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German Pages 350 [367] Year 1960
George N. Halm, Wirtschaftssysteme
Wirtschaftssysteme Eine vergleichende Darstellung
Von
George N. Halm
DUNCKER & HUM.BLOT
I
BERLIN
Alle Rechte vorbehalten 1960 Duncker & Humblot, Berlin Gedruckt 1960 bei Richard Schröter, Berlin SW 61 Printed in Germany
©
ADOLF WEBER
dem väterlichen Freund in Liebe und Verehrung
Vor allem aber ist der Individualismus, wenn er von seinen Mängeln und Mißbräuchen gereini.gt werden kann, .die beste Gewähr der persönlichen Freiheit, in dem Sinne, daß er im Vergleich zu anderen Systemen das Feld ,für die Ausübung der persönlichen Auswahl stark erweitert. Er .ist auch .die beste Gewähr für die Vielseitigkeit des Lebens, ·die gerade aus diesem weiten Feld der pel'lSönliroen Auswahl .hervorgeht, und deren Verlust der größte aller Verluste des gleichg·earteten oder totalen Staates ist. Denn diese Vielseitigkeit bewahrt die überlieferungen, welche die sichersten und erfolgreichsten Entscheidungen der früheren Generationen einschließen; sie färbt die Geg.enwart mit der Abwechslung ihrer Phantasie; und da sie sowohl die Magd der Erfahrung als auch der überlieferung und der Phanta·sie ist, ist sie das mächtigste Mittel, um die Zukunft zu bessern.
lohn Maynard Keynes
Vorwort Das vorliegende Bum ist das Produkt einer Beschäftigung mit Fragen der Wirtschaftsordnung, die bis zu mei.nen frühesten Veröffentlimungen im Jahre 1929 zurütkreicht. Sowohl in meinem Bum Die Konkurrenz wie aum in meinem Essay Ist der Sozialismus roirtsmaftlim möglim? sumte ich namzuweisen. daß die Fragen der sozialistismen Wirtschaftsremnung nom durmaus ungelöst waren. Viel hat sim seitdem ,geändert. Rußlands PlanwirtsclJ.aft, Hitlers autoritärer Kapitalismus, die Keynessme "Revolution", die Aufstellung von Plänen für eine liooral-sozialistisme Wirtsmaft, die Abwendung von der Vollsozialisierung in den entwitkelten Ländern des Westens, die Soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik, die Bemühungen um smnelles Wamstum in den unterentwickelten Ländern - alle diese Entwiddungen haben unsere Einsimt in die Fragen der Wirtschaftsordnung wesentLim erhöht. Es handelt sich jetzt nimt mehr um die Kontroverse Sozialismus versus Kapitalismus, sondern um den großen Gegensatz Planwirtsmaft und Marktwirtsmaft. Es ist die Absimt des vorliegenden Bumes, einen überblick über diese Probleme zu geben. Denn im glaube, daß nur der, der die alternativen Wirtsmaftssysteme überblicken kann, jene Kenntnis seiner eigenen Wirtsmaftsordnung ,gewinnt, die zur Wahl einer systemgeremten Wirtschaftspolitik in demokr,atischen Ländern unerläßlim ist. Die deutsche Ausgabe ist eine von mir selbst besol'gte übertragung der zweiten Auflage meines Buches Economic Systems. Für seine Bemühungen um stilistische Verbesserungen bin im Herrn Dr. Hans H. Ledmer zu Dank verpflimtet. Winmester, Mass.
George N. Halm
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil Die gesellschaftliche Wirtsehaft 1. Kap i tel: Vergleimende Wirtsmaftsanalyse ....................
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Einleitung S. 1 - Vergleimsmethoden S. 3 - Werturteile S. 5 Bedeutung und Zwedr der vergleimenden Wirtsmaftsanalyse S.8.
2. Kap i tel: Die Soziolökonomie .................................. 11 RobinsonCrusoe S. 11 -Die Sozialwirtsmaft S. 12 - Freiheit und Planung S. 15 - Die Marktwirtschaft S. 18 - Die zentrale Planwirtschaft S. 20 - Die Mischsysteme S. 23. 3. Kap i tel: Die freie Marktwirtsmaft .......................... 24 Ein Modell des Kapitalismus S. 24 - Familien und Firmen S. 25 - Sparen und Investieren S. 28 - Gewinnstreben und Konkurrenz S. 30 - Die Tendenz zum Gleichgewicht S. 30 - Mängel der freien Marktwirtschaft S. 33.
Zweiter Teil Kapitalismus 4. Kap i tel: Die kapitalistisme Marktwirtsmaft .................. 35 Einleitung S.35 - Das Fehlen der zentralen Lenkung S. 36 Die Herrschaft des Konsumenten S. 3? - Die freie Arbeitswahl S.39 - Die Privatunternehmung S.41 - Die Freiheit zu sparen und zu investieren S. 43 - Konkurrenz und Monopol S. 44 Kapitalismus und Produktivität S.45 - Der öffentliche Sektor der kapitalistischen Wirtschaft S.4i - Vier Angriffe auf den Kapitalismus S. 50.
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InhaltsverzeidlDis
5. Kap i tel: Kapitalismus und Einkommensverteilung ............ 52 Funktionelle und persönlime Verteilung S. 52 - Die Kritik der Ungleimheit S. 55 - Einkommensverteilung und Sparen S. 58 Steuern. Regierungsausgaben und Einkommensverteilung S. 60. 6. Kap i tel: Kapitalismus und Produktivität ...................... 62 Einleitung S.62 - Nachfragemangel S. 62 - Temnokratische Utopie S.64 - Produktivität und Rentabilität S.66 . 7. Kap i tel: Kapitalismus und Monopol .......................... 73 Das Monopolproblem S.73 - Die Kritik des Monopols S.74 Die Verteidigung des Monopols S. 76 - Die Beschränkung des Monopols S.83 - Sind Gewerksmaften Monopole? S.85. 8. Kap i tel: Kapitalismus. und Arbeitslosigkeit .................. 90 Reibungs- und temnologisme Arbeitslosigkeit S.90 - Die Konjunkturschwankungen S. 91 - Keynes' allgemeine Gleichgewimtstheorie S.96 - Arbeitslosigkeit und Planwirtsmaft S.99. 9. Kap i tel: Kapitalismus, Vollbesmäftigung und Innation ........ 101 Einleitung S. 101 - Das Vollbesmäftigungsbudget S. 102 - Deficit spending S. 106 - Permanentes deficit spending und Kapitalismus S. 111 - Das Inflationsproblem S. 112 - Die öffentlime Smuld S.116.
Dritter Teil Marxismus 10. Kap i tel: Die Marxsme Wirtsmaftslehre: Ein überbli kann hier nicht auf die verschiooentlichen Änderungen der Stabilisierungsmaßnahmen eingegangen werden. Ihr Umfang und ihre 7 Die Proklamation des Führers, DNB-Sonderausgabe vom 9. September 1936, Nr.6.
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Starrheit wuchs, als mit Vollheschäftigung, Aufrüstung und Autarkiepolitik sich die Inflationsgefahren mehrten. Je starrer aber die Preisstruktur wUl1de, um so mehr wurden direkte Proouktionskontrollen notwendig. Wir haben bereits gesehen8 , daß die preisgestoppte Inflation gefährlicher sein kann als die offene Preisinflation. In der letzteren sind, ohschon verzerrt, die Preise immerhin noch ein Ausdruck von Angebots- und Nachfrageverhältnissen, während die starren Preise allmählich jede Beziehung zur Wirklimkeit verlieren. Um zu verhindern, daß private Unternehmungen auf Grund falsmer Preise die falsmen Güter erzeugten, mußten die Preiskontrollen von Rationierungen und Investitionskontrollen hegleitet werden. Lohnkontrollen und die Zuteilung der Arbeit Wir sahen, daß Hitlers inflationssimere Vollheschäftigungspolitik auf niedeTen Löhnen ruhte. Auch die Erreimung des Vollbesmäftigungszustandes führte zu keiner Änderung in ,der ·Lohnpolitik. Ganz im Gegenteil: Hitlers Entsmluß, die Löhne zu stabilisieren, wurde durmdie relativ starke Verhandlungslbasis, die die Arbeitersmaft normalerweise bei Vollhesmäftigung genießt, nur gestärkt. Im großen ganzen WUNen die Löhne nahe dem Depressionsniveau gehalten. wenn auch zunehmende Besmäftigung zu einer Steigerung des Gesamtlohnes führte. Das "Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit" (1934) smaffte Koalitionsremt, Tarifverträge, Betriehsvereinoorungen und Arheitskämpfe ab und ersetzte sie durm den Führergedanken im Betrieh9 • Der Unternehmer als "Führer" des Betriehs sollte gemeinsam mit den Arbeitern und Angestellten als "Gefolgschaft" zum Nutzen von Volk und Staat arbeiten. Der "Führer" bestimmte sämtlime Arheitsbedingungen, einschließlim der Löhne. Da aher dieses Führertum auf das Vertrauen der Geführten gegründet sein sollte, war in .den größeren Betrieihen ein Vertrauensrat ein2iurimten, dessen Mitglieder nimt etwa von der Gefolgsmaft .gewählt, sondern vom "Führer", im Einvernehmen mit der nationalsozialistismen Betriehszellenorganisation, "herufen" wurden. Die Funktion ·des Vertrauens rates el1Smöpfte siro in ,der Beratung des Betriehsführel1S. Im Falle eines Konfliktes konnte der Vertr8Juensrat sim aber an den "Treuhänder der Arbeit" wenden. Vgl. oben, Kapitel 9, S. 115. Vgl. Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934, Reicl:lsgesetzblatt 1934 Bd. I S.45-56. 8
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Die zentrale Planwirtschaft
Auf Grund dieser Regelung sah es zunächst so aus, als sei in dieser Neuordnung der Vorteil ganz einseitig den Arbeitgebern zugefallen, w.as den ursprünglichen Eindruck verstärkte, daß, aller nationalsozialistischen Propaganda zum Trotz, Hitler eine WiooeTgeburt des Kapitalismus in konservativster Form beabsichtigte. In Wil'lklichkeit hatte aber der Treuhänder der Arbeiter die Macht, von sich aus die Riclülinien für Betriebsordnungen festzulegen, mit denen jooer Betriebsführer seine Betriebsordnung "in Einklang zu bringen" hatte. Die Treuhänder der Arbeit ihrerseits hatten die Aufgabe, die Regelung der Arbeitsverhältnisse (einschließlich ,der Löhne) den Wünschen Hitlers an2i1lpassen. Diese volle Kontrolle der Al"be:itsbedingungen wurde durch die sog. Arbeitsfront in keiner Weise beeinträchtigt. Diese Parteiorganisation, die sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer umfaßte und sich mit Ausbildungs-, Versicherungs- und Genossenschaftsfragen beschäftigte, hatte keine Marktfunktionen zu erfüllen.
Da die Löhne nicht mehr durch den Arbeitsmarkt ,bestimmt wurden, so konnte man auch nicht erwarten, daß die Aribeitskraft automatisch in die Produktionszweige geleitet würde, die sie am dringendsten benötigten. Die Arbeit mußte deshalb durch Kommando zugewiesen, die Freiheit ,der Arbeitswahl allmä,hlich abgeschafft werden. Bereits im Jahre 1935 wurde das sog. Arbeitsbuch (eine Art Arbeitspaß) eingeführt, das dem Arbeitgeber übergeben werden mußte. Der letztere konnte sich unter gewissen Bedingungen weigern, das Buch zurückzugeben und dadurch den Arbeiter an die Arbeitsstelle fes.seln. Aribeitsämter besaßen Listen, die es ihnen ermöglichten, die Arbeit nach Maß. ga-be der Regierungspläne zu steuern. Selbst vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war die Regierung ermächtigt, die Arbeit zwangsweise umzugruppieren. Investitionskontrollen Wie konnte die Investition in einem totalitären System kontrolliert werden, in ,dem Privateigentum an den materiellen Produktionsmitteln beibehalten, d. h. also kein Versuch unternommen wurde, die sog. strategischen Industrien zu sozialisieren? Die Investitionsprogramme der Regierung mußten sich in einer solchen Ordnung in einer Ausdehnung der Produktionskapazität privater Unternehmungen auswirken. Privat firmen erzeugten, was die Regierung bralßchte und die Regierung wiederum sorgte dafür, daß diese Privatfirmen entsprechende
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Zuweisungen von bewirtschafteten Produktionsmitteln bekamen. Eine attraktive Gewinnspanne war vorgesehen. Profite hatten aber mit der Lenkung der Produktion nichts zu tun. Die Koordinierung der industriellen Erzeugung wurde nicht Bürokraten, sondern Industrieführern übertragen, was bei der weit fortgeschrittenen Durchorganisiernng der Industrie relativ einfach war. Elliemalige Kartelleiter wurden nun Führer von Wirtschaftsgruppen, d.lh. es kam zn einer Verschmelzung von Privatmonopol und öffentlicher Gewalt. Die Ziele aber blieben selbstverständlich die Ziele der nationalsozialistischen Kommandowirfsmaft10• Wie in Rußland, mußte auch in Deutschland ,der Produktionsprozeß, !lach Abschaffung der marktwirtschaftlichen Ordnung, von der Zentrale aus verwaltet werden. Diese Lenkung vollzog sich, nach Walter Eucken, in vier Stufen. Die erste Stufe bestand in der Sammlung planungsstatistischer Unt'erlagen für die verschiedenen "Facl1abteilungen". Aus diesen statistischen Unterlagen wUJ'lden Mengenhilanzen gewonnen, die Aufkommen und Verwendung für das letzte Jahr einander gegenüberstellten. Die zweite Stufe bestand "in der Planung ,des Bedarfs, der Planung des Aufkommens und dem Ausgleicl1 von Bedarf und Auskommen" Praktisch wurde diese Aufgabe dadurcl1 gelöst, daß man sich vor allem auf die sog. "Engpässe" konzentrierte. "Hierin - in der rechtzeitigen Erkenntnis ,des zu erwartenden Engpasses - bestand die eigentliche Kunst dieser zentralen Planun,g." Die dritte Stufe war "der Erlaß von ProoU!ktionsanweisungen an die einzelnen Betriebe. Hier wurde die Proo'IIktion der Betriebe nam Mengen und zeitlicher Verteilung, nach Sorte und Art festgelegt." Die vierte Stufe schließlich war die Plankontrolle, ob die Ist-Zahlen der Betriebe mit den Soll-Zahlen des P1anes iihereinstimmtenl l• Die Ähnlichkeit mit den russiscl1en Planungskontrollen ist nicht zu verkennen. Sie ist aber auch nicl1t überrasmend, da mit der Eliminierung der Marktwirtschaft eine statistisch-technische Experimentiermethode für die nötige Koordinierung der Produktionsprozesse sorgen muß. Daß die deutsche Methode etwas weniger smwerfällig war, kann darBiuf zurückgeführt weJ'lden, daß die Aufgabe der technischen lntegrierung von Anfang an führenden Unternehmern übertragen wUl'de. 10 Vgl. Heinz Paechter, Recent Trends in the German Command Economy, Journal of Political Economy, Bd. LII, 1944, S.217-233. 11 Walter Eucken, Grundsätze der Wirtsmaftspolitik, Hamburg 1959, S.61-63.
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Die zentrale Planwirtsmaft
Trotzdem muß unsere Kritik aber die gleiche bleiben wie im Falle der russischen Planwirtschaft: auch die deutsche Zentralverwaltungswirtschaft konnte nicht zur wirtschaftlichsten Verwendung der Produktionsmittel führen, da sie sich weigerte, ·die Verteilung der Produktionsmittel nach dem Grenzproduktivitätsprinzip vorzune,hmen.
Die Finanzierung Der oberflächlich kapitalistische Charakter der nationalsozialistischen Wirtschaft bedingte Finanzierungsmethooen, die sich von den sowjetrussischen unterschieden. Die Grundprinzipien waren verhältnismäßig einfach. Private Profite wurden in die von der Regierung gewünschten Investitionen gelenkt. Darüber hinaus mußte ein sehr beträchtlicher Teil des Volkseinkommens weggesteuert werden, um die Erfüllung der Planziele zu finanzieren. Wo Profite und Steuern nicht ausreichten, mußten die Investitionsfonds auf ·dem Kreditmarkt aufgenommen werden, der ,durch Neuorganisation dem Willen der Regierung gefügig gemacht wuroe. Die Vollbeschäftigungspolitik wurde durch sogenannte Arbeitsbeschaffillngswechsel vorfinanziert. Diese Wechsel wurden von den mit der Durchführung der Aufgaben beauftragten Unternehmern ausgestellt, von den Trägern der Aufgaben (z. B. Stadtgemeinden) giriert und von einem .der Arbeitsbeschaffung dienenden Finanzinstitut (z. B. der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Arbeiten A.G. - Oeffa) akzeptiert. Das Reich verpflichtete sich zur Einlösung der Wechsel aus Steuergeldern. Inzwischen wurden die Wechsel durch Banken diskontiert und durch ,die Reichshank rediskontiert. Es h.andelte sich bei dieser Regelung offenbar um die Absicht, ,die Arbeitsbeschaffungswechsel als Handelswechsel erscheinen zu lassen, auf deren Grundlage allein angeblich Geld geschaffen werden sollte. Richtig war, daß bei Erfolg der Arbeitsbeschaffung, d. h. bei steigendem Volkseinkommen, die Wechsel schließlich aus wachsenden Steuereinnahmen eingelöst werden konnten. Mit ,der ohnedies falschen Handelskrooittheorie des Geldes hatte ·das nichts zu tun l2 • Zwei finanzielle Neuor,dnungen lassen die sich ändernde Wirtschafts· ordnung besser erkennen: das sog. "Anleihestogesetz" vom 5. Dezember 1934, nach dem Kapitalgesellschaften Gewinne über 6 vH in 12
über die Handelskredittheorie vgl. George N. Halm., Geld, Außenhan-
del und Besmäftigung, 3. Aufl., München 1957, S.88-91.
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Reichsanleihen anzulegen hatten und das "Reichsgesetz über das Kreditwesen" gleichen Datums, das ,das gesamte Kreditwesen strengster Regiel"llngskontrolle unterwarf und die reibungslose langfristige Finanziel"llng der Staatsinvestitionen sicherstellte. Nach,dem die Vorherrschaft der Regierung auf ,dem Kapitalmarkt erreicht war, konnte die Ausgabe kurz- und mittelfristiger Werosel arufgegeben werden, um die wachsende Inflationsg,efahr bei Vollbeschäftigung auch von der monetären Seite zu bekämpfen. Wichtiger aber waren die bereits erwähnten Pre:iskontrollen und Rationiel"llngen. Die Kaufkraft, die nicht ausgeg,eben wel'lden konnte, war relativ leicht abZJllSchöpfen, um von der Regierung wieder ausgegeben zu werden - die typische Finanzierungsmethode der 'preisgestoppten Inflation. Im Zusammenhang mit diesen finanziellen Maßnahmen soll kurz erwähnt wel'lden, daß Hitler nach ,der Machtergreifung nichts tat, um die "Zinsknechtschaft" zu "brechen". Die nationalsozialistische Zentralverwalttmgswirtschaft fü,hrte aber ~ur Abschaffung der Zinsrechnung in der wirtschaftlichen Verteilung der Investitionsfonds. Landwirtschaft und Außenhandel Bereits 1933 wurde der sog. Reiwsnäihrstand organisiert, ein Selbstverwaltungskörper, der alle mit der Produktion, Verarbeitung und Verteilung landwirtschaftlicher Erzeugnisse beschäftigten Personen zusammenfaßte. Auch ,dieser Selbstverwaltungskörper war aber nur ein Organ oder Zentrniverwaltung. Ausschaltung von Preisschwankuugen war bei den landwirtschaftlichen Produkten verhältnismäßig einfach, da dm'ch Ein- und Ausfuhrregulierungen das Angebot der Nachfrage einigermaßen ang,epaßt werden konnte. Verbleibende Angebotsschwankungen konnten durch RegierungskliJufe ausgeglichen werden. Die Bauernschaft zahlte für diese Protektion den Preis bürokratischer Kontrollen, während die Nation größere Selbstgenügsamkeit auf Kosten des Verlustes der Vorteile ,der internationalen Arbeitsteilung erreichte. Eine zentrale Verwaltungswirtschaft kann multilateralen Handel nicht erlauben. Die Planwirtschaft muß sich gegen Weltmarktschwankungen abschirmen. In Rußland wur,de ,die nötige Isolierung durch ein Außenhandelsmonopol erreicht. Die nationalsozialistische Regierung erzielte das gleiche Resultat ,durch die Devisenibewirtschaftung. Der Außenhandel wur,de der Privatwirtschaft überlassen, wobei aber detaillierte Regierungskontrollen die Ein- und Ausfuhr bestimmten. 18 George N. Halm, Wirtsdlaftssysteme
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Die zentrale Planwirtschaft
Die Grundprinzipien der Devisenbewirtschaftung sinod, trotz fantastisch komplizierter Details, einfach zu verstehen. Es ,handelt sich lediglich um die Verbindung von Höchstpreispolitik und Rationieruug auf dem Devisenmarkt. Der Preis der Fremdwährung wil'd niedriger festgesetzt, als es ,den Marktverhältnissen entspricht, d. h. die heimische Währung ist überbewertet. Die Nachfrage ist deshalb größer als das Angebot und muß künstlich eingeschränkt werden. Devisenzuweisrungen der Regierung erfolgen in übereinstimmung mit dem Wirlschaftsplan. Hier hat die Regierung vier wesentliche Entscheidungen Z1U treffen. Sie beziehen sich auf ,,(1) die Aufteilung der Devisen auf die verschiedenen Z.roedce (Wareneinfuhr, Schuldendienst, Touristenverkehr usw.), (2) die Auf teilung der für Importe verfügbaren Devisen auf die verschiedenen Waren, (3) die Auf teilung der Devisen auf die einzelnen Firmen und (4) ,die Auf teilung der gesamten Devisenmenge auf die verschiedenen Länder"13. Um die Devisen verteilen zu können, muß die Regierung alle anfallenden Devisen erwerben. Die Exporteure müssen deshalb gezwungen wel'den, die fremde Währung zum offiziellen Preis an die Regierung zu verka;ufen. Da dieser "Höchstpreis" aber künstlich niedriggehalten wird, ist .die Ausfuhr wenig rentabel und muß durch Subventionen konkurrenzfähig gemacht werden. Hitler entwickelte die Devisenbewirtschaftung zu einem Instrument, das ihm erlaubte, den Außenhandel zu kontrollieren, Handelsverträge zu umgehen und vorteilhafte bilaterale Abkommen zu schließen, durch die kleinere Nachbarländer in den Bannkl'eis der nationalsozialistischen Kommandowirtschaft gezogen wUl'den.
Der Nationalsozialismus als Wirtschaftssystem Die nationalsozialistische Wirtschaft kann vielleicht am besten als eine Art kapitalistischer Kriegswirtschaft in Friedenszeiten beschrieben weMen. Ein totalitäres Regime ikann die Gewerkschaften auflösen, die Tarifverträge abschaffen, -die Preise und Löhne erstarren lassen, die Verteilung ,der Produktionsmittel zentral verwalten ohne erst a'uf einen Notstand warten zu müssen, der die Bürger demokratischer Länder veranlaßt, freiwillig aI\lf ihre Freiheitsrechte zu verzichten. Sehen wir uns an, was im Nationalsozialismus von der kapitalistischen Marktwirtschaft übriggeblieben war. 13-
League of Nations, International Currency Experience, 1944, S.173.
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(1) Die äußere kapitalistische Schale war erhalten geblieben. Die neueingeführten Institutionen und Kontrollen waren nicht offenkundig antikapitalistisch. Sie sollten SChwierigkeiten überwinden helfen, die mit der Depression, der Abhängigkeit vom Ausland, der Inflation und der Aufrüstung 7Jusammenhingen. Alle AbweiChungen von kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien schienen deshalb durch temporäre Notstände gerechtfertigt zu sein, die temporäre Notmaßnahmen erfol'derten. Es ist deshalb begreiflich, daß vielfaCh die Ansicht vertreten wurde, diese Kontrollen hätten s'Päter wieder entfernt wel'den können, um Raum für die freie Pr,eisbildung zu sChaffen.
(2) Tatsächlich wäre eine solche Rückkehr zur MarktwirtsChaft teChnisCh möglich gewesen, da Privatbesitz und Privatunternehmung erhalten geblieben waren. Der Erfolg ,der Sozialen MaTildwirtsehaft nach 1948 zeigt, daß die Rückkehr zur Marktwirtschaft offenstand. (3) MehrfaCh wUl'de von Hitler ,darauf hingewiesen, daß er die Wirtschaft "befreien" wollte und daß zentrale Wirtschaftsplanung mit großen Gefahren verbunden sei. Die Auflösung der GewerksChaften, die Macht des Unternehmers als "Führer" in allen das Arbeitsverhältnis angehenden Fragen, die EntsCheidung gegen die Nationalisierung der Banken und ,die Rolle von Ind'llStrieführern in der zentralen Verwaltung der Produktion - alle ,diese ErsCheinungen wurden als Ausdruck der Entwicklung einer "reineren" Form des Kapitalismus ausgelegt. "Reiner" im Sinne von "extremer", weniger zum Komprorniß geneigt.
(4) Auf dem Gebiet der Geld- und Kreditpolitik tbestand die Tendenz, unorthodoxe Maßnahmen in orthodoxe Formen zu kleiden. Hitlers extreme InflationsfurCht hat vielleiCht dazu geführt, daß er und seine Ratgeber die vollen MögliChkeiten der Kommandowirtschaft nicht ausnützten, weil sie trotz allem fortfuhren marktwirtsChaftliCh zu denken. Die aufgezählten Punkte können entweder belliutzt werden um zu zeigen, daß der Nationalsozialismus, wirtsmaftlich gesehen, eine Art Super-Monopolkapitalismus war oder um zu beweisen, daß es sieh um ein eCht mariktwirtsChaftliches System handelte, das wider seinen Willen gezwungen wUl'de, direkte Kontrollen zu verwenden. Unsere Einstellung wird von unserem "IdealtY'P" des Kapitalismus abhängen. Wenn wir, statt in marxistisCher Weise den Monopolcharakter des Kapitalismus zu betonen, hauptsäChliCh seine marktwirtsChaftliChen Züge hervorheben, so müssen wir in der nationalsozialistisChen Zentral verwaltungswirtschaft eine gefährliChe Abweichung von den GrundprinIS·
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zipien d.es Kapitalismus seh'en. Obwohl jeder einzelne Eingriff als Ausnahme angesehen weJ.'lden konnte, stellten alle diese Kontrollen zusammen doch eine ganz entscheidende Änderung der Wirtschaftsoronung dar. Wenn wir zeigen wollen, daß die nationalsozialistische Wirtschaft keinen Ans'pl'lUch erheben kann, eine Marktwirtschaft gewesen zu sein, so können wir uns auf folgende Tatsachen stützen: (1) Der Marktmechanismus war großenteils ,durch direkte Kontrollen, der PreisbiI.d'1lllgsprozeß durch Zentralverwaltung abgelöst worden. (2) Die Benützung privatwirtschaftlicher Methoden war oft nur Schönfärberei, die die nackten Tatsachen der Kommandowirtschaft bemänteln sollte. Die Nationalsozialisten versuchten den Eindruck zu erwecken, daß die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien erhalten blielben und sogar gereinigt würoen, während sie diese Prinzipien in zunehmendem Maße verletzten. So wur,de versucht, den Eindruck der Wirt:schaftsfreiheit zu erwecken, wo ,die Wirtschaftsfrciheiten zum großen Teil abgeschafft wuroen. Obwohl z. B. die Mitgliedschaft in der sog. Arbeitsfront angeblich amf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhte, wurde der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß es Nichtmitgliedern unmöglich sein werde, Arbeitsstellen zu finden. (3) Die nationalsozialistische Zentralverwaltungswirtschaft hätte ihre kapitalistische Haut völlig abstreifen und ihre wahre Natur als Kommandowirtschaft enthüllen können. Sie hätte sogar das ul"S'prungliche Versprechen, das arbeitslose Einkommen abzuschaffen und die Zinsknechtschaft zu brechen, halten können. Da Preise, Löhne, Zinssätze nnd Profite ihre marktwirtschaftlichen Funktionen großenteils eingebüßt hatten, bestand keine dringende Notwendigkeit, die Einkommensverteilung aufrechtzuerhalten, die vom Kapitalismus übernommen woroen war. (4) Freie Konsumwahl verliert ihre Bedeutung in einem Regime, in dem das Propagandaministerium die Massen so zu beeinflussen sucht, daß sie nicht mehr zwischen dem unterscheiden können, was sie wirklich wollen und dem, was ,die Regiernng sie zu wollen iiherrooet. Ein solches System hat sein Ziel erreicht, wenn ,die Massen glauben, freiwillig zu handeln, wie d.ie Regierung es wünscht.
Sechster Teil
Zwischen Freiheit und Planung 21. Kap i tel
Wohlfahrtsstaat und Marktwirtschaft Einleitung
Da ein überbli