er propagierte ein neues "System", bei der die Verteilungsverhältnisse geändert seien: "Das wesentliche an der gegenwärtigen Entwicklung ist die große antikapitalistische Sehnsucht, die durch unser Volk geht. Sie ist der Protest des Volkes gegen eine entartete Wirtschaft, und sie verlangtvom Staate, daß er, um das eigene Lebensrecht zu sichern, mit den Dämonen Gold, Weltwirtschaft, Materialisierung, mit dem Denken in Ausfuhrstatistik und Reichsbankdiskont bricht und ehrliches Auskommen für ehrlich geleistete Arbeit wiederherzustellen in der Lage ist. Diese antikapitalistische Sehnsucht ist ein Beweis dafür, daß wir vor einer großen Zeitwende stehen: die Überwindung des Liberalismus und das Aufkommen eines neuen Denkens in der Wirtschaft und einer neuen Einstellung zum Staat." Das Strassersche Wirtschaftsprogramm von 1932 enthielt im Zusammenhang mit der Forderung nach einer Preiskontrolle die Formulierung vom "gerechten Preis", der der Kontrolle zugrunde gelegt werden sollte. Dabei wurde als gerechter Preis der definiert, der außer den Produktionskosten einen angemessenen Gewinn enthalte: "Wird der Preis für ein Gut durch kartellmäßige Bindungen oder Ausnatzungen einer anders gearteten Monopolstellung Uber den gerechten Preis (Produktionskosten plus angemessener Gewinn) hinaus erhöht, so wird dem Käufer ein ungerechtfertigt großer Teil seines Anteils an der nationalen Produktion genommen." Mag man auch die Verschiedenheit der Polemik als eine vielleicht beabsichtigte Arbeitsteilung werten, so bedurfte es doch der Gerissenheit der Faschistenfiihrer, um die Klippe zu umgehen, die durch den Widerspruch zwischen den Zusicherungen, die man den bourgeoisen Geldgebern, und den Versprechungen, die man den besitzlosen Parteianhängern machte, 42
entstand. Ohne Zweifel sind in den Gliederungen der NSDAP soziale Illusionen weit verbreitet gewesen. Eine gewisse Rolle spielten diese Dinge auch bei dem endgültigen Bruch zwischen Hitler und G. Strasser, der zur Niederlegung aller Parteiämter im Dezember 1932 durch Strasser führte. Im März 1933 wurde er nicht einmal mehr in den Reichstag gewählt und während des sogenannten Röhm-Putsehes im Juni 1934 ließ man ihn schließlich von der SS ermorden. Auch die Urheberschaft für das Wirtschaftsprogramm der NSDAP aus dem Jahre 1932 114 wird auf G. Strasser zurückgeführt. Auf jeden Fall, welche Köpfe auch immer es zu115 Stande gebracht haben mögen, ist dieses Wirtschaftsprogramm mit der Autorität des damaligen "Reichsorganisationsleiters der NSDAP", G. Strasser, vor den Reichstagswahlen im Juli 1932 "als verbindliche Richtschnur für die Redner der NSDAP sowie fUr die Veröffentlichungen in der Presse" durchgesetzt worden. "Alle Äußerungen von Parteigenossen, die von diesem Material abweichen oder ihm widersprechen, sind lediglich116 als private Meinungsäußerungen zu betrachten", heißt es in der Anordnung Strassers. Die Durchsetzung des Strasserschen Wirtschaftsprogramms gegenüber dem bisher von der Parteileitung sanktionierten Federschen Programm war ein bedeutungsvoller Schritt. Hatte das Strasser-Programm auch kein langes Leben (es verschwand mit dem Ausscheiden Strassers von der Bildfläche) so waren seine vielfältigen Formen doch von nachhaltiger Wirkung. Erstens bewirkte es, daß das als "unabänderlich" erklärte Feder-Programm, was den ökonomisch-politischen Teil anbetrifft, in der Versenkung verschwand. Es tauchte auch dann nicht wieder auf, als es zum Bruch zwischen Hitler und Strasser kam. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn je mehr die NSDAP ernsthaft daran glauben konnte, Reglerungspartei zu werden, desto mehr mußte das Feder-Programm imbequem werden. Ganz abgesehen von der demagogischen Losung der "Brechung der Zinsknechtschaft" mußten sich die konkreten wirtschaftspolitischen Konzeptionen Feders früher oder später bestenfalls als Utopien herausstellen. Am augenfälligsten waren dabei vielleicht die vorgeschlagenen Finanzierungsmethoden, die die ernsthaften bürgerlichen Ökonomen unschwer als eine "Illusion" erkennen mußten. Im Punkt 18 des Programms war wie folgt formuliert worden: "Geldbeschaffung für alle großen öffentlichen Ausgaben (Ausbau der Wasserkräfte, Verkehrswege usw.) unter Vermeidung des Anleiheweges durch die Ausgabe zinsloser Staatskassen117 scheine bzw. auf bargeldlosem Wege." Dieses ohne regulierende Beschränkung auszugebende "Zusatzgeld", dessen "Strombei Investitionen fließen sollte" und das in der Polemik unter dem Begriff "Federgeld" bekannt geworden ist, hätte, wie Adolf Weber später meinte, zweifellos eine heillose Inflation hervorgerufen, wenn es jemals zur Ausführung des Planes gekommen wäre. 1 1 ® 43
Das zweite Ergebnis des Strasser-Programms war seine Wirkung für die Wählermassen. Sein Erscheinen fiel zeitlich beinahe genau mit dem Kulminationspunkt der Wirtschaftskrise zusammen. Es trug den Nöten der Werktätigen Rechnung, die unter den Folgen der Krise am meisten zu tragen hatten. Das Ergebnis der Reichtstagswahlen im Juli 1932 wurde zu einem Erfolg für die Faschisten, sie erreichten 37,3 % aller Stimmen (zur vorhergehenden Reichstagswahl im September 1930 waren es nur 18,3 %) und wurden damit mit Abstand die Partei mit den meisten Wählerstimmen. Der Wahlerfolg wurde nicht zuletzt dadurch möglich, daß die Wahlagitation geschickt auf die wirtschaftliche Not eingestellt war. Bezeichnend ist die Rede G. Strassers am 10. Mai im Reichstag: "Der Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung ist der Protest des Volkes gegen einen Staat, der das Recht auf Arbeit und die Wiederherstellung des natürlichen Auskommens verweigert... Wenn der Verteidigungsapparat des weltwirtschaftlichen Systems von heute es nicht versteht, den Ertragsreichtum der Natur richtig zu verteilen, dann ist dieses System falsch und muß geändert werden... Das wesentliche an der gegenwärtigen Entwicklung ist die große antikapitalistische Sehnsucht, die durch unser Volk geht. Sie ist der Protest des Volkes gegen eine entartete Wirtschaft, und sie verlangt vom Staate, daß er, um das eigene Lebensrecht zu sichern, mit den Dämonen Gold, Weltwirtschaft, Materialismus, mit dem Denken in Ausfuhrstatistik und Reichsbankdiskont bricht und ehrliches Auskommen für 119 ehrlich geleistete Arbeit wiederherzustellen in der Lage i s t . " Die Rede G. Strassers entsprach in ihren Grundzügen dem späteren Wirtschaftsprogramm, das jetzt die Frage der "Arbeitsbeschaffung" stark in den Vordergrund rückte. Die Schaffung von Arbeitsplätzen war angesichts der Depression in der Wirtschaft und der damit verknüpften sozialen Not ein mehrfaches Bedürfnis. Es wurde gleichermaßen als ein wichtiges Mittel angesehen, der Konjunktur wieder auf die Beine zu helfen, wie auch, neue Wähler zu gewinnen. Keine Regierung und keine Partei der Weimarer Republik konnte sich dieser Frage entziehen. Das Strassersche Wirtschaftsprogramm spricht daher in scharfen Worten von den negativen Folgen der Arbeitslosigkeit, daß ungenützte Produktivkräfte ein widernatürlicher Unsinn seien und daß die Arbeit selbst ein Mittel zur Kapitalbildung darstelle. Die Anklagen gegenüber einem "politisch-wirtschaftlichen System", das "die arbeitsfähigen und arbeitswilligen Volksgenossen an der Erarbeitung ihres Lebensunterhalts verhindert", gipfeln in der Forderung nach einer "planmäßigen Arbeitsbeschaffung". Im Unterschied zum Feder-Programm, das der Frage der Finanzierung breiten Raum widmete und das daher offensichtlich unreal war und eine unpopuläre Inflationsdrohung enthielt, hat G. Strasser sich neben der Befürwortung einer vorsichtigen Kreditausweitung im wesentlichen darauf beschränkt, auf die öffentlichen Mittel hinzuweisen, die in Krisenzeiten für die Arbeitslosenunterstützung aufgewendet 44
werden mußten. Das war agitatorisch geschickter gemacht und mußte der breiten Bevölkerung einleuchten. Das Strasser-Programm wendete sich ausführlicher den faktischen Möglichkeiten der Arbeitsbeschaffung zu und weist die Vorstellung einer Uberproduktion angesichts von Millionen darbender Arbeitsloser zurück. Als Arbeiten, die Grundlage der Arbeitsbeschaffung sein sollen, nennt das Programm "Landeskulturarbeiten, Errichtung von Eigenheimsiedlungen für die Arbeiter, Bau von Verkehrswegen, Kanälen usw." Mit diesen Vorschlägen wurde die Zuversicht verknüpft, daß sie die "Entproletarisierung des schaffenden Volkes, die Stärkung der Kaufkraft des Arbeiters, die Arbeitszeitverkürzung in der Industrie" ermöglichen und den "binnenwirtschaftlichen Austausch, die Ostsiedlung und die Auflockerung der Großstädte" unterstützen würden. Besondere Aufmerksamkeit wird der Frage der Eigenheimwohnungen gewidmet: "Zu jedem Eigenheim soll ein Stück Gartenland in der Größe von etwa 1 Morgen (1/4 Hektar) gehören. Dort kann der Arbeiter einen wesentlichen Teil seines Nahrungsbedarfs auf eigenem Grund und Boden selbst erzeugen. Er erhält dadurch eine größere Sicherheit seiner Existenz und wird unabhängiger gegenüber seinem Arbeitsgeber. Wenn der Arbeiter zum Eigentümer wird und ihm Arbeit und Arbeitsertrag auf eigener Scholle gesichert ist, so läßt sich auch die notwendige Arbeitszeitverkürzung in der Industrie durchführen, die unter den heutigen wirtschaftlichen und sozialen Verhält120 nissen nur die völlige Verelendung der Arbeitskraft zur Folge haben kann." Es ist bemerkenswert, daß in dem Programm G. Strassers auch noch die Autarkiegedanken anklingen, die von seinem Bruder O. Strasser rigoros vertreten wurden, der sich zu jener Zeit von der Hitlerpartei bereits getrennt hatte. O. Strasser war für eine grundlegende Umgestaltung eingetreten, für die er das Etikett "Sozialismus" beanspruchte und 121 die vor allem auf einer radikalen Abtrennung vom Weltmarkt hinauslief.
Als Konsequenz
aus diesem Autarkiestatus ergab sich für O. Strasser die Reagrarisierung Deutschlands und der Niedergang der Technik. Die Autarkie wollte er durch ein Außenhandelsmonopol, mit deren Hilfe die Einfuhr von Luxusartikeln rigoros abgeschnitten werden sollte, durch Binnenwährung und Verzicht auf Kolonien sichern. Wie O. Strasser selbst berichtet, habe Hitler ihm entgegengehalten, daß man sich von der Weltwirtschaft kaum jemals lösen könne und daß Autarkie ein fernes Ziel sei, das sich frühestens in hundert Jahren verwirklichen 122
lasse.
In der Folgezeit hatte der Autarkiegedanke in Wirtschaftspolitik und Propaganda
einen begrenzten Aspekt und war mit der Idee und der Praxis verknüpft, die deutsche Wirtschaft weltgehend von Einfuhren aus dem Ausland unabhängig zu machen. Das Programm G. Strassers enthält neben den bereits erwähnten Gedanken auch Forderungen nach einer differenzierten Abwertung der Währung, der Verstaatlichung des Bankwesens, der Preiskontrolle, Beseitigung der Preisschere für die Landwirtschaft, Abbau der bäuerlichen Zins- und Steuerlast, Beschränkung der hohen Beamtengehälter,
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Investitionskontrolle für die Industrie zur Vermeidung einer Ubermäßigen Aufblähung der Industrie gegenüber der Landwirtschaft, der Verstaatlichung der Monopole und staatlicher Aufsicht Uber die Aktiengesellschaften, großzugiger Altersversorgung, Gewinnbeteiligung der Arbeit und öffentlichem Arbeitsdienst. Feder hatte dagegen den 11. Punkt des Programms Uber die "Abschaffung des arbeitsund mUhelosen Einkommens, die Brechung der Zinsknechtschaft", als den wichtigsten und markantesten Programmpunkt bezeichnet. Dieser Punkt, in den Schriften der Hitlerpartei fast immer im Fettdruck hervorgehoben, sei der einzige, der dringend einer eingehenden 123 Behandlung bedürfe.
Das Feder-Programm kam allerdings auch dann nicht mehr zur
Geltung, als das Strasser-Programm in der Versenkung verschwand. In der Zwischenzeit nahte der 30. Januar 1933 heran. Es braucht kaum noch erwähnt zu werden, daß die zwölf Jahre des Bestehens der Hitlerherrschaft die Erfüllung des Federschen Programmpunktes keinen Schritt näher gebracht haben. Erleichtert konnten alle restaurativen Kräfte feststellen, daß die NSDAP mit ihren sozialen Forderungen nicht Ernst machte und daß sie der bürgerlichen Gesellschaft die Treue hielt. Das wurde auch von den Ökonomen der alten Generation dankbar vermerkt. Zwiedineck-Südenhorst gibt dem Aufatmen dieser GemUter Ausdruck, wenn e r 1933 schreibt: "In historischen Augenblicken hat der Herr Reichskanzler Adolf Hitler und im Sinne seines Wollens haben die Herren Beichswirtschaftsminister wiederholt ausdrücklich und nachdrücklich erklärt, daß die Wirtschaft des neuen Deutschen Reiches aufgebaut bleiben soll auf der individuellen initiative der Einzelwirtschafter. Damit ist nicht nur der Grundgedanke der Selbstverantwortung für das wirtschaftliche Geschehen und Handeln - ein uralter deutscher Grundgedanke des Gemeinschaftslebens, auf dem die Genossenschaftsidee, in der Hauptsache ihn ergänzend, sich erst aufbaute - aufrechterhalten, sondern es ist auch die Freiheit des Entscheidens und Handelns eben unter der individuellen wirtschaftlichen Selbstverantwortlichkeit 124als Grundpfeiler der gesellschaftliehen Wirtschaft im deutschen Staatswesen anerkannt." Aber welche bedeutungsvollenVeränderungen gingen in der Wirtschaft in jener Zeit nun tatsächlich vor sich? Diese Frage soll in dem nächsten Kapitel kurz behandelt werden.
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II. Hitler an der Macht. Zur Ökonomik und Wirtschaftspolitik im "Dritten Reich"
b einer Analyse der Herausbildung des staatsmonopolistischen Kapitalismus im imperialistischen Deutschland faßte K.-H. Schwank die Situation wie folgt zusammen: "fit der Periode von 1933 bis 1945 entwickelte sich der staatsmonopolistische Kapitalismus in Deutschland in quantitativer und qualitativer Hinsicht In einem bis zu diesem Zeitpunkt nicht dagewesenen Ausmaß. Die brutale faschistische Herrschaft drückte allen Sphären ihren Stempel auf. Im Interesse der Kriegsvorbereitung und des Krieges selbst wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens von einem engmaschigen Netz staatsmonopolistischer Maßnahmen erfaßt. Der staatsmonopolistische Charakter zeigte sich insbesondere 1. in der Verschmelzung der Macht der reaktionärsten Kreise des Monopolkapitals mit der des Staates, in der Übertragung außerordentlicher staatlicher Befugnisse an Unternehmerverbände und Repräsentanten der Monopole; 2. in der Regulierung der gesamten Wirtschaft mit dem Ziel der Erringung der Autarkie im Interesse der Kriegs Vorbereitung, der Schaffung einer Weltwirtschaft und der schließlichen Unterordnung der gesamten Wirtschaft und aller anderen Sphären der Gesellschaft unter die Erfordernisse der Kriegsführung; 3. in der brutalen Unterdrückung der Bevölkerung und der immer stärkeren Ausbeutung ihrer Uberwiegenden Mehrheit durch die herrschenden Monopole, in der staatsmonopolistisch organisierten Unterjochung und Ausraubung anderer Völker; 4. im weiteren Ausbau des staatlichen Eigentums an Produktionsmitteln im Interesse der monopolistischen Revanchepläne als wesentliches Glied der Kriegsvorbereitung und 125 der Kriegswirtschaft." Als bedeutenden Einschnitt in das deutsche Wirtschaftsleben darf wohl die Ausschaltung jeder echten gewerklichen Betätigung angesehen werden. Nachdem sich die rechten Gewerkschaftsführer wie Th. Leipart und P. Grassmann dazu verleiten ließen, am 1. Mai 1933 die Gewerkschaften dazu aufzurufen, gemeinsam mit den Unternehmern den "Tag der nationalen Arbeit" zu begehen, wurden noch in der Nacht vom 1. zum 2. Mai die Gewerkschaftshäuser von der SA besetzt und die "Übernahme der Gewerkschaften" vollzogen. An die Stelle der Gewerkschaftsführer aller politischen Schattierungen, die jetzt mit scharfen Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hatten, traten die Männer der Nationalsozialistischen 47
Betriebszellenorganisation (NSBO). Die NSBO sollte nach dem Willen der Parteiführung auch vor 1933 keine Gewerkschaft darstellen, sondern "die politische Kampfgruppe der Bewegung in den Betrieben". Acht Tage nach der Übernahme der Gewerkschaften durch die NSBO wurde die Bildung der Deutschen Arbeitsfront (DAF) verkündet. Ende November 1933 erhielt die DAF ihre endgültige Form als Zwangsvereinigung aller Arbeiter, Handwerker und Angestellten mit den Unternehmern. Die Unternehmer selbst kamen dieser Organisation entgegen, indem sie ihrerseits die "Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände" auflösten und in der DAF aufgehen ließen. Mit der DAF wurden der Kapitalist und der Proletarier zwangsweise in einer Organisation vereinigt, die den Klassenfrieden zugunsten einer ungestörten Ausbeutung der Werktätigen ermöglichen sollte. Die Kapitalisten als "Betriebsführer" das Proletariat als "Gefolgschaft" sollten in der "Organisation der schaffenden Deutschen der Stirn und der Faust" keine Arbeitskämpfe mehr austragen, sondern gemeinsam die Segmingen des "deutschen Sozialismus" schätzen lernen. "Nach dem Willen unseres Führers Adolf Hitler ist die DAF nicht die Stätte, wo die materiellen Fragen des täglichen Arbeitslebens entschieden, die natürlichen Unterschiede der Interessen aufeinander abgestimmt werden... Das hohe Ziel der Arbeitsfront ist die Erziehung aller im Arbeitsleben stehenden 126
Deutschen zum nationalsozialistischen Staat und zur nationalsozialistischen Gesinnung." Zwang Hitler die Arbeiter dazu, ihre Gewerkschaften zugunsten des Gaukelspiels
einer
Interessengemeinschaft mit dem Kapital aufzugeben, so kettete e r sie mit Hilfe des "Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit" vom 20. Januar 1934 noch stärker an die Unter127 nehmer.
In allen betrieblichen Angelegenheiten konnte der "Betriebsführer" über eine
"Gefolgschaft" entscheiden, die ihm die "in der Betriebsgemeinschaft begründete Treue" zu halten hatte. Ein Vertrauensrat, dem nur "Gefolgsleute" angehören durften, die jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintraten, sollte eine Beraterfunktion übernehmen und alle Streitigkeiten beilegen. Für größere Wirtschaftsbereiche hatte ein beamteter 128 "Treuhänder der Arbeit" für die "Erhaltung des Arbeitsfriedens" zu sorgen. Mißliebige Kämpfer an der "Arbeitsfront" wurden kurzerhand kaltgestellt. Für die Bourgeoisie war das zunächst ein gewaltiger Erfolg. Hitler hatte es geschafft, was ihre Agenten in der Arbeiterbewegung, die rechten SPD- und Gewerkschaftsführer', nie in dieser Vollkommenheit erreicht hatten, nämlich den totalen Burgfrieden. Natürlich war damit der Klassenkampf keinesfalls aufgehoben, aber er spielte zwangsläufig im illegalen Rahmen und unter äußerst erschwerten Bedingungen fürsich die jetzt Werktätigen ab. 129 Die Löhne waren im wesentlichen bereits während der Wirtschaftskrise diktatorisch 130 festgesetzt worden; jetzt kam eine monopolistische Regelung des Arbeitsmarktes hinzu. Die Sicherung des Arbeitskräftebedarfs der Monopole und der landwirtschaftlichen Großbetriebe ging dabei auf Kosten der nichtmonopolistischen Wirtschaftszweige. Mit Hilfe der 48
Arbeitsämter, van deren Zustimmung die Einstellung bestimmter Arbeitskräfte abhängig war, und 1935 eingeführter Arbeitsbücher wurde eine Lenkung des Arbeitskräfteeinsatzes und eine Kontrolle jedes Arbeiters möglich, wodurch der wilde Wettbewerb um die Facharbeiter wesentlich abgeschwächt wurde. Die Beschränkung der Freizügigkeit wurde ergänzt durch die Arbeitsdienstpflicht für Jugendliche, die Lenkung des Berufseinsatzes der Schulentlassenen und die Einführung einer "allgemeinen Arbeitspflicht", die amtlicherseitB die Zwangsdienstverpflichtung ermöglichte. Damit wurde den Werktätigen der letzte Best von 131 Bewegungs- und Berufsfreiheit genommen. War die Liquidierung der Gewerkschaften im negativen Sinne eine Veränderung der sozialen Machtverhältnisse, so hatte der "deutsche Sozialismus" Hitlerscher Prägung keinerlei Einschränkung der Eigentumsverhältnisse zur Folge. Mit dem Einverständnis der Monopolbourgeoisie wurden lediglich einige Korrekturen in dem organisatorischen Aufbau der Wirtschaft vorgenommen, die den Erfordernissen des staatsmonopolistischen Kapitalismus besser gerecht wurden. In der Agitation wurden diese Maßnahmen derart interpretiert, als ob nun auch die Kapitalistenklasse wesentlichen Reglementierungen unterworfen würde: "Es galt, einen Weg zu finden, Wirtschaft und Wirtschaftspolitik allein nach der nationalsozialistischen Weltanschauung auszurichten und dem Staate die ausschließliche Führung der Wirtschaft-eben in diesem Geiste zu sichern. Diese staatliche Führung der Wirtschaft, die keine Planwirtschaft, wohl aber eine planvolle Wirtschaftslenkung in Richtung der staatspolitischen Ziele an Stelle einer freien Wirtschaft bedeutet, forderte eine Beseitigung des vielgestaltigen, ja teilweise chaotischen Verbandswesens und die Ersetzung 132 durch einen sinnvoll gegliederten Aufbau." In Wirklichkeit diente die Umorganisation der deutschen Wirtschaft nur dem Aufbau der RUstungswirtschaft und der Mobilmachung aller ihrer Ressourcen. Es war nur im Interesse der Monopolbourgeoisie, wenn mit dem Anachronismus einer Vielzahl von Wirtschaftsverbänden aufgeräumt wurde. Selbstverständlich gab es dabei hier und dort auch einige Widerstände seitens partikularistisch eingestellter Kreise aus dem Mittel- und Kleinbürgertum zu Uberwinden. Aber die NSDAP war nicht die Partei dieser Leute, deren Gönner und Förderer waren vielmehr in den Großbanken und Industriekonzernen zu suchen, und dort war man an einer gewissen Zentralisierung der Wirtschaftsorgane und an einer Beseitigung der zahllosen Sondereinrichtungen durchaus interessiert. Vom Februar bis November 1934 wurden mit dem Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft die neuen organisatorischen Maßnahmen getroffen. Die Wirtschaft wurde fachlich in die 7 Reichsgruppen Industrie, Handwerk, Handel, Banken, Versicherungen, Energiewirtschaft und Verkehrswesen (letztere erst im September 1935) eingeteilt, wobei eine weitere Untergliederung nach Hauptindustriezweigen, Bezirks- und 49
Fachgruppen vorgenommen wurde. Dieser Organisation fielen alle bestehenden Verbände zum Opfer. Dafür wurden Kammern für Industrie und Handel und für Handwerk und In den Treuhänderbezirken Wirtschaftskammern eingerichtet. In einer Reichswirtschaftskammer waren alle fachlichen und territorialen Organisationen zusammengefaßt. An der Spitze der Reichsgruppen, der Wirtschaftskammern, der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern standen die führenden Leute der Monopolbourgeoisie. Die neuen Gebilde waren reine Unternehmerorganisationen, auf die die Arbeiterschaft keinen Einfluß geltend zu machen hatte. Um wenigstens den Schein zu wahren, traten sie im März 1935 der DAF bei. Dieser Beitritt aber wurde als Mittel zur "Sicherung der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" verktindet. Die Schaffung einer Reihe von gemeinsamen Gremien von Unternehmerorganisationen und DAF wurde als die "neue Selbstverwaltung" deklariert. Im Juli 1933 wurde der Generalwirtschaftsrat beim Wirtschaftsministerium gegründet, dem die mächtigsten Vertreter der Monopole wie Flick, Krupp, Thyssen und Vögler, ange133 hörten und die dadurch ihren Einfluß auf die gesamte Wirtschaft des Landes beträchtlich erweitern konnten. Da Thyssen Staatskommissar für Rheinland-Westfalen wurde, das wichtigste Industriegebiet in Deutschland, so hatte dieser eine außerordentlich wichtige Schlüsselstellung inne. Mit der Neustrukturlerung der Wirtschaft und den besonders mit Anlaufen des Göringschen Vierjahresplanes verbundenen Maßnahmen spiegelt sich die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus wider. Schwank schreibt dazu: "Die Mächtigsten der Monopole und die Repräsentanten des Militarismus leiteten bereits ab 1933 ein umfangreiches System staatsmonopolistischer Regulierungsmaßnahmen ein mit dem Ziel, systematisch den Krieg vorzubereiten. Um die Rohstoffversorgung für den Kriegsfall weitgehend zu sichern, unternahmen die herrschenden Kreise große Anstrengungen zur Errichtung der Autarkie und faßten die entsprechenden Maßnahmen in dem berüchtigten Vierjahresplan zusammen. . . Daneben wurden die Rohstoffbewirtschaftung eingeführt und staatliche Rohstoffreserven angelegt... Während durch ein straffes System der Investitionskontrolle Investitionen in einzelnen Zweigen der Wirtschaft eingeschränkt oder verboten wurden, erfolgten in wichtigen Sphären Zwangsinvestitionen, unter anderem auf dem Wege der Bildung sogenannter Pflichtgemeinschaften... Weiter wurden Anstrengungen unternommen, um die Industrieproduktion durch Rationalisierung zu steigern. Verstärkte Ausbeutung in allen Bereichen, eine rücksichtslose Arbeitskräftelenkung, Lohn- und Preisstopp - das waren einige der weiteren Maßnahmen zur Vorbereitung des zweiten Weltkrieges durch den deutschen Imperia134 lismus..." "Zur Finanzierung der Aufrüstung behielt man die in der Weltwirtschaftskrise gestiegenen Steuern und Abgaben bei, erhöhte sie teilweise sogar noch und führte zusätzliche ein. Daneben bediente man sich langfristiger Anleihen und, in Anlehnung an entspre50
chende Methoden des Jahres 1932, nunmehr in sehr breitem Umfang des Mittels der Defizitfinanzierung. . . Zur Verwirklichung dieser Vorhaben wurden bestehende Institutionen mit neuen Vollmachten ausgestattet, es entstanden neue Leitungsgremien und Instrumente zur 135 Lenkung der Wirtschaft." J . Kuczynski hat zur Charakterisierung der Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Deutschland nach 1933 drei Merkmale hervorgehoben: "die Entwicklung einer BUstungswirtschaft, den Aufbau eines Militärzuchthauses für Arbeiter und die starke Aus136 breitung der taktischen Planung der Wirtschaft ". Die staatsmonopolistische RQstungswirtschaft ist dadurch gekennzeichnet, daß die Produktion von Waffen und anderem Kriegsgerät auch außerhalb der Periode eines "heißen" Krieges einen solchen Umfang annimmt, daß sie die ganze Wirtschaft durchdringt. Wie die Produktion, so werden auch die Finanzwirtschaft, die Konsumgestaltung usw. durch sie nachdrücklich beeinflußt. Das imperialistische Stadium des Kapitalismus weist eine permanente Tendenz zur Militarisierung der Wirtschaft auf. Beim Übergang zur RUstungswirtschaft wird deutlich, daß der Kapitalismus eine Modifikation erhalten hat; denn die Unternehmer fungieren hier nicht mehr als Warenproduzenten ftir den "freien" Markt, sondern sie produzieren auf Bestellung und Rechnimg des Staates. In Deutschland ist diese Entwicklung bereits unmittelbar nach Beginn der faschistischen Herrschaft eingetreten. Die Folge jenes Prozesses der Entwicklung zur ausgeprägten RUstungswirtschaft ist eine noch engere Verschmelzung der Monopole mit dem Staat. Dieser Verschmelzungsprozeß schließt Reprivatisierungen von bisher verstaatlichten Einzelbetrleben nicht aus. Vielmehr kommen gerade in diesem Entwicklungsstadium Fälle vor, wo Betriebe, deren Verwaltung in Krisen137 zelten staatlichen Stellen tibertragen wurde, wieder an die Monopole übergingen. Das geschah beispielsweise im Jahre 1936, als die Großbanken reprivatisiert wurden. Im gleichen Jahr wurden die Aktien von ehemals krisenerschütterten Unternehmen vom Deutschen Reich in Privathand zurückgegeben. Der Staat, der diese Betriebe gestützt hatte, setzte jedoch auch noch nach der Reprivatlsierung die Subventionierung fort. Die Enge der Rohstoffbasis, die äußerste Auslastung der Industriekapazitäten, Schwierigkeiten in der Kapitalbeschaffung und der Arbeitskräfteversorgung haben den Prozeß der Zwangs Vereinigungen in der Wirtschaft stimuliert. Neben der apologetischen Planpropaganda, in der davon gesprochen wird, daß man unter kapitalistischen Verhältnissen genauso planen könne wie unter sozialistischen und daß man daher die zyklischen Wirtschaftskrisen in Zukunft vermeiden werde, verstärkt sich mit Entwicklung der Monopole die Notwendig13 8 keit für die Bourgeoisie, bestimmte Dinge, wie den Kapitaleinsatz, zu rationalisieren. So machte die verstärkte RUstungswirtschaft im faschistischen Deutschland gewisse staatliche Lenkungsmaßnahmen der kriegswichtigen Rohstoffproduktion notwendig. Das war eine, 51
mit staatlicher Autorität unterstützte Verständigung der Monopole Uber Produktiansziele und -quoten und Uber den entsprechenden Kapital-, Material- und Arbeitskräfteeinsatz, die sie als bindend betrachteten und der sich Außenseiter zu unterwerfen hatten. Das war keine Planung in dem Sinne einer volkswirtschaftlichen Gesamtplanimg, wenn auch Hitler und Göring sie 1936 lauthals als "Vierjahresplan" verkündeten. Der sogenannte "Vierjahresplan" im faschistischen Deutschen Reich war seinem Wesen nach nichts anderes, wenn man von seinem nicht unbedeutenden propagandistischen Effekt einmal absieht, als eine Maßnahme zur staatlichen Regulierung der Produktion, der Verteilung und des Arbeitskräfteeinsatzes in einer Phase der wirtschaftlichen Hochkonjunktur mit dem Ziel, einen neuen Weltkrieg auf die rationellste Art ökonomisch vorzubereiten. Dieses Ziel erforderte, die Rohstoff-, Nahrungsmittel- und Arbeitskräftebeschaffung so weit im ganzen Land zu koordinieren, wie das unter den gegebenen kapitalistischen Verhältnissen möglich war. Der "Vierjahresplan" war ein Beschaffungsprogramm großen Stils, Uber das sich die deutschen Monopole mit der Hitlerregierung verständigten, um aus der Wirtschaft einen optimalen Beitrag zur 139 Kriegs Vorbereitung herauszuholen. Dieses Beschaffungsprogramm sollte auf drei Wegen verwirklicht werden: durch Befehle der obersten Staatsführung, durch Lenkung der zivilen Konsumtion, was im Einzelfall einer Einschränkung des Verbrauchs und der Verweigerung von Rohstoffzuteilungen fUr bestimmte Bereiche gleichzusetzen war, und durch die staatliche Finanzpolitik. Bedeutungsvoll ist die Tatsache, daß dieses Programm unter Berücksichtigung der militärischen Strategie aufgestellt wurde und den Kriegsfall von vornherein einbezog. Die RUstungs-, Transport- und Versorgungsbetriebe sollten so strukturiert und ihre Standorte so gewählt werden, daß sie den Erfordernissen einer modernen KrlegsfUhrung entsprachen. Es war eine Folge der gigantischen Aufrüstung, daß die staatlichen Investitionen be140 trächtlich anstiegen.
Nahezu alle wichtigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen des Hitler-
regimes lassen sich aus dem Anliegen ableiten, die Rüstung und mit ihr zusammenhängende Projekte zu sichern und zu finanzieren. Demgegenüber haben temporäre Maßnahmen zur Förderung von Investitionen der mittleren Bourgeoisie und der einfachen Gewerbetreibenden nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Eine starke Zentralisierung der Haushaltspolitik, eine strenge Beschneidung der jeweiligen Haushalte der Länder, Städte und Gemeinden ermöglichten die Konzentrierung der Steuern bei der Reichsregierung. Die Steuereinnahmen haben trotz beträchtlicher Erhöhung die enorme Steigerung der Staatsausgaben schließlich nicht wettmachen kämen. So hat sich das Budgetdefizit ständig vergrößert. Mit Hilfe der Kreditpolitik suchte man das defizitäre Budget dennoch zu finanzieren. Diese Finanzierung erfolgte durch eine getarnte Erhöhung der Staatsschuld mit Hilfe von "Arbeitsbeschaffungswechseln" und deren fiktiver Rückzahlung durch Neuausgaben andersartiger 52
Schuldverschreibungen (Mefo-Wechsel, Schatzanweisungen). Die Defizite im Staatshaushalt nahmen trotz beträchtlicher Erhöhung der Produktion und Abnahme der Arbeitslosenzahl 141 weiter zu, und die Reichsschuld bekam riesige Ausmaße. Um die freien Finanzmittel der Wirtschaft auf die Anlage in festverzinsliche Staatspapiere zu lenken, wurde die Emission anderer Wertpapiere, die nicht durch staatliche Institutionen veranlagt war, rigoros eingeschränkt; die Aktienbesitzer wurden veranlaßt, Dividenden, die 6 % tiberstiegen, zum Kauf von Anleihen zu verwenden. Defizitär wurde 1934 die Außenhandelsbilanz. Man griff, um Zahlungsbilanzschwierigkeiten abzuwehren, auf eine strenge Reglementierung des Außenhandels und auf Devisenbewirtschaftung zurück, so auf Bilateralisierung des Handels und Zahlungsverkehrs mit dem Ausland, auf Einfuhrbeschränkung und Ausfuhrförderungsmaßnahmen. Trotzdem ging der Gold- und Devisenbestand der Reichsbank bald auf ein Minimum zurück, und der Anteil Deutschlands am Welthandel sank. Der Import war ganz auf die Beschaffung wichtiger rlistungswirtschaftlicher Waren abgestellt; dieser Umstand und die Bilateralität des Außenhandels ließen dem Export daher nur geringe Chancen. Mit der Defizitfinanzierung und der ungünstigen Exportsituation wuchs die Gefahr der Inflationierung, der man mit Lohnstopp, Preisüberwachung und Preisstopp zu begegnen suchte. (Für die landwirtschaftlichen Produkte machte man allerdings in der Preispolitik eine Ausnahme, die Bewirtschaftungsmaßnahmen führten hier wegen der Autarkiebestrebungen zu einer Preiserhöhung.) Der Dirigismus in der Preispolitik hat nur die Erscheinungen der Zwangswirtschaft verstärkt; die Wurzel des Inflationsübels, die Aufblähung der unproduktiven Staats ausgaben, wurde durch ihn nicht beseitigt. Allenfalls hat man durch die Restriktionsmaßnahmen einen gewissen Aufschub des Zusammenbruchs der Währung erreicht. Durch den anfangs erwähnten Angriff der Hitlerfaschisten auf das Koalitionsrecht der Arbeiter und die Zwangsvereinigung in der faschistischen DAF hatten die Unternehmer günstige Voraussetzungen, das Lohnniveau trotz konjunkturellen Aufschwungs niedrig zu halten. Dem Unternehmer, dem die Arbeitskräfte wegen der Belebung der Nachfrage knapp zu werden drohten, stand der faschistische Staats- und Propagandaapparat zur Seite, um mit Hilfe von Gesetzen, Justiz-, Polizei- und Presseorganen die Löhne zu drücken. Für den Verlauf der Konjunktur war diese Tatsache von außerordentlicher Bedeutung. Trotzdem hätte der Lohnstopp das Debakel nicht aufhalten können. Die anderen Momente, vor allem die ungeheure Schuldenlast durch RQstungsfinanzierung, die Beschränkung der Massenkaufkraft und die ungünstige Entwicklung des Außenhandels hätten schließlich bald zu einem fühlbaren Ende der Konjunktur führen müssen, wäre nicht mit dem Weltkrieg zunächst noch eine viel größere Katastrophe auf Deutschland hereingebrochen. Mit der Vorbereitung der Faschisten auf den Uberfall und die Ausraubung anderer Völker ist die ökonomische 53
Problematik noch einmal verschleiert worden. Alle Restriktionsmaßnahmen wurden jetzt mit dem Stempel der Kriegsnotwendigkeit versehen. Die Ausbeutung des eigenen Volkes wurde durch die Ausbeutung anderer Völker ergänzt, der politische Terror und die Zwangswirtschaft wurden unverhUllter und rigoroser als je zuvor praktiziert. Die heutige Generation braucht man kaum noch daran zu erinnern, wie furchtbar das Ende, wie vollkommen der militärische und wirtschaftliche Zusammenbruch waren. Hitler, der Amtswalter des deutschen Monopolkapitals, hütete sich, auf dem Gebiet der Wirtschaft allzu drastische Maßnahmen vorzunehmen. Der Diktator verhehlte nicht, daß er Uberhaupt nicht daran dachte, mit der ehemals von ihm versprochenen "Abschaffung arbeitsloser Einkommen", der sogenannten "Brechung der Zinsknechtschaft", mit umfas142 senden Gewinnbeteiligungen und Verstaatlichungen Ernst zu machen. Am 6. Juli 1933 führte er in einer Rede vor den Reichsstatthaltern aus, daß er die Gleichschaltung, die er in der Polizei, in der Justiz, in der Verwaltung des Reiches und der Länder, in den Gewerkschaften und in anderen Bereichen mit Energie und Eile betrieb, n i c h t
auf die
Wirtschaft ausgedehnt wissen wolle: "Man darf nicht einen Wirtschaftler absetzen, wenn er ein guter Wirtschaftler, aber noch kein Nationalsozialist i s t . . . In der Wirtschaft darf nur das Können Ausschlag geben." Und er wies seine Statthalter an, mit den Kapitalisten nicht so zu verfahren wie mit politischen Gegnern: "Die Ideen des Programms verpflichten uns nicht, wie Narren zu handeln und alles umzustürzen, sondern klug und vorsichtig unsere Gedankengänge zu verwirklichen... Die Reichsstatthalter haben dafUr zu sorgen, daß nicht irgendwelche Organisationen oder Parteistellen sich Regierungsbefugnisse anmaßen, Personen absetzen und Ämter besetzen, wofür allein die Reichsregierung, 143 also in bezug auf die Wirtschaft allein der Reichswirtschaftsminister zuständig ist." Die Gauleiter wurden zur gleichen Zeit darüber belehrt, daß auf dem Gebiet der Wirtschaft "andere Entwicklungsgesetze maßgebend" seien als in der Frage der politischen Macht. Kurz nach seiner Ernennung zum Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium, dessen Leitung nach dem Rücktritt von Hugenberg Schmitt übernahm, sprach Feder im Rahmen des Rektoratswechsels an der Bergakademie Clausthal davon, daß das erste, was die deutsche Wirtschaft brauche, Ruhe sei. Sie müsse das Gefühl unbedingter Rechtssicherheit haben und wissen, daß die Arbeit mit ihren Erträgen garantiert sei. Eine der ersten Amtshandlungen sei die Rückziehung aller Kommissäre. Die Eingriffe in die Wirtschaft, die 144 vielleicht im Übereifer erfolgten, seien zum Teil unerträglich geworden. Diese Orientierung fand auch ihren Ausdruck in der Besetzung wichtigster wirtschaftspolitischer Ämter durch die Hitlerregierung. Es wäre naheliegend gewesen, wenn Hitler, der sonst alle Staatsämter mit seinen treuesten Paladinen zu besetzen trachtete, seinen "Wirtschaftsexperten" G. Feder in eine führende Position der staatlichen oder wirtschaft54
lieben Verwaltung beordert hätte.
145
Feder selbst suchte auch den Kurswechsel mitzuma-
chen, wovon seine Ausführungen Uber das Verhältnis von Wirtschaft und Staat im Jahre 1934 Zeugnis ablegten. In seiner Schrift "Wirtschaftsführung im Dritten Reich" heißt es, der Staat sei "Regler, Treuhänder und Ausgleicher im Reiche der Wirtschaft, aber er darf nie selbst hinabsteigen in die Sphäre der Wirtschaft selbst, um als Konkurrenz neben die 146 privatwirtschaftliche Initiative hinzutreten", und er polemisiert gegen die "Verderblichkeit eines Systems, das den Staat selbst in die Wirtschaft 147 hineinzieht. Heraus aus der Wirtschaft , so muß für den Staat die Parole lauten." Das Umschwenken Feders auf die Hitlersche Linie der Nichtintervention in der Wirtschaft half ihm nicht mehr viel. Hitler orientierte sich bei seiner Auswahl wirtschaftspolitischer Kommandoposten zunächst auf bewährte Wirtschaftspraktiker. Die aber waren in dem Kreis seiner engsten Anhänger kaum zu finden. Daher erhielt weder Feder noch ein anderer "alter Kämpfer"*^ das Wirtschaftsministerium, nachdem der Koalitionspartner Hugenberg zum Rücktritt gezwungen wurde, sondern der Generaldirektor der "Allianz"Versicherungsgesellschaft, K. Schmitt, der sich erst nach seiner Berufung beeilte, die SS-Uniform anzuziehen. Nachfolger des Reichsbankpräsidenten Luther wurde bereits Mitte März 1933 ein versierter Fachmann auf finanzpolitischem Gebiet, der schon von 1923 bis 1930 diesen Posten innegehabt hatte: H. Schacht. Schacht erhielt im August 1934 außer der Funktion des Reichsbankpräsidenten auch noch die des Reichswirtschaftsministers. Eine der ersten Amtshandlungen Schachts war die Entlassung Feders; der "alte Kämpfer", fast im gleichen Alter wie Hitler, durfte sich pensionieren lassen. Die Rolle, die Feder noch einige Zeit als Professor an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg spielte, war ohne jeden Glanz; nach kurzer Zeit sprach kaum noch jemand von ihm. 1941 starb Feder, ohne daß die Welt davon Notiz nahm. Einer, der die Diskussionen um die wirtschaftspolitischen Probleme der zwanziger und dreißiger Jahre miterlebt und zu großen Teilen auch mitbestritten hat, W. Grotkopp, schreibt in seiner reichhaltigen Materialsammlung Uber jene Zeit: "Innerhalb der NSDAP fehlte nach dem Ausscheiden Strassers die wirtschaftspolitische Autorität. Gottfried Feder, der vielfach als solche galt und alles tat, um diesen Eindruck zu erhalten, hatte schon vor 1933 jedes Ansehen bei Hitler eingebüßt und wurde in weiten Kreisen der Partei als Phantast angesehen. Die Versuche einiger kluger Mitarbeiter aus seinem Kreis, wie Forstmann und Arthur R. Hermann, ihn zu rehabilitieren, scheiterten. Statt dessen wurde sein Einfluß durch die zeitweiligen Gegensätze zu Strasser und später zu Reinhardt weiter gemindert. Die Gruppe um Heß, die wiederum von Zwiedineck-SUdenhorst beeinflußt wurde, kam infolge der Passivität von Heß nicht zum Tragen. Die jüngeren Kräfte, wie neben Forstmann und Hermann noch Hunke, von Rentelen und Trautmann, die aktiv in die Debatten 55
der Jahre 1931/32 eingegriffen hatten, blieben ebenso wie die unentwegten Außenseiter, so Daitz, am Rande. Bernhard Köhler, der f ü r diejenigen, die das sozialistische Programm ernst nahmen, zeitweilig Mittelpunkt war, konnte sich nicht durchsetzen und resignierte bald, da e r ab etwa 1937 die Fehler erkannte, aber nichts mehr tun konnte. Die Bemühungen Kepplers, d i e wirtschaftliche Autorität zu werden, scheiterten. Funk, der sich bei dieser Sachlage dank seinen Fachkenntnissen 1932 in den Vordergrund hätte spielen können, wurde in der NSDAP, was wohl auch in seinen vielseitigen anderen Interessen, wie den künstlerischen, begründet ist, nie eine erste Figur. Reinhardt, der schon vor 1933 durch beachtliche Aufsätze bekanntgeworden war, galt damals vorwiegend als Spezialist. Am 30. Jäüuar 1933 mußten somit die Wirtschafts- und Finanzpolitiker bei der Bildung der Regierung aus dem Bürgertum als Sachverständige geholt werden, wie Schacht, Schwerin-Krosigk und Hugenberg." 1 4 9 Wie der Amerikaner A. Schweitzer auf Grund von Quellen "beschlagnahmter, aber noch nicht veröffentlichter Dokumente im amerikanischen National-Archiv" schreibt, ist die Ablösung K. Schmitts als Wirtschaftsminister auf den "Entschluß der Wehrmacht und der Schwerindustriellen" zurückzuführen, die bei Hitler intervenierten, da Schmitt nicht "die absolut notwendigen Maßnahmen für wirtschaftliche Mobilmachung" getroffen hätte. Man habe ihm die Ernennung eines "Wirtschaftsdiktators" vorgeschlagen, dessen Hauptaufgabe sein sollte, "eine systematische Politik der wirtschaftlichen Wiederaufrüstung durchzuführen"
Tatsächlich wurden dem Wirtschaftsminister beträchtliche Vollmachten erteilt.
Wenig später wurde Schmitt durch H. Schacht abgelöst, der gleichfalls kein Mitglied der NSDAP war, als e r das Amt des Wirtschaftsministers übernahm. Schacht war wie K. Schmitt ein Repräsentant der Monopolbourgeoisie. Bereitwillig bot e r Hitler seine Dienste an, solange ihm die Hitlersche Innen- und Außenpolitik für das Monopolkapital als nützlich e r schien. In seiner Autobiographie rühmt er sich dieser Verdienste und hebt hervor, daß ihm Hitler in seiner Tätigkeit freie Hand gelassen habe: "Hitler ließ mir in meiner Tätigkeit als Reichswirtschaftsminister die gleiche Freiheit und Selbständigkeit, die ich als Reichsbankpräsident besaß. Er verstand von Wirtschaft gar nichts. Solange ich ihm die Handelsbilanz in Ordnung hielt und die nötigen Devisen verschaffte, kümmerte e r sich nicht darum, wie ich das zustande brachte. Hitler hat bis zum Herbst 1936 keinerlei Maßnahmen geduldet, 152 die in meine Tätigkeit eingriffen." Und an anderer Stelle: "Auch hat e r niemals versucht, mir eine Direktive zu geben, sondern hat mich meine Ideen, ohne sie zu kritisieren, 153 selbständig und unabhängig ausführen lassen." Die Großbourgeoisie wußte es wohl zu schätzen, daß Hitler sein Versprechen ihr gegenüber hielt. AuchAdolf Weber rühmte noch nach dem Kriege die von Schacht erwähnte Bewegungsfreiheit in den ersten Jahren, wo von den späteren Autarkiebestrebungen noch nicht 56
die Rede war: "Rein wirtschaftspolitisch war es nach der Machtübernahme ein Glück, daß Hitler nicht nur nichts von wirtschaftspolitischen Dingen verstand, sondern daß er es auch selbst wußte und ebensowenig von Gottfried Feder erwartete, der vordem tonangebend für wirtschaftspolitische Fragen Im nationalsozialistischen Lager war. Die Führung der Wirtschaftspolitik wurde zunächst wirklichen Sachkennern überlassen; außer Schacht Männern wie Posse, Popitz, Trendelenburg, Gördeler. Offenbar waren die ersten programmatischen Erklärungen Hitlers bemüht, einer relativen wirtschaftspolitischen Vernunft den Weg zu bahnen. Der Marktpreispolitik und der privaten Initiative wurde das Wort gegeben, die Autarkiebestrebungen wurden im Gegensatz zu dem, was kurz vordem Feder verkündet 154 hatte, mit aller Bestimmtheit abgelehnt." Die deutschen Faschisten, die sich den Namen Nationalsozialisten zulegten, sind u.a. auch mit der zugkräftigen Losung vom "Soziallsmus" hausieren gegangen. Heute Ist es für jeden Menschen offensichtlich, daß dieser bedeutungsvolle Begriff selten so schamlos mißbraucht worden ist wie in den Propaganda- und Agitationslosungen der Hitlerleute. Gab es auch Meinungsverschiedenheiten Uber Einzelfragen der Wirtschaftspolitik, so ließ Hitler über die Fragen des Weiterbestehens der bürgerlichen Gesellschaft bald keinen Zweifel mehr aufkommen. W. Funk, der in den Jahren vor 1933 wichtige Verbindungen zwischen der Partei und der Industriebourgeoisie herstellte, sagte darüber im Nürnberger Prozeß folgendes aus: "Damals bestanden in der Parteiführung völlig widersprechende und konfuse Ansichten in bezug auf Wirtschaftspolitik. Um meine Mission zu erfüllen, versuchte ich, dem Führer und der ganzen Partei klarzumachen, daß die Privatinitiative, das Selbstvertrauen des Geschäftsmannes und die schöpferischen Kräfte des freien Unternehmertums als Grundlage der Wirtschaftspolitik der Partei anerkannt werden müßten. In seinen Gesprächen mit mir und mit Industriellen, bei denen ich ihn eingeführt hatte, betonte der Führer persönlich immer wieder, daß er ein Feind der Staatswirtschaft und der sogenannten Planwirtschaft sei und daß er freies Unternehmertum und freien Wettbewerb als absolut notwendig erachte, 155 um die höchstmögliche Produktion zu erreichen." Mitte der dreißiger Jahre ist eine gewisse Wende in der Haltung der Hitlerpartei zu den bürgerlichen Ökonomen zu verzeichnen. Die schlimmsten Folgen der Weltwirtschaftskrise waren bereits überwunden, die politische Macht war konsolidiert und das Wiederaufrüstungsprogramm begann auf höheren Touren zu laufen. Man fühlte sich sicher im Sattel und begann daher, gegen renitente Mitläufer vorzugehen. Die ökonomische Kernfrage, vor der die bürgerlichen Ökonomen Mitte der dreißiger Jahre standen, war die Einbeziehung und Stärkung der deutschen Wirtschaft zum Zwecke der Aufrüstung. Auf dem Parteitag im September 1936 wurde ein neues Wirtschaftspro57
gramm verkündet, das, als "Vlerjahresplan" deklariert, die inneren Reserven des Reiches dazu mobilisieren sollte. Im Grunde genommen stellte diese Aktion nur eine propagandistisch aufgewertete WeiterfUhrung der bereits zuvor mehr oder weniger stillschweigend betriebenen Autarkiebestrebungen dar. Jetzt jedoch wurde neben dem Wirtschaftsministerium noch eine besondere Organisation geschaffen, deren Leitung bezeichnenderweise Hermann Göring Ubertragen wurde und die das Autarkieprogramm forcieren und mit großem Mittel- und Propagandaaufwand durchsetzen sollte. Der Beauftragte fiir den Vlerjahresplan ging rigoros vor, und Schacht mit seinen Bedenken hinsichtlich des Tempos der Aufrüstung und einiger Modalitäten ihrer Durchführung blieb auf der Strecke und kam schließlich ins Konzentrationslager.
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m . Die Gleichschaltung der Ökonomen
Die "Gleichschaltung" war die politische Repressalie großen Stils der Hitler-Partei in allen öffentlichen und privaten Institutionen. Sie wurde in Szene gesetzt, sobald die NSDAP die Machtmittel dazu in der Hand hatte. Ihr Ziel war die endgültige Beseitigung der biirgerli- ' chen Demokratie und die Festigung der absoluten politischen Herrschaft des "FUhrers", des neuen Gewährsmannes der herrschenden Klassen. Es war ein Generalangriff auf polltische Gegner oder "Ungeeignete", die bislang wichtige Positionen des öffentlichen Lebens einnahmen und war mit einer Neuverteilung der "Futterplätze" zugunsten von Parteigängern und Mitläufern der Hitlerbewegung verbunden. Mit ihr war zum Teil eine Umstrukturierung und Umorlentierung bestimmter Organisationen im Sinne der Hitleranhänger verknüpft, eine umfangreiche gewaltsame "Anpassung" an die Direktiven der NSDAP. Bisher im Dunklen gebliebene Gestalten traten plötzlich ans Licht der Öffentlichkeit; mit dem Mitgliedsbuch der NSDAP in der Tasche nahmen sie jetzt allen anderen Mitbürgern gegenüber einen höheren gesellschaftlichen Rang ein. Ein "neuer Geist", der faschistische Ungeist, der Rassenwahn, der Antikommunismus, ein übersteigerter Nationalismus, der Militarismus und der Revanchegedanke, das Führerprinzip und die Verhöhnung der Demokratie zog in die Amtsstuben auf "legalem", formalrechtlich begründetem Wege ein. Die Gleichschaltung begann mit der rigorosen Entlassungskampagne in den preußischen Staatsbehörden, die Hermann Göring als preußischer Innenminister durchführen ließ, und sie machte nicht Halt vor den "geheiligten" Traditionen der Wissenschaft, sie setzte sich fort bis zur Neubesetzung von Lehrstühlen an den Universitäten. Wirtschaftskammern, Berufsverbände, Aufsichtsräte erhielten neue Vorsitzende und Präsidenten. Gewiß spielte der offene T e r r o r , die direkten Verfolgungen politischer Gegner, wie sie besonders nach der Brandstifung im Reichstagsgebäude durch Görings Kumpane einsetzten, eine Hauptrolle bei der Gleichschaltungskampagne. Das "Gesetz zum Schutz von Volk und Staat" hob die persönlichen Freiheiten, die in der Weimarer Verfassung versprochen waren, demonstrativ auf. Vielleicht aber hat die Korrumpierung noch mehr als drohende Haussuchungen und Inhaftierungen bewirkt, daß die Gleichschaltung relativ schnell und reibungslos verlief. Furcht, Repressalien ausgesetzt zu werden, und die Aussicht, gleichfalls einen Nutzen aus der Neuverteilung einträglicher Posten zu ziehen, bewogen viele Menschen im "Dritten Reich" dazu, den Widerstand gegen die faschistische Barbarei aufzugeben, sich "bekehren" zu lassen und die Zeichen der Zeit umzudeuten. 59
Die Gleichschaltung erstreckte sich auf alle Gebiete des öffentlichen Lebens. Rigoros reduzierte man die Kompetenzen der Länderregierungen,und bis hinab zu den Gemeinden beseitigte man die Beste von örtlichen Selbstverwaltungen. Drakonisch ging man auch mit den Gewerkschaften um. Nachdem die alten Gewerkschaftsfahrer eingesperrt worden waren, schloß man die Gewerkschaften zwangsweise zu der faschistisch gelenkten "Deutschen Arbeitsfront" zusammen. Die Parteien neben der NSDAP wurden entweder verboten oder lösten sich unter mehr oder weniger Druck schließlich selbst auf. Was die bürgerlichen Ökonomen anbetrifft, so standen sie zweifellos unter dem gleichen Druck wie jeder andere BUrger des Deutschen Reiches, der sich nicht den Wünschen der Hitlerpartei unterordnete. Waren sie Staatsbeamte, so waren sie ohnehin den Gesetzen zur "Säuberung" der Beamtenschaft unterworfen. Bereits am 7. April 1933 wurde das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" erlassen, das sich bald als ein wirksamer Hebel zur Neubesetzung von Staatsämtern erweisen sollte. Dieses Gesetz machte es möglich, dem bisherigen Beamten Gehalt und Versorgung zu entziehen, wenn e r nicht genehm war und sich politische Blößen gab. In der Folgezeit gab es eine ganze Reihe von Gesetzen, die die Zusammensetzung der Beamtenschaft entscheidend veränderte. Alle Hoffnung mußten Beamte jüdischer Abstammung fahren lassen. Auch Beamte, die einmal mit Linksparteien sympathisiert hatten, mußten mit ihrer Entlassung rechnen. Am 4. Oktober des gleichen Jahres wurden auch aus dem Joumalistenberuf die unliebsamen Elemente ausgeschaltet,und die Einrichtung einer Reichskulturkammer sorgte dafür, daß die Publikationsorgane vollständig unter die Kontrolle von Joseph Goebbels kam. Mit bloßen personellen Veränderungen gab man sich keineswegs zufrieden. Der personalen Neubesetzung der Ämter und Lehrstühle, der Entfernung von marxistischen, jüdischen und anderen "unerwünschten" Personen sollte die Umwandlung des Geisteslebens, der Lehren und des Denkens folgen. Daher schrieb Wiskemann 1936: "Die teilweise Säuberung der Universitäten von undeutschen Kräften, die Gleichschaltung , endlich organisatorische Maßnahmen verschiedener Art bedeuteten noch keinen Wandel der Hochschulen, ebensowenig wie dieser allein durch das Hereindringen von Stimmen und Forderungen aus der Partei und ihren Organisationen oder durch das stärkere Durchdringen alter Parteiangehöriger innerhalb der Univer156 sitäten bewirkt werden konnte." Wer von den bürgerlichen Ökonomen in einer privatwirtschaftlichen Stellung war, hatte zunächst noch mehr Bewegungsfreiheit als die Staatsbeamten und Journalisten. O. Wagner, der Leiter der Wirtschaftsabteilung der NSDAP-Reichsleitung, stellte unmittelbaren Kontakt zu den Unternehmerverbänden her, doch trug das Eindringen der Partei in die Spitzen der Monopolbourgeoisie einen ganz anderen Charakter als beispielsweise die gewaltsame Korrektur in der Zusammensetzung der preußischen Beamtenschaft. Wenn es im Unter60
nehmerbereich zur Personalunion von "WirtschaftsfUhrern" und Parteiführern kam, dann beruhte das in ungleich stärkerem Maße auf einem Entgegenkommen seitens der Unternehmer, als es z.B. bei den Intellektuellen der Fall war. Schließlich war Hitler "ihr Mann", der Mann des Finanz- und Industriekapitals. Folglich kam es in vielfacher Hinsicht zu raschem Einvernehmen von beiden Seiten. Die sogenannten Wirtschaftsftihrer, sicher vor "sozialen Experimenten" und einschneidenden Maßnahmen, die ihre Interessensphäre hätten stören können, genossen daher im Vergleich zu den Hochschullehrern der Ökonomie eine ziemlich große Bewegungsfreiheit. Die sogenannte Gleichschaltung war durchaus keine Maßnahme, die auf allen Gebieten zur gleichen Zeit vollzogen wurde. 1936 schrieb E. Wiskernannt "Der nationalsozialistische Kampf um die neue Wirtschaftswissenschaft beginnt erst. Alles ist noch im Fluß. Wie die studentische Jugend und in Verbindung mit ihr steht gerade unser Fach in einem Belchsleistungskampf." Ziel sei es, "im weitesten Bereich der Wirtschaftswissenschaft, d.h. von Forschung, Lehre und Anwendung beider, den Nationalsozialismus zu verwirklichen. Die wehr- und dauerhafte Lebensgemeinschaft aller Deutschen erfordert zu höchster Entfaltung arteigner Anlagen und Leistungskräfte einen völligen Wandel des Denkens auch auf wirtschaftswissenschaftlichem 157 Gebiet." Der Hauptteil der publizierenden Wirtschaftstheoretiker bestand in Deutschland aus Hochschullehrern. Mit der ökonomischen Praxis waren die Professoren der Universitäten und Fachschulen in unterschiedlichem Maße verbunden. Das Gros der Ökonomie-Professoren hatte nur eine sporadische Verbindung zu den wirtschaftlichen Unternehmungen, und sie durften sich im allgemeinen eher mit Recht als Sachwalter der gesamten Monopolbourgeoisie fUhlen, denn als Vertreter einzelner Monopolorganisationen. Mehr als in angelsächsischen Ländern hat in Deutschland der Ökonomieprofessor Abstand von den Fabriken und Kontoren gehabt. Seine unmittelbaren Vorgesetzten waren deshalb weniger die Aufsichtsräte und Vorstände der Unternehmungen, sondern die Kultusminister der Länder und die Rektoren und Dekane der Universitäten. Diese Stellung gibt seiner Haltung auch ein besonderes Gepräge. Ist seine Rücksichtnahme gegenüber wirtschaftlichen Gremien nur bedingt notwendig, so ist er als Staatsbeamter und Angehöriger einer Universität den Reglementierungen ganz anderer Obrigkeiten ausgesetzt. Die Universitäten führen neben ihrer unmittelbaren Unterstellung unter die staatlichen Behörden in bestimmtem Maße ein eigenständiges Leben. Die Karriere des Hochschullehrers ist nicht nur von der Gtaade des zuständigen Ministeriums abhängig, sondern auch von der der Gremien an den Universitäten und Fakultäten. Will ein Wissenschaftler eine höhere Stufe erklimmen, so muß er sich die Gunst dieser Gremien sichern, indem er sich nicht allzuweit von den Lehr- und Lebensauffassungen der allgewaltigen Kollegen entfernt. Aus 61
der Notwendigkeit, sich sowohl das Wohlwollen des Ministers wie das des Rektors erhalten zu müssen, aus der durchaus eine Zwangslange entstehen kann, resultiert auch die eigenartige Haltung verschiedener Professoren zu Beginn der faschistischen Herrschaft. Während die wichtigen Staatsverwaltungsposten unmittelbar nach dem 30. Januar 1933 mit getreuen Gefolgsleuten Hitlers besetzt wurden, verstrich bis zur völligen Durchsetzung der Gleichschaltung an den Universitäten eine gewisse Zeit. Einer, der es genau wissen muß, da er ein aktiver Anhänger Hitlers und selbst Mitglied der SS gewesen ist, G. Schmölders, gibt nach dem Kriege dazu folgende Darstellung: "Die deutsche Wirtschaftswissenschaft stand dem Nationalsozialismus von vornherein im allgemeinen sehr ablehnend gegenüber, wie dies noch die Dresdner Tagung des Vereins für Sozialpolitik von 1932 deutlich gezeigt hatte . . . Bis etwa 1937 handelte es sich in der Hochschulpolitik des nationalsozialistischen Regimes noch vorwiegend um die Durchführung des Berufsbeamtengesetzes und um eine mehr äußerliche Gleichschaltung der danach noch verbliebenen Lehrkräfte. Persönliche Bespitzelung und weltanschauliche Beeinflussung der Professoren sind in dieser Zeit zwar schon an der Tagesordnung, von einer eigenen nationalsozialistischen Wirtschaftsdoktrin und einer von Hochschullehrern getragenen, von innen heraus wirkenden Durchsetzung des Faches mit nationalsozialistischem Geist ist aber noch wenig zu verspüren. 1937 trat an die Stelle der mit sogenannten Vorgriffen auf spätere Steuereinnahmen finanzierten Arbeitsbeschaffung die kaum verhüllte Kriegs Vorbereitung des Vierjahresplanes, in der Finanzpolitik die bedenkenlose Kreditschöpfung , lies Inflatlonierung der Währung; spätestens im Winter 1937/38 mußte jedem wirtschaftswissenschaftlich Geschulten der wahre Kurs der Hitlerregierung mit erschreckender Deutlichkeit sichtbar werden. Um die gleiche Zeit erhob sich aus dem Wust berufsständiger NS-Organisationen und Gliederungen der vom Stabe Heß getragene parteihörige Dozentenbund mit dem Anspruch auf entscheidenden Einfluß auf die Berufungspolitik an allen deutschen Hochschulen und mit dem Versuch, das nationalsozialistische Ideengut auch von innen heraus in den Lehrstoff der Wirtschaftswissenschaft hineinzutragen . . . Wie Pilze schössen Autoren und Schriften aus der Erde, die sich möglichst nationalsozialistisch gebärdeten, und nur wenige Herausgeber und Verleger brachten es fertig, gegenüber dieser Konjunktur wenigstens eine gewisse Zurückhal.... „158 tung zu üben." Wegen der rigorosen Rassenpolitik hatten es jüdische Wissenschaftler von Anfang an besonders schwer, im faschistischen Deutschland ihre bisherige Stellung zu behaupten. Trotzdem mancher versuchte, sich den neuen Verhältnissen soweit wie möglich anzupassen, blieben im Endeffekt die Versuche jüdischer Bürger, sich mit den Rassenfanatikern zu arrangieren, aussichtslos und die Emigration war die Konsequenz, die vor Schlimmerem bewahrte. 62
Das Schicksal des judischen Rektors der Berliner Handelshochschule M. J . Bonn soll hier als ein Beispiel für viele stehen. In seiner Autobiographie schildert er die Umstände seiner Amtsenthebung im Jahre 1933: "Nachdem Adolf Hitler an die Macht gelangt war, ließ Ich sofort meine Nazi-Studenten kommen und sagte zu ihnen: Eure Partei ist jetzt am Ruder; das bedeutet, daß Ihr mich dabei unterstützen müßt, die Ordnung in der Hochschule aufrechtzuerhalten. In diesem Hause hat sich nichts geändert; ich habe immer nach dem Grundsatz gehandelt, zu dem Ihr Euch bekennt: Ich befehle, Ihr gehorcht! Jawoll, Ew. Magnifizenz , antworteten sie und schlugen die Hacken zusammen, wir gehorchen, bis wii Gegenbefehle von der Regierung empfangen . Bis nach dem Reichstagsbrand und den Neuwahlen hatte ich wenig Schwierigkeiten mit ihnen . . . " Nach den Wahlen im März 1933 ging an "alle Universitäten und Hochschulen sofort der Erlaß, drei Tage lang die Naziflagge zu hissen. Das Kuratorium der Handelshochschule wies mich an, dem Befehl Folge zu leisten. Die Handelshochschule besaß natürlich keine Naziflagge. So schickte ich zu meinen Nazi-Studenten und bat sie, uns ihre Fahne zu leihen. Sie waren begeistert. Ich ließ ihnen sagen, sie könnten beim Hissen der Fahne zugegen sein und sie nach drei Tagen niederholen. Sie hatten aber keinerlei Eile, sie wieder in ihren Besitz zu bekomm 6n und meinten, die Flagge sei bei uns ganz gut aufgehoben. Diese freundliche Stimmimg dauerte nicht lange. Schon wenige Tage später erschien eine Abordnung der Nazi-Studenten und forderte die Unterdrückung der Kommunistischen Partei in der Hochschule . . . " . Zu den Osterferlen 1933 weilte Bann zur Kur In Baden. "Die Nachrichten aus Berlin lauteten sehr beunruhigend. Gesetze fUr die Entlassung von Juden und Kommunisten, die sich ohne angemessene Befugnis in die Beamtenschaft eingeschlichen hatten, waren erlassen worden. Nur diejenigen, die ordnungsgemäß vor 1914 in die Beamtenschaft eingegliedert worden waren, durften bleiben. Die Universitäten wurden in diesen Reinigungsprozeß einbezogen. Mein Kuratorium wurde unruhig; es sandte mir Briefe und Telegramme, bestand jedoch nicht auf meiner Rückkehr. Es war mir klar, daß ich wenig helfen konnte, und es war ziemlich sicher, daß ich vom Rektorat zurücktreten mtisse . . . Wir wählten ordnungsgemäß einen neuen Rektor und vollzogen damit, ohne es zu ahnen, einen Akt von beinahe historischer Bedeutung. Mein Nachfolger war der letzte Rektor, der gemäß der alten Überlieferung von seinen Kollegen gewählt wurde. Von da ab wurden die Rektoren von der Regierung ernannt . . . Sobald meine Demission angenommen und veröffentlicht worden war, hatte ich das Ausreisevisum nach Österreich eingeholt." 1 5 9 Wichtiger Bestandteil der Gleichschaltungskampagne war die Zerschlagung der Organisationen, die den Hitlerleuten unbequem waren und die sich nicht den veränderten politischen Machtverhältnissen anzupassen vermochten. Im "Verein für Sozialpolitik" z.B. hatte sich 63
eine beträchtliche Anzahl bürgerlicher Ökonomen zusammengefunden, die u.a. die Durchführung sozialer Reformen auf ihr Banner geschrieben hatten. Diese sozialen Beformen waren als wirksames Mittel gegen den Einfluß der revolutionären Arbeiterbewegung und gegen den Marxismus gedacht. Auf der Verhandlung des Vereins am 28. und 29. September 1932 in Dresden hatte man noch ahnungslos über die "Weltkrise" und die Frage der "Autarkisierung" gestritten. Gewiß war einer der Hauptreferenten, E. Lederer, mit einem relativ linksorientierten Vortrag aufgetreten und sicher hat den Hitleranhängern manches Wort, das im Zusammenhang mit der Ablehnung jeglicher Autarkiebestrebungen fiel, nicht gerade angenehm In den Ohren geklungen, jedoch bestand an und für sich durchaus die Möglichkeit der Gleichschaltung des Vereins, nachdem ein Liquidationsversuch durch den Vorsitzenden W. Sombart gescheitert war. Sombart betrieb aktiv die "Gleichschaltungspolitik". So teilte er als Vorsitzender des "Vereins für Sozialpolitik" den Mitgliedern des Hauptausschusses und der Fachausschüsse wörtlich mit, "daß die Herren Lederer und v. Mlses auf mein Ersuchen im Hinblick auf 160
das Gleichschaltungsgesetz ihre Ämter . . . niedergelegt haben."
Der Auflösungsbeschluß
entsprach den ursprünglichen Absichten der Hitler-Regierung. Der Vorstand des Vereins mit W. Sombart an der Spitze hatte bereits 1935 versucht, den Verein - mit ausdrücklicher Betonung der ablehnenden Haltung der NSDAP gegenüber dem Verein - aufzulösen. Sombart hatte in der Sitzung des Hauptausschusses vom 13.4.1935 erklärt, daß die "tiefgreifende Umgestaltung des deutschen Lebens" alle Vorschläge zu einer Änderung der Vereinstätigkeit Uberholt habe. "Weder den politischen noch den wissenschaftlichen, noch den persönlich - gesellig beruflichen Aufgaben, deren Erfüllung der Verein sich gewidmet habe, könne dieser unter den obwaltenden Umständen noch gerecht werden, da sie entweder gegenstandslos geworden oder von anderen Organen bereits übernommen seien. Diese Einsicht, zu der der Vorstand gelangt war, sei bestärkt worden durch das Scheitern aller Versuche, an denen dieser es nicht habe fehlen lassen, mit den Behörden oder maßgebenden Persönlichkeiten der NSDAP Fühlung zu nehmen. So sei er, der Vorstand . . . zuletzt zu der Überzeugung gelangt, daß nur noch die Möglichkeit offen bleibe, den Verein aufzulösen", heißt es darüber im Proto161
koll.
In der Mitgliederversammlung vom 30. Juni 1935 standen schließlich zwei gegen-
sätzliche Beschlüsse zur Abstimmung: die Liquidation des Vereins durch Sombart, Boese und Saenger; ferner der von Sering, v. Dietze u.a. beantragte Beschluß: "Der Verein bleibt bestehen." Das Abstimmungsergebnis lautete 15 : 4 Stimmen für das Bestehenbleiben des Vereins. Neue Vorsitzende wurden C. v. Dietze und Zwiedineck-SUdenhorst. Am 25. April 1936 fand eine weitere Mitgliederversammlung statt, in der der Vorsitzende v. Dietze feststellte, daß alle Bemühungen, von NSDAP und Reichsregierung eine Zusage 64
zu bekommen, daß der Verein seine Unabhängigkeit bewahren dUrfe, erfolglos waren. Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung habe verlangt, daß sich der Verein in seinen Aktionen der Kontrolle des Reichserziehungsministers unterwerfen sollte.
162
Es wurde außerdem ein Brief vom Gauwirtschaftsberater der NSDAP von Berlin vorgelegt, in dem es u . a . hieß:"Um die bisherigen ergebnislosen Verhandlungen zu beenden, habe ich mich, nachdem der Reichsleiter Rosenberg der Überführung des Vereins in eine unter nationalsozialistischer Führung stehende wirtschaftswissenschaftliche Gesellschaft grundsätzlich zugestimmt hat, von der Hochschulkommission der NSDAP und der Kommission für Wirtschaftspolitik der NSDAP bevollmächtigen lassen, Ihnen folgenden Vorsehlag zu unterbreiten, dessen Beantwortung ich bis Donnerstag nachmittag 18 Uhr erwarte: 1. In WUrdigung der alten Tradition des Vereins f ü r Sozialpolitik ist die Partei mit dem Fortbestehen des Vereins einverstanden, wenn eine lebendige Fortführung seiner Arbeiten im nationalsozialistischen Sinne gewährleistet ist. 2. Die damit notwendig werdende Umstellung und Verjüngung des Vereins ist nur möglich, wenn nationalsozialistische Dozenten und Wirtschaftler in den Verein eintreten. Die Partei kann aber ihren Anhängern nur nahelegen, dem Verein beizutreten, wenn der Verein zweifelsfrei unter nationalsozialistische Führung tritt. In dem erwähnten Schreiben vom 2. April habe ich Ihnen Herrn Professor Wiskemann als Vorsitzenden, der der Partei genehm ist, genannt. Da Herr Professor Wiskemann infolge seiner schweren Kriegsverletzung sich nicht in der Lage glaubt, das verantwortungsvolle Amt zu Ubernehmen, schlage ich Ihnen namens der erwähnten Stellen Herrn -Professor Bräuer, Leipzig, für das Amt des Vorsitzenden des Vereins f ü r Sozialpolitik vor. 3. Zum Wiederaufbau und Ausbau des Vereins muß sichergestellt werden, daß die Aufnahme in den Verein durch den Vorsitzenden erfolgt, daß der Vorsitzende allein den Verein 163 leitet . . . " Auf der Mitgliederversammlung vom 25. April 1936 wurde daraufhin beschlossen, den Verein für Sozialpolitik aufzulösen. Ohne Zweifel hat damit der Verein für Sozialpolitik zweimal (einmal bei dem gewünschten Liquidationsversuch, zum zweiten Mal beim Gleichschaltungsversuch) den Wünschen der Hitlerregierung nicht entsprochen. Dürfen wir daraus den Schluß ableiten, daß die bürgerlichen Ökonomen dem Hitlerregime Widerstand leisteten ? Die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Faschisten und den bürgerlichen Ökonomen ist nicht pauschal zu beantworten. 164 Einerseits war die Liste der Emigranten
und Relegierten in der Tat lang genug, um
daraus zu schließen, daß viele "unerwünschte Personen" aus dem Lehrbetrieb ausgeschaltet 65
wurden. Andererseits fehlt es nicht an zahlreichen Beispielen der Selbstanpassung der Ökonomen an die neuen politischen Verhältnisse. Opfer der faschistischen Barbarei gab es 165 unter den Ökonomen genug. Aus weltanschaulichen Gründen wurde 1942 W. Andreae in den Ruhestand versetzt. F. Baade, Lehrbeauftragter ftlr landwirtschaftliches Marktwesen an der Berliner Universität wurde 1933 aller Ämter enthoben und emigrierte 1935 in die Türkei. In die Türkei emigrierten übrigens bereits 1933 die Ökonomen G. Kessler, F. Neumark, A. RUstow. 1938 folgte ihnen der Österreicher J . Dobretsberger. Der in Österreich tätige W. Bouffier wurde 1938 aus dem Hochschullehreramt entfernt. H. Deite entzog man 1939 die venia legendi. Der ehemalige Rektor der Universität Köln und Vorsitzende des Vereins für Sozialpolitik, Ch. Eckert, wurde 1933 vorzeitig aus seinem Rektoramte entlassen. F. Eulenberg wurde 1933 aus dem Lehramt gedrängt und schließlich von der Gestapo verhaftet; er starb Weihnachten 1943 in einer Berliner Gefängniszelle. Der Rektor der Universität Frankfurt/Main, W. Gerloff, wurde nach einer Ansprache am "Tag von Potsdam" im März 1933 zum Rücktritt gezwungen. A. Hahn hatte seit 1933 keine Lehrtätigkeit mehr ausgeübt. E. Heimann emigrierte 1933 in die USA. W. Heinrich wurde 1938 in Wien aus dem Lehramt entlassen, P. Hermberg 1933 mit 45 Jahren in den Ruhestand versetzt. Der Österreicher R. Hilferding, der in der deutschen Arbeiterbewegung eine bedeutende Rolle gespielt hatte, emigrierte 1933 in die Schweiz und ging dann nach Frankreich. Im Kriege wurde er hier der Gestapo übergeben. K. Kautsky verließ 1938 Wien und starb in Amsterdam in der Emigration. W. Koch entzog man 1934 die Lehrbefugnis. B. Kuske entließ man 1933 aus dem Lehramt. W. Lautenbach wurde aus dem Wirtschaftsministerium, in dem er 1934 als Ministerialrat tätig war, entlassen, als Schacht das Amt des Wirtschaftsministers übernahm. E. Lederer ging 1933 nach den USA und starb 1939 in New York. F. Lenz wurde wegen politischer Unzuverlässigkeit zwangspensioniert. H. Linnhardt entließ man 1938 aus politischen Gründen. A. Löwe emigrierte 1933. E. Meier wurde im gleichen Jahr entlassen. Auch P. Mombert wurde 1933 verabschiedet, 1934 zwangspensioniert und kam 1938 ins Gefängnis; er starb im gleichen Jahr, kurz nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde. A. F. Napp-Zinn erhielt seinen Entlassungsbescheid 1938. Der Österreicher O. Neurath, der dem Austromarxismus nahestand und viele Verwaltungsämter innehatte, floh 1940 nach England. F. Oppenheimer emigrierte nach den USA und starb in Los Angeles. J . Popitz, der im April 1933 preußischer Finanzminister geworden war, wurde nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 verhaftet und im Februar 1945 hingerichtet. Hingerichtet wurde in gleichem Zusammenhang auch J . Jessen, Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Ordinarius in Kiel, Marburg und Berlin, der einst aktives Mitglied der NSDAP gewesen war. K. Pribram ging 1939 in die USA. F. P. Schneider erhielt 1937 Lehrverbot. O. Schneider wurde 1933 mit 48 Jahren pensioniert. J . A. Schumpeter, der schon 66
1932 als Ordinarius an die Harvard-Universität berufen worden war, kehrte nicht mehr nach Deutschland zurück, obwohl er bei seiner Abschiedsrede noch mit der Hitlerpartei gelieb166
äugelt hatte.
M. Sering schloß man nach 1933 aus der Agrarpolitik aus, in der er zuletzt
aktiv tätig gewesen war. A. Sommer relegierte man 1933 als Dozent. O. Spann war seit 1919 Professor für Nationalökonomie und Gesellschaftslehre an der Wiener Universität. Als die deutschen Faschisten im März 1938 die Angliederung Österreichs an das Beich vollzogen, enthob man Spann seiner Professur und steckte ihn ins Gefängnis. Alfred Weber wurde 1933 vorzeitig emeritiert und nahm erst 1945 seine Lehrtätigkeit wieder auf. F. Wilken wurde 1937 das Ordinariat in Dresden wegen politischer Untragbarkeit aberkannt. Der Wiener A. Winkler ist 1938 aus politischen Gründen aus dem Hochschuldienst entlassen worden. Auch über die Publikationsorgane übte man einen Druck auf die Ökonomen aus. Der Tübinger Verleger Siebeck vom Verlag J . C. B. Mohr mußte bei seinen Autoren die Bunde machen und diese auffordern, in den Neuauflagen ihrer Bücher "irgendwelche, wenn auch nebensächliche Konzessionen an oder Verbeugungen vor dem Nationalsozialismus zu machen", da er sonst ihre Bücher nicht herausgeben könne. Der in die Schweiz übergesiedelte F. Somary, der darüber berichtet, schreibt dazu: "Fleiner und ich antworteten wie aus einem Munde, das sei völlig ausgeschlossen, und ich fügte hinzu, er möge die weitere Herausgabe meiner Bücher einstellen, und wir wollten von anderen Dingen sprechen. Am folgenden Tag erhielt ich eine von der Schweizer Grenze geschriebene Karte Siebecks, in der er sich wegen seines gestrigen Ersuchens entschuldigte; er könne das Leben nicht mehr ertragen, und ich möge ihm ein gutes Andenken bewahren. Zwei Tage später endigte er durch Selbst -I
M
1 6 7
mord." Bezeichnend ist auch die Tatsache, daß fast alle wichtigen ökonomischen Fachzeitschriften ihren Herausgeber wechselten. Zum Ende des Jahres 1933 war es auch mit den "Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik" soweit. Der bisherige Herausgeber der von B. Hildebrand begründeten und von J . Conrad übernommenen Jahrbücher, L. Elster, wurde durch O. v. Zwiedineck-Süderihorst und G. Albrecht ersetzt. In seinen Abschiedsworten schreibt Elster im November 1933, daß er aus anderen Gründen als seine Vorgänger die redaktionelle Tätigkeit aufgebe, denen erst der Tod die Feder aus der Hand nahm: "Ich trete zurück im Hinblick auf das neue Leben, das uns umgibt, das mich mit freudigem Stolze erfüllt, das aber auch für die großen Aufgaben der Gegenwart und nächsten Zukunft neue und jugendliche Kräfte fordert." 168 Er weist darauf hin, daß beabsichtigt sei, mit dem Wandel in der Herausgabe eine Umgestaltung der "Jahrbücher" nach Inhalt und Form 169 zu verbinden.
G. Albrecht bestätigt heute die politische Motivierung mit den Worten:
"Die neuen Machthaber hatten das Weitererscheinen der Jahrbücher von einem Wechsel 67
in der Person des Herausgebers abhängig gemacht."
170
Albrecht meinte, daß zuständigen
Amtsstellen auch noch später die WeiterfUhrung der Herausgebertätigkeit "abgerungen" worden sei, da den Machthabern doch daran gelegen gewesen wäre, dem Ausland unpoliti171 sehe wissenschaftliche Organe zu präsentieren. Die "Zeitschrift flir die gesamte Staatswissenschaft", jetzt von H. Bente, E. R. Huber und A. Predöhl herausgegeben, wird bald zu einer der radikalsten profaschistischen Fachzeitschriften des Reiches. Eine Ablösung gab es auch in Kiel. Am 1. Oktober 1933 Ubergab B. Harms die Leitung des Instituts für Weltwirtschaft und Seeverkehr und die Herausgeberfunktion des von ihm begründeten "Weltwirtschaftlichen Archivs" an J . Jessen. A. Spiethoff führte "Schmollers Jahrbuch" noch einige Jahre weiter, bis Jessen die Herausgabe Ubernahm, der seinerseits bereits 1934 von der Herausgabe des "Weltwirtschaftlichen Archivs" durch A. Predöhl abgelöst worden war. Aber Spiethoff hatte sich auch schon 1933 auf den neuen Kurs festgelegt. Das August-Heft des Schmollerschen Jahrbuches 1933 erscheint bereits mit einem Mussolini-Zitat auf der ersten Seite, das Oktober-Heft schmückt Zitate Adolf Hitlers und Hans Franks, des Reichsjustizkommissars, als Leitwort. Faschistischen Autoren stehen jetzt alle Fachzeitschriften offen; und doch muß registriert werden, daß man sich im allgemeinen in der ersten Zeit noch ein gewisses Maß an politischer Reserviertheit auferlegt. In den ökonomischen Fachzeitschriften, die im Jahre 1933 erscheinen, setzen die Autoren hinter die Frage nach der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung meist sehr zurückhaltend ein Fragezeichen und lassen die Antwort offen. Die Reserviertheit einiger älterer Ökonomen gegenüber dem neuen politischen Regime, die der entschwundenen Ära des Liberalismus nachtrauerten, sollte durch das Bemühen jüngerer Leute wettgemacht werden, die Lehrstühle zu erobern. Dieser Forderung gab E. Wiskemann Ausdruck als er schrieb: "In der Tat ist das Problem der deutschen Universitäten heute, bei Licht betrachtet, ein Problem des Menschenmangels. Das klingt paradox, nachdem vor wenigen Jahren das wesentliche Problem in der MenschenUberfUllung der Universitäten gesehen wurde. Gemeint ist aber selbstverständlich nur der Mangel an Führer-Menschen, Nationalsozialisten von Schrot und Korn, die zugleich Gelehrte sind und umgekehrt. Mit der organischen Übernahme der früheren Universitäten hängt zusammen, daß die Gelehrten- und Akademikerschicht größtenteils mitübernommen wird... Es wird aber sicherlich noch mit einer gewissen Übergangszeit zu rechnen sein, bis die neuen Hochschulen einigermaßen völlig dem entsprechen, was der Nationalsozialismus unter den Stätten höchster denkerischer Erziehung und Forschung 172 versteht."
Das "Gesetz der Tr.ägheit wirkt vielfach fort und ist jetzt weithin spürbarer
als der positive Widerstand, der im Ganzen betrachtet, heute schon fast als überwunden gelten kann." 1 ' 73 68
Der Forderung, die alten Ökonomen durch junge linientreue Hitleranhänger abzulösen, schließen sich auch einige Vertreter jener älteren Generation an, die wie Gottl-Ottlillenfeld annehmen, daß sie um ihre Stellung im "Dritten Reich" nicht zu fdrehten brauchen. Gottl meinte, daß der von ihm geforderte "Neubau" der Theorie des Wirtschaftslebens vor allem junge Kräfte erfordere, die unbelastet von den alten Gewohnheiten des fachlichen Denkens 174 seien, und e r beklagt die geringen Möglichkeiten, junge Nationalökonomen zu fördern. Andere wiederum beklagen gerade die Manieren der Emporkömmlinge.
175
"In einer Zeit weitgehender und schroffer Umwertung", so meint Zwiedineck,
könne
es schon mal vorkommen, daß die "voranstttrmende Jugend" gegen "in langer Arbeit errungene Grundauffassungen einer Wissenschaft, seien es nun Theorien oder selbst Methoden", in ungerechtfertigter Weise Sturm laufe. Auch jenen könnten die Gegnerschaft und Ablehnung als ungerechtfertigt erscheinen, die mit den Ideen der Opponenten Ubereinstimmten. Hier zeigt sich der Zwiespalt des in der alten Denkschule der Vulgärökonomie befangenen bürgerlichen Ökonomen, der sich bemüht, seine politische, profaschistische Haltung mit den konventionellen Lehren in Einklang zu bringen. Zwiedineck gibt das Problem als einen Widerspruch zwischen "voranstürmender Jugend", insbesondere der Studentenschaft, und mißverstandener Volkswirtschaftslehre aus. Der Angriff jener jungen Leute war der Form nach auf das gerichtet, was sie den "Liberalismus" nannten. In Wirklichkeit existierten jedoch nur noch kärgliche Überreste liberaler Wirtschaftspolitik und liberaler Doktrin. Die faschistischen Agitatoren machten den "Liberalismus" zu einem Popanz, der ihnen neben dem "Judentum" und dem Marxismus als Angriffsobjekt diente und der ihnen als E r satzsündenbock für den Kapitalismus, dem eigentlichen GrundUbel moderner Gesellschaftsproblematik, geeignet erschien. Ohne Zweifel haben manche als "liberale" Ökonomen verschrieene Hochschullehrer der Liquidierung der bürgerlichen Demokratie wenig Sympathien entgegengebracht. Neben dem offenen Protest durch Emigration und passiven Widerstand einiger Ökonomen steht die Tatsache, daß sich ein großer Teil den Faschisten bedingungslos unterworfen , 176 hat. v
Der Volksmund hat für diejenigen, die zu dem Zeltpunkt Mitglied der NSDAP oder zu deren Mitläufer wurden, als es beinahe sicher schien, daß die Hitlerpartei sich an der Macht halten würde, die Bezeichnimg "Märzgefallene" geprägt. Der März 1933 hatte nach Reichstagsbrand und Kommunistenverfolgung der NSDAP 44 % der Stimmen und, mit der Partei der Deutschnationalen zusammen, die Mehrheit im Reichstag gebracht und ihr den "Tag von Potsdam" beschert, der Demonstration der Verbindung zwischen altem und neuem Regime. Jetzt begann ein Jagen um Posten, eine Zeit des Hinausrempelns von Konkurrenten und des Anschmeichelns bei den neuen Herren. Auch im Lager der Ökonomen gab 69
es Märzgefallene. Der genaue Zeltpunkt des SUndenfalls ist natürlich nicht immer genau feststellbar, da wir bei dessen Nachweis vorwiegend auf literarische Zeugnisse angewiesen sind, deren Drucklegung von der Fertigstellung des Manuskripts beträchtlich abweicht. Bei manchem Ökonomen verhilft ein Vergleich zwischen den Schriften, die vor 1933 und 177 denen, die danach erschienen sind, zur Klarheit darüber, wie sich die Verfasser darauf orientierten, bei der Liquidierung der demokratischen Reste mitzuhelfen. 178 Manche Autoren haben wie G. Weippert sogar das KunststUck fertiggebracht, noch im Jahre 1933 ihre Bekenntnisse zu dem neuen Regime drucken zu lassen. Andere folgen 179 180 181 182 ihnen wenig später, so G. Briefs , O. Kühne , C. Brinkmann , R. Bethke und zahlreiche andere. Das schließt nicht aus, daß einige Autoren mit ihren Änbiederungsver183 184 suchen wenig GlUck haben, die wie W. Sombart oder Th. Pütz nicht auf Anhieb die genaue Sprachregelung des "Dritten Reiches" trafen. Es wurde flir die ältere Gelehrtengeneration in der Tat wichtig, eine positive Haltung zum Hitlerregime einzunehmen. Einer Liste von Opfern steht daher eine nicht minder lange Liste von Beflissenen gegenüber. Noch am Grabe wurde Verblichenen bescheinigt, daß sie das "Dritte Reich" enthusiastisch begrüßt haben, so z.B. dem im Oktober 1933 verstorbenen W. Stieda: "Mit jubelnder Begeisterung hast Du vor kurzem 185 noch1 den Anbruch einer neuen Zeit, das Erwachen der deutschen Nation begrüßt." Eine ganze Anzahl von Autoren fügen ihren Schriften mindestens noch ein paar Verdammungsurteile des geschmähten 186 "Liberalismus" hinzu oder bitten um Pardon für ihre "liberalistische" Vergangenheit. F. Boese z.B. möchte "bescheiden hoffen", daß man seiner eigenen "Läuterung" wie der 187 W. Sombarts inne werden möge. Und W. Vleugels bekennt wehmutsvoll, und hinter seinem Hinweis auf die von der älteren Generation geleistete "Vorarbeit" mag sich ein Vorwurf verbergen: "Anteile am politischen Umbruch des Nationalsozialismus können wir uns nachträglich nicht mehr sichern 188 trotz mancher von der deutschen Wissenschaft in Jahrzehnten geleisteten Vorarbeit." Zur Frage der Haltung älterer Ökonomen besitzen wir auch in der gedruckten Antrittsvorlesung, die der bejahrte Professor 189 B. Harms am 8. November 1935 an der Universität hielt, ein aussagekräftiges Dokument.
B. Harms bekannte, daß er anfangs der faschisti-
schen Bewegung und ihrem Machtantritt skeptisch gegenübergestanden habe und versucht, eine Erklärung dafür zu geben: "Was die Professoren betrifft, so sind nur wenige unter ihnen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei schon in deren Kampfesjahren verschworen gewesen. In ihrer Gesamtheit standen sie abseits, wenngleich die meisten von ihnen auch dem Weimar-Staat , wie er sich nannte, nicht zugetan waren." Die Ideologie der Professoren habe sich zumeist um das Bismarck-Reich bewegt. "Trotzdem haben sie den Umschwung ganz überwiegend, ich selbst gehörte nicht dazu, stürmisch begrüßt, 70
Mediziner und Naturwissenschaftler sogar In Uberschäumender Begeisterung... Nationale Erhebung war die Losung: Mit Gott fUr Hitler und Vaterland . Daß zugleich ein s o z i a l i s t i s c h e s Zeitalter angebrochen war, blieb den meisten fremd. An sich kein Wunder, denn der Professor alten Stils war zwar Patriot , aber nur in Ausnahmefällen auch Politiker, am allerwenigsten in der medizinisch-naturwissenschaftlichen Sphäre. Gegenüber 190 früheren Zeiten hatte sich da eine Wandlung vollzogen." Bis auf zahlreiche Ausnahmen könne vom politischen Professor im engeren Sinne des Wortes nicht mehr die Rede gewesen sein. Da die große Masse der "unpolitischen" Professoren zum Weimar-Staat kein inneres Verhältnis gehabt habe und ihn zum Teil sogar schroff ablehnte, "erklärt es sich leicht, daß am Tage der Machtergreifung die überwiegende Mehrheit der Professoren dem Besieger eben dieses Weimar-Staates ihre Huldigung darbrachte, wenngleich die Meinungen über das, was nun kommen werde, ungewöhnlich eigenbestimmend und folglich auch recht unterschiedlich waren. Nationale Erhebung erfuhr mannigfache Deutung - die richtige aber 191 war nur ausnahmsweise darunter" , sagte Harms seinen Zuhörern. Er glaubt nun erklären zu müssen, weshalb er mit seinem Bekenntnis zu Hitler so spät komme. Als am 26. März 1933 in Weimar die Eröffnung des Frühjahrs-Lehrgangs der "Deutschen Vereinigung für Staatswissenschaftliche Fortbildung" eröffnet wurde, hatte Harms die Teilnehmer zu begrUßen, die zu dem Thema "Recht der Gegenwart" geladen waren. Schon hier interpretierte Harms die Machtübernahme der Faschisten als eine wahre und wirkliche "deutsche Revolution"; die die "Totalität in der Neugestaltung des gesamten geistigen, staatlichen und gesellschaftlichen Lebens unter 192dem Blickpunkt der Volksgemeinschaft im starken und freien Nationalstaat" einschließe. Harms hatte 1933 allerdings Zweifel gehegt, ob er unter den neuen Verhältnissen einen Platz finden werde: "Immerhin muß heute mit der Auffassung gerechnet werden, daß ältere Professoren die Bestellung akademischen Feldes den Jüngeren überlassen sollten. Hierfür besitze ich insofern Verständnis, als wir Deutschen in einer revolutionären Zeitenwende leben, die den Älteren in der Tat die Frage nahelegt, ob sie noch am Platze sind. Folglich habe ich mir im Sommersemester 1933 (im Zusammenhang mit dem damaligen, mich damals auch persönlich berührenden Geschehen) eine Besinnungszeit von zwei Jahren auferlegt, eine Besinnungszeit, die Gewißtheit darüber bringen sollte, ob ich es überhaupt ver193 antworten könne, wieder ein Katheder zu betreten." Der Urlaub wurde "vom Reichserziehungsminister freundlichst gewährt" und endete m i t e i n e m politischen come back. Harms bekennt sich jetzt eindeutig zum Hitlerregime, und es darf wohl als eine nachträgliche Entschuldigung für ein Versäumnis gewertet werden, wenn er darauf anspielt, daß man aus moralischen Beweggründen kein Märzgefallener geworden sei: "Daß bei dem späteren
Run auf die Mitgliedskarte bisweilen auch Opportunismus unterlief und zu den 71
vielzitierten '150-Prozentigen des Jahrgangs 1933' zunächst auch Professoren und Dozenten gehörten, sei um der Wahrheit willen nicht verschwiegen, so bestimmt eine Verallgemeinerung dieses Sachverhalts abgelehnt werden muß. Festgehalten zu werden verdient aber auch, daß eine Uberraschend große Zahl derjenigen Professoren, die die nationale Erhebung ehrlich begrüßt hatten, auf den Beitritt zur Partei aus dem Gefühl heraus verzichtete, daß er sinnhafter in einer Zeit vollzogen worden wäre, in der noch ein Risiko damit verbunden war. Daraus ergab sich gewissermaßen von selbst eine bewußt innegehaltene Distanz zu den 'Märzgefallenen', obwohl vielen unter diesen, vor allem den Jüngeren, damit 194 Unrecht geschah." In seinen weiteren Ausführungen bekannte sich Harms zur "Volksgemeinschaftsideologie" mit ihrer "Besinnung auf die rassenbiologische Erkenntnis" und der Warnung des deutschen Volkes vor dem "Schicksal der Gefährdung seiner artbedingten Eigenständigkeit durch ihre wesensfremden Einflüsse", zur Militarisierung des Reiches, zu den außenpolitischen taktischen Manövern Hitlers, zu den sozialen Phrasen der faschistischen Partei, zum Antikommunismus, zur Preisgabe der bürgerlichen Demokratie, zur faschistischen Gesinnung schlechthin. Es gibt auch Ökonomen, die es gar nicht nötig haben, im "Dritten Reich" besondere Modifizierungen ihrer Lehren vorzunehmen, weil ihre politische Geisteshaltung auch vor dem 30. Januar 1933 in etwa dem Geist der braunen Machthaber entsprach. Das trifft z.B.auf Adolf Weber zu, dem W. Weddigen im August 1923 in einer Besprechimg der "Allgemeinen Volkswirtschaftslehre" A. Webers 195 bescheinigte, daß dieser "weltanschaulich den For196 derungen der deutschen Gegenwart nicht erst seit der nationalen Umwälzung gerecht wird." Ein Mann wie H. v. Stackelberg gar, der bereits Anfang 1931 die Errichtung der faschistischen Diktatur gefordert hatte und sich bereits vor 1933 in faschistischen Jugendzeitschrif197 ten als geistiger Wegbereiter der faschistischen Herrschaft vorgestellt hatte, brauchte nicht erst einen Kniefall zu tun, um sich Linientreue bescheinigen zu lassen. Welchen Grad die Gleichschaltung unter den Ökonomen an den Universitäten nach fünf Jahren Hitlerregime erreicht hatte, läßt ziemlich deutlich ein Blick in das damalige Hochschullehrerverzeichnis erkennen. Von den 366 wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulleh198 r e m , die in dem im April 1938 herausgegebenen Verzeichnis
ausführlichere Angaben
über ihren Werdegang gemacht haben, gehörten 186, also mehr als die Hälfte, faschistischen Organisationen an. 127 Hochschullehrer waren Mitglied der NSDAP, 56 waren in der SA und 14 gehörten der SS an. Darunter befinden sich Ökonomen, die sich in der bürgerlichen Ökonomie einen Namen gemacht haben,
neben den bereits erwähnten Gottl-Ottlilienfeld,
G. Schmölders und H. v. Stackelberg betrifft das vor allem P. Beikenkopf, F. BUlow, 72
H. Jecht, K. Mellerowicz, H. Möller, B. Pfister, E. Preiser, P. Riebeseil, B. Stucken, K. Thalheim, H. Wagenführ und W. Weddigen. T rotz einiger Versuche hat es weder einer von diesen genannten noch einer der ungenannten Autoren vermocht, den Herren des "Dritten Reiches" eine Wirtschaftslehre zu präsentieren, die deren Wünschen und Vorstellungen restlos Genüge getan hätte. Das Wettrennen um eine adäquate faschistische Wirtschaftstheorie ist schließlich unfreiwillig ohne Ergebnis abgebrochen worden. Als die Niederlage im Krieg der faschistischen Herrschaft ein Ende setzte, bestand in einer Hinsicht noch immer die gleiche'Situation wie vor 1933: Das Lager der Theoretiker war in viele Gruppen zersplittert. Lüfge konstatiert? daher im Jahre 1943: "Man tut wohl niemandem Unrecht, wenn man sagt, daß... diejenigen Kreise unserer Wissenschaft, die sich mit meist großem Elfer und subjektiver Ehrlichkeit um den Neuaufbau unserer Volkswirtschaftslehre bemühen, in sich in mehrere Gruppen zerfallen, von denen jede für sich eine oft nicht gerade andern gerecht werdende Ausschließlichkeit beansprucht oder gar in sich allein die wahre 'deutsche', 'völkische', 'nationalsozialistische' usw. Auffassung verkörpert sieht und sich womöglich noch nicht 199 einmal die Mühe gibt, den andern* wirklich zu verstehen." Im Buch der Geschichte wurde 1945 eine neue Seite aufgeschlagen. Im Lager der bürgerlichen Ökonomen beginnt von hier an zwangsläufig eine Zeit erneuter Umorientierung , Der Prozeß der Gleichschaltung nach 1933 spiegelte sich zum Teil auch mittelbar in den Diskussionen um fachliche Probleme wider. Der prägnanteste Ausdruck ist dafür vielleicht die Art, in der der Werturteilsstreit fortgesetzt wurde.
73
IV. Auf der Suche nach der "völkischen Lehre"
Es gibt mehrere Umstände, die dazu berechtigen, die bürgerliche politische Ökonomie In Deutschland zur Zeit der Hitler-Herrschaft einer gesonderten Betrachtung zu unterziehen. Gewiß ist die Periode der faschistischen Herrschaft, die so nachhaltig und so furchtbar ihre Spuren in der Lebensweise und im Denken der Menschen hinterlassen hat und in vielfacher Hinsicht mit divergierenden Eingriffen und beträchtlichen Wandlungen verbunden war, nicht in jedem Fall eine Zäsur im Bereich ökonomischen Denkens. Wer in allen spezifischen Fragen eine große Umwälzung des ökonomischen Denkens erwartet, täuscht sich vielleicht darüber hinweg, daß die faschistische Herrschaftsform nur eine Modifizierung der bürgerlichen Herrschaft ist, wenn auch eine sehr beträchtliche, und daß neben der Variierung der bürgerlichen Gesellschaftsform auch die Kontinuität der gesellschaftlichen Entwicklung im Kapitalismus eine große Rolle spielt. Immerhin waren die Veränderung in Basis und Überbau im faschistischen Deutschland so einschneidend, daß es angesichts der geringen Anzahl von Detailuntersuchungen auf diesem Gebiet lohnend erscheint, die bürgerliche politische Ökonomie einmal ausschließlich in jenem Zeitabschnitt zu untersuchen. Mit der Darstellung der deutschen bürgerlichen politischen Ökonomie der Jahre 1933 bis 1944 soll der Versuch gemacht werden, ein Urteil darUber zu fällen, in welchem Maße die bürgerliche politische Ökonomie in Deutschland in den zwölf Jahren des "Dritten Reiches" modifiziert worden ist, in welchem Maße sich die ökonomische Lehre den neuen Verhältnissen anzupassen vermochte. Die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus hat nach 1933 in Deutschland einen Höhepunkt erreicht und es entsteht die Frage, wie der Teil des Überbaus, der hier zur Untersuchung steht, der veränderten Basis Rechnung trug und sich wandelte. Die wesentlichen Veränderungen in der deutschen Wirtschaft nach 1933 bestanden in einer beträchtlichen Zunahme des staatlichen Interventionismus bei politischer und ökonomischer Unterdrückung der Arbeiterklasse und anderer Schichten des Volkes. Im Interesse der Monopolbourgeoisie erfolgte eine Umorganisation der deutschen Wirtschaft, eine Zentralisierung ihrer Kommandostellen, die dem Aufbau der Rüstungswirtschaft und der Mobilmachung aller ihrer Ressourcen dienen sollte und die den Unternehmerverbänden und den Repräsentanten der Monopole weitgehender als bisher staatliche Befugnisse übertrug. Im Interesse der Kriegsvorbereitung und schließlich der Unterordnung der gesamten Wirtschaft unter die Erfordernisse der Kriegsführung
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nahm die Bedeutung der staatlichen Einmischung des Staates in das Wirtschaftsleben in Form von Regulierungsmaßnahmen zu. Die Modifikation der ökonomischen Lehre war f e m e r unter dem Gesichtspunkt zu untersuchen , in wieweit die faschistische Diktatur eine Evolution der bürgerlichen Herrschaftsverhältnisse bedeutet und die bürgerlich-parlamentarische Demokratie in Deutschland durch eine offene terroristische Diktatur eine Gruppe des Monopolkapitals ersetzt wird. Es war daher auch zu analysieren, wie sich die Veränderung in den politischen Machtverhältnissen auf die ökonomische Lehre auswirkt. Schließlich war dabei der Blick vorrangig auch auf jene ökonomischen Lehren zu lenken, die zwar in den Jahren 1933 bis 1944 in Deutschland entstanden, die aber ihre Wirksamkeit nach 1945 nicht verloren und die zum T e i l sogar erst dann richtig zur Geltung kamen, als sich in Westdeutschland das deutsche Monopolkapital restaurierte, der staatsmonopolistische Kapitalismus sich dort weiter entwickelte. Wir können schon hier vorausschicken, daß die im ersten Kapitel beschriebene ökonomische Propaganda der NSDAP später keine Rolle mehr spielt. Auf die ökonomische Propaganda faschistischer Autoren, die vor 1933 ihre ökonomischen Programmforderungen propagierten, um der NSDAP Wähler- und Anhängerscharen zu sichern, wurde nach 1933 nicht mehr zurückgegriffen. Das betrifft z.B. die Forderung G. Feders nach "Brechung der Zinsknechtschaft", H. Buchners Thesen in seinem "Grundriß einer nationalsozialistischen Volkswirtschaftstheorie", M. Frauendorfers Ständestaat-Propaganda, G. Strassers Pseudosozialismus, O. Strassers extreme Autarkiegedanken u . a . Erleichtert konnten die restaurativen Kräfte nach dem 30. Januar 1933 feststellen, daß die NSDAP von ihren eigenen sozialen Forderungen und gewissen antikapitalistischen Phrasen abrückte und das Geschäft der reaktionärsten Teile der Bourgeoisie betrieb. Im zweiten Kapitel wurden die hauptsächlichsten Ursachen aufgezeigt, weshalb die Hitlerpartei sich von ihren eigenen Thesen trennte, sobald sie die einzige Begierungspartei war und fest im Sattel saß. Man mußte sich aber nicht nur von der eigenen demagogischen ökonomischen Propaganda distanzieren, weil sie nun nicht mehr geeignet war und sichtbar im krassen Widerspruch zu der Praxis des "Dritten Beiches" stand; auch das, was vor 1933 als "nationalsozialistische Wirtschaftstheorie" ausgegeben wurde, erwies sich als untauglich, eine praktische, wirtschaftspolitische Funktion zu erfüllen. Ohne Zweifel mußte man auf die bürgerliche Ökonomie vorangehender Zeiten zurückgreifen, wenn man ein taugliches Instrument entwickeln wollte. Wie an anderen Stellen bereits mehrfach beschrieben worden ist, bot sich den bürgerlichen Ideologen, wenn sie ihre Leistungen auf dem Gebiet der politischen Ökonomie betrachten, kein erfreuliches B i l d . 2 0 0 Es war vor allem die Uneinheitlichkeit der Methode, die Zersplitterung in mehrere Schulen und Richtungen, die 76
die ökonomische Lehre der deutschen Bourgeoisie in den Augen jedes Betrachters diskreditieren mußte. Der Streit um Gegenstand und Methode der bürgerlichen politischen Ökonomie hat dann, wenn die Standpunkte sich im Rahmen eines größeren, für längere Zeit stabilen Anhängerkreises behaupteten, die Form des Streites der verschiedenen Schulen gegeneinander angenommen. In den Schulen der politischen Ökonomie bzw. ihren Richtungen, scharte sich zumeist eine Anzahl von Mitstreitern um einen oder um mehrere Wortführer, die ihnen die Hauptargumente bei der Durchsetzung und Verteidigung einer bestimmten Lehrauffassung lieferten. Die soziale Grundlage der Schulenbildung besteht, worauf H. Lehmann richtig hingewiesen hat, in der Interessenverschiedenheit bestimmter Gruppierungen innerhalb einer oder mehrerer Klassen: "Die bürgerliche Gesellschaft im Kapitalismus der freien Konkurrenz besaß mehrere ausgeprägte, stabile soziale Schichten und Gruppierungen innerhalb der Bourgeoisie mit eigenem Gruppenbewußtsein auf der Grundlage der allgemeinen bürgerlichen Ideologie. Daraus erklären sich die verschiedenen Schulen, Richtungen und Varianten in den ökonomischen Lehren, die sich nach der sozialen Herkunft, den politischen Erfahrun201
gen und der persönlichen Bildung der Theoretiker herausgebildet hatten."
Wir können
auch die Feststellung machen, daß die Schulen in der Gegenwart instabiler, flüchtiger geworden sind, und daß sie, die durch eine bestimmte Konstellation der politischen Situation zustandegekommen sind, wieder verschwinden, wenn sich das politische Bild wandelt. Dann bleiben nur noch einige Starrköpfe übrig, die aus irgendwelchen Beweggründen, sei es aus echtem Interesse an bestimmten Theoremen der historisch überlebten Schule, sei es aus der Borniertheit der Rückständigen, noch Kapital aus dem Dogmensystem zu schlagen versuchen. Lehmann hat den allgemeinen Zersetzungsprozeß der Schulen wie folgt erklärt: "Die realtiv starre Schuleneinteilung lockerte sich mit dem Übergang des vormonopolistischen zum monopolistischen Kapitalismus, und sie beginnt im staatsmonopolistischen Kapitalismus vollends zu schwinden. Die soziale Basis ihres Verschwindens ist der umfassende Vergesellschaftungsprozeß der kapitalistischen Produktion, der einerseits den von Marx gekennzeichneten Polarisierungsprozeß zwischen den beiden gesellschaftlichen Hauptklassen Bourgeoisie und Proletariat vorantreibt, andererseits keine stabilen, selbständigen sozialen Gruppierungen mit eigenem Gruppenbewußtsein ähnlich jenen des vorigen Jahrhunderts erzeugt. Für die Gegenwart ist es immer mehr charakteristisch geworden, daß bestimmte Methoden und Grundtheoreme verschiedener früherer Schulen von vielen politökonomisch-wirtschaftspolitisch orientierten Richtungen anerkannt werden. So kann keine moderne bürgerliche Richtung die Spuren der Grenznutzenschule des vorigen Jahrhunderts 202 leugnen, während es die Schule der Grenznutzentheorie nicht mehr gibt." 77
Vielleicht würde der Zersetzungsprozeß der Schulen, der in der Tat zu beobachten 203 ist, zu stark verabsolutiert werden, wenn wir ausschlössen, daß es in Gegenwart und Zukunft nicht mehr zu einer Schulenbildung kommen könnte. Schließlich lassen die divergierenden Interessen innerhalb der herrschenden Klasse eines kapitalistischen Landes und, das ließ Lehmann außer Beträcht, zwischen den verschiedenen Ländern innerhalb des kapitalistischen Weltsystems auch in Zukunft der verschiedenen Auslegung der "nützlichsten" Methoden und Dogmen noch Raum genug. Ob die Schulenbildung bereits ihren Abschluß gefunden hat, ist daher zu bezweifeln; zumindest ist es aber eine Frage, die erst in Zukunft schlüssig beantwortet werden kann. In dem hier zu behandelnden Thema ist lediglich das Schicksal der Schulen und Bichtungen zu verfolgen, wie es sich in dem historisch recht kurzen Zeitabschnitt von 12 Jahren in Deutschland vollzieht. Zwei Momente spielen in der Auseinandersetzung um die Gestaltung der ökonomischen Lehre eine außerordentlich wichtige Holle: erstens der Umstand, daß die Ansichten darüber bereits vor 1933 in weit auseinandergehende Meinungen zersplittert sind, und zweitens die Aufforderung von "höchster Stelle", die Fehden zu beenden und sich zu einer einheitlichen, an der faschistischen Ideologie orientierten Wirtschaftslehre zusammenzufinden. Zum Teil ist die daran anzuknüpfende Diskussion unter dem Motto der "wirtschaftswissenschaftlichen Selbstbesinnung" geführt worden. Besonders das von H. Teschemacher herausgegebene "Finanzarchiv" ist hierfür die Tribüne gewesen. 204 K.-W. Rath erkannte damals das Auseinanderklaffen zwischen Theorie und Praxis als eine Tatsache an. Deren Ursache führte er auf eine Wissenschaftstheorie zurück, die als Ziel eine reine Erkenntnis der Materie anstrebt, deren Gestaltung sich aber auf lebensfremde Voraussetzungen stutzt. Das anzustrebende Ziel, das Auseinanderklaffen zwischen Theorie und Praxis zu verhindern, könne man erreichen, wenn man die lebensfremden Voraussetzungen aufgebe und durch lebensgemäße ersetze. Die lebensfremde Axiomatik der Theorie gehe darauf zurück, daß das Sein als mannigfaltig und chaotisch angenommen wird, in das die Wissenschaft Ordnung hineinzubringen habe. Da sich aber kein Ordnungsprinzip aus der Sache selbst her anbiete, würde die Wissenschaft willkürlich und unfundiert verfahren und ein Chaos von Systemen herausbilden, von der jedes System für sich mit einem absoluten Gültigkeitsanspruch aufträte. Die atomistische Annahme über die Wirklichkeit sei jedoch falsch. Die tatsächliche Volkswirtschaft sei nicht mannigfaltig, sondern eine gestaltete Ordnung, die nur durch die Wissenschaft erschlossen werden müsse. Die Schwierigkeit liege darin, daß es "verschiedene Fundierungen der Erkenntnis", "Typen der Weltanschauung" gibt. Rath meint, daß es keine Objektivität im Sinne ewiger, gleichbleibender Gültigkeit gäbe, man könne Wirklichkeitserkenntnis nur dadurch erreichen, daß man die "Fundierungsakte" bewußt mache und zu echter Weltanschauung gelange. 78
Demgegenüber führt H. Peter den Mangel an Gesamterkenntnis, der im Widerspruch 205
zwischen Theorie und Praxis deutlich wird, auf methodische Unsicherheit zurück. Die bisher gesicherten Teilerkenntnisse seien nicht durch einen richtigen "Plan" miteinander verbunden. Es müßten die destruktiven Kräfte beseitigt werden, die der Aufgabe entgegenständen, die "ideale Ordnung" zu verwirklichen. Es gelte, nach dem Prinzip der Ordnung zu suchen, die bereits existent sei. Die tatsächliche Unsicherheit der Wissenschaft beweise nur, daß das Ordnungsprinzip nicht erkannt, sondern aufgegeben würde. Nur der hypothetische Gebrauch der Vernunft (das regulative Prinzip) sei die Rettung. Die Objektivität dürfe nicht zugunsten des historisch-politischen Charakters der geistigen Wirklichkeit aufgegeben werden. Die Schemata der "exakten Theorie" könnten nicht als atomistische oder liberalistische Denkweise diskriminiert werden, weil die Schemata als hypothetische Entwürfe nur auf dem Boden einer Wissenschaftslehre beruhten, die den Naturalismus überwunden habe. Die formale Objektivität weise den Weg zur Wahrheit. Die wahre empirische Erkenntnis gewänne man durch eine Synthesis zwischen exakter und verstehender Wirtschaftswissenschaft, einer Verbindung zwischen praktischen Erkenntnissen einer Wertordnung, die nur in Gefühlen ("verstehend") zum Bewußtsein komme, und den theoretischen Erkenntnissen einer Seinsordnung, die nur begrifflich erfaßt werden könne. Während Rath den Vorrang der weltanschaulichen Bestimmtheit vor der Erkenntnis forderte, weist Peter auf die Interessenbedingtheit der bisherigen Wissenschaft hin, die verhindert habe, daß die wahre Gesamterkenntnis analytisch aufgedeckt werden konnte. Manche Autoren glauben, daß es die Uneinheitlichkeit der Methoden sei, die das Prestige der Wirtschaftswissenschaft herabgedrückt habe. Sie meinen, es mangele an einem "Klassiker" der modernen nichtmarxistischen Lehre in Deutschland, der sich mit Souveränität über alle Zerwürfnisse hinweggesetzt hätte und so zum Schiedsrichter über den ewigen Hader geworden wäre. So scheinen manche nahezu auf einen neuen Messias der politischen Ökonomie zu warten. K. Bode stellt z.B. fest, daß es keinen Maßstab zur Bewertung der rein theoretischen Ökonomie gebe, weil ihre Vertreter und die übrigen Nationalökonomen darüber die disparatesten Auffassungen vertreten und eine völlige Übereinstimmung fernliegt, die erst noch durch eine eingehende Beweisführung erzwungen werden müßte. Diese 206
Beweisführung, so meint Bode anknüpfend an Schmoller,
könnte nur von einem Mann
geleistet werden, der voll ausgerüstet ist, um mit Autorität an den methodologischen Fragen zu arbeiten. "Bis zur Vorlegung jener großen Prinzipientheorie und Methodologie der Nationalökonomie, die den Streit der Methodenkämpfer beendet", schreibt Bode, "müssen 207 alle Entscheidungen und Lösungen als vorläufig bezeichnet werden." Auch G. Weisser beklagt die Uneinheitlichkeit der bürgerlichen politischen Ökonomie und hält es für ungerechtfertigt und nur historisch erklärbar, wenn die Gesamtheit der 79
Ökonomen durch den Gegensatz methodologischer Richtungen gesprengt ist. Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, so meint er, wo die Synthese der Ergebnisse gefunden werden könne, 208
die sich aus richtiger Anwendung jeder der konkurrierenden Methoden ergeben könnte. Die mathematische Richtung könnte durch ihre quantitative Bestimmung der wirkenden Kräfte die qualitativ orientierte Forschung ergänzen, während andererseits die "verstehende Nationalökonomie" der mathematischen Schule dadurch dienen könne, daß sie dieser die "Daten" für ihre Rechnungen in einer Zusammenstellung darbietet, die aus einer Deutung vom Ganzen her gewonnen ist. Laum fürchtet allerdings die Auseinandersetzungen um die Methode der politischen Ökonomie: "Es besteht geradezu die Gefahr, daß ein neuer Methodenstreit ausbricht. Das aber wäre eine in jeder Hinsicht beklagenswerte Entwicklung. Denn die verschiedenen Forschungseinrichtungen, die innerhalb der einen Nationalökonomie bestehen, ihre Kräfte in Auseinandersetzungen um die Methode zersplittern, statt, in gegenseitiger Achtung und friedlichem Wettbewerb zusammenstehend, die sachliche Forschimg selbst voranzubringen (ökonomisch gesprochen: sich um die Produktionsmittel streiten, statt Produkte zu erzeugen), so müßte eine solche Disharmonie den Mißkredit, 209 in dem die Wirtschaftswissenschaft sich ohnehin schon befindet, nur noch weiter steigern." Anderer Meinung ist J . Jessen, der die Uneinheitlichkeit nicht als eine Frage der Methodik ansieht: "Wenn die Wiederherstellung der Einheit von Volkswirtschaftslehre und Volkswirtschaftspolitik und ihre Begründung als besondere Aufgabe in Gegenwart und Zukunft erscheinen, so bedeutet das also, daß der scheinbare Zwiespalt zwischen Sein und Sollen 210
überwunden wird."
Die Mehrdeutigkeit mache sich dabei oft als Quelle der Mißverständ-
nisse geltend. Die Erfüllung der Aufgaben der Wirtschaftslehre sei von Methodenfragen unabhängig: "Methodenfragen haben leider in der Volkswirtschaftslehre eine Rolle gespielt, die von eifrigen Jüngern in ungebührlicher Weise vergröbert und dann in oberflächlicher 211 Kenntnis ihrer Wirklichkeitsbedeutung von Epigonen weitergetragen wurde." Wir werden noch zeigen, daß es nicht gelingt, eine ökonomische Lehre zu konstruieren, die u.a. allen Wünschen nach Vereinheitlichung Rechnung trägt. Eine einheitliche Formulierung der ökonomischen Lehre, die Herausbildung einer einzigen, einheitlichen Lehre hätte u.a. eine einheitliche Auffassung vom Gegenstand haben müssen. Hier schieden sich aber bereits die Geister und das einzige, worauf man sich mit Hilfe diktatorischer Mittel einigte, war der Vorsatz einer "Säuberung" und "Gleichschaltung" der ökonomischen Lehre, was im wesentlichen der Forderung nach einer "Entliberalisierung", einem extremen Antimarxismus und einer Dogmatisierung der bürgerlichen Ökonomie gleichzusetzen war. Wie aber soll die zukünftige einheitliche Lehre aussehen, die den Wünschen des herrschenden Regimes Rechnung trägt ? Wie bereits gesagt, kommt man nicht mehr auf die 80
Konzeptionen zurück, die sich im Parteiprogramm der NSDAP, bei seinem Mitverfasser G. Feder oder bei dessen Jüngern, wie H. Buchner, nachlesen lassen. Im großen und ganzen sind sich die bürgerlichen Ökonomen, die darum bemüht sind, dem Hitlerstaat eine mundgerechte Wirtschaftslehre vorzusetzen, darin einig, daß es eine "völkische Lehre" sein müsse, die den Zielen der NSDAP kongruent sei. 212
Die völkische Ideologie,
ein gestaltloses Konglomerat ohne ausgewogenes ideologi-
sches System, nicht erst im 20. Jahrhundert existent, war den Hitlerfaschisten durch ihren ausgeprägten nationalistischen Akzent und die Möglichkeit, enge Beziehungen zum Rassismus zu knüpfen, äußerst akzeptabel und sie pflegten die "Volksforschung" in doktrinärer Einseitigkeit und nationaler Selbstüberschätzung. Man suchte die "uranfängliche Art" des Deutschen im Germanentum, setzte Gleichheitsstriche zwischen den Begriffen nordisch und germanisch und glorifizierte das "Bauerntum" als Gegengewicht zur Überfremdung der modernen bürgerlichen Gesellschaft. Ein hierarchisch geordneter "Volksorganismus" sollte der Auflösung dieser Gesellschaft entgegengestellt werden. Dabei hatten allerding alle praktisch-politischen Erwägungen den Vorrang vor allen Versuchen theoretischer Erkenntnis. Auf diese "völkische Ideologie" setzten also die faschistischen Ökonomen ihre Hoffnungen und sie glaubten, daß man alle Anhänger in einer neuen Schule, mit einer "völkischen Lehre" vereinen könne. Es gibt genügend Autoren, die optimistisch genug sind, erste Lichtblicke zu registrieren; allen voran Gottl-Ottlilienfeld, der davon überzeugt ist, daß seine eigene Lehre den Grundstock dazu gelegt hat. Voller Hoffnung registriert er, daß er eine große Anhängerschaft gefunden habe, die, wie er, die "ortfremde" Wissenschaft durch eine "deutsche" ersetzt: "Nunmehr ließ sich der Theorie jener ' ricardianlachen' Haltung ausdrücklich vorwerfen, daß sie ihrer auf Wissenschaft abzielenden Wahrheitssuche vom Boden einer Weltanschauung aus nachgehe, die uns ortfremd ist, mag sie immerhin selbst das deutsche fachliche Denken Uber ein Jahrhundert lang betört haben. Daraus erwacht nun der lebhafte Drang nach einer Theorie jener anderen, volksbewußten Haltung, um damit vom deutschen Standpunkt aus nach Wissenschaft zu ringen. Zahlreiche und steigend glücklichere213 Versuche in dieser Hinsicht wachsen bei uns heute förmlich wie die Pilze aus dem Boden." Und W. Mitscherlich schreibt im gleichen Jahr: "Eine stürmische Umgestaltung der Wirtschaft hat sich vollzogen, ohne daß ein leitendes ökonomisches System vorlag. Jetzt ist die Tat, Schon-Vollzogenes, die dem Gedanken die Richtung weisen. Der Gedanke sieht sich Vollendetem oder Halbvollendetem gegenüber. Das nimmt der wissenschaftlichen Phantasie viel von ihrem Schwung, ja, legt sie teilweise lahm. Denn zur Lösung der Probleme braucht die gegenwärtige Zeit nicht mehr den Gedanken aufzurufen. Die geistige Aufgabe besteht gegenwärtig überwiegend nur daxin, für all das, was schon ist, den geistigen Ausdruck zu finden. Weil aber dieses Werden noch nicht seinen Abschluß gefunden hat, unterliegt die Wissenschaft einer Unsicherheit." 214
81
Ein Standardwerk, das allen Anforderungen gerecht geworden wäre, ist allerdings nicht erschienen. Anläßlich einer Besprechung des Lehrbuches von A. Hesse beklagt sich Th. Wessels darüber, daß die "neueste Entwicklung der sachlichen Erörterungen", die in der "grundsätzlichen Wissenschaftshaltung von einer neuen Basis ausgeht, dabei aber den bisherigen Theorien die entwicklungsfähigen Gedanken abgewinnt und sie in geläuterter Form zum Aufbau einer deutschen Volkswirtschaftslehre zu verwenden sucht", bisher (1938) noch keinen lehrbuchmäßigen Niederschlag gefunden hat, sondern sich Uberwiegend in Fach215 Zeitschriften vollzog.
Egner meint im Jahre 1937, die Sterne stünden für den Neubau
der Volkswirtschaftslehre "unerwartet günstig". Das Programm für den Neubau sieht e r in der Schaffung einer "deutschen Volkswirtschaftslehre", d.h. in dem "Willen zur Ersetzung der liberale» Wirtschaftsauffassung", der reinen Ökonomie, durch eine wahrhaftigere Leh216
re".
Gerade dem deutschen Volkswirt würde es viel leichter werden als anderen, die
entscheidenden Fragen in ihrem ganzen Schwergewicht zu begreifen, weil e r durch die "besondere geistige Lage Deutschlands" begünstigt sei.
Egner stellt der "deutschen Volks-
wirtschaftslehre" die Aufgabe, sich von der Abstraktion der liberalen Theorie abzukehren und die Strukturen der deutschen Wirtschaftslehre zu untersuchen. Er meint, daß "eine solche auf die Überwindung der liberalen Theorie hinzielende Lehre 217 sich auf eine alte Überlieferung im Bezirk des deutschen Geisteslebens berufen kann" und nennt in diesem Zusammenhang die Namen A. Müller, List, Moser, Thünen, Rodbertus, E. Dühring und die Historische Schule. Das Werk dieser Männer hätte trotz der gewaltigen Unterschiede in der Betrachtungsweise zwei miteinander verbindende Gesichtspunkte: den politischen und den historischen. Der politische Gesichtspunkt bestehe darin, alle Wirtschaftsprobleme in bezug auf Volk oder Staat zu sehen und er bedeute ferner, daß eine theoretische Wirtschaftsbetrachtung nun nicht mehr etwas van der wirtschaftspolitischen grundsätzlich verschiedenes . . 218 ist. Egner drängt hier in eine Richtung, die auf eine Aufwertung der wirtschaftspolitischen Aspekte der ökonomischen Lehre hinausgeht, und sieht die Lösung in einer Politisierung der Theorie. Sein Optimismus ist dabei objektiv und subjektiv völlig unbegründet, denn für die Behauptung, daß genügend Instrumente zur Verfügung ständen, um die Lage zu meistern, kann er keine Beweise erbringen. So beschränkt er sich darauf
zu behaupten: "In-
zwischen sind die Logik und Methodik geisteswissenschaftlicher Erkenntnis soweit entwikkelt worden, daß wir eine Abstraktion zu handhaben gelernt haben, welche an den Erscheinungen der geistig-geschichtlichen Welt nicht alle219 Besonderheiten ausfällen läßt, sondern in ihnen das Allgemeine zu ergreifen gestattet." Sicher ist diese Unterstellung, die für die bürgerliche Ökonomie insgesamt ungerechtfertigt ist, erst recht nicht für jene Situation in Deutschland zutreffend, die hier behandelt 82
wird. Es ist geradezu selbst ein Ausdruck für den Tiefstand des Niveaus der Wirtschaftslehre, daß die Tatsache der Zerplitterung der Lehre in viele Standpunkte und Methoden derart simplifiziert wird. O. Klug z.B. führt die Uneinheitlichkeit der Theorie auf die Eigensinnigkeit der Autoren zurück: "Daß die Wirtschaftstheorie . . . in ihren Grundlagen, ihrem methodologischen Unterbau immer noch nicht so fest verankert ist, daß von einem einheitlichen, eindeutigen Ausgangspunkt gesprochen werden kann, ist zum Teil auf die eigenartige - man möchte manchmal sagen - eigensinnige Haltung mancher Autoren zurückzuführen . Sie vergaßen von Anbeginn ihrer Forschungen das Sichauseinandersetzen mit allen ihren Vorgängern, legten sich daher vorzeitig mit ihrer Theorie fest und vermochten sich später - bei kritischer Beleuchtung ihrer Arbeiten - nicht zur Revision und Einpassung 220
ihrer Ansicht in den ' F ä c h e r ' theoretischer Meinungen durchzuringen." Man muß jedoch hervorheben, daß diese Meinung über die Ursachen der Uneinheitlichkeit nicht die vorherrschende darstellte. Im allgemeinen wurde die Kalamität darauf zurückgeführt, daß der bekannte Methodenstreit über die abstrakt-theoretische und historisch-empirische Lehre trotz gegenteiliger Beteuerungen einiger Wortführer über die Berechtigung und Notwendigkeit beider Forschungsmethoden keinen Abschluß durch eine Lehre gefunden habe, die durch die geglückte Synthese beider Lösungen gekrönt sei. Daher dauerten die Versuche an, hier einen Schritt weiterzukommen. Für Weisser wird das Antinomieproblem z.B. lösbar, wenn man eine "Synthese zwischen der Grundsätzlichkeit des naturrechtlichen Denkens und der Lebensnahe des historischen Denkens" herstellt. In einem Aufsatz versuchte er, eine solche 221 Synthese (wie er schreibt, "andeutungsweise") auf einem Teilgebiet zu verwirklichen. Vleugels sieht den Ausweg gleichfalls in einer Synthese zwischen der "rein theoretischen" (nicht ungeschichtlichen) Richtung und der "historischen" (nicht untheoretischen) Schule und hält es für einen großen Vorzug, daß die deutsche Volkswirtschaftslehre "die beiden, zur Zusammenarbeit berufenen Zweige wirtschaftstheoretischer Forschung - die idealund die realtypische - in je ungebrochener Kontinuität der Entwicklung nebeneinander ge222
pflegt hat".
Da e r die Synthese für realisierbar hält, schließt e r (1941!) mit den opti-
mistischen Worten: "Das Licht der englischen ' politischen Ökonomik' des Liberalismus ist erloschen, und mit der tieferen Begründung des ethisch-politischen Charakters unse- 223 r e r Wissenschaft steht die Volkswirtschaftslehre in der Morgenröte eines neuen Tages!" Andere, wie E. Schneider, möchten die Diskussion um methodologische Probleme endlich beendet wissen: "Wir haben heute wirklich keine Zeit, über Methoden zu reden, sondern die Pflicht, alle Kräfte für die Lösung Probleme 224 einzusetzen, die uns der Wirtschaftsaufbau im nationalsozialistischen Staateder stellt." Die Losung des Tages war die "völkische Lehre". Mit diesem Schlagwort wurde die 83
Illusion erweckt, als würde eine Lehre, die sich auf die "besten" Traditionen der historischen deutschen Volkswirtschaftslehre besinnt und sich gleichzeitig die Ziele der NSDAP zu eigen macht, alle methodischen Probleme lösen. Die Vorstellungen, die einige Ökonomen über die "völkische Lehre" entwickelten, sind recht unklar. Wiskemann forderte eine "wirkliche Volkswirtschaftslehre, die, auf völkisch-sozialistischem Wissen und Glauben aufbauend, zugleich an die Staatsökonomie der deutschen Kameralisten zum mindesten technisch wieder anknüpft, diesem Glauben aber die seither gewonnenen und noch neu zu gewinnenden geistigen Erkenntnisse auf politisch-wirtschaftlichem Gebiet nutzbar macht. Diese Volkswirtschaftslehre muß engste Berührung mit der heuen Rechtslehre haben und darüber hinaus in der Universalität eines neuen völkischen 225 Wissenschaftsganzen stehen." Faktisch kannte mit diesen Empfehlungen kaum jemand etwas anfangen, es sei denn, es als Aufforderung aufzufassen, sich an die Glaubensgrundsätze der Hitlerfaschisten zu halten. Im allgemeinen hielt man sich daran, die Vergangenheit aufs Korn zu nehmen, um zu demonstrieren, was "völkische Wirtschaft" und "völkische Wirtschaftslehre" nicht ist. Was die Ökonomen im "Dritten Reich" als ihren Forschungsgegenstand ansahen, war, wie bereits bei ihren bürgerlichen Vorgängern, durchaus modifiziert. Sie waren sich eigentlich nur in der Ablehnung des marxistischen Standpunktes und zum Teil (hier gab es Ausnahmen) in der eigenartigen Verdammung des Liberalismus einig. Der Soziologe L. v. Wiese hat 1936 auf die Aktualität der Frage nach dem Gegenstand der politischen Ökonomie hingewiesen. "Mehr denn je heischt die Frage, welche Erscheinungen des menschlichen Lebens durch den Rahmenbegriff der gesellschaftlichen Wirtschaft umfaßt werden sollen, eine klare Antwort; mehr denn je aber scheint diese Antwort allzu schwierig und allzusehr der Willkür der persönlichen oder der Schulmeinung ausgesetzt zu 226
sein."
In der Tat, im wesentlichen hat sich die Situation, wie in der Zeit vor 1933,
die durch einen Wirrwarr unterschiedlichster Meinungen charakterisiert war, auch später nicht geändert. Neben dem mehrstimmigen Streit um Abgrenzung und Methode der Wirtschaftswissenschaft lief noch immer der Hader zwischen Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik sowie zwischen reinen Theoretikern und den Historikern parallel, bzw. war Bestandteil jenes Streites. "Daheißt es etwa: Die Wirtschaftswissenschaft soll der Praxis, besonders der politischen, Argumente als Waffen im Daseinskämpfe liefern; sie soll die Aufgaben des gegenwärtigen Zeitalters, oder sie soll die nationalen Anforderungen verdeutlichen; oder: sie soll konkrete Tatsachen sammeln und ordnen; oder: sie soll Epochen der Entwicklung feststellen; sie soll das Wirtschaften psychologisch analysieren; sie soll den Zusammenhang von Gruppenbelangen und der Artung des Einzelmenschen erklären; oder aber: den Kreislauf der Güter darlegen; oder: das Verhältnis von Vorrat und Bedarf - möglichst 84
mathematisch - erforschen, oder: das Gesetz der Preisbildung und die aus dem Knappheitsprinzip folgenden Erscheinungen abwandeln; oder: die aller Wirtschaft zugrundeliegenden Gleichgewichtsprobleme in Lehrsätzen behandeln." Wiese führte "diese und zahlreiche andere Forderungen und Erfüllungs versuche hauptsächlich auf den immer wieder auftauchenden Gegensatz des Konkreten und Abstrakten zurück. Dort wünscht man das Leben als eine Kette der Erlebnisse selbst einzufangen, wie es der Historiker tut: ohne Vereinfachung, in der Totalität der Geschehnisse nachempfunden, verwickelt, ungeordnet, sprunghaft und unverstehbar im Sinne eines logischen Zusammenhanges. . . . Die anderen wissen, daß man nichts erklären und in logischen Zusammenhängen darstellen kann, wenn man es nicht vereinfacht. Sie üben die Kirnst der Weglassung. Geschehnisse können, so müssen sie es sehen, niemals in der Totalität von Erlebnissen Gegenstände wissenschaftlicher Erkenntnis sein. Das Konkrete gehört nicht in die Wissenschaft. Aber bestimmte Bestandteile von konkreten, verbindbaren Erlebnissen können in einer verstandesmäßig verstehbaren Ord227
nung erfaßt werden. Solche Ordnungen herzustellen, ist Aufgabe der Wissenschaft." E. Preiser hat den Gegenstand der Ökonomie praxeologisch gefaßt: "Gegenstand der Wirtschaftstheorie ist Ordnung und Ablauf der Wirtschaft. Ob sie nur von Mengen und Preisen spricht oder ausdrücklich von menschlichen Handlungen, stets ist ihr eigentlicher Gegenstand der wirtschaftende Mensch. Wie verhält er sich in einer bestimmten Situation? Die Wirtschaftstheorie setzt voraus, daß er rational handelt... Die Theorie muß die Wert228
skala dieses Menschen empirisch feststellen." Einen ähnlichen Ausgangspunkt bezog A. Hesse, der meint, Gegenstand der volkswirtschaftlichen Forschung sei "die Wirklichkeit", die durch Sinneseindrücke empfangene Realität, die sich größtenteils in menschlichen Handlungen darstellt. Die Erfassung der Wirklichkeit biete in der ökonomischen Wissenschaft manche Schwierigkeiten, da das Leben, das nicht grundsätzlich unerklärbar sei, nicht immer die gleichen Eindrücke hervorrufe. Schwierigkeiten bereite auch die Zusammenfassung vielgestaltiger einzelwirtschaftlicher Handlungen und der davon abhängende Zwang zur generalisierenden Abstraktion. Aber das Urteil darüber, was das Wesentliche einer Sache sei, hänge doch von der subjektiven Wertung ab und bedürfe einer zeitlichen Distanz vom Erkenntnisgegenstand. Daher könne die Aufgabe der Volkswirtschaftslehre nicht darin bestehen, möglichst weitgehend zu verallge229
meinern.
Da der Kreis der Beobachtungen auch Ziele und Wertungen einbezieht, welche
das menschliche Handeln leiten, es aber menschliche Handlungen gibt, die noch nicht vorgenommen wurden und die nicht der Kausalitätsbetrachtung unterliegen, müsse man auch eine Zweckbetrachtung einschließen, in der nicht danach gefragt wird, wie sich eine menschliche Handlung vollzog, sondern wie sie sich hätte vollziehen sollen. Die Zweckbetrachtung gewänne um so größere Bedeutung, je mehr die Volkswirtschaftslehre 85
durch die Wirtschaftsordnung bestimmt sei, die ihrerseits durch die Ziele bestimmt wird, welche sie leiten. Die Ordnung, die eine Volkswirtschaft forme, stelle eine geschichtliche 230 Besonderheit dar und sei insofern einmalig. Gegenstand der politischen Ökonomie ist bei Adolf Weber die "Volkswirtschaft", die als "Sozialökonomie" oder als "Gesellschaftswirtschaft" definiert wird: "Uns interessiert im Rahmen der wissenschaftlichen Volkswirtschaftslehre nur das wirtschaftliche Gemeinschaftsleben, wie es sich bei grundsätzlich freien Verkehrsbeziehungen unter den Einzelwirtschaf231 ten gestaltet." Wie aber waren diese Forderungen mit den politischen Ambitionen der Nazis zu verbinden? Tatsächlich hat es beispielsweise einige Ansatzpunkte gegeben, eine Wirtschaftslehre zu entwickeln, die das Gift des Bassismus und der Aggressionspolitik aufnahm. Ausgangspunkt dafür ist der Vorwurf, die sogenannte Volkswirtschaftslehre landläufiger Prägung sei gar keine Volkswirtschaftslehre, sondern bestenfalls Staatswirtschaftslehre, in der Re232 Nach H. Kniesche geht es
gel jedoch nur Sozialökonomie oder schlechthin Ökonomik.
darum, im Volk ein soziales Gebilde zu erkennen, das ins Wirtschaftsleben eingreift. Das geschehe nicht nur dort, wo die Wirtschaft durch die staatliche Organisation stark gestützt wird. Kniesche lenkt den Blick vielmehr auf die Völkerschaften und Nationalitäten, die in Vielvölkerstaaten nicht identisch mit der Staatsbevölkerung sind, und hebt die außerwirtschaftlichen, biologischen Faktoren hervor, nach der die soziale Gruppierung erfolge. Wirtschaft wird somit zwar als soziales Gruppenhandeln erklärt, aber nicht in ihrer klassenmäßigen Bedingtheit, sondern unter Anknüpfung an die faschistische Rassenideologie. Seraphim hielt das Buch von Kniesche deshalb für eine wissenschaftliche Tat, "die dem volkswirtschaftlichen Denken neue Wege weist und das Verständnis für echte volkswirtschaftliche Probleme weckt, für die der durchschnittliche deutsche Volkswirtschaftler bisher sozusagen kein Organ hatte". 233 Es sei der erste Versuch einer volkstheoretischen Wirtschafts234 betrachtung, der diese Bezeichnung wirklich verdiene. Versuche, die barbarische Rassenideologie der deutschen Faschisten in die Volkswirtschaftslehre einzubeziehen, konnten angesichts der außerordentlichen Bedeutung, die die Hitlerpartei dem Rassismuß beimaß, nicht ausbleiben. Wenn man von den Federschen Propagandalosungen und einigen Forderungen nach stärkerer Beachtung der Rassenlehre absieht, ist etwa bis 1935 die Ökonomie allerdings kaum im Zusammenhang mit der faschistischen Rassenpolitik behandelt worden. Vielleicht ist es an dieser Stelle angebracht, etwas Grundsätzliches zu dieser Frage zu sagen. Es wäre ein Fehlschluß zu erwarten, daß sich jeder Ökonom, der sich im allgemeinen rückhaltlos zur Hitlerpartei bekannt hat, den Versuch unternommen habe, auch die Rassenideologie der Hitlerfaschisten in seine Konzeption einzufügen. Der überwiegende Teil 86
der Autoren bleibt im wesentlichen der ökonomistischen oder erkenntnistheoretischen Thematik treu und begibt sich augenscheinlich nur ungern auf die anrüchige Ebene der Apologie des "reinrassigen" "nordischen" Herrenmenschen. Der Barbarismus der Hitlerfaschisten schlägt sich überhaupt in der Wirtschaftslehre nur partiell nieder. Die ökonomische Literatur hat niemals so brutal offen die Verhältnisse im KZ-Staat widergespiegelt, wie sie sich in mancher juristischen Schrift zeigen. Dieser Umstand findet seine Erklärung darin, daß die juristische Literatur erheblich praxisbezogener war als die ökonomische. Einem gewissen R. Kapp blieb es vorbehalten, die ökonomische Literatur durch eine wirklich neue, von typisch hitlerfaschistischer Geisteshaltung getragene barbarische Schrift bereichert zu haben. Es handelt sich um die ökonomische Begründung der berüchtigten Euthanasie unter dem Vorwand des Schutzes der Erbgesundheit und der Notwendigkeit der "Rassenreinheit". Vom biologischen bzw. medizinischen her war die Diskussion um die Notwendigkeit und Berechtigung sehr weitgehender ärztlicher Eingriffe (z.B. Sterilisation) bei Erbkranken kein neues Gebiet. Selbst Ethiker, Theologen, Juristen usw. hatten sich schon zu Wort gemeldet, um der Gesellschaft die Skrupel zu nehmen. Aber für die Verbrechen an wehrlosen Menschen (die Euthanasie war letzten Endes nur der Prolog zur Massenvernichtung von politischen Gegnern und jüdischer Bevölkerung) auch die Wirtschaftswissenschaftler zu gewinnen suchen, das tat erst ein R. Kapp. Kapp geht von der aristokratischen These aus, daß die bestehende gesellschaftliche Schichtung ein Spiegelbild der biologischen Wertigkeit darstellt. Er sucht Belege dafür zu bringen, daß es eine erbbiologische Bedingtheit der Berufsschichtung gibt. Die finanziellen Kosten, die der Volkswirtschaft durch Erbkrankheiten entstehen, werden dem Leser vorgerechnet, um die einzelnen bevölkerungspolitischen und sogenannten rassenhygienischen Maßnahmen schmackhaft zu machen.
235
Der Rezensent im Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, NSDAP-Mitglied P. Flas236
kämper, schreibt dazu: "Das Buch kann empfohlen werden",
obwohl ein anderer Rezen-
sent über den Autor schreibt: "An manchen Unklarheiten und Schiefheiten merkt man, daß 237 e r auf diesem Gebiet (der Erblehre - W.K.) nicht zu Hause i s t . " Kapp, der sich darüber beklagte, daß die "Rassenhygiene" in der ökonomischen Literatur kaum Beachtung oder Ablehnung gefunden habe, kommt allerdings über eine Kompilation bereits vorliegenden Materials nicht hinaus und läßt die Antwort offen, ob eine Leistungssteigerung der Wirtschaft angesichts des von ihm behaupteten "erbbiologischen Tatbestands" möglich sei. Das tat ein K. V. Müller, der "nachwies", daß nicht nur die "höheren sozialen Schichten, sondern auch die Arbeiterschaft "wertvolles völkischesErbgut" enthalte, das 238 der "züchterischen Pflege seitens des Staates gleichfalls wert sei".
87
Am deutlichsten hat vielleicht A. Pfennig die Forderung ausgesprochen, daß der Rassismus in das "nationalökanomische Denken einzubauen" sei. Drei Seiten des biologischen Gedankens würden den Kerngehalt ausmachen: der Begriff der Vererbung, die "Erkenntnis der nahen Korrelation von Leib und Seele" und die "Aufdeckung des Zusammenhangs zwi239
sehen der gültigen Wertwelt einer menschlichen Gruppe und ihrer biologischen Struktur" "Qualitative Erbunterschiede, Kassenseele (und Volkscharakter), sowie rassisch bedingte Wertwelt scheinen mir die fiir das Ökonomische wichtigsten Seiten des biologischen Gedan240 kens zu sein", schreibt Pfennig.
Unter Anlehnung an Sombarts Einteilung der National-
ökonomie in Wirtschaftsphilosophie, Wirtschaftskunstlehre und Wirtschaftstheorie suchte Pfennig die Bedeutung des Rassismus für die politische Ökonomie in verschiedener Hinsicht nachzuweisen; so z.B. zur Bestimmimg einer "wahren Wirtschaft", zur Widerlegung der marxistischen Entwicklungslehre, zur Lösung des "Problems der ökonomischen Gerechtigkeit", zur Fundamentierung "rassenhygienischer Zielsetzungen" in der Wirtschaftspolitik einschließlich der Finanzpolitik, zum Problem der Auslese der Arbeitskräfte im Betrieb und anderen innerbetrieblichen Fragen, zur Unterstützung der "Kolonialwirtschaft" wie der Eignungsuntersuchung der Eingeborenen zur Arbeit, dem "Problem der Übertragbarkeit der industriellen Zivilisation auf die sogenannten Naturvölker" usw. Auch die 'Theorie der produktiven Kräfte" und die "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" sollte nach dem Willen von Pfennig unter Berücksichtigung des "biologischen Faktors" betrachtet werden. Den "organischen Einbau des biologischen Gedankens in ein wirtschaftstheoretisches Gesamtbild" stellte sich Pfennig so vor,, daß in den Strom der "Leistungen der geschichtlichen Schulen, der Arbeiten Max Webers und Sombarts, der systematischen Untersuchungen
241
Spiethoffs" die "Bemühungen um den Einbau des biologischen Elements einmünden müssen". Der Zusammenhang zwischen Rasse und Kultur wäre nämlich auch für die idealtypische E r fassung vergangener Wirtschaftsepochen und damit für die geschichtliche Theorie der Wirtschaftsstile gültig. Am Ende würde eine "Völkerwirtschaftskunde" das Ergebnis sein, die auf einer "Charakterologie der einzelnen Völker", einer "Aufdeckung der wirtschaftlichen Uraniagen der Völker bzw. Rassen" und einer "Elitentheorie auf biologischer Basis" beruht. Zur Fixierung einer derartigen "Volkswirtschaftslehre" ist es allerdings niemals gekommen. Wie gering die faschistische Rassenideologie im Grunde in der Volkswirtschaftslehre jener Zeit verankert war, zeigt auch der Ausspruch von G. Weisser, der sich damals, als das Schrifttum streng von dem Goebbelsschen.Ministerium zensiert wurde, gegen den Rassismus in der Wirtschaftslehre aussprechen durfte. So heißt es bei Weisser: "Starke Entfaltungen einer bestimmten naturwissenschaftlichen Disziplin wie jetzt der Biologie und insbesondere der Biologie der menschlichen Rassen führen . . . leicht zu rassistischen Theorien... Von einer biologischen Fundierung der Nationalökonomie darf nie und nimmer 88
die Rede sein, so unentbehrlich uns Ergebnisse der Bassenbiologie . . . sind."
242
Man darf allerdings auch nicht unbeachtet lassen, daß ein großer Teil der Wirtschaftsliteratur von der faschistischen Ideologie derartig durchsetzt war, daß die rassistische Terminologie gewissermaßen gelegentlich als selbstverständliche Nebenbemerkung mit einfließt. So z . B . , wenn E. H. Vogel erklären will, wie natürliche Voraussetzungen und durch den Menschen unmittelbar beeinflußbare Faktoren sich wechselseitig ergänzen und 243 zusammenwirken.
Dabei bezieht er auch den Bassismus mit ein, wenn er davon spricht,
daß die "Komplementarität als wirtschaftliches Phänomen mit der elementaren Grundtatsache menschlichen Wirtschaftens", deren "Ungleichheits- und Differenzierungsmoment in der Wirtschaft", im Einklang steht: "Ungleichheit in den persönlichen, rassischen wie gesamtvölkischen Anlagen, also in persönlicher wie sachlicher Hinsicht, bringt bereits die zweite, das ganze Wirtschaftsleben durchziehende Grundtatsache der Differenzierung der Wirtschafter nach dem Gesamtkomplex der Bedingungen ihres wirtschaftlichen Handelns mit s i c h . . . " Viel stärker als in der ökonomischen Literatur sind die unwissenschaftlichen rassistischen Dogmen an den Hochschulen in die Wirtschaftslehre eingedrungen. Diese Entwicklung wurde u.a. auch von dem Soziologen L. v. Wiese begrüßt. Im Jahre 1936 schrieb er, daß die neuen Lehrpläne für das rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Studium zu der Annahme drängen, daß das eigentliche soziologische Zeitalter in Deutschland angebrochen sei. Mit jedem Tag stelle es sich mehr heraus, "daß die im Vordergrunde des Strebens stehenden biologischen Lehren von der Rasse und der Vererbung sowie die Idee des Volkes und Volkstums dringend der Ergänzung und vor allem Festigung durch seine Wissenschaft vom kulturellen (nicht bloß natürlichen) Zusammenhang der Menschen bedürfen." Wiese feiert es daher als einen Fortschritt, daß dem Bassismus auch in der-Ökonomie Genüge getan wird und vermerkt mit Genugtuung, daß die neuen Lehrpläne für das wirtschaftswissenschaftliche Studium "aus den Bedürfnissen des praktischen Lebens heraus eine Zurück drängung des rein ökonomischen Denkens und Urteilens ' zugunsten einer teils biologisch244 eugenetischen, teils soziologischen Schau' aufweisen". Natürlich gab es im gewissen Maße die Möglichkeit, sich auf die Position eines Fachwissenschaftlers zurückzuziehen, der sich in seinen Veröffentlichungen streng an eine eng begrenzte Thematik hält. Wer wie F. Behrens beispielsweise über "Preisvergleiche in der 245 Statistik"
schrieb, brauchte im "Dritten Beich" nicht unbedingt gegen das "jüdisch-bol-
schewistische Untermenschentum" zu Felde zu ziehen. Trotz allen Terrors blieb der Fachwissenschaft noch ein gewisser Spielraum unpolitischer Fachdiskussion, der natürlich je nach der Thematik beträchtlich variierte. Wer Uber die Bewegung der Zinsraten meditierte, hatte mehr Chancen, der Festlegung auf die nationalsozialistische Weltanschauung zu 89
entgehen, als ein Autor, der sich mit der Frage der "Lebensräume" auseinandersetzte. Es soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob und wieweit die Ökonomen einem politischei Engagement entgehen wollten. Hier soll nur darauf hingewiesen werden, daß es in gewissem Umfang möglich war, sich ihm zu entziehen. Flir einen bestimmten Problemkreis war das kaum möglich. So war z.B. die Beteiligung an dem Werturteilstreit eminent politisch. 246 Der vornehmlich von M. Weber beeinflußte Standpunkt der bürgerlichen Soziologie yon der angeblichen Klassenneutralität und Unparteilichkeit der bürgerlichen Sozialwissen247 Schaft, der der Verschleierung ihrer wirklichen Parteilichkeit und Klassenfunktion diente, hat in der Diskussion unter den deutschen bürgerlichen Ökonomen eine beträchtliche Rolle gespielt. Die Debatte um die wissenschaftliche Zulässigkeit von Werturteilen, d.h. Urteilen, durch die eine Wertschätzung gesellschaftlicher Erscheinungen vorgenommen wird, riß auch zur Zeit der faschistischen Diktatur nicht ab. Man kann sogar feststellen, daß diese Diskussion aus politischen Gründen eine Belebung erfuhr. Es ist hier nicht der Ort, den Verlauf der Auseinandersetzungen unter den Ökonomen seit M. Weber aufzuzeichnen und alle Aspekte ihrer Bedeutung hervorzuheben. Es sei nur vermerkt, daß Weber, und mit ihm der weitaus überwiegende Teil der bürgerlichen Ideologen, Werturteile für die Wissenschaft abgelehnt hatten. Die Wissenschaft, so meinten sie, könne nur Sachurteile fällen, die wissenschaftlicher Analysen zugänglich seien. Einer Wertung, ob eine gesellschaftliche Erscheinimg gut oder schlecht sei, müsse sich die Wissenschaft jedoch enthalten, da sie in den außerwissenschaftlichen Bereich der Irrationalität gehöre. Der Marxismus-Leninismus lehnt bekanntlich diesen Standpunkt ab. Eine Klasse, die an der Aufdeckung der Entwicklungsgesetze interessiert ist, vermag gesellschaftliche Erscheinungen durchaus zu werten, da sich die Parteilichkeit ihrer Wissenschaft nicht im Widerspruch zu den Forschungsergebnissen befindet. Das Postulat von der Wertfreiheit jedoch sollte den bürgerlichen Ideologen ermöglichen, unter dem Etikett der Klassenneutralität und Objektivität notwendiges Forschungsmaterial zu sammeln, ohne gleichzeitig die Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung bestätigen zu müssen. Zur Zeit der faschistischen Diktatur ist dieser Gesichtspunkt M. Webers von den Anhängern der Hitlerpartei, die sich an der Fortsetzung des Werturteilstreits beteiligten, kaum übernommen worden. Wer der "nationalsozialistischen Weltanschauung" huldigte, konnte den Weberschen Standpunkt auch nicht gut akzeptieren, denn er stand im eklatanten Widerspruch zur "Parteilichkeitsforderung" der Nationalsozialisten. Um Mißverständnisse zu vermeiden, muß etwas Uber die "Parteilichkeit" der Hitlerfaschisten gesagt werden. Ihre Forderung nach Bindung an eine "Weltanschauung" war kein 248 "theoretisch-methodisches Prinzip, das den objektiven Wahrheitsgehalt deutlich macht", 90
sondern eine Forderung, sich dem Totalitätsanspruch der faschistischen Ideologie unterzuordnen. Dieser Totalitätsanspruch entsprang aus dem extremen Antidemokratismus der Faschisten, der die prinzipielle Gleichheit der Menschen und den prinzipiellen Schutz der Rechte der Individuen verneint und an deren Stelle die bedingungslose Unterordnung der Staatsbürger unter die "rassisch wertvollen Führer" und die Allmacht des Staates setzt. Dieser extreme Antidemokratismus, die schrankenlose Diktatur eines Teils des Monopolkapitals, verlangt die völlige Unterordnung unter die politischen Leitsätze der Machthaber und beansprucht Unfehlbarkeit und die unanzweifelbare Berechtigung für ihre Entscheidungen. Diese Doktrin kann das Postulat der Wertfreiheit nicht anerkennen; sie stellt der Wissenschaft die Aufgabe, eine Wertung im faschistischen Sinne vorzunehmen, Irrationales wird als rational ausgegeben. Die Fortsetzung des Werturteilstreits mußte daher notgedrungen den Zwiespalt zwischen dem Weberschen und dem Hitlerschen Anliegen widerspiegeln. 249 H. Peter trat noch im Oktober 1933 für eine wertfreie Ökonomie ein. Er unterschied rigoros die reine Theorie von der Wirtschaftspolitik. Die reine Theorie entwickle nur die Denktechnik und sei an sich völlig unabhängig von jeder Politik. Es widerstreite überhaupt dem Wesen der Theorie, Ideale aufzustellen. Seien die wirtschaftspolitischen Mittel "selbst zu bestimmen nach dem Ideal, das als Ziel erstrebt wird, so ist die Frage, ob die Mittel auch wirklich tauglich sind, dieses Ziel zu erreichen, ihrerseits nicht wieder von dem Ziele abhängig. Man würde den Boden unter den Füßen verlieren, wenn man das 250 verlangt".
Dagegen stehe auf dem Gebiet der angewandten Theorie, der die Arbeit durch
die Zielsetzung des Politikers vorgeschrieben ist, dem Theoretiker nicht zu, die Zielsetzung des Politikers zu diskutieren. Er habe sie bedingungslos zu akzeptieren und nur die Mittel für gegebene Situationen zu liefern, damit der 251 Wirtschaftsprozeß so abläuft, wie er dem vorgeschriebenen politischen Ideal entspricht. Peter deutet hier schon die Frage der bedingungslosen Unterordnung der Ökonomen unter die Staatsräson an, die in der weiteren Diskussion eine große Rolle spielt. Der Werturteilsstreit wird im Zuge der Gleichschaltungskampagne von den regimehörigen Ideologen mit umgekehrten Vorzeichen fortgesetzt. Das Hitlerregime wollte eine "neutrale" Wissenschaft nicht dulden; sie forderte, daß auch die Wirtschaftswissenschaft den Weberschen Standpunkt der Unparteilichkeit aufgeben und sich eindeutig unterordne. W. Weddigen faßte die Forderungen nach einer politisch orientierten Wissenschaft wie folgt zusammen: "Einmal wird gefordert, die Wirtschaftswissenschaft wie alle Wissenschaft Uberhaupt solle nicht als 'voraussetzungslose Wissenschaft' um ihrer selbst willen betrieben werden. Sie solle sich vielmehr bewußt mit all ihren Kräften in den Dienst des völkischen Gedankens stellen, wie ihn der Nationalsozialismus zum obersten Ziel und Grundsatz seiner Politik erhoben habe. Daneben stellte die Praxis auch die Forderung, bei dieser
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Arbeit für das völkische Ziel solle die Wissenschaft 'bei ihren Leisten bleiben': Sie solle dem praktischen Politiker mit ihrem Wissen und Rat helfend zur Seite stehen, dabei aber vermeiden, ihm bei der Fällung seiner Entscheidungen selbst 'ins Handwerk zu pfuschen'." 252 Weddigen macht hier deutlich, wo die Grenzen der Wertungen des Wissenschaftlers im "Dritten Reich" liegen. Sein politisches Engagement muß sich im Rahmen der offiziellen Parteilinie bewegen und findet ihre unüberwindliche Schranke, wenn die Schlußfolgerung, zu der e r gelangt, partei- und regierungsamtlich unerwünscht ist. Dem gibt auch Gottl 1939 Ausdruck, wenn e r seiner zuvor uneingeschränkten Befürwortung wissenschaftlicher Werturteile jetzt ausdrücklich Grenzen setzt. Gottl weist die Auffassung, daß die Wirtschaftswissenschaft nicht Ziele setzen, aber den Weg zu gegebenen Zielen weisen könne, als nicht 253 zutreffend zurück.
Er meint, daß man durch "Urteile abstufender Art" zwischen mehre-
ren möglichen Zielen wählen könne. Gottl läßt aber offen, woran sich diese Urteile zu orientieren hätten. Er billigt "dem praktischen und politischen Handeln" die Freiheit der Zielsetzung zu, dem Forscher dies nur dann, wenn dieser gleichzeitig Politiker ist. Auf diese Art lehnt Gottl das absolute Werturteil für die Wissenschaft ab. Gleichzeitig interpretiert e r die "obersten Zielbegriffe des Nationalsozialismus", die Werthaftigkeit in diesem Bereich als wissenschaftlich erweisbar. Allerdings weiß Gottl bei dem Versuch der Ableitungnichts anderes vorzubringen als eine platonische Anrufung der "Vernunft" als oberster Instanz zur Beweisführung. Die Vernunft ist gewissermaßen Attribut seiner Gebilde und tritt in modifizierter Form auf. Werturteile werden jetzt von "höchster Stelle" gefordert, doch dürfen sie keinen oppositionellen Charakter tragen. Daher sprechen sich auch die Ökonomen, die der NSDAP am nächsten stehen, gegen das Webersche Postulat von der Wertfreiheit aus. E. Wiskemann lehnt es z.B. mit der Begründung ab, daß mit seiner Hilfe 254eine "gesinnungslose theoretisierende und historisierende Halbbildung getrieben werde", und nennt M. Webers Theorie 255 der Wertfreiheit "eine Flucht aus dem Wirklichen". Und e r argumentiert folgendermaßen: "Die Lösung, die Sphäre des ' Sollens' aus der Wirtschaftstheorie herauszuverweisen und diese zum Feld allgemeinster wertfreier Überlegungen über die zweckmäßigste Mittelwahl in Richtung auf politisch gesetzte Zwecke zu machen, ist allzu billig, als daß sie stimmen könnte. Mittel und Zweck lassen sich weder logisch noch tatsächlich in dieser Weise trennen. Die Wirtschaftstheorie ist das Bild der 'inneren Ordnung' in der Wirtschaft, die ihrerseits auf völkischem, politischem und sozialem Grunde'erwächst. Immer wieder reichen daher von allen Seiten außerökonomische Wertungen in die Wirtschaftstheorie hinein." . . . "Die Dynamik zwingt immer wieder dazu, veränderte 'Daten* zu setzen, das heißt aber in die Wertsphäre der qualitativen Wirtschafts Voraussetzungen zurückgreifen. Und im Grunde ist alle Wertung in der Nationalökonomie überökonomisch bedingt. Alle 92
Marktvorgänge richten sich nach den Verhältnissen der Einkommens- und Kapitalverteilung, 256 die ihrerseits nicht rein ökonomisch abgeleitet werden können." E. Egner meinte, die Wirtschaftstheorie habe bisher zu Unrecht unterstellt, daß es eine Scheidewand zwischen dem politischen Handeln und der Seinsweise der Wirtschaft gebe, und e r setzt fort: " . . . man wird künftig die Wirtschaft nicht mehr als in festen Formen ablaufenden eigengesetzlichen Zusammenhang der theoretischen Betrachtung zugrunde legen dür257 fen."
Es sei möglich geworden, "endlich die alten Antithesen der liberalen Wissenschaft,
diejenige zwischen dem Sein und dem Seinsollen der Wirtschaft, also zwischen Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, ebenso aber auch diejenige von Theorie und Geschichte zu (iberwin25S den".
Der Gegensatz zwischen dem Sein und dem Seinsollen sehe e r ganz anders, als er
"in der Denkweise des Neukantianismus gemeint wurde". Die von ihm "durchgeführte Entgegensetzung zwischen der ideell vorweggenommenen Wirklichkeit der Zukunft, in der eine heuAufgabe erfüllt ist (also die völkische geworden ist),keite undbestehende dem heutigen unvollkommenen Zustand, aus demWirtschaft sich diese Wirklichkeit Aufgabe ergibt, bedeutet 259 ne Wiederholung des Trennungsdenkens..." "Die Unvollkommenheit der Gegenwart führt zur ideellen Vorwegnähme der vollkommeneren Zukunft, dadurch zur Bestimmung der Gegenwartsaufgabe. " 2 6 0 So begegnete Egner dem Einwand M. Webers, daß das Hineinmengen eines Seinsollens eine Sache des Teufels sei, indirekt mit dem Hinweis auf die Realisierbarkeit von Zukunftsprogrammen. Übrigens ist den Debattanten die Auseinandersetzung mit dem Werk des bereits im Jahre 1920 verstorbenen M. Weber nicht leicht gefallen. Seine jetzigen Gegner im Werturteilstreit versäumen es zumeist nicht, vor seiner Leistung eine Verbeugung zu machen. W. Weddigen sucht mit Nachdruck bei dem Werturteilsgegner M. Weber nach Argumenten für die wissenschaftlichen Werturteile. Er meinte, Weber hätte doch bedeutende Einschränkungen in seinen Forderungen nach Werturteilsfreiheit gemacht. So habe Weber zwar für ein wertungsfreies Vorgehen in der Volkswirtschaftslehre plädiert, sich aber andererseits entschieden für eine Wertbeziehung zu Kulturidealen ausgesprochen, und Weber habe ferner hypothetische Werturteile und eine logische Zurückflihrung von Wertungen auf deren letzte Axiome als zulässige Kritik für möglich gehalten. Und somit ist festzustellen, folgert Weddigen daraus, daß "mit denjenigen Werturteilen, die nach diesen Einschränkungen selbst Max Webers als wissenschaftlich zulässig anzuerkennen sind, die Wissenschaft durchaus in der Lage ist, allen Anforderungen zu genügen, die die Praxis heute an sie als 'poli261 tische Wissenschaften' stellt und zweckmäßig stellen kann." Weddigen sucht sodann nachzuweisen, daß eine voraussetzungsbewußte, auf das Wohl des eigenen Volkes ausgerichtete Wirtschaftswissenschaft, die die Praxis berät, in Deutschland jeher ihre Kontinuität gehabt habe, und daß die Vorwürfe der politischen Disinteres93
siertheit, die man der deutschen Wirtschaftslehre allgemein gemacht habe, nur einen Teil der Wirtschaftswissenschaftler träfe. G. Weippert unternahm es, zwischen den beiden konträren Meinungen der beiden Exponenten M. Weber und Gottl-Ottlilienfeld eine Brücke zu schlagen. Er, der auf dem Boden der Gottischen Gebildelehre steht, erklärt die Webersche Auffassung für historisch berechtigt, aber auch für historisch überholt. "Der Kampf gegen die Werturteile", so erklärt Weippert, "war innerhalb des Entwicklungsgangs der verstehenden Wissenschaften historisch notwendig. Max Webers und seiner Mitstreiter Kampf gegen die Werturteile darf heute als 262 notwendige Selbstsicherungsaufgabe der Wissenschaft angesehen und gewürdigt werden." Er begründet die historische Berechtigung des Weberschen Standpunktes damit, daß die Wissenschaft bisher nicht genügend fundiert gewesen sei, so daß sie leicht hätte erschüttert werden können, wenn man die Berechtigung der Werturteile zugegeben hätte: "Man mußte zunächst lernen, bevor man an Urteile heranging. Gleich zu Anfang die Urteile einlassen, das hätte bestimmt bedeutet, zugleich mit den Urteilen auch den 'Meinungen' das Tor zu öffnen. Es galt aber gerade die Meinungen auszuschalten und sich auf das Verstehen zu beschränken."^* Geschickt hat Egner die Berechtigung der Werturteile einerseits und der Polemik Webers andererseits mit der Diskreditierung der Ambitionen der Kathedersozialisten verknüpft und dadurch erreicht, daß Weber als Kämpfer gegen den kathedersozialistischen Reformismus dasteht, die Werturteile aber als zeitgemäß deklariert werden: "Als die Werturteilsfeindschaft im sogenannten jüngeren Methodenstreit vor allem durch den Aufsatz M. Webers Anerkennung fand, bedeutete dies einen großen Erkenntnisfortschritt. Denn so stellte man sich zu den aus dem guten Herzen kommenden, d.h. außerwirtschaftlich fundierten Urteilen der Katheder-Sozialisten über wirtschaftliche Dinge in Gegensatz, durch welche diese zugleich Uber wirtschaftliche Notwendigkeiten befinden wollten. Deren Beweisführung ging in der Tat an dem, was wirtschaftlich erforderlich war, vorbei. Man trennte nun das ethische Urteil über die Wirtschaft von der wirtschaftlichen Betrachtung der Wirtschaft. Das bedeutete eine Besinnung der Wirtschaftswissenschaft auf ihre eigentlichen Aufgaben. Dennoch wurde diese neue Einsicht durch ein gleichzeitiges Mißverständnis erkauft. Dies äußert sich darin, daß man jetzt einen allgemeinen Kampf gegen die Werturteile im Rahmen der Theorie eröffnete und glaubte, sich nur auf das Sein der Wirtschaft in ihr zurückziehen zu sollen. Man fragte gar nicht, ob es nicht etwa ein an wirtschaftlichen Maßstäben orientiertes Werturteil geben könne. So gelangte man zu einer allgemeinen Ablehnung von Werturteilen mit einer unhaltbaren Begründung, während man nur einen bestimmten Typ von Welturteilen mit innerem Recht bekämpfen konnte. Die Wurzel des Übels liegt dabei in der unter neukantischem Einfluß aufgekommenen Rede von der Subjektivität des Werturteils. 94
Aus ihr wird die Kluft zwischen dem Werturteil und dem objektiven Seinsurteil abgeleitet. Dabei übersieht man jedoch, daß ein Werturteil auch (uf ein Sein, nämlich auf das ideelle Sein eines Wertes bezogen ist. Der Irrtum besteht darin, daß man das Fühlen dieses Wertes, welches nur subjektiv möglich ist, mit diesem Werte selbst, der objektiver, wenn auch ideeller Natur ist und von mir im Fühlen angeschaut wird, verwechselt. (Der Aufdekkung dieses Irrtums ist M. Schelers "Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik", Halle 1913, gewidmet. Siehe besonders S. 246, 275.) Auf diese Weise kommt man zu der Meinung, daß Werturteile der nach Objektivität strebenden Theorie unangemessen seien. In Wahrheit gilt dies nur für das wirklich subjektive, d.h. willkürliche Werturteil, 264 nicht aber für das objektive, d.h. auf das objektive Sein ideeller Werte bezogene Urteil." Auch W. Vleugels vertritt nachdrücklich die historische Berechtigung der WertfreiheitsForderung: "Sie war die Notlösung des positivistischen Zeitalters zur Erhaltung einer ernsthaften Wissenschaftspflege überhaupt. Sie ermöglichte es, auch bei herrschendem Positivismus haltbare und tradierbare wissenschaftliche Ergebnisse zu finden, sie sicherte die Kontinuität der Forschimg. Damit und mit der Entgegensetzung der 'Wertf reihert* gegen die geschmacklosen und oft oberflächlichen Versuche des Naturalismus des XIX. Jahrhunderts, Wissenschaft als Religionsersatz zu produzieren, haben die in den letzten Tiefen ihrer Bestrebungen von einem sicheren, sittlichen Wertgefühl (und Ranggefühl der Werte) geleiteten Wertfreiheitskämpfer um M. Weber dem Kulturverfall im naturalistischen Zeitalter wenigstens Wissenschaft und Religion nicht preisgegeben, sondern ihm entgegen265 gewirkt mit den Mitteln, die die Zeit allein noch anwendbar zu machen schien." Der Leser, der sich die Frage stellt, welche umwälzende wissenschaftliche Erkenntnis wohl inzwischen den Weg zur politisch wertenden Wissenschaft frei gemacht habe, erhält die Weippertsche Antwort unverzüglich: "Mit v. Gottls Begründung der ' ontologischen Werturteile* haben sich die verstehenden Wissenschaften zu politischen Wissenschaften 266 konstituiert."
(Das ist eine Auffassung, die auch von Egner geteilt wird, der dazu aller-
dings noch die wissenschaftlichen Leistungen des Werturteilsgegners W. Sombart hinzuzählt.) G. Weipperts Darlegung ist nicht so sehr wegen seiner Apologie der Gottischen Lehre aufschlußreich, als vielmehr wegen ihrer eigenartigen Methode, der "Forderung des Tages" (d.h. der Forderung, die das herrschende politische System an die Ideologen stellte) nach politischer Gleichschaltung Tribut zu zollen. Weipperts Art und Weise, die Problematik in seinem Sinne darzulegen und seine Ansichten zu begründen, heben sich in ihrer Form wesentlich von dem lärmenden Agitationsstil eines E. Wlskemann ab. Weippert hat betont, daß es ihm nur um Wahrheitsfindung, nicht aber um Politisierung der Wissenschaft gehe: "Es hieße also die wissenschaftlichen Wahrheitsdienste schroff mißverstehen, wollte 95
man den einzelnen Wissenschaften die zu gewinnenden Endlösungen vorschreiben. Es geht freilich nicht an, daß jeweils ein politisches System der Wissenschaft ein Erkenntnis-Soll diktiert. Was zustande käme, wenn nun der Bolschewismus diese, der Faschismus jene, die westlichen Demokratien aber wieder andere Endlösungen für die Wissenschaften bereithielten und gewissermaßen nur deren wissenschaftliche Einkleidung forderten, ist leicht einzusehen." 2 6 '' Untersucht man den Inhalt des Weippertschen Artikels, dann ergibt sich, daß der Autor im wesentlichen auf der gleichen Position stand wie sein faschistischer Kollege. Es sei ein Mißverständnis zu glauben, so meint Weippert, daß das Politische und das Wissenschaftliche sich wesensnotwendig ausschließen müßten. Sei nämlich die Politik realistisch und konsequent, dann dürfe sie auch eine adäquate Wissenschaft fordern: "Doch nur eine Politik, die selber um die Daseinsgemäßheit ihrer Handlungen ringt, kann es wagen, die Forderung nach politischer Wissenschaft zu stellen. Ringt die Politik aber um daseinsgemäße Gestaltung der Wirklichkeit, ist Politik entschlossen, den Sinn des Politischen bis ins Letzte zu erfüllen, so bedarf sie an ihrer Seite einer Wissenschaft, die - wie sie selbst - die Frage nach dem menschlichen Sein und dessen letztem Sinn zur zentralen Aufgabe e r h e b t . " 2 6 8 Fehlen diesen Worten auch die Attribute aus dem Goebbelsschen Propaganda-Ministerium, so muß doch der deutsche Leser von 1938 diesen Zeilen entnehmen, daß in der Zeit, in der in Deutschland die "Ein Volk - ein Reich - ein FUhrer"-Losung Prestigegewinne erzielte, eine Wissenschaft, die auf das herrschende politische System eingeschworen war, eine akzeptable Sache wäre. Weippert hat nämlich in der gleichen Abhandlung erkennen lassen, daß e r dem "Zeitgeist" genügend Referenzen erweist: e r schloß sich dem Verdammungsurteil der "liberalen Wissenschaft" an, die von den Faschisten zum Popanz gemacht wurde, und er propagierte die Lieblingsidee der hitlertreuen Ökonomen, die Idee von der "völkischen" Nationalökonomie. Im übrigen hat Weippert die Gottische Konzeption von den ontologischen Werturteilen, die der Weberschen Ansicht von dem Gegensatz Seinsweise und Werturteil widersprechen soll, übernommen und lediglich noch zwischen verschiedenen antologiöchen Werturteilen unterschieden. So glaubte er, daß man zwischen Urteilen unterscheiden müsse, die auf die "Gestaltrichtigkeit" abzielen (und in denen die Zweckmäßigkeit der Teile eines Ganzen berücksichtigt wird) und den Urteilen, die auf das "Lebensrichtige" orientiert sind (d.h., 269 in denen es um die Sinnerfüllung menschlichen Daseins gehe). Auch G. Weisser segelte ganz im Fahrwasser der "reinen Wissenschaft". Weisser e r und stellte örterte das Verhältnis der politischen Ökonomie zur Ethik und Rechtsphilosophie 270 dabei die Frage, ob es eine objektive Gültigkeit von Grundnormen gebe. 96
Er sieht das
Problem der Wertung dieser Normen in dem Entscheidungskriterium nach dem höheren Wert. Der Autor geht von einem antiskeptizistischen Standpunkt aus und empfiehlt, gegen O. Spann polemisierend, ökonomistische und logizistische Verfahren. Er glaubt, daß die Norm weder aus dem Dasein, den Werten nach dem Nutzen von Erscheinungen, nachträglich erschlossen werden kann. Da sie nicht anschaulich sei, würde sie auch nicht durch Wesensschau erkennbar werden. Das Endergebnis ist, daß Weisser der Norm einen Inhalt e r schließbarer Wertericenntnis zubilligt, jedoch eine eindeutige Beantwortung der Frage nach der Norm offen läßt und sie den Philosophen zur Klärung überläßt. Die angeführten Zitate beweisen, daß die Ökonomen im faschistischen Deutschland die Position M. Webers in der Werturteilsfrage, zu der sie sich zuvor in ihrer Mehrheit bekannt hatten, unter dem Druck der Forderungen des Hitlerregimes nach der Durchdringung der Lehre mit "nationalsozialistischem Geist" aufgaben. Für manchen, der sich vordem anders entschieden hatte, fiel es nicht leicht, seine Kehrtwendung glaubwürdig zu begründen. Ein so bedeutender Exponent der alten Schule wie W. Vleugels z.B. versuchte, sich mit einigen Einschränkungen aus diesem Dilemma zu retten. Vleugels hatte sich ursprünglich zu der Auffassung M. Webers von der Werturteilsfreiheit der Wissenschaft bekannt, dann jedoch, als nach 1933 die Diskussion darüber unter anderem Vorzeichen wieder auflebte, nur noch mit Weber darin übereingestimmt, daß sich der Professor im akademischen Unterricht einem Werturteil enthalten solle. Die Frage nach der weltanschaulichen Begründung der Wissenschaft hat Vleugels jedoch später 271 bejaht. Eine Einschränkung machte Vleugels auch bezüglich der "allgemeinen Theorie". Diese sei, so meinte er, genausowenig weltanschaulich wie materiell inhaltlich bestimmt, da sie eine reine Begriffs- und Beziehungslehre sei. Wie 272 die Mathematik oder die formale Logik sei sie rein gedankliches System und wertfrei. Für die Diskussion ist es auch bezeichnend, daß sie im Grunde genommen keine eigentliche Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Andersdenkenden darstellt, sondern die Form einer Abrechnung mit den Ideen der "liberalistischen Ära" oder, wenn man so will, mit dem verstorbenen Max Weber annimmt. Die Anhänger Gottls, die durch anderslautende Äußerungen aus der Zeit vor 1933 nicht vorbelastet sind, können dabei naturgemäß unbefangener polemisieren als andere Apologeten, denen die eigene Vergangenheit ein Klotz am Bein ist und die sich in ihrer Beflissenheit gegenüber den faschistischen Machthabern zu den meikwürdigsten Eskapaden verleiten lassen. Die am lautesten nach einer Keformierung der Wirtschaftslehre auf dem "Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung" auftraten, waren entweder treue Gefolgsleute Hitlers, die schon vor 1933 Ansätze zu einer "nationalsozialistischen Volkswirtschafts97
lehre" machten oder die sich aus jüngeren Hochschulkadern rekrutierten, die im März 1933 Morgenluft witterten und allzu gern die Priester aus den Tempeln der Weisheit verjagt hätten, um ihre Plätze einzunehmen. Da zu dieser Gruppe ältere Lehrstuhlinhaber anfangs nur zögernd und in Ausnahmefällen (Gottl-Ottlilienfeld war solch eine unrühmliche Ausnahme) stießen, stellte sich die Auseinandersetzung, die zwischen den Vertretern der "liberalistischen" Ära und denen der "voranstürmenden" faschistischen Intellektuellen nicht ausblieb, äußerlich als ein Generationsproblem dar. In Wirklichkeit verbarg sich dahinter die Tatsache, daß die Intellektuellen, die in ihrem Denken und politischen Handeln entweder mit der Monarchie oder aber mit der Demokratie der Weimarer Republik verbunden \yaren, erst allmählich, unter dem Druck der Gleichschaltungskampagne und angesichts der Hitlerschen Prestigegewinne einen Nivellierungsprozeß durchmachten und sich schließlich mehr oder weniger zu Gesinnungslumperei, Kompromissen und politischer Wandlung bereitfanden. Eine eigenartige Nuance erhielt die Diskussion um ökonomisch-theoretische Probleme im "Dritten Reich" durch die Abneigung höchster Parteiführer gegen die Wissenschaft Hitler, der sich sonst in seinen Reden kaum jemals bemüßigt fühlte, die Wirtschaftswissenschaft auch nur zu erwähnen, ließ in seiner Rede zum 30. Januar 1937 eine ganze Schimpfkanonade auf die ökonomische Lehre los. Nachdem er hervorgehoben hatte, daß e r als der erfolgreiche Führer die ökonomische Theorie ignorieren durfte ("Ich war kein Wirtschaftler, das heißt vor allem: ich bin in meinem Leben noch niemals Theoretiker gewesen"), schmähte und verspottete er die Theoretiker als Pessimisten und Versager, deren Destruktionen man entbehren konnte: "Der Versuch, aus wirtschaftlichen Methoden ein Dogma zu formulieren, wurde von vielen mit jener gründlichen Emsigkeit, die den deutschen Wissenschaftler nun einmal auszeichnet, betrieben und als Nationalökonomie zum Lehrfach erhoben. Und nur nach den Feststellungen dieser Nationalökonomie war Deutschland ohne Zweifel verloren. Es liegt dabei im Wesen aller Dogmatiker, sich auf das schärfste zu verwahren gegen ein neues Dogma, das heißt eine neue Erkenntnis, die dann als Theorife abgetan wird. Seit 18 Jahren können wir das köstliche Schauspiel erleben, daß unsere wirtschaftlichen Dogmatiker in der Praxis auf fast allen Gebieten des Lebens widerlegt worden sind, allein nichtsdestoweniger die Praktiker, Überwinder des wirtschaftlichen Zusammenbruchs als y e r t r e ter ihnen fremder und daher falscher Theorien ablehnen und verdammen... Wirtschaftsbetätigung aber ist kein Dogma und wird nie ein solches sein. Es gibt keine Wirtschaftsauffassung oder Wirtschaftsansicht, die irgendwie Anspruch auf eine Heiligkeit erheben könnte. Entscheidend ist der Wille, der Wirtschaft stets die dienende Rolle dem Volk gegenüber 273 zuzuweisen und dem Kapital die dienende Rolle gegenüber der Wirtschaft."
98
Selbstverständlich war diese Antipathie der Hitlerleute zur Wissenschaft kein historischer Zufall. Die Geistesrichtung der Hitlerbewegung konnte sich auf keine rationale Lehre stützen, die Grundlage ihrer "Weltanschauung" war keine fundierte Theorie, sondern, da sie an Instinkte der Massen appellierte, ein pragmatischer Mystizismus. Selbst die Chef-Ideologen der NSDAP, die wie Alfred Rosenberg der praktischen Politik ihrer Partei eine weltanschaulich-formulierte Grundlage geben wollten, scheiterten schließlich nicht nur an der Unmöglichkeit, einen Mythos wissenschaftlich zu rechtfertigen, sondern auch am Pragma274 tismus der Hitlerpartei.
Die unverhohlenen Äußerungen gegen die Fixierung bestimmter
rationaler Thesen hängt auch damit zusammen, daß die faschistischen Führer nach 1933 von ihrem eigenen Parteiprogramm abrücken mußten, da sie als Sachwalter der Monopolbourgeoisie ihre sozialen Forderungen, die sie ehemals zum Werben von Anhängern und Wahlstimmen erhoben hatten, nicht länger propagieren konnten. Als Frucht dieser prekären Situation kann man in jeder Zeit in wissenschaftlichen Fachzeitschriften folgendes lesen: "Der deutsche Sozialismus will die Seele, sein Ziel ist ein geistiges. Weder vom wirtschaftlichen oder sozialen Bereich nimmt er seinen Ausgang, noch schöpft er seine Kräfte aus der Wissenschaft." Die "Erkenntnis von der dienenden Stellung der Wirtschaft und ihrer Wissenschaft hat den Nationalsozialismus davor bewahrt, das Leben des Volkes 275 und die Gestaltung seiner sozialen Ordnung unter das Gesetz einer Theorie zu stellen." Was fUr Völtzer "Seele" und "geistiges Ziel" ist, das ist für Friedrich Bülow die "Idee", die nichts mit menschlichem Geist zu tun habe: "Aus der Idee geboren, steht der Nationalsozialismus in schroffem Gegensatz zur materialistischen, d.h. aus materiell-wirtschaftlicher Betrachtung gewonnenen Geschichtsauffassung... Seine Antriebe gewinnt der Nationalsozialismus nicht aus der verdünnten Luft intellektualistischer Geistigkeit, sondern aus den rassischen Elementarkräften heimat-verbundenen Volkstums. Er schöpft seine Kraft aus dem Irrationalen, ausblutvollem, instinktsicherem Bekenntnis, nicht aus kalter 276 « Überlegung"
(So zitiert aus dem Abschnitt "Wirtschaftslehren des Nationalsozialismus"
eines Lehrbuches für Volkswirtschaftslehre). Und schließlich sei noch F. Nonnenbruch zitiert, dessen Buch "Dynamische Wirtschaft" 1936 im Parteiverlag der NSDAP erschien und in dem der Marxismus-Leninismus mit abstrusen Phrasen "erledigt" wird und das vor allem dazu dienen sollte, die Nichterfüllung des Programms der NSDAP zu bemänteln. So heißt es bei Ncamenbruch: "Wer sich in den Materialismus hineinbegibt, kommt darin u m . . . " . "Die Wirtschaft kann gar nicht in materieller Weise zum Volk hinabgebogen werden. Eine Wirtschaft, die aus Experimenten der Regierung besteht, Schwebt immer so über dem Volke, wie es der Kapitalismus getan h a t . . . " "Die bolschewistische Nervosität, nun auf jeden Fall experimentierend in die Wirtschaft eingreifen zu müssen, fehlt dem Nationalsozialismus. Er ist so ruhig und überlegt-überlegen, wie der Glaube des Volkes 99
an ihm stark i s t . . . " "Das Bauschen der Hakenkreuzfahnen ist der Flügelschlag der Zukunft. . " G e g e n ü b e r der Ehre ist die Wirtschaft ohne Bedeutung", und so weiter, und so » _
277
fort. Man kann mit Becht einwenden, daß die zitierten Stellen keine Belege für die typische Geisteshaltung der deutschen Ökonomen jener Zeit sind. Hier sollte allerdings auch nur das Extrem jenes Verhaltens bestimmter Gruppen deutlich gemacht werden, die sich mit amtlicher Unterstützung anmaßen durften, Beiträge zur Wirtschaftslehre zu leisten. Und es darf nicht unbeachtet gelassen werden, daß auch namhafte bürgerliche Ökonomen bereit waren, die Theorie auf dem faschistischen Altar zu opfern. So hat z.B. Gottl-Ottlilienfeld Uber die Bedeutungslosigkeit der Theorie eine ähnliche Auffassung vertreten. Er wies 1937 darauf hin, daß es "glückliche Versuche" gäbe, eine besondere deutsche Wirtschaftswissenschaft, eine Spezialtheorie vom deutschen Wirtschaftsleben, zu schaffen. Allerdings sei für die Praxis der Männer des "Dritten Beiches" keine Theorie nötig: "Davon kann freilich keine Bede sein, als ob Theorie nötig wäre für jene gewaltige Flut an schöpferischer Tat, von der seit 1933 das deutsche Wirtschaftsleben von Grund auf erneuert wird. Dazu verknüpft sich mit einer überlegenen Lebenspraxis in Wirtschaft etwas ganz Einzigartiges: das Köstliche jener schöpferischen Eingebung, wie sie aus einem 278neuen Lebensgefühl quillt, das selber aufbricht aus einer sieghaft neuen Weltanschauung." Die Veränderungen in der Wirtschaft, die aller Theorie vorausgeeilt seien, würden schließlich von selbst ihre entsprechende Theorie erhalten: "Jenes Schritthalten aber mit einer Wirtschaftspolitik ganz großen Zuges, durch die der Staat, als Sachwalter des Volkes, die Wirtschaft zur Dienerin am etwas Volke weltanschaulich macht, führt ganz von selbst zu einer 279Theorie, die das Sein der Wirtschaft gleich als Gewolltes erfaßt." Man verwies auch auf das faschistische Italien und stellte fest, daß der italienische 280 Faschismus kein eigenes wirtschaftstheoretisches System habe. Es ist eine bezeichnende Tatsache, daß in Deutschland der Theoretiker in Fragen der praktischen Wirtschaftspolitik kaum konsultiert worden ist. Die Abwendung mancher Praktiker von der Theorie ist manchmal geradezu demonstrativ. Wenn Th. Bühler in seinem Buch "Deutsche Sozialwirt281
schaft"
die Verbindung zwischen Sozialpolitik und Volkswirtschaft aufzeigen will, so
glaubt der Autor, der als Hauptabteilungsleiter im Zentralbüro der Deutschen Arbeitsfront und wissenschaftlicher Generalreferent im Arbeitswissenschaftlichen Institut der DAF zu den berufenen faschistischen Praktikern gehört, auf jedes Eingehen auf die ökonomische Theorie verzichten z« können. Bühler behandelt so diffizile Fragen wie Lohn und Preis, Verteilungs- und Konjunkturpolitik in der Manier eines Mannes, der davon überzeugt ist, daß keine von bürgerlichen Gelehrten ausgeklügelte Produktionskostentheorie und keine 100
von reformistischen Gewerkschaften erfundene Kaufkrafttheorie in die faschistische Lohnpolitik dreinzureden habe oder als autoritative Äußerung zitierenswert wäre. Im wirtschaftlichen Leben war der Rat der Wissenschaft nach 1933 eher unerwünscht als gefragt. So hat Schacht einmal bezeichnende "FUhrerworte" auf den Handel bezogen: "Der Handel ist am wenigsten geeignet, nach dogmatischen Systemen und Theorien betrieben werden zu können. Niemand stimmt deshalb den Worten des Führers, die er vor wenigen Tagen sprach, freudiger zu als der praktische Kaufmann: 'Wir wissen ganz genau, daß wir an keiner Stelle die Initiative der Persönlichkeit hemmen dUrfen' und 'wir wollen uns hUten vor irgendeiner Doktrin'. Es kommt in der praktischen Wirtschaft niemals auf Doktrinen an, sondern auf die nüchterne Erkenntnis dessen, was ist und was dem Sozialismus * »282 dient." Schacht hatte sich allerdings auch gegen den Nonnenbruchachen Dilettantismus verwahrt, der in dem Parteiorgan "Völkischer Beobachter" Orgien feierte. Er drückte die Einsicht in die Notwendigkeit aus, daß man auch im "Dritten Reich" ohne ein gewisses Maß von wirtschaftspolitischem Realismus nicht auskommen könne, wenn man die Aufrüstung vorantreiben wolle, als er in einer Rede anläßlich der Eröffnung der Känigsberger Messe im Jahre 1935 sagte: "Wessen Herz würde nicht höher schlagen, wenn er Sätze liest wie diese: Die Fahne ist mehr als ein Bankkonto, oder: Das Volk ist das Primäre, nicht die Wirtschaft. Solche Sätze sind entwaffnend richtig, aber was soll der Wirtschaftspolitiker damit für seine praktische Arbeit anfangen? . . . Über den Einst unserer deutschen Aufgabe mit billigen
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Redensarten hinwegzugleiten, hat nicht nur keinen Sinn, sondern ist verdammt gefährlich." Bitter müssen sich die Gelehrten Uber die Abwertung der Wirtschaftswissenschaft beklagen. G. Albrecht spricht 1935 in einer Rezension van den "oft hemmungslosen Angriffen einer jungen Generation gegen alles was Wirtschaft, so wie sie ist, und Wirtschaftswissenschaft, so wie sie überliefert wurde...". Einige seien von "Tagesschlagworten geblendet und meist ohne ausreichenden Einblick in die tatsächlich geleistete wissenschaftliche Arbeit zur Deutung und Erklärung des Wirtschaftslebens und seiner Entwicklung seit Mitte des 18. Jahrhunderts bis an die Schwelle der Gegenwart, (und lassen) laut und hemmungslos ihren Ruf zur Abkehr von allem, was gewesen ist, oder was vor ihnen war, ertönen." Die Einschätzung der eingeführten Neuerungen 284 durch die Wissenschaft sei eine Leistung, die im Augenblick nicht allzu begehrt sei. Diese Atmosphäre, dazu der durch die Gleichschaltungskampagne eingetretene Substanzverlust an Denkern und die Reglementierung der geistigen Arbeit brachten, wie wir noch sehen werden, ein Absinken des Niveaus der deutschen Vulgärökonomie mit sich. Der Niveauverlust machte sich auch auf den internationalen Konferenzen bemerkbar. Zur Tagung des Internationalen Konjunkturinstituts, die im September 1938 im französischen
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Pantigny stattfand, schreibt F. Somary: "In einer Ecke saßen die beiden deutschen Delegierten vom Weltwirtschaftsinstitut in Kiel, dem seit dem Ableben von Harms und der 285 Exilierung der besten Mitarbeiter der Geist ausgeblasen w a r . " Der klägliche Zustand der bürgerlichen deutschen Wirtschafts lehre mußte zwangsläufig den Katzenjammer Uber die prekäre Lage in dem Maße verstärken, wie das neue Regime sich einigermaßen sicher im Sattel fühlen durfte und wo die wirtschaftlichen Tagesaufgaben die Misere immer deutlicher ans Licht brachten. Es mehren sich daher bald wieder die Stimmen, die das Klagelied Uber die "Krise der Nationalökonomie" fortsetzen. So beklagte G. Weisser den Umstand, daß die deutsche Wirtschaftspolitik nicht Uber eine Beamtenschaft verfügt, die durch ein geeignetes Ökonomiestudium genügend vorgebildet ist: "Die unselige Entwicklung, die unser Fach in allen seinen innerwissenschaftlichen Bichtungen genommen hat, das nicht minder unselige Juristenmonopol fUr fast alle in Betracht kommenden Stellen der öffentlichen Verwaltung, die durch diese beiden Übel verschuldete völlige Entfremdung von Forschung und Praxis (wirtschaftspolitischer Praxis!), nicht zuletzt natürlich die Neuartigkeit der Lage in sachlicher und seelischer Hinsicht haben dieses Uberaus ernstzunehmende Faktum geschaffen. Der Schaden, den die wirtschaftspolitische Praxis und damit das deutsche Volk nehmen muß, wenn die Stimme der Wirt-286 schaftsforschung weiterhin stumm bleibt oder nicht vernommen wird, ist unabsehbar." Die Auseinandersetzung über den Zustand der Wirtschaftswissenschaft wurde in verschiedener Form geführt, so auf dem Gebiet der Erkenntnistheorie und hier vor allem unter Anlehnung an den Neukantianismus, in Form des Streits zwischen einzelnen Schulen, hier vor allem in der Polemik zwischen der Grenznutzenschule und allen Gruppen, die das Erbe der Historischen Schule angetreten hatten, sehr oft in einer eigenartigen Fortsetzung des Methodenstreits Uber den Primat der Abstraktion oder der Empirie, Uber reine oder formale Theorie und Wirtschaftspolitik. So konstatiert H. Streller 1937: "Die Krisis in der theoretischen Nationalökonomie, von der seit etwa fünfundzwanzig Jahren gesprochen wird, ist heute in Deutschland in das entscheidende Stadium getreten. Es geht ohne Zweifel nunmehr um Sein oder Nicht-Sein der Theorie Uberhaupt. Die Gründe hierfür liegen zunächst darin, daß die überkommene 287 klassische ebenso wie die Grenznutzentheorie nicht mehr befriedigt." R. Streller warnt vor der Negierung der Theorie und meint gleichzeitig, daß die Ökonomie einen Weg einschlug, der einer Suche nach einem Theorieersatz entsprach: "In Deutschland, wo die theoretische Forschung immer ein Stiefkind der Volkswirtschaftslehre gewesen ist, ist man nur zu leicht geneigt, anzunehmen, daß die Theorie grundsätzlich nicht in der Lage sei, wirklich wichtige Probleme zu lösen. Man übersieht dabei aber, daß der Verzicht auf theoretische Forschung der beschreibenden Volkswirtschaftslehre jeden Halt nimmt. 102
Das wird auch von Theoriegegnern dadurch anerkannt, daß sie sich in der Regel einen 'Theorieersatz' in der Rechtswissenschaft suchen. Die Angliederung der Volkswirtschaftslehre an die Rechtswissenschaft ist einerseits ein Beweis für das Versagen der bisherigen 288
theoretischen Forschung, andererseits aber für die Unentbehrlichkeit der Theorie." Die "Anlehnung" der politischen Ökonomie an die Rechtswissenschaft war auf die Evolution der Historischen Schule zurückzuführen, von der sich schließlich die Sozialrechtliche oder Sozialorganische Richtung unterschied und von der noch die Rede sein wird. Betrachten wir das Schicksal der Historischen Schule, die um die Jahrhundertwende die ökonomischen Lehrstühle in Deutschland beherrschte, dann stellen wir fUr die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts fest, daß sie sich in der Auflösung befand und allenfalls modifiziert in den Stufen- und Stillehren, in der Gottischen Gebildelehre oder aber in der erwähnten Sozialrechtliohen Richtung weiterlebte. Schließlich sollen im nächsten Kapitel auch noch andere ökonomische Lehren betrachtet werden, die zur damaligen Zeit eine Rolle spielten.
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V. Das Schicksal einiger Schulen und Richtungen
Ohne Zweifel hat es in Deutschland kaum eine ökonomische Lehre gegeben, die ein derart zähes Leben hatte wie die Historische Schule. Freilich war ihre Zersetzung unaufhaltsam. Der Historischen Schule ist von ihren Gegnern mit Recht der Vorwurf gemacht worden, dafi sie die geschichtliche Betrachtungsweise unter Ignorierung der theoretischen Forschungsmethode simplifizierte. Ihre Verteidiger haben sich gegen den Vorwurf der Vernachlässigung der Theorie gewehrt und schließlich behauptet, daß sie die abstrakt-theoretische Forschung keinesfalls unterschätzten, sondern nur vor vorzeitiger Generalisierung warnen möchten und für detaillierte Spezialforschung als Grundlage exakter Verallgemeinerung einträten. Den Beweis dafür, daß ihre deskriptive Forschung architektonisch berechnete Bausteine einer theoretischen Lehre seien, hat sie allerdings nicht bringen können, well sich das empirisch 'gewonnene Material nicht zu einem Theoriengebäude zusammenfügte. Ursache dieses Versagens ist ihre vulgärhistorische Grundkonzeption gewesen, die eine wirkliche Erkenntnis der historischen Entwicklung und des Zusammenhangs des kapitalistischen Systems nicht gestattete. Von der Historischen Schule selbst sind mehrere Vorstöße zur Theoretisierung der eigenen Lehre unternommen worden, so z.B. von G. Schmoller, indem er eine Analyse der Daten versuchte, mit denen die theoretisch orientierte bürgerliche polltische Ökonomie operierte, so von W. Sombart, der, nicht allein, eine Synthese zwischen historischer und abstrakt-theoretischer Forschung erreichen wollte, so von zahlreichen Stil- und Stufenkonstrukteuren, sowie durch Gottl-Ottlilienfeld, der eine Gebildelehre offerierte, die eine ontologisch orientierte Theorie sein sollte. Die Historische Schule war schließlich durch so viele Zugeständnisse an ihre Kritiker durch Rücknahmen von Positionen, die sie einmal, zur Zeit des Methodenstreits vor der Jahrhundertwende, behauptet hatte, derartig zersetzt, daß sie in den dreißiger Jahren kaum noch als existente Schule angesehen werden konnte. Es muß überhaupt mit Nachdruck betont werden, daß die Lehrauffassung, die unter der Bezeichnung "Historische Schule" eine Methode ökonomischen Forschens offerierte, kein geschlossenes Lehrsystem hervorbrachte. Das ist auch von L. Mlses, dessen Urteilen man im übrigen nicht immer folgen darf, zu einer Zeit ausgesprochen worden, die am Beginn der von uns untersuchten Epoche steht. So schreibt Mlses durchaus richtig über die Systemlosigkeit der Historischen Schule: 105
"Wer den Versuch unternommen bat, die Lehren des Historismus geschlossen darzustellen, hat wohl in der Regel die Unmöglichkeit, die Auffassung des Historismus systematisch auszubauen, an irgendeiner Stelle seines Lehrgebäudes erkennen lassen müssen. Doch die Bedeutung des Historismus liegt nicht in den durchaus mißglückten Versuchen, ihn als geschlossene Lehre vorzutragen. Er ist in seinem Wesen nach nicht System, sondern Ablehnung und grundsätzliche Verneinung der Möglichkeit, ein System zu bilden. Er lebt und wirkt nicht im Gesamtaufbau eines Gedankengefüges, sondern in kritischen Apercus, in den Begründungen wirtschafts- und sozialpolitischer Programme und zwischen den Zeilen 289 geschichtlicher, beschreibender und statistischer Darstellungen." Die Würdigung der Historischen Schule im faschistischen Deutschland fällt allgemein wesentlich positiver aus als in dem abwertenden Urteil von L. Mises. Vor allem die Ethisierung der Volkswirtschaftslehre, die zahlreiche Historikerschüler gefordert hatten, kam den Ambitionen der Faschisten und einer sozialdemagogischen und politisierten Lehre entgegen. Zudem boten die auf einer Darstellung nationaler Wirtschaften beruhenden Schriften einen idealen Anknüpfungspunkt an die geforderte "völkische Lehre". Mises hat in der Zeit zwischen 1933 und 1940 die negativste Kritik geübt, die später erst durch W. Eucken fortgesetzt wurde. Er suchte in seinem Buch "Grundprobleme der Nationalökonomie" einen Schlag gegen den Historismus zu führen und ihm seine Auffassung der Nationalökonomie als einer apriorischen Gesetzeswissenschaft vom menschlichen Handeln gegenüberzustellen. Er hält einen konsequenten Historismus in der Nationalökonomie für unmöglich, da jede auf Erfahrung beruhende und von ihr ausgehende Geschichtsschreibung ein bestimmtes Maß an apriorischer allgemeingültiger Erkenntnis des menschlichen Handelns notwendig voraussetze. Eine Beobachtung und Beschreibung der Wirtschaft sei ohne Theorie absurd. Es gäbe ferner, so meint Mises, keine Theorie aus der Geschichte. Das Bestreben, aus dem geschichtlichen Material empirische Gesetze, geschichtliche Theorien zu gewinnen, sei unbedingt zum Scheitern verurteilt, da den durch Erfahrung gewonnenen Sätzen Allgemeingültigkeit und reale Zukunftsgültigkeit fehlen müßte, weil sich alle Geschichtserkenntnis ihrem Wesen nach nur auf die Vergangenheit beziehen könne. Wenn man die Aussagen, die aus der geschichtlichen Erfahrung resultieren, als Gesetze bezeichnet, so seien diese von den Gesetzen der Nationalökonomie grundlegend verschieden und könnten keinesfalls mit Naturgesetzen identifiziert werden. Es fehle die Möglichkeit, sie auf experimentellem Wege zu gewinnen. Außerdem seien die wichtigsten Faktoren des menschlichen Handelns nicht durch konstante Zahlenverhältnisse auszudrücken. Man könne die historische Realität nicht nur tatsächlich wegen ihrer Kompliziertheit und Mannigfaltigkeit nicht in Gesetzen verallgemeinern, sondern grundsätzlich nicht wegen der unfaßbaren Wirksamkeit wichtiger historischer Faktoren. Das Verhältnis zwischen Theorie und Ge106
schichte sei vielmehr dergestalt, daß die Wirtschaftsgeschichte die apriorischen Erkenntnisse der Nationalökonomie voraussetze und sie als Erkenntnismittel verwende, um Kenntnisse van der historischen Wirklichkeit der Wirtschaft zu erlangen, die sie dann beschreibend und restimierend darlegt, aber ohne sie als Gesetze zu fixieren. Die Misessche Kritik mag als Beispiel dafür dienen, wie man die Problematik verkennen kann. Mises unterschätzt die Bedeutung des Historismus in der politischen Ökonomie; denn die historische Forschungsmethode ist eine notwendige und wissenschaftlich legitime Ver fahrensweise. Die Tatsache, daß die Wirtschaftswissenschaften nicht ohne Theorie und allgemeingültige Erkenntnisse auskommen, schließt diese Feststellung nicht aus. Dje Meinung von Mises, daß die Theorie nicht aus der geschichtlichen Analyse abzuleiten sei, steht im krassen Gegensatz zur wissenschaftlichen Wahrheit, da alle Verallgemeinerung, die die Menschen vornehmen, auf der Erfahrung beruhen, die diese aus der Praxis des täglichen Lebens gewinnen. Diese Praxis, die zur Vergangenheit geworden, ist die Grundlage geschichtlicher Erkenntnis. Das trifft auch auf die politische Ökonomie zu, da auch ihre Verallgemeinerungen Resultat historischer Analysen sind. Für Mises sind historische Fakten, ihre Gesetzmäßigkeiten sowie die menschlichen Handlungen nicht beweisbar und nicht quantifizierbar. Er redet damit einem extremen Agnostizismus das Wort, dessen Wirklichkeitsfremdheit kaum noch zu steigern ist. Der vulgäre Historismus wurde damit aus vollkommen falscher Frontstellung angegriffen. Nicht der Historismus an sich ist unwissenschaftlich, sondern seine Vulgarisierung. Es ist allerdings zu vermerken, daß die eigenartige Kritik von Mises in den dreißiger Jahren ein Extremfall ist. Später kommt es in der hier behandelten Periode kaum noch zu derartig weitgehenden Verurteilungen des Historismus, wenn es auch vereinzelt zu Forderungen kommt, sich Uber die Enge der Historischen Schule hinwegzusetzen. So schreibt z.B. Predöhl, daß es gelte, "den Blick von den engräumigen historischen auf die weiträumigen systematischen Zusammenhänge zu lenken und damit die historische Schule auch 290
vom Material her zu überwinden". Einer der bürgerlichen Kritiker der Historischen Schule, von dem an anderer Stelle noch die Rede sein wird, hat in seinen letzten Lebenstagen die Sterilität der Historischen Schule und einige ursächliche Aspekte ihres Ausklangs dargestellt. So wies W. Eucken darauf hin, daß die Historische Schule mit ihrer Grundhaltung ("Beschreibung von Einzelheiten, Vermeidung grundsätzlicher Entscheidungen, wirtschafts- und sozialpolitische Eingriffe vcm Fall zu Fall, Vertrauen auf die notwendige geschichtliche Entwicklung"), die das Denken und Handeln von Generationen in Deutschland bestimmt habe, noch für einige Zeit weiter lebte, aber bald nicht mehr beherrschend sei: Andere Ökonomen hätten inzwischen eine Wendung vollzogen, die die Bedeutung der Historischen Schule zurücktreten 107
ließ: "Diese Wendung wurde teilweise durch die großen historischen Ereignisse selbst verursacht. Der erste Weltkrieg und vor allem die Inflation stellten Probleme, welche die Historische Schule zu lösen außerstande war. Zwar hatte sie z.B. viele Beschreibungen geldgeschichtlicher Art gegeben; es waren auch Darstellungen früherer Inflationen, etwa des amerikanischen Bürgerkrieges oder der französischen Revolution vorhanden. Aber es fehlte der theoretische Apparat, durch dessen Anwendung es gelingt, die Zusammenhänge der Fakten zu erklären. So war es kein Zufall, daß man die erste Inflation nicht verstand, den Verfall der Währung falsch erklärte und nicht fähig war, mit dem Problem rechtzeitig fertig zu werden. Die Wirklichkeit gab Probleme auf, die mit den Mitteln der damaligen Wissenschaft nicht bewältigt werden konnten. Es waren nicht bloß die Probleme des Geldes, die hierher gehörten, sondern auch der Wirtschaftsordnung Uberhaupt, wie sie durch die Aus291 breitung der Kartells, die Sozialisierung usw. entstanden." Die Aussage von 1950 durch W. Eucken wurde hier zitiert, well Eucken Ende der dreißiger Jahre selbst einen Vorstoß zur Überwindung der schmalen Erkenntnisgrundlagen der Historischen Schule unternommen hatte, der in der bürgerlichen Literatur beachtet wurde . Aus dem Zitat ist eines der Motive Euckens zu erkennen, weshalb er ausgezogen war, die ökonomische Lehre zu revidieren. Daß sein eigenes Unternehmen fehlschlug, steht auf einem anderen Blatt, aber die vorliegende Charakterisierung der deutschen Volkswirtschaftslehre, die jahrzehntelang durch die Historische Schule beherrscht war, macht die damalige Situation annähernd deutlich. Die Euckensche Kritik an der Historischen Schule zeigt allerdings nur einige Aspekte ihres "Versagens" auf. Auf die Klassenbasis, die der Historischen Schule zugrunde lag, geht Eucken nicht ein. Eine kritische Analyse des vulgären Historismus mUßte zeigen, wie die Thesen, die die Historische Schule vertrat, deshalb aufgegeben wurden, weil große wirtschaftliche und politische Erschütterungen nicht nur Zweifel an dem Instrumentarium der Schule hervorriefen, sondern auch ihre ursprüngliche Klassengrundlage, das Bündnis i zwischen Junkertum und Bourgeoisie, die Mischung von feudalen und kapitalistischen Verhältnissen, untergruben. Die eigentliche Auseinandersetzung mit der Historischen Schule hatte sich bereits in den zwanziger Jahren auf einige ihrer Früchte konzentriert, die sogenannten System-, Stil- oder Stufenlehren. Da sie auch in den dreißiger Jahren eine Bolle spielten, müssen wir uns zunächst mit ihnen beschäftigen. Mit der Lehre von den Wirtschaftsstufen und der mit ihnen eng verwandten Lehre von den Wirtschaftsstilen versuchten einige bürgerliche Ökonomen, den Mangel an theoretischer Geschlossenheit ihres Systems zu überwinden. Ferner sollte mit ihrer Hilfe den Gesetzmäßigkeiten des ökonomischen Entwicklungsprozesses nachgegangen werden können. 108
Die Lehre van den verschiedenen Stadien der wirtschaftlichen Entwicklung war in Deutschland im wesentlichen eine Frucht der Historischen Schule. Friedrich List, der in mancher Beziehung als einer der Vorläufer der Historischen Schule bezeichnet werden darf, hatte in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine Lehre vcn fünf Wirtschaftsstufen benutzt, um seine "Theorie von den produktiven Kräften" zu fundieren. E r setzte den Volkswirtschaften das Ziel, mit Hilfe des Staates von primitiveren Entwicklungsstadien zu einer Wirtschaftsstufe zu gelangen, in der Ackerbau mit Handel und Gewerbe organisch miteinander verbunden sind. List hat den späteren Stufentheoretikern, die seine Ansicht modifizierten bzw. gegen ihn polemisierten, einen wichtigen Anknüpfungspunkt gegeben. Das Wesen der Stufentheorien von List und anderen bürgerlichen Autoren bestand darin, daß sie eine ökonomische Entwicklungslehre darstellten, die das entscheidende Kriterium der ökonomischen Entwicklung, den Charakter der Produktionsverhältnisse, ignorierten. Hat sich auch in den späteren Lehren von Wirtschaftsstufen, -Stadien, -Stilen oder -Ordnungen das dargestellte
Schema der Wirtschaftsentwicklung verändert, so blieb die Leugnung der Bedeutung der Produktionsverhältnisse für die Lehre von der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft ihr Ubereinstimmender Wesenszug. Mit der Entwicklung des historischen Materialismus haben die bürgerlichen Entwicklungsschemata noch wesentlich an Bedeutung zugenommen, da sie vcm ihren Schöpfern, oft in direkter Polemik gegen Karl Marx, als wirkungsvolle Waffe gegen die marxistische Lehre von den sozialökonomischen Formationen angesehen wurden. Die Uneinheitlichkeit des Standpunktes in der konkreten Fassung ihres Antimarxismus entspricht durchaus dem eklektischen Charakter der Historischen Schule und findet in der Divergenz zu anderen theoretischen Problemen ihre Parallele. Der Streit um die Formulierung und Interpretation der Stufenlehre innerhalb der Historischen Schule stellt nur ein Ringen um die brauchbarste Waffe gegen den historischen Materialismus dar. K. Bücher hatte z.B. seiner Wirtschaftsstufentheorie die Erweiterung der Tauschbeziehungen als Kriterien zugrunde gelegt, und seine Grundstufen "geschlossene Hauswirtschaft Stadtwirtschaft, Volkswirtschaft" sollten deutlich machen, daß die örtlichen Entfernungen 292 vom Produzenten zum Konsumenten eine fortschreitende Tendenz aufwiesen. G. Schmoller gelangte zu einer ähnlichen Konstruktion, betonte jedoch, daß die Stufe eine Einheit der Gebilde darstelle und bezog neben der jeweiligen Technik auch die "Blutsund geistige Einheit", Rasse, Recht, Moral, Religion, politische und ökonomische Institu293 tionen mit ein. B. Harms schließlich hat, an Bücher anknüpfend, die Typen "Privatwirtschaft, Volks294 Wirtschaft, Weltwirtschaft" konstruiert. W. Sombart trat der Harmsschen Typenlehre mit einer Kritik entgegen, die auf die Behauptung hinauslief, daß Volkswirtschaft und Welt295 Wirtschaft fiktive Einheiten wären. Sombart selbst hatte erklärt, daß Geist, Organisation 109
und Technik die drei notwendigen und bezeichnenden Elemente jedes Wirtschaftsgebildes seien. Zu Anfang der dreißiger Jahre wirkten von allen Stufen- und Stillehren die des Historikerschmers W. Sombart am stärksten nach. Sombart hatte seine Stufenlehre dazu verwandt, dem Begriff "Kapitalismus" eine Deutung zu geben, die in seinem bürgerlichen Standpunkt akzeptabel und nützlich erschien. Nachdem er einige Zeit nach der üblichen Manier der Historischen Schule den Entwicklungsweg des Kapitalismus mit den Mitteln der rein empirischen Tatsachenforschung verfolgt hatte, verband er seine Aussagen über den Kapitalismus später mit einigen Thesen der bürgerlichen Erkenntnistheorie. Man darf sicher diese Sombartsche Umorientierung unter anderem auch auf den Einfluß M. Webers zurückführen, den dieser zweifellos auf ihn ausgeübt hat. In einem seiner Hauptwerke, das den Titel "Die drei Nationalökonomien" trägt und das 1930 erschien, hatte Sombart seinen Lesern sogenannte "Stilzusammenhänge (neben anderen Zusammenhängen, wie "Zweckzusammenhang" und "Beziehungszusammenhang") vorgestellt und die Stilvorstellung zu seiner Haupt296 arbeitsidee erklärt.
Er interpretierte den Stilzusammenhang als eine "Uberindividuelle
geistige Realität", dem eine ausstrahlungsfähige Sinnstruktur eigen sei und der bestimmte Handlungen beeinflusse. Sombart, der mit seinen wirtschaftshistorischen empirischen Forschungen immerhin einige Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Kapitalismus zu geben vermocht hatte, konstruiert hier aus pragmatischen erkenntnistheoretischen Erwägungen unter Negierung jeder wissenschaftlichen historischen Forschung einen Begriff, dessen inhaltliches Hauptmoment die Nichtnachweisbarkeit eines Zweckes ist. Verschiedene historische Sachverhalte (wie z.B. "das Berliner Verkehrswesen", "ein schwarzer Tag an der Börse", "die Kriegswirtschaft" usw.) werden von ihm in die gleiche Gattung hineingezwängt. Eine derartige, auf falschen Prämissen aufgebaute Typologie mußte zwangsläufig zu einer chaotischen "Ordnung" der Begriffswelt führen. Sombart reihte nach rein formalen, wissenschaftlich unzulässigen Gesichtspunkten verschiedene Wirtschaftssysteme nebeneinander und zog das Wiedererstarken alter, verfallener Wirtschaftssysteme rein formal, also ohne Berücksichtigung der modifizierten historischen Umstände, in Erwägung. K. Pintschovius, ein Verteidiger der Sombartschen Stillehre, hat in der Vermengung verschiedener, unvergleichbarer Wirtschaftssysteme die Ursache einer geringen Wirksamkeit gesehen: "Daß Sombarts gestalttheoretische Absichten im allgemeinen so wenig Eindruck gemacht haben und der Kritik kaum zu Bewußtsein gekommen sind, dürfte zu einem gut Teil in dieser Unscharfe seinen Grund haben. Hätte er nicht das Bild des Kapitalismus mit dem Bild der vorstrukturellen Wirtschaftssysteme belastet, so wäre die wahre Eigenschaft seiner Gedankenwelt sicherlich besser zur Geltung gekommen. Die handwerkliche Arbeitsweise unter derselben Gebildekategorie zu sehen wie den Kapitalismus widerstrebte zu 110
sehr. Da war es eine natürliche Folge, daß der Gebildebegriff selbst nicht durchdrang."
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Danach wäre der Ahistorismus in der Sombartschen Stillehre die Ursache ihres Mißerfolges. Tatsächlich muß man mit einer gewaltsamen, die wirklichen Kriterien der Produktionsweise negierenden Katalogisierung von Gesellschaftsformationen letztlich zu einer totalen Aufgabe des Historismus gelangen. Es ist eine der bemerkenswertesten Erscheinungen in der Entwicklung der Historischen Schule, daß ihr Vulgarismus und ihre idealistische, pseudotheoretische Konzeption schließlich zu einer völligen Vergewaltigung des Historismus hinführen. Das Neue besteht in der Aufgabe des Evolutionsgedankens durch Sombart, dem andere, wie Spiethoff, auf diesem Weg folgen. Die Stufenlehren von F. List, K. Bücher u . a . lag der Gedanke zugrunde, daß sich die Gesellschaft von niederen zu höheren Stufen entwickle. Bei F. List lief die Entwicklung vom "wilden Zustand" Uber mehrere Stadien zum "Agrikultur-Manufaktur-Handelsstand", bei B. Hildebrand von der "Naturalwirtschaft" über die "Geldwirtschaft" bis zur "Kreditwirtschaft", bei K. Bücher von der "Geschlossenen Hauswirtschaft" Uber die "Stadtwirtsch^ft" zur "Volkswirtschaft" usw. Bei W. Sombart dagegen wird die Entwicklung dadurch geleugnet, daß seine "Wirtschaftssysteme" auf überzeitlichen Kriterien basieren. In A. MUller-Armack hatte W. Sombart einen treuen Gefolgsmann gefunden. MUllerArmack meint, daß Sombarts Stilbetrachtung die Gebrechen der früheren Stufenlehren überwunden habe und daß sie über den Vorwurf unzulässiger Verallgemeinerung erhaben 298 299 sei.
Wie Sombart
hältereinen, die ökonomischen Verhältnisse unterwerfenden Geist,
eine herrschende Wirtschaftsidee, für den eigentlichen Träger der spezifischen Eigenart temporär bestimmter Ökonomik. Müller-Armack ist der Meinung, daß der Entwicklungsgedanke im Stilbegriff keinen Platz habe und läßt daher eine Würdigung des Entwicklungsgedankens fast völlig außer Betracht. A. Spiethoff gilt als der Begründer des Wirtschaftsstilbegriffs.
Spiethoff erkannte
zwar Sombarts Grundgedanken im großen und ganzen an, ersetzte aber den Begriff des Wirtschaftssystems durch den des Wirtschaftsstils. Er meinte, daß der Wirtschaftsstil einer Epoche nicht mit Hilfe des Weberschen Idealtypus gewonnen werden könne, da die einheitlichen Gedankengebilde in der Wirklichkeit nirgendwo empirisch vorfindbar seien. Spiethoff gab vor, nicht mit nichtexistenten Einzelerscheinungen zu operieren, sondern das Wesen der geschichtlichen Wirklichkeit zu fixieren. 301 Spiethoffs Stilauffassung hat die Meinungen und Diskussionen über diese Problematik nachhaltig beeinflußt. Für mindestens sieben Jahre - 1940 erscheint Euckens Variante gilt seine Stillehre als die weitverbreitetste Konzeption in der deutschen bürgerlichen Ökonomie. 111
Natürlich hat es daneben noch andere Varianten gegeben, die allerdings nicht die Breitenwirkung der Sombartschen und Spiethoffschen Konstruktionen erreichten. So hat W. Mitscherlich seine Stufenlehre, die er 1924 vorlegte, noch in den dreißiger und vierziger Jahren vertreten. Auch W. Mitscherlich lehnt die entwicklungsmäßige Aufeinanderfolge verschiedener Stufen ab und behauptet, daß jede Epoche eine eigene Entwicklung und Verfall 302 aufzuweisen habe, ohne daß das eine seine Quelle in dem anderen habe. Mitscherlich wollte gleichfalls mit seiner Stufenlehre die methodologische Trennung zwischen Theorie 303 und Geschichte aufheben. Bereits 1936 hatte er in einem Buch seine Auffassung von der 304 temporären Reaktivität der Wirtschaftslehre dargelegt. Die Erkenntnismöglichkeit befindet sich nach seiner Meinung in Abhängigkeit von konstanten und variablen Faktoren, von denen letztere gerade in der Gesellschaftswissenschaft überragende Bedeutung haben. Um diese Faktoren deutlich zu machen, teilt er die Entwicklung der Wirtschaft in drei Stadien ein: in das der "geordneten" Wirtschaft (mit starken Resten der mittelalterlichen Wirtschaft), der "freigeordneten" Wirtschaft (die etwa dem Zeitalter des Liberalismus entspricht) und das der "staatlich sozialgeordneten" Wirtschaft (die Zeit, in der unter Betonung sozialer Gesichtspunkte Ordnung in die Volkswirtschaft gebraucht werde). Mitscherlich ordnet diesen Stadien sogar Ursprungsländer zu, so seien für das erste Frankreich, für das zweite England und fUr das dritte Stadium in erster Linie Deutschland und Italien, in geringerem Maße auch Portugal, USA und Großbritannien Schöpfer des Stadiums. Die "geistige Norm" dieser Stadien seien (in gleicher Reihenfolge) das "Eigenrecht" des Staates, das des Individuums und das "Eigenrecht der Gemeinschaft", das sich gegenüber dem Egoismus des Individuums durch das Ideal der gegenseitigen Verpflichtung auszeichne. Die Gemeinschaftsgebilde sieht Mitscherlich als Produkte schöpferischer Akte an, die keine Entwicklungsstufen darstellen, sondern im Sinne des Pluralismus ihre eigenen Quellen besitzen. Einen gewissen vorläufigen Abschluß erhielt die Stufen- und Stillehre in Deutschland durch W. Eucken, der den Begriffen "Wirtschaftsstufe und -Stil" den Terminus "Wirtschafts305 Ordnung" entgegenstellte. Polemisch vermerkt er: "Die Konstrukteure von Stufen und Stilen Uberblicken die Geschichte der europäischen Wirtschaft oder einzelner Völker und Jahrhunderte, greifen einige Verschiedenartigkeiten heraus, die ihnen auffallen, und gelangen so zu ihren Typen. Dabei gehen sie nicht von derjenigen Frage aus, die allein den Zugang zur wirtschaftlichen Wirklichkeit einer Zeit eröffnet: Der Frage nach dem Ordnungsgefüge der Wirtschaft. Vielmehr fragen sie - viel zu unbestimmt - nach dem 'Weöen' oder nach dem 'Normalen' der wirtschaftlichen Wirklichkeit. Mehr oder weniger zufällig und nicht auf Grund der Frage nach der Wirtschaftsordnung konstruiert, machen die einzelnen Stile das Ordnungsgefüge der Wirtschaft in verschiedenem Grade meist aber gar nicht sicht306 bar." 112
"Mit der Stufen- und Stilbildung vollzieht sich eine übergroße Vereinfachung. Die
einzelnen Epochen sollen in ihrer Wirtschaftsweise 'monistisch' gekennzeichnet werden, während tatsächlich in ihnen regelmäßig Mannigfaltigkeit der Formen herrscht. Man glaubt, durch diese Vereinfachung das Wesen geschichtlicher Wirklichkeit, das hinter den Erscheinungen liege, zu finden. In Wahrheit wird gerade das Wesentliche zum Verschwinden gebracht, und diese Begriffsgebilde werden - um mit M. Weber zu sprechen - 'als ein Prokrustesbett benutzt, in welches die Geschichte hereingezwängt werden s o l l ' . "
307
"Viele Stufen- und Stilbildungen haben dazu verleitet, die wirtschaftlichen Erscheinungen 308
allzu sehr aus der gesamtgeschichtlichen Umgebung abzusondern." Ohne Zweifel hat Eucken hier einige Schwächen der bisherigen Stufen- und Stillehren deutlich gemacht, ohne ihren Hauptmangel, die Negierung der Produktionsverhältnisse, aufzuzeigen. Eucken, der seinen Vorgängern eine zu allgemeine Fragestellung, ein Ignorieren des historischen Gesamtprozesses und Ubergroße Vereinfachung vorwirft, nimmt für sich in Anspruch, völlig neue Wege zu geben. Daß das auf einem Irrtum beruht, ist im 309
Übrigen schon von Stackelberg nachgewiesen worden.
Auch H. Möller konstatiert eine
Übereinstimmung in der Grundauffassung, ist aber gleichzeitig der Meinimg, daß die Euckensche Methode wesentliche Vorteile gegenüber der von Sombart und Spiethoff gebracht habe, da durch sie das idfealtypische Verfahren in vollkommener Reinheit angewendet worden sei. Er meint ferner, daß sie bei der Anwendung der Theorie auf den Alltag fruchtbringenj 310 der sein werde. Die Konzeption, die W. Eucken der von ihm kritisierten entgegenzusetzen hat, läuft darauf hinaus, eine Typenlehre durch eine andere zu ersetzen. Wie der Verfasser schon an anderer Stelle gezeigt hat, ist der Neoliberale Eucken aus pragmatischen Gesichtspunkten 311
zu einer Umgestaltung der Stufen- und Stillehre gekommen. Sein Grundtyp sind die Wirtschaftsordnungen, die durch die Art und Weise, wie die Wirtschaftspläne aufgestellt werden, ihre Gepräge erhalten würden. Die Wirtschaftsordnungen seien zwar gleichfalls vielfältig, 312 hätten aber "gewisse wiederkehrende konstitutive Formen" aufzuweisen, meint Eucken.
So sei die konstitutive Grundform "zentralgeleitete Wirt-
schaft" dadurch gekennzeichnet, daß "die Lenkung des gesamten wirtschaftlichen Alltags eines Gemeinwesens auf Grund der Pläne einer Zentralstelle erfolgt. Setzt sich jedoch die gesellschaftliche Wirtschaft aus zwei oder vielen Einzelwirtschafte)} zusammen, von denen jede Wirtschaftspläne aufstellt und durchführt, so ist das Wirtschaftssystem der Verkehrswirtschaft gegeben." 313 Die Neoliberalen knüpften mit ihren wirtschaftspolitischen Ambitionen an dieses Denkschema an, und zwar in ihrem negativen Urteil Uber die sogenannte "Zentralverwaltungswirtschaft". Während die erstere, so meint Eucken, mit ihren zentralen Wirtschaftsplänen regelmäßig Unsicherheiten in der Bewertung des Planes zu verzeichnen habe und eine voll113
kommene Voraussicht fehle, erfolge in der "Verkehrswirtschaft" eine Koordinierung der "Einzelpläne vieler Wirtschaftsgebilde, Betriebe und Haushalte" durch das Preissystem. So preist Eucken einerseits die "Verkehrswirtschaft" an und stellt der Theorie die Aufgabe, zu zeigen, wie in der Preisbildung die Gesamttendenz der Verkehrswirtschaft erfolgt. Andererseits diffamiert er die sozialistische Planwirtschaft in zweifacher Weise: Er mißt ihr die moralisch-negativen Attribute der "Zentralverwaltungswirtschaft" (der z.B. Machtmißbrauch durch ihre Leiter und Sklaverei und Hörigkeit als charakteristisches Arbeitsverhältnis unterstellt wird) zu, bezeichnet ihre Pläne als unrealistisch und identifiziert sie gleichzeitig mit der faschistischen Zwangswirtschaft. Aus der wissenschaftlich unhaltbaren Vermischung grundlegend verschiedener Produktionsweisen können dann unschwer sowohl "antimonopolistische" als auch antisozialistische Folgerungen abgeleitet werden. In der Euckenschen Variante wird die enge Bezogenheit zu den politischen Absichten ihres neoliberalen Verfassers deutlich. Im Abschnitt Uber den Neoliberalismus kommen wir noch einmal darauf zurück. Hier sollte lediglich auf den Grad der Übereinstimmung der Euckenschen Typenlehre mit den Stufen- und Stillehren hingewiesen werden. Die Euckensche Lehre von den beiden Grundtypen der Wirtschaft krankt in ihrem Wesen an der gleichen Schwäche wie die Lehre von Sombart und Spiethoff; einerseits werden unzulässigerweise willkürliche Bestimmungsmerkmale verwendet, andererseits wird aber das entscheidende Kriterium zur Definition einer Wirtschaftsform, der wirkliche Charakter der Produktionsverhältnisse, geleugnet. Sombart hatte eine Wirtschaftsgesinnung, eine bestimmte Regelung der Wirtschaft und die Technik als Kriterien für die Vielfalt von Wirtschaftssystemen angesehen, was ihn dazu führte, den Kapitalismus aus religiösen Motiven abzuleiten. Spiethoff hatte dieses Schema um einige Merkmale ergänzt und bereits Formen von Wirtschaftsverfassungen formuliert ("Planvolle Lenkung" und "Freie Verfassung"), die sich nachher bei Eucken als die Wirtschaftsordnungen "Zentralgeleitete Wirtschaft" und "Veikehrswirtschaft" wieder314 « finden. Die Stufen- und Stillehre hat sich in der deutschen bürgerlichen Ökonomie, dank der Vorarbeit, die M. Weber durch seine Idealtypus-Konzeptian leistete, durchgesetzt. 1933 war noch von Mises kategorisch jede Verwendung von Kriterien ftir Wirtschaftsformen 315 als unwissenschaftlich zurückgewiesen worden. Mit dieser Ansicht steht Mises schließlich allein, da sich die Lehre als ein Mittel anbot, dem historischen Materialismus eine pseudohistorische Konzeption entgegenzusetzen. Es bleibt zu ergänzen, daß es nicht ausblieb, daß Autoren die Stillehren mit der Ideologie der Hitler-Partei verbanden. Herbert Schack z.B. verknüpft die Fragen Uber das Wesen des Wirtschaftsstiles mit dem Bassismus. Er präsentiert seinen Lesern den "Hassestil" als Bestimmungsfaktor des Wirtschaftsstils. So heißt es im Jargon der Hitlerfaschisten: 114
"Nordisch ist der konstruktive Gestaltungswille des Technikers oder Ingenieurs, nordisch die exakte Kalkulation und Betriebsführung des Kaufmanns oder des Industriellen, nordisch jede unternehmungsweise betriebene Wirtschaft. Die Unternehmung ist der eigentlich nordische Stil der Wirtschaft." 3 1 6 Die Stufen- und Stillehren haben nicht dazu beigetragen, ihre Anhänger in einer gemeinsamen Schule zu vereinen. Trotz einheitlicher Grundkonzeptionen haben ihre Vertreter stark unterschiedliche Varianten vertreten, die es nicht gestatteten, einen einheitlichen Anhängerkreis konkret zu umreißen. Von der Gruppe um F. v. Gottl-Ottlilienfeld kann man das viel eher behaupten. In den bürgerlichen Dogmengeschichten ist diese Gruppe allerdings kaum als "Schule" bezeichnet worden. Der kurze historische Zeitabschnitt, in dem sie wirksam war, die Resonanz, die letzten Endes, vor allem auf internationaler Ebene, doch recht gering war, und schließlich die politische Vergangenheit ihres Hauptes trugen dazu bei, daß die Gottische Gruppe in den modernen bürgerlichen Lehrbüchern selten erwähnt wird, obwohl Gottl jahrzehntelang eine führende Position innehatte. Da, wie die Stufen- und Stillehren die Gottische Gebildelehre als ein Ausfluß der Historischen Schule betrachtet werden muß, werfen wir jetzt einen Blick auf die Gottische Lehre. Zunächst sei ein Zitat vorausgeschickt: "In Gottls Lebenswerk finden wir wirklich einen 'Vorgriff' auf die zukünftige echte Theorie der Volkswirtschaft. Hier ist ein Bemühen um 'eine Theorie' als politischer Wissenschaft deutlich sichtbar. Hier kann man lernen, die alte festgefahrene und unselige Beschränkung der Forderung des Politischen auf die wirtschafts- und sozialpolitischen Notwendigkeiten der Stunde zu überwinden. Hier erfährt man wahrlich, daß politische Wissenschaft, politische Theorie immer da verwirklicht werden, wo das Denken von der Wirklichkeit menschlichen Gemeinschaftsleben, insbesondere des völkischen Lebens ausgeht - und nicht von der Perversion einer auf der Grundvoraussetzung 317
des homo oeconomicus konstituierenden Wirtschaftstheorie." Selten hat ein Ökonom in der Zeit der Hitlerherrschaft ein derartig positives Gesamturteil erhalten. Will man dem Verfasser, Th. Pütz, Glauben schenken, dann hat Gottl den Grundstein fUr die von den Hitlerfaschisten so sehnlich erwartete "völkische Theorie" geliefert. Tatsächlich ist das Zitat kein willkürlich herausgegriffenes Einzelurteil, sondern drückt eine unter den hitlerhörigen Ideologen weitverbreitete Meinung aus. Wegen seiner uneingeschränkten Unterordnung unter die Forderungen der Faschisten konnte Gottl, der nicht so eine "anrüchige" Vergangenheit wie W. Sombart hatte, dessen einstmaliges Liebäugeln mit dem Marxismus und dem Philosemitismus wenig Gnade vor den Faschisten fand, im hohen Lebensalter noch einmal einen Platz behaupten, obwohl er im Kreise der Fachkollegen nicht allzu ernst genommen wurde. Seine Polemik gegen den 115
"Wertwahn" wurde wenig beachtet, und auf der Aussprache des Vereins für Sozialpolitik Uber "Probleme der Wertlehre" im Jahre 1932 hat nicht ein einziger der neunzehn Redner 318 von dem gedruckt vorliegenden Manuskript Gottls zur Wertlehre Kenntnis genommen. Der im Jahre 1868 geborene F. v. Gottl-Ottlilienfeld gehört zu den namhaftesten Autoren, die eine Brücke von der alten, traditionellen deutschen Vulgärökonomie zur jungen Generation im Braunhemd herzustellen suchten. Gottl selbst war Mitglied der NSDAP geworden und machte bereitwillig den faschistischen Propagandarummel mit. Die Lehren der Kameralisten, der älteren und jüngeren Historischen Schule, der Romantik und F. Lists waren es vor allem, die Gottl seinen Schülern als "verpflichtendes geistiges Erbe" ans Herz legte. Von den neueren Adepten der deutschen Ökonomie empfahl er ihnen vorzugsweise M. Weber und W. Sombart zum Studium. Der Kreis, der sich um Gottl versammelte, brachte schließlich nichts anderes zustande, als eine mehr oder weniger mit faschistischer Phraseologie verbrämte Neuauflage der Historischen Schule. Zu diesem Kreis gehörten J . Back, E. Egner, H. Jecht, H. Kretschmar, A. Poeschi, Th. Pütz, K. W. Rath, G. Rittig, H. Sauermann, P. Schroeder, H. Weigmann, G. Weippert, S. Wendt, E. Wis319 kemann und in gewisser Hinsicht auch O. Stein und A. Winter. Bäume riß diese Gruppe von Gottl-Schülern nicht aus, lediglich wenige konnten sich von ihnen auch später in den vorderen Reihen der bürgerlichen Ökonomen placieren. Der Lehrmeister Gottl-Ottlilienfeld, er selbst war ein Schüler des Systematikers der älteren Historischen Schule K. Knies, wurde jahrzehntelang von den Fachkollegen nicht sonderlich beachtet und als Autorität nicht gerade übermäßig ernst genommen. Seine starke Betonung der "völkischen Einheit" der Gesellschaft und seine Betrachtung stabiler Wirtschaft als eine Verwirklichung eines Gebildes, das vom Menschen" im Geiste völkischen Gemeinschaftslebens" gestaltet wird, kam der faschistischen Sozialdemagogie genügend weit genug entgegen, um ihm schließlich das Wohlwollen der Faschisten zu sichern und seinem Kreis Förderung angedeihen zu lassen. Mit seinen Tiraden über die "ewige Wirtschaft", und des "Unwandelbaren an aller Wirtschaft" vermochte Gottl jedoch nur einer einzigen Frage einen Akzent zu verleihen, nämlich der Politisierung der Wirtschaftswissenschaft, nicht aber einen einzigen praktischen Schritt in die Richtung auf die Lösung der Probleme zu tun, die der Bourgeoisie in ökonomischer Hinsicht am Herzen lagen. Die Grundbegriffe vom Leben der Volkswirtschaft seien "schöpferische Begriffe", "Wegweiser des gestaltenden Willens", schreibt Gottl in seinem Buch "Wirtschaft und 320 Wissenschaft".
Das Wissen um die Seinsweise aller echten Wirtschaftsgebilde und ihrer
Lebensnotwendigkeiten sei der Wegweiser, liefere die Normen und die Ziele der Gestaltung des völkischen Gebildes. Der einheitliche Gestaltungsakt vollziehe sich mit verteilten Rollen. Einer seiner glühendsten Bewunderer meint dazu, daß er mit diesen Erkenntnissen 116
"vor allem den In Analogien zur Einzelwirtschaft befangenen Blick befreit hat für die kom321 plexe Erscheinung der Gestaltung zur Volkswirtschaft". Im Zusammenhang mit seiner Aussage über die Gestaltungskräfte betont Gottl die Bolle von Brauch und Sitte in der Wirtschaft, die seine enge Verwandtschaft zu den Sozialrechtlern erkennen lassen. Im Jahre 1934, Gottl-Ottlilienfeld war damals "ordentlicher Professor der Theoretischen Nationalökonomie an der Universität Berlin", beeilte er sich, das "nationalökonomische Denken zu läutern". Er fungierte als Herausgeber der neuen Schriftenreihe "Volkswirtschaftliche Forschungen", die in zwangloser Folge erschienundder das Ziel gestellt wurde, "die Theorie einer lebenswichtigen Wissenschaft, der Nationalökonomie, ihrem Geist und ihrem Aufbau nach von Grund aus zu wandeln". In einer Ankündigung des Verlages heißt es dazu: "Im Gleichschritt mit den rühmlichen Leistungen der Tatsachenforschung in der Nationalökonomie, ihrer Empirie, gilt es, die national ökonomische Theorie überhaupt erst auf die Stufe strenger Wissenschaftlichkeit zu heben... Es sollen die Arbeiten dieser Reihe in geschlossener Phalanx für die wissenschaftliche Bewegung kämpfen, die mit dem Lebenswerk des Herausgebers seit Jahrzehnten im Gange ist. Nachweislich aber geht diese Bewegung innerlich einig mit dem Wirtschaftsdenken des Nationalsozialismus. Dadurch, daß sie dem gewaltigen Werk der nationalsozialistischen Wirtschaftsreform die wissenschaftlichen Grundlagen darzubieten verspricht, erfüllt sie einen Dienst an der 322 deutschen Zukunft." Betrachten wir, wie diese Gruppe ihren "Dienst an der deutschen Zukunft" leistete. Gottl-Ottlilienfeld war der erste Autor der "Volkswirtschaftlichen Forschungen", seine Schrift "Die Läuterung des national ökonomischen Denkens als deutsche Aufgabe" sollte das "Geleitwort der Reihe" darstellen. Gottl bricht hierin den Stab über die bisherige bürgerliche ökonomische Lehre, weil sie nach seiner Meinung eine reine "Geschäftsökonomik" geworden sei und die Verbindung zum Staat verloren habe: "In der Nachfolge von Adam Smith, namentlich als David Ricardo den roten Faden anspann, der heute noch durchzieht, es sich bewas sich als national ökonomische Theorie schlechthin aufspielt, da verstand 323 reits ganz von selber, Uber der Wirtschaft den Staat zu vergessen." Der herrschenden Wissenschaft vom Wirtschaftsleben, einer einseitigen Marktlehre, wäre die Volkswirtschaft unerfaßlich geblieben. Das Deutschland Hitlers heilige aber vor allem die Verantwortung der öffentlichen Gewalt, des Staates. "Was soll dazu eine Wissenschaft", so stellt Gottl den Nutzen der bisherigen Volkswirtschaftslehre in Abrede, "deren herrschende Lehre sich das Wirtschaftsleben theoretisch als ein bloßes Markttreiben konstruiert, für das der 324 Staat eigentlich nur einen Störungsfaktor d a r s t e l l t . . . ?" Es sei daher eine Wende in der theoretischen Grundhaltung der Wissenschaft notwendig. Allerdings sei einst schon zum
117
Stoß gegen die herrschende Lehre ausgeholt worden, nämlich bereits in der Doktorarbeit von Gottl selbst. Seine Polemik gegen die Wertlehre, vierzig Jahre zuvor, ermögliche den Aufbau einer "reiferen Nationalökonomie, die verstanden sein will "als die Erfahrungswis325
senschaft vom Wirtschaftsleben aller Zeiten und Völker".
Das Wichtigste dabei sei
die Abkehr von "zwei starren Gewohnheiten des nationalökonomischen Denkens": "An die Stelle wortgebundenen Denkens tritt problembewußtes Denken, und 326 nicht länger in Gütern wird über das Wirtschaftsleben gedacht, sondern In Gebilden." Nach Gottl sind nämlich die Kategorien der Volkswirtschaftslehre nicht Ergebnisse der wissenschaftlichen Analyse der objektiven Realität, sondern naive Begriffsbestimmungen, die aus dem Denken des Alltags entstanden sind und die der subjektiven Deutung unterworfen sind. Daher resultierten 327 auch die "Zerrissenheit und Zerstrittenheit" der nationalökonomischen Theorie. Gottl berührt hier das Problem der Vulgarisierung der politischen Ökonomie und ihrer Klassenbezogenheit nur an der Oberfläche. In der Pauschalverurteilung aller modernen Volkswirtschaftslehre, in deren Verdammnis er übrigens nachdrücklich die Marxsche Wertlehre einbezieht, schießt e r zweifellos weit über das Ziel hinaus, denn selbst die bürgerliche politische Ökonomie gelangt zu wichtigen Teilerkenntnissen der objektiven Realität. Was jedoch die Schwäche der bürgerlichen politischen Ökonomie betrifft, die klassenbedingte Begrenztheit ihrer Erkenntnisse, so trifft Gottl bei weitem nicht den Kern der Sache, wenn er ihr lediglich ein Befangensein im wirtschaftlichen Alltag zum Vorwurf macht, die die sterile "Herrschaft des Wortes" hervorrufe. Selbstverständlich sind andererseits Gottls Forderungen nach Berücksichtigung der Rolle des Staates, nach einer "einheitlichen Problematik" des Denkens und der Theorie, nach dem "wahrhaften und einheitlichen Zuendedenken" echte Probleme, die der staatsmonopolistische Kapitalismus und die Krise der bürgerlichen Ökonomie aufgeworfen haben. Gottls "Lösung", nicht mehr einseitig auf das Erwerbsleben zu schauen, sondern die "sozialen Gebilde" wie die "Höchstgebilde" Volk, Staat und Volkswirtschaft, als "Lebenswirklichkeiten" zu berücksichtigen, vermag der Bourgeoisie nichts anderes zu bieten als eine unklare Stützung der demagogischen Phrasen der deutschen Faschisten wie "Volksgemeinschaft", "Gemeinnutz geht vor Eigennutz", "Das Kapital dient der Wirtschaft, die Wirtschaft dient dem Volke" u . ä . Die Unfruchtbarkeit der Gottischen Lehre wird deutlich, wenn wir die tauben Früchte betrachten, die die Schüler hervorgebracht haben. F. Wegener z.B. ist zweifellos ein 328 echter Gottl-Schüler, der in der Art seines Lehrmeisters Uber die "Arbeit" meditiert. Der Verfasser wirft die Frage auf: 'Wie gestaltet sich das Zusammenleben im Geiste dauernden Einklangs von Bedarf und Deckung hinsichtlich des Schicksals der Arbeitenden?" 118
Aber er beantwortet die Frage nicht. Nach einem Hinweis auf die bereits vorhandene Literatur zum Thema heißt es: "Die vorliegende Untersuchung will dieser Fülle nicht eine weitere Monographie zufügen, sondern sie will ihnen allen eine Grundlage schaffen durch 329
eine geläuterte Problematik." Der Verfasser verspricht, "die Frage des Arbeitsschicksals" aus "dem Grundproblem" abzuleiten und sie systematisch abzuleiten. Schließlich aber soll die Untersuchung als Fundament für Lösungsversuche dienen, die "Arbeitsnot zu brechen oder zu330 lindein". Da das Grundproblem der Lehre von der Wirtschaft" bei Wegener wie bei Gottl
in der
Frage nach der "Gestaltung des menschlichen Zusammenlebens im Geiste dauernden Einklangs von Bedarf und Deckung" besteht, läuft die ganze Wegenersche "Lösimg letzten Endes darauf hinaus, die Arbeit nach ihrer technisch-organisatorischen Seite hin zu untersuchen. Dies geschieht allerdings nicht einmal in ernst zu nehmender wissenschaftlicher Form, sondern nach Art der Historiker-Schule, unter Aufzählung einer Unmenge von Fakten und Tausenden Wenn und Aber, aber immer unter Umgehimg der sozialen Bezogenheit des Problems. So werden z.B. die Arbeitspflicht und das Arbeitenwollen, also die Frage der Veranlassung zur Arbeit, lediglich unter psychologischen, moralisch-ethischen Aspekten betrachtet, nicht aber unter dem Aspekt des ökonomischen Zwangs infolge der Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmitteln. Eine große Rolle spielt bei Wegener die Determination der Arbeit, bei ihm unter dem mißverständlichen Begriff "Erleidung" figurierend, aber nicht die Ausbeutung, charakterisiert als Erleidung durch die Arbeit, sondern zweitrangige Determinanten wie die technisch-organisatorischen Verhältnisse, unter denen die Arbeit durchgeführt wird. Damit ist der Autor, der versprach, das Problem wissenschaftlich-ökonomisch zu behandeln, dem Wesen der Arbeit unter kapitalistischen Verhältnissen ausgewichen. Ein anderer Gottl-Schüler, der Dozent an der Berliner Universität A. Winter, 331greift noch einmal die Frage nach der Kritik der bisherigen politischen Ökonomie auf.
Er
schildert zunächst mit erfrischender Anschaulichkeit das Dilemma des zeitgenössischen Systemwirrwarrs, führt aber die Disharmonien in den verschiedenen332 ökonomischen Konzeptionen fälschlicherweise auf das "Sondertum der Kritik" zurück.
Die "Gelegenheits-
kritik", die alle Theoreme und Theorien der ökonomischen Wissenschaft anschneide, sei wegen ihrer zufälligen Natur der Willkür verdächtig und habe unterschiedliche Ausgangslagen. Die dogmatisch erstarrte "Standpunktkritik" bringe nur die Bestätigung des eigenen und die Verneinung des fremden theoretischen Systems hervor. Um aus dem Notstand in der theoretischen Forschung herauszukommen, sei es notwendig, zu einer "Grundlagenkritik" zu gelangen, die eine verbindliche Beurteilung der Erkenntnisleistung ermöglicht. 119
Trotz aller Vorschußlorbeeren, mit denen die Gottische Gebildelehre bedacht wurde, vermochte sie nicht richtig zum Zuge zu kommen, weil ihr Grundgehalt den Anforderungen die an eine moderne bürgerliche Lehre gestellt wurden, einfach nicht gerecht werden konn te. Stackelberg meinte zur "Wissenschaft" der Gottl-Schule nur lakonisch, daß man keine Möglichkeit einer verbindlichen Beurteilung habe, "so lange diese Wissenschaft in der abstrakten Sphäre verbleibt und keine empirisch nachprüfbaren Ergebnisse ihrer ' Logik' 333 bietet." Damit hatte Stackelberg eigentlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Es geht schlecht an, die Forderungen nach Analyse notwendiger Sachzusammenhänge immer nur zu proklamieren, ohne einen einzigen Schritt in der Ausarbeitung eines entsprechenden Instrumentariums zu machen. In die hier behandelte Periode fällt noch die Herausgabe der letzten systematischen Zusammenfassung der Konzeption der Sozialrechtler durch einen ihrer wichtigsten Bepräsen334 tanten. Im Mai 1941 hatte K. Diehl seine Schrift vorgelegt, die ein halbes Jahrhundert nach den ersten literarischen Äußerungen der Sozialrechtler ein Rückblick auf das bisher Geleistete und eine Verteidigung ihrer Position zugleich darstellte. Es galt inzwischen, eine Flut von Kritiken abzuwehren, die im Grunde genommen das von den Sozialrechtlem vertretene Lehrsystem bereits erschütterte, weil sich die neuen Tendenzen in der deutschen Vulgärökonomie längst ihm gegenüber durchgesetzt hatte. Daher war diese letzte umfassende Begründung und Erläuterung der Diehlschen Auffassungen der Schlußpunkt der sozialrechtlichen Bichtung. Gewiß fehlt es nicht an Verbeugungen gegenüber dem 77-jährigen Mitbegründer der sozialrechtlichen Bichtung. Obwohl Diehl sich in seiner Schrift von den wirtschaftspolitischen Erörterungen der Gegenwart zu distanzieren sucht, ist einer seiner Bezensenten, der sich als sein "stets dankbarer Schüler" bezeichnet, geneigt, unumwunden anzuerkennen, daß dieser seine Verdienste für das faschistische Begime habe: "Denn in einer Zeit, in der mehr und einschneidender denn je die Bechtsnorm in die Gestaltung des WirtschaftsleGrundauffassung der bens eingreift, gewinnt die Frage, die den Kern der sozialrechtlichen 335 Wirtschaftswissenschaft bildet, erhöhte Bedeutung..." Und doch ist dieser Schüler, wie so mancher andere, der bei dem Sozialrechtler in die Schule ging, nicht mehr bereit zuzugeben, daß die Gegenwart die Bichtigkeit des Standpunktes seines Lehrers K. Diehl bestätigt habe. Der Kritiker ist vielmehr der Meinung, daß eine Bejahung der Autonomie gegenüber der Bechtswissenschaft "mit Notwendigkeit zur Negierung des sozialrechtlichen Standpunktes als des erkenntnistheoretisch grundlegenden Ausgangspunktes der national336 ökonomischen Wissenschaft f ü h r t . " Der 1943 verstorbene K. Diehl war wie B. Stolzmann aus der Historischen Schule h e r vorgangen und gehört zu den Vertretern, die am hartnäckigsten und am längsten diese 120
Ihre Ansichten verteidigten. Er stand noch immer auf der Position der Sozialrechtler, als seine Anhängerschar ihm schon längst nicht mehr zu folgen bereit war. Diehl knlipfte unmittelbar an Stammler an. Stolzmann gegenüber hat er dagegen einige Vorbehalte. Er wirft ihm vor, daß er ein Eklektiker sei und zur Versöhnung mit abweichenden Varianten der Vulgärökonomie neige. In seiner Ablehnung der abstrakten Methode der Grenznutzenschule ist Diehl radikaler als Stolzmann, ist sich mit ihm und Stammler aber einig in der teleologischen Betrachtungsweise der sozialen Dinge, den Elementen des umfassenden Zweckgebildes der Gesellschaft, wie Stammler meint. Nach Diehls Auffassung ist die Einzelwirtschaft nur ein dienendes Glied der volkswirtschaftlichen Gesamtorganisation, und die Einzelwirtschaften würden erst von dieser Volkswirtschaft als Gesamtorganisation Art, Maß und Tempo ihrer Betätigung vorgeschrieben bekommen. Daher sei es unsinnig, sich mit Einzelwirtschaften oder gar mit den Bedürfnissen des Individuums auseinanderzusetzen, wie es die Österreichische Schule tat. Gegenstand der Analyse könne also nicht die Einzelwirtschaft sein, sondern das Band, das die Einzelerscheinungen in der Wirtschaft zusammenhalte und das sei eben die konkrete Rechtsordnung: "Die rechtliche Ordnung gibt erst der Wirtschaft die Normen an, innerhalb deren sie sich vollzieht, und bei dieser Rechtssatzung sind bestimmte Gesichtspunkte der Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeitserwägungen maßgebend", schreibt er noch 1941 in seinem Buch "Die sozialrechtliche 337 Richtung in der Nationalökonomie". Wie bereits erwähnt, fand K. Diehl kaum noch Resonanz. Was führte dazu, daß die sozialrechtliche Richtung derartig stark an Bedeutung verlor? Die sozialrechtliche Richtung, die vier Jahrzehnte zuvor als neue Lehrmeinung aufgekommen war, hatte sich auf die neuen Veriiältnisse eingestellt, die durch das Entstehen großer Monopolorganisatianen hervorgerufen wurden. Man trug den Wünschen der Monopolbourgeoisie Rechnung, der "sozialen Regulierung", den stimulierenden Faktoren des Wirtschaftslebens, vor allem aber der Rolle des Staates größere Aufmerksamkeit zu schenken. Im Mittelpunkt der Forschungen stehen jetzt nicht mehr die Produktion (wie bei Adam Smith) und auch nicht mehr der individuelle Konsum (wie bei der Grenznutzenschule), sondern das Problem der Einkommensverteilung und Geld und Kredit als Mittel der "Regulierung". Daher ist die Negierung der Kausalerklärung charakteristisch, die Verkündung des Primats des Zweckes bei einzelnen Autoren und der rechtlichen, ethischen und psychologischen Normen bei anderen. Die Sozialrechtler hatten zwar die Aufmerksamkeit der bürgerlichen Ökonomen auf soziale Aspekte der Wirtschaft gelenkt, sie vermochten aber ihrerseits keine Lösung der dringender werdenden Marktprobleme anzubieten. Von den Fragen, die die große Weltwirtschaftskrise aufgeworfen hatte, vermochten sie keine einzige zu beantworten. 121
Diehl hatte gefordert, daß man an Stelle abstrakt-theoretischer Erörterungen wirklichkeitsnahe Forschungen betreiben müsse. Und diese Forderung verband er mit dem Ausschließlichkeitsanspruch, daß nur die Betrachtung der juristisch fixierten Wirtschaftsordnungen zu einer realistischen ökonomischen Theorie führe. Diese Ausklammerung anderer wirtschaftspolitischer Maßnahmen durch Diehl war angesichts der Marktproblepie, die der Bourgeoisie auf den Nägeln brannte, unhaltbar geworden. Die Kapitalistenklasse insgesamt war nicht bereit, auf die subjektiv-idealistische Erklärung der Ökonomischen Vorgänge völlig zu verzichten. Sie suchte nur zu realistischeren Deutungen der Marktphänomene zu gelangen, als es die Eobinsonaden eines Böhm-Bawerk erlaubten. Die Erklärungen der Sozialrechtler waren allzu platonisch, als daß man nicht auf sie zu verzichten vermocht hätte. Den Sozialrechtlern wird heute bestensfalls das Verdienst zugebilligt, den Weg für eine an die "Wirklichkeit" angenäherte Theorie gebahnt zu haben, worunter das "Denken in Wirtschaftsordnungen" gemeint ist. K. Diehl wird damit zum unmittelbaren Vorläufer der 338 Lehre W. Euckens erklärt. Ein anderer Ökonom, der zu jener Zeit von sich reden machte, war O. Spann. Es ist eine recht interessante Frage, warum seine sogenannte universalistische Volkswirtschaftslehre in Hitlerdeutschland nur wenig Anklang gefunden 339hat. Dabei hat die mystifizierte Lehre von den "gliedhaften Leistungen im Ganzen", wie sie von Spann bis zur Pedanterie ausgebaut und verfeinert wurde, zu den nationalsozialistischen Doktrinen keine großen Gegensätze. Im Gegenteil, was die Soziologie des Österreichers anbetrifft, so hat sie den deutschen Faschisten manches brauchbare Argument geliefert. Spanns Ganzheitslehre z.B. vermochte der demagogischen Losung "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" eine gewisse pseudowissenschaftliche Untermauerung zu geben. Die "universalistische Weltanschauung", die Betonung des übergeordneten Ganzen gegenüber dem einzelnen, kam auch dem faschistischen Führerprinzip entgegen, wonach sich die einzelnen unter den Willen eines "Führers" zu beugen haben. Die antidemokratische Grundhaltung Spanns und seine Lehre vom Ständestaat, die einen weiteren Aspekt seiner "Wissenschaft" ausmachten, entsprachen den Ambitionen der Faschisten durchaus. Trotzdem ist es nicht zu einer Spann-Renaissance im faschistischen Deutschland gekommen. Seine Lehre konnte allenfalls einige pseudowissenschaftliche Argumente zur Untermauerung der faschistischen Ideologie liefern. Einer nachhaltigen und weitgehenden Wirksamkeit der Spannschen Volkswirtschaftslehre im allgemeinen und der Wirksamkeit im faschistischen Deutschland im besonderen standen jedoch einige Umstände entgegen. Erstens stellte die Spannsche ökonomische Lehre kein brauchbares Instrument dar, das den Erfordernissen des staatsmonopolistischen Kapitalismus Rechnung trug. Die 122
Monopolbourgeoisie benötigt gegenwärtig eine Lehre, die auf die Mittel und Wege orientiert, wie die einzelnen dem Staat zur Verfügung stehenden Faktoren angewandt werden können, die alle Schwierigkeiten meistern, die dem kapitalistischen System durch die Verschärfung der Konkurrenz, des Klassenkampfes und des Wettbewerbs mit dem sozialistischen Lager gegenüberstehen. Diese Mittel und Wege zeigten
we
der die deskriptive Historische Schule
noch die sterile Gebildelehre, noch die gleichfalls unfruchtbare sozialrechtliche Richtung und auch nicht der Spannsche Universalismus auf. Sein irrationaler Charakter, seine teleologisch ausgerichtete Proklamierung einer Volksgemeinschaft, deren einzelne Wirtschaftssubjektive unselbständige Glieder eines Ganzen seien, mochten für manche apologetische Phrase nützlich sein, eine praktische, die Wirtschaftspolitik stützende Funktion konnte der Universalismus keineswegs erfüllen. Wie sollte die Bourgeoisie auch den Vorwurf Spanns aufnehmen, daß die konventionelle ökonomische Lehre sich zu stark auf die Tauschund Marktvorgänge orientiere ? Schließlich hat die Bourgeoisie den Markt nach wie vor als das eigentliche Feld der Bewährung anzusehen. Was sollte sie also mit einer Lehre anfangen, die den "kaufmännischen Erfolg" nicht als das wichtigste Kriterium des Geschäftes ansah? So tat die Spannsche Lehre ihren Dienst lediglich als mystifizierte Apologie, die als unzureichend empfunden werden mußte. Zweitens gab es noch einen anderen Grund des Mißerfolgs, der mit der Intoleranz der Hitlerfaschisten im Zusammenhang steht: die Spannsche Lehre entsprach durchaus nicht allen Grundzügen der nationalsozialistischen Propaganda. Schließlich kam es sogar zwischen Spann und den deutschen Faschisten zu einer derartigen Kontroverse, aaß diese 340 ihn 1938 flugs seiner Ämter enthoben und ins Gefängnis sperrten. Ungeachtet ähnlicher Standpunkte in der Idealisierung der berufsständischen Ordnung gab es in dieser Frage Differenzen, und faschistische Ideologen haben bereits frühzeitig darauf hingewiesen, daß sie sich von seiner Auffassung distanzieren. Ein wichtiger Streitpunkt war der, daß O. Spann offen antidemokratisch eine hierarchische Gliederung der Stände innerhalb des Ständestaates befürwortete. Diese unterschiedliche Wertung der Stände konnten die antidemokratischen Glaubensbrüder in der Hitlerpartei aus taktisch-propa341 gandistischen Gründen nicht gelten lassen. In ihrer Deutung sollten die Stände nicht hierarchisch vertikal gegliedert sein, sondern gleichberechtigt nebeneinander stehen. M. Frauendorfer betont deshalb: "Wenn der Nationalsozialismus seit seinen ersten Anfängen sich zu einem 'ständischen Gedanken' bekennt, so heißt das nicht, daß er entschlossen und gewillt sei, irgendeiner Lehrmeinung vom Ständestaat zur Verwirklichung zu verhelfen." Frauendorfer meint, "daß auch die Ziele, die der Nationalsozialismus durch seinen ständischen Aufbau eigenster Prägung erreichen will, den342 heute herrschenden Bestrebungen genau so entgegengesetzt sind, wie die Wege dazu." Er weist darauf hin, daß "der 123
nationalsozialistische Staat kein 'Ständestaat' ist. Denn die Stände bilden nicht zusammen den Staat, sie sind nur die Organisationsform der wirtschaftlichen Seite im Leben jedes Einzelnen." Am umfassendsten hat J . Beyer in seiner 1941 erschienenen Schrift die Argumente zusammengetragen, die die faschistischen Ideologen gegen die universalistische Ständeleh344 re vorzubringen hatten.
Beyer meinte, Spann hätte eine ratianalspekulative Grundein-
stellung, deren Intellektualismus im Gegensatz zu den Erkenntnissen des 20. Jahrhunderts stehe,
"welche die rassischen Lebensgesetze der Völker wieder entdeckt haben". Spanns
abstrakte. Begriffspyramide mißachte die Forderung der neuen Wissenschaftslehre, die 345 Wissenschaft unmittelbar auf der völkischen Wirklichkeit zu begründen." "Wenn er das Wesen des einzelnen Menschen beschrieb, so ging e r nicht von den konkreten rassischen Anlagen aus, sondern konstruierte 346 sich einen Menschen, dessen eigentliche Wirklichkeit nur im Geistigen liegen soll." Beyer machte Spann hier den gleichen Vorwurf der Mißachtung der faschistischen Rassenlehre, den schon der Parteiideologe Alfred Rosenberg in seinem literarischen Versuch, dem Hitlerfaschismus eine 347 ideologische Grundlage zu geben, dem Universalismus zum Vorwurf gemacht hatte. Spann hatte in seiner "Gesellschaftslehre" behauptet, daß der Geist den Vorrang vor der Rasse habe, daß Rasse lediglich "biologischer Index des Geistigen" sei und e r lehnte die Rassentheorie als "materialistisch" ab. Den universalistischen Ständestaat als den "wahren Staat" stellte Spann allen Völkern, ungeachtet ihrer rassischen Zusammensetzung, als realisierbar in Aussicht. Mit dieser Version mußte Spann bei den deutschen Faschisten auf heftigeren Widerstand stoßen, als wenn e r die Rassenfrage gänzlich unberührt gelassen hätte. Sicher wäre den Ideologen der NSDAP die Spannsche Lehre insgesamt als akzeptabel erschienen, wiirde nicht Spann ausdrücklich gegen das antisemitische Grunddogma der NSDAP polemisiert haben. Daher müssen ernsthafte Versuche, Teile der Spannschen Lehre für den "Nationalsozialismus" zu 348 retten,
letztlich doch scheitern, weil der Ausschließlichkeitsanspruch der faschistischen
Rassenhetzer keine Toleranz in dieser Frage zuließ. Selbstverständlich fiel es den Kritikern nicht schwer, weitere Differenzen zwischen der Spannschen Lehre und der "nationalsozialistischen Weltanschauung" aufzudecken. So verweist Beyer auf die Aufwertung der Rolle von Religion und Kirche durch349 Spann, wodurch es leicht fiel, Spann der "totalen RUckwendung zum Mittelalter" zu zeihen. Beyer spricht unverhohlen aus, daß man eine Diskussion Uber die katholische Staatslehre noch hinnehmen würde, wenn sie nicht von dem Versuch getragen worden wäre, der faschistischen Ideologie den Rang abzulaufen: "Schließlich geht es hier letztlich nicht um die Frage, welche Stellung die gegenwärtigen Vertreter der katholischen Staatslehre einnehmen, sondern daß hier versucht wird, das mittelalterlich-universalistische Weltbild - wenn auch in abge124
wandelter Form - wieder zu beleben . . . Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die Vertreter anderer Denksysteme sich ehrlich bemühen, mit ihren bisherigen Begriffen den neuen Ideen und Entwicklungen gerecht zu werden . . . Ein Vorwurf kann ihnen jedoch dann gemacht werden, wenn sie den Anspruch erheben, ihre außerhalb der Bewegung entstandene Ideenwelt als Grundlage einer nationalsozialistischen Wissenschaft anzuerkennen. Gegen derartige Versuche muß sich die junge nationalsozialistische Wissenschaft mit aller Ent350 schiedenheit wehren." Die Spann-Schule propagierte den Ständestaat als Allheilmittel 351 gegen alle sozialen und wirtschaftlichen Gebrechen der Gesellschaft. Vor allem durch die Verwirklichung der universalistischen Kreditlehre sollte das Ideal der "Krisenlosigkeit in der Wirtschaft" erreicht werden. Sie sah eine Einschränkung der Bedeutung der Zentralnotenbank vor und den Ausbau von Fachbanken, deren Kompetenzen sehr weitgehend waren. Das bedeutete faktisch eine starke Dezentralisierung des Finanz- und Kreditwesens. Das Hauptargument der Spann-Schule war, daß ein nach Fachbanken organisiertes, dezentralisiertes Kreditsystem differenzierte Zinsfüße ermögliche, nämlich unterschiedliche Zinsfüße entsprechend der unterschiedlichen Wertung der verschiedenen Stände. Dieser ziinftlerischen Vorstellung stand die lebendige Praxis der Finanzoligarchie gegenüber, deren Interessenvertreter unter anderem Hitler gewesen ist. Spanns Anhängern, wie E. Weber, die dessen Entwicklungslehre weiterspinnen, wird energisch entgegengetreten, wenn352 behauptet wird, "daß der Verfall jedem Augenblick der Geschichte notwendig innewohnt". Das war eine von O. Spann Übernommene These, die die deutschen Faschisten nicht fUr das "Dritte Reich" passend fanden. Überhaupt hatte die Spannsche Lehre auch sonst viel Anstößiges. Da war die weitgetriebene Abstraktheit und Lebensfremdheit der universalistischen Auffassung von der Wirtschaft und Gesellschaft. Zur Praxis der faschistischen Wirtschaftspolitik waren hier doch recht wenig Beziehungen. Die Spannsche Lehre war vielmehr dazu geeignet, gegen den Individualismus des Liberalismus zu Felde zu ziehen, der jedoch mit dem 30. Januar 1933 in Deutschland als besiegt erklärt worden war. Dazu kommt noch ein anderes Moment. Spann teilte das Schicksal anderer älterer bürgerlicher Autoren, deren Aussagen nicht der Sprachregelung der deutschen Faschisten entsprachen. Erinnert sei dabei nur an W. Sombarts Schicksal, der trotz seiner Anbiederungsversuche bei der NSDAP mit seiner Schrift "Deutscher Sozialismus" (1934) durchaus keinen 353 •• Anklang bei den Hitlerleuten gefunden hatte. Ahnlich mußte eö Spann ergehen, wenn er gleichfalls im Jahre 1934 die nationalsozialistische Bewegung nicht als Volksbewegung deklariert, sondern als eine "in Bildung begriffene ständische Fiihrergilde" oder als ein 354 neuer "politischer Stand".
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Die Spamischen Ideen begegneten sich mit der faschistischen Ideologie in der Ablehnung der wissenschaftlichen Lehre vom Klassenkampf und in der Propagierung eines berufsständischen Gedankens unter der Vorspiegelung "organischer Gemeinschaftsinteressen". Jedoch Uberschreiten auch hier die Spann-Schüler oftmals die Grenzen des (in HitlerDeutschland) Erlaubten, wie etwa F. Ottel, der aus dem Ständegedanken das Programm ("Richtige Geldschöpfung") ableitet, daß "dem Wesen der Wirtschaft als System der Mittel 255
für gültige Ziele auch nur eine ständische Geldschöpfung" entspräche.
Das widersprach
dann doch entschieden den zentralistischen Ambitionen der Hitlerpartei. Ein anderer Autor, der sich auf Spann beruft, erregt dadurch Anstoß, daß er zu beweisen sucht, daß sich eine ständische Organisation in erster Linie auf den Betrieb und nicht 356 auf die Berufsgruppen aufbauen müsse. Die Ablehnung durch die Ökonomen, die unmittelbar mit der NSDAP verbunden'sind, ist ziemlich eindeutig. J . Jessen spricht gelegentlich einer Rezension davon, daß man nicht den Eindruck entstehen lassen dürfe, "daß der deutsche Nationalsozialismus sich in beson357 derem Maße auf Spann stützt. Das würde wohl auch Spann ablehnen,"
schreibt er.
Mit starkem GeschUtz fährt auchK. Sesemann auf, der Spannschen Schülern vorwirft, daß sie ein trojanisches Pferd ins "Dritte Reich" hineinschleppen: "Einem . . . das Individuum und seine Persönlichkeitswerte leugnenden Streben liehen die Spannschen Ideologien das erforderliche begriffliche Rüstzeug mit dem Ergebnis, daß uns wertvollste nationalsozialistische Gedanken verfälscht werden und daß 358 an ihre Stelle verbrämte kollektivistischmarxistische Gedanken gesetzt werden." Wiskemann, der an die~einzelnen Ökonomen "Zensuren verteilte", schrieb, nachdem er zuvor Gottl-Ottlilienfeld enthusiastisch gelobt hatte: "Welt weniger ist die Neuscholastik Othmar Spanns. Sein Universalismus will der Welt die starre Dogmatik eines Gemeinschaftsbefehls diktieren, der aus Theologie und Philosophie, nicht aber aus blutvoller Geschichtsauffassung abgeleitet ist. So ist seine Ganzheitslehre wiederum nur Hypothese und Gedan359
kenwerk."
Es gibt allerdings auch andere Meinungen darüber , ob Gottl oder Spann
vorzuziehen sei. So meint P. Beikenkopf: "Selbst wenn man Gottl konzediert, daß sich von seiner Lehre von den wirtschaftlichen Gebilden leichter ein Weg zu nationalsozialistischer Wirtschaftsauffassung finden läßt als von der in erster Linie an Marktvorgängen orientierten Theorie, so muß man doch einmal darauf hinweisen, daß Gottls Gebildelehre (trotz gewisser Verschiedenheiten in der Grundauffassung) nicht ohne Vorgänger und Parallelen ist, die meines Erachtens der nationalsozialistischen Gesamtauffassung von der Wirtschaft eher und besser entsprechen als die doch in manchem lebensferne Schematik der Gebildelehre Gottls. Die Art, in der Gottl sich etwa in allzu billiger und oberflächlicher Weise von Othmar Spann distanziert, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die 'organische' 126
Auffassung der sozialen Lebensvorgänge und damit auch der Wirtschaft, wie sie im Grunde bereits die Romantiker entwickelt haben und wie sie bei Spann zu weitgehender Geschlossen360 heit gediehen ist, nationalsozialistischer Gesamtschau nähersteht." 361 Peter meinte, daß Spann eine falsche Vorstellung von der Ganzheit habe. Er glaubt, daß Spann den Fehler begehe, die Ganzheit als einen Grundbegriff aufzufassen, der dem Ursächlichkeitsbegriff entgegengesetzt sei. In Wirklichkeit sei aber auch die von Spann als individualistisch oder atomistisch abgelehnte Forschung Ganzheitsforschung, weil der Gegenstand der Wirtschaftswissenschaft nur als Ganzes zu begreifen sei. Es sei auch nicht einzusehen, mit welchem Recht Spann in seinen Thesen Uber Ganzheit und Existenz die Fragestellung aufwerfe, ob das Ganze oder die Teile existieren, weil die Existenz des einen die Existenz des anderen nicht auszuschließen brauche. Damit haben wir, ohne auf alle Aspekte der Spannschen Lehre näher einzugehen, einen Querschnitt der Antworten auf den Universalismus gegeben, die aus den Reihen faschistischer Ideologen und den Ökonomen aus der Zeit des "Dritten Reiches" kamen. Dieser Querschnitt darf durchaus als repräsentativ angesehen werden, so daß man trotz der Lücken, die eine Querschnittsbetrachtung aufweist, bestimmte Schlußfolgerungen ziehen darf. Das Bild, das von der Untersuchung zu gewinnen ist, weist auf, daß die Ablehnung des Universalismus ziemlich allgemein war, wenn sie auch aus verschiedenen Beweggründen erfolgte. Vom Standpunkt der bürgerlichen politischen Ökonomie aus gesehen, bot die "universalistische Volkswirtschaftslehre" keinen Punkt, der dazu berechtigt hätte, diese Lehre als geeignet zu halten, eine praktische Funktion der bürgerlichen politischen Ökonomie besonders erfolgreich zu erfüllen. Vom Standpunkt der faschistischen Ideologen jedoch hat der Universalismus trotz enger geistiger Verwandtschaft mit den Propagandalosungen der NSDAP beträchtliche Differenzen. Werfen wir nun einen Blick zurück und betrachten die Situation in bezug auf die Behandlung der Wertkategorie. Eine charakteristische Besonderheit zahlreicher Konzeptionen der bürgerlichen politischen Ökonomie nach der Jahrhundertwende besteht in ihrer weitgehenden Abwendung van jeglichen Werttheorien. Diese Abwendung beschränkt sich nicht nur auf die objektive Wertlehre der klassischen Schule, sondern erstreckt sich sogar auf die subjektive Wertbetrachtung, mit der die Grenznutzenschule operiert hatte. Bei vielen bürgerlichen Ökonomen setzte sich die Erkenntnis durch, daß die subjektive Wertlehre zu wenig leistet; sie verwerfen daher diese Pseudo-Theorie genauso wie die wissenschaftliche Auffassung vom Wert. Dabei gehen die einzelnen Werttheorie-Gegner unterschiedliche Wege. Einen besonderen Tiefpunkt erreicht dabei die Gruppe von Ökonomen um F. v. GottlOttlilienfeld. Gottl leugnete, an die Historische Schule anknüpfend, die Bedeutung ökonomischer Kategorien Uberhaupt und stellte der Volkswirtschaftstheorie die unklar definierte 127
Aufgabe, durch "problembewußtes Denken In Gebilden" zur Erkenntnis ökonomischer Zusammenhänge zu gelangen. Andere Wege beschreiten jene bürgerlichen Ökonomen, die wie H. Dietzel unter weitgehender Verwendung des Begriffsapparats und der Methodologie der Grenznutzenschule jene zu reformieren suchen. Dietzel billigt der Wertlehre nur einen beschränkten, partiellen Lehrwert zu. Dagegen lehnte E. Liefmann die Werttheorie rigoros ab. Nach Liefmann spielen in der Wirtschaft nicht die Beziehungen von Menschen zu Waren, sondern das Verhältnis der Menschen zum höchsten Ertrag die Hauptrolle, dessen Größe durch Vergleiche zwischen E r t r ä gen und Kosten kalkuliert wird. Das Rechnen in Geld erfolgt danach nicht mittels eines Wertmaßes, sondern durch Nutzen- und Aufwandsvergleiche. Der Preis stellt sich hierbei ohne Zwischenglied als Gelderscheinung dar. Das sogenannte "Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge", das die Aufwendung van Kosten berücksichtige, wUrde die Nachfrage nach den Waren erklären. Bei Dietzel und Liefmann erkennen wir, daß die bürgerliche politische Ökonomie den Weg der ursprünglichen Grenznutzenschule insofern weitergeht, als sie unter Verwendung bestimmter Methoden dieser Schule, wie den Psychologismus (bei Liefmann psychische Erwägungen bei Vergleichen zwischen Kosten und Nutzen) und den Marglnalismus (bei Liefmann bestimmt der tauschwirtschaftliche Grenzertrag den Preis), die subjektive Wertlehre, die einmal das Hauptkilterium der Österreichischen Schule ausmach te, einfach umgeht. Größere Resonanz als die Lehre Liefmanns erfuhren die Ansichten des Schweden G. Cassel in Deutschland, der seine deutschsprachigen Lehrbücher (1918 und 1926) in Leipzig herausbrachte. Für ihn besteht das eigentliche theoretische Problem in der P r e i s lehre, wobei e r den Preis aus dem Knappheitsprinzip erklärt, d.h. der Notwendigkeit, Verbrauch und Versorgung angesichts des Preisdruckes in Übereinstimmung zu bringen. Im Grunde genommen verbirgt sich auch hinter Cassels Begriff der Knappheit der gleiche subjektivistische Ausgangspunkt wie bei den von ihm verleugneten Nutzentheoretikern. OCO' An die Lehre von Cassel knüpfte vor allem Adolf Weber an.
Wirtschaftlich wichtig, so
meint er, sei nur die Frage, "wie das unübersehbare mannigfaltige und verwickelte Ineinandergreifen zahlreicher Tauschakte sich selbst in Ordnung bringt und in Ordnung gehalten werden kann". Im Mittelpunkt stehe daher "nicht das Gedankenbild des Wertes, sondern die Realität des Preises". Ein anderer Repräsentant, der die Grenznutzenschule den neuen monopolkapitalistischen Verhältnissen anzupassen suchte, war der Schwede K. Wickseil, 363 dessen Bücher frühzeitig auch in deutscher Sprache (1893 und 1913) aufgelegt wurden. Mit Hilfe des Marginalprinzips wollte e r das niedrige Niveau der Arbeitslöhne und das Anwachsen des Arbeits128
losenheeres theoretisch als eine naturaotwendige Erscheinung erklären. Außerdem rechtfertigte er mit seiner Grenzproduktivitätstheorie die Einkommen aus der modernen Form des Kapitalbesitzes. Den Kapitalzins erklärte er beispielsweise durch die "Grenzproduktivität des Wertes",
d.h. der Differenz zwischen "angespeicherter" und "gegenwärtiger"
Produktivkraft. Als in Deutschland die faschistische Diktatur errichtet wurde, war der Wirrwarr in der bürgerlichen Wirtschaftslehre vollkommen. Eine Unzahl von Methoden und Systemen boten sich, von Schulen, Strömungen oder Einzelgängern vertreten, mit unterschiedlichem und wechselndem Erfolg an. Die Historische Schule hatte ihren Eklektizismus auch auf die Methodologie ausgedehnt; durch ihre unzähligen Kompromisse an andere Lehrmethoden war sie kaum noch mit der konformistischen Schule aus der Zeit der achtziger Jahre zu vergleichen. Verhallen die Rufe derjenigen, die sich noch immer als Verteidiger des vulgären Historismus präsentierten, wie F. Kleinwächter und H. Sieveking, ziemlich ungehört, so erfahren andererseits die Schriften der "klassischen" Historikerschüler noch unzählige Neuauflagen. Wie es für die Historische Schule bezeichnend war, daß sie die Lehrsätze der Grenznutzenschule allmählich in ihre Kompendien aufnahm, so für die Grenznutzentheoretiker, daß sfe die sozialen Aspekte jetzt stärker betonen und von den Robinsonadeu wegzukommen suchen. Es mangelt nicht an Versuchen, den Weg, der in England beschritten wurde (die Verknüpfung der Grenznutzenschule mit der alten Vulgärökonomie) auch in Deutschland einzuschlagen. O. Conrad z.B. verbindet den Nutzenbegriff mit dem Kostenbegriff. Der Agrar-"Sozialist" Oppenheimer will die alte vulgärökonomische Kostentheorie völlig restaurieren, während E. Lederer 1922 sogar mit dem Anspruch auftritt, die marxistische Arbeitswertlehre mit der Zinstheorie Schumpeters verknüpfen zu können. Die deutschen Lehrstühle für Ökonomie waren jahrzehntelang von den Vertretern der Historischen Schule beherrscht. Hier war die empirische Beschreibung des Wirtschaftslebens der Völker Trumpf, und die Theorie spielte nur ein Schattendasein. Die in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts entstandene österreichische Variante der Grenznutzenschule mit ihren extremen Abstrahierungen fand in Deutschland wenig Resonanz, obwohl 364 365 ihre Ursprünge, w i e H . Lehmann undM. Lötsch nachgewiesen haben, wesentlich auf die deutsche Gebrauchswertschule zurückgehen und die Darlegung der Österreichischen Schule in deutscher Sprache abgefaßt war. Trotz dieser günstigen Voraussetzungen f ü r eine Verbreitung der Österreichischen Schule hat sie in Deutschland, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keinen rechten Anklang gefunden. Lehmann schreibt, man habe in Deutschland "gegen die Weiterentwicklung des Nutzenbegriffs zum Begriff des Grenznutzens nach einer gewissen Zeit, in der sich die deutschen bürgerlichen Ökonomen mit der österreichischen Lehre bekannt machen mußten, kaum etwas eingewendet. Das gesamte österreichische 129
System lehnen die deutschen Theoretiker aber ab, well es für den Klassenkampf im Deutschen 366 Reich gegen ein staikes Proletariat mit marxistisch gebildeten Führern wenig taugte." Daß an den deutschen Universitäten "noch zu Beginn der zwanziger Jahre die Zahl der Gelehrten, die als ausgesprochene Anhänger der Grenznutzenschule gelten können, gering" war, wird von G. Stavenhagen mit der Uberragenden Rolle der Historischen Schule in Deutschland und der Abneigung, theoretische Auseinandersetzungen zu führen, erklärt: "Hier waren die Umstände für sie insofern besonders ungünstig, als zur Zeit ihrer Entstehung in der deutschen Wissenschaft die Historische Schule mit ihren völlig anders gerichteten Interessen dominierte, aber auch die theoretische Forschung selbst, soweit eine solche überhaupt vorhanden war, sich auf einem Tiefstand analytisch-deduktiven Denkens befand." Die theoretische Forschung sei in Deutschland von Ricardo-Interpreten oder Marxisten beherrscht worden, "die in erster Linie daran interessiert waren, ihr theoretisches Rüstzeug zu einem wirksamen propagandistischen Instrument des politischen Tageskampfes zu entwickeln. Angesichts dieser Situation ist es nicht unverständlich, daß man in der deutschen Forschung wie jedem Versuch, die theoretische Arbeit durch neue Gedanken zu beleben, so auch der neu auftretenden Grenznutzenschule skeptisch gegenüberstand. Außerdem mißverstand man die neue Theorie, indem man in ihr eine Weltanschauungslehre erblickte und ihr durchaus zu Unrecht sozialpolitische und sozialphilosophische Voreingenommenheit wie Individualis367 mus, Manchestertum und mechanische Auffassung der sozialen Phänomene unterstellte." Von H. Lehmann wurde in polemischer Form geltend gemacht, daß die Grenznutzentheorie eine Frucht des Kapitalismus der freien Konkurrenz sei und daß die in den achtziger Jahren geschriebenen Werke der österreichischen Theorie, einer 368Theorie des Laissezfaire, nicht mehr für das 20. Jahrhundert zu verwenden waren. Selbstverständlich schließt die Wandlung der alten Lehre der Menger, Wieser und BÖhm-Bawerk nicht die Tatsache aus, daß Elemente dieser Lehre weiterhin in der bürgerlichen Wirtschaftstheorie Verwendung finden und daß ihr Instrumentarium heute noch 369 von mehreren bürgerlichen Ökonomen verschiedenster Kolorierung verwendet wird. Ein Gottl-Schüler führte im Jahre 1936 darüber bittere Klage: " . . . Die Grenznutzentheoretiker herrschen zweifelsfrei vor und finden noch starken Zulauf trotz weitgehender 370 Ablehnung..."
"Selbst der große Umschwung im deutschen Wirtschaftsleben, der doch
so drastisch auf die Erforschung wirklicher Wirtschaft verweist, hat dieser Theorie nicht das Lebenslicht ausblasen können. Gerade wächst wieder eine neue Generation in dieses für eine Erfahrungswissenschaft vom Wirtschaftsleben aller Zeiten und Völker abwegige 371 Denken hinein." Eine theoriegeschichtliche Untersuchung der Grenznutzenschule hätte bei der Darstellung ihrer Wirksamkeit in der Gegenwart sorgfältig die Modifikation dieser Lehre heraus zu-
130
stellen. Es ist sicher verfehlt, die Grenznutzenschule mit allen ähnlich abstrakt-theoretischen Lehren zu identifizieren. Da der Übergang der Lehre in Gestalt der Menger-Wieserschen Lehre der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts zu den modernen Lehren fließend, eine Kontinuität der lehrgeschichtlichen Entwicklung unübersehbar ist, wird es nicht immer ganz einfach sein zu konstatieren, wo die erstere aufhört und die "formale", "exakte", "reine", "abstrakt-theoretische", "mathematische" bürgerliche Lehre anfängt. Die Grenznutzenschule hat die Methode der absoluten Quantifizierung zum System erho372 ben und sie mit der Methode der ahistorischen Psychologisierung verknüpft. Das war Grund genug für viele Dogmenhistoriker, sie mit den formalistischen bürgerlichen Lehren, die ähnliche Wege gingen, in einen Topf zu werfen. In der hier behandelten Periode war man jedenfalls skrupellos genug, auf eine nuancierte terminologische Unterscheidung keinen Wert zu legen. Kennzeichnend war die Pauschalabwertung der abstrakten Theorie, die zum Sündenbock für den unbefriedigenden Zustand der bürgerlichen Ökonomie gemacht wurde. B. Laum schiebt der abstrakten Theorie alle Schuld an der Misere zu: "In der Lebensfremdheit und Dogmatisierung der Theorie ist der Grund zu suchen, weshalb die Nationalökonomie heute keine geistige Macht mehr ist, weshalb sie ihre Führerstelle im öffentlichen Leben allmählich verloren hat. Und in dieser dogmatischen Erstarrung der Theorie liegt nun auch der Grund für die zunehmende Spannung zwischen der historischen und theoretischen 373 Richtung innerhalb der Nationalökonomie. " Man sucht sich in dem Nachweis zu überbieten, daß die abstrakte Lehre lebensfremd, ihre Forschungsergebnisse fiktiv seien und daß sie keine Existenzberechtigung habe. So schreibt z.B. Th. Pütz: "Die sogenannte rein ökonomische Theorie ist aber gar keine echte Theorie vom überzeitlichen Wesen der Wirtschaft, sondern sie ist Ausdruck einer bestimmten geschichtlichen geistigen Haltung, welche dem Wesen des Politischen, d.h. der Eigenart der echten sozialen Gebilde fremd gegenübersteht... Die rein ökonomische Theorie ist also deshalb keine echte überzeitliche Wesenslehre von der Wirtschaft, weil sie ihren Ausgangspunkt und Denkansatz im a-politischen Individuum und seinen subjektivpsychologischen Nutzenerwägungen findet, und weil diese Konstruktion eines a-politischen homo-oeconomicus keine echte wissenschaftliche Abstraktion, sondern eine wirklichkeitsverbiegende Fiktion ist, welche dem Wesen'des Menschen und den echten Formen des Zusammenlebens widerspricht.^^ Für die sogenannte "reine Theorie" ist u.a. charakteristisch, daß sie mit Hilfe von "Modellen", unter Anwendung bestimmter "Schemata", arbeitet. Das sind (meist ziemlich geschlossene) Systeme, die unter Verwendung von Kausalgrößen, sogenannten "Daten", formale Wirtschaften konstruieren, wobei ein äußerst hoher Grad von Abstraktion angewandt 131
wird, der den Extrakt der Forschung darstellen soll und der breiten Raum f ü r die "Anwendbarkeit" zuläßt. E s handelt sich um Konstruktionen, mit deren Hilfe ihre Schöpfer Kenntnisse bestehender Zusammenhänge vermitteln wollen. Das begriffliche Denken mit seiner Verwendung von Schemata ist an und f ü r sich ein durchaus legitimes Mittel der Wissenschaft. Streitpunkt ist lediglich die Rationalität oder Irrationalität der verwendeten Modelle. Die willkürliche, i r r e a l e Konstruktion von Modellen läßt ein unübersehbares Maß von willkürlichen, irrealen Auslegungen und Folgerungen zu, die f ü r jede Wissenschaft untragbar sind. Somit stellen seine P r ä m i s s e n das eigentliche Kriterium der Brauchbarkeit eines Schemas dar. 375 Wegen i h r e r irrationalen P r ä m i s s e n ist die Nutzwertlehre relativ s t e r i l .
Weil sie
trotz der Unhaltbarkeit i h r e r formalen Voraussetzungen bestimmte Forderungen der h e r r schenden Klassen in der bürgerlichen Gesellschaft zu erfüllen vermag, hat s i e sich auf dem Markt gängiger Ideologien ziemlich weitgehend durchsetzen können. Im "Dritten Reich" ist die Ausgestaltung dieser bürgerlichen Lehre keinen Schritt vorangekommen. Wir finden daher in den bürgerlichen Dogmengeschichten kaum Hinweise darüber, welche Position die Lehre im faschistischen Deutschland hatte. In der "Geschichte der Wirtschaftstheorie" G. Stavenhagens z . B . klafft in der D a r s t e l 376 eine Lücke zwischen den zwan-
lung der "Grenznutzenlehre in der deutschen Forschung"
ziger Jahren und der "jüngeren österreichischen Schule" der Nachkriegszeit. Stavenhagen erwähnt lediglich, daß W. Eucken und H. v. Stackelberg den Grundgedanken der Kapitalzinstheorie des in Deutschland viel gelesenen Schweden K . Wicksell erneut aufgegriffen 377 und begründet hätten.
(Danach wird der "Produktionsfaktor Kapital und die Entlohnung
f ü r seinen produktiven Beitrag aus dem Zeitmoment der zeitlichen Dauer der Produktion" erklärt.) Ein T e i l der Gegner der formalistischen Theorie vermeinte, die Grenznutzenschule treffen zu können, wenn e r auf die V e r t r e t e r mathematischer Richtungen einschlägt. Ist die Identifizierung an sich bereits eine gewagte Sache, so ging die plumpe Abwertung mathematischer Methoden e r s t recht ins Auge.
378
Als Kritiker an den "Mathematikern" trat auch der Schüler Gottls, O. Stein, auf. Den Angriff führt Stein mit Hilfe der erkenntnistheoretischen Seinslehre, vor allem mit den Argumenten der Heideggerschen Ontologie. E r stellt die F r a g e , "wie überhaupt Mengen und in man der Wirtschaft Wirkliches sind, wie wirtschaftliche gegeben Größen sind, die als mengen-etwas und größenhafte bezeichnen kann," 379 undTatbestände gelangt dabei zu folgender Antwort: "Soweit die Mathematik die Mittel f ü r ein Größendenken ausbildet, 380 ist dies Größendenken ein spezifisches auf der Grundlage sinnfreien E r f a h r e n s . "
Wäh-
rend die Mathematik also nur Denkmittel f ü r das "sinnfreie Geschehen ausbilde", seien 132
alle wirtschaftlichen Tatbestände und damit auch alle "wirtschaftlichen Mengen und Größen sinnhaftes Geschehen". Die wirtschaftlichen Mengen würden durch gewisse Wandlungen im 381 Willensleben zugänglich werden, der Denkweise des Mathematikers stehe daher die 382 des Ökonomen gegenüber und beide Denkweisen würden sich nicht berühren. Steins Angriff auf die mathematische Sichtung in der bürgerlichen politischen Ökonomie mußte ins Leere stoßen, weil seine "Beweisführung" auf einer sehr unsicheren Grundlage beruhte. Erstens war die Berufung auf Heideggers und, von diesem abgeleitet, auf GottlOttlilienfelds Seinslehre ein unsicheres Terrain für ein Gefecht mit den "Mathematikern" Sie konnte der Vulgärökonomie Laus anner Prägung keine Alternative entgegensetzen. Zweitens ging Stein fehl, wenn er annahm, daß er mit einem Angriff auf bestimmte Theoreme der Grenznutzenschule auch die prinzipielle Frage nach der Anwendung der Mathematik im negativen Sinn hätte erledigen können. Logischerweise mußte jeder Verteidiger der Anwendung mathematischer Methoden unschwer handgreifliche Beweise auf den Tisch legen können, daß die Mathematisierung der Ökonomie ein unumgänglicher Prozeß ist. Deutlich tritt dieser Umstand hervor, wenn Stein davon spricht, daß Mathematik in der "Zwischenrechung" zulässig sei. Den Sinn der Zwischenrechnung hätten die Methoden der Versicherungsmathematik, der Tarifmathema383 tik, der Finanzmathematik und alle Kurven in der Statistik und in der Konjunkturfor384 schung
. Die Frage wäre berechtigt, wo Stein die Grenze zwischen "erlaubter" und
"nicht erlaubter" Anwendung der Mathematik sieht. Stein hat sich der Beantwortung entzogen und hat stattdessen aus der Sterilität der Grenznutzenlehre voreilig gefolgert, daß die mathematischen Methoden insgesamt untauglich seien. Da seine Argumente gegen einige Seiten der Grenznutzenlehre jedoch ungeschickt und keineswegs erschöpfend sind, stellt Steins Buch nicht einmal eine nützliche Analyse der Grenznutzenschule dar. Der Mehrheit von Gegnern der formalen Theorie stand in der hier behandelten Periode nur eine kleine Gruppe von Verteidigern gegenüber. 385 W. Vleugels
verteidigt die Verallgemeinerung als Grundlage zum Verständnis kon-
kreter Erscheinungen. Allerdings wird dieser richtige Ansatzpunkt durch die grundfalsche Behauptung gestützt, daß die Theorie nicht weltanschaulich bestimmt sei und keinen materiellen Inhalt habe, weil sie reine Begriffs- und Beziehungslehre und als rein gedankliches System ähnlich der Mathematik und der formalen Logik wertfrei sei. Mit dieser falschen Ausgangsthese sucht Vleugels dem Vorwurf zu begegnen, daß die sogenannte formale Theorie "liberalistisch" sei. Er hält das Bekenntnis mancher Theoretiker zum ökonomischen Liberalismus für einen Zufall, für eine willkürliche Vermengung, die den Autoren oft nicht bewußt ist. Er wendet sich strikt gegen die Auffassung, daß die Wirtschaftstheorie von der konkreten Form der Wirtschaftspolitik her zu begreifen sei. Es sei zunächst 133
theoretisch-abstrakt, Begriffe und Zusammenhang einer allgemeinen "Wirtschaft an sich" zu entwickeln, ehe man die historisch-konkreten Formen und Stile der Wirtschaft begreifen könne. W. Vleugels war einer der wenigen unbedingten Verfechter der Grundsätze der Öster386 reichischen Schule seiner Zeit. Als Hauptgrundlage für sein Eintreten für die "österreichische Theorie" sah er Friedrich Wiesers "Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft" an. Er pries die Österreichische Schule sogar als kritischen Überwinder 387des falschen theoretisch-wissenschaftlichen Kerns des ökonomischen Liberalismus. . Die Nutzwertlehre, so meint Vleugels, habe den klassischen Harmoniegedanken als einen wissenschaftlichen Irrtum entlarvt. Er verteidigte gleichzeitig die Grenznutzenschule gegenüber ihren Kritikern, die dieser Individualismus und Identität mit dem Liberalismus vorgeworfen haben. Den ersten Einwand suchte er mit dem Argument zu entkräften, daß das Ausgehen von der isolierten Wirtschaft unschätzbaren methodischen Wert für die Erklärung des wirtschaftenden Menschen besitze. Schließlich behauptete er noch, daß die Grenznutzenlehre eine rein formale Theorie sei, die erst durch die politische Gesinnung ihrer Anwender liberalen oder nichtliberalen Charakter erhalte. Sie stelle gewissermaßen erst die notwendige Vorarbeit zu einer politischen allgemeinen Volkswirtschaftslehre dar. Der weitgehenden Ablehnung der Österreichischen Schule begegnete W. Vleugels mit dem Argument, daß die Schule im Kampf gegen die Irrtümer des ökonomischen Liberalis388 mus nützliche Waffen geschmiedet habe. Von Vleugels wird damit in naiver und irriger Weise die Tatsache ausgesprochen, daß die Wieserschen Nachfahren (wie der Lehrmeister selbst) den Liberalismus aufgegeben haben. Die Aufgabe des Liberalismus wird hier als Anti-Liberalismus deklariert. Im Angesicht der Liberalismus-Feindlichkeit der Faschisten erhält die Pointierung dieser Behauptung noch ein politisches Motiv. Die Wiener Nutzwertlehre, meint Vleugels weiter, wäre vor allem dann ein "unentbehrliches Werkzeug der Nationalökonomie, wenn es sich um die soziale Deutung volkswirtschaft389 licher Prozesse handelt".
Diese Behauptung ist absurd und konnte von jedem Kritiker
unschwer zurückgewiesen werden. Vleugels hat sich auch gegen den Vorwurf der unrealistischen Abstraktion zur Wehr gesetzt, den die Grenznutzenschule jetzt nicht mehr treffen könne: "Eines der Mißverständnisse, für das die Ursachen nicht nur bei den Nichttheoretikern zu suchen sind, betrifft die entscheidende Abstraktion der bloß formalen Theorie des wirtschaftlichen Handelns und die Art ihrer inhaltlichen Erfüllung in der frei-verkehrswirtschaftlichen Theorie. Der nicht selbst theoretisch arbeitende Nationalökonom pflegt mit dem Vorurteil auch an die moderne Nutzwertlehre heranzutreten, daß sie einen ausschließlich von eigennützigen Motiven beherrschten Menschen als handelndes Subjekt der Wirtschaft unterstelle. So 134
haben die Klassiker ihre Abstraktion ausdrücklich vorgestellt, obwohl ihnen fraglos besseres dabei vorgeschwebt hat, und die Manchesterleute haben tatsächlich in aller Form jene wirklichkeitswidrige Fiktion eines ausschließlich eigennutzbewegten homo oeconomicus ernst genommen. Mit Recht galt der Einführung eines solchen Schreckgespenstes in unserer Wissenschaft die empörte Kritik der Historischen Schule. Sie machte jedoch ihrerseits den Fehler, Uberall da, wo von der Annahme eines 'reinen Wirtschaftsmenschen' die Rede 390
war, ohne weiteres darunter jene pathologische Zerrfigur zu unterstellen."
Vleugels
macht es sich allzu einfach, wenn er sich Uber die Vorwürfe hinwegsetzt, die Angriffspunkte als überwunden hinstellt und im Übrigen die glückliche Synthese der Historischen Schule mit der Grenznutzentheorie als Lösung aller methodologischen Probleme feiert. Eine Ausnahmestellung nahm auch O. Kühne ein, der auf merkwürdige Art mit dem Nutzenprinzip verfuhr. Den Erkenntnisgegenstand der Nationalökonomie, die er zu refor391 mieren gedachte, dehnt O. Kühne außerordentlich weit aus.
Die Nationalökonomie solle
alle sozialen Ereignisse und Handlungen exakt darstellen, beschreiben und erklären, die das gesamte Wirtschaftsleben der Gesellschaft beeinflussen. Das neue oberste Erkenntnisprinzip, das nicht nur die Wirtschaftswissenschaft, sondern auch alle Kultur- und Gesellschaftswissenschaften grundlegend umgestalten sollte, ist nach Kühne das sogenannte "Sozialorganische Nutz-Mittel-Zweck-Prinzip". Nach seinem "Nutzgrundprinzip" solle nicht mehr (wie bei Pareto) das wirtschaftliche Nutzoptimum das Hauptkriterium ökonomischer Theorie sein, sondern das "empirisch kontrollierbare Nützlichkeits- oder Zweckmäßigkeitsprinzip", nach dem man sich bei der Feststellung des wirtschaftlichen Handlungsprinzips mit dem allgemeinen Kriterium begnügen kann, ob das betreffende Wirtschafts392
Subjekt an der in F r a g e stehenden Handlung irgendwie interessiert sei.
Doch entbehrt das Buch einer näheren Begründung des "neuen Prinzips". Statt dessen erschöpft sich der Autor in heftigen Attacken gegen andere Theorien, deren Hauptfehler darin gesehen wird, daß sie sich des "neuen Nützlichkeitsprinzips" nicht bedient hätten. So wird die Nützlichkeit des Kühnschen Nützlichkeitsprinzips weniger nachgewiesen, als vielmehr deklariert. Es sei in phänomenologischem Sinn zu verstehen, meint Kühne, da es durch Nutzindexfunktionen erfaßbar sei. "Für den exakten Nationalökonomen ist eben 393
alle ökonomische Theorie Indextheorie."
Um die Ganzheit der gesellschaftlichen E r -
eignisse zu erfassen, mUsse man die bloße stochastische Funktion und Verbundenheit berücksichtigen. Ausgangspunkt sei der Nutzenbegriff, der auf individuellem Verhalten basiert. Gemessen werde der Nutzen an rein zahlenmäßig erfaßbaren Maßstäben, deren Richtigkeit nachdrücklich empirisch nachzuprüfen sei. Die von Kühne nicht näher definierten Nutzindexfunktionen würden sich, so behauptet er, im Gegensatz zu den Paretoschen Gleichungen, "gleichzeitig allen nur irgendwie möglichen Systemen einordnen, die als 135
letztes aller Nutzziele das höchste Wohl des Gemeinschaftsganzen der Gesellschaft gesetzt 394 haben".
Die Indexreihen sollen nach langjährigen statistischen Ermittlungen errechnet
werden. Die Kühnschen "sozialorganischen Nutzindexfunktionen" werden durch Gegenüberstellung von 4.Kurven verschiedener "Tauschwerte" mathematisch berechnet und sollen das Abhängigkeitsverhältnis zwischen erreichtem und begehrtem Nutzen ausdrücken. Dann werden Preisangebote und -nachfragen als Bedarfsäußerungen einbezogen, um einen Gradmesser für die Nutzzielerreichung zu gewinnen. Kühne meint zwar, daß man durch einen Vergleich mit dem erzielten Nutzen das Nutzstreben sowie Richtung und Erfüllungsgrad der Nutzerfüllung ausdrücken könne, läßt aber den Leser über die konkrete Verwendung der errechneten Kennziffern absolut im unklaren. Ein bemerkenswerter Erfolg war dem Reformierungsbestreben Kühnes nicht beschieden. Abgesehen davon, daß sein Buch dem Leser wenig Vergnügen bereitete, da der rote Faden nur schwer erkennbar blieb, weil das Einfügen einer Fülle ungeordneter Einzelprobleme, mit Zitaten reich gespickt, immer wieder auf thematische Abwege führte. Die Kritiken 395 waren daher einhellig ablehnend, das Buch bald vergessen. Wir registrieren die KUhnsche Eintagsfliege wegen ihrer Angriffe auf das hedonistische Prinzip und den streng mathematischen Funktionsbegriff einerseits und auf die Kausalforschung andererseits. S. Heiander baute seine "Theorie der Wirtschaftspolitik" mit Hilfe der Methode und 396 des Begriffsgebäudes der Grenznutzenschule auf. Während diese sowohl das Sein wirtschaftlich rational handelnder Menschen wie auch die Maxime des Sollens angebe, indem sie den homo oeconomicus voraussetze, könne man auch das wirtschaftspolitische Handeln erklären, wenn man ihm eine societas oeconomica gegenüberstelle. Auf deduktivem Wege will Heiander somit das "kollektive Wirtschaftshandeln in der Gemeinschaft" erschließen, dessen Zweck die "Erreichung des höchstmöglichen Volkseinkommens bzw. Volksvermögens" 397 sei.
Die Aufgaben der Wirtschaftspolitik würden geringer werden, je mehr sich das
Wirtschaftsleben einer inneren Proportionalität seiner verschiedenen Teile nähere. Die Anwendung des Marginalgedankens auf die Wirtschaftspolitik bedeute, die ökonomische Politik bis zu jener Grenze zu treiben, wo ihr Ertrag abnimmt, weil die lohnendere wirtschaftspolitische Maßnahme zuerst, die weniger lohnende jedoch später vorgenommen werde Dieser "formalen" Theorie der Wirtschaftspolitik ist heftig widersprochen worden. Es mußte bereits den Widerspruch der Grenznutzentheoretiker hervorrufen, ihre Theorie lediglich als normativ aufzufassen. Sie gaben vor, vom rationalen Verhalten der Menschen auszugehen und dies deuten zu können. Heiander habe jedoch Sollensregeln aufgestellt, die der Grenznutzenschule fremd seien. Außerdem wies G. Haberler in seiner Kritik an Heiander noch auf einen wichtigen Umstand hin. "Vergrößerung des Volkseinkommens" ist kein 136
eindeutiger Maßstab wirtschaftspolitischer Maßnahmen. Diese würden die Einkommen 398 verschiedener Personen in verschiedener Weise beeinflussen. Mit der These, daß der Einfluß auf das Volkseinkommen der entscheidende Maßstab 399 zur Beurteilung wirtschaftspolitischer Akte sei, stand Heiander keinesfalls allein. Die Problematik der Einkommensbildung ist ein Thema, das die bürgerlichen Ökonomen durch die Jahrzehnte hindurch beschäftigt hat. Selbstverständlich hat die Bourgeoisie ein objektives Bedürfnis zu wissen, welche Gesetze beispielsweise die Höhe des Profits bestimmen. .Da das Marktproblem unter anderem auch ein Preisproblem ist und da das Preisproblem weitgehend mit der Kostenfrage identifiziert wurde, hat die Vulgärökonomie der Frage der Ausgaben fUr die "produktiven Faktoren" die größte Aufmerksamkeit geschenkt. Im allgemeinen wurden die Einkommen in Verbindung mit der apologetischen "Produktionsfaktoren-Theorie" ohne die bedeutsame und unumgängliche wesentliche Differenzierung zwischen Lohn, Profit und Rente als Entgelt für geleistete Arbeit, also wie ein Preis für eine Ware, betrachtet. Diese Auffassung wurde von allen bedeutenden Schulen der Vulgärökonomie vertreten, einschließlich der Grenznutzenschule. Über die Frage, welchen Anteil jedoch die einzelnen Faktoren an der Wert- und Einkommensbildung haben, darüber haben sich die bürgerlichen Ideologen heftig gestritten und man bot verschiedene Lösungsversuche an, ausschließlich der wissenschaftlichen Erklärung von Marx, daß Profit und Rente Formen des Mehrwerts seien, die durch unbezahlte Mehrarbeit des unmittelbaren Produzenten geschaffen werden. Im allgemeinen suchten die Vulgärökonomen die Zurechnung als Wertaufteilung zu erfassen. Nach der Agiotheorie Böhm-Bawerks wird z.B. der Wert der Produktionsmittel nach dem Wert der Konsumwaren berechnet, d.h. nach dem Beitrag, den die letzteren für die Produktion leisten. Oder aber die erzielte Preissumme für die Ware wird auf die einzelnen Produktionsmittel direkt aufgeteilt. Die Erscheinung des Monopolprofits läßt die banale Erklärung, daß die Preissumme auf Grund von Beteiligung produktiver Faktoren aus Einkommen bestehe, jedoch als nicht plausibel erscheinen. Es treten daher Ökonomen auf, die von der bisherigen "Lösung" der Zurechnimg als Wertaufteilung abzukommen , 400 suchen. In der "Theorie der Haushaltswirtschaft" H. v. Stackelbergs fanden schließlich Elemente der Grenznutzenschule ihren Niederschlag in der modernen bürgerlichen Lehre von der 401 Konsumtion.
Sie legte Zeugnis davon ab, inwieweit eine im Jahre 1943 in Deutschland
erschienene Lehre endlich doch bedeutende Anleihen bei der vielgeschmähten "liberalistischen" Lehre zu machen vermochte. Stackelberg ist es zum großen Teil gelungen, Elemente der Grenznutzentheorie zu benutzen, um seine Konzeption auszubauen, die der 137
Regulierungsproblematik gewidmet war, einer Problematik, die die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Diese Thematik ist nicht erst mit der politischen Herrschaft der Faschisten in Deutschland aktuell geworden, doch erhält sie hier bald, wie wir sehen werden, einen beträchtlichen Auftrieb.
138
VI. Die "gelenkte Wirtschaft" und die ökonomische Theorie
Die Tage, die unmittelbar dem 30. Januar 1933 folgten, sind, wirtschaftspolitisch gesehen, 402 eher durch betonte Zurückhaltung charakterisiert als durch auffällige Aktivität. Bei der Behandlung des Problems der berufsständischen Ordnung und der Gleichschaltungskampagne -wurde darauf hingewiesen, daß, im Gegensatz zu innenpolitischen Maßnahmen, die Wirtschaftspolitik zunächst einmal kontinuierlich weiterlief und daß die faschistischen Parteifunktionäre von Hitler ermahnt wurden, keine Experimente in der Wirtschaft zuzulassen. In zunehmendem Maße wurde im Laufe der dreißiger Jahre Vias Prinzip der staatlichen Regulierung der Wirtschaft verfochten. Am 13. Juli 1933 hatte der damalige Wirtschaftsminister K. Schmitt in einer Rede noch dem staatlichen Interventionalismus abgeschworen, aber H. Schacht leitete als Reichsbankpräsident erste Finanzierungsmaßnahmen recht großen Stils ein, die in der Finanzierung der RUstung schließlich ihren Gipfelpunkt fanden. Im Zusammenhang mit der Aufrüstung steht die Veränderung, die in der Außenhandelspolitik vor sich ging. Dem steigenden Rohstoffbedarf stand ein Berg von Auslandsschulden gegenüber. Wollte man hier einen Ausweg finden, so bot sich die Einschränkung bestimmter Importe oder die Abwertung der Reichsmark als naheliegend an. Man entschloß sich für den ersten Schritt, was an sich keine ungewöhnliche Maßnahme war, die aber doch den Trend zur staatlichen Regulierung des Außenhandels deutlich macht. Als H. Schacht Mitte 1934 Wirtschaftsminister wird, beginnt eine strenge Kontrolle des Außenhandels, die als "Neuer Plan" deklariert wird. In der Folgezeit kommt es dann zu den im 2. Kapitel beschriebenen Maßnahmen und Situationen, die die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus charakterisieren, und in der zweiten Hälfe der Periode faschistischer Herrschaft in Deutschland wird es unter den bürgerlichen Ökonomen üblich, von einer "gelenkten Volkswirtschaft" zu sprechen. Hinter dieser Sprachregelung verbirgt sich die Apologie der zeitgenössischen Verhältnisse. 403 Wie I. G. Bljumin in seinem letzten Werk darlegte, werden die bürgerlichen Ökonomen dazu veranlaßt, sich mit der Tatsache der staatlichen Einmischung in die Wirtschaft, genauer gesagt, mit der Ausnutzung des Staatsapparates im Interesse der monopolisierten Bourgeoisie, auseinanderzusetzen. Die bürgerlichen Ökonomen rechtfertigen die staatliche Einmischung in die Wirtschaft, stellen das Verhältnis Staat und Wirtschaft in apologetischer Weise dar und arbeiten Grund139
Sätze und Methoden des Staatsinterventionismus aus. Es ist ein Grabgesang für den Liberalismus, der seine Ergänzung in antikapitalistischer Demagogie findet. Wie gezeigt worden ist, hat die Konzentration der ökonomischen Kräfte auf die Forcierung einer Rüstungswirtschaft Bedingungen geschaffen, die die staatsmonopolistischen Elemente verstärkten. Die Monopolbourgeoisie orientierte sich angesichts des Rüstungsbooms auf eine ziemlich weitgehende staatliche Kontrolle der Wirtschaft, auf gewisse Umstrukturierungen und auf eine ausgesprochene Defizitpolitik. Die Monopolbourgeoisie und ihre Ideologen, die bürgerlichen Ökonomen, waren in Anbetracht des konjunkturellen Aufschwungs und der zu erwartenden Riesengeschäfte durch Rüstung (und schließlich auch durch Raub fremden Vermögens in den Überfallenen Ländern) nur allzu gern bereit, die konventionellen Lehren "gesunder" Finanzpolitik auf den Scherbenhaufen zu werfen und auf die Forderung nach einem ausgeglichenen Staatshaushalt zu verzichten. So können wir in Deutschland die Besonderheit feststellen, daß die Konzeptionen der "regulierten Wirtschaft" in einer Konjunkturphase an Bedeutung zunehmen, während diese Konzeptionen im allgemeinen mehr in der Krise und Depression verbreitet sind. (Wie wir später noch sehen werden, hat Keynes daraus seine Hoffnung abgeleitet, daß seine "Allgemeine Theorie" in Deutschland weite Resonanz finden würde. Seine Hoffnung trog. Es kam zu keinem direkten und unmittelbaren Keynes-Frühling.) Das enorme Ansteigen der Nachfrage nach Kriegsmaterial, für das das "Reich" als Besteller auftrat, hat den Wunderglauben an die wohltuende Allmacht des Staates naturgemäß beträchtlich stimuliert und den Staatshaushalt als segenbringende Konjunkturspritze erscheinen lassen. Die auf der Rüstungskonjunktur basierende Stimmung ist ziemlich rosig, und dieser Optimismus steht in einem merkwürdigen Kontrast zum Pessimismus der Theoretiker, die Grund genug haben, Uber den Zustand der ökonomischen Lehre zu klagen, die den Anforderungen der Zeit nicht gerecht wird. Dieser Widerspruch zwischen dem Optimismus in der einen und dem Pessimismus in der anderen Sphäre hängt damit zusammen, daß es in der bürgerlichen Literatur keine rechte Erklärung für die Krise der bürgerlichen politischen Ökonomie gibt. Im allgemeinen erschöpft man sich darin zu konstatieren, daß man sich zerstritten habe und daß die Theorie von der Praxis sehr weit entfernt sei. Man spürt die Unzulänglichkeit der Lehre und täuscht sich gleichzeitig über die Stabilität der Prosperität in Deutschland, ohne für das eine noch für das andere eine fundierte Deutung zu haben. Der RUstungsboom-Optimismus, konkrete Veränderungen in der Ökonomik und Wirtschaftspolitik sowie der Totalitätsanspruch im "Dritten Reich" tragen dazu bei, daß die Forderung nach einem Überbordwerfen der alten, aus der diffamierten "liberalistischen Ära" stammenden Dogmen Resonanz findet. Tatsächlich passen die Dogmen von der 140
automatischen Selbstregulierung der kapitalistischen Wirtschaft nicht mehr in eine Zeit, in der die Regulierung der Wirtschaft mit Hilfe des Staates und im Interesse der Monopole praktiziert und (demagogisch verbrämt) proklamiert wird. Daher schreibt H. Peter mitten im zweiten Weltkrieg: "Die gelenkte deutsche Volkswirtschaft löst sich mehr und mehr von den überkommenen Vorstellungen der kapitalistischen Vergangenheit. Bei den Versuchen einer tieferen Fundierung der wirtschaftlichen Grundsätze stößt man immer auf die Schwierigkeit, das wirtschaftliche Erfahrungsgut aus der Hülle alter Formen herausschälen zu 404 müssen, die ihm die Theoretiker der kapitalistischen Epoche gegeben haben." In gleichem Sinne äußert sich auch H. Jecht im November 1940: "Die deutsche Wirtschaftspolitik seit 1933 hat zu einem tiefgreifenden Wandel der in früherer Zeit vorherrschenden Anschauungen über das Verhältnis des Menschen zur Wirtschaft geführt. Galt diese früher als schicksalhaftes Geschehen, das durch staatliche Eingriffe allenfalls in bestimmter Hinsicht beeinflußt und in seinen Auswirkungen auf den wirtschaftenden Menschen gemildert werden konnte, so hat sich nunmehr der Gedanke einer Meisterung durch bewußte staatliche Lenkung in immer stärkerem Maße durchgesetzt. Er zwingt auch die hartnäckigsten Verfechter des Grundsatzes wirtschaftlicher Selbstregelung zu einer Überprüfung ihrer Ansichten und legt der Wirtschaftswissenschaft die Pflicht zur Selbstbesinnimg über bestimmte 405 bisher als unanfechtbar angesehene Ausgangspunkte ihrer Lehre auf." Das Problem der staatlichen Einmischung in die Wirtschaft wird von den bürgerlichen Ökonomen mit der Illusion verknüpft, daß die Wirkung ökonomischer Gesetze wesentlich verändert würde und eine neue Epoche sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung zu verzeichnen wäre. Man verschweigt, daß der Staat die Interessen der Monopolbourgeoisie wahrnimmt, wenn er sich in die Wirtschaft einmischt, und gibt vor, daß der imperialistische Staat im Interesse der Gesamtheit des Volkes handele. Man bestreitet entweder, daß divergierende Eingriffe vorgenommen werden, die gegen die Lebensinteressen der Werktätigen gerichtet sind, oder aber man stellt diese Eingriffe als einen notwendigen Akt dar, der für die Allgemeinheit nützlich ist. Bezeichnend ist der demagogische Charakter der Darstellungen über das "Verhältnis von Staat und Wirtschaft". So schreibt z.B. L. Häberlein, daß nicht der Gedanke einer verbürokratisierten zentralen Planwirtschaft die nationalsozialistische Marktordnimg beherrsche, sondern eine "selbstverständliche Pflichtauffassung, mit der notwendige Bindungen und tragbare Beschränkungen im Interesse des Volkswohls übernommen werden". 4 0 6 Die "selbständig bleibende Tätigkeit und die Leistungen des einzelnen" würden durch "die politische Wirtschaftsführung nach großen einheitlichen Richtlinien und volkswirtschaftlichen Grundprinzipien in einen festen Rahmen eingeordnet und bekommen dadurch eine neue innere Richtung und innere Bindung an gemeinwirtschaftliche Ziele und öffentliche Aufgaben." 141
. . . "Der ruinöse, falsche Preis- und Machtwettbewerb des liberalistischen Systems der freien Wirtschaft, der den Wirtschaftskörper zerrüttete, wird ausgeschaltet, die Marktordnung jedoch gleichzeitig auf die Ebene eines gesunden, der Gemeinschaft dienenden und ftir die Weiterentwicklung förderlichen Wettbewerbs erhoben, der auf dem Prinzip 407 der Leistung beruht." Im Kreise von Finanztheoretikern und -praktikern hat die faschistische Zwangswirtschaft ihren unmittelbaren literarischen Niederschlag gefunden. Im "Finanzarchiv" finden wir daher auch die meisten und eindeutigsten Stellungnahmen zu dieser Problematik. E. Preiser schrieb z . B . : "Die deutsche Wirtschaftspolitik seit der Machtübernahme hat den Charakter der Wirtschaft von Grund auf verändert. Nicht nur Ziele und Methoden der wirtschaftspolitischen Beeinflussung haben sich gewandelt, ein408 neues Wirtschaftssystem ist entstanden: das System einer gelenkten Marktwirtschaft." Selbstverständlich fehlte es unter den Ökonomen nicht an eifrigen Befürwortern der "gelenkten Wirtschaft". So beeilte sich E. Egner, der "freien Marktwirtschaft" eine Grabrede zu halten: "Es muß die selbstherrliche Stellung des Individuums auf dem Markte beschränkt werden. Das ist der zentrale Punkt, von dem alles abhängt. Auch die kapitalistische Dynamik ist nur der Ausfluß des vom Einzelnen verfolgten Bereicherungsstrebens. Man kann aber nioht einfach den Menschen zwingen, wenn er nicht von einem dahinzielenden Wirtschaftsethos durchdrungen ist, von solchem Streben abzulassen und dafür den Grundsatz der Bedarfsdeckung wieder zu Ehren zu bringen. Wohl kann man ihn zwingen, auf dem Markte in seinem Handeln gewisse Grenzen, die von der Wirtschaftspolitik festgelegt werden, einzuhalten. Das ist der einzige Weg, der beschritten werden kann. Der freie Markt, der schon aus der Initiative der Wirtschaftenden heraus mehr und mehr von Bindungen durchsetzt wurde, muß jetzt systematisch mit Hilfe der Wirtschaftspolitik gebunden werden. Er ist organisatorisch zu überhöhen, damit eine Führung des Ganzen möglich ist, welche die im übrigen sich frei abwickelnden Marktvorgänge in den Grenzen halten kann, die von der wirtschaftlichen Vernunft gefordert werden. So können dem Marktautomatismus Schranken gesetzt werden. Eine solche Wirtschaftsordnung verlangt eine durchgehende Organisation der Marktparteien, damit ihr Gebaren von einer Stelle her kontrollierbar ist. Sie verlangt ferner eine Begrenzung der freien Preisbildung. Zwar kann man das Kankurrenzprinzip nicht einfach aufheben. Aber man kann verhindern, daß der Kampf um den Preis sofort auf den Markt getragen wird, statt möglichst durch Vereinbarungen zwischen den Unternehmern beendet zu werden. Die Maiktorganisationen müssen daher nach dem Vorbilde der Kartelle eine Politik der Preisfestlegung betreiben, die einer behördlichen 409 Kontrolle unterliegt."
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W. Neuling versucht, auf der Grundlage der Euckenschen Systematik und Terminologie im einzelnen abzuwägen, welche ökonomischen Bereiche einer staatlichen Lenkung entgegenkommen und auf welchen Gebieten es schwieriger sein wird, Lenkungsmaßnahmen rationell durchzuführen. So vertritt er z.B. die Ansicht, "daß die deutsche landwirtschaftliche Erzeugung in den Hauptzweigen auch durch alle wirtschaftslenkenden Maßnahmen nur recht 410 beschränkt und langsam geformt werden kann." Andere Elemente, wie z.B. die priva411 ten Haushalte, hätten sich als "hinreichend lenkungsfähig erwiesen". Insgesamt kommt Neuling zu dem Urteil, daß die "Elemente der Selbststeuerung" unter jener Wirtschaftsordnung, die er als "Wirtschaftslenkung" charakterisierte, sich teilweise noch als recht wirksam, in anderen ebenso wesentlichen Richtungen als ausschlaggebend zurückgedrängt erweisen. Und er schließt mit dem Satz: "Demgemäß kann die autoritäre Führung die Ansatzpunkte ihrer Eingriffe nicht beliebig wählen, wenn sie begründete Erfolgsaussichten haben will, sondern muß im wesentlichen auf bestimmten Wegen, wie den hier angedeuteten, ihren Zielen zustreben."412 H. Timm setzt in seiner Untersuchung der Beschäftigungsproblematik voraus, daß 413 eine unmittelbare Wirtschaftslenkung unvermeidbar ist. Auch G. Schmölders macht aus414 drUcklich die "gelenkte Wirtschaft" zum Gegenstand einer Untersuchung. Es ist bezeichnend, daß die Lobpreisung der Funktionen des bürgerlichen Staates häufig mit einer Ignorierung ökonomischer Kategorien, einem Nichteingehen auf grundlegende Ökonomische Fragen, verbunden ist. H. Schumacher z.B. behandelt in seiner 1943 erschienenen, fast 600seitigen Einführung in die Volkswirtschaftslehre keine ökonomischen Prozesse wie Warenströme, Marktlagen, Lohn-, Profit- und Preisbildung, sondern kritisiert die Mängel "freier Wirtschaft" und verherrlicht die dirigistischen staatlichen Maßnahmen. Der Staat, so meint Schumacher, müsse bei der Wirtschaftslenkung eine Synthese415 zwischen gesteuerter Wirtschaft und lebendiger Unternehmerinitiative zu gewinnen suchen. Im nationalsozialistischen Deutschland sei es gelungen, das Wirtschaftsleben von den Konjunkturschwankungen zu befreien und eine "Volkswirtschaft der Vollbeschäftigung" zu 416 schaffen.
Man habe mit Hilfe des Staates der Zerrüttung des Zahlungswesens entgegen-
treten können. Weil die "Selbststeuerung" versagt habe, sei man zur Devisenbewirtschaftung und schließlich zur völligen Kontrolle des gesamten Wirtschaftsverkehrs mit dem Ausland Ubergegangen und habe sich damit die Grundlage für eine vom Gold losgelöste Währung geschaffen. Damit seien in den Beziehungen zwischen Staat und Wirtschaft neue Verhältnisse geschaffen worden, die neu und stabil seien: "Da nicht angenommen werden kann, daß die früheren Zustände in ausreichendem Maße wiederkehren werden, wird auch auf diesem Gebiet die Stellung des Staates zur Wirtschaft eine völlig andere bleiben, als sie einst war und natürlich auch den Wünschen vieler entspricht."417 143
Van Schumacher darf man allerdings nicht erwarten, daß e r eine Analyse dieser neuen Beziehungen zwischen Staat und Wirtschaft vorlegt. Wie einige andere bürgerliche Ökonomen verzichtet e r auf die Analyse ökonomischer Kategorien gänzlich und erschöpft sich in sozialdemagogischen Phrasen und pseudowissenschaftlichen Ergüssen. Die Tatsache, daß sich viele Ökonomen wie Schumacher auf die Position einer Entökonomisierung der Ökonomie zurückziehen, schließt nicht aus, daß einzelne Ökonomen versuchen, in Detailuntersuchungen den neuen Verhältnissen Rechnung zu t r a g e n . 4 1 8 W. Huppert bemüht sich, gegen die Zurechnungslehre der Grenznutzenschule polemisierend, die Problematik der Einkommensteilung unter verschiedenen Gesichtspunkten, dem der "gelenkten Wirtschaft" und dem der "freien Marktwirtschaft" darzulegen. Dabei gelangt er zu dem Schluß, daß nur die erstere eine Verteilung nach der Leistung realisieren könne. In Auseinandersetzung mit der traditionellen Lehre, die recht oberflächlich geführt wird, stellt e r den "individualistischen Einstellung" dieser Lehre die durch nichts bewiesene und nicht zu beweisende Behauptung gegenüber, daß in der faschistisch "gelenkten Wirtschaft" mit Hilfe von Arbeitsanalysen eine "gerechte Verteilung der Einkommen", vor 419 allem aber eine Lohnberechnung möglich sei, die unabhängig vom Erzeugniserlös ist. Ein Versuch, die wirtschaftspolitischen Ambitionen und durchgeführten Maßnahmen systematisch zu verallgemeinern, ist allerdings nur in Ansätzen vorhanden und 420blieb im wesentlichen der bürgerlichen Literatur der Nachkriegsperiode vorbehalten. Man muß sich vergegenwärtigen, daß die eigentlichen divergierenden Eingriffe in das Wirtschaftsleben erst im Kriege, frühestens jedoch erst seit dem Jahre 1935 erfolgten, so daß nur ein historisch kurzer Zeitabschnitt für das Wirksamwerden einer modifizierten Auslegung gegeben war. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung hatte 1941 E. Preiser getan, als e r in 421 einer Zeitschrift die Begriffssystematik der "gelenkten Wirtschaft" zu erarbeiten suchte. Preiser, der zwischen "Wirtschaftslenkung" und "Zwangswirtschaft" unterschied, hatte das Thema ziemlich abstrakt behandelt. Dabei geriet e r mit konkreten Erscheinungen der ökonomischen Wirklichkeit Hitlerdeutschlands in Konflikt. Als Kriterium der beiden Typen sah er nämlich die Knappheit an; die "allgemeine Knappheit" liege jedem Wirtschaftsplan zugrunde, der "Zwangswirtschaft", so meinte er, jedoch eine "spezifische Knappheit" auf 422 Teilmärkten.
Der unübersehbare Mangel an Mitteln in verschiedenen Bereichen der
zeitgenössischen deutschen Wirtschaft mußte dann aber deutlich die von Preiser verleugnete Zwangswirtschaft in den Blickpunkt rücken. Auch H. Weigmann hat der Begriffssystematik Aufmerksamkeit geschenkt.
423 Er un-
terschied zwischen der als "Führungswirtschaft" ausgegebenen "Wirtschaftsplanung" und einer "zentralen Befehlswirtschaft". Erstere sei'dadurch charakterisiert, daß in ihr 144
prinzipiell keine Befehle, sondern nur Richtlinien, Hinweise und Empfehlungen gegeben werden. Auch hier stand die Praxis im Widerspruch zu der von Weigmann apostrophierten FOhrungswirtschaft. Weigmann, der diesen Widerspruch nicht überging, führte ihn darauf zurück, daß dieses System noch nicht den höchsten Grad seiner Lenkungsreife erreicht habe. W. Meinhold dagegen hat versucht, zwischen den Lenkungsmaßnahmen, von ihm mit dem Terminus "öffentliche Marktordnung" umschrieben, und den Prinzipien der freien Kon424 kurrenz eine Brücke zu bauen. Er bejahte die Frage nach der Möglichkeit, ob der "Wettbewerbsgedanke in das System der Marktordnung" einbaufähig sei und stellte damit einen Gesichtspunkt der Neoliberalen (von denen noch die Rede sein wird) in den Vordergrund. Schließlich muß man in diesem Zusammenhang noch W . Weddigen erwähnen, der wiederholt von der notwendigen Synthese der "Idee der Wirtschaftsfreiheit und der Idee der Wirtschaftsführung, des Individual- und des 425 Kollektivgedankens" gesprochen hat, die in der "gelenkten Wirtschaft" möglich sei. Die Verwirklichung dieser Synthese hat er schließlich darin gesehen, daß "durch eine zweckentsprechende Verteilung der wirtschaftlichen Führungsgewalten und Verantwortlichkeiten zwischen Einzelwirtschaften, 426 mittelstufigen Organisationen und Staat unter der Oberaufsicht des letzten" möglich sei. Die angeführten Schriften können kaum den Anspruch erheben, im strengen Sinne zur politokonomischen Literatur hinzugerechnet zu werden. Im Grunde genommen spiegelt sich in ihnen nur eine erste Selbstverständigung Uber die Auslegung neuer Erscheinungen wider, die die Ökonomische Praxis tatsächlich bot. Das Bemühen wird in ihnen erkennbar, diese Auslegung mit Sozialdemagogie und Antikommunismus zu verknüpfen. Der Antikommunismus hatte neue Nahrung bekommen, weil sich die deutschen Autoren verpflichtet fühlten, sich von der Planwirtschaft in der Sowjetunion zu distanzieren. Dagegen ist in theoriengeschichtlicher Hinsicht jene wirtschaftswissenschaftliche Literatur bedeutungsvoller, die sich der mathematischen Analyse bedient und die dem Trend der Formalisierung der bürgerlichen Ökonomie folgt. Mit Hilfe dieser Literatur wurde man in gewissem Maße der Zielsetzung gerecht, der Wirtschaftsführung einige Instrumentarien in die Hand zu geben. Die Vierjahresplan-Politik hatte diese Entwicklung beschleunigt. Die Volkswirtschaftsrechnung stand zur Diskussion und mit ihr die Frage des unumgängli427 chen Mittels: der Wirtschaftsmathematik. Die "Gemeinschaft von Förderern der mathematischen Wirtschafts- und Sozialforschung" hielt am 18. Januar 1936 ihre erste Tagung ab. Ihr war allerdings schon die Initiative von Wirtschaftspraktikem vorangegangen, die an der Entwicklung der Wirtschaftsmathematik ökonomisch interessiert waren. 145
Etwa um die Jahreswende 1934/35 hatte sich nämlich ein kleiner Kreis von Praktikern und Hochschullehrern zusammengefunden, um die in Deutschland arg vernachlässigte mathematische Wirtschaftsforschung zu betreiben. Die unter dieser Losung gegründete Gemeinschaft von Förderern sollte vor allem die Arbeiten des "Archivs für mathematische Wirtschafts- und Sozialforschung" unterstützten. Im März 1935 hatten sich 24 juristische Personen (darunter 2o Versicherungsanstalten) dazu bereitgefunden. A. Timpe, Professor für Wirtschaftsmathematik an der Technischen Hochschule Berlin und P. Riebeseil fungierten unter Mitwirkung von Prof. F. Burkhardt und den damaligen Privatdozenten H. Peter, E. Schneider und H. v. Stackelberg als Herausgeber des Archivs. Das Geleitwort zum Erscheinen des Archivs gab H. Peter, der im ersten Artikel die "Aufgaben und Grenzen der mathematischen Nationalökonomie" absteckte. Er suchte das Vorurteil zu überwinden, daß die Mathematik im ökonomischen Bereich nur im Versicherungswesen und einigen Randgebieten Heimatrecht habe. Die Behandlung der Nationalökonomie mit mathematischen Methoden begegne Bedenken, so meinte Peter. "Weil hier Mensch und menschliche Gesellschaft Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung ist, soll das rationale Instrument mathematischen Denkens unanwendbar sein. Sieht man genauer zu, so spalten sich die Bedenklichkeiten in zwei unterscheidbare Gedanken. Der eine richtet sich auf das Grundsätzliche und will die Mathematik aus allem verbannt sehen, was das geistig-seelische Leben des Menschen und seine Äußerungen im individuellen wie im sozialen Dasein betrifft. Der andere enthält nur Zweifel an der Möglichkeit, so verwickelte Fragen, wie sie beim Studium der Strukturen des gesellschaftlichen Prozesses auftreten, 428 mathematisch zu behandeln." Peter sieht die Aufgaben der "mathematischen Nationalökonomie" in der Beobachtung und Beurteilung der Art und Weise, wie sich die Glieder der Wirtschaft zum Ganzen fügen, um den Wirtschaftsprozeß beherrschen zu lernen. Es gehe dabei nicht darum, ein ökonomisches Problem mathematisch darzustellen, um es besser veranschaulichen zu können, sondern "es wird ein ökonomisches Problem formuliert und, da es (in dem vorausgesetzten Fall - W.K.) in der Frage besteht, was sich aus gewissen Größenbeziehungen schließen lasse, mathematisch behandelt und mit Hilfe mathe429 matischer Lehrsätze gelöst." Obwohl die mathematische Nationalökonomie im engeren Sinne die Theorie "der sich selber Uberlassenen freien Marktwirtschaft, des Prozesses einer Gesellschaftswirtschaft, wie er unter gegebenen Bedingungen abläuft, solange kein äußerer Eingriff erfolgt", sei, so würden mathematische Erkenntnisse gerade dann von Nutzen sein, "wenn in einem Volk an die Stelle der freien die zentral geführte Marktwirt 430 schaft tritt" Als es dann so weit war, daß die 1. Tagung der "Gemeinschaft von Förderern der mathematischen Wirtschafts- und Sozialforschung" mit parteiamtlicher Billigung stattfand,
146
durfte sich H. Peter bestätigt fühlen. Die Schirmherrschaft hatte der faschistische Ministerpräsident von Braunschweig, D. Klagges, übernommen, und seine Rede, die e r im Jargon der SA-"Helden" hielt, dürfte für die neue Einstellung, die einige faschistische Führer der Problematik entgegenbrachten, bezeichnend sein. Klagges führte u . a . aus: "Der Nationalsozialismus erwartet von der Wirtschaftswissenschaft nicht mehr und nicht weiliger wie die Schaffung einer wirklichen Volkswirtschaftslehre und die Durchführung einer ernstzunehmenden volkswirtschaftlichen Forschung. Beide sollen uns die Grundlagen schaffen f ü r die so dringend notwendige volkswirtschaftliche Rechnung, die eines der wesentlich neuen Momente in der nationalsozialistischen Wirtschaftspraxis d a r s t e l l t . . . Die Faktoren der privatwirtschaftlichen Rechnung sind Kosten und Tauschwert, ihr Ergebnis ist der private Nutzen, der Eigennutzen . . . Wir Nationalsozialisten haben diesen privatwirtschaftlichen Irrsinn (nur solche Dinge zu produzieren, die einen Gewinn bringen - W.K.) von vornherein als solchen erkannt und gebrandmarkt. Wir haben ihm eine volkswirtschaftliche Rechnung entgegengestellt, indem wir darauf hinweisen, daß es 'für die Volkswirtschaft durchaus nicht allein auf das Verhältnis von Kosten und Preis ankomme... Die Einführung der volkswirtschaftlichen Rechnung setzt . . . eine planmäßige Führung und Gestaltung der gesamten Volkswirtschaft voraus. Hin und wider trifft man noch auf Zeitgenossen, die das nicht begriffen haben und denen die steigende Bedeutung der planmäßigen Gestaltung und Führung auch im Wirtschaftsleben ein Dorn im Auge ist. Sie pflegen uns dadurch zu erheitern, daß sie immer wieder bedauernd erklären: ' So leid es uns tut, wir kommen doch immer mehr zu einer Art Planwirtschaft'. Diesen Trauerweiden einer vergangenen Zeit gegenüber stellen wir Nationalsozialisten uns einhellig hinter die Auffassung des Führers, der am Bückeberg unzweideutig erklärte: 'Wir kommen ohne Plan nicht aus. Nein, wir müssen planmäßig unsere Geschäfte und unsere Wirtschaft w a h r n e h m e n ' . . . . Wo aber geplant werden muß, da muß auch gerechnet werden . . . Es gibt nicht wenige Zeitgenossen, die bei einer solchen Behauptung blaß werden, Rechnung, Mathematik, exakte Forschung in der Nationalökonomie - nein! Das ist nicht idealistisch, das ist nicht nationalsozialistisch, das ist - o Schauder, - das ist marxistisch! . . . In Wirklichkeit dürften die Gegner exakter Methoden zu ihren Angriffen auch nicht so sehr bewogen werden durch die Sorge um die Kunst der Wirtschaftsführung, die sie sowieso kaum besitzen, als vielmehr durch die Angst vor der Technik, deren Beherrschimg sie sich selbst nicht zutrauen... Wenn sie auch nicht berufen ist, die Grundsätze für die nationalsozialistische Wirtschaftsführung aufzustellen - das ist durch den Führer im Programm der Partei und in der nationalsozialistischen Weltanschauung geschehen - so bleibt der Wirtschaftswissenschaft doch die Aufgabe, die Methoden auszuarbeiten, nach denen die Durchführung im Ganzen und im Einzelnen erfolgen kann. Das ist der Dankeszoll, den sie dem Führer und dem Dritten Reich schuldig 147
ist. Uns allen ist es ein tiefempfundenes Herzensbedürfnis, diesem Dank Ausdruck zu ge431 ben durch ein dreifaches Sieg-Heil auf unseren Führer und Reichskanzler Adolf Hitler. " Der Nachdruck, mit dem Klagges hier spricht und mit dem die Notwendigkeit der Mathematisierung unterstrichen wird, kommt nicht von ungefähr, denn die Diskreditierung mathematischer Methoden in der Wirtschaftslehre war tief verwurzelt und es darf bei aller Anerkennung der Tatsache, daß der Mathematisierungs- und Formalisierungstrend der ökonomischen Lehre auch am faschistischen Deutschland nicht spurlos vorüberging, nicht außer Acht gelassen werden, daß die Fürsprecher letzten Endes doch eine Minderheit blieben und daß sich die Verfechter als Rufer in der Wüste fühlen mußten. Auf der Tagung des "Vereins zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts" am 1. April 1937 stellte P. Riebeseil in einem Vortrag zum Thema "Wirtschaft und Mathematik" fest, daß man gegenwärtig teilweise "jede mathematische 432 Behandlung wirtschaftlicher Vorgänge für abwegig hält," und erläuterte die Aufgaben der mathematischen Wirtschaftswissenschaft in der Versicherungswirtschaft, im Bausparwesen, bei Rentabilitätsberechnungen, bei der Auswertung statistischer Untersuchungsergebnisse, bei der Tarifberechnung und in der Finanzwirtschaft. Riebeseil vertritt also eine auf die Wirtschaftspraxis ausgerichtete Mathematisierung der Ökonomie: "Unsinnig ist es, zu glauben, daß die Mathematik etwa beabsichtige, aus dem 'blauen Himmel' eine volkswirtschaftliche Definition abzuleiten. Die Aufstellung derartiger Theorien kann getrost den Dogmatikern der Volkswirtschaftslehre Uberlassen 433 werden, die der Führer so treffend in seiner Rede am 30. Januar 1937 gegeißelt hat." Einen anderen Weg ging H. Bolza, der einer extremen Mathematisierung das Wort 434 redete. Bolza hält nur die mathematische Methode für "positiv rational". Alle anderen werden als beschreibende Verfahrensweisen deklariert und mit der Bezeichnung "dialektische Methode" bedacht. Keynes wird zu den "Dialektikern" gerechnet, die von ihrer Schulzeit her der Mathematik abhold gewesen seien. Bolzas Abgott ist Pareto, der als einziger den Fehler vermieden habe, Soziologie mit Volkswirtschaftslehre zu vermischen. Er verlangt die Trennung zwischen den beiden Disziplinen und erklärt die Zinseszinsrechnung zum wichtigsten Mittel der Wirtschaftslehre, weil alle Schwierigkeiten, einschließlich der Krise, auf einen Mangel an Organisation des Geld- und Kreditwesens zurückzuführen seien. Man brauche nur das normale Maß des Unternehmergewinns, das seien 5 %, erhalten und bei der Ausdehnung des Zahlungsmittelvolumens beibehalten, dann seien alle ökonomischen Probleme gelöst. Wie bereits gesagt, muß man die Fürsprache in der richtigen Relation sehen; die Verfechter der mathematischen Lehre blieben ohne Zweifel eine kleine Gruppe und das Schicksal des "Archivs für mathematische Wirtschafts- und Sozialforschung" ist bezeichnend; 148
nach ein paar Erscheinungsjahren wurde sein Erscheinen eingestellt, während andere ökonomische Fachzeitschriften weiter erscheinen durften. Die angeführten Beispiele sind Ausdruck zeitpolitischer Aspekte und dürfen in ihrer Tragweite nicht zu hoch bewertet werden. Bedeutungsvoller als das tagespolitische Für und Wider zur Mathematisierung ist die allgemeine Tendenz zur Mathematisierung der bürgerlichen Wirtschaftstheorie, die sich auch im faschistischen Deutschland fortsetzte, denn die fachliche Diskussion war durch die Beiträge von Ökononomen beeinflußt, die im bürgerlichen Lager auf der Höhe internationaler Diskussion waren und die Probleme in den Mittelpunkt stellten, die für die Monopolbourgeoisie von allgemeinem Interesse waren. Es gab im faschistischen Deutschland also einige wenige Autoren, die in der Lage waren, den neuen Anforderungen annähernd nachzukommen, vor denen die bürgerlichen Ökonomen angesichts des neuen Reifegrades des monopolistischen Kapitalismus standen und ihnen einen Ausdruck zu verleihen, der ihrem bourgeoisen Klassenstandpunkt entsprach und gleichzeitig den neuen Verhältnissen Bechnung trug. Angesichts der politischen Intoleranz, derTheorienfeindlichkeit der politischen Machthaber und der Ambitionen der Hitlerfaschisten konnte ein Autor, der der NSDAP nahestand, zweifellos unbefangener und erfolgreicher operieren
als ein Ökonom, der sich durch Äuße-
rungen, sei es zu politischen Tagesfragen oder sei es zu den theoretischen Leistungen von Karl Marx, mißliebig gemacht hatte. Auch ausländische Stimmen standen nicht hoch im Kurs; sicher trug z.B. der Ubersteigerte Nationalismus dazu bei, daß die Lehre des Engländers J . M. Keynes zwar stark beachtet, aber nicht mit Enthusiasmus aufgenommen wurde. Welche Rolle das politische Engagement spielte, wird vielleicht am deutlichsten, wenn man den Werdegang H. v. Stackelbergs mit dem H. Peters vergleicht. Beide besaßen Fähigkeiten, die sie als Theoretiker der Bourgeoisie prädestinierten, beide waren eingefleischte Bourgeois und Apologeten der bürgerlichen Gesellschaft und ihre theoretischen Konzeptionen unterschieden sich nicht allzu bedeutend voneinander. Beide waren also aus einem Holz geschnitzt und trotzdem hatten sie ungleich Mühe, ihre geistigen Produkte an den Mann zu bringen. In den Nachrufen auf H. Peter
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wird mit Recht darauf hingewiesen, daß Peter 436 nicht zu den "populären" Ökonomen gehörte und daß e r in der bürgerlichen Ökonomie 437 eine gewisse "Sonderstellung" einnahm, Peter gehörte nicht zu den Karrieremachern des "Dritten Reiches". Obwohl auch er im Gebrauch der Phraseologie einige Konzessionen an die Ideologie der Hitlerpartei machte (so z . B . , wenn er die demagogische Losung "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" mit seinen Ausführungen über die Unterordnimg des P r i 438 vateigentums unter die "Volksgemeinschaft" stützt), hatte e r einige Schwierigkeiten, seine Qualitäten in einen honorigen Posten in der Wissenschaft umzumünzen. Gewiß stand 149
er mit seiner mathematischen Begabung, die seinen Ambitionen das Gepräge gaben, vor ähnlichen Problemen wie Stackelberg. Aber Stackelberg hatte bei aller Geisteeverwandtschaft in ökonomisch-theoretischen Fragen doch günstigere Startpositionen, wie z.B. seine Rührigkeit in faschistischen Organisationen zeigt. Peter dagegen gehörte der NSDAP nicht an und war, ähnlich wie Sombart, mit Marxismus-Studien in ein ungünstiges Licht geraten. W. Koch trifft daher etwa den Kern, wenn er darüber schreibt: "In einer Zeit, die der demagogischen Universitätspolitik Erfolgsmöglichkeiten gab, bot die wissenschaftliche Persönlichkeit von H. Peter viele Angriffsflächen. Seine geistige Genealogie war nicht einfach, enthielt aber im ökonomischen Bereich eine Häufung bedenklicher Gestalten: Ricardo, Marx, Oppenheimer... Die 'Belastung' durch die Mathematik trat hinzu... Peters Lage wurde erschwert durch sein Widerstreben, politische Auseinandersetzungen, die sich ein dünnes wissenschaftliches Mäntelchen umhängten, zu ignorieren. Schon die Tatsache, daß er im Jahre 1934 ein Buch - den zweiten Band seiner Grundprobleme publizierte, das zwar an Marx Kritik übte, aber doch auf Marx fußte, war ein Zeugnis großer Zivilcourage... Da die 'Erneuerung' der deutschen Volkswirtschaftslehre, die in Wirklichkeit Leugnung der reinen Theorie war, Erkenntnistheorie und Methodologie als Diskussionsebene wählte (daneben - in der speziell von Peter bekämpften Form - den Stammbaum der Theoretiker), gehörte Peter zu den Männern, die fähig waren, den Fehdehandschuh aufzunehmen. Was er damals in gedämpftem Zorn zur Verteidigung der theoreti439 sehen Forschung schrieb, gehört zur Geschichte der deutschen Volkswirte. Die Polemik 440 trug aber dazu bei, Peters Hochschullaufbahn zu knicken." Peter hatte 1921 mit einem sozialpolitischen Thema promoviert. Seine 1933 veröffent441 lichte Habilitationsschrift
wurde 1928 in Tübingen unter dem Titel "Kritisches zur
mathematischen Behandlung der ökonomischen Werttheorie" verteidigt. Ein Jahr nach der Veröffentlichung ließ Peter zu diesem theoretischen Thema einen zweiten Band erschei442 nen,
443 bis 1937 der dritte folgte.
Außerdem zeugten eine ganze Reihe wissenschaftli-
cher Artikel aus jener Zeit davon, daß Mitte der dreißiger Jahre unter den bürgerlichen Ökonomen kein unbeschriebenes Blatt war. Trotzdem setzten die Tübinger Wirtschaftswissenschaftler, bei denen er eine Assistentenstelle innehatte, ihren Antrag auf Verteilung der Titularprofessur an Peter nicht durch. 1935 lehnt der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung aus politischen Gründen ab, und 1938 legt er Peter die "Ergreifung eines anderen Berufes" nahe. Als er 14 Jahre nach der Habilitation, im Jahre 1942, zum außerplanmäßigen Professor ernannt wurde, blieb noch immer eine Berufung aus. Peter übte in der Zwischenzeit im •Reichswirtschaftsministerium eine Referententätigkeit aus (1939 - 1940) und wurde schließlich der Nachfolger von Stackelberg im "Arbeitswissenschaftlichen Institut" der sogenannten "Deutschen Arbeitsfront". Diese Tätigkeit ließ ihm
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die Möglichkeit, seine Arbeiten über die Kreislauftheorien fortzusetzen. Als e r nach dem Kriegsende endlich das ersehnte Ordinariat erhielt, konnte er daher eine erhebliche Anzahl
444 theoretischer Abhandlungen aufweisen. Das Schicksal H. Peters ist deshalb so bezeichnend für die damalige Situation, weil gerade e r , neben H. v. Stackelberg, mit seinen theoretischen Arbeiten der Bourgeoisie in Deutschland größere Dienste geleistet hat als kaum ein anderer Apologet des staatsmonopolistischen Kapitalismus, daß er also mit seiner theoretischen Konzeption der adäquaten Lehre näher kam als andere bourgeoise Denker in Deutschland. Zunächst hat jedoch Stackelberg mit seinen Schriften eine größere Wirksamkeit e r z i e len können. E r bestimmte den allgemeinen Leistungsstand der bürgerlichen Ökonomie mit und vermochte bei seiner Polemik gegen retardierende Kräfte und Schwätzer dank seiner langjährigen Zugehörigkeit zur NSDAP und SS dem theorienfeindlichen Trend in der faschistischen Wissenschaftspolitik einigermaßen entgegenzuwirken. Stackelberg hat durch sein politisches Engagement mehr Nachsicht erwarten können als andere, deshalb wurde seine Laufbahn nicht "geknickt", wenn seine theoretischen Höhenflüge nicht immer ganz mit der Sprachregelung der Hitlerpartei Ubereinstimmten. Dabei war Stackelberg selbst ein eingefleischter Faschist und der Widerspruch lag auch nicht in der politischen Grundhaltung, sondern in dem Gegensatz zwischen dem Irrationalismus der "nationalsozialistischen Weltanschauung" und dem Bestreben, die ökonomischen Zusammenhänge zu deuten und apologetisch diese Deutung für die Bourgeoisie nutzbar zu machen. Daß Stackelberg wie anderen modernen bürgerlichen Ökonomen bei diesem Vorhaben Grenzen gesetzt sind, steht auf einem anderen Blatt und steht außer Frage; die Schriften von Stackelberg und Peter sind trotz ihrer Ausnahmestellung von den gleichen Schwächen geprägt, durch die die bürgerliche politische Ökonomie insgesamt charakterisiert ist. E s kann an dieser Stelle auch nicht auf das Gesamtwerk dieser beiden Ideologen eingegangen werden, das bereits von K . Müller umfassender eingeschätzt wurde, als es hier geschehen kann und w i r beschränken uns auf die wichtigsten Themen, die von Stackelberg, Peter und anderen 445 Autoren in der Zeit der faschistischen Herrschaft zur Diskussion gestellt wurden. Was Stackelberg betrifft, so hat e r vor allem durch seinen Beitrag zur bürgerlichen Marktformenlehre das internationale Niveau der bürgerlichen Wirtschaftslehre mitbestimmt. Bekanntlich stellt die bürgerliche Marktformenlehre eine eigenartige Form der Apologie der Monopole dar, die im Ausland u . a . durch P . Sraffa, J . Bobinson, E. Chamberlin entwickelt wurde.
Der Deutsche Stackelberg hatte gleichfalls maßgeblichen Anteil an der Formulie-
rung dieser Lehre. Methodisches Ausgangsprinzip der Auffassung dieser Autoren war die These, daß der Kapitalismus in der Bealität durch eine Mischung von Elementen des Mano446 pols und der Konkurrenz charakterisiert sei. Vor allem in der "Theorie des monopoli151
stischen Wettbewerbs" ist später diese These Sraffas (aus dem Jahre 1926) ausgebaut worden. Das Wesentliche an dieser Version ist daran, daß die Verfasser nicht die Formen der Monopolvereinigungen wie Kartelle, Trusts und Syndikate erörtern, sondern stattdessen eine ganze Reihe von Zwischenstufen zwischen dem "reinen Monopol" und der "totalen Konkurrenz" konstruieren, um den Monopolcharakter der großen Unternehmen zu vertuschen. Es wird dabei geleugnet, daß es ein sogenanntes reines Monopol gar nicht gibt und vorgetäuscht, daß Monopole eigentlich eine sehr große Seltenheit darstellten. Demgegenüber stellen die Autoren das sogenannte Oligopol als dominierende Form vor, bei dessen Existenz es keine "vollkommene" Konkurrenz, sondern eine Beherrschung des Marktes durch einige wenige Wirtschaftssubjekte gäbe. Stackelberg hat in seinem Buch "Marktform 447 und Gleichgewicht", das 1934 in Wien und Berlin erschien, und in anderen Schriften seinen Beitrag zur Entwicklung dieser Theorie geleistet, indem er die Marktformen anschaulich systematisierte und die Oligopoltheorie weiter ausbaute. Die Oligopoltheorie entwickelte Stackelberg am Beispiel der Dyopoltheorie (das Dyopol ist danach ein Sonderfall des Oligopols, bei dem nur zwei Unternehmer auf der Angebots- oder Nachfrageseite in Erscheinung treten), wobei er hier wie an anderen Stellen seine Konzeption mit einer448 direkten Rechtfertigung der staatsmonopolistischen Wirtschaftsintervention verknüpfte. Eine andere Thematik, die auf der Höhe der internationalen Diskussion in der bürgerlichen politischen Ökonomie war und die im Zusammenhang mit der Reife des staatsmonopolistischen Kapitalismus steht, war die Theorie des wirtschaftlichen Kreislaufs. Die Problematik der bürgerlichen kreislauftheoretischen Forschung kann hier nur angedeutet werden. Sie ist an anderer Stelle von K. Müller in allerjüngster Zeit auch um449 fassend dargelegt worden.
Er machte mit Recht darauf aufmerksam, daß der Beitrag
deutscher bürgerlicher Kreislauftheoretiker von Bedeutung ist; sie beeinflußten die Entwicklung der kreislauftheoretischen Forschung entscheidend und einige von ihnen erlangten einen maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung der modernen bürgerlichen politischen Ökonomie und einiger wirtschaftswissenschaftlicher Disziplinen, da sich die moderne bürgerliche kreislauftheoretische Forschung auf die Analyse des gesellschaftlichen Repro450 duktionsprozesses im staatsmonopolistischen Kapitalismus ausrichtet. Man suchte den gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß empirisch zu erfassen, trug aber andererseits mit der Kreislaufkonzeption wenig zu der ausstehenden Lösung theoretischer Probleme bei. Die bürgerlichen Kreislauftheoretiker untersuchen zwar objektive ökonomische Erscheinungen und Prozesse des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses im Kapitalismus. Sie dringen dabei aber nicht zu den gesetzmäßigen Grundbeziehungen und bestimmenden Komponenten dieses Prozesses vor. Ihre Klassenposition verhindert, daß sie in ihrer reproduktionstheoretischen Analyse bis zu den Grundbeziehungen des 152
gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses der kapitalistischen Wirtschaft vorstoßen.
451
Die bürgerlichen Kreislaufforschung erfüllt wirtschaftspolitisch-praktische Bedürfnisse der Monopolbourgeoisie und erweckt darüber hinaus den Anschein, daß die moderne kapitalistische Wirtschaft grundsätzlich regulierbar sei. Dieser Umstand erklärt, warum in der Zeit der faschistischen Herrschaft die bürgerliche kreislauftheoretische Forschung einen gewissen Fortschritt machte und die Kontinuität ihrer Entwicklung damals keineswegs unterbrochen wurde. Da das Schicksal des einzelnen Unternehmers wie das ganzer Volkswirtschaften u . a . von den Bewegungen der Marktpreise abhängig ist, oder, anders ausgedrückt, da die Höhe des Profits als in direktem Zusammenhang mit den Preisschwankungen stehend erscheint, sind die Bildung des Preises und die Faktoren seiner Veränderung eines der Phänomene, das die Bourgeoisökonomen am brennendsten interessiert. Mit Hilfe eines Schemas der Kreislaufwirtschaft suchte man die Gesetze darzustellen, nach denen Angebot, Nachfrage und Preise auf dem Markt in gegenseitiger Abhängigkeit variieren. Die Konstruktion des Schemas setzte voraus, daß die Vorgänge in der Wirtschaft in ungestörter Harmonie ablaufen und daß es äußere Einwirkungen, die die Warenquantitäten und Preisgröße verändern, nicht gibt. Anhand dieses, von allen anderen Faktoren abstrahierten Schemas sollten die Reaktionen der Preise und Warenmenge auf die geringsten Veränderungen der Faktoren beobachtet werden. In Deutschland hatte man sich seit den zwanziger Jahren besonders intensiv mit der Kreislaufproblematik beschäftigt. Der Beginn der Periode der relativen Stabilisierung des Kapitalismus war ein fruchtbarer Nährboden für die Kreislauftheorie, da die gerade erst überstandene Krisensituation in der Wirtschaft und die neue Aufschwungphase das Problem der Zyklizität der ökonomischen Entwicklung in den Vordergrund theoretischer Betrachtungen rückte. Man stützte sich in jener Zeit vornehmlich auf die theoretischen Arbeiten J . A. Schumpeters, der kurz vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges und während des Krieges einige bedeutsame Schriften herausgab, die nicht nur für die bürgerliche Kreislaufforschung richtungweisend wurden, sondern die darüber hinaus auch für die bürgerliche 452
politische Ökonomie insgesamt schulemachend gewirkt hatten. Schumpeter arbeitete das Problem der Wirtschaftsdynamik heraus und lenkte die k r e i s lauftheoretische Forschung in die Bahnen eines auf die Beschreibung der Erscheinungen 453 der kapitalistischen Waren- und Geldzirkulation orientierten Empirismus.
Damit gab
e r der kreislauftheoretischen Forschung in Deutschland eine Orientierung, in der das wirtschaftspolitisch-praktische Element Uberwog. Einer der ersten, der in diese Richtung marschierte, w a r E . Wagemann, der mit Hilfe kreislauftheoretischer Ableitungen, denen simultan verlaufende Güter- und Geldkreisläufe zugrunde gelegt wurden, die Beziehungen 153
zwischen Gruppen von Zahlungs Vorgängen systematisch zu erfassen suchte, um eine tiefere Einsicht in die Finanzbeziehungen zu erlangen. Im Jahre 1933 schließlich hat F. Grünig die von Schumpeter entwickelte und von Wagemann teilweise konkretisierte Auffassung iiber den wirtschaftlichen Kreislauf einen Schritt 454 weitergebracht.
F. Grünig betrachtete den Wirtschaftskreislauf, ausgehend von der
Krise nach dem ersten Weltkrieg, mit der Vorstellungskraft eines Naturwissenschaftlers und entlehnte das entsprechende Vokabularium der Mechanik. Der reibungslose Wirtschaftsablauf wird mit einem Stromkreislauf verglichen, der allerdings quantifiziert wird. Grünig schwebt vor zu zeigen, wie verschiedene Kreisläufe, so Produktion und Konsumtion, mit Hilfe von Kapitalinvestitionen in Einklang gebracht werden können. Seinem dazugehörigen Modell legt der Autor die volkswirtschaftlichen Güter- und Geldströme zwischen einzelnen Wirtschaftseinheiten zugrunde. Er drängt auf die statistische Verifizierung dieser Ströme und wird damit zum "Begründer der modernen bürgerlichen volkswirtschaftlichen Gesamt455 rechnung, der empirischen Kreislaufforschung" . Grünig hat die Forderung erhoben, die Zirkulationssphäre der Wirtschaft nicht nur in ihrer volkswirtschaftlichen Gesamtheit, sondern auch im Einzelnen zu untersuchen, um ein lebensnahes Instrument für die praktische Wirtschaftspolitik zu erhalten. Wie Müller berichtet, hat Grünig auch Schritte unternommen, um den deutschen Industriellen mit Krupp an der Spitze die wirtschaftspolitische Praktizierung seiner Konzeption zu demonstrieren. Grünig trat in einem internen Kreis dafür ein, eine Statistik auf kreislauftheoretischer Grundlage aufzubauen, um die Reproduktionsbeziehungen mit Hilfe einer Verflechtungsbilanz für die staatliche Wirtschaftspolitik sichtbar zu machen.456 Wie bei Grünig, so finden wir auch 457wenige Jahre später eine vollständige Darstellung Er teilt seine Untersuchung in die Kinematik und einer Kreislauftheorie bei C. Föhl. die Dynamik ein. In der Kinematik will er die Bewegungsmöglichkeiten analysieren, die sich aus einer Wirtschaftsstruktur ableiten lassen, die auf der Arbeitsteilung beruht. In der Dynamik sucht er den Gesamtprozeß im Zusammenhang mit den Triebkräften darzu45 & stellen. Die Demonstration des Kreislaufs erfolgt mit Hilfe eines Wirtschaftsmodells, bei dem zwischen einer Gruppe von Unternehmungen, die Konsum- und Investitionsgüter erzeugen, und einer anderen Gruppe von Einkommensbeziehern, die zur Produktion beitragen, die Ströme von Gütern und Zahlungsmitteln verfolgt werden. Ein geschlossener Kreislauf erfordert, daß die Ströme, die von einer zur anderen Gruppe laufen, in ihrer Quantität der gegenläufigen entsprechen. Sei das nicht der Fall, so entstünden neben dem Kreislauf noch andere Ströme, die in den Kassenbeständen der Gruppen unterschiedliche Größenordnungen verursachen würden, wenn nicht zusätzliche Zahlungsmittel geschaffen werden. In der Dynamik würden diese Verschiebungen von Geldvorräten tatsächlich stattfinden, der Kreislauf wäre also dort offen. 154.
Eine wichtige Nutzanwendung seines Kreislaufmodells sieht Fohl in der Aufdeckung der Wirkung bestimmter Faktoren, die zu Störungen oder Modifizierungen des Kreislaufs führen. So könnte z.B. eine Zunahme der Hortung von Zahlungsmitteln zum Rückgang des Warenumsatzes und der Profitgröße führen. Die Entschlüsse der Unternehmer auf Grund der veränderten Geschäftslage führten dann zu "Umlenkungen der Produktionsfaktoren", die Föhl eben nicht in Güterquantitäten fixieren will, sondern in Geldströmen. Die Gesamtzusammenhänge in der Dynamik will Föhl durch Diagramme wiedergeben, so z.B. durch eine Kurve der Investitionskosten in ihrer Abhängigkeit von der Zinsfußhöhe, durch eine Kurve der Sparsumme der Gesamtbevölkerung in ihrer Abhängigkeit von der Gesahitbeschäftigung. Bereits H. Bolza hatte empfohlen, aus dem Kreislaufmodell das adäquate Zahlungsmit.459 telvolumen abzulesen.
Föhl ist ihm auch in dieser Richtung gefolgt und geht noch einen
Schritt weiter, indem er seine Ansicht über die Regulatorfunktion des Zinsfußes exakt formuliert: "Es gibt einen Zinsfuß, bei welchem die Investition ein solches Maß annimmt, daß die dabei effektiv werdende Gesamtnachfrage nach Produktivkräften gerade der Arbeitskapazität entspricht."^ 60 Bei jedem Beschäftigungsgrad ermögliche ein Zinswert das Gleichgewicht, so daß der zur Vollbeschäftigung gehörige Wert aus der Reihe der Gleichgewichtszinsen der "natürliche Zins" sei. H. Bolza weist einen "neuen Weg zur Erforschung und Darstellung volkswirtschaftlicher 461 Vorgänge",
der sich bei genauerem Hinsehen als ein bereits ausgetretener Pfad er-
weist. Er unterschied "Menge" und "Leistung" in bezug auf ökonomische Prozesse und stellte beide als Funktion der Zeit graphisch dar, um die Dynamik dieser Prozesse deutlich zu machen. Als "Menge" bezeichnete er die Addition der Teilmengen zu einem bestimmten Zeitpunkt, während er "Leistung" als die in einer Zeiteinheit angefallene Zusatzmenge definierte. Wie E. Schneider nachwies, ist die von Bolza als neu empfohlene Methode 462 bereits seit langem von Tinbergen und Frisch angewandt worden. H. Peter lehnte die Methode Bolzas aber rigoros ab, weil .sie nicht "diejenigen Funktionen der Lausanner mathematischen Ökonomik463 zu ersetzen vermag, die der Verfasser aus der Ökonomik ausgeschieden haben w i l l . . . " , und weil sie nicht in größere Tiefen führe als die bisherige Methode. H. Peter war die dominierende Figur in der Diskussion um die Entwicklung der bürgerlichen Kreislauftheorie. Er äußerte die Meinung, daß die reine Theorie bereits ausreichend gereift sei, um der Praxis Hilfestellung zu leisten: "Die reine Theorie ist zum Teil weit Uber das Maß hinaus entwickelt, das zur Bewältigung der gestellten praktischen Aufgaben notwendig wäre. Aber sie hat für die Bewältigung dieser Probleme nur gewisse abstrakte Denkformen entwickelt, und sie ist nicht Imstande, die Daten, um deren Verknüpfung sie 155
sich bemüht, durch statistische Beobachtungen zu konkretisieren."
464
In dem ersten Band seiner "Grundprobleme der theoretischen Nationalökonomie" hält Peter die subjektive Wertlehre zur Aufhellung der Preisgründe für ungeeignet, weil sie stets von Vorräten an Gütern ausgehe. Das aber sei wirklichkeitsfremd und negiere das wichtige Kostenmoment. Er versucht daher, unter Berücksichtigung sowohl der subjektiven als auch der objektiven Wertlehre, die "Teiltheorien" zu einer vollständigen Preistheorie 465 zu ergänzen. Peter ersetzt die Profittheorien, die von Ausbeutung sprechen, durch eine pseudowissenschaftliche Aufschlagstheorie. Danach folgt aus der Monopolstellung eines Vermögensbesitzers, über die dieser gegenüber dem Nichtbesitzer verfügt, daß der Kapitalbesitzer gegenüber dem "Verkäufer der Arbeit" immer einen Preisaufschlag realisieren kann. Peter leitete diese These aus dem Unterschied zwischen "spezifisch seltenen" und "beliebig vermehrbaren Gütern" ab. Der Besitzer habe zunächst durch Naturgaben einen Vorteil und werde dann aber Monopolist durch Kapitalkonzentration.Während der Profit also ein Aufschlag auf die Produktionskosten sei, weil der Kapitalbesitzer der ökonomisch stärkere sei, stehe "der Preis der Arbeit infolge der hohen Dringlichkeit des Austauschbe„. . . j . .. 467 dürfmsses niedrig". Der unmarxistische, apologetische Charakter dieser "Aufschlagstheorie", in der die wissenschaftlichen Erkenntnisse der marxistischen Wert- und Mehrwertlehre eliminiert werden, ist offensichtlich. Doch damit nicht genug; Peter folgt der unter bürgerlichen Ökonomen weit verbreiteten Meinung, daß ein Widerspruch zwischen den Aussagen des I. Bandes des "Kapitals" von Marx und dem m . Band bestehe, ein Widerspruch zwischen der Marxschen Wertlehre und der Erklärung des Produktionspreises durch Marx. Das ist eine Behauptung, die die Klassiker des Marxismus bereits zu ihren Lebzeiten widerlegt haben, die aber aus mangelndem Verständnis für die Marxsche Lehre bis heute von bürgerlichen Ideologen nachgeplappert wird. Peter erklärt die Marxsche Feststellung, daß der Produktionspreis dem Wert entspreche, daß der Mehrwert in der Wertrechnung letztlich dem der Preisrechnung entspreche, für eine unbegründete dogmatische Prämisse und verwirft die Marxschen Reproduktionsschemata als eine falsche Konstruktion. Gleichzeitig verwendet er Gedankengänge und die Terminologie von Marx. Damit setzte sich Peter zwischen die Stühle. Einerseits trat er als Verfälscher der marxistischen ökonomischen Lehre auf, andererseits ging er zu einer Zeit in Deutschland mit pseudomarxistischen Lehren hausieren, als es in der Öffentlichkeit politisch nicht mehr opportun war, von Marx als bedeutendem Wissenschaftler zu sprechen. Er knüpft nämlich auch in den folgenden Jahren an den ersten Band seiner "Grundprobleme der theoretischen Nationalökonomie" an, der 1933 erschienen war. 156
Im zweiten Band, der ein Jahr darauf erscheint, will Peter untersuchen, wie sich der Wirtschaftsablauf bei Änderung der "Daten" ändert. Diese Daten teilt Peter in drei Gruppen ein, die psychologischen, die technischen und die soziologischen. Da e r den technischen Bedingungen die Hauptrolle für die Entwicklung beimißt, handelt Peter besonders die Veränderungen der Produktionsinstrumente ab. Im Mittelpunkt stehen dabei die Erörterungen, wie die veränderte Produktivität sich auf die Verhältnisse zwischen Kosten und Gewinn auswirken. Aus der Gegenüberstellung von Lohnquote und Profitquote leitet e r seine Auffassung von der Rentabilität ab und kommt zu folgendem Schlußergebnis: "Daß in der kapitalistischen Wirtschaft in Ubermäßigem Tempo akkumuliert wird, ist durch das Versagen der Selbststeuerung bedingt. Die Profitrate zeigt auch dann noch steigende Tendenz, wenn die Verhältnisse schon so liefen, daß eine weitere Akkumulation - insbesondere aber ein weiteres Beschleunigen derselben - ungünstig zunächst auf die Rentabilität und dann auf die ganze Wirtschaft wirken muß. Die Selbststeuerung der kapitalistischen Wirtschaft aber versagt, weil die Lohnquote sinkt. Die Akkumulation erfolgt auf Grund 'heteronomen' Sparens... Wenn die Selbststeuerung der kapitalistischen Wirtschaft in Ordnung wäre, so würde die komparative Statik einen Stand zeigen, bei dem der Profit, wenn nicht gleich 468
bliebe, so doch eine stetige und wohl langsame Entwicklung zeigte." Peter konstruiert eine Reihe von Modellen und will daran die Kreislaufbedingungen systematisch erörtern. Da e r jedoch die Gliederungen der Abteilungen der gesellschaftlichen Produktion in die Wertbestandteile konstantes und variables Kapital und Mehrwert 469 bei der Analyse vernachlässigt, gelangt e r schließlich zu einem aussagearmen Modell. Während die ersten beiden Bände theoretischen Problemen gewidmet waren, sollte der dritte Band die Anwendung der Theorie auf konkrete ökonomische Prozesse darstel470
len.
Ohne ausdrückliche Empfehlungen zu geben, hat Peter einige praktische Fragen der
Wirtschaftspolitik behandelt, in denen der Interventionismus im Vordergrund der Betrachtung steht. Arbeitskräftelenkung, Zinspolitik, Rationalisierungsfragen, Rüstung und Kriegswirtschaft stehen im Mittelpunkt bzw. am Schlußpunkt der Untersuchung. Im Zusammenhang mit der Frage nach seiner eigenen Weltanschauung betonte Peter, daß die Kontinuität der ökonomischen Entwicklung trotz aller Sonderansprüche der Faschisten, die sich die Revolutionierung der bürgerlichen Gesellschaft zugute hielten, gewahrt sei. So schreibt er im dritten Band seiner "Grundprobleme": "Der hier vorgelegte Band soll nun neben der Klärung einiger sachlicher Fragen auch den Nachweis erbringen, daß liberalistische und nationalsozialistische Wirtschaft sich wohl weltanschaulich von Grund auf unterscheiden und daß deshalb die Aufgaben, die der Wirtschaftspolitiker zu lösen hat, heute einem anderen Geiste entspringen als früher, daß aber z . B . die Kreislaufbedingungen 471 der Volkswirtschaft, die Preisgesetze und vieles andere völlig unverändert geblieben sind." 157
Anfang der vierziger Jahre hat H. Peter dann die formale Kreislauftheorie weiter 472
ausgebaut.
Sie ist von K. Müller ausführlich interpretiert und kritisiert worden. Er
kam dabei u.a. zu folgender Wertung: "Hans Peters Kreislaufstrukturkoeffizienten bieten einen allgemeinen Einblick in die quantitativen Beziehungen einer gegebenen Volkswirtschaft. Voraussetzung für ihre wissenschaftliche Anwendung ist allerdings, daß die ökonomisch-inhaltliche Definition der einzelnen Kreislaufpole des gegebenen Kreislaufmodells objektiven ökonomischen Bedingungen entspricht. Die von Hans Peter am abstrakt-formalen Kreislaufmodell erarbeiteten mathematischen Ableitungen besitzen ihre Vorzüge. Durch die Einfügung des quantitativen Kreislaufaxioms ist die Möglichkeit gegeben, jedes beliebige Kreislaufschema (mit beliebiger Polzahl) in ein System linearer Gleichungen über die Kreislaufstruktur mühelos umzuwandeln. Der allgemeine Charakter der Peterschen Strukturlehre des Wirtschaftskreislaufes bietet außerdem die Möglichkeit, die einzelnen Kreislaufströme in funktionale Beziehungen zu setzen. So lassen sich über bestimmte makroökonomische Beziehungen tiefere Einsichten 473 gewinnen."
" . . . Die entscheidende Bedeutung der von Hans Peter ausgearbeiteten
mathematischen Strukturlehre des Wirtschaftskreislaufes liegt vor allem darin, daß hiermit dem Wirtschaftspolitiker ein gewichtiges analytisches Instrumentarium in die Hand gegeben wurde. Die Strukturlehre des Wirtschaftskreislaufes fand ihre theoretische Ergänzung in der Ausarbeitung eines umfassenden, statistisch verifizierbaren gesamtwirtschaftlichen Kreislaufmodells. Zur Verwirklichung des wirtschaftspolitisch-praktischen Ziels der modernen bürgerlichen kreislauftheoretischen Forschung nahm vor allem seit dem zweiten Weltkrieg die bürgerliche volkswirtschaftliche Gesamtrechung und Geldstromanalyse einen 474
großen Aufschwung."
Auch Stackelberg hatte seinen Beitrag dazu geleistet.
Stackelberg hat das kapitalistische Wirtschaftssystem als ein System von Güter- und Geldströmen charakterisiert und ist dann auf den Regulierungsmechanismus dieser Ströme näher eingegangen. Stackelberg stellte sich die Aufgabe zu untersuchen, welchen Kreislauf das Geld zwischen den beiden Polen Betrieb und Haushalt vollführt, während die Ware ihren einmaligen Weg zwischen beiden Polen nimmt. Als bestimmenden Faktor des Zirkulations475 Prozesses sieht Stackelberg, neben der Feldmenge, die Preise an. Müller weist mit vollem Recht darauf hin, daß Stackelberg, ungeachtet dessen, daß der Markt und die Preise in dessen Darlegungen über den "Begulierungsmechanismus des verkehrswirtschaftlichen Kreislaufes" vorrangige Bedeutung einnehmen, die Frage nach der objektiven Grundlage des Preises nicht gestellt hat. Die Frage bleibt offen, ob Stackelberg es trotz seiner vulgärökonomischen Konzeption vermag, einige wichtige Aussagen Uber die Funktion des Preises zu machen. Stackelberg hatte unterstellt, daß für jede Ware zu einem bestimmten Zeitpunkt auf dem Markt ein Gleichgewichtspreis möglich sei, der 158
Angebot und Nachfrage ausgleiche. Wenn man das Gleichgewichtspreissystem im Prinzip durchsetze, so meint Stackelberg, dann sei der gleichgewichtige Zustand des kapitalistischen Wirtschaftssystems dauerhaft gewährleistet. Wo für einzelne Waren abweichende staatliche Preisregulierungen unumgänglich wären, müßte durch die Beeinflussung der Preise anderer Waren das Gleichgewicht wieder hergestellt werden. Stackelberg entwickelte eine Lehre vom Preismechanismus in der Marktwirtschaft, in der die Haushalte ihre Nachfragewünsche über den Preismechanismus in der Volkswirtschaft durchsetzen. Er übernahm in seine Theorie die von Fisher und Cassel entwickelte Verkehrsgleichung, wonach in einer bestimmten Zeiteinheit die Wertvolumen der Güter- und Geldströme miteinander übereinstimmen, und erhebt diese Gleichung zum Maßstab für preis- und währungspolitische Maßnahmen des Staates. Stackelberg entwickelte fernerhin Modelle über die Auswirkungen von Preisänderungen auf die Produktiansentwickelung, die in der Lehre Uber die "Reaktionen des Betriebes auf Preisänderungen" zusammengefaßt sind. Stackelberg kommt zu dem Ergebnis, das er in einem sogenannten "Gesetz der erwerbswirtschaftlichen Marktreaktion" zusammenfaßte, daß Änderungen im Produktionsniveau letztlich durch Preisyeränderungen zu begründen seien. Einen originellen Beitrag leistete Stackelberg der modernen bürgerlichen Ökonomie u . a . , indem er die Beziehungen zwischen dem ökonomischen Gleichgewicht und den Marktformen darlegte. Das wichtige Problem, die gegenseitige ökonomische Verflechtung der einzelnen Betriebe und Wirtschaftszweige im Reproduktionsprozeß des gesellschaftlichen Gesamtkapitals sowie die Beziehungen zwischen dem Aufkommen und der Verwendung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts zu untersuchen, hat Stackelberg jedoch in Wirklichkeit nicht wissenschaftlich zu lösen vermocht. Während die Deutschen Stackelberg und Peter im kapitalistischen Ausland ins Gespräch kamen, hat ein Ausländer im faschistischen Deutschland mit seiner ökonomischen Lehre Resonanz gefunden. In einem Lande, in dem mit bourgeoiser Intention von einer "gelenkten Wirtschaft" gesprochen wurde, mußte der Keynesianismus zweifellos ein Echo finden, und auch sein "Erfinder", der Engländer J . M. Keynes,hatte sich von der Wirksamkeit seines 476 Hauptwerkes
viel versprochen und gehofft, daß es gerade in Deutschland stark beachtet
werden würde. Das mit der Zeitangabe 7. September 1936 versehene Vorwort zur deutschen Ausgabe zeugt davon, worauf sich seine Erwartungen gründeten. So schreibt er unter Anspielung auf die spezifische Situation in der ökonomischen Theorie und Praxis im faschistischen Deutschland: "Deutschland hat sich . . . während eines ganzen Jahrhunderts damit begnügt, ohne eine vorherrschende und allgemein anerkannte formelle Theorie der Wirtschaftslehre auszukommen. Ich darf daher vielleicht erwarten, daß ich bei den deutschen 159
Lesern auf weniger Widerstand stoßen werde als bei den englischen, wenn ich ihnen eine Theorie der Beschäftigung und Produktion als Ganzes vorlege, die in wichtigen Beziehungen von der orthodoxen Überlieferung abweicht. Aber darf ich hoffen, Deutschlands wirtschaftlichen Agnostizismus zu Uberwinden ? Kann ich deutsche Ökonomen überzeugen, daß Methoden formeller Analyse einen wichtigen Beitrag zur Auslegung zeitgenössischer Ereignisse und zur Formung einer zeitgenössischen Politik bilden? Schließlich liegt es im deutschen Wesen, an einer Theorie Gefallen zu finden. Wie hungrig und durstig müssen sich deutsche Ökonomen fühlen, nachdem sie während all dieser Jahre ohne eine solche gelebt haben!" Seine Theorie der Produktion könne "viel leichter den Verhältnissen eines totalen Staates angepaßt werden als die Theorie der Erzeugung und Verteilung einer gegebenen, unter Bedingungen des freien Wettbewerbs und eines großen Maßes von laisser-faire erstellten Produktion" - Obwohl er seine "allgemeine Theorie" mit dem Blick auf die in den angelsächsischen Ländern herrschenden Verhältnisse ausgearbeitet habe, bleibe "sie dennoch auf 477 Zustände anwendbar, in denen die staatliche Führung ausgeprägter ist". Will man den Erfolg eines Buches daran messen, welche Beachtung es in der Fachwelt hervorrief, dann gebührte der "Allgemeinen Theorie" unter den Neuerscheinungen der nichtmarxistischen Literatur über ökonomische Probleme zweifellos die Palme; denn das Keynessche Buch hatte zwischen 1933 und 1945 eine derartig große Resonanz erfahren wie kein anderes ökonomisch-theoretisches Werk. Das Echo auf das neue Buch von Keynes, der unter seinen deutschen Fachkollegen längst kein Unbekannter mehr war (vor allem sein Buch "Vom Gelde" 478 wurde häufig zitiert, aber auch andere Schriften waren in 479 deutscher Sprache zugänglich ), ist unmittelbar und nachhaltig gewesen. In den wichtigsten Fachzeitschriften erschienen sofort Rezensionen und Kritiken, und man würdigte das E r scheinen der neuen Keynes-Schrift als bedeutendes literarisches Ereignis. K.H. Schwank meint, daß der Keynesianismus als die vorherrschende politisch-ökonomische Apologetik des staatsmonopolistischen Kapitalismus unter anderem mithalf, die Maßnahmen zu rechtfertigen, mit denen der deutsche Faschismus das Arbeitslosenproblem "löste": die Aufrüstung, die schließlich zum zweiten Weltkrieg führte: "Der sogenannte neue Plan der deutschen Faschisten, der unter hervorragender Anteilnahme Schachts entstanden war, und der nach seinem Eingeständnis, so viel ' zur Durchführung der Aufrüstung . . . beigetragen hat', beinhaltet praktisch die Gedanken, die Keynes rechtfertigt. Kein Wunder, daß 'Der deutsche Volkswirt' das Erscheinen der Keynesschen 'Allgemeinen Theorie' mit den Worten begrüßt, die Keynesschen Gedanken stellen ' in Wirklichkeit die theoretische Erklärung und Rechtfertigung der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik' dar. Daß die Keynesschen Gedanken dem Faschismus gelegen kamen, zeigt sich auch darin, daß der Begriff 'Vollbeschäftigung' bald aus faschistischem Munde erklang. 160
Schwank formulierte, dafi die deutsch-faschistische Wirtschaftspolitik der Theorie von Keynes tatsächlich entsprochen habe. Diese Frage ist sehr kompliziert und nur durch eine eingehende Analyse der Wirtschaftspolitik in Deutschland nach 1933 zu lösen. Ein nichtmarxistischer Autor, R. Erbe, hat den Versuch mit direktem Bezug auf Keynes unternommen und gelangte zu einem negativen Ergebnis: "Zwischen den Ideen dieses liberalen, antitotalitären und in bester humanistischer Tradition verwurzelten Engländers einerseits und der nationalsozialistischen Praxis andererseits einen Zusammenhang herstellen zu wollen, oder, mit anderen Worten, wegen einer gewissen oberflächlichen Ähnlichkeit in bezug auf das technische Verfahren des ' deficit spending' die fundamentalen Unterschiede in der gesamten politischen und ökonomischen Zielsetzung zu Ubersehen, scheint uns eine grobe Ungerechtigkeit gegenüber Keynes und eine unzulässige Interpretation seiner Gedan. „481 kengange zu sein." Erbes Begründung für seine Argumentation läuft auf die These hinaus, daß das oberste Ziel der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik "nicht darin bestand, auf optimalem Wege die Vollbeschäftigung zu erreichen, sondern auf möglichst reibungslose Art die Auf482 riistung durchzuführen".
Die Sekundärwirkungen der öffentlichen Investitionen habe man
soweit als möglich zurückzudämmen gesucht, um einen möglichst großen Teil der brachliegenden Produktionsfaktoren für die Aufrüstung freizuhalten. Erbe zieht überhaupt in Zweifel, ob man aus der "Allgemeinen Theorie" eine "keynesianische Wirtschaftspolitik" ableiten könne und sieht ihr eigentliches Verdienst in der "methodologischen Revolution", die darin bestanden habe, "daß Keynes durch sein geschlossenes System der makroökonomischen 483 Einkommensbildung der theoretischen Forschung entscheidende neue Impulse gab". Allenfalls könne man die zur Überwindung der Stagnationstendenzen vorgeschlagenen Maßnahmen als wirtschaftspolitischen Extrakt der "Allgemeinen Theorie" betrachten. Unterstellen wir diese - durchaus umstrittene - Interpretation des Keynesianismus als richtig, dann ergeben sich tatsächlich zwischen den von Keynes vorgeschlagenen Maßnahmen und der praktizierten Wirtschaftspolitik des "Dritten Reiches" beträchtliche Gegensätze. In jüngster Zeit sind die Hauptmethoden der Finanzierung im faschistischen Deutsch484 land von R. Andexel zusammengefaßt dargestellt worden, die recht deutlich machen, wie berechtigt oder unberechtigt Vergleiche zur Keynes-Theorie wirklich sind. R. Andexel hat durch ihr Untersuchungsergebnis indirekt bestätigt, daß die Wirtschaftspolitik der Hitlerregierung eher als "unkeynesianisch" denn als "pro-keynesianisch" zu qualifizieren wäre. Den Faschisten ging es keinesfalls darum, die konsumtive Nachfrage zu erhöhen; die KonsumgUterindustrie mußte sich sogar zugunsten der Rüstungsindustrie Einschränkungen auferlegen. Gewiß ging es Keynes nicht vorrangig um die Erhöhimg der Nachfrage nach Konsumtionsmitteln, sondern um die gesamte effektive Nachfrage, er suchte ja die Gründe 161
zu erkennen, die den Umfang der Beschäftigung schlechthin bestimmen, doch sind ihm gewaltsame Einschränkungen eines Teils des Nachfragebereichs genauso fremd wie die Hinnahme von Beschränkungen bestimmter Unternehmer. Die Kaufkrafteinschränkung der Bevölkerung und die Behinderung kleiner und nicht für die Rüstung produzierender Unternehmen waren im "Dritten Reich" reale Tatsachen, die im Widerspruch zu den Keynesschen Maximen standen. Man könnte einwenden, daß die gewaltige Ausdehnung des Rüstungsmarktes der Monopolbourgeoisie mehr als eine Entschädigung für die Einschränkung des Konsumgütermarkts geboten habe. Das war in der Tat so, jedoch hat dieser reale Prozeß nichts mehr mit dem zu tun, was man Keynes als wirtschaftspolitische Konzeption zurechnet. Es wäre auch verfehlt, angesichts der von Keynes propagierten Politik der Inflation mit dem Finger auf die bei Kriegsende in Deutschland umlaufende Geldmenge zu zeigen. Wenn wir die Finanzpolitik der deutschen Faschisten verfolgen, dann stellen wir fest, daß man bemüht war, der unaufhaltsamen Aufblähung des Geldumlaufs so lange wie möglich Dämme entgegenzustellen, so daß man hier von einer "zurückgestauten Inflation" sprechen muß, bei der man mit Hilfe von Terrormethoden eine Reihe von Zwangsmaßnahmen einführte, die die Inflation in gewissen Grenzen zu halten vermochten. So muß man zu dem Schluß kommen, daß man (sein subjektives Urteil Uber die politische Lauterkeit von Keynes dahingestellt) Erbes Behauptung, daß Keynessche und hitlerfaschistische Wirtschaftspolitik keinesfalls miteinander identisch seien, nicht ohne weiteres ablehnen kann. Die Ausgangspunkte waren tatsächlich auch grundverschieden; Keynes* lag daran, ein theoretisches Modell zur Behebung von Schwierigkeiten für die Bourgeoisie zu liefern, die aus der zyklischen Bewegung der kapitalistischen Wirtschaft resultierten; der Ausgangspunkt wirtschaftspolitischer Aktivität im "Dritten Reich" dagegen war die Ankurbelung der Rüstungsproduktion in einer Phase der ansteigenden Konjunktur. Faktisch ist der Blick vop beiden also auf zwei ganz verschiedene Phasen gerichtet; denn Keynes ist auch dann, wenn er von allen Zeitläufen zu abstrahieren scheint, von der Furcht gezeichnet, daß sich die große Weltwirtschaftskrise noch einmal wiederholen könne. Für Hitler lag die "Lösung" aller zukünftigen ökonomischen Schwierigkeiten brutal-einfach im Raub und in der Ausbeutung fremder Nationen, das britische Empire jedoch sah bereits Grenzen weiterer äußerer Expansion und suchte nach anderen Wegen. Es ist eine ganz andere Frage, ob die Keynessche Schrift der Rechtfertigung der deutschfaschistischen Politik diente. Wie wurde überhaupt das neue Buch von Keynes in der deutschen Fachpresse damals eingeschätzt? Der erste Eindruck, der sich bei einer Durchsicht der zahlreichen in Deutschland erschienenen Antworten auf die Keynessche Fragestellung aufdrängt, ist der der Uneinheitlichkeit der geäußerten Meinungen. Zweitens gewinnt man die Erkenntnis, daß die Ökonomen sich schon damals heftig um die richtige Interpretation 162
der Keynesschen Gedanken stritten, daß also zur Verschiedenartigkeit der Stellungnahmen auch noch die Mannigfaltigkeit der Auslegungen zur "Allgemeinen Theorie" hinzutritt. Einige Äußerlichkeiten, wie die verklausulierte Sprache, eine zu vielen Mißverständissen führende Schreibweise von Keynes, sind daran nicht ganz unschuldig. Auf jeden Fall boten sowohl Form als auch Inhalt des Werkes in der Tat reichliches Material, um die "theoriehungrigen" deutschen Ökonomen zu langen Tiraden zu verleiten. Es ist allerdings vorauszuschicken, daß die Auseinandersetzung um das Keynessche Buch eine internationale Diskussion war, in der vorwiegend Autoren aus dem angelsächsischen Sprachgebiet zu Wort 485 kamen. Der weitaus Uberwiegende Teil der in Deutschland geäußerten Meinungen zu Keynes' "Allgemeiner Theorie" (soweit sie sich nicht überhaupt in bloßer Wiedergabe und Auslegung erschöpfen) bestand damals aus immanenter Kritik an den Dogmen des Engländers. So interessant manche dieser Kritiken im einzelnen auch sind, geben sie doch über das Kernproblem der vorliegenden Abhandlung nur unzureichend Aufschluß. Es genügt daher nicht, lediglich den Streit um diese oder jene theoretische Konzeption zu verfolgen. Bezieht man auch jene Stimmen in die Untersuchung ein, die die Frage der Nutzanwendung des Keynesschen Modells insgesamt aufwerfen, so können wir feststellen, daß man mindestens 3 Gruppen von Kritikern unterscheiden muß. Keynes am nächsten steht eine Gruppe von Verteidigern seiner Ansichten, die z.T. bereits vor oder neben ihm ähnliche Auffassungen vertreten haben. C. Fohl z.B. stellte fest, daß die Ergebnisse der Keynesschen "Allgemeinen Theorie" mit denen seiner im Dezember 1935 abgeschlossenen Arbeit über den wirtschaftlichen Kreislauf weitgehend überein486 stimmen. Richter-Altschäffer knüpfte an die neue Auffassung von Keynes über das zweckmäßigste Darstellungsschema für die großen dymanischen Einflüsse, denen die Volkswirtschaft unterliegt und die, wie er schreibt, "offenbar zentraler Steuerung bedürfen", vom Standpunkt seiner eigenen Darstellung einige Bemerkungen an. ^ ^ P. Berkenkopf feiert das Buch von Keynes als gelungenen Versuch, zwischen 488 formaler Theorie, konkreter Theorie und Wirtschaftspolitik eine BrUcke zu schlagen. Interpret und Verteidiger der Keynesschen Lehre war W. Lautenbach. Um die Leistung von Keynes herauszustellen, der nach seiner Meinung die "im dogmatischen Schlummer Liegenden" wecken wollte, suchte er zu zeigen, daß "von Wickseils 'Geldzins und Güterpreise' über die Arbeiten seiner besten Schüler und den 'Treatise 489on money' eine gerade Linie ohne Bruch zur 'Allgemeinen Theorie' von Keynes führt. " (Was übrigens von anderen Keynes-Kritikern, wie Adolf Weber, starte bestritten wurde.) An anderer Stelle wies er die Angriffe auf Keynes mit dem Hinweis auf die neue prekäre Situation auf dem Kapital163
markt zurück, die In der Zeit rascher Industrialisierung zu neuen Überlegungen zwinge.
490
Neben der Gruppe offener Befürworter existiert eine zweite Gruppe, die die "Allgemeine Theorie" als einen interessanten Beitrag zur "Entwicklung der dynamischen Theorie" wertet, die aber in der Bewertung weitaus zurückhaltender ist. Zu diesen Autoren, die vor allem eine politische Stellungnahme vermeiden und sich auf eine Diskussion einzelner 491 fachlicher Punkte beschränken, gehörte H. Peter. Der rote Faden, an dem man die neuen sachlichen Auffassungen aufgereiht finde, so meint Peter, sei die Beantwortung der lange vernachlässigten, jetzt zum Hauptthema der Wirtschaftsforschung gewordenen Frage nach der "Beschäftigung in einer Marktwirtschaft". In diesem Zusammenhang habe Keynes vor allem deshalb gegen die alten Theorien polemisiert, weil sie unvermittelt nebeneinander stünden und weil man sich um die Verzahnung der einzelnen Stücke zu wenig gekümmert habe. Peter rechnet es Keynes als eine besondere Leistung an, daß ihm die Verschmelzung der Geldtheorie mit der Preistheorie gelungen 492 sei.
Der Rezensent stellte ganz und gar das Problem der "Fortbildung" der ökonomisch-
theoretischen Lehre "zu einer einheitlichen und wirklich allgemeinen Wirtschaftstheorie", die "Einordnung der anderswo isoliert betrachteten Erscheinungen in den Zusammenhang des Ganzen" in den Vordergrund der Betrachtung, ohne auf ihre konkrete wirtschaftspolitische Anwendbarkeit einzugehen. "Anzustreben ist die Theorie der in der Entwicklung befindlichen kapitalistischen Wirtschaft, eine Aufgabe, die ebenso aktuell für Volkswirt493 Schäften mit liberaler wie mit autoritärer Wirtschaftspolitik i s t . " Diese lapidare Feststellung ist der einzige Hinweis, in der Peter eine Andeutung Uber die praktische Anwendbarkeit macht; alle seine übrigen Ausführungen erschöpfen sich in abstrakter Darstellung und Auslegung des Keynesschen Modells. Wie W. Lautenbauch, so hatte sich auch H. Drahota bemüht zu zeigen, daß das Lebenswerk von Keynes keinen Bruch aufweise. Die "Allgemeine Theorie" habe Zusammenhänge verdeutlicht und Erkenntnisse offen ausgesprochen, die bereits im Keynesschen "Treatise" 494 enthalten gewesen, dort aber auf ein zu enges Gebiet beschränkt gewesen seien. Ähnlich wie H. Peter enthält sich aber Drahota weitgehend politischer Kommentare. Eine dritte Gruppe, die zahlenmäßig größte, versagt Keynes zwar nicht die Anerkennung als bedeutendem Theoretiker, hält aber das ganze Werk mit seinen konkreten Schlußfolgerungen nicht für akzeptabel und nicht auf die deutschen Verhältnisse anwendbar. Einer der ersten Interpreten der "Allgemeinen Theorie" in Deutschland war C. Krämer, der im Februar 1937 in einem Vortrag im "Verein zur 495Beförderung des Gewerbefleißes" zur Keynesschen Theorie ausführlich Stellung nahm. Krämer hielt den Anwendungsbereich dieser Lehre auf Länder beschränkt, die ein "ausgebautes Industriesystem" besäßen, Kapitalfreizügigkeit genießen und "Uber ausreichende volkswirtschaftliche Liquidität in 164
Gestalt van Währungsreserven" verfügen, auf Länder, "die bisher keine totale oder par496 tielle Schuldstreichung in Gestalt einer Inflation erlebt haben". In Deutschland werde der Grundsatz der Kapitalfreizttgigkeit nicht mehr anerkannt. Auch bestehe hier in absehbarer Zeit kein Mangel an Investitionsvorhaben, so daß unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung einer Vollbeschäftigung kein Anlaß vorliege, die Spartätigkeit zu drosseln und die Konsumfreudigkeit zu forcieren. Krämer macht aber auch unter der Voraussetzung, daß der eigentliche Geltungsbereich der Keynesschen Theorie England und die USA seifen, einige Bedenken geltend. Er hält es nicht ftir erwiesen, daß sie eine Allgemeinerscheinung fixiere oder daß ihr nicht gewisse Übergangsschwierigkeiten zugrunde liegen, die temporärer Natur sind. Zudem sei der Zustand der "Vollbeschäftigung" kaum definierbar und statistisch nicht einfach zu bestimmen. Es sei auch nicht klar, ob die Keynessche Behauptung, daß sich der Gesamtkonsum um einen geringeren Betrag erhöht, als einer Einkommenssteigerung entsprechen würde, zuverlässig sei. Schließlich bleibe auch die Frage offen, ob die Lage auf dem Gebiet der Agrarproduktion und der Grundstofferzeugung nicht anders zu beurteilen sei als die Maßstäbe, die Keynes dem industriellen Bereich entnommen habe. Eine ständige Rüstungsinvestition löse vielleicht das ganze Problem von selbst: "Wird es, wenn wir, sagen wir für die nächsten zehn Jahre ein starkes RUstungsbudget und dementsprechend einen starken Anleihebedarf des Staates in die Rechnung einsetzen, noch notwendig oder auch nur erwünscht 497 sein, eine Politik der Kansumförderung und der Ersparnisbeschränkung zu betreiben?" A. Kruse räumte dem Keynesschen Werk im ganzen gesehen ein, daß eine "immanente Kritik der neuen Theorie wenig anhaben kann. Die Fehler liegen . . . nicht in seinen logischen Folgerungen, sondern vielmehr in seinen Annahmen Ein Gleichbleiben von Technik, Bevölkerung und Bedürfnissen ist nur in der Statik gegeben, und Folgerungen daraus 498 können damit nicht ohne weiteres Anwendung auf die wirkliche Wirtschaft finden." Wie viele Kritiker, glaubt Kruse, daß si ch Keynes von der besonderen Wirtschaftslage Englands zu stark beeinflussen ließ. Die dortige zeitweilige Kapitalfülle habe ihn zu der Annahme verleitet, daß stets Kapitalüberfluß bestehe. Die Erklärung für den Widerspruch zwischen Unterbeschäftigung und Kapitaluberschuß glaube Keynes in der Psychologie der Menschen gefunden zu haben. Da aber die Behauptung, daß der Konsumverzicht stets größer als die Investitionsneigung sei, nicht zu verallgemeinern sei, würde die'Keynessche Theorie den Charakter einer allgemeinen Theorie verlieren, und die kritiklose Annahme ihrer Schlußfolgerungen müsse zu bedenklichen Folgen für die Volkswirtschaft führen. W. A. JÖhr hält die auf den "Hang zum Verbrauch" basierte "Theorie der Beschäftigung als auch die auf der Liquiditätsvorliebe gegründete Theorie des Zinses" beide für Konstruk165
tionen, die brüchig seien, "sei es, weil sie auf wirklichkeitsfremden Annahmen aufgebaut sind, sei es, weil sie zu immanten Widersprüchen oder zu Widersprüchen mit der Wirklichkeit führen, sei es, weil sie (wie im Falle der Zinstheorie) die Hauptfrage unbeantwortet 499
lassen."
Jöhr hält die Keynessche "Zauberformel", mit deren Hilfe angeblich jederzeit
und ohne große Mühe Vollbeschäftigung dadurch erreicht werden könne, daß die Regierung durch eine geeignete Zinspolitik und durch öffentliche Arbeiten für Neuinvestitionen sorgt, für "zu schön, um wahr zu s e i n " . ^ ° Er führt Argumente an, die dagegen sprechen, daß der "Grenzhang zum Verbrauch" tatsächlich eine stabile Funktion sei, wie Keynes behauptet. Jöhr stellt auch fest, daß die Auffassung von Keynes, daß ein niedriger Zinssatz von einer Zunahme der Neuinvestition und damit von einer Zunahme des Beschäftigungsgrades begleitet ist, im Gegensatz zu der von Jöhr gemachten Beobachtung steht, daß blühende Wirtschaft und hoher Zinsfuß miteinander korrelieren. Von der Schweiz aus hat A. Amonn in einer deutschen Fachzeitschrift die Keynessche 501
Schrift eingehend gewürdigt.
Amonn stellte Keynes auf eine Stufe mit Francois Quesnay
und Adam Smith und bezeichnet dessen Buch als den dritten Markstein in der Geschichte der Nationalökonomie, weil "in ihm über die Vorstellung einer einzig möglichen stabilen Gleichgewichtslage, eines allein möglichen Gleichgewichts bei Vollbeschäftigung, von der die bisherige Theorie beherrscht war, hinausgegangen und die Möglichkeit verschiedener Gleichgewichtslagen, verschiedener Gleichgewichtsniveaus, also auch eines Gleichgewichts bei Unterbeschäftigung - ja sogar dessen Notwendigkeit - behauptet und zu beweisen gesucht wird." 502 Doch läßt Amonn die Möglichkeit offen, ob nicht die ganze Keynessche Lehre vielleicht ein großer, bedeutender Irrtum sei. Er hält auch die praktischen Konsequenzen, 503
die Keynes aus seiner theoretischen Auffassung zieht, für "geradezu paradox"
und
weist auf die absurde Vorstellung hin, daß unproduktive Beschäftigung den Reichtum eines Landes vermehren könnte. Amonn hält es für den methodologischen Grundfehler des Keynesschen Werkes, daß in ihm Betrachtungen der Gleichgewichtszustände nicht unterschieden werden von deren Veränderung bzw. Relativität, daß statische und dynamische Betrachtung miteinander vermengt werden. Die Lehre von der "Neigung zu konsumieren", von der Keynes selbst sagte, daß in ihr der Schlüssel zu seiner Theorie zu erblicken sei, hält Amonn für sachlich falsch und sucht sie zu widerlegen. Er zieht den Schluß: "Das 'Rätsel' der Massenarbeitslosigkeit und der 'Armut inmitten des Reichtums' hat Keynes mit dieser Theorie nicht zu lösen vermocht." 50 ^ Einige Ökonomen wie A. Forstmann verhehlen auch nicht ihre Auffassung, daß die Vollbeschäftigung noch längst nicht über alle Klippen hinwegführen würde: "Keynes . . . begeht bei seinen Untersuchungen des Ungleichgewichtszustandes insofern einen prinzipiellen 166
Fehler, als e r durch Verwechselung der Symptome mit den Ursachen glaubt, annehmen zu können, daß bei Vollbeschäftigung auch immer ein echter und dauernder Gleichgewichts505
zustand erreicht würde, und das ist . . . ein grundsätzlicher Fehler." A. Forstmann, der sich unter den Ökonomen vor allem dadurch auszeichnete, daß e r seine Abhandlungen oft und gern durch Zitate von Hitler, Goebbels und Schacht würzte, hat in einem mehr als hundertseitigen Aufsatz zur Keynesschen Beschäftigungstheorie 506
Stellung genommen.
E r weist in scharfen Worten den Anspruch zurück, daß Keynes
gegenüber der "klassischen Theorie" neue Erkenntnisse gebracht habe. Der Eindruck der Neuartigkeit beruhe, so meint Forstmann, "letzten Endes meist auf nichts anderem als wirklichauf einer Verschiedenartigkeit der Prämissen, die eher wirklichkeitsfremder als 507 keitsnäher gegenüber denen der klassischen Theorie bezeichnet werden müssen". Ja, er hält sogar die Keynessche Theorie für gefährlich, weil "die Konsequenzen, die sowohl von Keynes selber theoretisch als auch von anderen praktisch 508 gezogen werden . . . in ihren praktischen Folgen zu katastrophalen Folgen führen können". Forstmann wirft Keynes vor, daß e r eine außerwirtschaftliche Zielsetzung und außerwirtschaftliche Motive in ein wirtschaftstheoretisches System zu pressen versuche, ohne hierbei außerdem noch die wirtschaftliche Grenze solchen Handelns zu berücksichtigen. Die Vollbeschäftigung sei eine Zielsetzung, die sozialer, aber nicht wirtschaftlicher Natur sei. Forstmann verweist darauf, daß man sein Augenmerk auf die "Erzielung eines größtmöglichen Sozialprodukts" zu richten habe und warnt vor einer 509 Verwechselung von Wirtschaft mit Technik, der auch die Marxisten erlegen seien. Forstmann verkennt hier ein entscheidendes Motiv der Keynesschen Bemühungen um wirksame Hilfe für das Kapital. Es geht Keynes, dem gegenüber Forstmann der größere Weitblick zuerkannt werden muß, nicht mehr schlechthin um den Maximalprofit, sondern um den sicheren Profit, der temporär (in Zeiten schlechter Geschäfte) und absolut (wegen der Gefahr des Untergangs der kapitalistischen Gesellschaft) gefährdet ist. Forstmann wirft Keynes vor, daß e r durch die Betrachtung der Symptome der englischen Krise zu einer "völlig unrichtigen Betrachtung der 510 Ursachen und Zusammenhänge der äugenblicklichen Strukturkrise" verführt worden sei. Mit der Borniertheit eines deutschen Ökonomen, dem die besonderen Bedingungen einer Rüstungskonjunktur vor Augen stehen, wehrt e r sich gegen die Vorstellung, daß das englische Beispiel zu verallgemeinern sei. Daher fällt es ihm leicht (unter Berufung auf Joseph Goebbels), vor dem Bestreben zu warnen, "alles organisieren und alles politisieren zu wollen". E r hält Gleichgewichtsschwankungen für einen außerwirtschaftlich bedingten Ausnahmezustand, der Keynes, weil e r im Rahmen einer Theorie wirtschaftlich bestimmte
Zusammenhänge zu erfassen versucht, nicht nur
"zu völlig abwegigen wirtschaftlichen Konzeptionen führt", sondern auch zu einem falschen 167
Propheten macht, der beträchtlichen Irrtümern erlegen Ist. Durch seine "Methode völliger Verwischung und Verkennung zwischen außerwirtschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhängen und Verursachungen ebenso wie der Unterschiede der Aufgaben und Ziele von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik" diskreditiere Keynes die wirtschaftswissenschaftliche Forschung und leiste dem Halbwissen und Dilettantismus in Wissenschaft und Wirt511 schaftspolitik Vorschub. Auch Adolf Weber gehört zuden ablehnenden Autoren. In völliger Fehleinschätzung prophezeit e r dem Keynesschen Werk für die nächste Zeit einen absoluten Mißerfolg; Weber meint, es werde weder wissenschaftlich noch praktisch-politisch die von vielen 512 erwarteten Wirkungen haben. Er motiviert seine Voraussage mit der Behauptung, daß Keynes den Boden der "klassischen Nationalökonomie" verlassen und sich gegen deren "Auf-die-Dauer-Betrachtung" gewandt habe; dadurch sei Keynes Opfer des unmöglichen Versuchs geworden, auf Grund der Beobachtungen einer kurzen Periode, die den Charakter einer einzigartigen und einmaligen Übergangszeit trage, eine "allgemeine" Theorie zu schreiben, ohne zu beachten, was sich auf die Dauer gesehen ergebe. Die Erfahrungen der Nachkriegszeit seien überhaupt nicht geeignet, Grundlagen für eine allgemeine Theorie abzugeben. Vollbeschäftigung sei kein Ausnahmefall, wie Keynes behauptet. Und in offener Apologie der faschistischen Herrschaft schreibt A. Weber: "Über unsere jüngste katastrophale Arbeitslosigkeit wurden wir in überraschend kurzer Zeit Herr, nachdem durch den Sieg des Nationalsozialismus die Vertrauensbasis fiir Politik und Wirtschaft wiederhergestellt und die unsinnige Lohnpolitik der Gewerkschaftsdemokratie ausgeschaltet war, und das, obwohl das Ausland alles in seiner Macht Stehende getan hat, um unseren Wieder513 aufbau zu erschweren."
Keynes macht keinen Versuch, den Beweis anzutreten, daß
die Zeit nach dem Weltkrieg mit ihren Arbeitslosenproblemen keine einmalige Ausnahmeerscheinung war und daß von einer Tendenz zur Zunahme der Beschäftigung auch auf die Dauer gesehen nicht gesprochen werden könne. Weber polemisiert vor allem auch gegen die Keynessche Sparfeindlichkeit. Da ihm die Sparfeindlichkeit als Hemmnis der Kapitalbildung bedeutungsvoll erscheint, hält e r es fUr den 'bedenklichsten Fehler in dem praktisch-politischen Gedankenaufbau514 Keynes' . . . , daß e r das neu sich bildende Kapital nicht als knappes Gut betrachtet... A. v. MUhlenfels schloß sich ohne nähere Begründung den Kritikern an, die der Meinung waren, daß es verfehlt sei, in der Lehre von Keynes die theoretische Begründung der "deutschen Arbeitsbeschaffungspolitik" zu suchen, da dessen theoretische Argumentationen Erfahrungen in England den USAseien." abgeleitet se nur aus in sehr beschränktem Maße und anwendbar 515 und auf die deutschen VerhältnlsFassen wir zusammen: Es ist gewiß, daß die Keynessche Lehre den Theoretikern 168
genügend Diskussionsstoff geliefert hat, um noch jahrzehntelang Uber die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieses oder jenes Theorems zu räsonieren, und gleichzeitig den Wlrtschaftspolitikern, die für eine weitgehende staatliche Intervention in der Wirtschaft eintreten, in wissenschaftlicher Verpackung beträchtliche Argumente geliefert hat. Es ist aber eine ganz andere Frage, ob die Keynessche Lehre wirklich eine Stütze der wirtschaftspolitischen Praxis im faschistischen Deutschland sein konnte. Der Verfasser wagt das zu bezweifeln, und die uneinheitliche, weitgehend ablehnende Haltung der Ökonomen des "Dritten Reiches" bestätigt die Berechtigung dieses Zweifels. So, wie die Keynessche Lehre im faschistischen Deutschland nicht den richtigen Nährboden fand, so gediehen hier auch nicht So üppig wie In anderen imperialistischen Ländern die Konjunktur- und Krisenlehren. Die bürgerliche Konjunkturforschung in Deutschland verfügte Uber ein gewisses Maß 516 an Traditionen, soweit man in diesem relativ jungen Metier Uberhaupt schon von Traditionen sprechen kann. Immerhin darf man die Gründung des Instituts für Konjunkturforschung in Berlin im Jahre 1925 als ein Zeichen dafür werten, daß noch vor Ausbruch der großen Weltwirtschaftskrise ein ziemlich großes Interesse vorhanden war, die zyklischen Bewegungen der kapitalistischen Wirtschaftsprozesse zu registrieren und zu deuten und die Ergebnisse der'Forschung fUr die Wirtschaftspolitik und die Unternehmerinaßnahmen nutzbar zu machein. Hatte man in Cambridge (Massachusetts) mit dem Harvard-Barometer mit echt amerikanischem Perfektianismus ein Konjunkturbarometer entwickelt, das der Konjunkturdiagnose und -prognose dienen sollte, so folgte man in Berlin diesem Vorhaben mit typischer preußisch-deutscher Gründlichkeit. Während man an der Harvard-Universität drei statistische Indexreihen entwickelt hatte (die Spekulationskurve, Warenmarktkurve und Geldmarktkurve), die nach empirischer Beobachtung in einem gewissen Zeitabstand miteinander korrelierten, so in Berlin gleich eine Unzahl verschiedener Kurven der Waren- und Geldbewegung, die die verschiedensten Erscheinungen registrierten und deren Deutung man der Phantasie und dem Geschick der Ökonomen Uberließ. Das Institut unter E. Wagemann arbeitete auch nach 1933 weiter. Im Jahre 1941 erhielt es die neue Bezeichnung "Deutsches Institut fUr Wirtschaftsforschung". Sieht man davon ab, daß die Existenz eines speziellen Konjunkturforschungsinstituts, das sich in der bürgerlichen Welt ein gewisses Renommee zu verschaffen wußte, naturgemäß ein gewisses ausschlaggebendes Gewicht im Meinungsstrelt um die opportune Forschungsmethode hat, so existierte keine einheitliche Auslegung Uber die Entstehung und den Verlauf von Wirtschaftskrisen. Neben Wagemann hatte sich in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg vor allem A. Spiethoff einen Namen als deutscher Konjunkturforscher gemacht. Daneben traten außer den Schülern von Wagemann und Splethoff eine Anzahl von Vertretern anderer Lehrmeinungen auf. 169
Neben der Spiethoffschen Gruppe, die in den Investitionsbewegungen die Krisenursache sah, hat allmählich die zweite Gruppe, die die Krise auf Veränderungen des Geld- und Kre517 ditvolumens zurückführte, immer mehr an Bedeutung zugenommen. Während eine Reihe van Autoren außerökonomische Faktoren wie den ersten Weltkrieg oder andere politische Ereignisse als Ursache der Weltwirtschaftskrise ansehen, führen andere Autoren die Krise auf die dem kapitalistischen Wirtschaftssystem immanenten Widersprüche zurück. So meinen die einen, daß der Krieg zu einer Deformation des Welthandels geführt habe, woraus bestimmte Produktianserweiterungen entstanden seien (so z.B. eine starke Steigerung der Uberseeischen Agrarproduktion), die schließlich zur Überproduktion anwuchsen. Die in den Kriegszeiten angestiegene Produktionskapazität der Industrie stände in Friedenszeiten gleichfalls einer veränderten Marktlage gegenüber, da sich auch in den Überseegebieten inzwischen die Möglichkeiten der industriellen Produktion erweitert haben. Manche Autoren weisen auch auf die veränderte Situation durch Grenzkorrekturen hin. So habe z.B. die Liquidierung des Habsburger Staates zu beträchtlichen Disproportionen in verschiedenen nationalen Wirtschafts räumen geführt. Im Gefolge des Krieges hätte auch die Bezahlung der Kriegsschulden in Gold eine potentielle Deflation in den Schuldnerländern hervorgerufen, deren Wirksamwerden nur durch den ausländischen Kapitalimport verzögert worden sei. Als jedoch die RUckzahlungsfrist der kurzfristig gewährten Auslandskredite akut wurde, zeigte es sich, daß das außenpolitische Zahlungssystem mit dem Zahlungssystem in der Sphäre der inländischen privaten Wirtschaft kollidierte. Den kurzfristigen ausländischen Anleihen standen nämlich die langfristigen Kredite im Inland gegenüber. Das labile Schuldensystem habe in Deutschland zu einer Erschütterung des Vertrauens der Kreditgeber geführt und schließlich im Sommer 1931 durch Kreditentzug den Zusammenbruch verursacht. Schließlich habe auch der Krieg eine Steigerung aller Kostenbestandteile, der Steuern, der Zinsen, des Aufwands für soziale Leistungen und der Löhne herbei518 geführt und dadurch die Rentabilität des Kapitals in Frage gestellt. Andere Autoren suchen die Ursache der Krise im System der kapitalistischen Wirtschaft nachzuweisen. Dabei gehen sie wiederum verschiedene Wege. Die meisten gehen von dem Sayschen Theorem aus, daß die Nachfrage automatisch mit der Produktion steige. Dieses Theorem ist unhaltbar. Gewiß ruft ein Ansteigen der Produktion in irgendeinem Bereich der Wirtschaft eine ganze Reihe von Folgeinvestitionen hervor, die den Markt an Produktionsmitteln erweitern. Jedoch muß dieser Anstieg der Produktion im Produktionsmittelsektor letzten Endes ein Ansteigen der KonsumgUtererzeugung hervorrufen. Da weder in diesem noch in jenem Zweig der Wirtschaft stabile Faktoren vorhanden sind, die den Markt überschaubar und die Produktion regulierbar machen, bleibt nur das freie Spiel der 170
Kräfte, die Marktmechanik mit ihrem spontanen Ausgleich. Von 1934 an begann die Industrieproduktion beträchtlich zu steigen. Im Jahre 1939 erreichte sie das doppelte Volumen des Jahres 1933. Im Unterschied zu Deutschland hatte . aber zur gleichen Zeit andere hochentwickelte kapitalistische Staaten wie Frankreich und Belgien kaum das Produktionsniveau von 1933 überschritten, die USA und die Tschechoslowakei brachten es zu wesentlich geringeren Steigerungen. Demagogisch nutzen die Faschisten den Aufschwung der Konjunktur aus und erklärten ihn als Erfolg des nationalsozialistischen Regimes. Der Staatssekretär des faschistischen Reichsarbeitsministeriums, Krohn, wehrte sich gegen die Auffassung, daß die Wirtschaftsbelebiung von 1933/34 mit den früheren Konjunkturen zu vergleichen sei. Er schreibt u . a . : "Die stoßartige Verstärkung der Nachfrage nach zahlreichen Produktionsgütern und wirtschaftlichen Leistungen ist diesmal in erheblichem Umfange bewußt durch Maßnahmen der öffentlichen Hand hervorgerufen worden, die ihren Kredit zu diesem Zwecke anspannte und 519 kommende Jahre vorbelastete." Der Dilettantismus hat in dem hier behandelten Bereich der ökonomischen Literatur seit seiner Existenz die merkwürdigsten Blüten getrieben. Die katastrophalen, für alle Bevölkerungskreise sichtbaren Folgen der Krise boten ein weites Betätigungsfeld für alle möglichen Auslegungen und Heilslehren. Davon zeugen in der Mitte der dreißiger Jahre noch zahlreiche Schriften. So entwickelte z.B. 520 H. Eichner, um nur ein Beispiel zu nennen, eine merkwürdige Art der Krisenbekämpfung.
Zunächst erfindet er eine eigene Definition
der Krise. Danach besteht eine Krise bereits dann, wenn nicht abgesetzte Produkte, nach dem Ausdruck des Autors "Tauschreste", vorhanden sind, und sei es auch in der Aufschwungphase des Zyklus. In Wirklichkeit können aber solche WarenüberschUsse in einer Aufschwungphase in relativ kurzer Zeit durch Preis- und Produktionskorrekturen bereinigt werden. Was Eichner also als eine neue Krisentheorie anbietet, ist im Grunde genommen nichts anderes als eine Simplifizierung und unzulässige Ausweitung des Krisenbegriffs. Es ist klar, daß es Eichner bei derartigem Vorgehen leicht fällt, "Lösungen" zur "Krisen"frage zu finden. Was jedoch die eigentliche bürgerliche Krisentheorie betrifft, so war nach 1933 weder qualitativ noch quantitativ eine Entwicklung in Deutschland zu vermerken. Wie bereits erwähnt, hatten die deutschen Ökonomen auf diesem Gebiet wie auf dem Gebiet der empirischen Konjunkturforschung (vor allem durch Spiethoff und Wagemann) eine gewisse Tradition, an die nach 1933 kaum angeknüpft worden ist. In der Festschrift zum 60. Geburtstag von A. Spiethoff hatten im Jahre 1933 von ihrer Warte aus namhafte Autoren wie E. v. Beckerath, C. Brinkmann, E. Carell, G. Colm, K. Diehl, W. Eucken, E. Lederer, P. Mombert, W. Röpke, W. Sombart, R. Stucken, W. Vleugels, O. v. Zwiedineck171
SUdenhorst und viele andere Bilanz Uber den Stand gezogen,
521
doch auf die darin enthalte-
nen Anregungen wurde in der Folgezeit kaum zurückgegriffen. Der Konjunkturphase der Wirtschaft entsprach eine Baisse in der Krisenliteratur. Diesem Zustand gibt G. KUhnemann auf ihre Weise Ausdruck, wenn sie 1941 schreibt: "Mit der Ablösung des 'Primats der Wirtschaft' durch den 'Primat der Politik', wie wir schlagwörtlich die tiefgreifenden Umwälzungen seit dem Jahre 1933 für unser Gebiet kennzeichnen kämen, ist kanjunkturtheoretischen Erörterungen im Uberlieferten Sinn tatsächlich die Grundlage entzogen... Der eigentümliche Tatbestand, der als Grundlage für das Inhaltliche konjunkturtheoretischer Erörterungen diente, das wellenförmige Auf und Ab der wirtschaftlichen Entwicklung, besitzt keine Wirkungskraft mehr in dem Sinne, daß er 522 sich dem theoretischen Erkenntnisstreben als Problem aufdrängt." O. Donners Abhandlung Ober "Geld und Konjunktur" aus dem Jahre 1934 ist bereits in ganz anderer Art als die zeitgenössische ausländische Krisenliteratur geschrieben. Der Autor verzichtet auf theoretische Ausfuhrungen zugunsten praktischer Erwägungen. Die Erörterungen Uber Konjunkturprobleme wurde dazu benutzt, um die Forderung nach einer Wirtschaftslenkung aufzustellen und der Demagogie von der "Abkehr vom Rentabilitätsdenken" Platz zu geben. Der Grundtenor konjunkturpolltischer Erwgägungen ist jetzt ein betonter Optimismus. Und H. Bernte nimmt eigentlich eine Sonderstellung ein,524 wenn er im Jahre 1936 polemisch fragt, ob die Wirtschaftsbelebung dauerhaft sein wird. Fällt auch sein eigenes Urteil darüber positiv aus, so sieht er doch in zweierlei Hinsicht Schwierigkeiten. Der eine Grund ist für ihn der Kreditmangel, der ans der fehlenden Bereitschaft der Geldkapitalbesitzer, Kredite zugeben, herrühre, und ein tatsächlicher, absoluter Geldkapitalmangel. Zudem sei die neue Produktion mit der Abtragung der alten Schulden aus der letzten Aufschwungperiode vorbelastet. Ohne Zweifel ist der Grund für die Interessenlosigkeit an der Krisenproblematik nicht nur in mangelnder Aktualität zu suchen. Die hitlerfaschistische Doktrin verbot geradezu jeden Zweifel an der "ewigen Prosperität" des Deutschen Reiches. So erschöpften sich die wenigen Stellungnahmen der deutschen Ökonomen jener Zeit zu dieser Problematik in einer Kritik der vorangehenden Epoche und in theoretischen Konzeptionen, die das Krisenproblem nur indirekt berühren. Ein klassisches Beispiel ist dafUr das Schrifttum H. v. Stackelbergs. Wie andere bürgerliche Autoren sah Stackelberg die Krise nicht als 525 eine notwendige und gesetzmäßige Begleiterscheinung des Kapitalismus an. Als eifriger Fttrsprecher und Mitstreiter der Hitlerpartei schob er die Schuld für die vorangegangene große Weltwirtschaftskrise der Wirtschaftspolitik der Weimarer Republik zu. Im Jahre 1935 hatte Stackelberg die faschistische Zwangswirtschaft als das Mittel empfohlen, das 172
aus allen Schwierigkeiten heraushelfen sollte, die mit den Folgen dieser Wirtschaftskrise zusammenhingen. Der ökonomischen Theorie aber gab Stackelberg die Auflage, eine einheitliche, umfassende faschistische Politik der Wirtschaftslenkung zu unterstutzen; denn, 526
so meinte er, die "Wirtschaftsfreiheit bedeutet heute den Untergang". Stackelberg hat sich durch die Erarbeitung eines Lehrsystems darum bemUht, selbst einen Beitrag dazu zu leisten. Der Weg, den er beschritt, war in der Form nicht der gleiche, den sein Zeitgenosse J . M. Keynes gegangen war. Im Unterschied zu Keynes, der vorgab, gegen die traditionelle bürgerliche politische Ökonomie aufzutreten, suchte Stackelberg in seiner Konzeption des wirtschaftlichen Regulierungsmechanismus die Kontinuität zur überlieferten ökonomischen Theorie zu wahren. Außer der Verbindung durch eine gemeinsame Klassenposition hatte Stackelberg mit Keynes allerdings den Willen gemeinsam, mit Hilfe seiner theoretischen Konzeptionen aktiv und bewußt in die Wirtschaftsgestaltung einzugreifen. Den objektiven ökonomischen Prozessen suchte Stackelberg vor allem durch die Mathematisierung der ökonomischen Theorie auf die Sprünge zu kommen. Er berief sich darauf, daß eine staatliche Lenkung der Wirtschaft nur möglich sei, wenn die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge durch exakte Herausarbeitung der quantitativen Elemente der Volkswirtschaft erforscht werden. Trotz aller Vorbilder in der Ahnengalerie bürgerlicher Ökonomen vermochte Stackelberg auf diesem Wege als ein Neuerer zu erscheinen, von dessen Früchten die bürgerliche Ökonomie noch in unmittelbarer Gegenwart zehrt. Als eigentliches Problem der Volkswirtschaft sah Stackelberg die Verflechtung einzelner Teile der Wirtschaft zu einem Ganzen. Für Stackelberg stellte sich die zyklische Entwicklung der kapitalistischen Entwicklung als ein Anpassungsprozeß der Betriebe an veränderte Marktbedingungen dar. Die Änderungen der Zinsrate setzt er den Verschiebungen in den Preisrelationen gleich, die gleichermaßen Preisänderungen und, als deren Folge, Veränderungen des Produktionsvolumens verursachen würden. K. Müller meinte dazu: "Die Erklärung von Wirtschaftsschwankungen in der kapitalistischen Wirtschaft bezog sich bei Stackelberg auf die angeblichen Schwierigkeiten der Betriebe, ihre sich aus einer differenzierten Zinspolitik ergebende unterschiedliche Investitionstätigkeit (Anpassimg an geänderte Marktbedingungen) mit den jeweils gegebenen technologischen Bedingungen in der Wirtschaft in Einklang zu bringen. So nehmen entsprechend dem jeweiligen Zinsratenniveau die Betriebe lang- bzw. kurzfristige Investitionen vor, die vom zukünftigen technologischen Standpunkt aus - mit einer aus verändertem Zinsratenniveau entspringenden veränderten Investitionstätigkeit des Betriebes mehr oder weni527 ger störungsfrei verbunden werden müssen."
173
Die Grundlage zur Ausdehnung der Produktion in der modernen kapitalistischen Wirtschaft war für Stackelberg das Sparen. E r meinte, daß das Sparen zu einer Zunahme der Konsumgüterproduktion führen müsse, undplädiert sogar dafür, unter bestimmten Bedingungen das Zwangssparen einzuführen. Wie Stackelberg, der durchaus kein eigentlicher Krisentheoretiker war, haben sich auch andere Autoren indirekt mit dem Problem von Konjunktur und Krise beschäftigt. Noll von der Nahmer z . B . hatte sein Buch, das sich mit dem Problem der Kaufkraftschöpfung durch Banken beschäftigte, bereits im Frühjahr 1931 konzipiert; als es 1934 schließlich 528 erschien, wurde von ihm kaum Notiz genommen. 529 Das gleiche Schicksal erlebten auch die Bücher von H. Jecht und G. Schmölders, 530 die 1934 noch als Nachbetrachtung zu dem "atemlosen und atemberaubenden Schauspiel" erschienen, das die große Weltwirtschaftskrise bot. Wie bereits an anderer Stelle gezeigt wurde, versuchte C. Föhl, unter Verwendung mathematischer Methoden zu Verallgemeinerungen Uber das Ausmaß von variablen 531 ökonomischen Größenordnungen und über die Aussicht ihrer Reduktionen zu gelangen. Unter Vermeidung aktueller Bezugnahmen hat Richter-Altschäffer die Möglichkeit aufzuzeigen versucht, wie man die "öffentliche 532 Investitionstätigkeit im Sinne der konjunkturpolitischen Steuerung" einsetzen könne. Als wichtigste Erfordernisse konjunkturpolitischer Steuerung sah Richter-Altschäffer "eine entsprechende Handhabung der Kreditpolitik" zur "Ausrichtung der öffentlichen Investitionen" und eine "zweckmäßige Währungspolitik" an. Seine Darlegungen müssen zu den wenigen Ausnahmen moderner bürgerlicher Krisentheorie im faschistischen Deutschland gezählt werden, die, wie die Reaktion von G. Kühne533 mann auf das Buch zeigt, wenig Anklang fanden. An das Material von Spiethoff anknüpfend, tritt W. Weisgerber mit dem Anspruch auf, 534 eine geschlossene Theorie der Konjunkturbewegung entwickelt zu haben. E r bejaht die zyklische Bewegung und sucht ihre Ursache in den "Gesetzen der Wirtschaft selbst". Als Anlaß für den Eintritt der Krise sieht Weisgerber die Entstehung von Lagervorräten unabsetzbarer Güter an, die ihrerseits in der vorangegangenen Steigerung der Produktionskapazität ihre Ursache haben. Dabei legt der Autor das Schwergewicht auf die spekulative Bildung von Konsumgütervorräten. August Lösch ist der Meinung, daß die Bevölkerungsbewegung dazu beiträgt, die Kon535 junkturbewegungen hervorzurufen. Im Grunde genommen handelte es sich darum, daß Lösch das sogenannte "Gesetz von Eiler Sundt", das besagte, daß Geburtswellen sich in einem 30jährigen Zyklus wiedelholen würden, von Skandinavien auf deutsche Verhältnisse zu übertragen suchte. Der Verfasser meinte, daß Geburtswellen nach einigen Jahren gleichartige Wellen auf dem Arbeitsmarkt hervorrufen würden, da eine heranbrausende Woge von 174
jugendlichen Erwerbssuchenden das Selbstvertrauen stärken, die schöpferische Phantasie wecken und den erfinderischen unternehmenden Geist beleben würde. Im Vergleich zu der Flut krisentheoretischer und konjunkturpolitischer Schriften, die etwa bis zum Jahre 1934 erscheinen, nimmt sich die in den darauffolgenden Jahren herausgekommene Literatur recht bescheiden aus. Erwähnenswert sind aus jener Zeit einige finanztheoretische und finanzpolitische Schriften, die z.T. das Konjunkturproblem indirekt berühren, im Grunde genommen jedoch meist einen Reflex auf die Hüstungsfinanzierung 536 ^ . .. darstellen. Eine bemerkenswerte Erscheinung der ökonomischen Literatur der Mitte der dreißiger Jahre ist die Tatsache, daß man die kriegswirtschaftlichen Erfahrungen des ersten Weltkriegs auszuwerten beginnt. "Mit Unterstützung amtlicher Stellen" beginnt K. Hesse mit der Herausgabe einer Reihe von Abhandlungen, die die Grundlage einer "kriegswirtschaftlichen Handbücherei" darstellen sollten. Wie der Herausgeber im ersten Band dieser 537 Schriften schreibt,
geht es um die Nutzbarmachung der Erfahrungen, die die Mittel-
mächte und ihre Gegner bei ihren kriegswirtschaftlichen Maföi ahmen gemacht haben. Die Konzeption des Generalstabschefs Schlieffen und seines Nachfolgers Moltke für den ersten Weltkrieg hatte einen Blitzkrieg vorgesehen, der keine besondere Organisation einer Kriegswirtschaft notwendig machte. Die Illusionen wurden durch den tatsächlichen Kriegsverlauf arg zerstört, und es erwies sich, daß man Fragen wie Kriegsfinanzierung und die Versorgung der Bevölkerung nicht ungestraft unbeachtet lassen darf, wenn man sich auf einen längerwährenden Krieg einzustellen hat. Die deutschen Faschisten suchten schon frühzeitig daraus die Lehren zu ziehen. Ihre Untersuchungen kriegswirtschaftlicher Probleme waren Bestandteil der ernsthaften Vorbereitungen auf einen neuen Aggressionskrieg. Die Gestaltung der Kriegswirtschaft wird von ihnen im engeren Zusammenhang mit militärischen Aktionen betrachtet. Sie berücksichtigen die Struktur der Friedenswirtschaft und die Beziehungen von Wirtschaft und Staat. Rohstoffbasis, Vorrats- und Ersatzstoffwirtschaft, die Standortfrage, Möglichkeiten der Verlagerung von wirtschaftlichen Potenzen, Ernährungsfragen, die Mobilmachung von Menschen und Material und deren Verteilung sind die näheren Untersuchungsgegenstände dieser kriegswirtschaftlichen Betrachtungen. Dabei wird schon jetzt die Erfahrung des 1. Weltkrieges berücksichtigt, daß man gegebenenfalls mit einem Mehrfrontenkrieg und dem Verlust bedeutender Auslandsmärkte zu rechnen habe. Dieser Aufrüstung im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich schloß sich auch G. Al53 8 brecht
an. Ihm liegt vor allem daran, auf die Bedeutung der sozialen Frage hinzuwei-
sen, die für den Kriegsfall von ausschlaggebender Bedeutung ist. Als "beste soziale Kriegsvörbereitung" und als die "Vorbedingung für den Erfolg aller notwendig werdenden
175
weiteren sozialen Kriegsmaßnahmen" sieht Albrecht die soziale Befriedigung der Arbeiterschaft in Friedenszeiten an. In einem weiteren Artikel geht Albrecht auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten während des Krieges ein, die im Zusammenhang mit der Sozialpolitik 539 * i. stehen. Manche Ökonomen begannen sich also schon recht frühzeitig auf die Kriegspolitik Hitlers einzustellen und die Erfahrungen des 1. Weltkrieges auszuwerten. A. Pfennig, von dem schon die Rede war, hatte 1939 in einer ökonomischen Fachzeitschrift auch schon die " E r klärung" dafür bereit, warum ein neuer Krieg unvermeidbar sei. Der Krieg ist danach eine Folge der Existenz unterschiedlicher Rassen: "Im Gegensatz zur liberalen Wirtschaftsidee, deren Hintergrund der Glaube an einen ewigen Weltfrieden bildete, folgt aus der Rassenidee die Notwendigkeit größtmöglicher Selbständigkeit der die Weltwirtschaft bildenden Nationalwirtschaft. Denn: einen ewigen Frieden kann es nicht geben, nicht nur, weil die Menschen unzulänglich sind, sondern vor allem, weil die Gegensätzlichkeiten der Rassen dem entgegenstehen. Die Rassen sind die letzten Kampferreger, und die Rassengegensätze sind unaufhebbar."
540
An einer Literatur zu der faschistischen Parole "Volk ohne Raum",
541
die im engen
Zusammenhang zur Kriegsvorbereitung und Kriegsfiihrung steht, hat es in ökonomischen 542 Fachzeitschriften nicht gemangelt. Da diese Literatur die politische Ökonomie nicht direkt berührt, soll hier nicht auf sie eingegangen werden. Für die Einschätzung der ökonomischen Lehre ist jedoch die in den Kriegsjahren geführte Diskussion über die Kriegsfinanzierung sehr aufschlußreich. In der Kriegs zeit nimmt die Staatsschuld der kriegführenden kapitalistischen Länder sehr bedeutend zu, 543und manche Autoren widmeten diesem Umstand ihre Aufmerksamkeit. H. Rittershausen z.B.beschäftigte sich mit der Frage, ob durch die Verschuldung des Staates noch einmal die Gefahr der Inflation heraufbeschworen würde. Rittershausen verneinte die Gefahr kategorisch und meinte, daß nicht die Staatsschuld, sondern Staatshaushaltdefizite Ursache der Inflation seien. Seine Argumentation läuft auf den Vorschlag hinaus, eine Schuldentilgung vorzunehmen, die durch Steuereinnahmen gedeckt werden soll. Gleichzeitig schlägt e r jedoch vor, die "Ubermäßige Anspannung der progressiven Einkommensteuer" fallenzulassen und "auf andere Art" f ü r hohe Staatseinnahmen zu sorgen. An die Stelle einer Besteuerung des Fleißes müsse eine Besteuerung der Faulheit treten. Auf diese Weise ist Rittershausen in seiner Polemik der Beschneidung des Profits entgegengetreten und hat gleichzeitig den Weg für eine zusätzliche Belastung der Werktätigen geebnet; ohne es deutlicher auszudrücken, hat Rittershausen vor allem der Erhöhung der indirekten Steuern das Wort geredet. Der Frage der Kriegs- und Nachkriegsfinanzierune haben damals auch andere Ökonomen 544 Beachtung geschenkt. Zu einer umfangreichen Auswertung der Erfahrungen des zweiten 176
Weltkrieges zur Ergänzung und Erweiterung einer Kriegswirtschaftslehre kam es genausowenig wie zu einer rassistisch-orientierten Nationalökonomie. Die Rote Armee hat mit der Zerschlagung des Faschismus alle derartigen Ambitionen zunichte gemacht.
177
VII. Die Entstehung des Neoliberalismus in Deutschland
Der ökonomische Liberalismus ist eine historisch Uberlebte Denkweise, deren Kernpunkt in der Ansicht besteht, daß der Staat außerhalb der ökonomischen Sphäre zu stehen habe. Spätestens mit der Herausbildung des staatsmonopolistischen Kapitalismus wurde das Laissez-faire-Prinzip von der Bourgeoisie fallen gelassen und die Intervention des Staates auf den Schild gehoben. Der Neoliberalismus dagegen, der so wenig mit dem historischen Liberalismus gemein hat, daß man seine Bezeichnung eigentlich immer in Anführungsstriche setzen müßte, plädiert ausdrücklich für bestimmte Eingriffe des Staates in das Wirtschaftsleben, verhehlt also gar nicht, weitgehend unliberal zu sein. In der Umgangssprache wird das Wort "liberal" häufig angewandt, um die Relativität der Freiheit in 545 bezug auf einen anderen, wesentlich unfreieren Zustand zu charakterisieren. In diesem Sinne, aber nur in diesem Sinne, waren Ökonomen der Freiburger Schule tatsächlich liberal; ihre Ansichten über die einzuschlagende Wirtschaftspolitik waren wesentlich liberaler als die der hitlertreuen Ideologen, die für die Beibehaltung der faschistischen Zwangswirtschaft eintraten. Der Freiburger Kreis von Ökonomen war hier genau so relativ liberal wie ein Anhänger des bürgerlichen Parlamentarismus relativ demokratischer ist als ein Faschist. Verfolgen wir die Ansichten jener Ideologen, die als Vertreter des Neoliberalismus bezeichnet werden, dann können wir ihre Spuren rückschauend zweifellos schon in den zwanziger Jahren feststellen. Es bleibt nur die Frage offen, ob sie sich bereits damals zu dem Dogma bekannten, für dessen Verteidigung sie heute als Neoliberale bezeichnet werden. Definieren wir den Neoliberalismus als eine Richtung der bürgerlichen Ökonomie, die die freie Konkurrenz mit Hilfe des Staates durchsetzen will und die als theoretisches Rüstzeug die Lehre von den Ordnungstypen oder den Marktformen verwendet, so werden sich schwerlich dafür Beispiele finden lassen, daß diese Richtung bereits in den zwanziger Jahren existierte. Das Auftauchen des Namens allein wäre noch kein ausreichender Beleg; 546 H. Honegger z.B. benutzt im Jahre 1925 den Begriff "Neoliberalismus" für jene ökonomischen Lehren, in denen der "Ruf nach einer Befreiung der Wirtschaft aus den Fesseln und Hemmungen" spürbar wird, "die ihr durch die547 sozialistisch-nationalistische Kriegs- und Nachkriegswirtschaft auferlegt worden sind". Betrachtet man die von Honegger gemeinten Autoren wie G. Cassel, H. Oswalt und S. Budge, dann wird deutlich, daß hier noch nicht an den Neoliberalismus in seiner heute 178
bekannten Art gedacht war. Die genannten Ökonomen sind keineswegs fUr die "Neugestaltung der Wirtschaftsordnung" nach der Vorstellung von W. Eucken und W. Rönke eingetreten. Der deutsche Neoliberalismus ist Ausdruck eines gewissen Widerstandes gegen bestimmte Folgen der Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus, die einem Teil-der Bourgeoisie nicht geringe Sorge bereitete. Ohne Zweifel ist z.B. der Kampf gegen die Monopole ein echtes Anliegen von nichtmonopolisierten Außenseitern, die im Wettbewerb gegen die Ubermächtigen Konkurrenten im Nachteil sind. Am klarsten und geschlossensten ist das komplizierte Problem des Widerstandes gegen die Monopole innerhalb des bürgerlichen Lagers bisher von H. Nussbaum aufgezeigt worden, die in ihrem Aufsatz Uber die "bürgerliche Monopolgegnerschaft" schreibt: "Der Monopolismus, obwohl in den entwickelten kapitalistischen Ländern die Wirtschaft absolut beherrschend, hat bis jetzt jedoch nicht alle vormonopolistischen Produktionsformen zerstört; diese konnten daher zur Basis antimonopolistischer Strömungen außerhalb des Prole548
tariats werden."
Es sei nicht erstaunlich, meint die Autorin, daß die Opposition des
Kleinbürgertums und der Bourgeoisie (für eine kurze Zeit auch seitens deutscher Junker) gegen die Monopole bis in die Gegenwart nicht verstummt ist, da die Widersprüche des Kapitalismus, die in der Epoche des Imperialismus zunehmen, auch das Anwachsen des Widerspruchs zwischen dem Monopolkapital einerseits und dem kleinen, mittleren und 549 großen nichtmonopolistischen Kapital andererseits zur Folge hat.
Die bisherigen Dar-
stellungen in der marxistischen Literatur 550 Uber die Stellung der Neoliberalen zu den Monopolen seien allzu vereinfacht worden.
Aus der Nachkriegsentwicklung Westdeutschlands
seien jedoch folgende Tendenzen erkennbar: "1. die wirtschaftliche Macht verschiebt sich immer mehr zugunsten der Trusts und Konzerne. Diese üben einen größeren Preisdruck auf die kleinen und mittleren Kapitalisten als Lieferanten und Abnehmer aus und verschärfen den Konkurrenzkampf gegen kleine und mittlere Kapitalisten der eigenen Branche. Der Widerspruch zwischen dem Monopolkapital und dem übrigen Kapital verschärft sich, es wird eine antimonopolistische Opposition erzeugt. 2. bedrängt durch verschärfte Konkurrenz, versuchen die kleineren Unternehmer oft, sich in Kartellen zusammenzuschließen, um hier wenigstens einen gewissen Schutz gegen das Großkapital zu haben. Diese Zusammenschlüsse sind schwierig wegen der großen Anzahl der Unternehmen in einer Branche, sie werden aber erleichtert durch das Unternehmerverbandswesen. J e mehr das gelingt, 551 desto schwäeher und inkonsequenter wird natürlich die antimonopolistische Haltung."
Wegen dieser
Sachlage und wegen der Tatsache, daß die Basis der ökonomischen Existenz des kleinen und mittleren Unternehmertums das Privateigentum an Produktionsmitteln und der Profit sei, die nicht gestatten, daß diese Unternehmer aus ihrer antimonopolistischen Stimmung 179
ohne weiteres gleich die äußerste Konsequenz ziehen, sei ihre Haltung schwankend, inkon552 sequent, theoretisch wirr und opportunistisch. "Die Konzeption der Freiburger Schule des Neoliberalismus bringt das ökonomische Interesse einer bestimmten mittleren Schicht des Bürgertums zum Ausdruck, sie ist entsprechend diesem Interesse in sich sehr widersprüchlich und kann deshalb für und gegen das Monopolkapital ausgenutzt werden." Die Autorin macht ferner darauf aufmerksam, daß Marx verschiedentlich im "Kapital" darauf hingewiesen habe, daß "falsche Vorstellungen von der kapitalistischen Ökonomik, von der Konkurrenz und so weiter nicht unbedingt unlauteren Absichten entspringen 553 müssen, sondern in der Wirklichkeit bzw. ihrem falschen Schein wurzeln können..." Und sie zieht daraus den Schluß: "Die Deutung, daß die neoliberalen Ökonomen direkt im Auftrag des Monopolkapitals handeln und raffinierte Heuchler sind, erklärt uns im Grunde zu wenig." Sie sei nicht im strengen Sinne materialistisch 554und in bezug auf die Freiburger Schule nicht dem wirklichen Sachverhalt entsprechend. Dieser Einschätzung muß man zustimmen. Die gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland boten durchaus eine Basis f ü r eine echte bürgerliche Opposition gegen bestimmte E r scheinungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus. K.-H. Schwank hat in seinem Beitrag zur Analyse des staatsmonopolistischen Kapitalismus die charakteristischen Merkmale der 555 historischen Entwicklung in Deutschland aufgezeigt. Es bleibt die Frage zu beantworten, in welcher Situation und zu welcher Zeit sich der Neoliberalismus als eine der markantesten Formen dieser Opposition als geschlossene Gruppe herauskristallisierte. Für die zwanziger Jahre dürfte es schwierig sein, Zeugnisse öffentlichen Auftretens bei556 auf eine kleine Schrift von H. Gestrich hinge-
zubringen. H. Turley hat in seinem Buch
wiesen. Gestrich hatte 1930 seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß Konsum und Produktion auch zu der Zeit, wo die als Manchestertum abgelehnte Gesinnung untergegangen ist, durch ein Preissystem regulierbar ist, ohne daß "von oben" regelnd eingegriffen 557 wird.
Den Einwand, daß die Preisbildung durch Kartelle und Trusts beeinflußt sei,
hält Gestrich für nicht stichhaltig: "Das Herrschaftsgebiet dieser Monopole wird meistenteils weit überschätzt, außerdem wird fast nie an die Grenzen gedacht, die dem Marktbeherrschungswillen der Monopole durch die Möglichkeit des Aufkommens neuer Konkurrenz,558 ferner aber auch durch die Grenzen der Konsumwilligkeit der Verbraucher gezogen sind." Gestrich ist hier also van der charakteristischen Monopol-"Kritik" der Neoliberalen noch unddieistEinschaltung im übrigen auch in seinen Forderungen eher liberal alsHandel. neoliberal. sehr weit entfernt 559 So plädiert e r gegen staatlicher Machtmittel im internationalen Zwar kommt Gestrich in einigen Formulierungen den Ambitionen späterer Neoliberaler sehr nahe, so z.B., wenn e r von der Verantwortung des Staates zur Gewährleistung freier 560 Konkurrenz spricht, 180
doch weist er noch nicht mit der starken Betonung auf die Dring-
liebkeit staatlicher Eingriffe zur "Wiederherstellung der Kankurrenzwirtschaft" hin, die der Freiburger Schule später eigen war. Der Verlauf der großen Weltwirtschaftskrise hat schließlich allen wirtschaftspolitischen Erwägungen größere Schärfe verliehen. Sie hat veranlaßt, daß sich alle bisherigen dirigistischen Maßnahmen eine Kritik gefallen lassen mußten und ihr Wert angesichts weiterer Fortschritte der Krise in Frage gestellt wurde. 561 562 Turley zieht allerdings die Ansichten von G. Strube und W. Cordes in Zweifel, daß die große Weltwirtschaftskrise ein Umdenken der bürgerlichen Ökonomen zur Folge hatte. E r schreibt: "Diese und ähnliche 'Erklärungen' lassen das Aufkommen der neoliberalen Richtung in Deutschland als eine aus den inneren Schwierigkeiten des Kapitalismus resultierende Kritik an den damaligen herrschenden bürgerlichen wirtschaftstheoretischen und -politischen Ansichten erscheinen. In Wirklichkeit ging es aber darum, . . . der gesellschaftlich notwendigen und realen Alternative zum Kapitalismus, dem Sozialismus, der angesichts der Erfolge des sozialistischen Aufbaus in der UdSSR für die Ausgebeuteten und Unterdrückten in den kapitalistischen Ländern immer anziehender wurde, mit einer Theo563 rie von einem sogenannten 'dritten Weg* entgegenzutreten." Der Antikommunismus spielt in der Tat eine Hauptrolle in der Argumentation der Neoliberalen. Es wäre jedoch nicht richtig, in diesem Motiv den entscheidenden Anstoß zu ihrer Kampagne gegen einen weitgehenden Dirigismus zu ziehen. Von Bljumin wurde daher auch sehr folgerichtig das Problem der inkonsequenten, von vielen Halbheiten und Unaufrichtigkeiten begleiteten Agitation gegen die Monopole und ihre Diskussion um die Form 564 staatlicher Einmischung in den Mittelpunkt seiner Analyse des Neoliberalismus gestellt. Der Interventionismus ist der eigentliche Gegenstand der neoliberalen Polemik. Zur Zeit des Auftretens der Neoliberalen wurde von keinem Ökonomen' mehr bestritten, daß es möglich sei, in das Wirtschaftsleben regelnd einzugreifen. Uneinigkeit herrscht allerdings über die Frage, ob Regulierungsmaßnahmen zweckmäßig seien und ob sie nicht unerwünschte Folgen zeitigen würden. Man stritt sich selbst über die Frage, wieweit direkte autoritative Eingriffe in den Wirtschaftsablauf fest zu umreißen seien. L. v. Mises z . B . hatte alle "Handlungen der Obrigkeit, die mit den Mitteln des Marktes arbeiten, d.h. solche, die
565
Nachfrage oder Angebot durch Veränderungen der Marktfaktoren zu beeinflussen suchen", aus dem "Interventianismus"-Begriff ausgeschlossen. Danach würden nur noch jene Eingriffe als interventionistisch zu definieren sein, die im direkten Widerspruch zu dem Willen der Unternehmer stehen. (Mises: "Der Eingriff ist ein von einer gesellschaftlichen Gewalt ausgehender isolierter Befehl, der die Eigentümer der Produktionsmittel und die Unterneh566 mer zwingt, die Produktionsmittel anders zu verwenden, als sie es sonst tun würden." ) H. Kretschmar weist demgegenüber sehr richtig darauf hin, daß mit Hilfe staatlicher Autorität noch andere antiliberalistische Maßnahmen als direkte Zwangsvollstreckungen 181
möglich seien, z.B. die Schaffung gewichtiger Anreize.
567
Kretschmar bemüht sich im
übrigen nachzuweisen, daß "eine Abkehr vom Gesamtsystem der liberalen Klassik und ihrer Nachfolger und die Entwicklung eines nationalwirtschaftlichen Gesamtsystems weder eine Negation wissenschaftlicher Erkenntnis und wissenschaftlicher Objektivität . . . zur Folge haben, noch daß damit ein Zuwiderhandeln gegen die regelmäßigen Markttendenzen 568 oder eine Ausschaltung der Privatwirtschaft verbunden sein muß." Neben dieser direkten Befürwortung weiterer dirigistischer Maßnahmen werden schließlich aus dem Kreise der Ökonomen, die später als Neoliberale bezeichnet werden, Stimmen laut, die für eine Modifizierung der staatlichen Intervention eintreten. Wenn man das Auftreten der Neoliberalen über mehrere Jahre hinweg in Deutschland verfolgt, dann zeichnen sich deutlich drei Etappen ab. Sie erhalten etwa durch die Jahre 1932, 1936/37 und 1945/46 ihre Zäsur. Schließlich könnte man noch das Jahr 1940 als bemerkenswerten Abschnitt der Entwicklung des deutschen Neoliberalismus hinzusetzen, das Jahr nämlich, das den Neoliberalen die Euckenschen "Grundlagen" als wichtige theoretische Stütze ihrer wirtschaftspolitischen Ambitionen gebracht hat. Das Jahr 1932 brachte nicht nur den Höhepunkt der Wirtschaftskrise mit sich, sondern offenbarte auch, daß man mit den staatlichen Eingriffen zur Beseitigung der wirtschaftlichen Katastrophe Schiffbruch erlitten hatte. "Zu den . . . staatlichen Eingriffen auf lohnund steuerpolitischem Gebiet, zur Sanierung bankrotter Monopole, zu der Subventionierung in den verschiedensten Formen, der Übernahme von Garantien, der Vergabe von Krediten, der Erhöhung der Zölle usw. kamen solche Maßnahmen wie die Devisenbewirtschaftung, die Kontingentierung der Importe, die zwangsweise Reduzierung des Tabak-, des Zuckerrübenanbaues und andere. Bei allen diesen Bemühungen, die auch in vielfältigen Maßnahmen auf finanzpolitischem Gebiet ihren Ausdruck fanden, wurde jedoch bis etwa Mitte 1932 im offensichtlichen Bestreben, inflationistische Tendenzen zu vermeiden, die Währung im wesentlichen nicht angetastet . . . Das änderte sich erst unter den Regierungen Papen und Schleicher. Sie unternahmen Versuche, vor allem durch Methoden der Defizitfinanzierung, die Verwertungsbedingungen des Kapitals günstig zu beeinflussen und Arbeitsbe569 schaffungsmaßnahmen einzuleiten." Das war der wirtschaftsgeschichtliche Hintergrund des Auftretens der Männer, die sich in der Freiburger Schule zusammenfanden, um gegen den erfolglosen Interventionismus zu polemisieren. Auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik, die am 28. und 29. September 1932 in Dresden zu dem Thema "Deutschland und die Weltkrise" stattfand, hatte sich A. Rüstow zu Wort gemeldet und einen "liberalen Interventionismus" propagiert, der einen "vollkommen anderen Staat" voraussetze, der den Interventionismus nicht mehr zugunsten von 182
Interessentengruppen praktiziere, sondern der über der Wirtschaft, über den Interessenten stehe. Nach Rüstows Ansicht ist bisher in der Wirtschaft staatlicherseits interveniert worden, um die Konkurrenzbedingungen, die sich durch irgendeine, meist von außen kommende Strukturveränderung, für einen Teil der nationalen Wirtschaft verschlechtert haben, wieder zu korrigieren. Diese Interventionen hätten jedoch nur das Unheil verstärkt und schließlich zur Krise geführt. Man dürfe jedoch weder dem Laissez-faire-Standpunkt huldigen noch den regellosen Interventionismus weitertreiben, sondern müsse "in Richtung der 570 Marktgesetze", "zur Beschleunigung des natürlichen Ablaufs" tätig werden. In einer Streitschrift gegen Autarkiebestrebungen hatte auch W. Röpke 1932 von einer "zunehmenden Erstarrung der Weltwirtschaft durch Prohibitivzölle, Kontingente, Einfuhrland Ausfuhrverbote, Handelsmonopole und Devisenwirtschaft" gesprochen, die so weit 571 gehe, daß das Schicksal der Weltwirtschaft auf dem Spiel stehe. Es werde höchste Zeit, meinte Röpke, daß man sich gegen die "Atmosphäre des Ungeistes, der Hysterie und der tyrannischen Anmaßung" mit aller Macht auflehne, in der "ein neues ehernes Zeitalter des Zwanges, der Persönlichkeitsknechtung, der nationalen Enge, der Armut, der moralischen, geistigen und technischen Primitivität und des Mundhaltens mit tausend Zungen gesungen" und jeder Andersdenkende als bestochen oder als verkalkter Liberaler 572 denunziert wird. Zusammenfassend forderte Röpke: "Der Weg zu einer helleren Zukunft geht nicht über Restriktion, sondern über Leistungssteigerung, nicht über Einengung, sondern über Ausweitung, nicht über Zwang, sondern über Freiheit, nicht über Bürokratisierung, sondern über die freie Entfaltung individueller Intelligenz und Energie, nicht über 573 Wirtschaftskrieg und Autarkie, sondern über Wirtschaftsfrieden und Weltwirtschaft." Deutlicher als Röpke hatte Eucken im gleichen Jahr in einem Aufsatz vor staatsmonopolistischen Maßnahmen gewarnt und das Gespenst der Stagnation an die Wand gemalt. E r ging von dem Problem der Dynamik des Kapitalismus aus. Eucken meint, daß die Frage, "ob heute noch wie früher Unternehmer vorhanden sind, die Willen und Fähigkeiten besitzen, Führer der Entwicklung zu sein", für die monopolistischen Industriezweige in Deutschland zu verneinen sei. Überall da, "wo durch Vertrustung, durch Bildung festgefügter Kartelle, durch Patente oder Geheimverfahren die Kraft der Konkurrenz gebrochen oder stark geschwächt worden ist", treffe das Bild zu, daß der Unternehmertyp, der die große industrielle Expansion seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts
durchführte, aussterbe. Eine Änderung der Wirtschaftsgesinnung vollziehe sich
dort. "Das Vordringen des rationalen Denkens unterdrückt mehr und mehr den Wagemut, den Spekulationsgeist, der notwendig ist , um Neuerungen aufzugreifen und durchzuführen." Anstatt dessen beherrsche den heutigen Unternehmer das Streben nach Sicherheit und 183
Stetigkeit. Gerade in der Großindustrie vollziehe sich eine Verbeamtung der Unternehmerschaft, die den echt kapitalistischen, vorwärtsdrängenden, wirklich unternehmenden Geist nicht mehr kenne, und somit fehle heute der eigentliche Motor der wirtschaftlichen Entwicklung." Wo monopolistische Machtstellungen jahrzehntelang bestehen, ändere das Unternehmertum allmählich seinen Charakter, verschwinde der frühere Typ des beweglichen Unternehmers, und eine Verbeamtung greife Platz. "Im deutschen Steinkohlenbergbau z . B . , in der eisenschaffenden Industrie, im Kalibergbau, also in Industrie, die seit langer Zeit Monopolsicherungen genießen, ist ein solcher Wandel der Wirtschaftsgesinnung, der 574 eine Bürokratisierung der Wirtschaftsführung zur Folge hat, deutlich zu beobachten." In Industriezweigen dagegen, wo Kartelle gar nicht oder nur in lockerer Form oder nur vorübergehend Bestand haben, sei noch ein Unternehmertyp des Wettbewerbs, ähnlich dem des 19. Jahrhunderts, vorhanden. Die Entwicklung des Kapitalismus würde durch eine Verbürokratisierung und Verrentung des Unternehmertums und einem Rückgang575 technischer Erfindungen allerdings nicht ernsthaft gefährdet sein, meint Eucken weiter. Dagegen werfe die neue "staatlich-gesellschaftliche Organisation der Völker" kritischere Probleme auf, "die das Funktionieren des kapitalistischen Mechanismus aufs äußerste 576 erschwert und seine Entwicklung hemmt oder unmöglich macht". Die Gefahr sieht Eucken in der Aufgabe des ökonomischen Liberalismus, in der engen Verflechtung der Wirtschaft mit dem Staat, in der Zunahme des Interventionismus im Wirtschaftsleben. Nach seiner Meinung würde dadurch die Position des Staates geschwächt werden. Es sei eine folgenschwere Erscheinung, daß "ganz allgemein gerade durch die enge Verflechtung mit der Wirtschaft die Selbständigkeit der Willensbildung des Staates unterhöhlt wird, auf 577 der seine Existenz beruht, weil er sich jetzt in hohem Maße dem Willen von Interessenten zu beugen habe. Andererseits habe auch die Wirtschaft schwere Erschütterungen zu verzeichnen, da die kapitalistische Wirtschaftsordnung "eine durch Staatseingriffe unbehinderte Preisbildung voraussetzt - wenn ihr Steuer nicht seine Funktionsfähigkeit verlieren soll". 5 7 8 Der bisherige Regulator der Volkswirtschaft, das Preissystem, werde funktionsunfähig: "Schon durch das Aufkommen einzelner Monopole und monopolartiger Gebilde war die Wirksamkeit des Preismechanismus behindert und waren gefährliche Kapitalfehlleitungen veranlaßt worden. Indem der Staat - besonders durch seine Zoll- und Kartellpolitik das Aufkommen und die Festigung der Monopole wesentlich erleichterte, die nur durch seine Hilfe ihre jetzige Machtstellung erringen konnten, hat er die regulierende Kraft des Preissystems mittelbar stark geschwächt. Er hat darüber hinaus durch unmittelbare Preisbestimmung auf Arbeits-, Kapital-, Wohnungs-, Lebensmittel- und vielen anderen Märkten Preisverschiebungen verhindert und damit bewirkt, daß angebotene und nachgefragte Quantitäten sich nicht ausglichen. Soweit aber noch durch Preisveränderungen Umstellungen 184
diktiert wurden, hat er vielfach versucht, sie durch Subventionen, Vollstreckungs schütz usw. zu bremsen." Durch den staatlichen Interventionismus sei "aus dem freien, durch das Preissystem sinnvoll geordneten, ein staatlich gebundener Kapitalismus geworden, der einer brauchbaren Steuerung entbehrt. Die bisher im ökonomischen Mechanismus wirksame Tendenz zur Vollbeschäftigung aller Anlagen und Arbeitskräfte, die in jeder Konkurrenzpreisverschiebung liegt, wurde weitgehend ausgeschaltet. Gerade durch die Politisierung der Preisbildung wurde der Produktions- und Verteilungsprozeß von den Zufälligkeiten politischer Machtgruppierungen abhängig, und insofern ist die Wirtschaftsordnung anarchisch j .i 5 7 9 geworden." F. Böhm, ein weiterer Anhänger der Freiburger Schule, hat 1933 ein Buch herausgebracht, 580 in dem e r unmißverständlich Partei gegen die Monopole ergreift. Nach Böhm beruht die "freie Verkehrswirtschaft" auf einer Rechtsverfassung, die in Deutschland im wesentlichen in der Gewerbeordnung kodifiziert ist. In ihr würden die Kampfnormen für den Leistungswettbewerb festgesetzt und durchgesetzt. Das produktionsfördernde Produzentenprimat wird durch die Konkurrenz und die freie Konsumentenwahl kontrolliert und in Schranken gehalten. Es käme darauf an, ein konsequentes Rechtssystem der "freien Verkehrswirtschaft" auch konsequent anzuwenden. In diesem System erscheint der Kampf der Monopole gegen die Außenseiter als eine Störung, da e r nicht nach den zugelassenen Regeln des Leistimgskampfes erfolgt, sondern mit Hilfe politischer und ökonomischer Herrschgewalt. Die organisierten Monopolvereinigungen erscheinen als ein organisierter Angriff auf das Wirtschafts- und Rechtssystem der "freien Volkswirtschaft". Es liegt nun an dem Staat, so meint Böhm, sich dafür zu entscheiden, ob er an der "freien Volkswirtschaft" festhalten und das Wirken der Monopole als verfassungsbedrohenden Akt bekämpfen wolle. So erscheint der Monopolismus in der Darstellung Böhms als ein Fremdkörper im System der "freien Verkehrswirtschaft". Er erziele außerdem einen geringeren gesamtökonomischen Effekt als die freie Konkurrenz, da e r das Wirtschaftsleben weniger anpassungsfähig
mache und die negativen Folgen von Disproportionen, die die Leiter von Mono-
polen hervorrufen könnten, zu Lasten der Allgemeinheit gingen. Es ist unübersehbar, daß die zitierten Stimmen aus dem Jahre 1932 ungleich schärfer formuliert sind als die konzilianten Äußerungen Gestrichs aus dem Jahre 1930, der eine Rückkehr zum "liberalistischen Wirtschaftssystem" mit Staatshilfe für leicht möglich hält. Dagegen wird bei Rüstow und Eucken der Einspruch gegen einen verfehlten Dirigismus mit dem Schreckgespenst der unaufhörlichen Wirtschaftskrise verdeutlicht. Eucken und Böhm haben die Monopole für die Stagnationserscheinungen verantwortlich gemacht, für die Gestrich nur wenig kritische Worte fand. So fiel der erste historische Auftritt des deutschen Neoliberalismus in den Vorabend der Errichtung der faschistischen Diktatur. Selbstver185
ständlich mußte der Vorstoß dieser Männer unter den politischen Voraussetzungen, die nach 1933 in Deutsehland gegeben waren, zunächst einmal verpuffen. Kritische Stimmen zum BÖhmschen Buch z.B. haben von nahestehenden Autoren nicht lange auf sich warten lassen. Beckerath z.B. teilte zwar die Böhmsche Kritik am Monopolismus insgesamt (in einigen Teilaspekten verteidigt er die Monopole), sieht jedoch den von Böhm gewiesenen Ausweg als nicht gangbar an. Er bestätigt dessen Meinung, daß die "freie Verkehrswirtschaft" als das überlegene Ordnungssystem "erhalten" werden müsse, setzt aber hinzu, daß eine rechtliche Verteidigung allein nicht ausreichend sei und eine politische Einflu&iahme des Staates ergänzend hinzutreten müsse, wo wirtschaftliche Ungleichgewichtigkeit und Monopolismus entstehen. Beckerath sieht 1934 die politische Konstellation in Deutschland nicht für gegeben, die es ermöglichen könnte, daß der Staat die "freie Verkehrswirtschaft" vor monopolistischer Ausbeutung und "Überwuchern des Monopolismus" schützen kann: "Solange wir nicht ein wiiklich brauchbares, in verfassungsmäßigen Grundsätzen zu formulierendes objektives Prinzip für die Grenzen staatlicher Intervention in die Privatwirtschaft zwecks Erhaltung ihrer auch gemeinwirtschaftlich notwendigen Lebens- und Leistungsfähigkeit gefunden haben, wird zunächst zur Verteidigung eines gesunden und leistungsfähigen Privatwirtschaftslebens nichts anderes zu tun sein, als auf die Schwere und die Verantwortlichkeit der hier vorliegenden Entscheidungen der politi581 sehen Führer wie der Wirtschaftsführer immer wieder hinzuweisen." 582 Vor kurzem hat D. Mühle den Lebensweg Ludwig Erhards verfolgt, der als Praktiker der neoliberalen Doktrin Ruhm für sich in Anspruch nahm. Mühles Erhard-Biographie trägt mit seinem Tatsachenmaterial zur Abrundung des Bildes über den deutschen Neoliberalismus bei. Auch Erhard hatte vor 1933 kritische Bemerkungen zur krisenverschärfenden Rolle der Monopole gemacht, die er als Exponent der Fertigwarenindustrie unangenehm zu spüren bekam. Erhard scheint jedoch relativ spät zu den Männern der Freiburger Schule gestoßen zu sein, und sein späteres Arrangement mit dem Nationalsozialismus hat ihn viele seiner ursprünglichen Thesen widerrufen lassen. Mühle schreibt dazu: Als der Sprecher größerer nichtmonopolistischer Unternehmen der Verbrauchsgüterindustrie "attackierte Erhard die Wirtschaftspolitik der Kohle- und Stahlmonopole von Rhein und Ruhr und der Großagrarier sowie auf der politischen Ebene die Kräfte der Harzburger Front. Nach dem Machtantritt Hitlers bot sich der Mehrzahl dieser Unternehmen die Chance, von der faschistischen Rüstungswirtschaft zu profitieren und ihre Position auf Kosten kleinerer Betriebe auszubauen. Gleichzeitig ging die große Krise ihrem Ende zu, die Wirtschaftslage besserte sich, und die Spannungen innerhalb der Großbourgeoisie verloren an Schärfe. Zudem geriet das Institut (das Nürnberger Institut für Wirtschaftsbeobachtung, für das Erhard arbeitete - W.K.) sehr bald völlig unter den Einfluß großer Konzerne, die zu den 186
Hauptprofiteuren der Rüstungswirtschaft gehörten. Dies mag Erhards 'bejahende Einstellung zum neuen Staat' und seine Apologie der faschistischen Wirtschaftspolitik gegenüber den 583 Protesten des kleinen und mittleren Unternehmertums erklären." Andere Autoren in der DDR haben sich die Einschätzung der Rolle, die die Neoliberalen zur Zeit der faschistischen Herrschaft spielten, allzu leicht gemacht. Rühle z.B. wQist nur darauf hin, daß Euckens Buch "Die Grundlagen der Nationalökonomie", in dem das theoretische RUstzeug des Neoliberalismus konzipiert wurde, während der Zeit der faschistischen Tyrannei in Deutschland viele Auflagen erlebt habe und er folgert daraus: "Es liegt bei Berücksichtigung des totalitären Charakters des Nazistaates auf der Hand, daß nur ein solches Buch von 1939 bis 1944 fast jedes Jahr eine Neuauflage erfahren konnte, das der Wirtschaftsordnung und den wirtschaftspolitischen Zielen der nazistischen Machthaber mindestens 584 5 85 loyal, wenn nicht wohlwollend gegenüberstand." Das gleiche äußerte auch Christians, ohne sich weiter darüber auszulassen. R. Naumann hat in seinem Buch der Frage der "Anpassung des Liberalismus an den Fa5 86 schismus durch die Neoliberalen" einen Abschnitt gewidmet. Leider geht Naumann immer von der unrichtigen Voraussetzung aus, daß zwischen dem Alt-Liberalismus und dem Neoliberalismus eine Kontinuität besteht. Er ist damit einem Irrtum verfallen, dem die Neoliberalen selbst weitgehend entgangen sind, da sie sich immer wieder eindeutig vom Liberalismus des Laissez-faire distanziert haben. In dem Bestreben, aufzuzeigen, daß die Vertreter der Freiburger Schule waschechte Bourgeois waren, gelangt Naumann zu einer wissenschaftlich unzulässigen Bagatellisierung der Rolle der Neoliberalen. Er kommt zu einer völlig falschen Schlußfolgerung, wenn er über die zweite Hälfte der dreißiger Jahre schreibt: "Die Position der Neoliberalen bedeutete die völlige Aufgabe der alten liberalen Auffassung von der Nichteinmischung des Staates in das wirtschaftliche Leben und ein Bekenntnis zur faschi587 stischen Zwangswirtschaft." Zunächst ist festzustellen, daß das Postulat von der Nichteinmischung des Staates zu jener Zeit von der Bourgeoisie bereits längst zu Grabe getragen worden war und daß daher von einer "Aufgabe der alten liberalen Auffassung" in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts schon keine Rede mehr sein kann. Die Ansicht, daß die Position des Neoliberalismus in der zweiten Hälfte jenes Jahrzehnts durch ihr "Bekenntnis zur faschistischen Zwangswirtschaft" zu charakterisieren sei, ist durch die von Naumann angeführten Zitate nicht ausreichend belegt worden. Ein paar Seiten weiter hat er Ausführungen gemacht, die seine eigene Feststellung in äußerst zweifelhaftem Licht erscheinen lassen müssen. Vergegenwärtigen wir uns einmal, daß gerade zu jener Zeit, als die von Naumann zitierte Schriftenreihe "Ordnung der Wirtschaft" im Druck erschien, bereits die Auswirkung der staatsmonopolistischen Regulierungsmaßnahmen, die auf die Vorbereitung der Wirtschaft 187
auf den Krieg zugeschnitten waren, deutlich spürbar war. Durch diese Maßnahmen sind 588
auch Teile des Bürgertums empfindlich betroffen worden.
Selbst in den führenden
Gruppen der deutschen Großbourgeoisie brachen die für einige Zeit Uberdeckten politischen Differenzen in diesen Jahren verstärkt hervor, weil man sich um die zweckmäßigste Me589 thode der weiteren Aufrüstung stritt. Der Teil der Bourgeoisie, dem die Bildung von Zwangskartellen, die einseitige Förderung der Monopolbetriebe, die Investitions- und Preiskontrollen usw. nicht behagte, hat gegen die Wirtschaftspolitik auf eine vorsichtige Art opponiert. Wir wissen, daß die Opposition der einzelnen Klassen und Schichten gegen den Faschismus sehr differenziert war. Der Teil der Bourgeoisie, der sich aus verschiedenen Beweggründen zu einem "Widerstand" aufraffte, ist diesen Weg nicht ohne Vorbehalte und Bedenken gegangen. Ein Bourgeois, der nicht nur um Leib und Leben fürchtet, sondern auch um sein Eigentum, ja, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft, "revoltiert" gegen unliebsame Zwangsmethoden recht zaghaft. Gegenüber der sozialistischen Arbeiterbewegung und der proletarischen Revolution erschien den Privateigentümern die faschistische Diktatur als das kleinere Übel. Nur unter den einsichtsvollsten von ihnen kommt es daher zu echten dauerhaften Verbindungen zur KPD. Es ist selbstverständlich richtig, daß die Freiburger Ökonomen keine Ver590 Schwörergruppe darstellten wie etwa der Kreis um Stauffenberg, und natürlich trennt die mutigen Ankläger des faschistischen Terrorregimes in der Münchener "Weißen 591
Rose"
und die zaghaften Versuche, auf legalem Wege Widerspruch zur herrschenden
Wirtschaftsauffassung anzumelden, eine Welt. Aber wer wollte andererseits verkennen, daß angesichts der lautstarken Propagierung der "gelenkten Wirtschaft" durch die faschistischen Ökonomen eine alternative592 Propagierung des "freien Wettbewerbs" mit kritischen Bemerkungen zu den Monopolen
eine bemerkenswerte Erscheinung war ? Natürlich ist
eine Monopolkritik (mit oder ohne Anführungsstriche) unter den politischen Verhältnissen der bürgerlichen Demokratie geübt, im Verhältnis zu den Bedingungen der Goebbels-Ära, also unter Verhältnissen, in denen das geistige Leben in Deutschland bereits "gleichgeschaltet" war, eine harmlose Sache. Es war aber eine akzentuierte Aussage, wenn z.B. F. Böhm angesichts der "Vierjahresplan"-Ambitionen der deutschen Faschisten das "planwirtschaftliche System" als die Freiheit gefährdend deklarierte und nicht die unmittelbare, sandern die*"mittelbare Lenkung" der Wirtschaft propagierte. Die ablehnenden Stimmen gegen die von den faschistischen Ökonomen propagierte "gelenkte Wirtschaft" fanden sich in der sogenannten Freiburger Schule zu einer Gruppe Gleichgesinnter zusammen. Die Freiburger Schule stellt nicht die einzige, aber die wichtigste Pflanzschule des Neoliberalismus dar. Der Neoliberalismus sieht für den Staat eine begrenzte Intervention 188
in der Wirtschaft vor, die darauf gerichtet sein soll, die freie Konkurrenz und das freie Spiel der ökonomischen Kräfte zu gewährleisten. Gleichzeitig hat sie ihre Argumentation mit einer weitgehend demagogischen Kritik der Monopole und einer sozialen Demagogie verknüpft. Die Neoliberalen geben vor, einen Mittelweg zwischen Imperialismus und Sozialismus gefunden zu haben, der die "Vorztige" von beiden vereinigt und ihren "Nachteilen" zu entgehen vermag. Bis zum Jahre 1937 hatten die Neoliberalen der Öffentlichkeit diese Konzeption noch nicht präzis formuliert vorgelegt. Die allgemeine Hochkonjunktur brachte, wie Mühle richtig angedeutet hat, die bürgerlichen Kritiker zunächst zum Schweigen - eine natürliche und erklärbare Entwicklung, die Naumann später zu dem Satz veranlaßt: "Einige Kreise der liberalen Bourgeoisie und des liberalen Kleinbürgertums verhielten sich dem Faschismus gegenüber zunächst zurückhaltend, ohne jedoch irgendwelche 593 ernste Opposition zu bezeugen." Erst in den Jahren 1936/37 traten die Neoliberalen erneut an die Öffentlichkeit. Inzwischen waren in der deutschen Wirtschaft bedeutende Veränderungen vor sich gegangen. Der staatsmonopolistische Kapitalismus erlebte 594 in Deutschland während der faschistischen Herrschaft einen Höhepunkt seiner Entwicklung. E. Naumann hat in dem Abschnitt "Konflikt mit den Nazis" selbst die Differenzen deut595 lieh gemacht, die zwischen den Neoliberalen und den Hitlerfaschisten bestanden: "Ihre marktwirtschaftliche Doktrin war der Ausdruck eines gewissen Protestes gegen die damaligen Zustände... Ihr Programm sollte eine gewisse bürgerliche Freiheit sichern helfen. Da die faschistische Zwangswirtschaft breite Kreise der mittleren und kleinen Unternehmer und auch manche Großunternehmer zugunsten der Rüstungsmagnaten traf, verwarf ihre marktwirtschaftliche Doktrin in gewissem Maße die faschistische Zwangswirtschaft, deren 'Planwirtschaft', deren 'Dirigismus', deren Wirtschaftskontrolle... Diese Differenzen kamen besonders klar in den Fragen der Preispolitik zum Ausdruck. Mit dem Fortschreiten der Aufrüstung und der Vorbereitung des Krieges wurde die Regierungspolitik des Preisstops, der Kreditausweitung, der Inflation und der amtlichen Zuweisungen von Waren und von Arbeitskräften immer schroffer durchgeführt. Dies führte zu einer Benachteiligung größerer, mittlerer und kleinerer Unternehmer und vor allem der Unternehmer, die Konsumtionsmittel herstellen und für den Bedarf der Bevölkerung arbeiteten. . . Das sogenannte freie Unternehmertum, d.h. die kleineren und mittleren Unternehmer waren auch mit der faschistischen Politik der Gewährung Von Krediten, Zuweisung von Materialien und Arbeitskräften unzufrieden. Es beanstandete die faschistische Politik der Kreditausweitung und Inflation, weil sie infolge der sich daraus ergebenden Entwertung des Geldes bei gleichzeitigem Preisstop zu einer Umverteilung der Werte und des Volkseinkommens zugunsten der Finanzhyänen führte und wiederum bis zu einem gewissen Grade die größeren, mittleren und kleineren Unternehmer benachteiligte."
189
Das Aufkommen des Neoliberalismus stellt u . a . einen Reflex auf die faschistische Zwangswirtschaft dar. Man kann darüber verschiedener Meinung sein, ob das Eintreten für eine ungelenkte Wirtschaft und gegen die faschistische Zwangswirtschaft eine echte Opposition oder, wie Naumann meint, "schüchterner Protest" und nur ein "gelindes Mur596 ren" war. Es ist jedoch von Bedeutung, daß sich nach 1945 einige Neoliberale mit der Gloriole angeblicher Antifaschisten versehen kannten und daß die Legende vom "Widerstand" 597
bürgerlicher Ökonomen von den westdeutschen Ideologen weidlich ausgenutzt wurde.
Es war F. Böhm, der in Heft 1 der Schriftenreihe "Ordnung der Wirtschaft" die Grund598 gedanken der Freiburger Schule formulierte. Er verknüpfte seine Kritik der zentral gelenkten Wirtschaft mit einer Diffamierung der Planwirtschaft und seine Fürsprache für eine freie Konkurrenzwirtschaft mit unübersehbaren Anspielungen auf das Hitlerregime, dem nahegelegt wurde, das Programm der Freiburger Schule zu realisieren. Ähnlich suchte auch L. Miksch den Faschisten die Abkehr von ihrer wirtschaftspolitischen Praxis schmackhaft zu machen. So schrieb Miksch in der gleichen Schriftenreihe: "Wir wissen heute oder wissen wieder, daß es unter allen Umständen die Aufgabe des Staates ist, die Wirtschaft zu ordnen, und zwar durch eine einheitliche und widerspruchsfreie Wirtschaftsverfassung. Ordnen heißt aber keineswegs zentral lenken und regulieren. Die freie selbstverantwortliche Entscheidung der im Wirtschaftsprozeß tätigen Personen bildet den stärksten Kraftquell des Fortschritts. Andererseits ist eine zentrale Regulierung aller Wirtschaftsvorgänge kaum durchführbar. Sie würde den Staat mit einer unerhörten, unfruchtbaren und dabei 599 höchst spekulativen Arbeit belasten." Die von den Neoliberalen ins Spiel gebrachte Problematik mußte auch die Frage der staatlichen Finanzpolitik auf die Tagesordnung setzen. Daher sind die ersten Hefte der Schriftenreihe auch diesem Themenkomplex gewidmet. Was das konventionelle Geld- und Kreditsystem betrifft, so sahen die Neoliberalen keine Alternative. Trotz Bedenken, daß seine staatliche Steuerung Störungen in der Wirtschaft hervorrufen könne, vermochten sie keine wesentlichen Korrekturen vorzuschlagen. Hans Gestrich hat dieses Terrain abzustecken versucht und gelangte zu einer Rechtfertigung der dauernden "Beobachtung, Führung und Eingriffsbereitschaft des Staates im Geld- und Kreditwesen: "Denn es ist gar nicht mehr zur Wahl gestellt, ob der Staat sich an die Steuerung des Kreditsystems heranwagen soll oder nicht. Diese Aufgabe ist ihm einfach durch die Entwicklung der Dinge gestellt, und er kann sich ihr nicht mehr entziehen." 6 0 " "Die Lehre ist: der Staat kann nicht gelassen beiseite stehen, wenn die Bedürfnisse des Goldwährungssystems die Volkswirtschaft in einen mörderischen Deflationsprozeß verwickeln. Er kann sich der Aufgabe einer rationellen Steuerung des Kreditwesens nicht entziehen, e r kann sie auch nicht auf andere nichtstaatliche Organe abwälzen, denn sie muß immer 190
im Einklang mit den sonstigen Aufgaben der Staatspolitik gelöst werden... Mit der Steuerung des Kreditsystems geht in die Hand des Staates eine ziemlich weitgehende Beeinflussung 601
des Wirtschaftsablaufs Uber." Der Leser könnte daran zweifeln, ob er eine Schrift der "neuen Liberalen" in der Hand hält, wenn er den letzten Satz liest. Gestrich verteidigt seine Fürsprache des staatlichen Interventionismus mit dem neoliberalen Argument, daß die Gesamtsteuerung der Freizügigkeit des einzelnen Unternehmers Flügel verleihen werde: "Es erhebt sich die Frage, wieviel noch von einer freien Wirtschaft übrig bleibt, in der Unternehmerpersönlichkeiten im Kampf der Leistungen auf ein Höchstmaß des Ertrages aller Aufwendungen an Arbeitskraft und Kapital hinarbeiten. In dieser Hinsicht ist aber der Übergang zu einer zielbewußten Steuerung des Kreditsystems sogar ein Fortschritt in Richtung des auf Sicherung der Grundlagen einer freien Wettbewerbswirtschaft. Diese Steuerung reguliert lediglich die Gesamtmengen des zur Verfügung stehenden Kredits, bedeutet aber keineswegs eine bürokratische Verteilung der einzelnen Kredite. Noch weniger ist ein Zwang zum Aufbau einer verwaltungsmäßig beherrschten Wirtschaft gegeben... Zu verwaltungsmäßigen Eingriffen in die Wirtschaft sahen sich die Staatsorgane gezwungen, wenn in extremen Konjunkturausschlägen außergewöhnliche Preisbildungen schwierige Anpassungsprobleme hervorrufen, womöglich verbunden mit ernstlichen sozialen Schäden. So kommen in schweren Wirtschaftskrisen Zwangskartelle, Produktionskontingentierung, Investitionsverbote und ähnliches zustande, wogegen bei Hochkonjunkturen Höchstpreise, Lieferungszwang und ähnliche Maßnahmen hervorgerufen werden. Gerade die Steuerung des Kreditsystems läßt aber derartige Zuspitzungen gar nicht erst entstehen. Indem sie das gesamte Preisniveau beeinflußt, kann sie die Entwicklung der Einzelpreise sich selbst überlassen und damit den unleugbaren Vorteil freier Preisbildung, die unter den gegebenen602 Bedingungen beste Verteilung der Produktivkräfte zu bewirken, unangetastet lassen." Ähnlich hatte schon F. Lutz in Heft 2 der Schriftenreihe formuliert. Lutz hatte allerdings eine strengere Trennimg von Geld- und Kreditsphäre vorgenommen. Während er die Ordnung dem staatlichen Sektor zuwies, sollte 603 die Kreditkontrolle privaten, "dem Wettbewerb unterworfenen Instituten" obliegen. Mit der von Böhm, Lutz, Miksch und Gestrich behandelten Problematik wurde den Publizierungen zunächst einmal ein Endpunkt gesetzt. Es war vorgesehen, daß auch Schriften aus der Feder von W. Eucken, Großmann-Doerth, Tschierschky, Kuhrund anderen in der Reihe erscheinen sollten. Man brachte schließlich aber nur die ersten vier Hefte heraus. Damit war das öffentliche Wirken der Freiburger Schule keineswegs zu Ende. In einem Vortrag in der Kriegszeit wird Eucken noch einmal ganz deutlich, als es ihm darum ging, Ausblicke in die zukünftige Wirtschaftsgestaltung zu tun.
191
Eucken meint, daß die gegenwärtige Wirtschaftsordnung, in der der Wirtschaftsprozeß nicht vorrangig durch die Preise, sondern durch Zentralstellen unmittelbar gelenkt wird, 604 keine Dauererscheinung darstellen könne. Die nach 1933 eingerichteten ZentralVerwaltungsstellen könnten die Fülle und Mannigfaltigkeit friedensmäßiger Bedürfnisse nicht übersehen und beurteilen und infolgedessen die Bedarfsdeckung nicht genügend organisieren. Da die Preise überdies nicht mehr der GUterknappheit zugrunde lägen, sei die Wirtschaftsführung bei der Bewertung der Produktionsmittel hilflos. Sobald die Kreditexpansion zum Stillstand gekommen sei, werde sich auch zeigen, welche Disproportionen die Zentralverwaltungswirtschaft verursacht habe. Eucken empfiehlt, zur Ablösung der Zentralverwaltungswirtschaft -eine Art Übergangsregelung zu treffen, die wegen der entstandenen Kapitalkonzentration die Entstehimg einer völlig "freien Wirtschaft" vermeiden müsse. So sollte der monopolfreie Sektor der Wirtschaft durch den Staat auf die Einhaltung fairer Spielregeln orientiert werden, während der monopolisierte Sektor zu verringern sei. Auch F. Böhm beschäftigte sich schon mit jener Zeit, die jene ablösen werde, 605die dirch "Kredituberversorgung, Preisstop und Zuteilungsverfahren" belastet sei. Er denkt an eine staatliche Preisregulierung im Interesse einer Beeinflussung der Produktionsrichtung und an freie Konkurrenz, die eine Kostensenkung stimulieren soll. Die den Preismechanismus ausschaltenden Maßnahmen, die praktiziert würden, hätten dagegen auf den Unternehmer im allgemeinen eine derartige Wirkung, daß er sich in die Position eines Monopolisten versetzt fühle. Die Nachteile dieses Umstands könnten nur durch differenzierten Preisdruck behoben werden. So wurde den Faschisten die neoliberale Konzeption unter dem Hinweis offeriert, daß die einmal vorzunehmende Umstellung der Kriegswirtschaft auf die Friedenswirtschaft wirtschaftspolitische Konsequenzen mit sich bringen werde. Die Position der Neoliberalen wurde Anfang der vierziger Jahre dadurch erleichtert, daß sich unter dem Eindruck der Kriegsereignisse eng mit der faschistischen Partei verbundene Ökonomen zu mausern suchten. Zu diesen Ökonomen, die allmählich "umzudenken" begannen, gehörten z.B. J . Jessen, G. Schmölders und H. v. Stackelberg. J . Jessen, der in der faschistischen Zelt die Leitung des Instituts für Weltwirtschaft von Harms übernahm, hatte schon 1933 durch seinen Artikel "Nationalsozialismus" in der vierten Auflage des "Wörterbuchs der Volkswirtschaft" sein Bekenntnis zum Faschismus offen dargelegt. Jessen trat später mit Graf Stauffenberg und anderen Männern des 20. Juli 1944 in Verbindung und wurde schließlich mit ihnen hingerichtet. Die beiden SS-Leute Schmölders und Stackelberg aber landeten bei den Neoliberalen. K. Müller hat Uber Stackelbergs "Weg zum Neoliberalismus" detaillierte Angaben gemacht, 606 die deutlich machen, wen die Freiburger Schule schließlich alles in ihre Arme nahm. 192
Einen bedeutsamen Schritt machte die Freiburger Schule durch die Stützung ihrer Konzeption mit Hilfe einer theoretischen Untermauerung. Walter Eucken hatte dafür gesorgt, daß der wirtschaftspolitischen Konzeption auch eine theoretische Konzeption zugrunde gelegt wurde. Er verknüpfte die Ansichten von der freien Marktwirtschaft mit einem Denkschema. Als wichtigstes Glied seines Denkschemas sah Eucken das "Denken in Ordnungen" an. Diese Methode ist auch von den anderen Neoliberalen übernommen worden. Mögliche Wirtschaftsformen werden von ihnen nach formalen Gesichtspunkten etikettiert und gruppiert. Als die beiden Hauptgruppen betrachten sie die durch den Marktpreis regulierte "Verkehrs- oder Marktwirtschaft" und die durch einen zentralen Plan gelenkte "Verwaltungs- oder Planwirtschaft". Es sei notwendig, so meinen sie, den Idealtyp der ersteren mit Hilfe des Staates verwirklichen zu suchen und die zweite abzulehnen. Die Art und Weise des Versuchs einer Neuinterpretation der ökonomischen Zusammenhänge erklärt sich durch die eigenartige Lage, in der sich die bürgerliche politische Ökonomie in methodologischer Hinsicht befand. Die Veränderungen in der kapitalistischen Produktionsweise haben ihre bürgerlichen Interpreten vor neue Aufgaben gestellt. So mußten ihnen vor allem die Auswirkungen des Monopols als der wichtigsten Erscheinung des modernen Kapitalismus theoretisch zunächst als eine willkürliche Abweichung vom gesetzmäßigen Zusammenhang der Erscheinungen Inder Gesellschaft, als ein Indeterminismus erscheinen. Die Notwendigkeit, diese und andere Problemstellungen, die der Imperialismus neu aufwarf, in das bürgerliche Weltbild einzufügen, begegnete den Schwierigkeiten der bürgerlichen Erkenntnistheorie, ihre Theoreme in Übereinstimmung mit den konkreten gesellschaftlichen Erscheinungen zu bringen. Der Neukantianismus hatte die historische gesellschaftswissenschaftliche Forschung in eine Sackgasse geführt. Seine These, daß keine Abstraktionen möglich seien, da die gesellschaftlichen Prozesse individuell betrachtet werden müßten (Rickert, Windelband) und daß nur das subjektive Erleben des Forschers relevant sei (W. Dilthey), führte zu keinem Weg, auf dem man objektive Erkenntnisse gewinnen konnte. Vor den bürgerlichen Ideologen stand die Aufgabe, eine Methode zu finden, die einerseits weiterhin die objektive Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Prozesse verneint, aber gleichzeitig ein Maximum von Analyse sozialökonomischer Erscheinungen ermöglicht. Für M. Weber waren die "Idealtypen" ein Hilfsmittel, um unter solcher Vorbedingung die Kenntnis der Regelmäßigkeiten kausaler Zusammenhänge zu ermöglichen. Die Nationalökonomie, so meinte er, würde ein konzentriertes Gedankenbild, eine utopische Vorstellung von den Vorgängen "auf dem Gütermaikt bei tauschwirtschaftlicher Gesellschaftsorganisation freier Konkurrenz und streng rationalem Handeln" vermitteln. Diese sogenannten 193
Idealtypen seien durch gedankliche Steigerungen bestimmter Elemente der Wirklichkeit gewonnen, nämlich durch die Vereinigung realer, historischer Vorgänge "zu einem in 607 sich widerspruchslosen Kosmos gedachter Zusammenhänge". "In seiner begrifflichen Reinheit ist dieses Gedankenbild nirgends in der Wirklichkeit empirisch vorfindbar, es ist eine Utopie, und für die historische Arbeit erwächst die Aufgabe, in jedem einzelnen Falle festzustellen, wie nahe oder wie fern die Wirklichkeit jenem Idealbilde steht, inwieweit also der ökonomische Charakter der Verhältnisse einer 608 bestimmten Stadt als ' Stadtwirtschaftlich' im begrifflichen Sinne anzusprechen i s t . " Aus diesen Darstellungen wird bereits die Wesensverschiedenheit zwischen dem historischen Materialismus und der Weberschen Methodologie in den erkenntnistheoretiscnen Grundlagen deutlich. Während die materialistische Dialektik davon ausgeht, daß das subjektive Denken eine Widerspiegelung der objektiven Erscheinungen der materiellen Welt ist und daß die durch das Denken gewonnenen Abstraktionen und die allgemeinsten Begriffe, die Kategorien, eine Widerspiegelung der Wirklichkeit, Fixierung wichtiger Gesetzmäßigkeiten der Welt sind, gelangte Weber zu einem anderen Resultat. Für ihn sind die Begriffe hypothetische Instrumente der Erkenntnis, mit deren Hilfe "die Wirklichkeit zur Verdeutlichung bestimmter bedeutsamer Bestandteile ihres empirischen Gehaltes gemessen, mit dem sie verglichen wird. Solche Begriffe sind Gebilde, in welchen wir Zusammenhänge unter Verwendung der Kategorie der objektiven Möglichkeit konstruieren, die unsere, der Wirklichkeit orientierte und geschulte Plantheorie als adäquat beurteilt."®"® Auch der historische Materialismus verwendet die Hypothese als wichtiges Erkenntnismittel. Die marxistische Erkenntnislehre definiert den Begriff als eine Form des Denkens, der das Wesen von Erscheinungen widerspiegelt. Weber jedoch hat die soziologischen Kategorien zu Fiktionen degradiert, die erst durch den konkreten Zufall der historischen Wirklichkeit zu einem wissenschaftlich fruchtbaren Begriff werden können. Ist die Webersche Methodologie einerseits darauf orientiert, die bürgerliche Gesellschaftswissenschaft aus der Enge des Neukantianismus herauszuführen, so richtet sich seine Theorie andererseits "gegen das Prinzip des Determinismus im allgemeinen und gegen den historischen Materialismus im besonderen. Nach seiner Auffassung sind alle ökonomischen, ja Uberhaupt alle sozialen Gesetze, die von Marx formuliert wurden, nur Idealtypen, keineswegs aber reale Zusammenhänge und Tendenzen der historischen Wirklichkeit. Weber trachtet danach, aus dem historischen Materialismus einzelne seiner Elemente zu entlehnen, ohne die die Erforschung der sozialökonomischen Geschichten unmöglich ist, will sie sich aber nur als eine der möglichen heuristischen Methoden vorstellen, die zu nichts verpflichten und keinerlei politische Folgerungen nach sich 610 ziehen", bemerkt Kon sehr richtig. 194
W. Eucken hat versucht, die Webersche Methodologie dazu zu benutzen, der bürgerlichen politischen Ökonomie aus der Krise zu helfen. Die Nationalökonomie, so meinte e r , sei durch innere Unsicherheit, Lebensferne und Zersplitterung charakterisiert, und es sei eine energische Wendung zu den Fakten, eine neue Untersuchung von Grund aus, nicht aber ein Weiterspinnen bisheriger Gedanken notwendig. Eucken verkündet also den Bruch mit der traditionellen bürgerlichen Ökonomie. E r versprach eine "entscheidende Wendung zur Sache, zur wirklichen Wirtschaft selbst". Unter anderem sollte die "Sachanalyse" die bereits von W. Sombart und anderen vergeblich versuchte "Überwindung des überkommenen Nebeneinanders von historischer und theoretischer Nationalökonomie" erreiohen und 611
eine "£usammenleitung dieser beiden Ströme geistiger Arbeit" vollziehen.
Neben diesen
eikenntnistheoretischen Aspekt tritt die anfangs erwähnte Aufgabe, das Wirken der Monopole zu deuten und diese Erscheinung in ein politökonomisches System einzubauen. Eucken wirft der klassischen bürgerlichen Ökonomie vor, daß sie der Monopolfrage zu wenig Aufmerksamkeit schenkte: "Die klassische Nationalökonomie . . . scheiterte hauptsächlich daran, daß ihre theoretische Lösung der Mannigfaltigkeit geschichtlichen Lebens nicht entsprach . . . ihre analytische Kraft wandte sie im wesentlichen auf einen Fall an, der als der natürliche angesehen wurde: die Ordnung der vollständigen Konkurrenz 612 auf allen Märkten. Hinter diesem Fall trat die Analyse z.B. des Monopols ganz zurück." Eucken sieht die Schwäche der zeitgenössischen bürgerlichen politischen Ökonomie in ihrer methodologischen Unzulänglichkeit. Darum setzt er die Kritik an seinen Vorgängern bei deren methodologischen Ausgangspunkten an. Neben Hinweisen auf einzelne Schwächen bürgerlicher Volkswirtschaftslehren (so z.B. auf den Umstand, daß einige von ihnen ihre Darlegungen mit nicht fundierten Definitionen beginnen, daß sie bei der theoretischen Analyse einzelne Sphären wie Produktion, Distribution und Konsumtion unzulässig auseinanderreißen, daß das Zeitmoment in der Theorie unterschätzt wird u.ä.) richtet e r das Hauptaugenmerk auf die negativen Auswirkungen der "Spaltung von theoretischer und historischer Nationalökonomie", die von ihm als das "große Antinomieproblem" bezeichnet wird, und auf die Unzulänglichkeiten beider Richtungen. In der Euckenschen Kritik sind zahlreiche rationale Momente enthalten. Allerdings war es keineswegs eine neue Erkenntnis, wenn e r feststellte, daß es die bürgerliche politische Ökonomie nicht vermocht hatte, zu einer Synthese zwischen theoretischer Abstrahierung und historischer Forschung zu gelangen, daß die Richtung, die die erste Methode bevorzugt, zu wirklichkeitsfremden Ergebnissen gekommen sei und sich "in 613 umständliche und wertlose Streitigkeiten über Kategorien und Begriffe verstrickt" habe, während dem Empirismus gleichfalls die Erkenntnis der Wirklichkeit mißlungen sei. Die Originalität Euckens besteht also keineswegs darin, einen Teilaspekt des Dilemmas der bürgerlichen 195
politischen Ökonomie richtig erkannt zu haben, und auch nicht darin, daß er den einzigen Weg, der aus diesem Dilemma führt (Eucken lehnt den historischen Materialismus mit der Begründung ab, daß dieser fälschlicherweise alle Geschichte auf technisch-ökonomi614
sehe Grundtatsachen zurückführe
), bewußt negiert, sondern darin, daß er die Ansätze,
die ihm M. Weber und andere bürgerliche Denker lieferten, zu einer Konstruktion neuer "Grundlagen der Nationalökonomie" benutzte. W. Eucken hat die Weberschen Anregungen vulgarisierend verwendet. Es ist nicht sehr wesentlich, daß Eucken im Unterschied zu Weber nicht davon spricht, daß die Idealtypen Utopien, darstellen, sondern von ihnen behauptet, daß sie aus der konkreten Wirklichkeit ge613
wonnen wurden.
Im Prinzip wäre gegen die hypothetische Verwendung eines Begriffs-
vokabulariums nichts einzuwenden, würde es nicht dazu benutzt werden, um pragmatisch zu vorausbestimmten Folgerungen zu gelangen. Eucken aber hat die Webersche Typologie dazu benutzt, eine wissenschaftlich verbrämte Grundlage zur Verteidigung und Propagierung der "freien Marktwirtschaft" zu erhalten. Es ist bedeutungsvoll, wie die Fachwelt auf Euckens "Grundlagen" reagiert hat. Das Buch wurde außerordentlich beachtet und in allen wichtigen Fachzeitschriften rezensiert. Wie schon bei Erscheinen der Keynesschen "Allgemeinen Theorie", so wurde auch anläßlich der Herausgabe des Buches von Eucken A. Amonn 616 zu einer ausführlichen Besprechung in einer deutschen Fachzeitschrift Raum gegeben. Von Bern aus schrieb Amonn, daß Euckens Buch ein außerordentlich lehrreiches methodologisches Werk sei, wenn man das Irrige und Wahre in ihm zu unterscheiden vermöge. Es könne aber heillose Verwirrung stiften, wenn dies nicht geschehe. Amonns Kritik richtet sich auf folgende Punkte. Eucken bewege sich, so heißt es, in einer höchst unerquicklichen Zwiespältigkeit, weil er sich einerseits die Aufgabe gestellt habe, die Grundlagen der Nationalökonomie zu bestimmen, andererseits aber die bisherige Wissenschaft in Frage stelle und eine völlig neue begründen wolle. Es sei jedoch unverkennbar, daß er auf dem Empirismus der Historischen Schule aufbaue, ohne über diese hinausgelangen zu können, denn Euckens "neuer Weg", der in der Schaffung eines Begriffsapparates und eines Systems von Formeln bestehe, die Beziehungen zwischen Wirtschaftstatsachen ausdrücken sollen, sei im wesentlichen mit dem identisch, was die nationalökonomische Theorie bereits zu bieten habe. Es sei außerdem eine Selbsttäuschung, wenn Eucken glaube, mit Hilfe seines theoretischen Apparates die wirkliche Wirtschaft in ihrer vollen empirischen Wirklichkeit erkennen zu können. Ein Irrtum sei ferner die Euckensche Ansicht, daß sich Begriffe bereits aus der bloßen "Anschauung" der Wirklichkeit von selbst ergeben würden. Eucken habe tatsächlich die Probleme nicht durch Anschauung erkannt, sondern sie seien von ihm von der bisherigen Nationalökonomie übernommen worden. Die Euckensche Methode könne nur zur Zer196
splitterung in zusammenhanglose Einzelbetrachtungen und zu willkürlichen Beschreibungen führen, nicht aber zu einem System zusammenhängender Begriffe und Erkertntnisse. Amann vermißt auch den Bezug der Theorie auf die wirtschaftspolitischen Problemstellungen und meint, daß Euckens "Nationalökonomie" im Grunde doch auf eine "historische Nationalökonomie" hinauslaufe, deren letztes Ziel die historische Erkenntnis der wirtschaftlichen Wirklichkeit sei. Amonn schließt seine Kritik mit der Zurückweisung der Euckenschen These ab, daß die Aufteilung der Wirtschaftswissenschaften in mehrere Spezialdisziplinen unzweckmäßig sei. Eine sehr umfangreiche Stellungnahme zu der Euckenschen Schrift gibt G. Weippert ab. Sein 120seitiger Beitrag in der "Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft" geht weit 617 Uber das Normalmaß einer Rezension hinaus. Weipperts Kritik fällt vorwiegend negativ aus, e r lehnt die Euckenschen Konzeptionen im allgemeinen ab. So macht Weippert dem Haupt der Freiburger Schule den Vorwurf, daß dieser sich die "wirklichkeitsfremde" Vorstellung der englischen Klassiker von der "Gesellschaftswirtschaft" zu eigen618 gemacht und dadurch einige wesentliche ökonomische Grundfragen beiseite gerückt habe.
Der ent-
scheidende Einwand, der gegen den von Eucken gemachten Versuch, das Antinomieproblem zu lösen, zu erheben sei, sei der, "daßmit der Idee der Wirtschaftsordnung die geschichtliche Eigenart der einzelnen Wirtschaftsepochen und Wirtschaftsgestaltungen nicht zu e r - ' 619 fassen ist".
Es sei ein Irrtum, zu glauben, meint Weippert, daß man die wirtschaftliche
Wirklichkeit durch die "Erweiterung des Anwendungsbereiches der klassischen Funktionentheorie" in ihrer Geschichtlichkeit besser erfassen könne, als es der überkommenen Theorie bisher prinzipiell schon möglich war. Weippert meint nämlich, daß Eucken über den Inhalt, das Wesen der Wirtschafts Ordnungen, noch keine Aussage gemacht habe, wenn dieser die Wirtschaftsformen in den einzelnen Epochen und bei den einzelnen Völkern herausarbeitet. Es sei ein Fehlschluß anzunehmen, daß man Uber die Wirtschaftsordnung bereits Aufschlüsse Uber die ganze Epoche oder über die jeweilige Wirtschaftsgestaltung bekom6denn 10 men könne; dieselben Wirtschaftsordnungen könnten ja zu recht verschiedenen Zeiten V
auftauchen. J . Jessen ließ Euckens Buch eine freundliche Rezension zuteil werden und bezeichnete es als ein wertvolles Werk, dem größte Verbreitung gewünscht wird und von dem e r hofft, 621 daß es Anlaß zur Weiterarbeit sein möge.
Kritische Bemerkungen machte Jessen vor
allem in bezug auf die Weite des Datenkranzes bei Erfassung gegenwärtiger konkreter Wirtschaftsordnungen. Jessenmeinte, daß man mit Hilfe des Euckenschen Begriffsapparates zwar die "gesamtgeschichtliche Lage" erfassen und schildern könne, konkrete Wirtschaftsordnungen jedoch immer nur nachträglich-konstatierend. Wenn aber die Aktualität auf Null sinke, so sei eben auch die Wahrheit nutzlos. Zu allen Zeiten und Uberall seien 197
eben doch keineswegs "so einfache und exakt bestimmbare Bedingungskonstellationen" vorhanden, daß sie vom Denken erfaßt werden könnten. Stackelberg hatte die methodologischen Aspekte der Euckenschen Lehre gleichfalls akzeptiert.
622
Auch W. Vleugels sah die eigentliche Leistung Euckens in einer Bereicherung 623
der Werkzeuge der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung. H. Peter sah Euckens Schrift ebenfalls als ein glänzendes methodologisches Lehrbuch 624
an.
Euckens Hauptleistung bestehe in der eindringlichen, klaren und neu systematisier-
ten Darstellung der in den letzten Generationen erarbeiteten Forschungsmethoden. Peter hat auch darauf aufmerksam gemacht, daß Eucken in seinem Buch "auf die Grundlagen der politischen Zielsetzung nicht eingeht". 625Eucken habe gar nicht beabsichtigt, die wirtschaftspolitische Zielsetzung zu begründen.
Damit hat Peter eine wichtige Frage berührt, die
in mancher Beziehung den Schlüssel zum Verständnis des frühen deutschen Neoliberalismus darstellt. Eucken hat es weitgehender als viele andere Neoliberale vermocht, sich in einigen Schriften einer klaren politischen Stellungnahme zu enthalten. Diese Schriften sind ohne eindeutigen wirtschaftspolitischen Bezug, so daß er sich auch als "reiner Ökonom" und unparteilicher Methodiker den Fachleuten vorzustellen vermag. Bereits in seinen "Kapitaltheoretischen Untersuchungen" hat sich Eucken ganz einem ökonomischen Spezialproblem gewidmet. Eucken geht hier von der "einfachen Wirtschaft" eines Bobinson aus, um die Ursprünglichkeit des Kapitalzinses nachzuweisen. Bereits in der "einfachen Wirtschaft" existiere eine dauernd disponible Wertmenge, aus der in der * 626 "gesellschaftlichen Wirtschaft" der Zins fließe. Seine weitere, weitgehend auf BöhmBawerk basierende Lehre von den Produktionsumwegen läuft auf die These hinaus, daß der Unternehmer durch ein größeres Kapital imstande ist, eine bessere Technik anzuwenden und einen Mehrertrag zu erzielen, aus der der Kapitalzins abgespalten werden kann. Sechs Jahre nach diesem Buch hat Eucken seine "Grundlagen" vorgelegt, die ihn als reinen Methodiker auszuweisen schienen. Das erklärt die Breitenwirkung seiner Schriften, die Tatsache, daß er den verschiedensten Lehrauffassungen innerhalb der bürgerlichen Ökonomie unter unterschiedlichen politischen Verhältnissen innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft Anknüpfungsmöglichkeiten bot und daß er deshalb, ungeachtet seiner (nur vorsichtig geäußerten) Differenzen mit dem Hitlerregime, auch im "Dritten Reich" nicht ignoriert wurde. Ohne Zweifel haben seine Kritiker Recht, die Eucken vorwerfen, daß seine "Erkenntnisse" nur auf einer Neuformulierung alter Dogmen beruhe und daß er nur das Instrumentarium der bürgerlichen Ökonomie unter Nutzung der Weberschen Typenlehre "geordnet" habe. Jedoch wird man ihm zubilligen müssen, daß er für eine ganze Zeit lang und Uber seinen Tod hinaus als bürgerlicher Ideologe größere Bedeutung erlangte, was nicht jedem bürgerlichen Ökonomen beschieden war, der im "Dritten Reich" lebte. 198
Zusammenfassende SchluBbemeikungen
Mit der Betrachtung der Entstehung des Neoliberalismus schließt unsere Darstellung der bürgerlichen politischen Ökonomie in Deutschland zur Zeit des Faschismus ab. Wie gerade die neoliberale Doktrin nach 1945 in Westdeutschland wirksam zu werden vermochte, ist 627 an dieser Stelle nicht zu untersuchen. Zum Schluß kehren wir zu der (in der Einleitung erwähnten) Ausgangsfrage zurück, ob die bürgerliche politische Ökonomie in Deutschland zur Zeit der faschistischen Herrschaft wesentlich oder unwesentlich umgestaltet worden ist. Die Frage ist doppelt berechtigt. Erstens sind in der Ökonomik der behandelten Periode einige Veränderungen vor sich gegangen (wie im 2. Kapitel gezeigt wurde), die die Basis nicht unwesentlich modifizierthaben. Die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus hat nach 1933 in Deutschland einen Höhepunkt erreicht und es entsteht die Frage, wie der Teil des Überbaus, der hier zur Untersuchung steht, der veränderten Basis Rechnung trug und sich wandelte. Die wesentlichen Veränderungen in der deutschen Wirtschaft nach 1933 bestanden in einer beträchtlichen Zunahme des staatlichen Interventionismus bei politischer und ökonomischer Unterdrückung der Arbeiterklasse und anderer Schichten des Volkes. Im Interesse der Monopolbourgeoisie erfolgte eine Umorganisation der deutschen Wirtschaft, eine Zentralisierung ihrer Kommandostellen, die dem Aufbau der Rüstungswirtschaft und der Mobilmachung aller ihrer Ressourcen dienen sollte und die den Unternehmerverbänden und den Repräsentanten der Monopole weitgehender als bisher staatliche Befugnisse übertrug. Im Interesse der Kriegsvorbereitung und schließlich der Unterordnimg der gesamten Wirtschaft unter die Erfordernisse der Kriegsführung nahm die Bedeutung der staatlichen Einmischung des Staates in das Wirtschaftsleben in Form von Regulierungsmaßnahmen zu. Es wurde (im 3. Kapitel) geschildert, wie die politischen Machthaber seit 1933 bestrebt waren, auch die wirtschaftswissenschaftliche Lehre und Forschung "gleichzuschalten". Die ökonomische Propaganda der NSDAP, wie sie bis zum Jahre 1933 zum Zwecke des Mitglieder-, Anhänger- und Wahlstimmenfangs betrieben wurde (sie wurde im 1. Kapitel behandelt), bot aus den geschilderten Gründen so gut wie keine AnknQpfungsmöglichkeiten zur adäquaten Neugestaltung einer bürgerlichen politischen Ökonomie. Die Führung der Hitlerpartei war an einer Neuformulierung volkswirtschaftlicher Lehrsätze durchaus interessiert. In dem (im 4. und 5. Kapitel charakterisierten) allgemein 199
unbefriedigenden Zustand der bürgerlichen politischen Ökonomie in Deutschland zu Anfang der dreißiger Jahre liegt der zweite Grund, der uns berechtigt, die Frage aufzuwerfen, ob und wie weit es gelang, mit Hilfe politischer Mittel hier eine Wandlung herbeizuführen, eine Wandlung, die im Sinne des Anspruchs der herrschenden reaktionären Klassen verstanden sein muß. Die Modifikation der ökonomischen Lehre war also auch unter dem Gesichtspunkt zu untersuchen, ob die faschistische Diktatur eine Evolution der bürgerlichen Herrschaftsverhältnisse bedeutete, unter dem Gesichtspunkt, ob die biirgerlich-parlamentarische Demokratie in Deutschland durch eine offene terroristische Diktatur einer Gruppe des Monopolkapitals ersetzt wurde. Es war daher auch zu analysieren, wie sich die Veränderung in den politischen Machtverhältnissen auf die ökonomische Lehre auswirkte. Neben der Gleichschaltungskampagne war es insbesondere der Werturteilsstreit, der, mit neuen Vorzeichen und Akzenten versehen, das Bestreben deutlich machte, die politische Ökonomie im Sinne der Faschisten auf die von ihnen postulierte Weltanschauung festzulegen. Die Diskussion um das Werturteilspostulat haben die Hitlerfaschisten dazu benutzt, um ihr e r Forderung Nachdruck zu verleihen, daß sich, wie die gesamte deutsche Wissenschaft, so auch die ökonomische Forschung und Lehre dem Totalitätsanspruch des faschistischen Regimes unterzuordnen habe. Eine "neutrale" Wissenschaft wurde nicht geduldet, der Webersche Standpunkt der Unparteilichkeit sollte aufgegeben werden. Diesem Ansinnen trug die Mehrzahl der deutschen Ökonomen Rechnung, sie sprachen sich gegen das Postulat van der Wertfreiheit aus. Bei der Behandlung einiger Eigenarten der bürgerlichen politischen Ökonomie jener Zeit wurde darauf aufmerksam gemacht, daß kein "Standardwerk" in Sicht war, das allen Anforderungen seitens der herrschenden Klassen gerecht geworden wäre. Es ist gleichzeitig fixiert worden, worin etwa die subjektiven Erwartungen bestanden, wie sie zum Beispiel in der Forderung nach einer "völkischen Lehre" zum Ausdruck kamen.
(Vgl. dazu das
4. Kapitel) Die Sprecher des Hitlerregimes forderten, unklar formuliert, die Ausarbeitung einer "völkischen Lehre", die sich auf Traditionen der deutschen Vulgärökonomie stützte, sich die Ziele der NSDAP zu eigen machte und anstehende methodologische Probleme lösen sollte. Das mußte nach deren Vorstellungen eine nationalistisch gefärbte Volkswirtschaftslehre sein, die die Zersplitterung in viele Standpunkte und Methoden Uberwunden hat. Dabei dachte man daran, daß es möglich sein müsse, eine Synthese zwischen der "rein theoretischen" Richtung und der Historischen Schule herzustellen und den andauernden Methodenstreit endlich zu beenden. Im allgemeinen lief die Diskussion um die Gestaltung der "völkischen Lehre" jedoch darauf hinaus, polemisch gegen den Liberalismus zu Felde zu ziehen und zu demonstrieren, was "völkische Wirtschaft" und "völkische Lehre" nicht ist. Es gab 200
einige Ansatzpunkte zu Lehren, die zum Beispiel das Gift des Rassismus und der Aggressionspolitik aufnahmen. Zur Fixierung einer derartigen "Volkswirtschaftslehre" ist es allerdings nicht gekommen. An Hand einer Analyse des Schicksals der Schulen und Eichtungen ist (im 5. Kapitel) nachgewiesen worden, daß es in den 12 Jahren faschistischer Herrschaft in der Tat auch zu keiner wesentlichen Modifizierung der bürgerlichen politischen Ökonomie kam. Es darf dabei nicht außer Betracht gelassen werden, daß das für tausend Jahre projektierte "Dritte Reich" dank des Triumphes antifaschistischer Waffen nur von historisch kurzer Lebensdauer war. Bezeichnend dafür war das Schicksal eines Instituts, dessen Geschichte schon beendet war, ehe sie erst richtig begonnen hatte: In Mariatrost bei Graz wurde Ende 1940 das "Forschungsinstitut ftir Deutsche Volkswirtschaftslehre" gegründet. Aber bereits bei der Gründung wurden alle seine vorgesehenen Mitglieder zum Soldatendienst einberu628
fen.
Der von den Hitlerfaschisten entfachte zweite Weltkrieg hat der Betrachtung des
ökonomischen Lebens auch andere Akzente gesetzt, so daß einer der bürgerlichen Ökonomen im Jahre 1944 schrieb: "Für Methodenfragen fehlt uns im totalen Krieg nicht nur die besinnliche Ruhe, wir haben auch nicht die Zeit, uns mit ihnen zu befassen, denn alle Kräfte müssen auf das eine Ziel ausgerichtet sein, den Krieg zu einem glücklichen Ende zu brin„629 gen." Selbstverständlich braucht eine gesellschaftswissenschaftliche Lehre zu ihrer Neugestaltung eine gewisse ungestörte Zeit der Reife. Aber war eine Modifizierung der bürgerlichen politischen Ökonomie im Hitlerreich überhaupt zu erwarten? Mit der Frage nach der bürgerlichen ökonomischen Lehre, die den damaligen politischen und ökonomischen Verhältnissen adäquat gewesen wäre, geraten wir in den Bereich der Hypothese, die wissenschaftlich zwar durchaus legitim ist, gleichzeitig aber ein außerordentlich diffiziles Terrain darstellt. Wie hätte eine adäquate Theorie wohl ausgesehen, wenn ihr längere Zeit der Reife geblieben wäre? Voreilige Schlußfolgerungen wären sicher spekulativ und nicht besonders fruchtbar. Dem "liberalistischen Geist" der Volkswirtschaftslehre wurde im "Dritten Reich" das Lebenslicht ausgeblasen, nachdem der wirtschaftspolitische Liberalismus bereits längst ein Anachronismus geworden war. Man muß bei der Betrachtung der historischen Periode ab 1933 immer berücksichtigen, daß sie ganz unmittelbar an die Zeit der großen Weltwirtschaftskrise anschließt, deren Erfahrungen den Ökonomen nachhaltig ins Bewußtsein gedrungen ist. Die Aufgabe des Lassez-faire-Prinzips und die Huldigung an den Interventionismus, durch die Schrecken der Krise stimuliert, mußten die propagandistische Diffamierung des bürgerlich-demokratischen Liberalismus, wie sie aus politischen Gründen von den Hitlerfaschisten praktiziert wurde, begünstigen.
201
Ein großer Teil der Äußerungen von Ökonomen jener Zeit ist von Wunschvorstellungen beherrscht, die von endlosen, weitgehend realistischen Klagen über den unbefriedigenden Zustand des Faches bis zu ' weitgehend unrealistischen, groben Konzipierungen von Ansatzpunkten für eine zukünftige Lösung variieren. Diese Wunschbilder und Tagträume sind in der vorliegenden Arbeit fixiert worden, und wir erinnern daran, daß sie meist darauf hinausliefen, eine Integrierung der faschistischen Geisteshaltung zu fordern. Eine andere Variante dieser Wunschbilder berührten erkenntnistheoretische Probleme wie zum Beispiel, um nur eines der markantesten von ihnen herauszugreifen, das sogenannte Antinomieprobien? Wir können getrost diese Art der Diskussion als eine kontinuierliche Weiterführung der bisherigen Diskussion unter den bürgerlichen Ökonomen betrachten, ungeachtet dessen, daß sie den besonderen politischen Verhältnissen entsprechend akzentuiert wurde und hier und da an Schärfe zunahm oder, wie im Falle des Werturteilsstreites, pointiert zu anderen Ergebnissen als vorher führte. Wesentlicher ist jedoch die Frage, ob die bürgerliche Ökonomie ein Instrumentarium in Form einer ökonomischen Lehre liefern konnte, die den neuen Verhältnissen angepaßt war und die darüber hinaus auch der Sprachregelung der NSDAP entsprach. Sollte diese Lehre mehr als nur einen propagandistischen Effekt haben, dann mußte sie sich vor allem den wirtschaftspolitischen Realitäten anpassen. Solche dilettantischen literarischen Ergüsse wie die des Wirtschaftsredakteurs des "Völkischen Beobachters" F. Nonnenbruch beispielsweise, oder, um an einen anderen Extremfall zu erinnern, solche tauben Früchte, wie sie von der Gebildelehre Gottl-Ottlilienfelds hervorgebracht wurden, konnten nicht ernsthaft eine praktische Funktion erfüllen. Die interventionistische Wirtschaftspolitik hat allerdings doch einige unübersehbare Spuren in der Wirtschaftstheorie hinterlassen; in der zweiten Hälfte der Periode faschistischer Herrschaft wird es unter den bürgerlichen Ökonomen üblich, von einer "gelenkten Volkswirtschaft" zu sprechen. Darunter verbarg sich die Apologie des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Man propagierte das Überbordwerfen von Dogmen aus der "liberalistischen Ära" und suchte eine Begriffssystematik der "gelenkten Wirtschaft" zu erarbeiten. Das Problem der staatlichen Einmischung in die Wirtschaft wird von den bürgerlichen Ökonomen mit der Illusion verknüpft, daß die Wirkung ökonomischer Gesetze wesentlich verändert würde und eine neue Epoche sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung zu verzeichnen wäre. Man verschweigt, daß der Staat die Interessen der Monopolbourgeoisie wahrnimmt und gibt vor, daß der Staat im Interesse der Gesamtheit des Volkes handele. Man bestreitet entweder, daß divergierende Eingriffe vorgenommen werden, die gegen die Lebensinteressen der Werktätigen gerichtet sind, oder aber man stellt diese Eingriffe als einen notwendigen Akt dar, der für die Allgemeinheit nützlich sei. (Im 6. Kapitel wurde diese Problematik nachgezeichnet.) 202
Eine größere Bolle spielte in der theoretischen Diskussion die Frage des ökonomischen Gleichgewichts und des Wirtschaftskreislaufs. Dazu wurden einige Modelle entwickelt, die noch heute in der bürgerlichen Literatur im Gespräch sind. Neben den Auffassungen von H. Peter gilt das auch für die Beiträge von F. Grünig und C. Föhl. Einige bürgerliche Ökonomen glauben, in der Mathematisierung der politischen Ökonomie einen Ausweg aus der Sterilität zu finden, durch die die bürgerliche Lehre eingestandenermaßen charakterisiert ist. Diese Ökonomen hatten ihre Meinung häufig gegen eine Aversion politischer Vertreter gegen mathematische Methoden sowie gegen Vorurteile seitens einiger Ökonomen durchzusetzen. Die praktischen Bedürfnisse, vor allem die Vierjahresplanpolitik, setzte die Wirtschaftsrechnung auf die Tagesordnung und mit ihr die Diskussion um das wichtigste Mittel, die Wirtschaftsmathematik. Vor allem H. v. Stackelberg hat hier wesentliche Schritte eingeleitet, die noch heute für die bürgerliche Lehre von Bedeutung sind. Auf dem Gebiet der Konjunktur- und Krisenlehre kamen keine nennenswerten Neuerscheinungen heraus. Der RUstungsboom und die politische Intoleranz haben sich auf diesem Gebiet der bürgerlichen Lehre hemmend ausgewirkt. Über einige Ansätze zur Verallgemeinerung der Erfahrungen, die mit der Kriegswirtschaft und Kriegsfinanzierung gemacht wurden, ist man durch den Ausgang des Krieges nicht hinausgekommen. Der Zerfallsprozeß der Schulen und Richtungen setzte sich nach 1933 fort. Die großen wirtschaftlichen Erschütterungen des kapitalistischen Systems verstärkten den Zweifel an der Fruchtbarkeit der Historischen Schule und zersetzten deren ursprüngliche Klassengrundlage . In gewisser Hinsicht lebte der vulgäre Historismus in den Stufen- und Stillehren und anderen Ausflüssen der Historischen Schule fort. Einige Anknüpfungspunkte bot die Historische Schule vor allem in der Ethisierung der Volkswirtschaftslehre, die den Ambitionen der Faschisten und einer sozialdemagogischen und politischen Lehre entgegenkam. Zudem boten die auf einer Darstellung nationaler Wirtschaft beruhenden Schriften einen idealen Anknüpfungspunkt für die geforderte "Völkische Lehre 1 '. Wie in den zwanziger Jahren, so hat sich auch in den dreißiger Jahren die eigentliche Auseinandersetzung mit der Historischen Schule auf die System-, Stil- oder Stufenlehren konzentriert, mit denen einige bürgerliche Ökonomen den Mangel an theoretischer Geschlossenheit ihres Systems überwinden wollten. Die Wirtschaftsstufenlehre lieferte auch eine Pseudoerklärung f ü r die Gesetzmäßigkeiten des ökonomischen Entwicklungsprozesses. Einen gewissen Abschluß erhielt die Stufen- und Stillehre in Deutschland durch W. Eucken. Die Gebildelehre Gottl-Ottlilienfelds erwies sich gleichfalls als eine sterile Variante der Vulgärckonomie, die den Anforderungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus nicht gewachsen war. Auch die Sozialrechtler vermochten keine Lösung der dringend gewordenen 203
Marktprobleme anzubieten. Die sozialrechtliche Richtung hatte daher keine Bedeutung mehr. Die universalistische Volkswirtschaftslehre O. Spanns, die in ihrer Mystifizierung sozialer Prozesse manchen Anknüpfungspunkt zur Propaganda der NSDAP bot, fand schließlich nur geringe Resonanz in Hitlerdeutschland. Einerseits teilte sie mit der Historischen Schule, der Gottischen Gebildelehre und der Sozialrechtlichen Richtung deren Unaktualität, andererseits wies die Spannsche Lehre noch zusätzliche Angriffspunkte auf, die sie bei den Hitlerfaschisten in Mißkredit brachte. Die Grenznutzenschule hat in Deutschland, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keinen rechten Anklang gefunden. Die Grenznutzenschule hat die Methode der absoluten Quantifizierung zum System erhoben und sie mit der Methode der ahistorischen Psychologisierung verknüpft. Das war Grund genug fiir viele Kritiker, sie mit den formalistischen bürgerlichen Lehren, die ähnliche Wege gingen, in einen Topf zu werfen. In den dreißiger Jahren war man skrupellos genug, auf eine nuancierte terminologische Unterscheidung keinen Wert zu legen. Die Pauschalabwertung der abstrakten Theorie, die oft zum Siindenbock für den unbefriedigenden Zustand der bürgerlichen Ökonomie gemacht wurde, war ein charakteristisches Merkmal jener Periode. (Vgl. hierzu das 5. Kapitel) Die "Allgemeine Theorie" des Engländers Keynes findet in Hitlerdeutschland starke Beachtung, wird jedoch im allgemeinen mit dem Argument abgelehnt, daß sie fiir deutsche Verhältnisse unzutreffend sei. Mit dem Auftreten der Neoliberalen wird ein schüchterner Versuch bestimmter Kreise der Bourgeoisie deutlich, die "gelenkte Wirtschaft" zu kritisieren. (Vgl. dazu das 7. Kapitel). In Hitler-Deutschland bietet sich also das Bild der
Zersetzung alter Schulen und Rich-
tungen der bürgerlichen Ökonomie, ohne daß es zur Formierung einer neuen Lehre kommt, die den neuen ökonomischen und politischen Verhältnissen gerecht wird. Nur einige Schriften, die zwischen 1933 und 1944 entstanden, werden nach 1945 in das Arsenal der bürgerlichen politischen Ökonomie als moderne Lehren übernommen. Die wichtigsten Autoren, deren damals entstandene Schriften noch heute in Westdeutschland weite Verbreitung haben, sindH. Peter, H. v. Stackelberg und W. Eucken. Zusammenfassend kann man feststellen, daß sich die bürgerliche politische Ökonomie in Deutschland in den Jahren 1933 bis 1944 nur in sehr unzureichendem Maße den neuen Erfordernissen des staatsmonopolistischen Kapitalismus anzupassen vermochte. Die Ursache ist darin zu sehen, daß sie durch einige zusätzliche Umstände belastet war, die das Niveau entscheidend herabdrUcken. Das waren Umstände, die neben den Ursachen wirksam sind, die für die Krise der modernen bürgerlichen Ökonomie allgemein gelten.
204
Diese zusätzlich wirkenden Faktoren sind folgende: a)
Der historisch kurze Zeitabschnitt, der zwischen den wichtigsten Veränderungen in der deutschen Wirtschaft und dem Zusammenbruch des faschistischen Staates liegt, der einer Besinnung auf die neue Problematik nur wenig Baum ließ und der ohnehin durch die abenteuerliche Kriegspolitik ein unfriedlicher, "theorienfeindlicher" Zeitabschnitt war.
b)
Die Belastung, der die bürgerliche politische Ökonomie in Deutschland durch ihre reaktionären Traditionen ausgesetzt war.
c)
Die politischen Verhältnisse als Hauptgrund für das niedrige Niveau der deutschen Vulgärökonomie (der durch Verfolgung und Emigration entstandene Substanzverlust an Denkern und die politische Intoleranz in der Wissenschaftspolitik der Hitlerregierung).
205
Anmerkungen
1 Vgl. zu dem folgenden: Die wirtschaftswissenschaftlichen Hochschullehrer an den reichsdeutschen Hochschulen und an der TH Danzig, Stuttgart und Berlin 1938, Die Hochschullehrer der Wirtschaftswissenschaften in der Bundesrepublik Deutschland einschl. Westberlin, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz, (West-)Berlin 1959 2 Vgl. H. Meißner, Zur Auseinandersetzung mit der modernen bürgerlichen politischen Ökonomie, Wirtschaftswissenschaft, 12. Jg., Heft 9/1964, S. 1409 ff. 3 Wobei die verdienstvollen Arbeiten zu Einzelproblemen, wie die von J . Kuczynski Uber die Lage der Arbeiter sowie die der Autorenkollektive der Werke "Imperialismus heute" und "Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" keinesfalls ignoriert werden sollen. Ein Lichtblick sind auch die ausgezeichneten Arbeiten von Dietrich Eichholtz, Kurt Gossweiler, Hans Hadandt und anderen. Eine allseitige historische Würdigung jener Periode steht jedoch noch immer aus. 4 Zu den wenigen Ausnahmen gehört der Beitrag der sowjetischen Wissenschaftlerin M. N. Smit in ihren "Abrissen der Geschichte der bürgerlichen politischen Ökonomie", Moskau 1961, russ. Auch die von einem internationalen Autorenkollektiv verfaßte "Geschichte der ökonomischen Lehrmeinungen", Berlin 1965, enthält einige Ausführungen Uber "faschistische ökonomische Theorien". 5 Eine sehr interessante Analyse legte Ruth Carlsen mit ihrer Dissertation vor, die an der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock im März 1966 unter dem Titel "Zum Prozeß der Faschisierung und den Auswirkungen der faschistischen Diktatur auf die Universität Rostock (1932 - 1935)" verteidigt wurde. 6 Klaus O. W. Müller, Heinrich von Stackelberg - ein moderner bürgerlicher Ökonom, Berlin 1965 7 U. a. K. Braunreuther und H. Steiner, in: Zur Kritik der bürgerlichen Soziologie in Westdeutschland, Berlin 1962 8 Protokoll der Internationalen Konferenz des Instituts für Wirtschaftswissenschaften bei der DAdW zu Berlin zu dem Thema: Neue Erscheinungen in der modernen bürgerlichen politischen Ökonomie, Zweiter Halbband, Berlin 1961, S. 798 9 L. Wiese schrieb nach dem Kriege unverhohlen, daß e r über die Vorgänge im Jahre 207
1933 schweige, "um niemandem wehezutun". L. v. Wiese, Die Deutsche Gesellschaft fUr Soziologie, Schmollers Jahrbuch, 69. J g . , (West-(Berlin und München 1949, S. 232 10 Die TUbinger Universität veranstaltete im Wintersemester 1964/65 eine Ringvorlesung, in der westdeutsche Professoren zu Fragen der Wissenschaft in der Zeit des Hitlerregimes Stellung nahmen. Unter den 13 Vertretern verschiedener Fakultäten befand sich kein einziger Ökonom. 11 Über den Klassencharakter des Faschismus, vgl. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 5, Berlin 1966, S. 55 ff. 12 C.W. Frölich, Über den Menschen und seine Verhältnisse, Berlin 1792 13 Ziegenhagen, Lehre vom richtigen Verhältnis zu den Schöpfungswerken . . . , Hamburg 1792. Das Verdienst, die Utopien von Frölich und Ziegenhagen der historischen Forschung neu erschlossen zu haben, gebührt G. Steiner. Vgl. u. a. G. Steiner, Der Traum vom Menschenglück, Berlin 1959 14 Vgl. W. Krause, Fichtes ökonomische Anschauungen im "geschlossenen Handelsstaat", in: Wissen und Gewissen, Beiträge zum 200. Geburtstag Johann Gottlieb Fichtes, Berlin 1962 15 Vgl. W. Krause, L. Gall - ein deutscher Utopist, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Berlin, 4. J g . , H. 2, 1956 16 Friedrich Engels schrieb daher im Jahre 1843: "Sehen wir von einigen vereinzelten Fällen ab, von denen die Öffentlichkeit keine Kenntnis nahm, so hat es vom Bauernkrieg an bis in die allerjiingste Zeit in Deutschland keine Partei von Sozialreformern gegeben. " Friedrich Engels, Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontingent, in: Marx/Engels, Werke, Bd. 1, Berlin 1956, S. 489 17 Vgl. W. Roscher, Grundlagen der Nationalökonomie, Stuttgart/Tübingen 1854, S. 36 18 Dieser englische Ökonom "repräsentierte am besten die Bankrotterklärung der bürgerlichen Ökonomie", da er"die politische Ökonomie des Kapitals in Einklang mit den jetzt nicht länger ignorierenden Ansprüchen des Kapitals zu setzen suchte.. Wie zur klassischen Zeit der bürgerlichen Ökonomie blieben die Deutschen auch zur Zeit ihres Verfalls bloße Schüler, Nachbeter und Nachtreter, Kleinhausierer des ausländischen Großgeschäfts", schreibt Marx im Nachwort zum "Kapital", und an gleicher Stelle heißt es zuvor: " . . . stolz auf die Professorenwürde ihrer Wissenschaft, folgten (einige) J.St. Mill in dem Versuch, Unversöhnbares zu versöhnen". Karl Marx, a . a . O . , S. 13 f. 19 Vgl. K. Braunreuther, Zur Geschichte des staatswissenschaftlichen Faches an der Humboldt-Universität im ersten Halbjahrhundert ihres Bestehens, Wissenschaftliche 208
Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- und sprachwiss. Reihe, Jg. 9 (1959/60), H. 4 und 5 20 Vgl. F. Völkerling, Der deutsche Kathedersozialismus, Berlin 1959 21 Das Wesen des "Brentanismus" hat Lenin in seinem Werk "Zwei Taktiken . . . " traifend charakterisiert: "Die intelligenten Bourgeois wissen ausgezeichnet, daß sie die Arbeiterbewegung nicht aus der Welt schaffen können. Darum treten sie gar nicht gegen die Arbeiterbewegung, gegen den Klassenkampf des Proletariats auf - nein, sie erweisen der Streikfreiheit und dem zivilisierten Klassenkampf sogar jede Revi renz, . . . sie sind durchaus bereit, den Arbeitern die (faktisch von den Arbeitern selbst schon fast errungene) Streik- und Koalitionsfreiheit zuzugestehen , nur damit die Arbeiter auf das "Rebellentum , auf den beschränkten Revolutionarismus , auf die Feindschaft gegen die praktisch-nützlichen Kompromisse , auf die Ansprüche und Bestrebungen verzichten . . . " W. I. Lenin, Werke, Bd. 9, Berlin 1957, S. 110 22 Vgl. dazu J. Kuczynski, Die Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus, Bd. 13, Berlin 1961, S. 16 23 E. Engelberg, Deutschland von 1871 - 1897, Berlin 1965 24 Vgl. E. König, Vom Revisionismus zum "demokratischen Sozialismus", Zur Kritik des ökonomischen Revisionismus in Deutschland, Berlin 1964 25 Vgl. G. Theodor, F. Naumann oder der Prophet des Profits, Berlin 1957 26 Vgl. R. Hermann, Der ökonomisch-theoretische Inhalt der Bodenreformlehre unter Berücksichtigung der Entwicklung der deutschen Bodenreformbewegung, Dissertation, Berlin 1965 27 Vgl- M.N. Smit, a.a.O., S. 147 28 H. -H. Rubbert meint, die "Wirtschaftslehre des Nationalsozialismus, die vor 1933 propagiert wurde, sei ein "uninteressantes und unergiebiges Untersuchungsobjekt" und ein anderer bezeichnete sie als "Konglomerat konfuser Ideen". H. -H. Rubbert, die "gelenkte Marktwirtschaft" des Nationalsozialismus, Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 8. Jg., Tübingen 1963, S. 216, W. Fischer, Die Wirtschaftspolitik des Nationalsozialismus, Zeitgeschichte, H. 13, Stuttgart 1961, S. 7 29 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 4, Berlin 1966, S. 231 30 Vgl. ebenda, S. 58 31 Ebenda, S. 231 32 Vgl. ebenda, S. 265 33 A. Bullock, Hitler - Eine Studie Uber Tyrannei 4. Auflage, Düsseldorf 1954, S. 61 f 34 G. Feder Das Manifest zur Brechung des Zinsknechtschaft des Geldes, Diessen vor 209
München 1919 35 Ebenda, S. 5 36 Ebenda, S. 62 37 Ebenda, S. 10 38 Ebenda, S. 11 39 Vgl. ebenda, S. 20 40 Ebenda, S. 32 ff. 41 Ebenda, S. 36 42 Ebenda, S. 55 43 Ebenda, S. 55 £f. 44 J . M. Heynes, Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages, München und Leipzig 1920, S. 192 f. 45 A. Hitler, Mein Kampf, München 1938, S. 209 ff. 46 Ebenda, S. 212 ff. 47 G. Feder, Was wül Adolf Hitler? 6. Auflage, München 1932, S. 3 ff. 48 G. Feder, Der deutsche Staat auf nationaler und sozialer Grundlage, Neue Wege im Staat, Finanz und Wirtschaft, München 1923, S. 13, 21 49 Ebenda, S. 22 50 Ebenda, S. 60 51 Ebenda, S. 72 52 Ebenda 53 Karl Marx, Das Kapital, 3. Band, Berlin 1951, S. 372 54 G. Feder, Der deutsche Staat auf nationaler und sozialer Grundlage, München 1923, S. 20 55 Ebenda, S. 21 56 Ebenda, S. 9 57 Ebenda, S. 23 58 Ebenda, S. 13 59 Ebenda, S. 23 60 Ebenda, S. 68 ff. 81 Ebenda, S. 21 62 H. Buchner, Dämonen der Wirtschaft, München 1928 63 Vgl. a . a . O . , S. 12 64 Vgl. a . a . O . , S. 9 65 Vgl. a.a.O., S. 11 210
66 Ebenda, S. 16 67 Ebenda, S. 20 ff. 68 Ebenda, S. 19 69 Ebenda, S. 11 ff. 70 Vgl. S.M. Slobodskoj, Der italienische Faschismus und sein Zusammenbruch, Berlin 1948, S. 97 ff. 71 Ebenda, S. 37 72 H. Maier, Soziologie der Päpste, Lehre und Wirkung der katholischen Sozialtheorie, Berlin 1965, S. 193 ff. 73 Vgl. ebenda, S. 203 74 Vgl. ebenda, S. 204 f. 75 Vgl. ebenda, S. 207 ff. 76 A. Hitler, Mein Kampf, München 1938, S. 595 77 Ebenda, S. 444 78 Vgl. dazu: S.M. Slobodskoj, Der italienische Faschismus und sein Zusammenbruch, Berlin 1948 79 Hitler hat in anderem Zusammenhang mehrfach aufgefordert, von der katholischen Kirche zu lernen. Vgl. A. Hitler, Mein Kampf, S. 425 u. 453 80 M. Frauendorfer, Der ständische Gedanke im Nationalsozialismus, München 1933, S. 19 81 Ebenda, S. 22 82 Ebenda, S. 24 83 Ebenda, S. 26 84 Ebenda, S. 27 85 Ebenda, S. 28 86 Ebenda, S. 29 f. 87 G. Feder, Das Programm der NSDAP und seine weltanschaulichen Grundgedanken, München 1930 88 "Völkischer Beobachter", 46. Jahrgang, Nr. 195 vom 14. Juli 1933, S. 1 89 "Völkischer Beobachter", 46. Jahrgang, Nr. 246/47 vom 3./4. September 1933, S. 7 f. 90 W. Herfehrt hat in seinem Artikel "Der faschistische Reichsnährstand und die Stellung seiner Funktionäre im Bonner Staat" in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Heft 5/1962, detaillierte Angaben Uber Aufgaben, Struktur und Arbeitsweise des Reichsnährstandes gemacht. 91 M. Frauendorfer, Idee und Gestalt der ständischen Neuordnung, Berlin o . J . , S. 27 211
92 Ebenda, S. 19 93 Ebenda, S. 25 94 F. Völtzer, Vom Werden des deutschen Sozialismus, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 96. Band, Tübingen 1936, S. 13 95 Ebenda, S. 14 96 Vgl. dazu: W. Ulbricht, Der faschistische deutsche Imperialismus, Berlin 1952, S. 65 97 A. Weber, Über die berufsständische Idee in Deutschland, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 143, Jena 1936, S. 130 98 Vgl. dazu: Imperialismus heute, Berlin 1965, S. 60 ff. 99 F. Völtzer, Vom Werden des deutschen Sozialismus, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 96. Band, Tübingen 1936, S. 1 f. 100 Vgl. G. Feder, Die Dreigliederung der deutschen Arbeit, in: Nationalsozialistisches Jahrbuch 1934 101 A. Weber, Über die berufsständische Idee in Deutschland, Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, 143. Band, Jena 1936, S. 143 102 K. Gossweiler bewertet in seiner Dissertationsschrift diesen Staatssekretärsposten allerdings wesentlich höher. Übrigens enthält die Schrift Gossweilers detailliertes und aufschlußreiches Material Uber die Zeit von 1933/34. Vgl. K. Gossweiler, Die Rolle des Monopolkapitals bei der Herbeiführung der Röhm-Affäre (30. Juni 1934), Phil. Diss., Berlin 1963, S. 299 103 Vgl. F. Klein, Neue Dokumente zur Rolle Schachts bei der Vorbereitung der Hitlerdiktatur, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 5. J g . , Berlin 1957, Heft 4, S. 818 ff. 104 G. Dimitroff, Ausgewählte Werke, Band 2, Berlin 1958, S. 526 105 Ebenda, S. 528 ff. 106 W. Grotkopp, Die große Krise, Düsseldorf 1954, S. 37 107 Die soziale Demagogie hat natürlich nichts mit einem sozialistischen. Programm gemein. Vgl. G. Paulus, Wissenschaftliche Zeitgeschichte oder Apologie des deutschen Imperialismus? Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 3. J g . , Berlin 1955, Heft 1, S. 17 108 Grotkopp spricht von einem "ehrlich gemeinten Bemühen Strassers um eine Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften". A.a.O., S. 78. Dagegen empfindet Stampfer diese Kontakte seitens der reformistischen Gewerkschaften nur als "eine Spielerei, beruhend auf der vagen Hoffnung, die sozialen Kräfte durch Zuzug aus dem braunen Lager verstärken zu können!' F. Stampfer, Die ersten 14 Jahre der deutschen Republik, Offen212
bach/Main 1947, S. 656 109 Vgl. dazu die Artikel von G. Strasser in "Die deutsche Volkswirtschaft", Berlin 110 Vgl. zum folgenden: A. Bullock, Hitler - Eine Studie über Tyrannei, Düsseldorf 1954, S. 192 ff. 111 Vgl. F. Klein, Zur Vorbereitung der faschistischen Diktatur durch die deutsche Großbourgeoisie (1929-1932), Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 1. J g . , Berlin 1953, Heft 6, S. 872 ff. 112 "Die besondere sozialdemagogische Färbung der Strasser-Richtung war nur die in das NS-Gewand gehüllte I. G. -Konzeption der faschistischen Diktatur", meint Gossweiler, a.a.O., S. 287 113 Vgl. zum folgenden: G. Kroll, Von der Weltwirtschaftskrise zur Staatskonjunktur, (West-)Berlin 1958, S. 421 ff. 114 Vgl. dazu: G. Kroll, Von der Weltwirtschaftskrise zur Staatskonjunktur, (West-)Berlin 1958, S. 422 ff. 115 G. Kroll vertritt die Meinung, daß die eigentliche Autorschaft auf R. FriedlaenderPrechtl zurückzuführen ist, der jedoch von der NSDAP totgeschwiegen wurde, weil sein Vater jüdischer Abstammung war. Vgl. G. Kroll, a. a. O., S. 435 ff. 116 G. Strasser (Herausgeber), Wirtschaftliches Sofortprogramm der NSDAP, ausgearbeitet von der Hauptabteilung IV (Wirtschaft) der Reichsorganisationsleitung der NSDAP, München 1932 117 G. Feder, Das Programm der NSDAP, München 1934, S. 50 ff. 118 Vgl. A. Weber, Hauptfragen der Wirtschaftspolitik, (West-)Berlin 1950, S. 23 ff. 119 K. Heiden, Hitler, Band 1, S. 398, Hier zitiert nach Bullock, a.a.O., S. 212 120 Zitiert nach Kroll, a.a.O., S. 431 121 Vgl. O. Strasser, Aufbau des deutschen Sozialismus, Leipzig 1932 122 Vgl. O. Strasser, Ministersessel oder Revolution, Berlin 1930 123 Feder, ebenda, S. 45 124 O. v. Zwiedineck-Südenhorst, Recht und Wirtschaft, Schmollers Jahrbuch, 57. J g . , Leipzig 1933, S. 781 ff. 125 Autorenkollektiv, Imperialismus heute, Der staatsmonopolistische Kapitalismus in Westdeutschland, Berlin 1965, S. 71 126 R. Ley in einem Aufruf am 27. November 1933, in: Deutsche Geschichte von 1918 bis 1939 in Dokumenten, herausgegeben von E. Frosthoff, 3. Aufl., Stuttgart 1943, S. 336 127 Vgl. dazu auch G. Gross, Zum antifaschistischen Widerstandskampf der deutschen 213
Gewerkschafter während der faschistischen Vertrauensräte-Wahlen 1934, Zeitschrift fUr Geschichtswissenschaft, 4. Jg., Berlin 1956, Heft 2, S. 230 ff. 128 Deutsche Geschichte . . . , a. a. O. 129 Vgl. dazu: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 5, Berlin 1966 130 Vgl. J . Kuczynski, a.a.O., Band 16, Berlin 1963, S. 147 ff. 131 Ebenda, S. 153 132 Völtzer, a.a.O., S. 15 133 Vgl. "Völkischer Beobachter" vom 16./17. Juli 1933, S. 1 134 Imperialismus heute, a.a.O., ebenda, S. 67 f. 135 Ebenda, S. 68 136 Vgl. dazu und zum folgenden: J . Kuczynski, a.a.O., Band 16, Berlin 1963, S. 123 ff. 137 Vgl. dazu: A. Norden, Lehren deutscher Geschichte, Berlin 1947, S. 131 ff. 138 Vgl. Kuczynski, a. a. O., S. 156 ff. 139 Hitler hat den Vierjahresplan selbst als einen "Mehr-Jahres-Plan der Unabhängigmachung unserer nationalen Wirtschaft vom Ausland" bezeichnet, der der Aufrüstung zur "endgültigen Lösung der Erweiterung des Lebensraumes bzw. der Rohstoff- und Ernährungsbasis unseres Volkes" sowie der Propaganda dienen soll. Propagandistisch diene der Plan dazu, "vom deutschen Volk auf wirtschaftlichem Gebiet und dem Gebiete der Ernährung Opfer zu verlangen". Zu Hitlers geheimer Denkschrift Uber den Vierjahresplan aus dem Jahre 1936 vgl. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 3. J g . , München 1955, S. 204 ff. 140 Vgl. zum folgenden: Erbe, Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik 1933 - 1939 im Lichte der modernen Theorie, Zürich 1958 141 Für 1938 wird die gesamte Reichsschuld auf 42 Milliarden Reichsmark geschätzt. 1933 betrug sie demgegenüber 14 Milliarden Reichsmark. 142 Über die Unzufriedenheit im faschistischen Lager, die "Erschütterung der Massenbasis der faschistischen Diktatur", die zum "Ruf nach der zweiten Revolution" führte, vgl. Gossweiler, a . a . O . , S. 76 ff. 143 Völkischer Beobachter, 46. J g . , Berlin, Nr. 189 vom 8. Juli 1933, S. 1 144 Ebenda, Nr. 185 vom 4. Juli 1933, S. 2 145 Gossweiler ist allerdings in seiner bereits erwähnten Schrift der Meinung, daß Feder mit seiner Stellung als einer der beiden Staatssekretäre im Reichswirtschaftsministerium eine äußerst wichtige Schlüsselposition innegehabt hätte. A.a.O., S. 299 146 G. Feder, Wirtschaftsführung im Dritten Reich, Berlin 1934, S. 27 147 Ebenda, S. 28 214
148 Sogenannte "Alte Kämpfer" hat es unter den wirtschaftswissenschaftlichen Hochschullehrern kaum gegeben. Th. Oberländer hatte bereits als Freikorps-Mann am Münchener Putsch am 9. November 1923 teilgenommen. E. Duschön und E. Kelter waren seit 1925 Mitglied der NSDAP, C. Lüer seit 1927, H. Hunke seit 1929, W. Börger seit 1929. Auch H. v. Stackelberg war kein Neuling, er war bereits seit 1931 Mitglied der NSDAP. 149 W. Grotkopp, Die große Krise, Düsseldorf 1954, S. 280 150 A. Schweitzer, Organisierter Kapitalismus und Parteidiktatur 1933 bis 1936, Schmollers Jahrbuch, 79. Jg. (West-)Berlin 1959, S. 42 ff. 151 Vgl. Die Vollmacht für den Reichswirtschaftsminister, Deutscher Volkswirt, vom 13.7.1934 152 H. Schacht, 76 Jahre meines Lebens, Bad Wörishofen 1S53, S. 414 153 H. Schacht, Abrechnung mit Hitler, Hamburg 1948, S. 9 154 A. Weber, Ansprache, in: Verhandlungen auf der Tagung der Volks- und Betriebswirte in Marburg/Lahn, 15. und 16. September 1948, Schriftendes Vereins für Sozialpolitik, Neue Folge Band 1, Berlin und Manchen, S. 20. In späteren Zitaten wird die Quelle kurz als Marburger Verhandlungen angegeben. 155 Nürnberger Beweisurkunden EC - 440, Aussage W. Funks, Hier zitiert nach Bullock, a.a.O., S. 168. 156 E. Wiskemann, Die neue Wirtschaftswissenschaft, Berlin 1936, S. 14 157 E. Wiskemann, Die neue Wirtschaftswissenschaft, Berlin 1936, S. 9 158 G. Schmölders, In memoriam Jens Jessen (1895 - 1944), Schmollers Jahrbuch, 69. Jg., (West-)Berlin u. München 1949, S. 7 - 9 159 M.J. Bonn, So macht man Geschichte, München 1953, S. 341 ff. 160 F. Boese, Geschichte des Vereins für Sozialpolitik, Berlin 1937, S. 273 161 Ebenda, S. 278 162 Ebenda, S. 289 163 Ebenda, S. 289 f. 164 Nach Dahrendorf sind "von allen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern in Deutschland 1933 nicht weniger als 47 % in der Nazizeit emigriert". R. Dahrendorf, Soziologie und Nationalsozialismus, in: Deutsches Geistesleben und Nationalsozialismus, Tübingen 1965, S. 111 165 Der Autor kann sich nicht in allen Fällen für die Authentität der folgenden Angaben verbürgen, da sie aus Nachkriegsquellen zusammengestellt wurden, die wegen ihrer "Reinwaschungstendenz" nicht immer über jeden Zweifel erhaben sind. 215
166
In seiner Abschiedsrede vor der Bonner staatswissenschaftlichen Fachschaft führte Schumpeter am 20. Juni 1932 aus: "Stellen Sie sich die heutige Lage unseres Vaterlandes vor! Wir stehen einer gewaltigen Bewegung gegenüber, die einzigartig ist in der Geschichte. Nie ist es einer Organisation gelungen, gegenüber den etablierten Parteien sich durchzusetzen. Dieser gewaltige Machtapparat gleicht einem Ungeheuer von unendlichem Impuls, und er kann für das deutsche Volk Katastrophe oder Glorie bedeuten, je nachdem er verwendet wird. Aber wie wichtig wäre es, wenn dieser Koloß ökonomisch richtig beraten wäre; und wenn es unter ihnen Leute gäbe, die nationalsozialistisch fühlen und trotzdem die ökonomische Technik nicht verachten - welche ungeheuren subjektiven Möglichkeiten für einen jungen Mann! Man bedeutet nur etwas, wo noch nichts durchdacht ist. Daß man sich Parteien zuwenden soll, die nicht-rationale Programme haben, haben alle bedeutenden Politiker gewußt." J . A. Schumpeter, Aufsätze zur ökonomischen Theorie, Tübingen 1952, S. 606
167 F. Somary, Erinnerungen aus meinem Leben, 2. Aufl., Zürich 1959, S. 238 f. 168
Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 139. Band, Jena 1933, S. IX
169 Ebenda, S. IV 170 G. Albrecht, O. v. Zwiedineok-SUdenhorst zum Gedächtnis, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 170, Stuttgart 1958, S. 5, Vgl. dazu auch F. Lütge, der seit 1943 mit E. Preiser neuer Herausgeber wurde, im Band 175 (Stuttgart 1963) der "Jahrbücher". 171 Ebenda, S. 7 172 E. Wiskemann, Die neue Wirtschaftswissenschaft, Berlin 1936, S. 50 173 Ebenda, S. 51 174 Vgl. F. v. Gottl-Ottlilienfeld, Die Läuterung des nationalökonomischen Denkens als deutsche Aufgabe, Berlin 1934, S. 47, Fußnote 175 O. v. Zwiedineck-Südenhorst, Der Begriff homo oeconomicus und sein Lehrwert, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 140, Jena 1934, S. 513 176 Über die zwiespältige Haltung der Wissenschaftler und anderer Teile der Intelligenz vgl. L. Berthold, Das System des faschistischen Terrors in Deutschland und die Haltung der einzelnen Klassen und Volksschichten, Zeitschrift: für Geschichtswissenschaft, 12. J g . , Berlin 1964, H. 1, S. 21 f. 177 Vgl. z.B. die 3. Auflage von F. Bülow, Volkswirtschaftslehre, Leipzig 1934, mit den vorangehenden Auflagen 178 Vgl. G. Weippert, Umriß einer neuen Volksordnung, Hambg. 1933 179 Vgl. G. Briefs, Betriebsführung und Betriebsleben in der Industrie, Stuttgart 1934 216
180 Vgl. O. Kühne, Exakte Nationalökonomie, Jena 1934, S. 331 181 Vgl. C. Brinkmann, Theoretische Bemerkungen zum nationalsozialistischen Wirtschaftsprogramm, Schmollers Jahrbuch, 58. J g . , Leipzig 1934, S. 1 ff. 182 Vgl. H. Bethke, Gesetz und Gestaltung, Über die Einheit und Grenze der Wirtschaftstheorie, Jena 1935 183 Vgl. W. Krause, Werner Sombarts Weg vom Kathedersozialismus zum Faschismus, Berlin 1962, S. 152 ff. 184 Vgl. Th. Pütz, Das Bild des Unternehmers in der Nationalökonomie, Jena 1935 185 K. Bräuer, W. Stieda (1852 - 1933), Ein deutsches Gelehrtenleben, Schmollers Jahrbuch, 61. J g . , Leipzig 1937, S. 2 186 So W. Weddigen im Vorwort seines 1934 erschienenen Buches "Grundriß der Wirtschaftstheorie" (Jena), der jetzt Übrigens auch seine bereits vor 1927 entwickelte "Ertragstheorie" als Überwindung des Liberalismus" ausgibt. 187 Schmollers Jahrbuch, 59. J g . , Leipzig 1935, S. 716 188 Ebenda, S. 231 189 B. Harms, Universitäten, Professoren und Studenten in der Zeitenwende, Vornehmlich vom Standpunkt der StaatBwissenschaften, Jena 1936 190 A.a.O., S. 15 191 Ebenda, S. 17 192 Ebenda, S. 13 193 Ebenda, S. 2 194 Ebenda, S. 17 195 A. Weber, Leitfäden der Volkswirtschaftslehre, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, München und Leipzig 1934 196 Schmollers Jahrbuch, 58. J g . , München und Leipzig 1934, S. 475 197 Vgl. dazu K.O.W. Müller, Heinrich von Stackelberg - ein moderner bürgerlicher Ökonom, Berlin 1965 198 Die wirtschaftswissenschaftlichen Hochschullehrer an den reichsdeutschen Hochschulen und an der TH Danzig, Stuttgart und Berlin 1938 199 F. Lütge, W. Vleugels, Ein Wort des Gedenkens, Schmollers Jahrbuch, Berlin 1943, S. 14 f 200 Vgl. neben dem erwähnten Buch von Bljumin über die Krise der modernen bürgerlichen Ökonomie u. a. auch das 1. Kapitel ("Zur Entwicklung der bürgerlichen politischen Ökonomie in Deutschland bis 1945") in dem von H. Meißner herausgegebenen Buch: Bürgerliche Ökonomie im modernen Kapitalismus, Berlin 1967 217
201 H. Lehmann, Die Geschichte der polltischen Ökonomie in der westdeutschen Wirtschaftsllteratur, In: Bürgerliche Ökonomie im modernen Kapitalismus, Hrsg. v. H. Meißner, Berlin 1967, S. 650 202 H. Lehmann, ebenda 203 Schumpeter bemerkte bereits vor dem ersten Weltkrieg in seiner "Dogmen- und Melthodengeschichte:" "Je näher wir der Gegenwart kommen, um so weniger ist es möglich, die Fülle der sich kreuzenden Strömungen mit laufen Strichen zu charakterisieren und um so unwahrer, gezwungener und irreführender wird jede systematische Anordnung und Gruppierung." Grundriß der Sozialökonomik, L Abt., Tübingen 1914, S. 98 203 K. -W. Rath, Die Aufgabe einer Selbstbesinnung der Finanzwirtschaft, Finanzarchiv, Bd. 3, Tübingen 1935, S. 1 ff. 205 Vgl. H. Peter, Zur Selbstbesinnung in den wirtschaftlichen Staatswissenschaften, Finanzarchiv, Bd. 3, Tübingen 1935, S. 267 ff. 206 Vgl. G. v. Schmoller, Artikel "Volkswirtschaft, Volkswirtschaftslehre und Methode", Handwörterbuch für Staatswissenschaften, 3. Aufl., S. 455 207 K. Bode, Die Grundprobleme der Nationalökonomie (Darstellung und Kritik), Schmollers Jahrbuch, Leipzig 1933, S. 587 208 G. Weisser, Kommt es in den Wirtschaftswissenschaften zur Bildung einer neuen deutschen Schule? Stuttgart 1935 209 B. Laum, Methodenstreit oder Zusammenarbeit? Randbemerkungen zu einem Angriff auf die historische Nationalökonomie, Schmollers Jahrbuch, 61. Jg., Leipzig 1937, S. 258 210 J. Jessen, Über die Aufgaben . . . , S. 9 211 Ebenda, S. 11 212 Vgl. H. Bausinger, Volksideologie und Volksforschung, in: Deutsches Geistesleben und Nationalsozialismus, Tübingen 1965, S. 125 ff. 213 F. v. Gottl-Ottlillenfeld, Vom Ringen nach Wirtschaftswissenschaft, in; Wirtschaft, Gesammelte Aufsätze, Jena 1937, S. 57 214 W. Mitscherlich, in: Schmollers Jahrbuch, 61. Jg., Leipzig 1937, S. 472 215 Archiv für mathematische Wirtschafts- und Sozialforschung, Bd. 4, Leipzig 1938, S. 163 216 E. Egner, Möglichkeit und Aufgabe einer deutschen Volkswirtschaftslehre, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 97. Bd., Tübingen 1937, S. 87 217 Ebenda, S. 88 218
218 Ebenda, S. 95 219 Ebenda, S. 105 220 O. Klug, Das Problem "Wirtschaften" als Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft, Schmollers Jahrbuch, 68. Jg., Berlin 1933, S. 177 f. 221 Vgl. G. Weisser, Die Lehre von den öffentlichen und sog. gemeinnützigen Wirtschaften, Ein Beitrag zur Ausbildung normativer Wirtschaftslehren, Finanzarchiv, Bd. 4, Tübingen 1936, S. 70 ff. 222 W. Vleugels, Die Eigenart der deutschen volkswirtschaftlichen Theorie, Schmollers Jahrbuch, 65. Jg., 1941, S. 5 223 Ebenda, S. 14 224 Schmollers Jahrbuch, 59. Jg., Leipzig 1935, S. 476 225 E. Wiskemann, Die neue Wirtschaftswissenschaft, Berlin 1936, S. 18 226 L. v. Wiese, Wirtschaftstheorie und Wirtschaftssoziologie, Schmollers Jahrbuch, 69. Jg., Leipzig 1936, S. 647 227 Ebenda, S. 648 f. 228 E. Preiser, Das Hationalprinzip in der Wirtschaft und in der Wirtschaftspolitik, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 158, Jena 1943, S. 13 f. 229 A. Hesse, Die Probleme der sozialwissenschaftlichen Erkenntnis, Schmollers Jahrbuch, 68. Jg., Berlin 1944, S. 164 230 Ebenda, S. 165 231 A. Weber, Leitfäden der Volkswirtschaftslehre, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, München und Leipzig 1934, S. 24 232 H. Kniesche, Das Volk in der Wirtschaft, Ein Versuch vom Standpunkt volkstheoretischer Wirtschaftsbetrachtung - an Beispielen aus dem wirtschaftlichen Nationalitätenkampf, Jena 1937 233 H. -J. Seraphim, Zur Theorie der volksgebundenen Wirtschaftsgestalt der Gegenwart, Schmollers Jahrbuch, 61. Jg., Leipzig 1937, S. 307 234 Ebenda, S. 314 235 R. Kapp,, Die sozialwirtschaftliche und bevölkerungspolitische Bedeutung der Rassenhygiene, Emsdetten 1935 236 Bd. 144, Jena 1936, S. 119 237 Schmollers Jahrbuch, 60. Jg., Leipzig 1936, S. 113 238 K. V. Müller, Der Aufstieg des Arbeiters durch Rasse und Meisterschaft 239 A. Pfennig, Die Bedeutung des biologischen Gedankens für die Nationalökonomie, Schmollers Jahrbuch, 63. Jg., Berlin 1939, S. 273 ff. 219
240 Ebenda, S. 275 241 Ebenda, S. 283 242 G. Weisser, Der politische Charakter der Wirtschaftswissenschaft, Finanzarchiv, Bd. 4, Tübingen 1936, S. 589 f. 243 E.H. Vogel, Die Komplementaritätserscheinung und ihre Bedeutung für eine organische Leistungstheorie der Wirtschaft, Schmollers Jahrbuch, 67. Jg., Berlin 1943, S. 177 ff. 244 L. v. Wiese, Der internationale Entwicklungsstand der Allgemeinen Soziologie, in: Reine und angewandte Soziologie, eine Festgabe für Ferdinand Toe unies, Leipzig 1936, S. 16 245 Vgl. F. Behrens, Der Preisvergleich in der Statistik, Eine methodologische Betrachtung, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 158, Jena 1943 246 Vgl. K. Braunreuther, Max Weber (1864 - 1920) - der bedeutendste Vertreter der bürgerlichen Soziologie in Deutschland - Eine wissenschaftliche Studie^ in: Probleme der politischen Ökonomie, Jahrbuch des Instituts für Wirtschaftswissenschaften der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Bd. 7, Berlin 1964, S. 337 ff. 247 Vgl. G. Klaus und M. Buhr, Philosophisches Wörterbuch, 4. Aufl., Leipzig 1966, S. 602 248 Vgl. ebenda, S. 405 249 H. Peter, Aufgaben der Wirtschaftstheorie in der Gegenwart, Stuttgart 1933 250 Ebenda, S. 45 251 Vgl. ebenda, S. 27 252 W. Weddigen, Das Werturteil in der politischen Wirtschaftswissenschaft, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 153, Jena 1941, S. 263 253 F. v. Gottl-Ottlilienfeld, Wirtschaftspolitik und Theorie, Berlin 1939 254 E. Wiskemann, Die neue Wirtschaftswissenschaft, Berlin 1936,.S. 22 255 Ebenda, S. 69 256 Ebenda, S. 77 f. 257 E. Egner, Möglichkeit und Aufgabe einer deutschen Volkswirtschaftslehre, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 97. Bd., Tübingen 1937, S. 106 258 Ebenda, S. 107 259 Ebenda, S. 110 260 Ebenda, S. 11 261 W. Weddigen, a.a.O., S. 266 262 G. Weippert, Die Wirtschaftstheorie als polltische Wissenschaft, Zeltschrift für die 220
gesamte Staatswissenschaft, 98. Bd., Tübingen 1938, S. 31
263 Ebenda 264 E. Egner, Blüte und Verfall der Wirtschaft, Eine Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig 1936, S. 17 f. 265 W. Vleugels, Was heifit Theorie ? Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 153, Jena 1941, S. 33 266 Weippert, a.a.O., ebenda 267 Ebenda, S. 24 268 Ebenda, S. 25 269 Vgl. G. Weippert, Vom Werturteilsstreit zur politischen Theorie, Weltwirtschaft liehes Archiv, 49. Bd., Jena 1939 270 G. Weisser, Wirtschaftspolitik als Wissenschaft, Erkenntniskritische Grundfragen der praktischen Nationalökonomie, Stuttgart-Berlin 1934 271 Vgl. W. Vleugels, Zur Gegenwartslage der deutschen Volkswirtschaftslehre, Jena 1939, S. 3 ff. 272 Vgl. W. Vleugels, Die Volkswirtschaftslehre als polltische Ökonomik und die formale Wirtschaftstheorie, Stuttgart 1936 273 Völkischer Beobachter, Nr. 31 vom 31. Januar 1937, S. 3 274 Im Falle Rosenbergs scheiterte es an der Politik Hitlers gegenüber dem Katholizismus. Vgl. H. Maier, Soziologie der Päpste, Berlin 1965, S. 229 ff. 275 F. Völtzer, Vom Werden des deutschen Sozialismus, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 96. Bd., Tübingen 1936, S. 1 276 F. Biüow, Volkswirtschaftslehre, Ein Lehrbuch, 3. Auflage, Leipzig 1934, S. 161 277 Vgl. F. Nonnenbruch, Dynamische Wirtschaft, 5. Aufl., München 1942, S. 10 ff. 278 F . v. Gottl-Ottlillenfeld, Vom Ringen nach Wirtschaftswissenschaft, in: Wirtschaft, Gesammelte Aufsätze, Jena 1937, S. 58 279 Ebenda 280 Vgl. W. Koch, Politik und Wirtschaft im Denken der faschistischen Führer, Schmollers Jahrbuch, 57. J g . , Leipzig 1933, S. 687 281 Stuttgart 1940 282 H. Schacht am 11.12.1935 in Berlin vor dem Beirat der Reichsgruppen "Handel", zitiert aus: Deutsche Geschichte von 1918 bis 1938 in Dokumenten, 3. Aufl., Stuttgart 1938, S. 365 f. 283 H. Schacht, 76 Jahre meines Lebens, Bad Wörishofen 1953, S. 442 284 G. Albrecht, Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 141, Jena 1935, S. 618 ff. 221
285 F. Somary, Erinnerungen aus meinem Leben, 2. Aufl., Zürich 1959, S. 253 286 G. Weisser, Der politische Charakter der Wirtschaftswissenschaft, Finanzarchiv, Bd. 4, Tübingen 1936, S. 526 287 R. Streller, Phänomenologie als Grundlage der Volkswirtschaftslehre, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 145, Jena 1937, S. 233 288 Ebenda. Vgl. auch R. Streller, Der Begriff der Volkswirtschaft und das System der Volkswirtschaftslehre, Sehmollers Jahrbuch, 58. Jg., Leipzig 1934 289 L. v. Mises, Grundprobleme der Nationalökonomie, Untersuchungen über Verfahren, Aufgaben und Inhalt der Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, Jena 1933, S. 7 290 A. Predöhl, Weltwirtschaftliches Archiv, 40. Bd., Jena 1934, S. 219 291 W. Eucken, Unser Zeitalter der Mißerfolge, Tübingen 1951, S. 61 f. 292 K. Bücher, Die Entstehung der Volkswirtschaft, Bd. 1, Tübingen 1893 293 G. Schmoller, Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, Teil 2, Leipzig 1904 294 B. Harms, Volkswirtschaft und Weltwirtschaft, 1912 295 W. Sombart, Die Ordnung des Wirtschaftslebens, Berlin 1925 296 W. Sombart, Die drei Nationalökonomien, München und Leipzig 1930, S. 184 297 K. Pintechovius, Der Kapitalismus als Ausdruck einer Entwicklungsstufe, Schmollers Jahrbuch, 57. Jg., Leipzig 1933, S. 182 298 A. MUller-Armack, Genealogie der Wirtschaftsstile, Die geistesgeschichtlichen Ursprünge der Staats- und Wirtschaftsformen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1941 299 W. Sombart, Die Ordnung des Wirtschaftslebens, Berlin 1925 300 Vgl. A. Spiethoff, Die allgemeine Volkswirtschaftslehre als geschichtliche Theorie, Die WirtBchaftsstile, Schmollers Jahrbuch, 56. Jg., Leipzig 1932, S. 51 ff. 301 A. Spiethoff, Die Allgemeine Volkswirtschaftslehre als geschichtliche Theorie, Die Wirtschaftsstile, Festgabe für W. Sombart, München 1933 302 W. Mitscherlich, Eine WirtBchaftsstufentheorle, Skizze des ökonomischen Werdens der germanisch-romanischen Völker, Leipzig 1924 303 W. Mitscherlich, Die drei Stadien der Volkswirtschaft und ihre ideellen und sittlichen Grundlagen, Stuttgart und Berlin 1943 304 W. Mitscherlich, Die Lehre von den beweglichen und starren Begriffen, Stuttgart 1936 305 W. Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, Jena 1940 306 A.a.O., S. 94 f. 307 Ebenda, S. 96 222
308 Ebenda, S. 97 309 Vgl. H. v. Stackelberg, Die Grundlagen der Nationalökonomie (Bemerkungen zu dem gleichnamigen Buch von W. Eucken), Weltwirtschaftliches Archiv, 51. Bd., Jena 1940 310 Vgl. H. Möller, Wirtschaftsordnung, Wirtschaftssystem und Wirtschaftsstil, Schmollers Jahrbuch, 64. Jg., Berlin 1940, S. 471 311 Vgl. W. Krause, Der westdeutsche Neoliberalismus, in: Bürgerliche Ökonomie im modernen Kapitalismus, a.a.O., S. 59 ff. 312 Vgl. W. Eucken, a.a.O., S. 125 313 Ebenda, S. 127 314 H. Möller, a. a. O., hat sich bemüht, noch weitere Übereinstimmungen zwischen den Autoren Sombart, Spiethoff und Euckeo zusammenzutragen. Im übrigen versucht Möller, eine Synthese zwischen den drei Konzeptionen herzustellen. 315 Vgl. L. v. Mises, Grundprobleme der Nationalökonomie, Jena 1933, S. Vm 316 H. Schack, Mensch und Arbeit, Vom Wesen deutscher Wirtschaft, Berlin 1941, S. 91 317 Th. Pütz, in: Finanzarchiv, Bd. 4, Tübingen 1936, S. 501 318 Vgl. F. v. Gottl-Ottlilienfeld, Meine Ablehnung der Wertlehre , in: Wirtschaft, Gesammelte Aufsätze, Jena 1937; ferner in Bd. 183/1 der Schriften des Vereins für Sozialpolitik 319 Vgl. dazu: Th. Pütz, Über den Erkenntnisgegenstand der Volkswirtschaftslehre, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 100. Bd., Tübingen 1940, S. 94 f. 320 F. v. Gottl-Ottlilienfeld, Wirtschaft und Wissenschaft, 1931, S. 961 321 Th. Pütz, a.a.O., S. 132 322 Zitiert aus der 4. Umschlagseite der Reihe "Volkswirtschaftliche Forschungen", herausgegeben von F. v. Gottl-Ottlilienfeld, Heft 2, Berlin 1934 323 F. v. Gottl-Ottlilienfeld, Die Läuterung des national-ökonomischen Denkens als deutsche Aufgabe, Berlin 1934, S. 8 324 Ebenda, S. 15 325 Ebends, S. 16 326 Ebenda 327 Vgl. dazu auch F. v. Gottl-Ottlilienfeld, Der Wertgedanke, ein verhülltes Dogma der Nationalökonomie, Jena 1897 Ders.: Die Herrschaft des Wortes, Jena 1901, ders.: Die Grenzen der Geschichte Leipzig 1904, ders.: Wirtschaft und Wissenschaft, ders.: Volk, Staat, Wirtschaft und Recht, Berlin 1936 328 F. Wegener, Das Arbeitsschicksal, Berlin 1934 329 F. Wegener, a.a.O., S. 59 223
330 Vgl. F. v. Gottl-Ottlilienfeld, Wirtschaft und Wissenschaft, S. 1348 331 A. Winter, Kritik in der Nationalökonomie, Gibt es eine verbindliche Beurteilung nationalökonomischer Theorien und Theoreme? Berlin 1936 332 Vgl. a.a.O., S. 42 333 Archiv fUr mathematische Wirtschafts- und Sozialforschung, Bd. 3, Leipzig 1937, S. 81 334 K. Diehl, Die sozialrechtliche Richtung in der Nationalökonomie, Jena 1941 335 G. Albrecht, Die sozialrechtliche Richtung in der Nationalökonomie, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 155, Jena 1942, S. 87 336 Ebenda, S. 88 f. 337 K. Diehl, Die sozialrechtliche Richtung in der Nationalökonomie, Jena 1941, S. 17 338 Vgl. A. Hesse, Sozialrechtliche Schule, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, 9. Bd., Stuttgart - Tübingen - Göttingen 1956 339 Vgl. O. Spann, Das Fundament der Volkswirtschaftslehre, Jena 1918 340 Spann ist im Jahre 1950 als Zweiundsiebzigjähriger gestorben, ohne daß er seine früheren Ämter zurückerhalten hat. 341 W. Rößle, Ständestaat und politischer Staat; Haarkens, Der Begriff des Standes, Archiv des öffentlichen Rechts, 26. Bd., 1934, S. 41 ff. A. Kammhuber, Der ständische Aufbau im Dritten Reich, Dlss. 1937, F. Bülow, Nationalsozialismus und Universalismus, Deutsche Rechtswissenschaft 1937, S. 218 ff. 342 M. Frauendorfer, Der Ständische Gedanke im Nationalsozialismus, München 1933, S. 19 343 Ebenda, S. 24 344 J . Beyer, Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941 345 J . Beyer, a . a . O . , S. 203 f. 346 Ebenda, S. 204 347 Vgl. A. Rosenberg, Der Mythos des 20. Jahrhunderts, S. 695 ff. 348 O. Spann, Gesellschaftslehre, S. 262 und 360 349 Vgl. A. König, Emil Brunners Staatsauffassung und der Universalismus Othmar Spanns, 1938 350 Ebenda, S. 220 f. 351 Neben Spann selbst vgl. vor allem bei dem wohl profiliertesten Spann-Schüler W. Heinrich, Das Ständewesen, Jena 1933, ders.: Die soziale Frage, Jena 1934. Im Sinne Spanns haben auch W. Andreas, O. Brande, P. Karrenbrock, A. König, 224
G. Leibbrandt, K. Poock, H. Räber, H. Riehl, I. Roloff und F. Völtzerdie universalistische Ständelehre vertreten. 352 E. Weber, Beiträge zum Problem des Wirtschaftsverfalls, Leipzig und Wien 1934, S. 50
m
353 Vgl. W. Krause, Werner Sombarts Weg vom Kathedersozialismus zum Faschismus, Berlin 1962, S. 132 ff. 354 O. Spann, Kämpfende Wissenschaft, Gesammelte Abhandlungen zur Volkswirtschaftslehre, Gesellschaftslehre und Philosophie, Jena 1934, S. 8 355 F. Ottel, Ständische Theorie des Geldes, Jena 1934, S. 155 356 F. Klezl, Beruf und Betrieb, Ihre begriffliche Abgrenzung und ihre Bedeutung für das Ständeproblem, Berlin und Wien 1934 357 Schmollerö Jahrbuch, 59. Jg., Leipzig 1935, S. 99 358 K. Sesemann, Der Universalismus als verkappter Kollektivismus, Die neue Wirtschaft, 1935, Heft 12 359 E. Wiskemann, Die neue Wirtschaftswissenschaft, Berlin 1936, S. 69 360 P. Berkenkopf, in: Schmollers Jahrbuch, 58. Jg., München und Leipzig 1934, S. 732 361 H. Peter, Der Ganzheitsgedanke in Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, Stuttgart 1934 362 Vgl. dazu: A. Bönisch, Ein Ideologe des deutschen Imperialismus, in: Wirtschaftswissenschaft, Sonderheft "Neue Erscheinungen der bürgerlichen politischen Ökonomie", Berlin 1960, S. 89 ff. 363 Vgl. dazu: A. Töpel, Kritische Auseinandersetzung mit der Grenzproduktlvltätstheorie Knut Wicksells, Diss. Halle 1963 364 Vgl. H. Lehmann, Das politökonomische System Friedrich Wiesers, Diss. Berlin 1963, S. 27 ff. und 48 365 Vgl. M. Lötsch, Die methodologischen und polltökonomischen Ansichten Carl Mengers, Diss. Freiberg 1963 366 Lehmann, a.a.O., S. 51. Vgl. auch die in Kürze In Berlin herauskommende Schrift von H. Lehmann mit dem Titel: Grenznutzentheorie, in der ausführlich die Geschichte dieser Lehre behandelt wird. 367 G. Stavenhagen, Geschichte der Wirtschaftstheorie, 3. Aufl., Göttingen 1964, S. 274 f. 368 Vgl. H. Lehmann, Grenznutzenschule und gegenwärtige bürgerliche Ökonomie, Wirtschaftswissenschaft, Berlin 9/1964, S. 1427 ff. 369 R. Stollberg zog daraus den SchluB: "Man kann ohne Zögern die Feststellung treffen, daß das gesamte System der modernen bürgerlichen Ökonomie den Stempel des metho225
dischen Instrumentariums der Grenznutzentheorie . . . t r ä g t . " In: Zum vulgären Charakter der Methodologie der Grenznutzentheorie, Wirtschaftswissenschaft 1/1964, S. 100. Hermann Lehmann meldet starke Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung an. Vgl. Lehmann, a . a . O . , S. 1421 ff. 370 A. Winter, Kritik in der Nationalökonomie, Berlin 1936, S. 34 f. 371 Ebenda, S. 35, Fußnote 21 372 Vgl. G. Kohlmey, Zu einigen Fragen des Erkenntnisprozesses in der marxistischen politischen Ökonomie, in: Probleme der politischen Ökonomie, Jahrbuch des Institute für Wirtschaftswissenschaften der DAdW zu Berlin, Bd. 2, Berlin 1959, S. 117 373 B. Lanm, Methodenstreit oder Zusammenarbeit? Randbemerkungen zu einem Angriff auf die historische Nationalökonomie, Schmollers Jahrbuch, 61. J g . , Leipzig 1937, S. 263 374 Th. Pütz im Finanzarchiv, Bd. 4, Tübingen 1936, S. 506 375 Es ist hier nicht der Ort, erneut die Unwissenschaftlichkeit der Nutzwertlehre nachzuweisen. Der interessierte Leser wird auf die jüngsten marxistischen Analysen (Iber die Grenznutzenschule hingewiesen, die von R. Stollberg, M. Lötsch und H. Lehmann angefertigt wurden. 376 Vgl. Stavenhagen, a . a . O . , S. 274 ff. 377 Vgl. ebenda, S. 286 378 O. Stein, Menge und Größe in der Wirtschaft, Grundlagen zur Kritik an der mathematischen Wirtschaftstheorie, Berlin 1936 379 A . a . O . , S. 11 380 Ebenda, S. 142 381 Vgl. ebenda, S. 72 382 Vgl. ebenda, S. 88 383 Vgl. ebenda, S. 151 384 Vgl. ebenda, S. 162 385 W. Vleugels, Die Volkswirtschaftslehre als politische Ökonomik und die formale Wirtschaftstheorie, Stuttgart 1936 386 Vgl. sein Bekenntnis dazu in: W. Vleugels, Über Leistung, Schwächen und tatsächliche Bedeutung der deutschen (österreichischen) Nutzwertlehre, Schmollers Jahrbuch, 61. J g . , Leipzig 1937, S. 276 387 Vgl. W. Vleugels, Die Kritik am wirtschaftlichen Liberalismus in der Entwicklung der deutschen Volkswirtschaftslehre, München 1935 388 W. Vleugels, Die Kritik am wirtschaftlichen Liberalismus in der Entwicklung der deutschen Volkswirtschaftslehre, MUnchen und Leipzig 1935, bes. S. 27 226
389 Ebenda, S. 30 390 W. Vleugele, in: Schmollers Jahrbuch, a.a.O., S. 277 391 O. Kühne, Exakte Nationalökonomie (Sozialorganische Ökonometrie), Hauptgedanken zu einer exakten Grundlegung der Theoretischen Nationalökonomie auf phänomenologisch-sozialorganischer Basis, Eine erkenntniskritische Untersuchung, Jena 1934 392 A.a.O., S. 34 f. 393 Ebenda, S. 36 394 Ebenda, S. 126 395 So z. B. die von H. Peter im Archiv für mathematische Wirtschaftsforschung und Sozialforschung, Bd. 1, Leipzig 1935, S. 134 f . , von G. Rittig in den Jahrbüchern für Nationalökonomie, Bd. 134, Jena 1936, S. 110 ff. und von E. Schneider in Schmollers Jahrbuch, 59. Jg., Leipzig 1935, S. 469 ff. 396 S. Heiander, Rationale Grundlage der Wirtschaftspolitik, Nürnberg 1933 397 Ebenda, S. 34 398 Schmollers Jahrbuch, 58. Jg., Leipzig 1934, S. 333 399 Vgl. z.B. auchO. Morgenstern, Die Grenzen der Wirtschaftspolitik, Wien 1934 400 So z.B. W. Huppert in seinem Buch "Verteilung", Tübingen 1941, Noch radikaler Ch. v. Reichenau im Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 157, Jena 1943, S. 89 401 Vgl. dazu K.O.W. Müller, Heinrich v. Stackelberg - ein moderner bürgerlicher Ökonom, Berlin 1965, S. 94 ff., 402 Vgl. K. Gossweiler, a.a.O., S. 41 403 Vgl. zum folgenden: L G. Bljumin, Die Krise der modernen bürgerlichen politischen Ökonomie, Berlin 1962 404 H. Peter, Theoretische Grundlagen der gelenkten Volkswirtschaft, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 157, Jena 1943, S. 289 405 H. Jecht in einem Geleltwort zu G. Kühnemann, Kritische Untersuchungen zur Konjunkturtheorie, Berlin 1941, S. 7 406 L. Haberlein, Das Verhältnis von Staat und Wirtschaft, Bd. 2, Berlin 1938, S. 123 407 Ebenda, S. 126 408 E. Preiser, Wesen und Methoden der Wirtschaftslenkung, Finanzarchiv N. F . , Bd. 8 Tübingen 1941, S. 225 409 E. Egner, Blüte und Verfall der Wirtschaft, Eine Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig 1935, S. 168 f. 410 W. Neuling, Möglichkeiten und Grenzen der Wirtschaftslenkung, Finanzarchiv N. F . , Bd. 9, Tübingen 1943, S. 29
227
411 Ebenda, S. 35 412 Ebenda, S. 49, vgl. zur Haltung Neulings auch dessen Aufsatz "Wettbewerb, Monopol und Befehl in der heutigen Wirtschaft", in: Zeitschrift für die gesamte StaatsWissenschaft, 1939, H. 2 413 Vgl. H. Timm, Das Grundproblem der modernen Vollbeschäftigung, Darmstadt und Leipzig 1940 414 Vgl. G. Schmölders, Kartelle und Kartellpreise in der gelenkten Volkswirtschaft, Stuttgart und Berlin 1942 415 Vgl. H. Schumacher, Die Wirtschaft in Leben und Lehre, Eine Einfuhrung in die tolkswlrtschaftslehre,
Leipzig 1943, S. 409
416 Vgl. ebenda, S. 413 417 Ebenda, S. 415 418 Vgl. z.B. G. Schmölders, Das Sparkapital in der gelenkten Volkswirtschaft, Wandlungen der Kreditorganisation, Stuttgart und Berlin 1940 419 W. Huppert, Verteilung, Eine Untersuchung Uber die Zusammenhänge zwischen E r zeugung, Einkommen und Verbrauch, Tübingen 1941 420 Neben den bereits erwähnten Schriften von Kroll, Erbe, Schweitzer und Fischer ist hier vor allem zu nennen: Samuel Lurie: Private Investment in a Controlled Ecobomy, Germany 1933 - 1939, New York 1947; Burton H. Klein: Germany's Economic Preparations for War, Cambridge /Mass. 1959; Ludwig Hamberger: How Nazi Germany Has Controlled Business, Washington D.C. 1943; Otto Nathan/Milton Fried: The Nazi Economic System, Duxham/North-C arolina 1944; Walter Huppert: Wirtschaftslenkung. Meisenheim/Glan 1955; Erich Welter: Der Weg der deutschen Industrie, Frankfurt/Main 1943; Ders.: Falsch und richtig planen, Heidelberg 1954; Charles Bettelheim: L economic allemande sous le nazlsme. Paris 1946; George N. Halm: Wirtschaftssysteme, (West-)Berlln 1960, S. 262 ff. Diese Literatur bedarf noch einer kritischen Analyse. Über die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik ist in der Bundesrepublik und im westlichen Ausland bereits eine beträchtliche Anzahl von Schriften erschienen. 421 Vgl. E. Preiser, Wesen und Methoden der Wirtschaftslenkung, Finanzarchiv, Bd. 8, Tübingen 1941 422 Vgl. ebenda, S. 242 f. 423 H. Weigmamv Zur gegenwärtigen Problemlage der Wirtschaftsplanung, Archiv für Wirtschaftsplanung, Bd. 1, Berlin 1941 - Weigmann war der Herausgeber des seit 1941 erschienenen Archivs, das in Verbindung mit der "Reichsarbeitsgerneinschaft für Raumforschung" herausgegeben wurde.
424 Vgl. W. Meinhold, Die Wettbewerbsgestaltung Im Dienste der öffentlichen Marktordnung, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 102. Bd., Tübingen 1942, S. 702 ff. 425 Vgl. W. Weddigen, Persönlichkeit und Gemeinschaft als Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 153, Jena 1941, ders., Die Synthese von Persönlichkeit und Gemeinschaft in der Wirtschaftspolitik, Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 55, Jena 1942 426 W. Weddigen, Wesen und Systematik der Wirtschaftslenkung, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 103. Bd., Tübingen 1943, S. 109 427 Zum Problem der Mathemalisierung der modernen bürgerlichen ökonomischen Theorie in jener Zeit vgl. auch: K.O.W. Müller, H. v. Stackelberg - ein moderner bürgerlicher Ökonom, Berlin 1965, S. 28 ff. 428 H. Peter, Aufgaben und Grenzen der mathematischen Nationalökonomie, Archiv für mathematische Wirtschafts- und Sozialforschung, Leipzig 1935, S. 2 429 Ebenda, S. 4 430 Ebenda, S. 7 431 D. Klagges, Geleitwort zur ersten Tagung der Gemeinschaft von Förderern der mathematischen Wirtschafts- und Sozialforschung, Archiv für mathematische Wirtschaftsund Sozialforschung, Bd. 2, Leipzig 1936, S. 48 ff. 432 P. Riebe seil, Wirtschaft und Mathematik, Archiv für mathematische Wirtschafts- und Sozialforschung, Bd. 3, Leipzig 1937, S. 98 433 Ebenda, S. 108 434 H. Bolza, Dialektische oder rationale Methoden in der Nationalökonomie ? Eine Erwiderung an J. M. Heynes, München und Leipzig 1936 435 Eine marxistische Analyse seines Gesamtwerkes steht noch aus. Sie wäre ein lohnendes Dissertations- oder Habilitationsthema. 436 H. Haller, Hans Peter und sein Werk, Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 85, Hamburg 1960, S. 155 437 W. Koch, Ethik und Ökonomik, Hans Peter in memoriam, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 117, Tübingen 1961, S. 577 438 Vgl. H. Peter, Das Privateigentum und seine Schranken, Finanzarchiv, Bd. 7 d. N. F . , Tübingen 1939/40, S. 378 ff., ders., Grundprobleme der theoretischen Nationalökonomie, Bd. 3, Stuttgart 1937, S. 62 f. 439 Vgl. H. Peter, Zur Selbstbesinnung in den wirtschaftlichen Staatswissenschaften, Finanzarchiv, 3. Bd. d. N. F . , Tübingen 1935, ders., Offener Brief an Herrn Prof. Dr. K.W. Rath, Juli 1938
440 W. Koch, a.a.O., S. 588 f. 441 H. Peter, Grundprobleme der theoretischen Nationalökonomie, .Bd. 1, Wert, Preis, Profit, Stuttgart 1933 442 Dass., Bd. 2, Der GesamtprozeB In der Entwicklung, Stuttgart 1934 443 Dass., Bd. 3, Automatischer Prozeß und gestaltete Volkswirtschaft, Fragen der angewandten Theorie, Stuttgart 1937 444 Peter wurde in der Folgezeit vor allem durch seine Arbelten auf den Gebieten der Kreislaufanalyse und der Theorie der evolutorlschen Wirtschaft berühmt. Wir müssen jedoch von der weiteren Darlegung Uber die Leistungen Peters nach 1945 absehen und une an dieser Stelle auf eine inhaltliche Zusammenfassung seiner ökonomischen Werke' beschränken, die in der Zeit von 1933 bis 1945 erschienen. 445 In der Darstellung folgen wir z. T. der Analyse von Müller, der In seinen Büchern über "Stackelberg" und die "Kreislauftheorle" aufschlußreiches Material vorgelegt hat, auf das für das weitere Studium der Problematik verwiesen wird. Vgl. K. Müller, Heinrich von Stackelberg - ein moderner bürgerlicher Ökonom, Berlin 1965, ferner vom gleichen Autor, Die bürgerliche Kreislauftheorle, Berlin 1968 446 Vgl. hierzu die Arbeiten von I. G. Bljumin, Die Krise der modernen bürgerlichen politischen Ökonomie, Berlin 1962, S. 262 ff. und vgl. Autor, Über die moderne bürgerliche politische Ökonomie, Berlin 1960, S. 116 ff. 447 Vgl. vor allem H. v. Stackelberg, Probleme der unvollkommenen Konkurrenz, Ins Weltwirtschaftliches Archiv, 48. Bd., Jena 1938 448 Über Einzelheiten der Stackelbergechen Konzeption ausführlich bei Müller, a.a.O., S. 98 ff. 449 Vgl. zu den folgenden Ausführungen, K. Müller, Die bürgerliche Kreislauftheorie, Berlin 1968 450 A.a.O., S. 155 451 Vgl. ebenda 452 Vor allem durch die 1912 erschienene "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" 453 Vgl. Müller, a.a.O., S. 32 ff. 454 F. Grünig, Der Wirtschaftskreislauf, München 1933 455 K.O.W. Müller, a.a.O., S. 39 456 Vgl. ebenda, S. 41 f. 457 C. Föhl, Geldschöpfung und Wirtschaftskreislauf, München 1937 458 Vgl. dazu auch Bolza, Ein neuer Weg zur Erforschung und Darstellung volkswirtschaftlicher Vorgänge, Berlin 1935 230
459 H. Bolza, Dialektische oder rationale Methoden in der Nationalökonomie ? Eine E r widerung an J . M. Keynes, München 1936 460 C. Föhl, a . a . O . , S. 278 461 H. Bolza, Ein neuer Weg zur Erforschung und Darstellung volkswirtschaftlicher Vorgänge, Berlin 1935 462 Vgl. Archiv fttr mathematische Wirtschafts- und Sozialforschung, Bd. 2, Leipzig 1936, S. 60 f. 463 Schmollers Jahrbuch, 60. J g . , Leipzig 1936, S. 82 f. 464 H. Peter, Zur Frage der theoretischen Grundlagen der Wirtschaftslenkung, Finanzarchiv N . F . , Bd. 9, Tübingen 1943, S. 3 f. 465 H. Peter, Grundprobleme der theoretischen Nationalökonomie, Wert, Preis, Profit, Stuttgart 1933 466 Ebenda, S. 110 467 Ebenda 468 H. Peter, Grundprobleme der theoretischen Nationalökonomie, Bd. 2, Der Gesamt prozefi in der Entwicklung, Stuttgart 1934, S. 138 und 130 f. 469 Vgl. MUller, a.a.O., S. 51 ff. 470 H. Peter, Grundprobleme der theoretischen Nationalökonomie, Bd. 3, Automatischer Prozeß und gestaltete Volkswirtschaft, Stuttgart 1937 471 Ebenda, S. IV 472 Vor allem in folgenden Schriften: Grundzüge einer Kinematik des Wirtschaftskreislaufs, Archiv für mathematische Wirtschafts- und Sozialforschung, Bd. 7, Stuttgart und Berlin 1941; Zur Frage der theoretischen Grundlagen der Wirtschaftslenkung, Finanzarchiv NF Bd. 9, Tübingen 1941; Theoretische Grundlagen der gelenkten Volkswirtschaft', Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 157, Jena 1943; Strukturlehre des Wirtschaftskreislaufs, Berlin 1943 473 K. Müller, Die bürgerliche Kreislauftheorie, Berlin 1968, S. 117 474 Ebenda, S. 120 475 K. MUller, Heinrich von Stackelberg - ein moderner bürgerlicher Ökonom, Berlin 1965, S. 64 f. 476 J . M . Keynes, The General Theory of Employment, Interest and Money, London 1936, Deutsche Übersetzung von F. Waeger u.d.T. Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, München und Leipzig 1936 477 Nach der deutschen Ausgabe, S. v m f. 478 J . M. Keynes, Vom Gelde, München und Leipzig 1932 231
479 So z. B. die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages, München und Leipzig 1920; Ein Traktat über Währungsreform, München und Leipzig 1932 480 K. H. Schwank, Lord Heynes Theorie - weder revolutionär noch wissenschaftlich, Berlin 1961, S. 55 f. 481 H. Erbe, Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik 1933 bis 1939 im Lichte der modernen Theorie, Zürich 1958, S. 172 482 Ebenda, S. 165 483 Ebenda, S. 167 484 R. Andexel, Zu den Methoden der RUstungs- und Kriegsfinanzierung in Deutschland bzw. Westdeutschland seit dem ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart, Wirtschaftswissenschaftliche Dissertation Berlin 1964, vgl. besonders S. 64 ff. Inzwischen ist die Schrift in Berlin auch als Buch erschienen. 485 Als die eigentlichen Wortführer galten in der hier behandelten ersten Etappe der Auseinandersetzung G. Haberler, R. F. Harrod, I.R. Hlcks, A.P. Lerner, D.H. Robertson und J. Robinson. 486 Vgl. C. Föhl, Geldschöpfung und Wirtschaftskreislauf, München und Leipzig 1937, besonders das Vorwort und die Fußnoten 487 H. Richter-AltschMffer, Volkswirtschaftliche Theorie der öffentlichen Investitionen, München und Leipzig 1936, S. 145 ff. 488 Schmollers Jahrbuch, 61. Jg., Leipzig 1937, S. 222 f. 489 W. Lautenbach, Zur Zinstheorie von John •Maynard Heynes. Weltwirtschaftliches Archiv, 45. Bd., Jena 1937, S. 496 490 Vgl. W. Lautenbach, Über Kredit und Produktion, Frankfurt a. M. 1937 491 Vgl. H. Peter, Heynes neue Allgemeine Theorie, Finanzarchiv, Bd. 5, Tübingen 1937 492 Vgl. ebenda, S. 56 493 Ebenda, S. 57 f. 494 Vgl. H. Drahota, Sparen, Horten und Zins in der modernen Geldtheorie insbesondere bei John Maynard Heynes, Jena 1941, S. 172 495 Vgl. C. Krämer, J.M. Heynes Uber Kapitalersparung und -anlegung, Schmollers Jahrbuch, 61. Jg., Leipzig 1937, S. 315 ff. 496 A.a.O., S. 325 497 Ebenda, S. 327 498 A. Kruse, Theorie der Beschäftigung, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 146, Jena 1937, S. 83 232
499 W. A. Jöfar, " Verbranchsne*gung" und "Liquiditätsvorliebe", Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 146, Jena 1937, S. 662 500 Vgl. ebenda, S. 651 501 A. Amonn, Heynes "Allgemeine Theorie der Beschäftigung", Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 147, Jena 1938, S. 1 ff. und 129 ff. 502 Ebenda, S. 4 503 Ebenda, S. 150 f. 504 Ebenda, S. 157 505 A. Forstmann, Über den Unterschied der Aufgaben und Ziele von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Finanzarchiv, Bd. 5, Tübingen 1937, S. 239 f. 506 A. Forstmann, Arbelt oder Beschäftigung? Finanzarchiv, Bd. 5, Tübingen 1937 507 Ebenda, S. 375 f. 508 Ebenda, S. 376 509 Vgl. ebenda, S. 378 510 Ebenda, S. 484 511 Vgl. ebenda, S. 488 512 Vgl. A. Weber, Der neue Heynes, Bank-Archiv, 36. Jg., Berlin 1937, S. 286 513 Ebenda, S. 281 514 Ebenda, S. 283 515 Vgl. A. v. MUhlenfels, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, Schmollers Jahrbuch, 62. Jg., Leipzig 1938, S. 229 516 Vgl. K. Braunreuther, Studie zur Geschichte der bürgerlichen konjunkturpolitischen Theorien, Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Ges. u. sprachw. Reihe, Jg. VI (1956/57), Nr. 3, S. 221 ff. 517 Vgl. K. Muhs, Der Parallelismus von Preis- und Produktionsbewegung, Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 143, Jena 1936, S. 665 ff. 518 Vgl. dazu: G. Colm, Die Krisensituation der kapitalistischen Wirtschaft, Archiv für Sozialwiss., 69. Bd., Tübingen 1933, S. 385 ff. 519 Krohn, Der dritte Abschnitt des Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit, in: Die Arbeitslosenhilfe,, 1. Jg. 1934, S. 5 520 H. Eichner, Versuch einer marktwirtschaftlichen Krisentheorie, Nürnberg 1934 521 Vgl. Der Stand und die nächste Zukunft der Konjunkturforschung, Festschrift für Arthur Spiethoff, München 1933 522 G. Kühnemann, Kritische Untersuchungen zur Konjunkturtheorie, Berlin 1941, S.123 f. 523 O. Donner, Geld und Konjunktur, Beiträge zur gegenwärtigen Wirtschaftspolitik, Berlin 1934
233
524 H. Bente, Die Voraussetzungen und Grenzen des wirtschaftlichen Aufschwungs, Zeitschrift ftlr die gesamte Staatswissenschaft, 96. Bd., Tübingen 1936 525 Vgl. zum folgenden, K.O.W. Müller, Heinrich von Stackelberg - ein moderner bürgerlicher Ökonom, Berlin 1965 526 Zeitschrift ftir die handelswissenschaftliche Forschung, Leipzig 1935, S. 557 f . , zitiert bei MUller, S. 21 527 Vgl. ebenda, S. 89 528 R. Noll von der Nahmer, Der volkswirtschaftliche Kreditfonds, Versuch einer Lösung des Kredit problems, Berlin 1934 529 H. Jecht, Konjunkturschwankungen und Weltwirtschaftskrise, Leipzig 1934 530 G. Schmölders, Die Konjunkturpolitik der Vereinigten Staaten, Erfahrungen und Lehren der amerikanischen Kredit- und Währungspolitik im Kampf gegen Krise und Konjunktur, Leipzig 1934, S. V 531 K. Föhl, Geldschöpfung und Wirtschaftskreislauf, München und Leipzig 1937 532 H. Richter-Altschäffer, Volkswirtschaftliche Theorie der öffentlichen Investitionen, München und Leipzig 1936, S. 129 ff. 533 Vgl. G. Kühnemann, a.a.O., S. 125 534 W. Weisgerber, Theorie der fortschreitenden Wirtschaft und der Konjunkturbewegung, Berlin 1941 535 A. Lösch, Bevölkerungswellen und Wechsellagen, Jena 1936 536 Vgl. P. Binder, Die Schalthebel der Konjunktur, München und Berlin 1939; K. Burkheiser, Grenzen des Staatskredits, Berlin 1937; H. Gestrich, Neue Kreditpolitik, Stuttgart und Berlin 1936; W. Grotkopp, Frei vom Golde, Berlin 1938; J. Jessen, Deutsche Finanzwirtschaft, Hamburg 1938; W. Lautenbach, Über Kredit und Produktion, Frankfurt/M. 1937; E. Lukas, Währungsfreiheit des deutschen Volkes, Berlin 1940; A. Pöschl, Produktive Geldschöpfimg, Berlin 1938; W. Prion, Das deutsche Finanzwunder, Berlin 1938 537 K. Hesse, Der kriegswirtschaftliche Gedanke, Schriften zur kriegswirtschaftlichen Forschung und Schulung, Hamburg 1935 538 G. Albrecht, Deutschlands soziale Kriegsvorbereitung vor dem Weltkrieg, Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, Band 143, Jena 1936, S. 484 ff. 539 Vgl. G. Albrecht, Soziale Probleme und Sozialpolitik in Deutschland während des Weltkrieges, Bd. 144, Jena 1936, S. 96 ff. Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik 540 Pfennig, a.a.O., S. 277 234
541 Obwohl In jenen Jahren viel von der "Großranmwirtschaft" die Rede ist, ein Ausfluß der Expansionsbestrebungen des deutschen Imperialismus, so hat sich eine abgerundete Lehrauffassung darüber in der historischen Kürze des Hitlerschen Kriegsabenteuers nicht recht formieren können. Vgl. hierzu vor allem: Europäische Großraumwirtschaft, Vorträge, herausgegeben vom Verein Deutscher Wirtschaftswissenschaftler, 1942. Mehr die juristischen Aspekte berührt die ab 1941 herausgegebene Zeitschrift "Reich, Volksordnimg, Lebensraum", Darmstadt. 542 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die aufschlußreiche Analyse der Kolonialideologie in: H. Kühne, Faschistische Kolonialideologie und zweiter Weltkrieg, Berlin 1962. Ferner: L N. Semjonow, Die faschistische Geopolitik im Dienste des amerikanischen Imperialismus, Berlin 1955, besonders den Abschnitt: Die faschistische deutsche Geopolitik im Dienste der Hitleraggression, S. 114 ff. 543 H. Rittershausen, Die Zukunft der öffentlichen Schuld, JahrbUcher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 158, Jena 1943, S. 22 ff. 544 Vgl. hier vor allem: O. Donner, Die Grenzen der Staatsverschuldung, Weltwirtschaftliches Archiv, Jena 1942. Nöll von der Nahmer, Abschreibungen im Kriege - eine volkswirtschaftliche Unmöglichkeit, Deutsche Volkswirtschaft, 1941; H. Rittershausen, Die Preispolitik einer kommenden Nachkriegszeit, Schmollers Jahrbuch, Bd. 64, Berlin 1940, Sammelwerk "Der Wettbewerb" der Akademie für Deutsches Recht, 1943. H. Moeller, Aktuelle Grenzprobleme kreditärer Mittelaufbringung in der Staatswirtschaft, Finanzarchiv, Bd. 9, 1941/42. G. Schmölders, Steuerumbau - eine Aufgabe von heute, Finanzarchiv, Bd. 9, 1941. F. Terhelle, Steuerumbau - eine Aufgabe von morgen, Finanzarchiv, ebenda 545 H. Gestrich, Liberalismus als Wirtschaftsmethode, Berlin 1930, S. 4: "Man wird aber immerhin den eigentlichen Liberalismus schari abgrenzen müssen gegen Empfindungen und Anschauungen, die man gewohnheitsmäßig auch noch als liberal bezeichnet, wobei man aber einfach großzügig, freimütig, unbelastet durch Tradition, vorurteilsfrei meint." 546 H. Honegger, Volkswirtschaftliche Gedankenströmungen, Systeme und Theorien der Gegenwart, besonders in Deutschland, Karlsruhe 1925, S. 12 ff. 547 Ebenda, S. 13 548 H. Nussbaum, Bürgerliche Monopolgegnerschaft, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1962, Teil m, Berlin 1962 549 Vgl. ebenda, S. 77 f. 550 Vgl. ebenda, S. 109 f. 235
551 Ebenda, S. I I I 552 Vgl. ebenda, S. 112 553 Ebenda, S. 113 554 Vgl. ebenda, S. 115 555 Vgl. Imperialismus heute, Der staatsmonopolistische Kapitalismus in Westdeutschland, Berlin 1965, S. 7 ff. 556 H. Turley, Neoliberale Monopoltheorie und "Antimonopolismus", Berlin 1961 557 Vgl. H. Gestrich, Liberalismus als Wirtschaftsmethode, Berlin 1930, S. 7 558 Ebenda, S. 9, vgl. auch S. 30 559 Vgl. ebenda, S. 22 f. 560 Vgl. ebenda, S. 25 f. 561 Vgl. G. Strube, Die Staatsauffassung des Neoliberalismus, dargestellt am Staatsdenken, W. Eucken, W. Röpke und A. Riistow, Diss. Tübingen 1945 562 Vgl. W. Cordes, Das Ordnungsbild der Gesellschaft und seine Bedeutung flir die Wirtschaftsverfassung in der Lehre des Kreises um das Ordo-Jahrbuch in der heutigen katholischen Soziallehre, Diss. München 1954 563 Turley, a.a.O., S. 16 564 Vgl. Bljumin, a.a.O., S. 400 ff. 565 L. v. Mises, Kritik des Interventionismus, Untersuchungen zur Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsideologie der Gegenwart, Jena 1928, S. 5 566 Ebenda, S. 6 567 H. Kretschmar, Ökonomische Theorie, Nationalwirtschaft und "Interventionismus", Weltwirtschaftliches Archiv, 38. Bd., Heft 2, Jena 1933, S. 334 f. 568 Ebenda, S. 355 569 Autorenkollektiv, Imperialismus heute, Berlin 1965, S. 57 f. Vgl. auch W. Grotkopp, Die große Krise, Düsseldorf 1954; G. Kroll, Von der Weltwirtschaftskrise zur Staatskonjunktur, Berlin 1958 570 Vgl. Schriften des Vereins für Sozialpolitik, 187. Bd., München und Leipzig 1932, S. 64 f. 571 Vgl. W. Röpke, Weltwirtschaft, eine Notwendigkeit der deutschen Wirtschaft, Tübingen 1932, S. 6 f. 572 Ebenda, S. 8 573 Ebenda, S. 25 f. 574 W. Eucken, Staatliche Strukturwandlungen und die Krisis des Kapitalismus, Weltwirtschaftliches Archiv, 36. Bd., Jena 1932, S. 298 236
575 Vgl. ebenda, S. 300 f. 576 Ebenda, S. 301 577 Ebenda, S. 307 578 Ebenda, S. 308 579 Ebenda, S. 308 f. 580 F. Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, Berlin 1933 581 Schmollers Jahrbuch, 58. Jg., Leipzig 1934, S. 345 582 D. Mühle, Ludwig Erhard - Eine Biographie, Berlin 1965. Vgl. auch die im Juni 1967 von D. Mühle in Berlin verteidigte Dissertationsschrift mit dem Titel: Ludwig Erhard - Werdegang und Wirken eines fuhrenden Exponenten der deutschen Monopolbourgeoisie (bis zur Wahl zum Bundeskanzler im Jahre 1963). Diese Schrift, die hier leider nicht mehr berücksichtigt werden konnte, enthält noch weiteres, sehr aufschlußreiches Material. 583 Ebenda, S. 34 584 O. Rühle, Zur Theorie der "Wettbewerbsordnung" von W. Eucken, Wirtschaftswissenschaft 5/1954, S. 539 585 O. Christians, Die "Ordo-Lehre" Walter Euckens - ein Mittel zur Verteidigung des staatsmonopolistischen Kapitalismus, Wirtschaftswissenschaft 6/1957, S. 878 586 R. Naumann, Theorie und Praxis des Neoliberalismus, Berlin 1957, S. 71 ff. 587 Naumann, a.a.O., S. 71 588 Gerade in jüngster Zeit sind in unserer Republik marxistische Werke erschienen, in denen darauf hingewiesen wird, wie das staatsmonopolistische System während des Faschismus mit brutaler Gewalt durchgesetzt wurde, um alle Ressourcen den verbrecherischen Revanche zielen des deutschen Imperialismus unterzuordnen. Vgl. Imperialismus heute, Berlin 1965, S. 60 ff. 589 Vgl. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 5, Berlin 1966, S. 196 f. 590 Darauf weist auch der sowjetische Historiker Melnikow hin. Vgl. D. Melnikow, 20. Juli 1944 - Legende und Wirklichkeit, Berlin 1966, S. 148 591 Vgl. ebenda, S. 342 592 Vgl. das von F. Böhm, W. Eucken und H. Großmann-Doerth verfaßte Geleitwort zur Schriftenreihe "Ordnung der Wirtschaft", ins Franz Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche und rechtsschöpferische Leistung, Stuttgart und Berlin 1937, S. XX und XV 593 Naumann, a.a.O., S. 67 594 Vgl. Imperialismus heute, a. a. O., S. 60 ff. 237
595 Vgl. zum folgenden: Naumann, a.a.O., S. 76 ff. 596 Vgl. Naumann, a.a.O., S. 77 597 In der Nachkriegszeit wurde vor allem W. Eucken als Antifaschist gefeiert. In seinem Nachruf auf W. Kucken, der im März 1950 starb, schreibt E. Salin: "Es mutet fast wie ein Wunder an, daß es diesem Mann gelungen ist, nicht nur die Nazi-Zeit zu überstehen, nicht nur seine wissenschaftlichen Studien persönlich fortzusetzen, sondern obwohl von Anfang an beargwöhnt und bespitzelt - einen Kreis gleichgerichteter Forscher um sich zu sammeln, aus Freunden und Schillern die Freiburger Schule
zu
bilden. Im Jahre 1933 oder 1934 erzählte er einmal, daß man ihm von selten des Ministeriums Vorhaltungen gemacht habe, weil er die Robinson-Theorie vortrage! Wenige Jahre später hatte er sich schon so durchgesetzt, daß er in den Schriften der Deutschen Akademie von der Bedeutung des Leistungswettbewerbs schreiben konnte, ohne daß diese indirekte, vernichtende Kritik des nationalsozialistischen Preissystems der Zensur zum Opfer fiel. Und als er 1940 sein Buch Uber 'Die Grundlagen der Nationalökonomie ' veröffentlichte, war seine Stellung bereits so gefestigt, daB nicht die ungewöhnliche Breitenwirkung des Buches (bis heute 5 Auflagen!), ja nicht einmal die Beachtung und Anerkennung im neutralen Ausland Ihn gefährdete. Dabei war seine Lehre .von den wirtschaftlichen Ordnungen - unabhängig davon, ob man sie als wissenschaftlichen Fortschritt gegenüber der früheren Lehre von den Wirtschaftssystemen und -Stilen ansieht - jedenfalls in ihrem politischen Gehalt das Werkzeug, mit dem sich die ganze Wirtschaftspolitik des Regimes und selbst eine staatliche Ordnung aus den Angeln heben ließ." (E. Salin, Walter Eucken, In memoriam, Kyklos, Bern 1950 S. 3) 598 Vgl. F. Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung, Heft 1 der Schriftenreihe "Ordnung der Wirtschaft", Stuttgart und Berlin 1937 599 L. Miksch, Wettbewerb als Aufgabe, Die Grundsätze einer Wettbewerbsordnung, Heft 4 der Schriftenreihe "Ordnung der Wirtschaft", Stuttgart und Berlin 1937, S. 11 600 H. Gestrich, Neue Kreditpolitik, Heft 3 der Schriftenreihe "Ordnung der Wirtschaft", Stuttgart und Berlin 1936, S. 98 601 Ebenda, S. 94 602 Ebenda, S. 94 f. 603 Vgl. F. Lutz, Das Grundproblem der Geldverfassung, Heft 2 der Schriftenreihe "Ordnung der Wirtschaft", Stuttgart und Berlin 1936, S. 95 604 W. Eucken, Der Wettbewerb als Grundprinzip der Wirtschaftsverfassung, in: Der 238
Wettbewerb als Mittel volkswirtschaftlicher Leistungssteigerung und Leistungsauslese, Berlin 1942 605 F. Böhm, Der Wettbewerb als Instrument staatlicher Wirtschaftslenkung, in: Der Wettbewerb als Mittel volkswirtschaftlicher Leistungssteigerung und Leistungsauslese, Berlin 1942 606 Vgl. K.O.W. Müller, Heinrich von Stackelberg - ein moderner bürgerlicher Ökonom, Berlin 1965, S. 42 ff. 607 M. Weber, Soziologie, Weltgeschichtliche Analysen, 2. Aufl., Stuttgart 1958 S. 234 608 Ebenda, S. 235 609 Ebenda, S. 238 f. 610 LS. Kon, Die Geachichtephilosophie des 20. Jahrhunderts, Bd. 1, Berlin 1964, S. 149 611 W. Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 5. Aufl., Godesberg 1947, S. Xm -
xvn 612 Ebenda, S. 43 f. 613 Ebenda, S. 50 614 Vgl. ebenda, S. 284 615 Vgl. ebenda, S. 193 f. 616 A. Amonn, Nationalökonomie und wirtschaftliche Wirklichkeit, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 153, Jena 1941, S. 1 ff. und 129 ff. 617 Vgl. G. Weippert, Walter Euckens Grundlagen der Nationalökonomie, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 102. Bd., Tübingen 1941, S. 1 ff. und 271 ff. 618 Vgl. ebenda, S. 15 f. 619 Ebenda, S. 49 620 Vgl. ebenda, S. 49 f. 621 J. Jessen, in: Schmollers Jahrbuch, 64. Jg., Berlin 1940, S. 359 ff. 622 H. v. Stackelberg, Die Grundlagen der Nationalökonomie, Bemerkungen zu dem gleichnamigen Buch von W. Eucken, Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 51, Jena 1940, S. 245 ff. Vgl. dazu auch K.O.W. Müller, a.a.O., S. 49 ff. 623 W. Vleugels, Volkswirtschaftslehre als Lehre von der geschichtlichen Wirklichkeit der Wirtschaft, in W. Euckens neuem Werk "Die Grundlagen der Nationalökonomie", Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 152, Jena 1940, S. 503 624 H. roter, Die neue Methodologie Walter Euckens, Bemerkungen zu dem Buch "Die Grundlagen der Nationalökonomie", Finanzarchiv NF, Bd. 8, Tübingen 1941, S. 158 ff. Vgl. auch Rezension in "Archiv für mathematische Wirtschafts- und Sozialforschung", Bd. 6, Leipzig 1940, S. 141 f. 239
625 Vgl. ebenda, S. 171 626 W. Eucken, Kapitaltheoretieche Untersuchungen, Jena 1934, S. 91 627 Über die Rolle des westdeutschen Neoliberalismus in der Nachkriegsperiode hat der Autor an anderer Stelle Ausführungen gemacht. Vgl. Bürgerliche Ökonomie im modernen Kapitalismus. Herausg. von H. Meißner, Berlin 1964, S. 48 ff. 628 Übrig blieb nur sein Direktor auf Lebenszeit, der bejahrte Gottl-Ottlilienfeld, der in der Einsamkeit von Mariatrost sein bereits zwanzig Jahre zuvor angekündigtes Buch über die "Lehre von der ewigen Wirtschaft" niederschrieb. 629 H. Peter, über exakte Forschungsmethoden in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Finanzarchiv N. F., Bd. 10, Tübingen 1944, S. 288
240
Personenregister Albrecht, Gerhard 67-68, 101, 175-176, 216, 221, 224, 234
Bouffier, Willy 66 Brande, Otto 224
Amonn, Alfred 166, 196-197 , 233, 239
Bräuer, Karl 65, 217
Andexel, Ruth 161, 232
Braunreuther, Kurt 12, 207, 208-209, 220,
Andreae, Wilhelm 66, 224
233
Baade, Fritz 66
Brentano, Lujo 15, 209
Back, Josef 116
Briefs, Götz 70, 216
Bausinger, Hermann 218
Brinkmann, Carl 70, 171, 217
Beckerath, Erwin von 171, 186
BUcher, Karl 109, 111, 222
Behrens, Friedrich 89, 220
Buchner, Hans 27-30, 38 , 76 , 81, 210-211
Bente, Hermann 68, 172, 234
Budge, Siegfried 178
Berkenkopf, Paul 72, 126, 163, 225
BUhler, Theodor 100
Bernstein, Eduard 16
Buhr, Manfred* 220
Berthold, Lothar 216
Bullock, Alan 18, 209, 213, 215
Bethke, Reinhold 70
BUlow, Friedrich 72, 99, 216, 221, 224
Bettelheim, Charles 228
Burkhardt, Felix 146
Beyer, Justus 124, 224
Burkheiser, Karl 234
Binder, Paul 234
Carell, Erich 171
Bismarck, Otto von 15, 16
Carlsen, Ruth 207
Bljumin, Izrail G. 139, 181, 217 , 227,
Cassel, Gustav 128, 159, 178
230, 236
Chamberlin, Edward 151
Bode, Karl 79, 218
Christians, Oskar 187, 237
Boese, Franz 64, 70, 215
Colm, Gerhard 171, 233
Böhm, Franz 185-186, 188, 190, 192,
Conrad, Johannes 67
237, 238, 239 Böhm-Bawerk, Eugen von 122, 130, 137, 198
Conrad, Otto 129 Cordes, Werner 181, 236 Dahrendorf, Ralf 215
Bolza, Hans 148, 155, 229, 230, 231
Daitz, Werner 40, 56
Bongart, Otto 27
Damaschke, Adolf 16
Bönisch, Alfred 225
Deite, Hermann 66
Bonn, Martin Julius 62-63, 215
Diehl, Karl 120-122, 171, 224
Börger, Wilhelm 215
Dietze, Constantin von 64
Borsig 26
Dietzel, Heinrich 128 241
Dilthey, Wilhelm 193
Forstmann, Albrecht 40, 55, 166-167, 233
Dimitroff, Georgi 39, 212
Frank, Hans 68
Dobretsberger, Josef 66
Frauendorfer, Max 27, 30-33, 35-37, 76,
Donner, Otto 172, 233, 235
123, 211-212, 224
Dräger, Heinrich 27
Fried, Milton 228
Drahota, Helmut 164, 232
Friedlaender-Prechtl, Robert 213
Drexler, Anton 22
Frisch, Ragnar 195
Dtlhring, Eugen 82
Frölich, Carl Wilhelm 14, 208
Duschön, Ernst 215
Frosthoff, Ernst 213
Eckert, Christian 66
Funk, Walter 56, 57, 215
Egner, Erich 82, 93, 94-95, 116, 142, 218,
Gall, Ludwig 14, 208
220, 221, 227 Eichholtz, Dietrich 207 Eichner, Heinrich 171, 233
Gerloff, Wilhelm 66 Gestrich, Hans 180, 185, 190-191, 234, 235, 236, 238
Elster, Ludwig 67
Goebbels, Joseph 60, 88, 96, 167
Engelberg, Ernst 209
Gördeler, Carl Friedrich 57
EngelB, Friedrich 208
Göring, Hermann 34, 50, 52, 58, 59
Erbe, René 161, 214, 228, 232
Gossweiler, Kurt 207, 212, 213, 214, 227
Erhard, Ludwig 186-187, 237
Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich von 69, 72, 81,
Eucken, Walter 107-108, 111, 112-114,
92, 95, 96, 97 , 98, 100, 103, 105, 115-
122, 132, 143, 171, 179, 182, 183-185,
120, 126, 127-128, 130, 132, 133, 202,
187, 191, 192, 193-198, 203, 204, 222,
203, 204, 216, 218, 220, 221, 223, 224,
223, 236-237, 238, 239, 240
240
Eulenberg, Franz 66 Feder, Gottfried 18-29, 33-35, 38-3«,
Grassmann, Peter 47 Gross, Günther 213
43-44, 46, 54-55, 57, 76, 81, 86,
GroBmann-Doerth, Hans 191, 237
209-210, 211, 212, 213, 214
Grotkopp, Wilhelm 40, 55, 212, 215, 234,
Fichte, Johann Gottlieb 14, 208
236
Fischer, Wolfram 209, 228
GrUning, Ferdinand 154, 203, 230
Fisher, Irving 159
Haarkens 224
Flaskämper, Paul 87
Häberlein, Ludwig 141, 227
Fleiner, Fritz 67
Haberler, Gottfried 136, 232
Flick 50
Hahn, Albert 66
Föhl, Carl 154-155, 163, 174, 203, 230,
Haller, Heinz 229
231, 232, 234 242
Halm, Georg N. 228
Hamberger, Ludwig 228
Jöhr, Walter Adolf 165-166, 233
Harms, Bernhard 68, 70-72, 109, 192, 217, Jung, Rudolf 22 222
Junke 40
Harrod, Roy Forkes 232
Kammhuber, Anton 224
Heidegger, Martin 132-133
Kapp, Richard 87, 219
Heiden, Konrad 213
Karrenbrock, Paul 224
Heimann, Eduard 66
Kautsky, Karl 66
Heinrich, Walter 66, 224
Kelter, Ernst 215
Heiander, Sven 136-137, 227
Keppler 40, 56
Herfehrt, Wilhelm 36, 211
Kessler, Gerhard 66
Herrmann, Arthur R. 27, 40, 55
Keynes, John Maynard 20, 140, 148, 149,
Hermann, Rudi 209 Hermberg, Paul 66
159-169, 173, 196, 204, 210, 229, 231, 232, 233
Heß, Rudolf 55, 62
Kirdorf, Emil 41
Hesse, Albert 82, 85, 219, 224
Klagges, Dietrich 147-148, 229
Hesse, Kurt 175, 234
KlauB, Georg 220
Hicks, John R. • 232
Klein, Burton H. 228
Hildebrand, Bruno 14, 15, 67, 111
Klein, Fritz 212, 213
Hildebrandt, F . 27
KleinWächter, Friedrich 129
Hilferding, Rudolf 66
Klezl, Felix 225
Hitler, Adolf 17-18, 21-23, 30-31, 33-35,
Klug, Oskar 83, 219
39-43, 46, 48, 52, 54-57 , 61, 68, 71,
Knies, Karl 116
97, 98-99, 117, 125, 139, 148, 162,
Kniesche, Herbert 86, 219
167, 176, 186, 209, 210, 211, 213,
Koch, Waldemar 66, 221
214, 221
Koch, Woldemar 150, 229, 230
Hochstetter, Franz 27
Köhler, Bernhard 56
Honegger, Hans 178, 235
Kohlmey, Gunther 226
Huber, Ernst Rudolf 68
Kon, I.S. 194 , 239
Huber, Victor Aimé 14
König, Albert 224
Hugenberg, Alfred 34, 38, 40, 54, 55, 56
König, Erika 209
Hunke, Heinrich 55, 215
Krämer, Carl 164-165, 232
Huppert, Walter 144, 227 , 228
Kraufi 26
Jecht, Horst 72, 116, 141, 174, 227, 234
Krause, Werner 208, 217, 223, 225
Jessen, Jens 40, 66, 68, 80, 126, 192,
Kretschmar, Hans 116, 181-182, 236
197, 215, 218, 234, 239
Krohn 171, 233 243
Kroll, Gerhard 213, 228, 236
Maier, Harry 30, 35-36, 211, 221
Krupp, Alfried 25, 34, 50, 154
Mannesmann 25
Kruse, Alfred 165, 232
Marx, Karl 24, 77, 109, 118, 137, 149,
Kuezynski, Jürgen 51, 207, 209, 214
150, 156, 180, 194, 208, 210
Kühne, Horst 235
Meier, Ernst 66
Kühne, Otto 70, 135-136, 217, 227
Meinhold, Willy 145, 229
Kühnemann, Gerda 172, 174, 227 , 233,
Meißner, Herbert 8, 12, 207, 217, 218,
234
240
Kuske, Bruno 66
Mellerowicz, Konrad 72
Laum, Bernhard 80, 131, 218, 226
Melnikow, Daniii 237
Lautenbach, Wilhelm 66, 163, 164,
Menger, Carl 130-131
232, 234
Miksch, Leonhard 190, 191, 238
Lawaczek, Franz 27
Mill, John Stuart 14, 208
Lederer, Emil 64, 66, 129, 171
Mises, Ludwig von 64, 105-107, 114, 181
Lehmann, Hermann 12, 77-78, 129, 130, 218, 225, 226
222, 223, 236 Mitscherlich, Waldemar 81, 112, 218, 222
Leibbrandt, Gottlieb 225
Möller, Hans 113, 223
Leipart, Theodor 47
Möller, Hero 72, 235
Lenin, Wladimir Üjitsoh 209
Moltke, Helmuth von 175
Lenz, Friedrich 66
Mombert, Paul 66, 171
Lerner, Abba P. 232
Morgenstern, Oskar 227
Ley, Robert 213
Moser, Justus 82
Liefmann, Robert 128
Mühle, Dieter 186, 189, 237
Linnhardt, Hanns 66
MUhlenfels, Albert von 168, 233
List, Friedrich 28, 82, 109, 111, 116
Muhs, Karl 233
Lösch, August 174, 234
Müller, Adam 27-28, 82
Lötsch, Manfred 129, 225, 226
Müller, Karl Valentin 87, 219
Löwe, Adolf 66
Müller, Klaus O.W. 9, 12, 151, 152, 158,
Lüer, Carl 215
173, 192, 207 , 217 , 227 , 229, 230, 231
Lukas, Eduard 234
234, 239
Lurie, Samuel 228
Müller-Armack, Alfred 111, 222
Lütge, Friedrioh 216, 217
Mussolini, Benito 29, 30, 31
Luther, Hans 55
Napp-Zinn, Anton-Felix 66
Lutz, Friedrich 191, 239
Nathan, Otto 228
Maffei 26
Naumann, Friedrich 16, 209
244
Naumann, Robert 187, 189-190, 237 , 238
Quesnay, Francois 166
Neuling, Willy 143, 227-228
Räber, Hans 225
Neumark, Fritz 66
Radandt, Hans 207
Neurath, Otto 66
Rath, Klaus-Wilhelm 78-79, 116, 218, 229
Nöll von der Nahmer, Robert 174, 234,
Reichenau, Charlotte von 227
235
Reinhardt, Fritz 56, 66
Nonnenbruch, Fritz 99-100, 101, 202, 221
Rentelen, von 55
Norden, Albert 214
Reventlow, Graf Ernst zu 22
Nußbaum, Helga 179-180, 235
Ricardo, David 117, 150
Oberländer, Theodor 215
Riohter-Altschäffer, Hans 163, 174, 232,
Oelßner, Fred 9
234
Oppenheimer, Franz 66, 129, 150
Riokert, Heinrioh 193
Oswalt, Hans 178
Riesebell, Paul 72, 146, 148, 229
Ottel, Fritz 126, 225
Riehl, Hans 225
Papen, Franz von 182
Rittershausen, Heinrich 176, 235
Pareto, Vüfredo 135, 148
Rittig, Gisbert 116, 227
Paulus, Günter 212
Robertson, Dennis, H. 232
Peter, Hans 79, 91, 127, 141, 146, 149-
Robinson, Joan 151, 232
151, 155-158, 164, 198, 203, 204, 218,
Rodbertus(-Jagetzow), Karl 82
220, 225, 227 , 229, 230, 231, 232,
Rphm, Ernst 43, 212
239, 240
Roloff, Ilse 225
Pfennig, Andreas 88, 176, 219, 234
Röpke, Wilhelm 171, 183, 236
Pfister, Bernhard 72
Roscher, Wilhelm 14, 208
Poesohl, A. 116
Rosenberg, Alfred 65, 99, 124, 221, 224
Pintschovius, Karl 110, 222
Rößle, Wilhelm 224
Poock, Karl 225
Rubbert, Hans-Heinrich 209
Popitz, Johannes 57, 66
Rühle, Otto 187, 237
Pöschl, Arnold 234
Rttstow, Alexander 66, 182-183, 185, 236
Posse, Hans 57
Saenger 64
Predöhl, Andreas 68, 107 , 222
Salin, Edgar 238
Preiser, Erich 72, 85, 142, 144, 216,
Sauermann, H. 116
219, 227 , 228
Say, Jean Baptiste 170
Pribram, Karl 66
Schach, E . 27
Prion, Willi 234
Schacht, Hjalmar 34, 41, 55, 56, 58, 66,
Ptttz, Theodor 70, 115, 116, 131, 217, 223, 226
100, 139, 160, 167, 215, 221 Schack, Herbert 114, 223
245
Schäffle, Albert 15
Sombart, Werner 64, 70, 88, 9 5 , 1 0 5 , 109-112
Scheler, Max 95
113, 114, 115, 125, 150, 171, 195, 217,
Schleicher, Kurt von 182
222, 223, 225
Schlieffen, Alfred Graf von 175
Sommer, Artur
Schmitt, Kurt 34, 54, 55, 56, 139
Sommerfeld, Erich 12
Schmölders, Günter 62, 72, 143, 174, 192,
Spann, Othmar 29, 33-35, 67 , 97, 122-127,
215, 228, 234, 235 Schmoller,
Gustav von 15, 79, 105, 109,
218, 222
67
204, 224, 225 Spiethoff, Arthur 68, 88, 111-112, 113, 114, 169, 170, 171, 222, 223, 233
Schneider, E r i c h 83, 146, 155, 227
Sraffa, Piero 151, 152
Schneider, Franz Faul 66
Stackelberg, Heinrich von 72, 113, 120, 132,
Schneider, Oswald 66
137, 146, 149-152, 158-159, 172-174,
Schönbach, Achim 12
192, 198, 203 , 204 , 207 , 215, 217 , 223,
Schönberg, Gustav 15
227, 229, 230, 234, 239
Schroeder, P. 116
Stammler, Rudolf 121
Schulze, Delitzsch, Franz Hermann 14
Stampfer, Friedrich 212
Schumacher, Hermann 143-144, 228
Staufenberg, Claus Schenk Graf von 188, 192
Schumpeter, Joseph Alois 66, 129, 153,
Stavenhagen, Gerhard 130, 132, 225, 226
216, 218 Schwank, Karl-Heinz 47, 50, 160-161, 180, 232
Stein, Otto 116, 132, 226 Steiner, Gerhard 208 Steiner, Helmut 207
Schweitzer, Arthur 56, 215, 228
Stieda, Wilhelm 70, 217
Schwerin v. Krosigk, Graf Lutz 56
Stollberg, Rudhard 225-226
Semjonow, I. N. 235
Stolzmann, Rudolf 120-121
Seraphim, Hans-Jürgen 86, 219
S t r a s s e r , Gregor 27 ,
Sering, Marx 64, 67
39-40, 4 2 - 4 6 , 55,
76, 212, 213
Sesemann, Kurt 126, 225
S t r a s s e r , Otto 40, 45, 76, 213
Siebeck 67
S t r e l l e r , Rudolf 102, 222
Siemens, Werner 25
Strube, Gerhard 181, 236
Sieveking, Heinrich 129
Stucken, Rudolf 72, 171
Silesius, Volkmar 27
Terhelle, F r i t z 2?5
Slobodskoj, S . M . 211
Teschemacher, Hans 78
Smit, Marija Natanovna 17, 207 , 209
Thalheim, Karl 72
Smith, Adam 117, 121, 166
Theodor, Gertrud 209
Somary, Felix 67, 102, 216, 222
Thoms 40
246
ThUnen, Johann Heinrich von 28, 82
Weber, Alfred 67
Thyssen, Fritz 25, 26, 41, 50
Weber, Erich 125, 225
Timm, Herbert 143, 228
Weber, Max 88, 90-97, 110, 111, 113,
Timpe, Aloys 146 Tinbergen, Jan 155 Tobien, Ann! 12
114, 193-196, 198, 200, 220 Weddigen, Walter 72, 91-92, 93-94, 145, 217, 220, 229
Toennies, Ferdinand 220
Wegener, Fritz 118-119, 223
Töpel, Achim 225
Weigmann, Hans 116, 144-145, 228
Trautmann, Walter 55
Weippert, Georg 70, 94, 95-96, 116, 197,
Treitschke, Heinrich von 16
216, 220, 221, 239
Trendelenburg, Ernst 57
Weisgerber, Wilhelm 174, 234
Tschlerschky 191
Weisser, Gerhard 79-80, 83, 88 , 96-97,
Turley, Hermann 180, 181, 236
102, 218, 219, 220, 221, 222
Ulbricht, Walter 212
Welter, Erich 228
Vleugels, Wilhelm 70 , 83, 95, 97,
Wendt, Siegfried 116
133-135, 171, 198, 217, 219,
Wessels, Theodor 82
221, 226, 227, 239
Wicksell, Knut 128, 132, 163, 225
Vogel, Emanuel Hugo 89, 220 Voegler, Albert 41, 50
Wiese, Leopold von 84 , 89, 207-208, 219, 220
Völkerling, Fritz 209
Wieser, Friedrich von 130-131, 134, 225
Völtzer, Friedrich 37-38, 99, 212,
Wilhelm I. 16
214, 221, 225
Wilhelm Et. 15
Waeger, Fritz 231
Wilken, Falkert 67
Wagemann, Ernst 153-154, 169, 171
Windelband, Wilhelm 193
Wagenfuhr, Horst 72
Winkler, Arnold 67
Wagner, Adolph 15
Winter, Arno 116, 119, 224, 226
Wagner, Otto 60
Wiskemann, Erwin 60, 61, 65, 68, 84, 92,
Weber, Adolf 37-38, 43, 56, 72, 86,
95, 116, 126, 215, 216, 220, 225
128, 163, 168, 212, 213, 215, 217,
Ziegenhagen, Franz Heinrich 14, 208
219, 233
Zwiedineck, -Südenhorst, Otto von 46, 55, 64, 67, 69, 171, 213, 216
247