Wirkungen der arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland [1 ed.] 9783428477593, 9783428077595


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German Pages 172 Year 1993

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Wirkungen der arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland [1 ed.]
 9783428477593, 9783428077595

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DEUTSCHES INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG

BEITRÄGE ZUR STRUKTURFORSCHUNG HEFT 140 · 1993

Kornelia Hagen, Volker Meinhardt, Wolfgang Scheremet, Angela Scherzinger

Wirkungen der arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland

DUNCKER & HUMBLOT · BERLIN

D E U T S C H E S I N S T I T U T FÜR

WIRTSCHAFTSFORSCHUNG

gegründet 1925 als INSTITUT FÜR KONJUNKTURFORSCHUNG von Prof. Dr. Ernst Wagemann 1000 Berlin 33 (Dahlem), Königin-Luise-Straße 5

VORSTAND Präsident Prof. Dr. Lutz Hoffmann Sir Leon Brittan · Prof. Dr. Johann Eekhoff · Dr. Norbert Meisner · Wolfgang Roth, MdB · Dr. Ludolf-Georg von Wartenberg Kollegium der Abteilungsleiter* Dr. Doris Cornelsen · Dr. Heiner Flassbeck · Dr. Fritz Franzmeyer · Dr. Kurt Hornschild Prof. Dr. Wolfgang Kirner · Prof. Dr. Eckhard Kutter · Dr. Bernhard Seidel · Dr. Hans-Joachin Ziesing KURATORIUM Vorsitzender: Dr. Alexander von Tippeiskirch Stellvertretender Vorsitzender: Dr. Thomas Hertz Mitglieder Der Bundespräsident Bundesrepublik Deutschland Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft Bundesministerium für Verkehr Bundesministerium für Post und Telekommunikation Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Bundesministerium für Forschung und Technologie Land Berlin Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe Senatsverwaltung für Bundes- und Europaangelegenheiten Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Wirtschaft Land Niedersachsen, vertreten durch das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Wirtschaftsministerium Deutsche Bundesbank Deutsche Bundesbahn Deutsche Bundespost Postdienst Deutsche Bundespost Telekom Bundesanstalt für Arbeit Wirtschaftsvereinigung Bergbau Christlich-Demokratische Union Deutschlands Sozialdemokratische Partei Deutschlands Freie Demokratische Partei Deutscher Gewerkschaftsbund Industriegewerkschaft Metall Berliner Bank Aktiengesellschaft Berlin Hyp Berliner Hypotheken- und Pfandbriefbank AG 1KB Deutsche Industriebank AG Berliner Kraft- und Licht (Bewag)-Aktiengesellschaft Elektrowerke GmbH Holding Vereinigung der Freunde des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Persönliche Mitglieder Dr. Günter Braun Dr. Dieter Hiss Dr. Karl-Heinz Narjes * Präsident und Abteilungsleiter sind gemeinsam für die wissenschaftliche Leitung verantwortlich.

DEUTSCHES INSTITUT

FÜR

WIRTSCHAFTSFORSCHUNG

BEITRÄGE ZUR STRUKTURFORSCHUNG

HEFT 140 · 1993

Kornelia Hagen, Volker Meinhardt, Wolfgang Scheremet, Angela Scherzinger

Wirkungen der arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland

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DUNCKER & HUMBLOT · BERLIN

Verzeichnis der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

Autoren und Autorinnen des DIW Kornelia Hagen Volker Meinhardt Wolfgang Scheremet Angela Scherzinger sowie im Unterauftrag des DIW die Bearbeitung einer Fallstudie durch das Institut für Wirtschaftsforschung, Halle (IWH) Jürgen Boje

Statistik Vanessa Ahuja Wolfgang Härle Hedwig Prey Sabine Radke

Textverarbeitung Astrid Brüsseler Ingrid Güvencer Sibylle Kremser Ingrid Moewius

Herausgeber: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Königin-Luise-Str. 5, D-1000 Berlin 33 Telefon (0 30) 82 99 10 — Telefax (0 30) 82 99 12 00 Schriftleitung: Dr. Kurt Hornschild Verlag: Duncker & Humblot GmbH, Carl-Heinrich Becker-Weg 9, D-1000 Berlin 41. Alle Rechte vorbehalten Druck: 1993 bei ZIPPEL-Druck, Oranienburger Str. 170, D-1000 Berlin 26 Printed in Germany ISBN 3-428-07759-8

GLIEDERUNG DES FORSCHUNGSPROJEKTES Seite 1

Einleitung

;

2

Zur gesamtwirtschaftlichen Lage und den Aussichten auf dem

5

Arbeitsmarkt in Ostdeutschland

3

8

Finanzierungs- und Nutzenaspekte der Arbeitsmarktpolitik in Ostdeutschland

4

21

Fallstudien zu Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen

25

4.1

Vorbemerkung

25

4-2

Fallstudien in Brandenburg

, ..

29

4.2.1 Fallstudien im Arbeitsamtsbezirk Eberswalde 4.2.2 Fallstudien im Arbeitsamtsbezirk Neuruppin 4.2.3 Fallstudien im Arbeitsamtsbezirk Potsdam 4.3

Fallstudien in Sachsen 4.3.1 Fallstudien im Arbeitsamtsbezirk Leipzig 4.3.2 Fallstudien im Arbeitsamtsbezirk Riesa

4.4

Fallstudie in Sachsen-Anhalt 4.4.1 Fallstudie in der Region Bitterfeld

29 .. . . .

46 68 81 81 102 132 132

3

4.5

Fallstudie in Mecklenburg-Vorpommern 4.5.1 Fallstudie im Arbeitsamtsbezirk Schwerin

5

Interdependenzen von Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaft 5.1

6

159

159

Können ABM Und Beschäftigungsgesellschaften zut Entwicklung eines selbständigen Mittelstandes beitragen?

5.3

149

Beschäftigungsgesellschaften als qualitativ neues Instrument einer erweiterten Arbeitsmarktpolitik

5.2

149

162

Entwiekelt sich durch ABM und Beschäftigungsgesellschaften eine Konkurrenz zur Privatwirtschaft?

164

5.4

Fortbildung und Umschulung

165

5.5

Die Problematik eines "zweiten" Arbeitsmarktes

167

Fazit

169

1

Einleitung

Die Beseitigung des im Zuge der Umstrukturierung der Wirtschaft aufgetretenen Ungleichgewichts auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt ist derzeit eines der drängendsten Probleme der Wirtschaftspolitik in Deutschland. Die Lebensbedingungen, gemessen am Einkommens- und Konsumniveau der Menschen in Ost- und Westdeutschland, beginnen sich infolge der massiven Finanztransfers von West- nadi Ostdeutschland langsam anzunähern, auch wenn die Kluft nach wie vor groß bleibt. Der Arbeitsmarkt in Ostdeutschland jedöch erlebte binnen weniger Monate nach der Wirtschafte-, WährungS- und Sozialunion einen starken Einbruch. Das Ungleichgewicht ist weder im Umfang der Beschäftigungsprobleme, noch in der Art der daraus resultierenden Arbeitslosigkeit mit den Unterbeschäftigungsphasen der Bundesrepublik in den siebziger und in den achtziger Jahren vergleichbar. Die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland läßt sich nicht mit den von der Arbeitsmarktökonomik üblicherweise verweilten Kategorien wie konjunktureller, struktureller und/oder fraktioneller Arbeitslosigkeit erfassen.

Die fundamentale Wettbewerbsschwäche der Wirtschaft der DDR, die sich mit der Einführung einer marktwirtschaftlichen Ordnung offenbarte, ist die zentrale Ursache für die gegenwärtigen Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Hinzu kam die Währungsunion zu einem Wechselkurs von einer D M zu einer Mark der DDR, die die Wettbewerbsschwäche nicht ausglich, sondern vergrößerte, da ein Umstellungskurs von 1:1 implizit einem Aufwertungsschock von 300 vH gleichkam1. Die enormen Lohnsteigerungen haben darüber hinaus seit der Währungsunion die relative Wettbewerbsposition der Unternehmen weiter verschlechtert. Aber selbst in Bereichen, die weniger oder nicht dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind und damit einem geringeren Kostendruck unterliegen, können die Anbieter von Waren und Dienstleistungen die Nachfrage noch nicht vollständig bedienen.

Die Probleme auf den ostdeutschen Arbeitsmärkten haben ihre Ursache weniger in einer zu geringen Nachfrage. Die reale inländische Güterverwendung ist in Ostdeutschland kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 1991 überstieg sie die gesamtwirtschaftliche Produktion um fast 100 vH. Im

*Für eine ausführliche Analyse der wirtschaftlichen Vereinigung Deutschlands vergleiche: Sinn, Gerlinde und Hans-Werner Sinn, Kaltstart. Volkswirtschaftliche Aspekte der deutschen Vereinigung, Tübingen 1991. Flassbeck, Heiner und Wolfgang Scheremet, Wirtschaftliche Aspekte der deutschen Vereinigung. In: Jesse, Eckhard und Armin Mitter, (Hrsg.), Die Gestaltung der deutschen Einheit, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 308. 5

Vergleich dazu lag die inländische Güterverwendung in Westdeutschland etwa 3 vH unter der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Die Unterbeschäftigung ilt damit auf ein gravierendes Angebotsproblem zurückzuführen, das durch den Zusammenbrach der traditionellen Absatzmärkte in Osteuropa zusätzlich erschwert wird. Um langfristig auch in Osfdeutschland das gesamtwirtschaftliche Ziel eines höhen BöSchäftlgUfigsstandes zu erreichen, ist daher eine umfassende Umstrukturierung déï Wirfediaft lind der Aufbau eines produktiven Kapitalstocks notwendig. Der Aufbau solcher Produktiönsstriikturen innerhalb nur weniger Jahre wäre aber schön wegen langer Pröjektierungs- bzw. Durchführungsphasen nicht möglich, selbst wenn daS dafür notwendige Kapital schnell genug mobilisiert werden könnte. Darüber hinaus sind die infrastrukturellen und administrativen Voraussetzungen für einen zügigen Aufbau neuer Produktionsstätten noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden.

Aufgrund des Umfangs des wirtschaftlichen Einbruchs und der zeitlichen Perspektiven für den Umstrukturierungsprozeß kommt der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Ostdeutschland eine besondere Bedeutung zu. Die aktive Arbeitsmarktpolitik hat zum einen die Aufgabe, den Umstrukturierungsprozeß und die damit verbundene Unterbeschäftigung sozialpolitisch abzufedern. Dabei handelt es sich um eine Aufgabe, deren Wichtigkeit angesichts eines Beschäftigungsrückganges von rund 40 vH innerhalb von zwei Jahren nicht vernachlässigt werden darf. Darüber hinaus ist wegen der zeitlichen Dimension der Probleme auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt zu befürchten, daß Sekundäreffekte der unvermeidbaren Arbeitslosigkeit, wie die Abschreibung von Humankapital oder allgemeine Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit, an Gewicht gewinnen und so den Aufbau der ostdeutschen Wirtschaft behindern, falls der Übergangsprozeß nicht durch Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik begleitet wird. Die aktive Arbeitsmarktpolitik hat also - wie in Westdeutschland - erstens eine nicht unerhebliche sozialpolitische Komponente und zweitens die Aufgabe, das Arbeitsangebot zu stärken, indem sie das Humankapital des Arbeitskräftepotentials erhält bzw. durch Qualifizierungsmaßnahmen erhöht.

Die Schwäche der Angebotsseite auf den Gütermärkten und die damit einhergehende geringe Arbeitskräftenachfrage ergibt jedoch für die aktive Arbeitsmarktpolitik in Ostdeutschland eine andere quantitative und qualitative Dimension als in den alten Bundesländern. Es ist daher zu diskutieren , ob die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik nicht nur eine Verkrustung des Arbeitsmarktes verhindern können, indem sie den Teilnehmern eine Übergangsmöglichkeit in Beschäftigungsverhältnisse eröffnen, sondern ob sie auch dazu beitragen können, die Voraus-

6

Setzungen für die Bereitstellung eines Angebots von Arbeitsplätzen am "ersten Arbeitsmarkt" zu verbessern, d.h. die Arbeitsnachfrage zu unterstützen. Dies erscheint um so dringender, solange eine den Transformationsprozeß unterstützende Struktur- und Regionalpölitik noch nicht wirken kann.

7

2

Zur gesamtwirtschaftlichen Lage und den Aussichten auf dem Arbeitemarkt in Ostdeutschland

Im Durchschnitt des ersten Quartals 1992 waren in Ostdeutschland etwa 1,25 Mill. Arbeitslose registriert; im zweiten Jahresviertel dürfte die Zahl leicht auf knapp 1,2 Mill, sinken. Bezögen auf die erwerbstätigen Inländer beträgt die Arbeitslosenquote etwa 15 vH. Es muß dabei jedoch berücksichtigt werden, daß die Arbeitslosigkeit ihre Funktion als Indikator für ein Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt weitgehend verloren hat. Das Niveau und die Entwicklung hängen in Ostdeutschland in weit geringerem Umfang von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung ab als in Westdeutschland oder fö anderen Industrieländern. In viel stärkerem Ausmaß wirken sich administrative Regelungen wie Küridigungsschutzabkommen, Kurzarbeiterrégelung und der Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf das Gesamtbild des Arbeitsmarktes aus. So stieg die Zahl der registrierten Arbeitslosen im Juli 1991, als das KündigungsscMti^korrimen in der Metallindustrie auslief, und im Januar 1992, nachdem die für Ostdeutschland geltende Kurzarbeiterregelung außer Kraft getreten war, stärker als sonst an (vgl. Abbildung 1).

Ein umfassendes Bild der tatsächlichen Situation auf den ostdeutschen Arbeitsmärkten erhält man, wenn alle Bestands- und Stromgrößen betrachtet werden (vgl. Abbildung 2 und Tabelle 1). Derzeit dürften noch etwa 6,2 Mill. Menschen in Ostdeutschland einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Somit sind, gemessen am Bestand am Jahresanfang 1989, von etwa 9,8 Mill, rund 3,6 M i l l Arbeitsplätze verloren gegangen. Dies entspricht einem Rückgang von 37 vH. Ohne die Beschäftigten in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und ohne die Kurzarbeiter sind auf dem ersten Arbeitsmarkt nur noch knapp 5,4 Mill. Menschen tätig. Der größte Teil des Arbeitsplatzabbaus vollzog sich in der Landwirtschaft und im verarbeitenden Gewerbe (vgl. Abbildung 3 und Abbildung 4). Gegenwärtig dürfte lediglich im Baugewerbe und in den Dienstleistungsbereichen eine Beschäftigungsexpansion vorliegen.

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Abbildung 1:

Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland

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1

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1 2 3 4 5 Β 7 8 9101112 1 2 3 4 5 * 7 8 9 101112 1 2 3 4 5 90 I Θ1 I 02 Arbeitslose

! Veränderung

Ûutlle: Bundessnstslt für Arbeit

DIW92

Abbildung 2:

Arbeitsmarktbilanz - Ostdeutschland Mill.



Rest

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Pendler-Saldo

H l

Arbeltslose

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Altersregelung

E3

Vollzeltwelterblld.

Β

ABM Erwerbstätige

Quellen: Statistische· Bundesamt, Bundesanstalt für Arbelt, Schätzungen des DIW

DIW92

10

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1989

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1990

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1

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1991

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0 0 0

Juni 1992

0 0 0 266 0 0 2 190

Quelle: Volkswirtschaftliche Gesomtrechnung des D1W.

In Vollzeitweiterbild. befindlich Altersregelungen Vorruhestand Altersübergangsgeld Berufstätige Rentner Arbeitslose Auspendler Elnpencfler Ausländer nachrichtlich: E r w e r b s t ä t i g e Inländer dar. K u r z a r b e i t e r

E r w e r b s t ä t i g e im I n l a n d 9932 9932 9822 9754 9568 9130 8674 8048 7770 h 28 4 6902 $m8 6365 6235 Selbständige u.mith.Fam. (StaBu) 182 182 184 184 207 289 362 418 440 461 482 503 519 529 Abhängig Beschäftigte (StaBu) 9750 9750 9638 9570 9361 8841 8312 7630 7330 ,6823 6420 6205 5846 5706

P e r s o n e n (1000) ! : Land-uforstwirtschaf t 990 985 980 980 960 830 770 600 560 478 430 382 333 290 Produzierendes Gewerbe 4406 4417 4414 4350 4266 4097 3805 3517 3385 3074 2727 2540 2220 2130 Bergbau. Energievers., Wasserwirtsch. 307 306 306 304 302 296 284 271 248 238 220 204 185 180 Verarbeitendes Gewerbe 3250 3265 3260 3210 3145 3055 2811 2586 2540 2267 1954 1766 1450 1350 Baugewerbe 849 846 848 836 819 746 710 660 597 569 553 570 585 600 Handel und Verkehr 1654 1652 1652 1S51 t623 1547 14m 1359 1303 1303 .1265 Î243 1225 1220 Handel 933 934 934 933 910 872 82$ 762 723 724 707 697 690 680 Verkehr 721 718 718 718 713 675 6*4 597 580 579 ! 558 546 535 540 Dienstleistungen und Staat 2882 2878 2776 2773 2719 2656 2630 2560 2481 2328 2246 2186 2190 2190 Dienstleistungen 966 962 860 858 806 751 748 722 688 742 ! 8*32 904 930 950 Staat 1750 1750 1750 1750 1748 1745 1742 1738 1708 1487 1297 1152 1125 1100 Tatsächlich Beschöft»gte(ohne ABM) 1750 1750 1750 1750 1748 1745 1742 .1538 1408 1237 1 1 4 7 1 152 1 125 1 100 Wartestand 0 0 0 0 0 0 d 200 300 25® j 150 0 0 0 Priv.0rg.ohne Erw.zweck 166 166 166 165 165 160 140 100 85 9$ 117 130 135 140 In ABM befindlich 0 0 0 0 0 0 0 12 41 101 234 357 397 405

ι ηη

Tabelle 1: ARBEITSMARKTBILANZ: Ostdeutschland

Tabelle 2:

Eckdaten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung für Ostdeutschland Absolute Werte 1990,

1991

,1992

Veränderung gé§èrtüber Vorjahr (vH) 1091 1992.

Entstehung (real, 1091=100) Erwerbstätige im bland (1000 Pers.) Beschäftigte Arbeitnehmer (1000 Pers.) Selbständige (1000 Pers.) Produktivität in DM (real.

1991=100)

Bruttoinlandsprodukt (MrdDM)

8855 8536 319

7 if 66 6695 427

6173 5639 5Î4

-19, 1 -21, 6 47, 8

-13. 9 -15, 8 13, 3

10, 03

19. 03

19. 99

0.4

5, 1

276. 9

193. 1

204. 82

-33. 9

2.6

167, 4 142, 8

184,8 155, 5

221. 0 186, 9

10, 4 8. 9

19, 5 20, 2

45, 4 60.0

-16, 1 100. 0

-8, 9 .116.9

67. 1

16.6

186, 0 89, 3 61. 4 -3,3 333, 5 -56. 5 62. 5 119. 0 276, 9

196. 3 9. 2 72. 4 2. 4 361. 2 -168. 1 59. 2 227. 3 193. 14

200. 5 90. 47 90. 7 6.4 388. 1 -183. 3 70. 3 253. 6 204. 8

5. 5 1,0 17, 9

2. 2 0,3 25, 3

8, 3

7. 4

-5. 2 91. 0 -30. 3

18. 7 11, 5 6. 0

Verteilung: Bruttoeink. aus unselbst.Arbeit (Mrd.DM) Bruttolohn- u.-gehaltsumme (Mrd.DM) Bruttoeink. aus Unternehmertätigkeit und Vermögen (Mrd.DM) Lohnstückkosten (1991 =100) Verwendung (real, 1991=100): Privater Verbrauch (Mrd.DM) Staatsverbrauch (Mrd.DM) Anlageinvestitionen (MrdDM) Vorräte (Mrd.DM) Güter ver wendung im Inland (Mrd.DM) A upenbeitrag (Mrd.DM) Ausfuhr (Mrd-DM) Einfuhr (Mrd.DM) Bruttosozialprodukt (Mrd.DM)

Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung des DIW, Juni 1992

11

Abbildung

:

Erwerbstätige nach Wirtschaftsbereichen Mill.

Land- utìi tàritm • É

Bèrgbau û; Energie

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Verarbeitende» Gew.

1 • i

' Baugewerbe Handel uv Verkehr

CÜ3 Dieûstleiitungén Staat Priv. Ontaffürttionen

1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 89 90 91 92 ! Quellen: Statistisches BuodeiäÄt, Volkswirt* schaftliebe Gesamtreehnuiig des DIW

DIW92

Abbildung 4)

Erwerbstätige nach Wirtschaftsbereichen - Anteile -

1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 ! 89 90 ! 91 I 92 Quellen: Statistisches Bundesarot, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung des DIW

12

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Land· und Forstw.

•1 ο

Bergbau u. Energie Verarbeitendes Gew.



Baugewerbe

a· Ο m

Dienstleistungen Staat

m

Priv. Organisationen

Handel u. Verkehr

1

D1W92

Die Wirtschaft Ostdeutschlands hat sich - knapp zwei Jahre nach Beginn der wirtschaftlichen Vereinigung - noch nicht vom abrupten Übergang zu einem anderen Währungs- und Wirtschaftssystem und den damit zusammenhängenden Veränderungen der gesamtwirtschaftlichen Bedingungen erholt. Die gesamtwirtschaftliche Produktion dürfte im ersten Quartal dieses Jahres kaum gestiegen sein, selbst wenn man die ungünstigen saisonalen Einflüsse herausrechnet. Für das Jahr 1992 prognostiziert das DIW eine leichte Zunahme vön 2,5 vH, nach dem kräftigen Rückgang von knapp 34 vH im vergangenen Jahr (vgl. Tabelle 2).

Die Industrie, deren Entwicklung auch in Ostdeutschland das Bild der Wirtschaft prägt, hat nur in wenigen binnenmarktorientierten Bereichen den Anschluß an westliche Standards geschafft. Der Index der Nettoproduktion des ostdeutschen verarbeitenden Gewerbes hat sich däher auch seit Anfang 1991 nicht wesentlich verändert. Die Mehrzahl der Branchen hat ihre Märkte im Inland und in Osteuropa weitgehend verloren und weder kosten- noch qualitätsmäßig zum Westen aufschließen können. Angesichts der enormen Lohnsteigerungen - 1991 stiegeil die Stundenlöhne um mehr als 50 vH - ist es den meisten ansässigen Unternehmen nicht gelungen, über Freisetzungen das Kostenniveau zu senken und Gewinne zu erzielen, die Investitionen ermöglicht hätten. Da das Wachstum des Gesamtmarktes in Deutschland derzeit nur schwach ist, ist der Konkurrenzdruck für die ostdeutschen Betriebe besonders groß. Gelingt es ihnen nicht, gegenüber ihren westlichen Konkurrenten Marktanteile zurückzugewinnen, bleibt nur der Weg, eine konjunkturelle Belebung in Westeuropa für die Expansion von Produktion und Beschäftig gung zu nutzen. Eine endogene Beschleunigung des Wachstums der Industrieproduktion in Ostdeutschland, abgekoppelt von der internationalen wirtschaftlichen Entwicklung, ist derzeit nicht in Sicht. Besser ist die Lage zweifellos in den Bereichen, die direkt und indirekt von staatlicher Nachfrage profitieren. Das gilt fast für den gesamten Baubereich sowie dessen Vorlieferanten und für einige Dienstleistungen. Während aber die Sonderkonjunktur in der Bauwirtschaft angesichts der großen öffentlichen Nachfrage anhalten dürfte, ist für den Dienstleistungsbereich eine eigenständige Dynamik, die der Gesamtwirtschaft merkliche Impulse geben könnte, nicht zu erwarten. Zwar werden bei zunehmendem Einkommen vermehrt Dienstleistungen nachgefragt, doch die Einkommen werden - trotz kräftiger Lohnerhöhungen - angesichts der stärker zutage tretenden Grenzen öffentlicher Transfers nur moderat steigen. Hinzu kommt, daß die Produktivitätsfortschritte im Dienstleistungsbereich deutlich geringer als in der Industrie sind. Hohe Lohnsteigerungen werden dort weitgehend auf die Preise überwälzt. Dadurch verschlechtert sich die relative Position der

13

Dienstleistungen zu industriell gefertigten Gütern. Der Strukturwandel wird folglich gebremst. Insgesamt gesehen ist nur ein vergleichsweise moderates Wachstum in Ostdeutschland Zu erwarten. Ein rascher Ausgleich des Einbruchs bei Produktion und Beschäftigung ist sehr unwahrscheinlich. Eine allmähliche Erholung - ausgehend von dem sehr niedrigen Niveau - der Wirtschaft in Ostdeutschland in diescMi Jahr ändert die Verhältnisse auf dem efttdetitsëhen Arbeitsmarkt jedoch nicht fundamental, da in vteten Bereichen der Druck, Personal freizusetzen, weiterhin außerordentlich groß ist. So prognostiziert die Tretfhandanstalt für dié noch in ihrem Besitz befindliches Betriebe für das Jahr 1992 einen weiteren Personalabbau von schätzungsweise 300 000 Personen. Etwa die Hälfte davon dürfte in Arbeitslosigkeit eintreten. Erst gegen Ende des Jahres könnten sich Personalabbau und Personalaufbau die Waage halten. Vorsichtigen Prognosen zufolge könnte die Erwerbstätigenzahl im Jahr 2 000 bei einer reg&i Investitionstätigkeit wieder auf 6,8 Mill, steigen.2

Die Erfahrungen Westdeutschlands haben gezeigt, daß im Anschluß an eine wirtschaftliche Krise, und dem damit verbundenen Beschäftigungsrückgang, die entstandene Arbeitslosigkeit ein äußerst persistentes Verhalten zeigt. Für Ostdeutschland ist ein derartige Entwicklung noch wahrscheinlicher, weil hier normale zyklische Muster keine Gültigkeit haben. In Ostdeutschland kommt die Dimension des wirtschaftlichen Einbruchs hinzu. In den Rezessionsphasen der Jahre 1974/75 und 1982/83 ging das reale Bruttoinlandsprodukt in Westdeutschland um 1,4 vH bzw. um 1,9 vH zurück. Die Zahl der Beschäftigten verringerte sich um 3,2 bzw. 2,6 vH. In Ostdeutschland dagegen sank das reale Bruttoinlandsprodukt 1991 gegenüber 1989 um knapp 44 vH und die Zahl der Beschäftigten ging im Jahresdurchschnitt um 27 vH zurück. Unter Berücksichtigung des kräftigen Arbeitsplatzabbaus im zweiten Halbjahr 1991 dürfte nach Berechnungen des DIW der Rückgang zum Ende des Jahres sogar knapp 40 vH betragen haben. Es handelt sich in Ostdeutschland daher nicht um eine konjunkturelle Schwäche oder um einen Strukturwandel im üblichen Sinne, sondern von der tiefgreifenden schockartigen Krise sind nahezu sämtliche Wirtschaftsbereiche betroffen. Auch in der alten Bundesrepublik gab und gibt es weder in der Politik noch in den Wirtschaftswissenschaften eine eindeutige und homogene Meinung über die Ursachen von Arbeitslosigkeit und die Ansatzpunkte zu ihrer Bekämpfung. Das ist unter anderem damit begründet, daß

2

Vgl. Bogei, D, u.a., IAB Werkstattbericht, Nr. 7,92, S. 13.

14

Arbeitslosigkeit selbst keine homogene Erscheinung ist. Es wird grob unterschieden zwischen konjunktureller und struktureller Arbeitslosigkeit. Zur ersteren wird die Arbeitslosigkeit gerechnet, die aufgrund einer zu geringen Nachfrage oder aufgrund zu hoher Lohnstückkosten entsteht. Demgegenüber entsteht strukturelle Arbeitslosigkeit, wenn infolge des Strukturwandels und/oder der Veränderung der Produktionsstrukturen keine Übereinstimmung zwischen der Struktur des Arbeitsangebotes und der Arbeitsnachfrage besteht; wenn also die Struktur von Arbeitsnachfrage und -angebot in bezug auf Qualifikationsprofile und/oder regionale Verfügbarkeit von Arbeitslosen und offenen Stellen nicht übereinstimmt. Strukturelle Arbeitslosigkeit kann sich aber auch aus konjunktureller Arbeitslosigkeit entwickeln. Dieser Prozeß vollzieht sich dann, wenn im Anschluß an einen Angebotsschock (etwa einen Ölpreisschock) die Unternehmen ihre Produktionsstrukturen an die neuen Bedingungen anpassen und die Struktur des Arbeitsangebots gleichzeitig unverändert bleibt. Eine strukturelle Verhärtung bildet sich auch dann heraus, wenn die konjunkturell bedingte Arbeitslosigkeit so lange andauert, daß durch die entstehende Langzeitarbeitslosigkeit ein Prozeß der Entwertung von Humankapital in Gang kommt. Damit würde sich das Kapital einer Volkswirtschaft, soweit es das Arbeitskräftepotential betrifft, im Zeitablauf vermindern. Dies kann sowohl dadurch geschehen, daß der "Zug des Fortschritts" an den Arbeitslosen vorüberfährt, so daß die im Laufe des Erwerbslebens erworbenen Kenntnisse verlernt, vergessen oder durch den technischen Fortschritt obsolet werden oder aber, daß den Langzeitarbeitslosen überhaupt die individuellen Fähigkeiten verloren gehen, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Steigt nach Beendigung einer Rezession die Nachfrage nach Arbeitskräften wieder, so kann ein Teil der Arbeitsplätze nicht oder nicht schnell genug besetzt werden, so daß gleichzeitig Arbeitslosigkeit und unbesetzte offenen Stellen existieren; hier gilt es freilich noch die friktionelle oder Wartearbeitslosigkeit zu berücksichtigen.

In Ostdeutschland gestaltet sich die Analyse der Arbeitslosigkeit wesentlich schwieriger. Dort sieht sich das Arbeitskräfteangebot einer äußerst geringen Arbeitskräftenachfrage gegenüber, die von dem massiven Angebotsproblem der ostdeutschen Wirtschaft herrührt. So steht in Ostdeutschland gegenwärtig nur für etwa 35 Arbeitslose eine bei den Arbeitsämtern registrierte offene Stelle zur Verfügung. In Westdeutschland beträgt dieses Verhältnis dagegen etwa fünf Arbeitslose pro offene Stelle3. Das tatsächliche Verhältnis von Arbeitslosen zu registrierten offenen Stellen aus dem ersten Arbeitsmarkt ist allerdings noch weit geringer, da neue Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung in den registrierten offenen Stellen enthalten sind.

3

Diese Relationen sind allerdings nur bedingt vergleichbar, da der Einschaltungsgrad der Arbeitsämter in die Suche der Arbeitgeber nicht berücksichtigt ist. 15

Die geringe Wahrscheinlichkeit, aus Arbeitslosigkeit heraus einen Arbeitsplatz zu finden, zeigt auch der Vergleich der Abgangsraten aus Arbeitslosigkeit zwischen Ost- und Westdeutschland.4 Im April dieses Jahres war die Abgangsrate in Ostdeutschland nur etwa halb so groß wie in Westdeutschland (vgl. Abbildung 5). Zwar hatte sie sich seit Mitte 1990 - nicht zuletzt wegen der erheblichen Ausweitung der Maßnahmen für Arbeitsbeschaffung sowie zur Fortbildung und Umschulung, in die ein Teil der hohen Zuströme in Arbeitslosigkeit zu bestimmten Terminen (vgl. Abbildung 6) vermittelt wurde - verdoppelt, jedoch reichte auch dies nicht aus, um den weiteren Aufbau des Bestandes von Arbeitslosen zu verhindern.

Aufgrund der geringen Nachfrage nach Arbeitskräften kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht von struktureller Arbeitslosigkeit gesprochen werden. Da zudem noch für eine geraume Zeit nicht mit einer ausreichenden Erhöhung der Arbeitskräftenachfrage zu rechnen ist, steht auch die Frage einer strukturellen Arbeitslosigkeit im engeren Sinne nicht im Vordergrund als vielmehr die Schaffung einer großen Zahl von neuen Arbeitsplätzen um die Transformationsarbeitslosigkeit in Ostdeutschland zu bekämpfen. Dem ostdeutschen Arbeitsmarkt drohen in naher Zukunft vor allem drei Gefahren, aus denen sich schließlich doch eine erhebliche strukturelle Verhärtung entwickeln könnte. Ein Problem tritt dann auf, wenn sich das Arbeitsangebot - hervorgerufen durch den Wandel der Wirtschaftsstruktur hin zu einem größeren Anteil des tertiären Sektors und einer Änderung der Produktionsstrukturen innerhalb des produzierenden Gewerbes hin zu technologieintensiven Produktionen und fort von lohnintensiver Massenproduktion - nicht in entsprechendem Maße an die geänderten Anforderungen anpaßt. Gerade in diesem Bereich ist die Arbeitsmarktpolitik gefordert, den Prozeß aktiv durch Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen zu unterstützen. Desweiteren ist die Gefahr des Verlustes des in Ostdeutschland vorhandenen Humankapitals durch die Dimension des Arbeitsmarktungleichgewichts und dem daraus resultierenden hohen Anteil von qualifizierten Arbeitskräften im Bestand der Arbeitslosen besonders groß. Auch hier ist die Arbeitsmarktpolitik besonders gefordert, ihre Brückenfunktion im Transformationsprozeß wahrzunehmen. Darüberhinaus wird auf dem Arbeitsmarkt, wie in Westdeutschland, ein Selektionsmechanismus einsetzen, der letztendlich einen Pool von Langzeitarbeitslosen entstehen läßt, der immer schwerer in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden kann.

4

Die Abgangsrate aus Arbeitslosigkeit ist das Verhältnis von Abgängen aus Arbeitslosigkeit in einem Monat zu dem Bestand an Arbeitslosen im Vormonat. 16

Es ist bereits jetzt zu erkennen, daß die Langzeitarbeitslosigkeit in Ostdeutschland zu einem erheblichen Problem werden kann. So waren gemäß dem Arbeitsmarkt Monitor 5 im November 1991 24 vH des Arbeitslosenbestandes bereits im November 1990 arbeitslos6. Dieser Anteil unterzeichnet jedoch aufgrund des starken Anstiegs der Arbeitslosenzahl das Bild: Bei Analyse des Bestandes vom November 1990 zeigt sich, daß von den zu diesem Befragungszeitpunkt gemeldeten 550 000 Arbeitslosen 231 000 ein Jahr später immer noch oder wieder arbeitslos waren. Die Verbleibrate 7 - sie gibt die Wahrscheinlichkeit an, nach η Monaten (in diesem Fall ist η = 12) immer noch arbeitslos zu sein - betrug demnach von November 1990 bis November 1991 0,42 (vgl. Abb. 7). Von November 1990 bis März 1991 war die Verbleibrate (n = 4) sogar 0,71. Die Wahrscheinlichkeit für die Neueintritte im März 1991, nach vier Monaten (also im Juli 1991) noch arbeitslos zu sein, sank jedoch auf 0,63. Für die Neueintritte im Juli 1991 verringerte sich diese Verbleibrate nochmals auf 0,55. Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit, jeweils nach vier Monaten noch von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein, ist eindeutig auf die starke Ausweitung der Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung sowie zur Fortbildung und Umschulung zurückzuführen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit aus Arbeitslosigkeit auszutreten im Verlauf des Jahres 1991 somit gestiegen ist, verringerte sich die Austrittswahrscheinlichkeit dennoch mit zunehmender

5

Vgl. Arbeitsmarkt Monitor für die neuen Bundesländer, Schnellbericht: Daten für November 1991 Infratest Sozialforschung, März 1992 6

Es wird nicht unterschieden ob eine dauerhafte Periode der Arbeitslosigkeit vorliegt oder ob die Arbeitsdauer von kurzfristiger Beschäftigung unterbrochen ist. Im zweiten Fall handelt es sich im engen Sinn der Definition nicht um Langzeitarbeitslose. Für die wirtschaftspolitische Fragestellung ist dies jedoch weniger relevant. 7

Verbleibrate: VR U

VRi,n

-

i,n

Ei

Uj n

=

Bestand an Arbeitslosen, die zum Zeitpunkt i in Arbeitslosigkeit getreten sind und zum Zeitpunkt η noch oder wieder arbeitslos waren.

Ej

=

Eintritte in Arbeitslosigkeit zum Zeitpunkt j.

i,n

=

Zeitindizes

Austrittswahrscheinlichkeit: AR Τ

ARi,„ =

\η *

Uin

+ 1

1 - Ui>n

+

j

U,

17

Die hohe Verbleibrate im Zusammenhang mit einer im Verlauf der Arbeitslosigkeit sinkenden Austrittswahrscheinlichkeit wird zu einem Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit in Ostdeutschland führen. Bereits im kommenden Jahr werden voraussichtlich mehr als ein Drittel der Arbeitslosen länger als ein Jahr arbeitslos sein.

18

A b b i l d u n g 5:

Abgangsraten in Ost- und Westdeutschland 0,25 — Abgangsrate - West Abgangsrate - Ost

Abgangerate in Periode t · Abgänge aue Arbeitslosigkeit in t Arbeitslosenbestend in t

7 9

i

11 90

1

Î

3

5

7 9 91

11

I

1 3 92

I

Quellen: Bundesanstalt für Arbeit, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung des DIW

DIW92

Ι

Abbildung 6:

Zugangsraten in Ost- und Westdeutschland 0,07 Zugangsrate - West Zugangsrate - Ost

Zugangsrate in Periode t · Zugänge in Arbeitslosigkeit in t Erwerbstätige der Vorperiode

Quellen: Bundesanstalt für Arbeit, Volkswirtschaftliche Qesamtrechnuno des DIW

DIW92

19

Abbildung

:

Verbleib-Raten in Arbeitslosigkeit Wieviel Prozent der Eintritte waren nach ... Monaten noch arbeitslos

4 Monate Bettand November 90

8 Monate Ü 1 Eintritte März 91

12 Monate · 1 Eintritte Juli 91

Quelle: Arbeitamarkt Monitor aiehe Text für Erläuterungen

Abbildung 8:

Austrittswahrscheinlichkeiten aus Arbeitslosigkeit - Nach der Dauer der Arbeitslosigkeit Bestand Nov. 90 Eintritte März 9140% Eintritte Juli 91

Bestand Nov. 90 Eintritte März 91 .. Eintritte Juli 91 Arbeitamarkt Monitor aiehe Text für Erläuterungen.

DIW92

3

Finanzierungs- und Nutzenaspekte der Arbeitsmarktpolitik in Ostdeutschland

Im Jahresdurchschnitt 1991 wurden im Beitrittsgebiet 3,5 Mill. Arbeitnehmer durch arbeitsmarktpolitische Instrumente unterstützt oder gefördert, im April 1992 hat sich die Zahl der Betroffenen geringfügig auf 3,4 Mill. Personen verringert. Bezogen auf das Erwerbspersonenpotential von 9,8 Mill. Personen8 des Jahres 1991 sind dies 36 vH. Berücksichtigt man, daß sich die Zahl der Personen, die im Inland als Erwerbspersonen zur Verfügung stehen, durch Pendler, Frühverrentungen und Personen, die sich aus sonstigen Gründen vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, um ca. 1,1 Mill. Personen verringert hat, steigt der Anteil der Betroffenen auf 40 vH; d.h. zwei von fünf Erwerbspersonen sind entweder überhaupt nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig. Finanziert wurde die Absicherung und Förderung dieser Personen von der öffentlichen Hand, d.h. der Bundesanstalt für Arbeit und dem Bund mit 38 Mrd. D M im Jahr. Den Sozialzuschlag eingerechnet, wurden 8 Mrd. D M direkt in Form von Arbeitslosengeld - einschließlich der Beiträge für die Renten- und Krankenversicherung - gezahlt. Die restlichen Mittel wurden zur Entlastung des Arbeitsmarktes verwendet. Aufwendungen für den ostdeutschen Arbeitsmarkt Mrd. D M Ausgaben der BA für Ostdeutschland

29,87

Vorruhestandsgelder

5,20

Aufschwung Ost (ABM-Mittel)

2,50

Arbeitslosenhilfe

0,30

Sozialzuschlag Arbeitslosengeld

0,18

Insgesamt1

38,05

1

Einschließlich der Beiträge an Renten- und Krankenversicherung; allein von der Bundesanstalt für Arbeit wurden 1991 6,6 Mrd. D M an Beiträgen abgeführt.

8

Basis dieser Potentialschätzung ist die Zahl der Erwerbspersonen zum Jahresende 1989. 21

757162 786992

Anzahl

1220138 1195962

1149140

März April

Mai

Insgesamt

34 409 113400 400000 25 000 3170610 46967 138 200 400000 50000 3 369 21S

Personen geld

Empfänger

Übergang?-

Empfänger vom

Alters standsgeld

Bcstkdc il vos

Fortbildung/ VomiheABM Umschulung valent 2)

in

1840639 957132 1 947059 1 061147

VollzcitSquiAnzahl

Beschiftigte

493940 466263

520591 518849

1 615 640

14,6 436 533

15,5 15,2

17,0 16,4

10,5

279 792 365 569

179807

230537 404 853

510300

263 229 401471 246592 404 460

301300

497000 507300

3 568848

3 391549 3 354 085

3 476 268

3 283 126

464300 472300

443175 3 469 785

481000

314700 307800

297944 394 083 446 500 328470 285 025 399561 484 200 321600 455 200

900454 198 722

12,1 1610775 903645 209907 313 200 360000 183640 3 746 161 1448 847 818599 261804 324 100 360000 206519 3 664507 11,7 1 333 362 759120 313029 350500 347 370 225 885 3 598 897 11,9 1 192875 680400 348364 382900 341278 283000 3 596944 11,7 1 103449 627450 371055 .410400 335381 320000 3 571004 IM 1034 543 594 195 389861 435 200 329101 376000 3 602414

9,2 1 989815 1 104 347 62549 167800 385000 86 000 3 499513 9,5 2 018907 1118474 84 882 210400 390000 121139 3 662 268 1 968477 1 102347 113599 239000 372000 136512 3 671873 9,5 1 898 937 1 078596 148 235 272400 366700 143 991 3 672767

8,6 8,9

1) Quote

Kurzarbeiter

Quellen: Arbcitsmnrkt in Zahlen, Förderung der beruflichen Bildung. Bundesanstalt für Arbeit (Hrsg.). Berechnungen des DIW.

1) In vH der abhängigen zivilen Erwerbet!tigen (Beschäftigte und Arbeitslose).- 2) Errechnet ans dem durchschnittlichen Arbeitsanfall.

1343449 1290375

1992 Januar Februar

929318

1068639 12,1 1028751 1048527 1030719 1037709

808349 836940 842 285 9,5 842504

Juli August 1063 237 September Oktober November Dezember Jahresdurchschnitt

März April Mai j*ai

1991 Januar Februar

Monate

Arbeitslose

Arbeitslose, Kurzarbeiter und Beschäftigte in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in Ostdeutschland

Tabelle 3

Nicht berücksichtigt sind dabei Sozialplanzahlungen und andere arbeitsmarktpolitisch orientierte Unterstützungsleistungen der Treuhandanstalt. Nach Auskunft der Treuhandanstalt wurden seit der Einführung der D-Mark bis Mai 1992 von Treuhandunternehmen Abfindungen in Höhe von etwa 8 Mrd. D M gezahlt; 6 Mrd. D M davon direkt von der Treuhandanstalt als Zweckzuwendungen und 2 Mrd. DM von den Unternehmen. Allerdings sind vor allem die Angaben über die von den Unternehmen gezahlten Beträge mit erheblicher Ungenauigkeit behaftet. Zum einen, weil die Abfindungen, die von den Unternehmen vor den von Treuhandanstalt, DGB und DAG gemeinsam erarbeiteten Sozialplanrichtlinien gezahlt wurden, nachträglich nicht vollständig zu erfassen sind, zum anderen, weil Unternehmen Abfindungen nicht aus den Zweckzuwendungen der THA, sondern einfach aus den Liquiditätshilfen gezahlt haben. Werden die in Tabelle 3 ausgewiesenen Angaben über Kurzarbeiter und Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auf Vollzeitäquivalente umgerechnet, ergeben sich folgende Entlastungswirkungen9: Bei einem durchschnittlichen Arbeitsausfall von über 50 vH ergibt sich für die jahresdurchschnittlichen Kurzarbeiter ein Vollzeitäquivalent von 900 000 Personen, die ohne Arbeit gewesen wären. Die allgemeinen Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung (ABM) haben im Jahresdurchschnitt 1991 den Arbeitsmarkt direkt um 183 000 Personen entlastet. Zusätzlich zu diesen direkten Effekten wird eine indirekte Entlastung von 0,4 unterstellt (Multiplikatorwirkung), d.h. fünf ABM-Stellen schaffen zwei weitere Arbeitsplätze. Diese Größenordnung wird gestützt von Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und durch die Ergebnisse ökonometrischer Studien (Multiplikatorwirkung des Staatsverbrauchs). Der Beschäftigungseffekt der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erhöht sich dadurch auf 256 000. In diesem Jahr dürfte der Beschäftigungseffekt der AB-Maßnahmen mit rund 560 000 Personen wesentlich höher liegen. Im Laufe des Jahres 1991 wurden im Beitrittsgebiet knapp 900 000 Eintritte in Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung, Umschulung und Einarbeitung gemeldet10. Der Bestand an Teilneh-

9

Vgl. dazu: Der Arbeitsmarkt 1991 und 1992 in der Bundesrepublik Deutschland. Autorengemeinschaft. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Heft 4/91, S. 632f. 10

Vgl. Arbeitsmarkt in Zahlen, Förderung der beruflichen Bildung. Bundesanstalt für Arbeit (Hrsg.), Berichtsmonat Mai 1992, Tabelle 7a. 23

mern wird von der Bundesanstalt für Arbeit für 1991 auf durchschnittlich 280 000 geschätzt11. Der entlastungswirksame Bestand an Teilnehmern in Vollzeitmaßnahmen wird vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufeforschung auf jahresdurchschnittlich 120 000 angegeben. Die Differenz ergibt sich durch Abzug von Teilnehmern, die bereits bei den Erwerbstätigen (Teilnehmer an Einarbeitungsmaßnahmen, Kurzarbeiter in FuU-Maßnahmen) erfaßt sind oder nur im Teilzeitunterricht umgeschult wurden. Für die ersten vier Monate des Jahres 1992 wurden bereits 360 000 Eintritte registriert, der durchschnittliche Bestand an Teilnehmern wird auf knapp 480 000 geschätzt. Aufe Jahr wird eine entlastende Wirkung von 320 000 angenommen. Die Entlastung durch den Vorruhestand basiert auf einer Regelung, die die DDR-Regierung im Februar 1990 getroffen hatte. Vom 3.10.1990 an besteht als Nachfolgeregelung die Möglichkeit, über das Altersübergangsgeld vorzeitig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Die Vorruhestandsgelder nach der DDR-Regelung werden vollständig vom Bund getragen. Nimmt man alle Maßnahmen zusammen, dürfte der Arbeitsmarkt 1991 um etwa 1,8 Millionen Personen entlastet worden sein. Im Jahresdurchschnitt 1991 wären folglich ohne die Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Entlastungsmaßnahmen nicht 930 000, sondern etwa 2,7 Mill. Personen arbeitslos gewesen.

Entlastung der Arbeitslosenzahlen (in 1 000)

Kurzarbeit ABM Fortbildung und Umschulung Vorruhestand Altersübergangsgeld Zusammen

1991

1992

900 256 120 366 189

280 560 320 294 450

1831

1904

Quelle: Der Arbeitsmarkt 1991 und 1992 in der Bundesrepublik Deutschland. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Heft 4/91, S. 632f; Schätzungen des DIW.

11

Vgl. Arbeitsmarkt in Zahlen. Berichtsmonat Mai, a.a.O., Tabelle 8b; vgl. dazu: Arbeitsmarkt in Zahlen. Förderung der beruflichen Bildung, Schätzung des Bestands an Teilnahmen in Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung im Beitrittsgebiet, August 1991. 24

Fallstudien zu Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften

4

und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 4.1

Vorbemerkung

In den neuen Bundesländern gab es zum Jahresanfang 1992 rund 330 Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften, die schätzungsweise ein Viertel bis ein Drittel aller Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen betreuten. Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften haben damit im Kontext der Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern ein hohes Gewicht. Vor diesem Hintergrund werden im folgenden Praxis und Wirkungsweise von Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften eingehend dargestellt Für die Durchführung von Fallstudien wurden 19 dieser Einrichtungen, die in der nachstehenden Übersicht zusammengefaßt sind, ausgewählt. Übersicht über die untersuchten Einrichtungen Brandenburg Fallstudie A:

Gemeinnützige Arbeitsförderungsgesellschaft Prenzlau mbH (ehem. Armaturenwerk)

Fallstudie B:

Industriepark Kranbau Eberswalde GmbH, Außenstelle von TAKRAF, BIB Leipzig

Fallstudie C:

Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft mbH Finow (ehem. Rohrleitungs- und Apparatebau), Eberswalde-Finow

Fallstudie D:

Innovations- und Entwicklungsgesellschaft (INO) Hennigsdorf GmbH

Fallstudie E:

Hennigsdorfer Stahl GmbH (HSG)

Fallstudie F:

"betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit" der Lokomotiv Elektrotechnischen Werke (LEW)

Fallstudie G:

Strukturentwicklungsgesellschaft für Arbeit und Qualifizierung mbH, Zehdenick (AQUA)

Fallstudie I:

Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Regionalentwicklung Teltow e.V. (GWR)

25

Fallstudie J:

Arbeitsförderungsgesellschaft der Land- und Forstarbeiter e.V. der Region Götz/Groß Kreutz/Werder

Sachsen Fallstudie K:

Kommunale Qualifizierungs- und Sanierungsgesellschaft e.V. (KQSG) Böhlitz-Ehrenberg

Fallstudie L:

MED-LAB (Medizin- und Labortechnik) Bildungs- und Beschäftigungsgesellschaft mbH, Leipzig

Fallstudie M:

ABM-Stützpunkt der Stadt Leipzig

Fallstudie N:

Qualifizierungszentrum Region Riesa GmbH

Fallstudie Ο:

ABM in Trägerschaft des Stahl- und Walzwerkes Riesa A G (SWR)

Fallstudie Ρ:

ABS "Stahl" GmbH, Niederlassung Riesa

Fallstudie Q:

Arbeitsförderungsgesellschaft mbH Region Grödiz (AFG Grödiz)

Sachsen-Anhalt Fallstudie R:

Bitterfelder Qualifizierungs- und Projektierungs-Gesellschaft mbH (BQP)

Mecklenburg-Vorpommern Fallstudie S:

Entwicklungs- und Qualifizierungsgesellschaft mbH Wismar

Andere Institutionen Zukunft im Zentrum, Service-Gesellschaft für Besehäftigungs- und Qualifizierungsberatung GmbH i. Gr., Berlin Aufbauwerk im Freistaat Sachsen, Trägergesellschaft des Landes Sachsen

Eine repräsentative Abbildung der Grundgesamtheit war von vornherein nicht geplant. Jedoch wurde versucht, ein möglichst breites Spektrum von Regionen (s. Schaubild) und Industriestrukturen zu berücksichtigen. So wurden Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften aus nahezu allen neuen Bundesländern - mit Ausnahme von Thüringen - einbezogen. Ebenso sind sowohl Regionen mit unterdurchschnittlicher Arbeitslosenquote - wie der Raum Leipzig - als auch Gebiete mit Monostrukturen im industriellen Bereich - beispielsweise Bitterfeld und Riesa - oder

26

Trägerschaft, Größe der Gesellschaften oder der verfolgte Aufgabenschwerpunkt, waren keine Auswahlkriterien. Das Spektrum der berücksichtigten Gesellschaften ist hinsichtlich dieser Kriterien breit gefächert. Neben Einrichtungen, die "nur" ABM anbieten, gibt es auch solche, die Arbeitnehmer im Rahmen von Fortbildung und Umschulung und/oder Kurzarbeit-Null betreuen. Es wurden sowohl rein betriebliche als auch kommunale Träger untersucht. Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften sind in den neuen Bundesländern im Vorjahr zunächst überwiegend auf betrieblicher Basis gegründet worden. Diese erste große Gründungswelle vollzog sich im ersten Halbjahr 1991. Im Anschluß an diese Phase wurden dann zunehmend "überbetrieblich" orientierte Beschäftigungsgesellschaften gegründet, bzw. betrieblich orientierte in solche umgewandelt. Über die Fallstudien hinaus wurden auch Untersuchungen des wirtschaftlichen Umfeldes bei den dafür zuständigen Entscheidungsträgern in den Arbeitsministerien, Kommunen, Handwerkskammern und Arbeitsämtern durchgeführt. Zudem wurden Informationen bei einigen Landesträgergesellschaften und Serviceeinrichtungen zur Untersuchungsproblematik eingeholt.

Im Hinblick auf die nachstehende Beschreibung der Beschäftigungsgesellschaften sind vorweg zwei Anmerkungen erforderlich: - Die Fallstudien wurden als Momentaufnahmen konzipiert; die Situation in den Gesellschaften kann sich - inbesondere wegen Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen - relativ schnell ändern. - Alle Fallstudien wurden auf der Grundlage eines leitfadengestützten Interviews durchgeführt. Dennoch liegen über einige Gesellschaften sehr detaillierte Informationen vor, über andere wird dagegen nur ein grober Überblick beschrieben. Dies ist die Folge der, wenn auch in allen Fällen vorhandenen, so dennoch recht unterschiedlichen Antwortbereitschaft der Gesprächspartner und deren Öffnung nach außen. Desweiteren liegt das auch an der spezifischen Problemlage der Beschäftigungsgesellschaft.

27

Schaubild

Regionale Verteilung yon Fallstudien in Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften in den neuen Bundesländern

4.2

Fallstudien in Brandenburg

4.2.1

Fallstudien im Arbeitsamtsbezirk Eberswalde

Im Arbeitsamtsbezirk Eberswalde sind drei Fallstudien durchgeführt worden, eine in Prenzlau, zwei in Eberswalde. In der gesamten Region lebten am 30.6.1991 rund 345 000 Menschen, davon waren noch schätzungsweise 43 vH erwerbstätig, im September 1989 waren es demgegenüber in etwa 50 v H 1 2 (Tabelle 4). Die Beschäftigtenstruktur nach Wirtschaftsbereichen zeigt, daß vor der Einheit in dieser Region knapp ein Drittel aller Beschäftigten im produzierenden Gewerbe tätig waren, ein Viertel im Dienstleistungsbereich und gut 20 vH in der Landwirtschaft. Zwischen den beiden Kreisen in denen Fallstudien durchgeführt wurden, gibt es jedoch erhebliche Unterschiede in der Beschäftigtenstruktur: In Eberswalde liegt der Schwerpunkt eindeutig im produzierenden Gewerbe (37 vH), in Prenzlau dominiert dagegen die Landwirtschaft (33 vH). Gemessen an der Verteilung der Beschäftigten im Land Brandenburg insgesamt ist die Bedeutung des produzierenden Gewerbes hier wesentlich geringer, dagegen liegt sie in der Landwirtschaft deutlich über dem Landesdurchschnitt. Ausgeprägter ist der Unterschied in der Beschäftigtenstruktur des Arbeitsamtsbezirkes Eberswalde im Vergleich zu den neuen Bundesländern insgesamt (Tabelle 5).

Der Arbeitsamtsbezirk Eberswalde gehört zu den Problemregionen in den neuen Bundesländern; Knapp 16 vH aller in Brandenburg registrierten Arbeitslosen, aber nur 13 vH der Bevölkerung Brandenburgs entfällt auf den Arbeitsamtsbezirk Eberswalde. Mit einer Arbeitslosenquote von 18 vH liegt der Arbeitsamtsbezirk um 3 vH-Punkte sowohl über der Quote des Landes Brandenburg als auch über der, die für Ostdeutschland insgesamt ausgewiesen wird (Tabelle 6). Geringer als in anderen Arbeitsamtsbezirken Brandenburgs ist dort gegenwärtig das Ausmaß der Kurzarbeit. Mit rund 4 950 Personen - Kurzarbeiter umgerechnet in Vollzeitäquivalente - hat Eberswalde 15 vH aller Kurzarbeiter des Landes Brandenburg. Von Kurzarbeit betroffen sind im Arbeitsamtsbezirk mehr als 8 800 Menschen. Im gesamten Arbeitsamtsbezirk gibt es gegenwärtig 18 Beschäftigungsgesellschaften, in denen rund 720 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Insgesamt waren mit Stand April 1992 rund 12 300 Personen in FuU und weitere 10 850 Personen - schätzungsweise ein Zehntel der Bevölkerung

12

Berufstätigenerhebung von 1989 beziehungsweise von 1990. 29

im arbeitsfähigen Alter - in AB-Maßnahmen einbezogen. Eine globale Kennziffer für arbeitsmarktpolitische Aktivitäten ist das Verhältnis von ABM je 100 Arbeitslose, im Arbeitsamtsbezirk beträgt diese 37; demgegenüber im Land Brandenburg 34. Weitere 16 000 Personen, das sind rund 7 vH der im Bezirk lebenden Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter, nehmen Altersübergangsgeld oder die Vorruhestandsregelung in Anspruch und entlasten damit den regionalen Arbeitsmarkt. 4.2.1.1

Fallstudie in Prenzlau

4.2.1.1.1

Regionales Umfeld

Die Stadt Prenzlau liegt in einem stark ländlich geprägten Raum. Im September 1989 waren von den damals 21 700 Beschäftigten des Kreises Prenzlau etwa ein Drittel in der Landwirtschaft tätig. Im produzierenden Gewerbe - ohne Bau - waren es dagegen nur 20 vH. Von diesen wiederum war gut die Hälfte auf den Metall-, Maschinen- und Fahrzeugbau konzentriert. Mit rund 1 200 Arbeitnehmern war zu dieser Zeit das Industriearmaturenwerk Prenzlau der weitaus größte Arbeitgeber der Region. Neben einer überdimensionierten Verwaltungs- und Sozialabteilung hatte das Armaturenwerk Prenzlau auch einen überaus großen Bereich Konstruktion sowie umfangreiche eigene Instandhaltungsabteilungen. In der Produktion selbst waren lediglich ungefähr 400 Personen im Drei-Schicht-System tätig. Produziert wurde eine breite Produktpalette, bestehend aus Armaturen für die chemische Industrie, beispielsweise für die Kombinate Schwedt, Bitterfeld und Leuna-Merseburg, für Kühlhäuser sowie für den Schiffsbau. Bereits im Sommer 1990 war der überwiegende Teil der Belegschaft in Kurzarbeit-Null versetzt worden, so daß im Armaturenwerk selbst nur noch 400 Arbeitskräfte beschäftigt waren. Nach einem ersten Sanierungskonzept sollte das restliche Armaturenwerk als ganzes erhalten bleiben und privatisiert werden. Dieses Konzept konnte allerdings nicht realisiert werden. Nach einem zweiten Sanierungskonzept, das gegenwärtig bereits weitgehend realisiert ist, wird das Armaturenwerk in drei größere Betriebe gespalten. Die Gas- und Wasserarmaturen sind mit rund 90 Arbeitnehmern an eine Gesellschaft mit Schweizer Beteiligung vergeben worden. Jeweils 40 Beschäftigte sollen im Bereich Kältetechnik und Kugelhahnarmaturen ebenfalls im Rahmen der Privatisierung noch in diesem Jahr übernommen werden. Von einem Unternehmen aus den Altbundesländern wurde der Sanitärbereich aufgekauft, damit konnte ungefähr 130 Arbeitnehmern zumindest für 1992 eine Übernahme gewährt werden.

30

Knapp 100 Arbeitnehmer sind noch für Abwicklungsarbeiten in dem ehemaligen Armaturenwerk verblieben. Aus dem früheren Werkzeugbau des Betriebes sind 15 Mitarbeiter in die jetzige Prenzlauer Maschinenbau GmbH gewechselt und 20 Arbeitnehmer sind von einem aus dem Armaturenwerk ausgegründeten Bauhof übernommen worden. 230 Arbeitnehmer des Armaturenwerkes schließlich sind in die Arbeitsförderungsgesellschaft Prenzlau gewechselt. Neben dem Zusammenbruch der Landwirtschaft führte insbesondere der Rückgang der Produktion im Armaturenwerk, nicht zuletzt aufgrund des stockenden und ausbleibenden Absatzes in die Sowjetunion und die Ostblockländer, zu einem überdurchschnittlich hohen Beschäftigtenabbau in Prenzlau. Hinzu kam, daß auch die meisten anderen Betriebe Prenzlaus und der Umgebung, in denen früher jeweils bis zu 150 Mitarbeiter tätig waren, ihre Belegschaften auf 25 und weniger Beschäftigte reduziert haben. Seit Beginn des Jahres 1992 gibt es in der rund 23 300 Einwohner zählenden Stadt nunmehr ständig mehr als 4 000 Personen, die offiziell arbeitslos gemeldet sind. Die Arbeitslosenquote liegt bei mehr als 20 vH, Jugendliche sind dabei in besonderem Maße betroffen. Im Vergleich dazu: Für den gesamten Arbeitsamtsbezirk Eberswalde wird gegenwärtig eine Arbeitslosenquote von 18 vH ausgewiesen, für Brandenburg insgesamt 15 vH (Tabelle 6). Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Region überwiegen derzeit noch ganz eindeutig. Aber auch für die künftige Entwicklung läßt sich nur schwerlich eine günstige Einschätzung abgeben: Zwar verfügt die Region Prenzlau durch stillgelegte landwirtschaftliche Flächen über große Freiflächen und damit über potentielle Möglichkeiten für die Ansiedlung auch industriellen Gewerbes. Gerade wird ein 25 ha großer Gewerbepark nördlich von Prenzlau errichtet. Weitere Arbeitsplätze scheint sich die Region durch die vorgesehene Eröffnung eines Schlachthofes sichern zu können. Auch gibt es zahlreiche Gewerbeanmeldungen, diese allerdings überwiegend im Handel. Nach der Statistik13 entfielen allein von Anfang 1991 bis Ende September 1991 im Saldo der Gewerbeanzeigen und -abmeldungen knapp die Hälfte aller Gewerbebetriebe in der Stadt Prenzlau auf den Handel, darunter insbesondere Autohandel und Versicherungsagenturen. Demgegenüber gab es im gleichen Zeitraum lediglich 10 neu gegründete Gewerbebetriebe im industriellen Bereich.

13

An- und Abmeldungen gewerblicher Arbeitsstätten im Land Brandenburg 1.1. bis 30.9.1991, Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Brandenburg. Auch aus den Angaben für das 1. Quartal 1992 läßt sich die oben beschriebene Tendenz erkennen. 31

Bislang sind industrielle Ansiedlungserfolge in Prenzlau also gering, weitere noch nicht gesichert, die Auskünfte über Investoren und deren Vorhaben nicht konkretisierbar. Erschwerend kommt hinzu, daß der Wirtschaftsraum Berlin mit rund 180 km zu weit entfernt ist, als daß noch eine auf Prenzlau positiv wirkende Ausstrahlung zu erwarten ist. Auch die sicherlich günstige Autobahnanbindung in Richtung Berlin einerseits, nach Polen-Stettin andererseits wird somit nicht in dem Maße Geltung haben wie sie für die Region Prenzlau erforderlich wäre. Die überaus großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Region hatten auch Abwanderungen der Bevölkerung größeren Ausmaßes zur Folge. Vermutlich mehr als 2 000 Personen haben allein von Ende 1989 bis Ende 1990 die Stadt verlassen, vielerorts wird auch mit weiteren Abwanderungen gerechnet, insbesondere von qualifizierten und jungen Menschen. Dieser Situation hat auch die Region Prenzlau mit arbeitsmarktpolitischen Mitteln versucht entgegenzuwirken. So ist neben der gemeinnützigen Arbeitsförderungsgesellschaft Prenzlau ein ländlicher Arbeitsförderverein als Koordinator für ungefähr 2 200 AB-Maßnahmen der Gemeinden des Kreises Prenzlau tätig. Allerdings sind die arbeitsmarktpolitischen Initiativen starken Einschnitten unterlegen. So beträgt das monatliche ABM-Kontingent bei einer kontinuierlichen Bewilligung für das laufende Jahr lediglich 33 Neubewilligungen. Neben der Nutzung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente sind vom Kreis Prenzlau auch wirtschaftsfördernde Maßnahmen entwickelt worden. Als Grundlage dafür wurde zunächst die Erstellung eines Entwicklungskonzepts über die Nord-Uckermarck 14 bei einer Unternehmensberatung aus West-Berlin in Auftrag gegeben. Ein Ergebnis dieses Auftrages ist, daß ein Regionalverband mit koordinierenden Aufgaben gegründet werden soll.

4.2.1.1.2

Fallstudie A Gemeinnützige Arbeitsförderungsgesellschaft Prenzlau mbH

i. Gründung Die gemeinnützige Arbeitsförderungsgesellschaft Prenzlau wurde am 26. August 1991 gegründet. Gesellschafter waren:

14

Das Entwicklungskonzept war als die Fallstudie durchgeführt wurde noch nicht für die Öffentlichkeit verfügbar. 32

- der von dem ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden, betroffenen Kurzarbeitern und Entlassenen des Armaturenwerks Prenzlau getragene Arbeitsförderungsverein Prenzlau mit einem Gesellschafteranteil von 30 vH, - das zum Treuhandbesitz gehörende Armaturenwerk Prenzlau, - die Brandenburger Konsistorenwerke, - der Mittelstandsverband Brandenburg mit einem Anteil von 30 vH, - der überregional organisierte Arbeitgeberverein Prenzlau mit einem lOprozentigen Anteil, - verschiedene kleinere und mittlere ortsansässige Betriebe, beispielsweise das ehemalige Kraftfahrzeuginstandsetzungswerk. Als die Fallstudie durchgeführt wurde - Ende April 1992 - waren die Mittelstandsvereinigung Brandenburg sowie der Arbeitgeberverein als Gesellschafter ausgeschieden und deren Anteile von einem Treuhänder durch privates Kapital übernommen worden. Mit der Treuhandanstalt - zuständig ist Potsdam - konnte zwar erst im April 1992 ein Kooperationsvertrag entsprechend der Richtlinien zur Gründung von ABS-Gesellschaften vom Juli 1991 abgeschlossen werden, bereits seit Gründung wurde die Arbeitsförderungsgesellschaft aber von der Treuhandanstalt materiell undfinanziell, beispielsweise durch die Nutzung von Liegenschaften und Räumen, unterstützt. Vorgesehen war zum Gründungszeitpunkt, daß die Arbeitsförderungsgesellschaft für rund 1 000 Personen als Auffanggesellschaft fungieren sollte, schwerpunktmäßig für Arbeitnehmer aus dem Armaturenwerk Prenzlau sowie aus den brachliegenden Landwirtschaftsbetrieben des Umlandes. Die quantitative Zielsetzung konnte bei dieser Beschränkung allerdings nicht realisiert werden. Die Arbeitsförderungsgesellschaft will nunmehr für alle Arbeitnehmer der Region zuständig sein. In Kürze werden AB-Maßnahmen der Stadt Prenzlau auslaufen, danach soll die Arbeitsförderungsgesellschaft auch für kommunale Maßnahmen federführend tätig sein. Die Arbeitsförderungsgesellschaft finanziert sich zum weitaus größten Teil über Mittel nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Vom Land Brandenburg hat die Gesellschaft eine Anschubfinanzierung erhalten. EG-Mittel sind dagegen von der Gesellschaft bisher nicht in Anspruch genommen worden.

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ii. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen • ABM In der Arbeitsförderungsgesellschaft gibt es derzeit rund 230 ABM-Stellen. Die Entlohnung erfolgt nach einem mit der IG-Metall ausgehandelten Tarifvertrag. Lediglich eine Geschäftsführerstelle wurde bis Ende Februar 1992 über die Treuhand finanziert.

Der Maßnahmenschwerpunkt liegt in der Sanierung und Entsorgung eines Teils des Geländes des Armaturenwerkes Prenzlau, dazu gehören die Demontage, Schrottwiederaufbereitung und Abrißarbeiten zur Herstellung eines Gewerbehofes. Die Maßnahme wurde bereits im Vorjahr beantragt, so daß die Arbeitsförderungsgesellschaft dafür Sachkosten zu mehr als 80 vH als öffentliche Mittel bekommt. Weitere Projekte dieser Gesellschaft sind eine eigene Schlosserei und Tischlerei. Darüber hinaus haben rund 40 Arbeitnehmer in eher sozialen Projekten Arbeit erhalten. Dazu gehören eine Kantine und Küche, Näh- und Plättstube, in der insbesondere ältere Arbeitnehmer und Langzeitarbeitslose - also schwervermittelbare Personen - beschäftigt werden. Zudem werden von der Gesellschaft Dienstleistungen wie Kinderversorgung und Betreuung von alten Menschen angeboten. Ein Teil der bewilligten Projekte wird bereits zum Ende des laufenden Jahres auslaufen. Lediglich ein Arbeitsvertrag ist zwischenzeitlich von Seiten der Arbeitsförderungsgesellschaft im Rahmen einer fristlosen Kündigung aufgelöst worden. Darüber hinaus gab es sieben Kündigungen von Arbeitnehmern, in der Regel, weil diese eine feste Arbeitsstelle gefunden hatten. • Fortbildung

und Umschulung

Seit September 1991 wollte die Arbeitsförderungsgesellschaft sich in stärkerem Maße auf Umschulungen ausrichten. Damit versuchte sie relativ schnell auf die seit Mitte letzten Jahres verabschiedeten Erlasse der Bundesanstalt für Arbeit zur "Qualitätssicherung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen" zu reagieren. Vor allem lief eine Initiative für Maßnahmen im Baubereich. Dabei gab es jedoch organisatorische Hemmnisse, die die zeitliche Umsetzung dieser Qualifizierung stark verzögerte. So konnte zwar zunächst ein Hamburger Bildungsträger für die Qualifizierung gefunden werden. Eine Durchführung scheiterte jedoch schließlich daran, daß das Arbeits-

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amt die vom Bildungsträger angesetzten Kosten nicht vollständig finanzieren wollte. Seit Anfang des Jahres sind nunmehr von der Arbeitsförderungsgesellschaft in Kooperation mit zwei Bildungsträgern verschiedene Bildungsmaßnahmen begonnen worden. Zur Zeit werden rund 230 Personen in FuU von der Arbeitsförderungsgesellschaft betreut.

Das Spektrum von FuU reicht von dem 20prozentigen Bildungsanteil für ABM-Kräfte über Anpassungsmaßnahmen bis hin zur Erstausbildung, in der sich allein 60 Personen befinden. Qualifiziert wird sowohl im kaufmännischen als auch im gewerblichen Bereich. Als besonders zukunftsträchtige Maßnahme wird eine im Mai 1992 beginnende Qualifizierung für jetzt noch in AB-Maßnahmen tätige Konstrukteure und Technologen wie auch eine Anpassungsmaßnahme für 20 Hochschulingenieure angesehen. Die Einweisung von Personen in FuU erfolgt prinzipiell über das zuständige Arbeitsamt. In der Regel werden dabei allerdings die von der Gesellschaft vorgelegten Personalkonzepte auch weitgehend berücksichtigt. • Kurzarbeit-Null Die Arbeitsförderungsgesellschaft hat keine Arbeitnehmer in Kurzarbeit-Null. Bereits im Sommer 1990 wurden von den damals rund 1 000 Beschäftigten des Armaturenwerkes Prenzlau zwar ungefähr 600 in Kurzarbeit-Null geschickt. Die Arbeitsförderungsgesellschaft war aber von Anfang an darauf ausgerichtet, ABM-finanzierte Stellen zu besetzen. iii. Ausgründungen - Existenzgründungen - Perspektiven Die Möglichkeiten für Ausgründungen hängen nach Ansicht der für diese Gesellschaft Verantwortlichen ganz entscheidend davon ab, ob die Finanzierung von A B M insbesondere auf Randgruppen des Arbeitsmarktes abstellt. Einem Teil der Projekte, die in Prenzlau noch auf der Basis der Sonderregelungen für ABM in den neuen Bundesländern angelaufen und bewilligt worden sind, werden relativ gute Chancen für Ausgründungen in eine eigenständige Existenz auf privatwirtschaftlicher Basis gegeben. So sind bis zum Ende des laufenden Jahres auch noch einige Existenzgründungen geplant. Damit sollen bis Anfang 1993 zunächst einmal zwischen 100 und 120 Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt entstehen. Besonders günstig wirkt sich aus, daß

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in dem Armaturenwerk hochqualifiziertes Personal wie Konstrukteure, Bauingenieure und Technologen tätig waren.

Privatwirtschaftlich organisiert werden sollen die Bereiche Umwelt/Umwelttechnik und alternative Energien. Die Arbeitsförderungsgesellschaft will dabei jeweils lOOprozentiger Gesellschafter der zu gründenden Unternehmen sein. Zudem gibt es bereits mehrere Unternehmen als Kooperationspartner. Nachstehend sind einzelne Projekte mit Ausgründungsvorhaben aufgeführt:

- Zulieferung für Einzelteile in der Solartechnik. - Ingenieurwissenschaftliche Dienstleistungen für den Anlagenbau und Produktentwicklung: Nach Einschätzung der Gesellschaft werden solche Dienstleistungen gegenwärtig überwiegend aus West-Berlin erbracht, damit gehen der Region Prenzlau Millionenbeträge verloren. - Einen Industrieservice, der sich aus der Schlosserei entwickeln soll: Sein Angebot wird sowohl Reparaturen als auch Produktentwicklung umfassen. Beispielsweise Produkte für die Stadtmöblierung (Parkbänke, Straßenlaternen u. ä. m.). - Entsorgung und Recycling von umweltbelastenden Materialien wie FCKW (beispielsweise Entsorgung von Kühlschränken). - Nachwachsende Rohstoffe: noch in diesem Jahr soll bereits eine Fläche von 5 ha angebaut werden.

Daneben will die Arbeitsförderungsgesellschaft versuchen, auch für die eher dem sozialen Bereich zuzuordnenden Maßnahmen privatwirtschaftliche Alternativen aufzuzeigen. Vorstellungen gibt es beispielsweise hinsichtlich einer Küchen- und Kantinenausgründung. Diese könnten bei den verschiedensten (örtlichen) Veranstaltungen wie auch für Schulen und Betriebe Versorgungsleistungen übernehmen.

Gegenwärtig werden Überlegungen in der Arbeitsförderungsgesellschaft verstärkt, eine rechtlich eigenständige Kapitalbeteiligungsgesellschaft zu gründen. Nach anfänglichem Desinteresse gibt es dafür auch ausreichend Interessierte.

iv. Konkurrenz zur Privatwirtschaft

Von Seiten der Gesellschaft ist eine Verdrängung des privaten Handwerks durch A B M bisher

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nicht erfolgt. Zwar kam es anfänglich bei einzelnen Maßnahmen - beispielsweise in der Nähstube - zu Schwierigkeiten zwischen in der Region ansässigen Handwerksbetrieben und der Arbeitsförderungsgesellschaft. Im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung zwischen der zuständigen Handwerkskammer und der Gesellschaft sind aber für solche Fälle jeweils Lösungen gefunden worden.

In der Arbeitsförderungsgesellschaft ist der Eindruck entstanden, daß sich einige Konkurrenzsituationen aus einer fehlenden Erfahrung der Handwerksbetriebe im Umgang mit öffentlichen Ausschreibungen und einer nicht ausreichenden Grundlage betriebswirtschaftlichen Wissens, das zur Führung eines Gewerbe- oder Handwerksbetriebes erforderlich ist, erklären lassen. Aus diesem Grunde ist die Gesellschaft initiativ geworden und hat Handwerksbetrieben eine entsprechende Kurzqualifizierung angeboten. In den meisten Bereichen, in denen über ABM Aufträge durchgeführt wurden, die sich auch für private Betriebe geeignet hätten, fehlten jedoch Angebote von Handwerksbetrieben. 4.2.1.2

Fallstudien in Eberswalde

4.2.1.2.1

Regionales Umfeld

Eine für den Arbeitsamtsbezirk Eberswalde untypische Verteilung der Beschäftigten auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche hatte vor der Wende der Landkreis Eberswalde: Im September 1989 waren von den gut 42 000 Beschäftigten dieser Region allein 37 vH oder 15 540 Personen im produzierenden Gewerbe tätig. Gut ein Drittel dieser Beschäftigten waren in Betrieben des Metall-, Maschinen- und Fahrzeugbaus. Der in der Fallstudie Β beschriebene Kranbau Eberswalde hatte allein 3 100 Beschäftigte. Der rapide Beschäftigtenabbau in diesem Betrieb stellte die Existenz des Industrie- und Maschinenbaustandortes Eberswalde insgesamt in Frage. Hinzu kommt, daß auch der zweitgrößte Arbeitgeber des Kreises, das Walzwerk Eberswalde, umfangreichere Entlassungen vornehmen wird.

In der Stadt Eberswalde sind im März 1992 mehr als 5 900 Personen als arbeitslos registriert gewesen, die Arbeitslosenquote betrug damit 14,6 vH. Im Vergleich zum Arbeitsamtsbezirk Eberswalde (18,1 vH) oder zum Land Brandenburg insgesamt (15,4 vH) ist die Situation in der Stadt Eberswalde damit etwas weniger ungünstig. Eine nicht unwesentliche Entlastung des Arbeitsmarktes entsteht vermutlich durch Arbeitspendler in den Wirtschaftsraum Berlin, der von Eberswalde aus mit ungefähr 70 km Entfernung sowie Autobahn- und Bahnanbindung noch

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relativ gut zu erreichen ist. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen werden in Eberswalde vor allem von zwei Arbeitsförderungsgesellschaften, der aus dem Rohrleitungs- und Apparatebau Eberswalde hervorgegangenen Beschäftigungsgesellschaft (Fallstudie C), und dem ökologischen Bildungswerk sowie der BiBAußenstelle im Kranbau Eberswalde (Fallstudie B), daneben von einem Arbeitsförderverein und der Kommune durchgeführt. Eine stärkere Koordination der AB-Maßnahmen wird in der Stadt angestrebt. Dazu ist beabsichtigt, daß die in der Fallstudie C vorgestellte Beschäftigungsgesellschaft künftig auch als Träger für AB-Maßnahmen der Stadt und des Kreises zuständig ist. Eine - für die Region Eberswalde insgesamt betrachtet - eher unbedeutende Rolle spielen die Maßnahmen des Kranbau Eberswalde. Dies ist offensichtlich damit zu erklären, daß die betriebliche Orientierung dort überwiegt. Nur geringe arbeitsmarktpolitische Wirkungen werden auch dem Arbeitsförderungsverein zugesprochen.

Die Durchsetzung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen in Eberswalde wurde nach Meinung vieler in der Stadt in starkem Maße dadurch gehemmt, daß in entscheidenden Positionen des Arbeitsamtes eine hohe Fluktuation herrschte. Es ist jedoch absehbar, daß dieser Zustand sich ins Positive ändern wird; damit erscheint die Kontinuität hinsichtlich arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen gesichert. Deutlich ist, daß die wirtschaftlichen Perspektiven der Region gegenwärtig noch weitgehend unsicher sind. Die Zahl der Kurzarbeiter im Metallbereich in der Region Eberswalde ist nach wie vor hoch, ein großer Teil der AB-Maßnahmen wird zum Ende dieses Jahres auslaufen. Wenn auch von Seiten des Landrats der Region betont wird, daß es eine Reihe von Ansiedlungsabsichten für Eberswalde gibt, zeichnet sich bislang keine adäquate Alternative für den ehemaligen Metallstandort ab, und dies obwohl beispielsweise mit dem Gelände der Kranbau Eberswalde günstige, erschlossene Industrieflächen sofort nutzbar wären. In einigen Einschätzungen und Aussagen zur Entwicklung der Region Eberswalde wird denn auch von einem Überangebot an Gewerbeflächen gesprochen. Verwiesen wurde auch auf die Unsicherheiten in bezug auf Ansiedlungsabsichten: So ist gerade kürzlich erst ein spektakulärer Ansiedlungswunsch einer japanischen Unternehmensgruppe, die die Schaffung von 5 000 Arbeitsplätzen zusagte, an nicht erfüllbaren Vorbedingungen für die Stadt und den Kreis gescheitert. Die wirtschaftsfördernden Maßnahmen sowie die Koordination von Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik sollen künftig auch von dem Verein "Pro Eberswalde" wahrgenommen werden. Hiervon verspricht man sich eine kontinuierli-

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chere und effizientere Arbeit.

Ganz augenscheinlich vollzieht sich im Kreis und im besonderen Maße in der Stadt ein Strukturwandel zugunsten von Handel und Dienstleistungen. Auch aus der Statistik läßt sich dies ablesen: So hat sich in Eberswalde vom 1.1.1991 bis zum 30.9.1991 der Bestand an Gewerbebetrieben im Handel um 270 erhöht, relativ unbedeutend ist demgegenüber die Bestandserweiterung um 35 bei den industriellen Gewerben. Gemessen allerdings an der Relation "Erhöhung des industriellen Gewerbebestandes" zu "Erhöhung des Gewerbebestandes ingesamt" im Land Brandenburg hat Eberswalde eine um 3 vH-Punkte günstigere Entwicklung. 4.2.1.2.2

Fallstudie Β Kranbau Eberswalde GmbH - Außenstelle Eberswalde der TAKRAF Bildungsund Beschäftigungsgesellschaft (BiB), Leipzig

i. Gründung Die Außenstelle der TAKRAF Bildungs- und Beschäftigungsstelle (BiB), Leipzig 15 in Eberswalde ist eine Auffangeinrichtung vorrangig für Arbeitnehmer der Kranbau Eberswalde GmbH. Die Außenstelle Eberswalde wird zwar von einem Geschäftsführer vor Ort geleitet, wird aber von der Zentrale in Leipzig finanziert und ist dieser gegenüber rechenschaftspflichtig. Damit liegt die Leitung der Außenstelle Eberswalde letztlich bei der Hauptverwaltung in Leipzig. Der Kranbau Eberswalde hatte vor der Währungsunion 3 350 Beschäftigte, davon waren rund 250 in einem Betrieb in Frankfurt/Oder tätig. Gefertigt wurden Industriekräne u. a. auch für den Hamburger Hafen. Früher wurden im Monat ungefähr 10 bis 12 komplette Kräne gebaut. Mit dem Ausbleiben der Aufträge sind in Eberswalde rund 1 200 Beschäftigte entlassen worden, in Frankfurt/Oder weitere 90. Der Kranbau Eberswalde ist derzeit noch in Treuhandbesitz, seine Zukunft ist gegenwärtig vollkommen offen. Das Gelände der Kranbau Eberswalde bietet günstige infrastrukturelle Voraussetzungen wie volle industrielle Erschlossenheit und Anbindung an Bahn-, Wasser- und Straßenverkehr. Nach derzeitigen Vorstellungen soll es weitgehend als Industriegelände erhalten

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Von der TAKRAF in Leipzig mußten gut 20 000 Arbeitnehmer aufgefangen werden, dazu wurde u. a. die BiB gegründet. 39

bleiben und dazu in Teilstücken vermietet und verpachtet werden.

iL Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen

• Allgemeines Mit der Kündigung erhielten die betroffenen 1 200 Beschäftigten des Kranbau Eberswalde zugleich ein Schreiben der BiB, Leipzig, daß jeder Arbeitnehmer sich in der BiB-Außenstelle Eberswalde auf einen Platz für eine AB-Maßnahme oder Qualifizierung bewerben könne. Für die Arbeitnehmer, die schließlich in ABM oder FuU eingemündet sind, hat die Treuhandanstalt die Abfindungen auf ein Sondervermögenskonto der BiB überwiesen. • ABM Nach der Planung sollten 285 Arbeitnehmer über ABM aufgefangen werden. Realisiert wurden 250 ABM- Stellen, von denen 54 mit Frauen besetzt sind. Über das Arbeitsamt Eberswalde sind 48 Langzeitarbeitslose direkt in die Maßnahmen der Kranbau eingewiesen worden. Die übrigen Stellen (202) sind mit Arbeitnehmern von der Kranbau Eberswalde besetzt. Als Trägerbetrieb der AB-Maßnahmen stellt der Kranbau zunächst bis zum 31.12.1992 Räume und Werkstätten kostenlos zur Verfügung und hat Vorfinanzierungen zugesichert. Auch wird, da die Kranbau Trägergesellschaft ist, der Betriebsrat eingeschaltet. Da sich der Kranbau noch in Treuhandbesitz befindet, mußten zudem alle AB-Maßnahmen von der Treuhandanstalt genehmigt werden. Als die Fallstudie durchgeführt wurde, war noch nicht geklärt, ob die Bezahlung eines Teils des Führungspersonals, das ebenfalls über ABM finanziert wurde, noch über den 30.4.1992 hinaus gesichert werden konnte. Von den bewilligten und begonnenen Maßnahmen läuft die letzte Maßnahme nach dem gegenwärtigen Stand Ende September 1992 aus. Die Absicht der BiB-Außenstelle ist es, ABM für zwei Jahre zu nutzen und zugleich zu versuchen, Arbeitnehmern den Übergang auf einen regulären Arbeitsplatz zu ermöglichen. So versucht die Geschäftsführung beispielsweise dort, wo im Rahmen von AB-Maßnahmen Leistungen beispielsweise für künftige Investoren durchgeführt werden, Übernahmen auszuhandeln. Zum anderen besteht auch die Intention, falls im Kranbau wieder Arbeitskräfte eingestellt werden, diese zunächst aus dem Reservoir der ABM-Kräfte auszuwählen.

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Bei den Maßnahmen, die ganz überwiegend noch im Vorjahr nach den Sonderregelungen für die neuen Bundesländer bewilligt wurden, dominieren Entsorgungsarbeiten, Demontage von Flächen des Kranbaus und deren anschließende Herrichtung zum Zwecke der Vermietung und Verpachtung an private Investoren. Ein Teil der Maßnahmen läuft auch im sozialen Bereich. Für die AB-Maßnahmen ist ein Qualifizierungsanteil mit 20 vH der Arbeitszeit vorgesehen. Auf Empfehlung der BiB Leipzig soll die Qualifizierung en bloc und, da es sich bei der Arbeit weitgehend um Außentätigkeiten handelt, in der Schlechtwetterperiode stattfinden.

Hinsichtlich der Motivation der Arbeitnehmer in ABM wurde von der Außenstelle Eberswalde darauf verwiesen, daß ungefähr 120 Arbeitnehmer im Anschluß an ABM auch in eine FuUMaßnahme vermittelt werden wollen. Auch die geringe Zahl von fünf Kündigungen, die bisher von Seiten der Geschäftsführung aus disziplinarischen Gründen erfolgten, sind ein Beleg dafür, daß es im Kranbau bislang nur geringe Motivationsprobleme gab.. • Fortbildung

und Umschulung

In FuU befinden sich 73 Arbeitnehmer in rund 30 verschiedenen Maßnahmen, für die unterschiedliche Bildungsträger eingeschaltet wurden. Die Auswahl der Teilnehmer erfolgte in Abstimmung mit dem Arbeitsamt Eberswalde. Vom Altenpfleger über eine Anpassungsqualifizierung im kaufmännischen Bereich bis hin zu Kursen für CAD- und CNC-Technik wird ein breites Spektrum angeboten. Auch eine Maßnahme nach § 41a AFG wird in Kürze begonnen. • Kurzarbeit-Null Zum Zeitpunkt der Befragung wurden noch 20 Personen in Kurzarbeit-Null in der Außenstelle aufgefangen. Zudem gibt es eine ABM-Stelle zur Leitung und Organisation von Kurzarbeitern, die zunächst aber nur bis zum 14.5.1992 finanziert war. • Ausscheiden von Arbeitnehmern aus ABM, FuU oder Kurzarbeit-Null Die Fluktuation in der Außenstelle ist relativ hoch, allein im ersten Quartal 1992 sind 79 Arbeitnehmer - insbesondere höherqualifizierte und bemerkenswerter Weise ältere - auf eigenen Wunsch aus Maßnahmen ausgeschieden. Dies ist durchaus positiv zu interpretieren, denn die Geschäftsführung gibt an, daß vermutlich die Mehrzahl dieser Arbeitnehmer in eine reguläre

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Beschäftigung gewechselt ist. Ob diese Arbeitnehmer in der Region verblieben sind oder in den naheliegenden Wirtschaftsraum Berlin pendeln bzw. ob die Arbeitnehmer letztlich tatsächlich an dem neuen Arbeitsplatz eine gesicherte Arbeit haben, ist jedoch nicht nachzuvollziehen. iii. Ausgründungen - Existenzgründungen - Perspektiven

Aus Sicht der Außenstelle Eberswalde sind Ausgründungen im Rahmen ihrer Aktivitäten überhaupt nicht angestrebt gewesen. Die Außenstelle hatte von vornherein - im Gegensatz zur Situation in Leipzig - die Aufgabe, insbesondere den Arbeitnehmern vom Kranbau eine Brücke zu neuen Arbeitsplätzen in anderen Unternehmen zu schlagen, und nicht die Zielsetzung privatwirtschaftliche Initiativen anzustoßen. So sind in Eberswalde anders als in der BiB Leipzig auch keine Aktivitäten bezüglich Produktinnovation und Markterkundung festzustellen. Allerdings sind im Vorfeld von Seiten des Betriebes Kranbau Eberswalde einigen Mitarbeitern Angebote gemacht worden, Betriebsteile, die ausgegliedert werden sollten, in privatwirtschaftlicher Verantwortung zu übernehmen. Dies führte allerdings nur in Einzelfällen zu kleineren Existenzgründungen - beispielsweise die Ausgliederung des Baubereichs. Die zahlreichen Existenzgründungen in der Region in den Bereichen Handel und sonstige Dienstleistungen stehen wohl nicht unmittelbar im Zusammenhang mit den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der BiB-Außenstelle. 4.2.1.23

Fallstudie C Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft mbH, Finow-Eberswalde

i. Gründung Im November 1991 wurde die gemeinnützige Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Finow-Eberswalde (BQG) als betriebliche Auffanggesellschaft für die Beschäftigten des Rohrleitungs- und Apparatebaus Eberswalde gegründet. Mit der Treuhandanstalt und dem Stammbetrieb wurde zunächst ein Kooperationsvertrag geschlossen, nachdem Räume kostenlos genutzt werden konnten, eine Managementfinanzierung für ein Jahr übernommen und Finanzierungshilfen zugesagt wurden. Der Stammbetrieb hatte seine Belegschaft von ehemals 1 200 Beschäftigten (einschließlich ausländischen Arbeitskräften) bis Ende 1991 auf 230 reduziert. Gegenwärtig ist zudem wegen auftragsbedingter Produktionsausfälle Kurzarbeit angemeldet worden. Der Kernbetrieb ist nunmehr als Finower Rohrleitungs- und Apparatebau (FRAP) tätig. Flächenmäßig beschränkt 42

sich der Betrieb auf ein Fünftel seiner früheren Fläche. Die restliche Fläche ist bereits vermarktet, teilweise vermietet. Eine Privatisierung für den Kernbetrieb ist bisher nicht absehbar. Erst kürzlich ist die rechtliche Konstellation der Beschäftigungsgesellschaft verändert worden, sie hat sich rechtlich von ihrem Stammbetrieb gelöst und ist nunmehr als kommunale Gesellschaft tätig. Gesellschafteranteile besitzen zu jeweils 50 vH der Landkreis und die Stadt Eberswalde. Die Gesellschaft ist nunmehr nicht mehr allein betrieblich orientiert, sondern übernimmt auch öffentliche Projekte und Dienste. Der Stammbetrieb hat aber der Gesellschaft weiterhin zumindest die Vorfinanzierung von Lohn- und Sachkosten zugesichert, die Räume dagegen sind unterdessen nur noch gegen Entgelt zu nutzen. Die BQG ist zudem gerade dabei, eine weitere Umorientierung vorzunehmen: Sie will ihre Aktivitäten zunehmend auch auf den gewerblichen Bereich ausdehnen. ii. •

Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ABM

AB-Maßnahmen liefen seit Mai 1991 mit insgesamt 120 Stellen, davon vier Fünftel mit dem Schwerpunkt Sanierung von Altlasten. Die Lohnkosten für diese Projekte sind bis zum Ende des laufenden Jahres über öffentliche Mittel voll finanziert, hinzu kommen 30 vH der Sachkosten. Weiterhin hat die Gesellschaft als Finanzierungsbasis von der Stadt Eberswalde und vom Land Brandenburg eine Vorfinanzierung (180 000 DM) zur Abfederung weiterer Sachkosten, die letztlich den Nutznießern der Leistungen in Rechnung gestellt werden, erhalten. Die BQG ist dabei, ihr Konzept und damit auch Leistungsangebot zu verändern, dies vor allem im Hinblick auf künftige Ausgründungen und einen Umstieg in ein nach gewinnwirtschaftlichen Kriterien arbeitendes Unternehmen. Gegenwärtig betreut die BQG aus dem Stammbetrieb 100 Arbeitnehmer in ABM, hinzu kommen aus eigenen Projekten rund 30 Arbeitnehmer. Weiterhin sind Maßnahmen für 55 ABM-Kräfte beantragt, die so gut wie sicher vom Bewilligungsausschuß des Arbeitsamtes genehmigt werden sollen. Die BQG betreut damit eine Vielzahl von Projekten. Nachstehend sind einige Projekte kurz beschrieben, die die BQG nach dem neuen Konzept durchführt bzw. durchführen will: Gemeinsam mit dem Innungsbau hat die BQG für die Region Eberswalde Arbeiten im Straßen- und Wegebau durchgeführt. Im Zuge dieser Zusammenarbeit sind von den Baube43

trieben Übernahmen für gut die Hälfte der daran beteiligten ABM-Kräfte (16 Arbeitnehmer) angekündigt worden. In Abstimmung mit dem Arbeitsministerium des Landes Brandenburg wird von insgesamt 13 frauenpolitischen Beratungszentren eines in Eberswalde aufgebaut. Dafür sind für ein Jahr fünf Frauen als ABM-Kräfte eingestellt worden. In einem ABM-Projekt des Kreises Eberswalde soll die ökologische Belastung und Verwertung eines ehemalig als Flughafen genutzten Geländes untersucht werden. Die BQG möchte dazu begleitend ein gegen Entgelt zu nutzendes flugtechnisches Museum aufbauen und darin vor allem auch Reste von Ausrüstungen der Interfluggesellschaft verwerten. Dieses Projekt ist im Planungsstadium, Mittel dafür sind u. a. auch beim Kultusministerium beantragt. 20 Arbeitnehmer sind derzeit teils bereits für die Projektierung und Realisierung des 30 km langen Treidelweges am Finowkanal eingesetzt, teils vorgesehen. Dabei ist an die Wiederherstellung dieses Wander- und Radweges unter Berücksichtigung historischer und touristischer Aspekte gedacht. Ziel ist es auch, daß dieser Rad-/Wanderweg in den Deutschen Rad- und Wanderwegeatlas aufgenommen wird, damit ein größerer Kreis von Touristen angesprochen wird. Gedacht ist auch an den Verleih von Fahrrädern und Elektrokähnen. Das Projekt läuft bisher ohne Finanzierung. Koordiniert werden soll das Projekt von der Tourismusstelle und der Bauverwaltung. Eine Studie zur Ökologie, die auch Klärung zur bautechnischen Ausführung dieses Projektes bringen sollte, ist bereits von dem in Eberswalde ansässigen ökologischen Bildungswerk angefertigt worden. Das Bildungswerk ist aus einem ehemaligen Forschungsinstitut hervorgegangen und hat diese Untersuchung ebenfalls im Rahmen einer AB-Maßnahme erstellt.

Projekte führt die BQG schließlich auch im sozialen Bereich durch: In enger Zusammenarbeit mit dem Eberswalder Sozialamt soll eine für Haushalte kostenlose Möbelabholung initiiert werden. Diese Möbel sollen dann im Werkstattbereich aufbereitet und in Möbellagern wiederum kostenlos gemeinnützigen Verwendungen, beispielsweise in Frauen- und Asylantenheimen, zugeführt werden.

Weitere Projekte befinden sich in einem ersten Planungsstadium. Im Rahmen eines reinen Frauenprojekts sollen beispielsweise aus Garn und Seide sowie recyceltem Plastik Möbel speziell für Schulen und Kindergärten zum Selbstkostenpreis hergestellt und abgegeben werden. Die 44

Besonderheit an diesem Projekt ist, daß die Maßnahme in Verbindung mit einer Qualifizierung 'Verarbeitungstechnologien" und "Materialkunde" laufen soll. In Teil-ABM sollen ab Oktober 1992 ungefähr 100 Arbeitnehmer das von der Stadt Eberswalde aufgekaufte Gelände der Chemischen Finowtal entsorgen und wiederherstellen. Die BQG will mit dieser Maßnahme einen stärkeren Einstieg in Qualifizierungsmaßnahmen beginnen: Dabei sollen Forstfacharbeiter zu Sanierungsfacharbeitern und Entsorgern umgeschult werden. Darüber hinaus sollen in Zusammenarbeit mit der Landesagentur für Struktur und Arbeit (LASA), das ist die Trägergesellschaft für Arbeits-, Beschäftigungs- und Strukturförderungsgesellschaften des Landes Brandenburg, Musterprojekte gestartet werden. Dabei handelt es sich neben einem touristischen Projekt um eines zur Schonkost- und Vollwertküchenversorgung, beispielsweise für Schulen, Kindertagesstätten und Altenheime. Schließlich werden von der BQG ein Bauelementenlager und Baushop geplant. Dabei sollen die aus Abriß- und Sanierungsarbeiten wieder zu verwendenden Teile wie Heizkörper, Türen, Dielen, Lampen u. ä. m. gewerblich veräußert werden. In diesem Projekt sollen im nächsten Jahr bereits 60 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Das Projekt soll ebenfalls mit einer Bildungsmaßnahme laufen. Bei diesem Vorhaben handelt es sich weitgehend um ein sich selbst tragendes Projekt, das dem gewerblichen Teil der Gesellschaft zuzuordnen ist. Aufträge, für die zwar von Seiten der BQG derzeit noch keine Projektierung erfolgt, für die sich aber die BQG im Vorfeld bereits qualifiziert hat, wird es nach Ansicht der BQG in den kommenden Jahren in ausreichendem Maße geben, beispielsweise auch im Bereich der sozialen Wohnungsrenovierung. Für April 1992 ist auch eine Übernahme von 40 Arbeitnehmern aus dem Walzwerk Eberswalde in die BQG vorgesehen. Das Walzwerk Eberswalde hat keine eigene Beschäftigungsgesellschaft, rund 100 Arbeitnehmer dieses Betriebes haben aber bereits seit geraumer Zeit im Rahmen von ABM für die Stadt eine Mast- und Gülleanlage saniert. •

Fortbildung

und Umschulung

70 Arbeitnehmer aus dem Stammbetrieb befinden sich in FuU. Berufliche Erstausbildung wird nicht angeboten. Während die BQG sämtliche ABM alleine durchführt, werden die Qualifizierungsmaßnahmen mit einem Bildungsträger gemeinsam angeboten. 45



Kurzarbeit-Null

Den Arbeitnehmern des Stammbetriebes wurde entweder zum 31.12.1991 gekündigt, oder sie sind im Stammbetrieb verblieben. Die BQG hat daher keine Arbeitnehmer mit dem Status KurzarbeitNull aufgefangen.

iii. Ausgründungen - Existenzgründungen - Perspektiven Die BQG setzt - wie bereits weiter vorne beschrieben - seit geraumer Zeit auf eine neue Gesellschaftskonzeption. Dies auch, weil sie helfen will, Ausgründungen anzustoßen, und für die Zeit nach dem Auslaufen von ABM-Projekten Perspektiven sucht. Ein großer Teil der diskutierten Projekte soll in dem gewerblichen Teilbereich der BQG bearbeitet werden. Ob oder inwieweit die Rechtsform der BQG dadurch eine Veränderung erfahren wird, ist nicht deutlich geworden. Vermutlich wird die BQG mit den meisten Projekten auch künftig von öffentlichen Subventionen, in welcher Form auch immer, abhängig sein. iv. Konkurrenz zur Privatwirtschaft

Alle Projekte der BQG sind mit der Handwerkskammer abgestimmt worden, grundsätzlich liegt für die Maßnahmen auch die Unbedenklichkeitserklärung der Handwerkskammer vor. Die BQG bietet ihre Dienste zudem nur in Bereichen an, in denen Leistungen von privatem Gewerbe bislang überhaupt nicht oder nur unzureichend angeboten wurden.

4.2.2

Fallstudien im Arbeitsamtsbezirk Neuruppin

In drei recht unterschiedlich geprägten Kreisen des Arbeitsamtsbezirkes Neuruppin 16 - in Oranienburg, Gransee und Perleberg - wurden insgesamt fünf Besehäftigungs- und/oder Auffanggesellschaften untersucht. Im Arbeitsamtsbezirk lebten Ende 1989 noch knapp 540 000 Menschen, die Bevölkerung schrumpfte jedoch bis zum September 1991 um mehr als 4 vH insbesondere durch Abwanderungen (Tabelle 4). Eine Differenzierung der Beschäftigten nach Wirtschaftsbereichen für das Jahr 1989 zeigt, daß im

16

Zum Arbeitsamtsbezirk Neuruppin gehören die Kreise Neuruppin, Gransee, Kyritz, Nauen, Oranienburg, Perleberg, Pritzwalk, Rathenow und Wittstock. 46

Arbeitsamtsbezirk Neuruppin damals gut 35 vH aller Beschäftigten in produzierenden Bereichen tätig waren und jeweils 20 vH in der Landwirtschaft und in den Dienstleistungen. Dabei lag im Kreis Oranienburg der Schwerpunkt der Beschäftigung auf dem produzierenden Bereich. Dies ist vor allem auf die beiden hier in den Fallstudien untersuchten Großbetriebe, dem Hennigsdorfer Stahl mit ehemals mehr als 9 000 Arbeitnehmern und den Lokomotiv Elektrotechnischen Werken mit über 8 000 Beschäftigten, zurückzuführen. In den beiden anderen Kreisen war dagegen auch die Landwirtschaft mit einem Anteil von jeweils über 20 vH an allen Beschäftigten für diese Regionen bedeutend (Tabelle 5). Im Arbeitsamtsbezirk ist, gemessen an Brandenburg und an Ostdeutschland insgesamt, die Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich hoch: Gegenwärtig leben dort mehr als ein Viertel aller in Brandenburg insgesamt arbeitslos registrierten Menschen, der Bevölkerungsanteil liegt aber nur bei 20 vH. Die Arbeitslosenquote beträgt knapp 18 vH. Auch die Kurzarbeit in der Region ist überdurchschnittlich hoch, gemessen an der Kurzarbeit im Land Brandenburg insgesamt. Rund 12 200 Personen sind hier im April 1992 in Kurzarbeit gewesen, und zwar mit einem Arbeitsausfall zwischen 10 vH und 100 vH der Normalarbeitszeit; umgerechnet auf Vollzeitäquivalente waren dies etwas weniger als 7 000 von Kurzarbeit Betroffene. Durch die Inanspruchnahme aktiver Arbeitsmarktmaßnahmen konnte der Arbeitsmarkt im Bezirk um knapp 31 500 Personen entlastet werden, davon waren rund 44 vH in AB-Maßnahmen. Auf 100 Arbeitslose sind mit 32 ABM hier weniger Maßnahmen initiiert worden als in Brandenburg insgesamt (34) (Tabelle 5). Vermutlich 8 vH der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter, das sind 26 900 Personen, haben durch die Inanspruchnahme der Vorruhestandsregelung und durch die Gewährung von Altersübergangsgeld vorzeitig den Arbeitsmarkt verlassen.

4.2.2.1.

Fallstudien in Hennigsdorf

4.2.2.1.1

Regionales Umfeld

Hennigsdorf bei Berlin ist eine Stadtgemeinde und gehört zum Kreis Oranienburg, in dem ungefähr 25 vH der Bevölkerung des Arbeitsamtsbezirkes Neuruppin leben. Hennigsdorf ist mit rund 24 000 Einwohnern die zweitgrößte Gemeinde des Kreises. Relevant für die Auswahl dieser Region war, daß sie vor der Währungsunion stark industriell geprägt gewesen ist - knapp die Hälfte aller Beschäftigten im Kreis Oranienburg war in produzierenden Bereichen tätig (Tabelle 5), insbesondere in der Eisen- und Stahlverarbeitung sowie im Metall-, Maschinen- und Fahrzeugbau. Allein die zwei hier untersuchten Betriebe, die HSG 47

(Fallstudie M) und die LEW (Fallstudie N) beschäftigten früher rund 17 000 Menschen aus Hennigsdorf, gut 50 vH der Beschäftigten kamen aus den Umlandgemeinden. Von der Entwicklung dieser beiden Unternehmen hing und hängt mithin die Entwicklung der Region in besonderem Ausmaß ab.

Gegenwärtig ist die Arbeitslosigkeit in Oranienburg mit 19,4 vH (März 1992) höher als im Arbeitsamtsbezirk insgesamt (18,3 vH). Für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft der Region Hennigsdorf ergeben sich aufgrund der Nähe zu Berlin, - mit S-Bahn- und Busanbindungen inzwischen schnell zu erreichen - Probleme, aber auch Chancen: Obwohl auch Berlin mit Arbeitsmarktproblemen konfrontiert ist, sind die Chancen für den einzelnen Arbeitnehmer, einen Arbeitsplatz auf einem größeren Arbeitsmarkt zu finden, eher gegeben. Die Gefahr für Regionen wie Hennigsdorf, nahe an Ballungsräumen gelegen, liegt aber zugleich darin, daß in der Regel zuerst gut qualifizierte und jüngere Menschen abwandern und daß damit die Region im wirtschaftlichen und sozialen Gefüge abfällt. In Hennigsdorf ist diese Tendenz gegenwärtig deutlich zu registrieren. Bereits bis Ende 1990 war die Bevölkerung gegenüber dem Zeitpunkt vor der Wende (September 1989) um 4 vH zurückgegangen. Vor- wie auch Nachteile bringt das nahe Berlin aber auch im Hinblick auf Ansiedlungen mit sich. Wie für Eberswalde müßte auch für Hennigsdorf zu erwarten sein, daß sich wegen der vorhandenen weiträumigen infrastrukturell erschlossenen Industrieflächen der HSG und LEW hier künftig industrielle Gewerbe ansiedeln, zumal Autobahn-, Schienen- und Wasseranschluß gegeben sind. Zwar sind Sanierungen und Demontagen auf den Rächen dringend erforderlich und werden bereits - überwiegend im Rahmen von AB-Maßnahmen - durchgeführt, eine aufwendige und kostspielige Vollerschließung von neuen Gewerbeflächen für ansiedlungsbereite Gewerbe wäre hier aber nicht notwendig.

Bisher haben sich diese Vorteile noch nicht in dem in Hennigsdorf erhofften Maße ausgewirkt. Ein Grund sind sicherlich die Bodenpreise. Derzeit wird in Hennigsdorf der m 2 Gewerbefläche für 70,- bis 400,- D M angeboten. Ein Preis, der für potentielle Investoren offensichtlich - verglichen mit Randlagen direkt in Berlin - nicht attraktiv genug ist, um Ansiedlungsvorhaben tatsächlich in Hennigsdorf umzusetzen. Eine Rolle spielen sicherlich - wie in anderen Regionen auch - die unklaren Eigentumsverhältnissen. Der Nettozugang an Gewerbe war in den ersten drei Quartalen des Jahres 1991 im Kreis Oranienburg insgesamt mit gut 1 050 Gewerben stark expansiv. Aber auch in dieser Region 48

dominieren dabei die Handelsbetriebe (450) und sonstigen Gewerbebetriebe mit knapp 400. Im industriellen Gewerbe waren in diesem Zeitraum 55 Betriebe per Saldo hinzugekommen. Als beispielhaft für industrielle Ansiedlungserfolge gelten in Hennigsdorf eine Betonfirma mit rund 250 Arbeitnehmern, ein Unternehmen im Bereich der Fensterproduktion (EGO-Kiefer) mit ca. 200 Arbeitnehmern, die Firma Dutchmann (Wohnwagen) mit ungefähr 80 bis 90 Arbeitnehmern. Weitere Ansiedlungen erhofft sich die Stadt durch die Eröffnung von zwei Gewerbeparks, einer wird von der HSG, der andere von der LEW (beE) erschlossen. Hinsichtlich der Ansiedlungspolitik und Wirtschaftsförderung müssen auch in Hennigsdorf offensichtlich noch einige Hemmnisse überwunden werden, damit den Problemen der Region adäquate Konzeptionen entwickelt werden. Die Erwartungen in der Region sind derzeit auf die sich seit einem halben Jahr organisierende Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Oranienburg mit Sitz in Hennigsdorf gerichtet. Diese soll wirtschaftspolitisch koordinierend tätig werden. 4.2.2.1.2

Fallstudie D Innovations- und Entwicklungsgesellschaft Hennigsdorf (INO)

i. Gründung Im Spätherbst 1991 wurde in Hennigsdorf die INO gegründet. Sie soll in der Region Hennigsdorf für Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit Bedrohte Bildungsmaßnahmen und kommunale ABMaßnahmen organisieren. Gesellschafter in der Gründungsphase waren, neben der Kommune Hennigsdorf, ein Bildungsträger - die Gesellschaft für Berufsausbildung (GfBA) - sowie die zwei Hennigsdorfer Großbetriebe, die Hennigsdorfer Stahlwerke (HSG) und die Lokomotiv Elektrotechnischen Werke (LEW). Zum Zeitpunkt der Gründung der INO waren beide Unternehmen noch in Treuhandbesitz. Die INO wurde zunächst von zwei Mitarbeitern aufgebaut. Seit Mai 1992 sind sieben ABMKräfte für die Verwaltung hinzugekommen. Die Treuhandanstalt hat der INO Gebäude auf dem 49

HSG-Gelände gestellt. Mit Mitteln des Landes Brandenburg und EG-Mitteln (rund 1 Mill. DM) werden diese Gebäude in ein Schulungszentrum im Rahmen einer AB-Maßnahme umgebaut. Parallel zur Gründung der INO wurde in Hennigsdorf im Januar 1992 eine Arbeits-, Besehäftigungs· und Strukturförderungsgesellschaft (ABS) gegründet, in der schwerpunktmäßig "Arbeit statt Soziales" gefördert werden soll. Es handelt sich um eine rein kommunale Gesellschaft. Rechtlich ist die ABS zwar vollständig unabhängig von der INO, beide Einrichtungen werden aber von demselben Geschäftsführer geleitet. Im weiteren werden sie als INO/ABS bezeichnet.

ii. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen In Hennigsdorf wird davon ausgegangen, daß ab Januar 1993 rund 4 000 Arbeitnehmer aufgefangen werden müssen. •

ABM

Die INO/ABS wird einen Teil der Trägermaßnahmen der Kommune, die derzeit rund 100 ABMStellen hat, sowie ungefähr 200 Arbeitnehmer aus dem HSG-Bestand übernehmen. Letztlich sollen alle AB-Maßnahmen in der Region Hennigsdorf in Trägerschaft der INO/ABS durchgeführt werden. Nachstehend sind die Projekte aufgelistet, die von der ABS getragen werden sollen. Dabei handelt es sich durchweg um Projektentwürfe und solche im Planungsstadium. Pädagogische Betreuung außerhalb von Kinderbetreuungszeiten in Schulen oder Kindertagesstätten ("Babysitterprojekt"): Das Projekt soll nach der Anlaufphase nach Möglichkeit ausgegründet werden. Die Bewilligung der Förderung dieses Projektes durch das Arbeitsamt wird von den Ausgliederungschancen abhängig gemacht. Rekultivierung kommunaler Ödlandflächen: Probleme für dieses Projekt liegen vor allem im eigentumsrechtlichen Bereich, beispielsweise in der Frage der Zuordnung ehemaliger Grenzflächen. Sanierung von Rad- und Wanderwegen, Stell- und Parkflächen: Diese Maßnahme soll als Vergabe-ABM laufen. Voraussetzung ist, daß die Kommune die erforderlichen Flächen 50

bereitstellt.

Maßnahmen zur Aufwertung des Stadtbildes insgesamt (Trimm-, Wander-, Reitwege) und Gestaltung des kommunalen Umfeldes: Mit dieser Maßnahme sollten insbesondere Arbeitnehmer ohne besondere Qualifizierung aus allen gewerblichen Bereichen aufgefangen werden. Diese Maßnahme ist von der Arbeitsverwaltung bereits stark beschnitten worden. Räumung und Abrißarbeiten des Freibades Hennigsdorf: Die Kommune kann aus Kostengründen das Freibad nicht betreiben. Daher soll das Freibadgelände ein kommerziell zu nutzender Freizeitraum werden. Sanierung kommunaler Kinderspielplätze: In Anlehnung an die altbundesdeutschen Normvorschriften für die Bereitstellung und Ausstattung von Kinderspielplätzen soll in jedem Wohngebiet der Kommune ein Kinderspielplatz entstehen. Erstellung eines kommunalen Energiekonzeptes, einschließlich Verbraucherberatung. Aufbau einer mobilen Umzugshilfe für ältere und sozial schwache Bürger: Diese Maßnahme soll in Zusammenarbeit mit dem Sozialamt laufen. Gedacht ist auch an Bevorratung von Möbeln und einfache Möbelreparatur. Die Mehrzahl der aufgeführten Projekte stehen derzeit noch vor größeren Realisierungsproblemen. Insgesamt ist die Genehmigung von AB-Maßnahmen gegenüber dem Vorjahr nach Auskünften dieser Einrichtung deutlich schwerer zu erreichen. Grenzen von ABM werden hier nicht nur in der Kontingentierung der Neubewilligungen gesehen, sondern vor allem in den Einschnitten hinsichtlich der Inhalte.

In den kommunalen AB-Maßnahmen wurden bisher drei bis vier Kündigungen wegen disziplinarischer Probleme mit dem Arbeitnehmer ausgesprochen. Überdies gab es in einer Maßnahme mit 50 Beschäftigten 9 Abgänge, davon wechselten sieben in feste Arbeitsverhältnisse (drei in Berlin), einer ging in den Vorruhestand und eine Person zur Bundeswehr. •

Fortbildung

und Umschulung in der INOIABS

Zum 1.9.1992 soll das Schulungszentrum eröffnet und damit die Gesellschaft als Bildungsträger tätig werden. Ziel ist es, orientiert an den regionalen Ansiedlungen Qualifizierungen durch51

zuführen. Allerdings ist der künftige regionale Arbeitskräftebedarf bislang nur schwer einzuschätzen. So will die Einrichtung zunächst mit den üblichen - von den Arbeitsämtern empfohlenen Bildungsrichtungen - beginnen. Zu den ersten Angeboten werden PC-Ausbildungen, Qualifizierungen für Bürofachleute und Maßnahmen im handwerklichen Bereich gehören. Zugleich stellt sich die INO aber auch darauf ein, kurzfristig und flexibel auf den Bedarf in der Region zu reagieren. So wird es ohne weiteres möglich sein, Logistikfachleute zu qualifizieren, wenn sich beispielsweise ein Versandhandel in der Region ansiedeln möchte - gegenwärtig gibt es einen entsprechenden Ansiedlungsinteressenten.

Ein Problem, mit dem in der Region gerechnet werden muß, ist der hohe Anteil nicht - oder nur zum Teil - qualifizierungsfähiger Arbeitnehmer. Diese waren insbesondere im Stahlwerk in der Metallurgie tätig. Auch im Hinblick auf den hohen Anteil früher im technisch-gewerblichen Bereich beschäftigter Frauen vermutet die INO Schwierigkeiten, geeignete Qualifizierungen zu finden. Die Bildungsmaßnahmen sollen überwiegend von eigenen Kräften angeboten werden, die Gesellschaft rechnet aber damit, daß sie in geringem Ausmaß "Bildungsstrecken11 von anderen Bildungsträgern dazukaufen muß. Umgekehrt soll ein Teil der Räumlichkeiten im Schulungszentrum gegen Entgelt von anderen Bildungsträgern genutzt werden.

iii. Ausgründungen - Existenzgründungen - Perspektiven Für die INO/ABS sind Ausgründungen aufgrund der kommunalen Orientierung sowie der Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln nur in geringem Umfang vorstellbar. iv. Konkurrenz zur Privatwirtschaft Von der INO/ABS werden Kontroversen um die Verdrängung der Privatwirtschaft durch ABMaßnahmen als veraltet bezeichnet. Durch regelmäßige Kontakte zur Handwerkskammer - zuständig ist die Kreishandwerkerschaft Oranienburg - konnten zunächst vorhandene gegenseitige Vorbehalte ausgeräumt werden. Zudem liegt für jede beantragte Maßnahme eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vor.

52

4.2.2.13

Fallstudie E Hennigsdorfer Stahl (HSG)

i. Unternehmenssituation Der Hennigsdorfer Stahl (HSG) ist ein stahlerzeugender Betrieb, der auch Stahl in der 1. und 2. Stufe verarbeitet. Produziert werden u. a. Profilstähle, Wohnungsbaustähle und Automatenstähle. Die HSG war eines der drei großen Stahlkombinate im Land Brandenburg, wo rund 26 000 Stahlarbeitsplätze konzentriert waren 17. Das Werk hatte früher 9 000 Beschäftigte 18 und war damit mit LEW der größte Arbeitgeber in Hennigsdorf und Umgebung. Vom 1.1.1990 bis zum 1.5.1992 vollzog der Betrieb einen rasanten Beschäftigtenabbau: zum 1.1.1990 Reduzierung auf 8 300 Beschäftigte, zum 1.1.1991 Reduzierung auf 6 700 Beschäftigte, zum 1.1.1992 Reduzierung auf 4 760 Beschäftigte, zum 1.5.1992 Reduzierung auf 3 490 Beschäftigte. Insgesamt verloren 4 800 Beschäftigte der HSG ihren Arbeitsplatz. Rund 40 vH des Abbaus lief über die normale Fluktuation. Das Unternehmen geht davon aus, daß mehr als die Hälfte dieser Arbeitnehmer in den Berliner Raum pendeln. Gut 38 vH des Beschäftigtenrückgangs wurde durch die Inanspruchnahme der Vorruhestandsregelung gelöst. Knapp 8 vH sind im Zuge von Privatisierungen, die auf Initiative der HSG zustande kamen, umgesetzt worden. Bei solchen Privatisierungen handelt es sich um Bereiche wie Elektroservice, Gas- und Öltechnik sowie Präzisionsteileherstellung für Automobile. Zum 1.5.1992 ist nunmehr der Verkauf an den italienischen Stahlhersteller Riva und damit die Privatisierung der HSG sowie die damit einhergehende Gründung der Hennigsdorfer Elektrostahl (H.E.S.) GmbH endgültig erfolgt. Nach bereits im Dezember 1991 getroffenen Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern der HSG sind von Riva 1 050 Beschäftigte

17

Bereits privatisiert wurde das Stahl- und Walzwerk in Brandenburg, Stadt. Für EKO-Stahl in Eisenhüttenstadt steht eine Privatisierungsentscheidung zur Mitte des Jahres an. Bieter sind derzeit der italienische Ilva-Konzern und Krupp-Stahl AG. Im Land Brandenburg werden nach den Privatisierungen der drei großen Stahlkombinate nur noch etwas mehr als 6 000 Stahlarbeitsplätze bestehen bleiben. 18

Weitere 200 bis 250 Arbeitnehmer arbeiteten in einem Zweigwerk außerhalb von Hennigsdorf. 53

übernommen worden. Riva wurde zudem vertraglich zugesichert, daß das Unternehmen bis zum 1.8.1992 weitere 150 Beschäftigte entlassen kann. Zudem wird in der HSG davon ausgegangen, daß damit noch nicht das Ende des Beschäftigtenabbaus im privatisierten Teil erreicht ist. Von der insgesamt 3,5 Mill, m 2 großen Betriebsfläche sind von Riva 1,7 Mill, m 2 zu einem Vorzugspreis übernommen worden.

Den restlichen Beschäftigten (gut 2 400) ist von Riva der Verbleib bis Ende 1993 in einer Auffanggesellschaft, der HSG GmbH, zugesichert worden. Diese Vereinbarung kam erst zustande, nachdem die brandenburgische Landesregierung eine Bürgschaft aus Mitteln des Landesentwicklungsprogramms zur Verfügung stellte und die Treuhandanstalt eine Zusage gegeben hat, die Auffanggesellschaft mitzufinanzieren und zu betreuen. iL Auffanggesellschaft Nach dem Konzept der Auffanggesellschaft sollen nachstehende Funktionen in der HSG GmbH wahrgenommen werden: Personalwirtschaft, ABM und Soziales, Strukturentwicklung, dazu gehört die Entflechtung der Töchter, und Neuansiedlung, Controlling und Finanzen, Ausgründungsvorhaben für ca. 600 Beschäftigte. Im Bereich Personalwirtschaft arbeitet seit einem dreiviertel Jahr der "Personaleinsatzbetrieb" mit rund 2 000 Arbeitnehmern, davon sind 45 vH Frauen. Das Durchschnittsalter im Personaleinsatzbetrieb beträgt 26 Jahre, im früheren Kernbetrieb dagegen 39. Die dem Personaleinsatzbetrieb zuzurechnenden Arbeitnehmer teilen sich wie folgt auf (Stand Ende April 1992): 522 Arbeitnehmer in Qualifizierung, 664 Personen in ABM 105 Arbeitnehmer sind nach einer bereits abgeschlossenen Qualifizierung wieder in KurzarbeitNull 760 Arbeitnehmer in Kurzarbeit-Null 275 Personen in der Warteschleife für Maßnahmen

54



ABM

Eine Großmaßnahme mit rund 600 Arbeitnehmern läuft in der HSG bereits seit dem Vorjahr. Die Maßnahme ist bis zum 31.5.1993 finanziert. Für einen Teil dieser Maßnahme ist bereits ein neuer Antrag mit einer neuen Zielrichtung gestellt worden. Neben der Großmaßnahme gibt es in der HSG GmbH einige kleinere Randprojekte sowie eine kommunale Maßnahme.

Noch in diesem Jahr sollen aus dem HSG-Bestand 200 Arbeitnehmer in kommunale Projekte übergeleitet werden. Direkt aus ABM heraus auf reguläre Arbeitsplätze vermittelt wurden bislang rund 25 Arbeitnehmer, das sind gut 3 vH aller ABM-Kräfte im Personaleinsatzbetrieb. Das Großprojekt umfaßt Sanierungs-, Boden- und Abrißarbeiten zur Gewerbeflächenherstellung. Gegenwärtig werden aufwendige technische Ausrüstungen wie Stahlöfen und das Walzwerk abgerissen. Für diese Arbeiten ist Fachkompetenz dringend erforderlich, im Betrieb aber auch vorhanden. Einige Qualifikationen wie Schweißer, Brenner, Schlosser, Instandhalter und GasWasser-Installateure waren oder sind allerdings nur teilweise aus dem Personaleinsatzbetrieb verfügbar gewesen. So wurden für die Sanierung auch eine Reihe von Spezialfirmen eingebunden.



Qualifizierung

Derzeit befinden sich 522 Arbeitnehmer in Qualifizierungsmaßnahmen, die von einem eigenen Bildungsträger durchgeführt werden. Nunmehr soll aber der Bildungsteil von der Gesellschaft für Berufsausbildung (GfBA) gekauft und Maßnahmen dann weitestgehend von diesem Bildungsträger betreut werden. Eine besondere Problemlage wurde hinsichtlich des Qualifizierungsbedarfs von Frauen, die aus dem technisch-gewerblichen Bereich kommen, konstatiert. Ein Verbleib in dem ehemaligen Berufisfeld wird sich nach vorliegenden Einschätzungen unter den heutigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Erwerbschancen der Frauen eher nachteilig auswirken. Daher werden auch Frauen mit gewerblich-technischen Grundqualifikationen nur kaufmännische Qualifizierungen angeboten. Auch in der HSG GmbH wird vertreten, daß eine gezielte Qualifizierung für in der Region greifende Berufsfelder bisher nur bedingt möglich ist. Nach hier vorliegenden Erkenntnissen gibt es erst drei bis vier ernsthafte und zudem beachtenswerte Ansiedlungen und dies, obwohl noch vor einem knappen Jahr rund 30 Ansiedlungsinteressenten in Hennigsdorf vorgesprochen haben. 55

Im Hinblick auf die Qualifizierungsbereitschaft der Arbeitnehmer wurde darauf verwiesen, daß gegenwärtig ein gewisser Stillstand in der Bereitschaft, an FuU teilzunehmen, eingetreten ist. Dieser Zustand ist darauf zurückzuführen, daß sich Tariflohnerhöhungen auf das Unterhaltsgeld für FuU erst nach einer Wartezeit von drei Monaten erhöhend auswirken. Die ABM-Entlohnung dagegen wird sofort nach Tariflohnerhöhungen angepaßt. iii. Ausgründungen - Existenzgründungen - Perspektiven Weiter vorne wurde bereits darauf verwiesen, daß von der HSG Ausgründungen initiiert worden sind. Dabei handelte es sich um mehr als 350 Personen, denen der Start in eine selbständige Existenz der unterschiedlichsten Art ermöglicht wurde. Das Konzept der Auffanggesellschaft sieht überdies vor, für weitere 600 Personen Existenzgründungen anzustoßen. Allerdings wird diese Aufgabe nicht ganz einfach zu erfüllen sein. Eines der Haupthemmnisse bei der Umsetzung dürfte die fehlende infrastrukturelle Anbindung (Straßen, Bahn) der Rächen sein, die der Auffanggesellschaft zur Verfügung stehen. Zwar war die Industriefläche der HSG völlig erschlossen, mit dem Verkauf an Riva ist aber die der HSG GmbH verbleibende Räche relativ stark zersplittert worden. Dennoch soll auf jeden Fall ein Existenzgründerzentrum/Gewerbepark auf einem Teil der Räche realisiert werden. Hier sollen auch Ausbildungsmaßnahmen durchgeführt werden. 4.2.2.1.4

Fallstudie F "betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) der Lokomotiv Elektrotechnischen Werke (LEW)

i. Unternehmenssituation Neben den Stahlwerken (HSG) waren die Lokomotiv Elektrotechnischen Werke (LEW) in Hennigsdorf der größte Arbeitgeber. Die LEW hatte gut 8 000 Beschäftigte. Mit Beginn des laufenden Jahres ist ein Unternehmensbereich der LEW, der Schienenfahrzeugbau, von der AEG übernommen worden. Für weitere Unternehmensbereiche der restlichen LEW führt die Treuhandanstalt noch Verhandlungen, die im Sommer 1992 abgeschlossen sein sollen. Im Zuge der Betriebsspaltung sind rund 1 400 Kündigungen ausgesprochen worden, die aber im Rahmen eines Vergleichs wieder zurückgenommen wurden. Statt dessen sind alle mit Wirkung zum 31.12.1991 gekündigten Arbeitnehmer in einer extra für diesen Zweck gegründeten ,fbe56

triebsorganisatorisch eigenständigen Einheit" (beE) aufgefangen worden. Bis zum Jahresende 1992 ist diesen Arbeitnehmern nunmehr Kurzarbeit-Null garantiert. Zwischenzeitlich sollen Qualifizierungen und AB-Maßnahmen genutzt werden. Gegenwärtig befinden sich rund 800 bis 1 000 Arbeitnehmer der LEW in Kurzarbeit. iL ABM in der LEW In der Trägerschaft der LEW wurden bislang drei Maßnahmen durchgeführt, dabei handelt es sich um: eine Regieabteilung mit 11 Arbeitnehmern (bis Mai 1993), eine Landschaftspflegemaßnahme mit 21 Arbeitnehmern (im Mai 1992 beendet), eine Maßnahme Rekonstruktion mit 16 Arbeitnehmern (bis zum 18.8.1992). iii. Ausgründungen - Existenzgründungen - Perspektiven Direkt aus der LEW im Rahmen von Ausgliederungen ganzer Betriebsabteilungen sind eine Reihe von Existenzgründungen erfolgt. Beispiele dafür sind kleinere Baubetriebe, Projektierungsbüros, eine Stahlbaufirma, eine Heizungsfirma, verschiedene Elektroservicegewerbe. Mehr zufällig als geplant ist zudem aus den AB-Maßnahmen heraus eine Existenzgründung eines Bauunternehmens entstanden (Selbstgründung mit Übernahme von Arbeitnehmern). 4.2.2.2

Fallstudie in Zehdenick

4.2.2.2.1

Regionales Umfeld

Mit gegenwärtig rund 11 300 Einwohnern ist Zehdenick die größte Gemeinde im Kreis Gransee (42 500 Einwohner). Damit umfaßt der Kreis lediglich 8 vH der Bevölkerung des Arbeitsamtsbezirkes Neuruppin insgesamt (Tabelle 4).

57

Die Verteilung der Beschäftigten auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche zeigt für das Jahr 1989, daß im Kreis Gransee rund ein Drittel aller Beschäftigten im produzierenden Gewerbe tätig waren. Prägend für die Region war aber auch die Landwirtschaft mit rund einem Viertel aller Beschäftigten. In Brandenburg insgesamt waren demgegenüber nur 15 vH in diesem Wirtschaftsbereich beschäftigt. Im industriellen Bereich dominierte der Wirtschaftszweig Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik sowie die Verbrauchsgüterindustrie. Auf den zuerst genannten Wirtschaftszweig entfielen allein 30 vH der Beschäftigten des produzierenden Gewerbes (1 690 Personen), auf den zuletzt genannten Bereich knapp ein Viertel der industriell Beschäftigten (1 270 Personen) (Tabelle 5).

In Zehdenick gab es zwei Großbetriebe, ein Ziegeleibetrieb und das Industriewerk Zehdenick (IWZ). Dies war mit ehemals 1 600 Vollbeschäftigten in Zehdenick und im Kreis Gransee der bedeutendste Arbeitgeber. Das Unternehmen lieferte Teile für Elektronik, Elektroisolierung sowie Stanzelemente für Mikroelektronik. Das IWZ, aus dem heraus die in dieser Fallstudie untersuchte Beschäftigungsgesellschaft entstanden ist, befindet sich nunmehr in stiller Liquidation, die bis zum Jahresende 1992 abgeschlossen sein soll. Im Jahresverlauf 1991 wurde der Beschäftigtenstand im IWZ auf 1 090 Personen reduziert, damit wurden mehr als 500 Personen entlassen. Zum 31.12.1991 erhielten weitere 800 Arbeitnehmer eine Kündigung. Rund 200 Beschäftigte, davon 70, die unter Kündigungsschutz stehen, sind zwar noch im Betrieb verblieben. Aber auch für sie wurde Kurzarbeit angemeldet. 80 der 800 gekündigten Arbeitnehmer sind in der hier untersuchten Beschäftigungsgesellschaft - in der AQUA aufgefangen worden, 170 in FuU-Maßnahmen eingetreten. Für die restlichen 550 Entlassenen gab es keinerlei Angebote im Rahmen von Arbeitsmarktmaßnahmen.

Insgesamt sind im Kreis Gransee Ende März 1992 mehr als 4 250 Personen von Arbeitslosigkeit betroffen gewesen. Die Arbeitslosenquote ist hier mit 22,6 vH im Vergleich zum Arbeitsamtsbezirk Neuruppin insgesamt (18,3 vH) überdurchschnittlich hoch. Die Region steht vor dem Problem, daß qualifizierte Arbeitskräfte in den ca. 80 km entfernten Wirtschaftsraum Berlin abwandern. Andererseits dürfte die Entfernung für Unternehmen, die bereit sind, aus dem Wirtschaftsraum Berlin abzuwandern, hierher zu groß sein. Von der IG-Metall war für den nördlichen Raum Berlins der Aufbau von insgesamt sieben Arbeitsförderungsgesellschaften angestrebt worden. Allein in der Region Gransee gibt es gegenwärtig vier Besehäftigungs- bzw. Arbeitsförderungsgesellschaften, die arbeitsmarktpolitische Maßnahmen anbieten. Dabei handelt es sich einmal um eine Gesellschaft, die bisher landwirt58

schaftlich genutzte Rächen für neue Nutzungszwecke vorbereitet (Öko-Solar). Zudem gibt es die Qualifizierungs- und Strukturentwicklungsgesellschaft im ländlichen Raum, die vor allem von der Kreisverwaltung Gransee getragen wird, sowie eine Gesellschaft, die als Auffanggesellschaft aus einem Schiffselektronik-Betrieb entstanden ist (Fürstenberg e.V. in Fürstenberg). Schließlich gibt es in Zehdenick die hier untersuchte Strukturentwicklungsgesellschaft für Arbeit und Qualifizierung (AQUA). Zum Anfang des laufenden Jahres wurde eine weitere Gesellschaft in Hebenberg gegründet, von deren Seite es bisher aber keine Kooperationsbemühungen zu den anderen Arbeitsförderungsgesellschaften gegeben hat.

Die wirtschaftlichen Aussichten für die Region sind noch weitestgehend unklar. Auch dürften die Planungen eines bis vor kurzem in Zehdenick tätigen Baudezernenten, der zugleich als Immobilienhändler agierte, ein Vorankommen der erforderlichen marktwirtschaftlichen Umstrukturierung eher behindert haben. So war von Seiten der Bauverwaltung zunächst der Bau eines Gewerbeparks mit rund 500 bis 800 Arbeitsplätzen auf einer völlig unerschlossenen Fläche vorgesehen worden. Und dies, obwohl das Gelände des Industriewerkes Zehdenick vollständig privatisiert werden soll und damit für künftige industrielle Ansiedlungen eine solide Basis vorhanden sein dürfte. Für das Gelände des IWZ gibt es bereits einen Pächter, überdies haben sich einige kleinere industrielle und gewerbliche Betriebe dort angesiedelt, beispielsweise eine Möbelpolsterei. Sowohl von der Stadtverwaltung als auch von Seiten der Industriewerke soll die Ansiedlung eines möglichst breiten und weitgefächerten gewerblichen Spektrums unterstützt werden. Vier bis fünf Firmen haben bereits ihr Ansiedlungsinteresse bekundet. Zudem hat die Stadtverwaltung ein Konzept entwickelt, wonach Produktionsbetriebe aus dem innerstädtischen Bereich auf das Gelände des Industriewerks verlagert werden sollen. Dafür gibt es derzeit bereits zwischen 20 und 25 relativ feste Zusagen.

Die Entwicklung der Gewerbebetriebe im Kreis Gransee insgesamt läßt indessen noch keine allzu günstigen Perspektiven erkennen. Die Entwicklung hier entspricht dem Verlauf in den anderen untersuchten Regionen: Im Saldo der Gewerbean- und -abmeldungen ist in den ersten drei Quartalen des Jahres 1991 eine deutliche Zunahme von Betrieben im Handelsbereich zu verzeichnen gewesen. Von den insgesamt 425 neu in den Bestand eingehenden und verbleibenden Gewerbe entfielen gut 40 vH auf den Handel (182). Nur etwas mehr als 5 vH aller Neuzugänge waren dagegen Betriebe des industriellen Gewerbes (24).

59

4.2.2.2.2

Fallstudie G Strukturentwicklungsgesellschaft für Arbeit und Qualifizierung mbH, Zehdenick (AQUA)

i. Gründung Im Frühjahr 1991 wurden vom Betriebsrat der Industriewerke Zehdenick (IWZ) sowie von der IG-Metall im Hinblick auf die sich im IWZ abzeichnenden Umstrukturierungen Maßnahmen zur sozialen Flankierung und Überbrückung initiiert. Die gemeinnützige Strukturentwicklungsgesellschaft für Arbeit und Qualifizierung (AQUA) ist seit dem 1.6.1991 tätig; Gesellschafter sind zu je einem Drittel die Kreisverwaltung Gransee, die Stadtverwaltung Zehdenick, die Industriewerke Zehdenick. Mittel erhält die Gesellschaft vom Arbeitsamt nach dem AFG, vom Land Brandenburg, der Bundesregierung und aus dem Sozialfonds der Europäischen Gemeinschaft. Gedacht war zunächst daran, die zum Jahresende 1991 gekündigten 800 Arbeitnehmer in der Arbeitsförderungsgesellschaft aufzufangen. Rund 500 Arbeitnehmer wollten dieses Übernahmeangebot in Anspruch nehmen. Es war geplant, zwischen 300 und 500 ABM-Stellen zu organisieren. Da dies für die Treuhandanstalt einen Finanzierungsaufwand über rund 5,5 bis 6,0 Mill. D M zur Folge gehabt hätte, ist diese Variante jedoch nicht zum Tragen gekommen. Schließlich sind von den 800 gekündigten Arbeitnehmern 80 von der AQUA in AB-Maßnahmen übernommen worden. Die AQUA hat von der Treuhandanstalt einen Kooperationsvertrag erhalten, wonach sie von den 200 000 m 2 des Geländes des IWZ 4 000 m 2 zunächst bis zum 30.6.1995 zur Verfügung gestellt bekommt. Die auf dem Gelände stehenden Gebäude sind im Rahmen von Sanierungen durchaus erhaltungsfähig. Die AQUA beabsichtigt, auf diesem Gelände Schulungs- und Beratungsräume zu schaffen. Ziel der Gesellschaft ist es, zur flächendeckenden Verbesserung und Sanierung der Infra- und Wirtschaftsstruktur beizutragen. Dazu sollten kurz- und mittelfristig Arbeit und Qualifizierung organisiert, direkte und indirekte Unterstützung für Existenzgründungen gegeben sowie Umschulungen und Anpassungsqualifizierungen so angelegt werden, daß die Arbeitnehmer letztlich wieder in ein Dauerarbeitsverhältnis wechseln können. Die Arbeitsförderungsgesellschaft nimmt zudem im Unterausschuß ABM des Aufschwung-Ost-Arbeitsstabes für die im Kreis Gransee 60

tätigen Beschäftigungsgesellschaften Koordinationsaufgaben wahr,

ii. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen



ABM

Insgesamt hatte die AQUA zum Zeitpunkt der Befragung rund 100 ABM-Kräfte, davon 80 aus dem IWZ, die alle nach dem Tarif der IG-Metall entlohnt werden. Während in den Industriewerken etwas mehr als die Hälfte aller Beschäftigten Frauen waren, liegt der Frauenanteil in der Gesellschaft nur bei rund 20 vH. Ein Großteil der Frauen ist in der Regieabteilung - A B M für ABM - beschäftigt. Neben ABM für ABM arbeitet die AQUA weitestgehend nach ihrer bereits im März/April 1991 entwickelten Rahmenkonzeption in fünf Bereichen: Sanierung und Rekultivierung von Gewerbegebäuden und -flächen: Dazu gehörten anfangs auch Entkernungsarbeiten im Hinblick auf alte Maschinen und Anlagen sowie die Vorbereitung der Flächen zur künftigen Nutzung durch potentielle Investoren. Eingebunden wurden in diese Arbeiten auch Baufirmen und Entsorgungsunternehmen. Nachdem die Auswirkungen der Aufhebung der Sonderregelungen für ABM in Ostdeutschland zu Beginn dieses Jahres verstärkt wirksam wurden, saniert die Arbeitsförderungsgesellschaft nunmehr insbesondere Werkstätten und Verwaltungseinheiten für ABM sowie Rächen, die künftig der gemeinschaftlichen Nutzung mit kommunalen Einrichtungen zugeführt werden sollen. In diesen Projekten sind rund 30 Arbeitnehmer tätig. Umweltschutz und Recycling von Haushaltsmüll, Bauschutt und Plastikabfälle: In diesem Bereich sind rund 40 Arbeitnehmer beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehört die Erfassung, Aufbereitung und Verarbeitung sowie Entsorgung von Plastikabfällen, Haushaltsgroßgeräten und wilden Mülldeponien. Zudem werden ingenieurtechnische Problemlösungen zur Optimierung der Mülltonnenerfassung und zur Abrechnung erarbeitet. Landschaftsgärtnerische Arbeiten und Gartenbau, einschließlich verkehrstechnische Anlagen. Soziale Dienste für bedürftige Gruppen wie Kindergärten und Altenheime und sonstige Dienstleistungen wie Breitensport- und Freizeitangebote. Sonstige Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Beschäftigung und Qualifizierung von Arbeitslosen stehen. 61

In der Arbeitsförderungsgesellschaft werden jeweils ca. 10 ABM-Stellen durch einen Projektleiter betreut. Allerdings sind gerade diese Arbeitskräfte im besonderen Maße in der Lage, auf Arbeitsplätze mit besseren Arbeitsbedingungen und einer höheren Dotierung zu wechseln. Damit ist die AQUA, wie auch viele andere Beschäftigungsgesellschaften, den Problemen einer äußerst starken Fluktuation im mittleren Management ausgesetzt. Im Hinblick auf künftige Projekte will die Gesellschaft eine Großmaßnahme für 150 Personen bei der Stadt Zehdenick beantragen. Im Vordergrund dieser Maßnahme soll die Dorferneuerung stehen, dazu gehört auch die Wohnumfeldverbesserung und der Ausbau von Spielplätzen. Vorstellungen gibt es in der Gesellschaft auch für Produktneuentwicklungen, die allerdings in der Fallstudie noch nicht konkretisiert wurden. Konzipiert werden sollen darüber hinaus spezielle Programme für Langzeitarbeitslose. •

Fortbildung

und Umschulung

Vom Arbeitsamt Neuruppin werden gegenwärtig FuU-Maßnahmen in stärkerem Maße favorisiert als ABM. Die Arbeitsförderungsgesellschaft hat bereits in ihrer ersten Projektkonzeption über alle Maßnahmen hinweg ein begleitendes Qualifizierungsprogramm angestrebt. Für diese Qualifizierungen wurden neben dem Arbeitsamt insbesondere anerkannte Bildungsträger eingeschaltet. Überdies wird in der AQUA darüber nachgedacht, einen gesellschaftseigenen Bildungsträger aufzubauen. Unter Nutzung der im IWZ noch vorhandenen Kapazitäten und Erfahrungen in der Erstausbildung soll vor allem die gewerbliche Qualifizierung angeboten werden. Mit diesem Modell verspricht sich die Gesellschaft auch, daß Qualifizierungen zielgerichteter und stärker auf die von Investoren benötigten Qualifikationen abgestimmt werden können. Damit soll letztlich auch die u.a. durch fehlgeleitete Bildungsmaßnahmen beträchtlich gesunkene Bildungsbereitschaft der Arbeitnehmer wieder erhöht werden.

iii. Ausgründungen - Existenzgründungen - Perspektiven Von der Arbeitsförderungsgesellschaft ist bereits in der ersten Rahmenkonzeption im März/April 1991 als eine wichtige Aufgabe benannt worden, Existenzgründungen direkt und indirekt anzustoßen. Neben den Aktivitäten in der Produktneuentwicklung gibt es für zwei Ausgliederungen bereits etwas konkretere Vorstellungen. Dabei handelt es sich einmal um die Bewirtschaftung der Hausmülldeponien, zum anderen geht es um die Ausgründung eines Betriebes der Garten- und Kommunaltechnik. Darüber hinaus wurde darauf verwiesen, daß die von der Gesellschaft aufgewendeten Sachmittel in nicht unbeträchtlichem Ausmaß in die regionale Wirtschaft zurück62

fließen und damit zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen, iv. Konkurrenz zur Privatwirtschaft

Auch in der Region Gransee sind die Beschäftigungsgesellschaften und die Auftragsvergabe an sie von Seiten kleinerer und mittlerer Unternehmen kritisch betrachtet worden. Die Arbeitsförderungsgesellschaft gab dagegen zu bedenken, daß Probleme bisher eher auf die vorrangige Vergabe kommunaler Aufträge an größere Unternehmen als an Handwerksbetriebe zurückzuführen sein dürften. Dies spiegelt sich auch in einer von Handwerks- und Gewerbebetrieben gegenüber dem Arbeitsamt und der Wirtschaftsförderung zum Ausdruck gebrachten Kritik wider, daß die Informationstransparenz über Fördermittel nur beschränkt ist. Angemerkt wurde in diesem Zusammenhang auch, daß die Modalitäten für Vergabe-ABM recht aufwendig sind, mit der Folge, daß sie nicht wie gewünscht genutzt werden. 4.2.23

Fallstudie in Wittenberge

4.2.23.1

Regionales Umfeld

Wittenberge ist mit knapp 28 000 Einwohnern die größte Stadt im Kreis Perleberg, der etwas weniger als 69 000 Einwohner hat (Tabelle 4). Zudem ist Wittenberge das Zentrum der gesamten Region westliche Prignitz. Noch im September 1989 war mehr als die Hälfte der Bevölkerung im Kreis Perleberg erwerbstätig (37 000). Die Struktur der Beschäftigten nach Wirtschaftsbereichen zeigt, daß im landwirtschaftlichen Bereich ehemals 22 vH aller Beschäftigten tätig waren, rund 30 vH konzentrierten sich im produzierenden Gewerbe (Tabelle 5). Allein 3 550 Personen arbeiteten ehemals im Metall-, Maschinen- und Fahrzeugbau sowie 2 200 Arbeitnehmer in den Bereichen Chemie, Mineralöl, Kunststoff und Gummi. Die Region war im besonderen Maße von drei industriellen Großbetrieben, die alle in Wittenberge angesiedelt waren, abhängig. Dabei handelte es sich um die Zellstoff und Zellwolle Werke Wittenberge, aus denen heraus die hier untersuchte Arbeitsförderungsgesellschaft gegründet wurde, das Nähmaschinenwerk sowie die Ölmühle. Die Ölmühle befand sich bereits 1991 in Liquidation. Den restlichen 1 000 Arbeitnehmern des 63

Nähmaschinenwerkes Wittenberge - dem größten Nähmaschinenhersteller der DDR - wurde zum 31.12.1991 die Kündigung ausgesprochen. Seitdem befindet sich der Betrieb ebenfalls in Liquidation; mit dem Unternehmen Pfaff geführte Verkaufsverhandlungen scheiterten 1991. Danach wurde von der Treuhandanstalt ein Verkauf an einen indonesischen Investor wieder zurückgenommen, da die von diesem zugesagten Gelder ausblieben. Von der Treuhand wurde dem Unternehmen die Sanierungsfähigkeit, falls es einen Investor gäbe, zugesprochen. Experten gehen davon aus, daß dazu allerdings die Fertigungstiefe erheblich reduziert werden müßie und damit letztlich nur 200 Beschäftigte zu halten wären.

Mit ehemals 2 500 Beschäftigten waren die Zellstoff und Zollwolle Werke in Wittenberge der größte Arbeitgeber. Die Hauptproduktionslinie des Werkes war Viskosefaser, daneben wurden Zellstoff und Zellglas hergestellt sowie holzchemische Produkte aus Altprodukten der Zellstoffproduktion. Die Maschinen und Anlagen des Werkes befanden sich in sehr schlechtem, verrotteten Zustand; so sind bereits seit Jahren Teile der Produktion wegen einer nur unzureichenden Betriebssicherheit nur noch mit baupolizeilichen Ausnahmegenehmigungen betrieben worden. Das Werk gehörte zu den größten Umweltverschmutzern der DDR, Altlasten einschließlich Bauschutt und Sondermüll sind seit Gründung des Werkes im Jahre 1938 auf dem Werksgelände aufgehaldet, Schadstoffe in die Elbe eingeleitet worden. Das technische Know-how entsprach bei weitem nicht dem heutigen Standard. Alles dies führte letztlich dazu, daß die Erzeugnisse des Werkes unter Weltmarktbedingungen nicht mehr wettbewerbsfähig waren. Von der Treuhandanstalt wurde das Unternehmen als nicht sanierungsfähig bewertet, ein völliger Neuanfang für erforderlich erachtet.

Bereits im September 1990 wurde in dieser Situation die Zellstoffproduktion eingestellt, und es wurden 600 Arbeitnehmer in Kurzarbeit-Null versetzt. Ende Februar 1991 wurde die Viskosefaserproduktion beendet. Das Werk ging in Konkurs und befand sich danach in Liquidation; ein sich dem Konkurs anschließendes Sanierungskonzept gab es nicht. Die holztechnische Anlage ist zum gleichen Zeitpunkt einem Hamburger Unternehmen zur Nutzung überlassen worden, so daß zumindest für diesen Teilbereich zunächst ein Weiterbetrieb gesichert war.

Kurz vor der Währungsunion waren noch rund 1 700 Arbeitnehmer im Werk tätig, im Frühjahr 1991 ungefähr 1 600, davon 60 bis 80 Arbeitnehmer in der holztechnischen Anlage. 950 Arbeitnehmer des Werkes befanden sich zu diesem Zeitpunkt in Kurzarbeit-Null. Bereits seit März 1991 waren rund 190 Arbeitskräfte über ABM mit umweltverbessernden Maßnahmen wie Abriß des Chlor- und Schwefelkohlenstofflagers und anderen Dekontaminierungs- und Aufbereitungs64

maßnahmen beschäftigt. Dazu wurden auch spezielle Entsorgungsfirmen eingebunden sowie dafür erforderliche, aufwendige Technik und das Fachpersonal gemietet. Nach der Planung sollten die AB-Maßnahmen letztlich auf 400 Arbeitskräfte ausgedehnt werden. Anfang 1991 waren überdies bereits 400 Beschäftigte des Werkes in FuU-Maßnahmen eingetreten. Weiterhin sollten bis zum 30.6.1991 alle 1 600 Beschäftigten an einem Orientierungskurs teilgenommen haben. Neben diesen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wurden von selten des Werkes verschiedene Initiativen ergriffen und Vorstellungen über den Standort Wittenberge entwickelt: Zum einen sollte zum Frühjahr 1991 eine Arbeitsförderungsgesellschaft organisiert werden, zunächst mit dem Ziel, A B M als Anschubleistung zu nutzen, um in zwei bis drei Jahren als markt- und wettbewerbsfähiges Recycling-Unternehmen tätig sein zu können. Gedacht war auch daran, die Zellstoffproduktion mit umweltfreundlichen Verfahren wieder aufzunehmen, da dafür die Voraussetzungen wie Bahnanschluß, eigener Hafen und der erforderliche Rohstoff (Holz) als günstig beurteilt wurden. Allerdings gab es für diese Produktion bislang keinen Investor, zudem wurden die wahrscheinlichen Beschäftigungswirkungen als gering eingeschätzt. Andererseits waren zu diesem Zeitpunkt verschiedene Investoren an Teilen des Werksgeländes interessiert, beispielsweise gab es Interessenten aus dem Automobilbau. Dies führte zu gänzlich unterschiedlichen, teilweise gegensätzlichen Überlegungen hinsichtlich der künftigen Nutzung des Standortes. Zunächst wurde das Augenmerk auf einen großen Investor gelegt. Problem war jedoch jeweils die Belastung des Unternehmensgeländes durch Altlasten, deren Risiken von einigen potentiellen Ansiedlern offenbar als zu hoch eingeschätzt wurden, als daß es letztlich zu einer Ansiedlung eines großen Unternehmens gekommen wäre. Insofern wurden Teillösungen mitgetragen, beispielsweise die Betreibung einer Altölaufbereitung mit ca. 70 Arbeitskräften durch eine Hamburger Firma sowie die Verpachtung des werkseigenen Kraftwerkes an einen Berliner Betreiber. Ein Teil der Werksfläche erhielt ein Hamburger Fensterproduzent (Petral), auf einer anderen kleinen Teilfläche siedelte sich ein Möbelmarkt an. Alles dies ließ jedoch erkennen, daß das zunächst favorisierte Konzept, ein großes Industrieunternehmen zur Ansiedlung gewinnen zu können, sich nicht realisieren ließ. Der Schwerpunkt verlagerte sich in der Folge wieder stärker auf die Variante, das Gelände neu aufzubereiten und eine Reihe von mittelständischen Unternehmen anzuwerben. Um dies über ABM finanzieren zu können, wurde schließlich der Kommune nach schwierigen Verhandlungen von der Treuhand das gesamte Gelände zur Sanierung und Vermarktung überlassen.

Wie schwer es der Region fällt, Ansiedlungserfolge zu erlangen, zeigt sich auch in den Angaben 65

über Gewerbean- und -abmeldungen. Insgesamt verblieben von Anfang 1991 bis zum September 1991 rund 590 neue Gewerbe im Bestand. Davon jedoch nur 26 im industriellen Bereich, dagegen aber 274 im Handel. Die überaus ungünstigen Verhältnisse in der Region, wie der völlige Zusammenbruch industrieller Arbeitsplätze und noch nicht ausgereifte regionalpolitische Vorstellungen, führten in starkem Maße zu Abwanderungen in die weitere Umgebung, insbesondere von jüngeren und qualifizierten Arbeitskräften. Begünstigt wird dies durch den nahegelegenen Wirtschaftsraum Hamburg. Von der Region, insbesondere auch von der Stadt Wittenberge, wurden verschiedene Initiativen zum Erhalt des Industriestandortes Wittenberge ergriffen. So ist bereits ein Bildungsverein von der Stadt und ansässigen Unternehmen zur Wahrung der beruflichen Erstausbildung gegründet worden. Ebenfalls tätig geworden ist ein regionaler Förderverein, bestehend aus Mitgliedern der Kommune, des Kreises, des Landes Brandenburg, ansässigen Unternehmen und potentiellen Investoren. Dies alles hat jedoch bislang nicht dazu geführt, daß die Arbeitslosigkeit - die Arbeitslosenquote im Kreis Perleberg liegt bei 17 vH - verringert werden konnte. Die wirtschaftlichen Perspektiven der Region sind auch heute noch eher ungewiß und ungünstig. 4.2.23.2

Fallstudie H "Priegnitzer Zellwolle** Arbeitsförderungsgesellschaft mbH, Wittenberge (PZA)

i. Gründung Mit dem Scheitern jeglicher Sanierungskonzepte wurde mit Unterstützung der jetzigen Landesagentur für Struktur und Arbeit, LASA, aus dem Konkursunternehmen Zellstoffe und Zellwolle Werke Wittenberge heraus eine Arbeitsförderungsgesellschaft gegründet. Das Land Brandenburg stellte dafür eine Anschubfinanzierung aus dem Sofortprogramm zur Verfügung. Träger der Arbeitsförderungsgesellschaft sind jeweils zu einem Drittel die Stadt Wittenberge, der Kreis Perleberg und die Belegschaft des Werkes, vertreten durch die IG Glas und Keramik sowie den Betriebsrat des Werkes. Die Belegschaft verfügt über ein Mehrheitsstimmrecht. Über das der Kommune von der Treuhandanstalt übertragene Werksgelände wurde mit der PZA ein Verwaltervertrag abgeschlossen. An potentielle Ansiedler werden Arbeitsplatzauflagen gestellt wie die vertragliche Zusicherung von zweijährigen Arbeitsplatzverträgen für Arbeitnehmer aus der Arbeitsförderungsgesellschaft, bei Nichteinhaltung werden Vertragsstrafen von 15 000 D M auferlegt. Der Übergang von dem Konkursunternehmen in die Arbeitsförderungsgesellschaft war zum 1.9.1991 möglich. Arbeitnehmer, die in die PZA wechselten, mußten vereinbarungsgemäß auf 66

ihre Rechte aus der Konkursmasse (Abfindungen) verzichten, über die Mittel verfügt die Arbeitsförderungsgesellschaft. ii. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen

Einen Überblick über den Beschäftigtenstand in der Arbeitsförderungsgesellschaft gibt die nachstehende Übersicht:

1.9.1991

1.1.1992

1.2.1992

Personen

Arbeitnehmer in der PZA insgesamt

Anteil der Frauen in vH am 1.2.1992

1346

1 140

1 071

44,2

366 176

690 150

679 175

23,9 74,3

814

300

217

83,4

darunter in ABM Qualifizierung Kurzarbeit-Null

Rund 160 Arbeitnehmer haben darüber hinaus die Altersübergangs- bzw. vorgezogene Vorruhestandsregelung in Anspruch genommen. •

ABM

Bei allen AB-Maßnahmen handelt es sich um Sanierungs- und Demontagearbeiten mit dem Ziel, das entsorgte Industriegelände für Neuansiedler vermarktungsfähig zu machen. Bereits im Konkursunternehmen wurde, wie weiter vorne beschrieben, mit Teil-Demontagen begonnen. Zunächst waren darin 370 ABM-Kräfte tätig, seit August 1991 lief zusätzlich eine Groß-ABM mit 325 Arbeitsplätzen. Insgesamt sind für AB-Maßnahmen rund 10 Mill, öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt worden. Zur fachgemäßen Demontage des Werkes sowie zur Gewährleistung eines Mindestmaßes an Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit werden Hochtechniken sowie Berater- und Führungsmanagement von spezifischen Unternehmen - in der Regel kommen diese aus den Altbundesländern - eingekauft.

67



Fortbildung

und Umschulung

Auch FuU-Maßnahmen wurden bereits im Ursprungsunternehmen initiiert. Derzeit werden rund 175 Arbeitnehmer, darunter knapp 75 vH Frauen von acht Bildungsträgern - insbesondere vom Bildungswerk Wittenberge - qualifiziert. Es handelt sich dabei gegenwärtig um Langzeitqualifizierungen. Damit ist angestrebt, weiteren Abwanderungen entgegenzuwirken. •

Kurzarbeit-Null

Die Gesellschaft nutzt Kurzarbeit-Null als letztes arbeitsmarktpolitisches Mittel. Da die Geschäftsführung der Gesellschaft eine zunehmende Individualisierung und Demotivierung der von Kurzarbeit Betroffenen festgestellt hatte, hat die PZA nur noch Kurzarbeiterverträge mit kurzen zeitlichen Fristen abgeschlossen. Arbeitnehmer, die sich nicht bereitwillig von Kurzarbeit im ABM oder FuU einsetzen lassen, erhalten außerdem keinen neuen Vertrag. 4.2.3

Fallstudien im Arbeitsamtsbezirk Potsdam

Im Arbeitsamtsbezirk Potsdam19 wurden zwei Fallstudien durchgeführt, beide im Landkreis Potsdam. Eine Gesellschaft hat ihren Sitz in Teltow, einer monostrukturierten Industriestadt direkt bei Berlin, die andere in einem kleinen Ort (Groß Krentz bei Werder) in einer ländlich geprägten Region. Im Arbeitsamtsbezirk insgesamt lebten Mitte 1991 rund 630 000 Menschen; während 1989 davon noch gut die Hälfte erwerbstätig war, sind es gegenwärtig schätzungsweise nur noch 43 vH (Tabelle 4). Für das Jahr 1989 zeigt die Verteilung der Beschäftigten auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche für den Arbeitsamtsbezirk insgesamt einen Schwerpunkt im produzierenden Gewerbe. In diesem Bereich waren insgesamt etwas weniger als ein Drittel aller Beschäftigten tätig, im Bereich Handel und Verkehr waren es knapp 20 vH und in der Landwirtschaft 13 vH. Diese Struktur weicht deutlich von der Struktur im Landkreis Potsdam ab: Zwar liegt auch im Kreis der Schwerpunkt mit 43 vH aller Beschäftigten auf dem produzierenden Gewerbe. Hier ist aber der Anteil der Landwirtschaft um gut 5 vH-Punkte höher (19 vH) als im Arbeitsamtsbezirk Potsdam und liegt sogar um 8 vH-Punkte über dem Beschäftigtenanteil, der für Brandenburg insgesamt ausgewiesen ist (Tabelle 5).

19

Zum Arbeitsamtsbezirk Potsdam gehören die Kreise Potsdam, Brandenburg, Beizig, Jüterborg, Luckenwalde, Zossen und Königswusterhausen. 68

Die Arbeitsmarktkennziffern spiegeln für den Arbeitsamtsbezirk Potsdam eine im Verhältnis zu Ostdeutschland oder Brandenburg, aber auch im Vergleich zu den beiden anderen brandenburgischen Arbeitsamtsbezirken (Eberswalde, Neuruppin), in denen auch Fallstudien durchgeführt wurden, etwas günstigere Arbeitsmarktsituation wider: Bei 40 150 registrierten Arbeitslosen ergab sich im Arbeitsamtsbezirk Potsdam im April 1992 eine Arbeitslosenquote von 14 vH; sie ist damit niedriger als im Land Brandenburg und in Ostdeutschland insgesamt (jeweils 15 vH). Im Vergleich zu den anderen genannten Arbeitsamtsbezirken ist die aktuelle Arbeitslosigkeit hier um etwa 5 vH-Punkte geringer. Zur Bewältigung der Arbeitslosigkeit haben im Arbeitsamtsbezirk zum Jahresbeginn 1992 u.a. schätzungsweise 30 Beschäftigungsgesellschaften arbeitsmarktpolitische Maßnahmen durchgeführt.

Im Arbeitsamtsbezirk Potsdam sind 10 950 Personen in Kurzarbeit. In Vollzeitäquivalenten berechnet sind dies mit 2 vH aller Erwerbstätigen oder 5 400 Personen deutlich weniger Menschen als etwa in Ostdeutschland insgesamt (3,1 vH) oder im Land Brandenburg (2,6 vH). In FuU-Maßnahmen befinden sich gegenwärtig 13 400 Personen. Im April 1992 kamen auf 100 Arbeitslose 31 ABM-Stellen (Brandenburg: 34). Insgesamt gab es zu diesem Zeitpunkt nur 12 300 Arbeitskräfte in ABM. Eine weitere Entlastung des regionalen Arbeitsmarktes bedeutete es, daß 28 800 Personen eine Vorruhestandsregelung in Anspruch nehmen. 4.23.1

Fallstudie in Teltow

4.23.1.1

Regionales Umfeld

Die Stadt Teltow 20 gehört zum Kreis Potsdam. Sie schließt direkt an den südwestlichen Stadtrand von Berlin an und liegt in unmittelbarer Nähe zur brandenburgischen Hauptstadt Potsdam. Zur Region der 15 000 Einwohner zählenden Stadt Teltow gehören die Gemeinden Güterfelde (1 300 Einwohner), Kleinmachnow (11 400 Einwohner), Ruhlsdorf (850 Einwohner) und Stahnsdorf (5 800 Einwohner). Beim Kreis Potsdam handelte es sich ehemals um eine Region mit ausgeprägtem Beschäftigtenanteil im produzierenden Gewerbe (42,9 vH). Bezogen auf die Arbeitnehmer im industriellen Bereich ist der Wirtschaftsbereich Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik überaus dominierend gewesen: 70 vH aller Beschäftigten des industriellen Bereichs oder knapp 14 000 Personen

20

Auch vom Institut für Arbeit und Technik ist in dieser Region in der hier untersuchten Einrichtung, der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Regionalentwicklung Teltow e.V., eine Fallstudie durchgeführt worden. Damit ist es möglich eine Gesellschaft auch unter dem Aspekt ihrer Entwicklung zu betrachten. 69

arbeiteten in solchen Unternehmen.

Die Monostruktur der Region ging einher mit der Konzentration der Beschäftigten auf die Stadt Teltow und dort auf drei Großbetriebe, in denen allein 12 500 Personen beschäftigt waren. Dabei handelt es sich um das aus der GRW Teltow hervorgegangene jetzige Geräte- und Regler-Werk Teltow GmbH (GRW): Das Werk hatte früher 6 000 Arbeitnehmer. Produziert und montiert wurden Geräte der Automatisierungseinrichtungen und Druckmeßtechnik. Bereits zum 1.1.1991 war der Beschäftigtenstand um 1 250 Arbeitnehmer auf 4 750 reduziert worden. Im Frühjahr 1991 übernahm Siemens die Fertigung der Automatisierungseinrichtungen (Siemens Anlagenbau) und damit rund 1 200 Beschäftigte. In der GRW - die noch in Treuhandbesitz ist - sind bisher 600 Arbeitnehmer verblieben. Die übrigen Arbeitnehmer sind in den Vorruhestand gegangen, in ABM und FuU bzw. in Kurzarbeit-Null eingetreten oder entlassen und arbeitslos geworden. Einige Betriebsteile konnten mit ungefähr 500 Arbeitnehmern in selbständige kleinere und mittlere Betriebe ausgegliedert werden. Die verbleibende Räche der GRW wurde unter spektakulären Bedingungen - zum Preis von 1 DM, verbunden mit einer Sanierungs- und Vermarktungsauflage - an den Unternehmer Claus Wisser vergeben. Der zweitgrößte Betrieb war der VEB Elektronische Bauelemente Teltow, die jetzige Eltronik-eb GmbH Teltow (Eltronik). Dieser Betrieb hatte 1989 noch 3 500 Beschäftigte. Produziert wurden frequenzielle Bauelemente und feste Schichtwiderstände. Überdies war das Werk Hersteller für Bauelemente des Spezialmaschinenbaus. 240 000 m 2 der Unternehmensfläche wurden von der Treuhandanstalt an die Heidelberger Roland-Ernst-Unternehmensgruppe verkauft (Kaufpreis: 48 Mill. DM). Die Eltronik ist privatisiert. Einen Teil der Produktion wird sie weiterführen, allerdings mit nur rund 100 Arbeitnehmern. Für 1 100 Personen wurde Kurzarbeit-Null beantragt. Rund 400 Arbeitnehmern wurden in der unternehmenseigenen Qualifizierungsgesellschaft FuU-Maßnahmen angeboten. Die schon in den beiden Vorjahren erfolgten Ausgliederungen von Betriebsteilen haben dazu geführt, daß ungefähr 900 Beschäftigte auf Arbeitsplätzen in diesen neugegründeten kleineren und mittleren Betrieben tätig wurden, wohl der weitaus größte Teil allerdings nicht im Bereich Elektronik. Auf einem Teil des Geländes der Eltronik hat sich die Verwaltungszentrale der Allgemeinen Ortskrankenkasse Brandenburg angesiedelt. Die frühere Mikroelektronik Stahnsdorf, jetzt Leistungselektronik Stahnsdorf A G (LESAG), war mit 3 000 Arbeitnehmern der drittgrößte Betrieb in Stahnsdorf. Produziert wurden elek70

tronische Bauelemente wie Transistoren, Hochspannungs- und Leistungsschalttransistoren, Dioden, Epi- und Schottky-Chips. Die Elektronikproduktion selbst soll im Kernbereich mit etwa 350 Beschäftigten erhalten bleiben; noch befindet sich die LESAG in Treuhandbesitz. 1 400 Arbeitnehmer, die bereits in Kurzarbeit standen, sind zum Jahresende 1991 entlassen worden. Arbeitsplätze sind für schätzungsweise 300 Arbeitnehmer durch Ausgliederungen und Abspaltungen von Betriebsabteilungen und sich daraus entwickelnden Neugründungen entstanden. An einen Kauf des Unternehmensgeländes zeigt sich wiederum die RolandErnst-Unternehmensgruppe interessiert. Insgesamt sind einschließlich der Beschäftigten bei Siemens rund 2 500 Arbeitsplätze in den drei großen Betrieben Teltows erhalten geblieben. Im Kreis Potsdam waren im März 1992 etwas mehr als 12 350 Personen als Arbeitslose registriert, die Arbeitslosenquote betrug 10,3 vH. Im Vergleich zum Arbeitsamtsbezirk Potsdam (14,3 vH) ist die Arbeitsmarktsituation im Kreis Potsdam damit weniger ungünstig. Vor dem Hintergrund des starken Beschäftigtenabbaus in den drei vorher beschriebenen großen Betrieben läßt sich dies auch mit starken Pendlerströmen nach Berlin und zu den neuaufgebauten Verwaltungen Brandenburgs - nach Potsdam - erklären. Bedeutender noch dürfte aber sein, daß im Kreis Potsdam insbesondere in der Region Teltow arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Aktivitäten weit vorangeschritten sind. So gibt es eine weitgehende arbeitsmarktpolitische Steuerung und Koordinierung unter starkem Einbezug der im Rahmen der Fallstudien untersuchten Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Regionalentwicklung Teltow (GWR). Die GWR ist vom Land Brandenburg als Koordinator und Initiator neuer AB-Maßnahmen für den Raum Teltow eingesetzt worden. Damit sollen die Interessen der hier ansässigen Beschäftigungsgesellschaften gebündelt und zugleich verhindert werden, daß die Gesellschaften ähnliche oder gar gleiche Projekte beantragen. Im Qualifizierungsbereich übernimmt die GWR zudem die Kontakte zu Bildungsträgern und initiiert Maßnahmen in zukunftsträchtigen Feldern. Neben dieser Gesellschaft sind direkt im Teltower Raum fünf Beschäftigungsgesellschaften tätig. Dazu gehört die Arbeitsförderungsgesellschaft GRW Teltow, eine betriebliche Auffanggesellschaft des Geräte- und Regler-Werkes Teltow; diese beschäftigt 150 Arbeitnehmer. Zudem gibt es die forschungsorientierte Be u. We, Besehäftigungs- und Weiterbildungsgesellschaft mbH mit 93 Arbeitnehmern, die insbesondere Computer-Schulungen und Lehrgänge zur Qualifizierung durchführt. Bei der Gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft mbH Teltow handelt es sich um 71

eine weitere betriebliche Auffanggesellschaft, und zwar die des Unternehmens Eltronik-eb. Diese Gesellschaft hat ungefähr 100 Arbeitnehmer. Schließlich ist die Gesellschaft zur Arbeitsförderung und Strukturentwicklung in Stahnsdorf gegründet worden. Diese umfaßt 40 Arbeitnehmer. Ihr Stammbetrieb ist die LESAG. Relativ umfassend entwickelt ist in Teltow auch die Regional- und Wirtschaftsförderung. Neben der Verwaltung koordiniert ebenfalls die GWR regionalpolitische und wirtschaftsfördernde Aktivitäten kommunalübergreifend. Nicht zuletzt auf diese Aktivitäten dürfte ein Teil der hier neu angesiedelten Gewerbe zurückzuführen sein: Die Entstehung von Gewerbebetrieben in der Region Teltow verweist auf eine etwas günstigere wirtschaftliche Entwicklung als sie für die anderen beschriebenen Regionen, insbesondere Eberswalde und Prenzlau, auszumachen ist. Vom Jahresbeginn 1991 bis zum September 1991 sind von etwas mehr als 1 000 Neuzugängen und im Bestand verbliebenen Gewerbebetrieben allein 50 im industriellen Bereich und 45 im Baugewerbe tätig sowie 90 im Handwerk. Zwar überwiegen mit 340 Handelsbetrieben auch im Kreis Potsdam bei den Neuzugängen die nicht produktiven Dienstleistungen. Bei den Ansiedlungen im industriellen Bereich handelt es sich aber um verhältnismäßig "sichere" Betriebe und vor allem um - im Hinblick auf die Beschäftigtenzahl - größere Gewerbe. Zudem ist in Teltow Anfang 1991 das Techno-Terrain-Teltow, das erste von insgesamt 17 für Ostdeutschland geplanten Technologiezentren, eröffnet worden. Im Raum Teltow sollen in Dreilinden, Stahnsdorf, Ruhlsdorf sowie Teltow selbst sechs Gewerbeparks erschlossen werden. 4.23.1.2

Fallstudie I Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Regionalentwicklung Teltow e.V. (GWR)

i. Gründung Die gemeinnützige Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Regionalentwicklung Teltow e.V. (GWR) wurde im April 1991 auf Initiative des Arbeitsministeriums von Brandenburg und in einer konzertierten Aktion von öffentlichen Einrichtungen, Gewerkschaften und anderen Beschäftigungsgesellschaften - insbesondere der SAG, Dessau -, Verbänden und Unternehmen gegründet, als deutlich wurde, daß betriebliche Lösungen allein nicht ausreichend sein würden zur Bewältigung der Probleme am Arbeitsmarkt. Nach der Satzung soll der Verein einen rein öffentlichrechtlichen Charakter haben. Gegenwärtig sind aber auch zwei Treuhandunternehmen Mitglieder des Vereins. Zu den ordentlichen Mitgliedern der GWR gehören: 72

die Stadtverwaltung Teltow sowie die Gemeinden Kleinmachnow, Stahnsdorf, Gütersfelde und Ruhlsdorf 21 und das Landratsamt Potsdam, die Wirtschaftssozietät Berlin, die Industrie- und Handelskammer Potsdam sowie zwei Teltower Unternehmen, die Geräte- und Regler-Werke Teltow GmbH (GRW) und die Leistungselektronik Stahnsdorf AG (LESAG) 22 . Satzungsrechtlich wurde den Kommunen gegenüber dem Verein eine besondere Mitbestimmung zugesprochen. Eine Reihe wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch bedeutender Institutionen und ortsansässiger Unternehmen haben als außerordentliche Mitglieder dem Verein ihre breite Unterstützung zugesagt. Dazu gehören beispielsweise das Brandenburgische soziale Bildungswerk e.V., die IG-Metall, die Roland Ernst Projekt-Management-Verwaltungs GmbH Nord-Ost, Siemens Anlagenbau Teltow sowie das Technologiezentrum Teltow. Ziel der GWR ist es, regionale, kommunale und betriebliche Belange aufeinander abzustimmen. Überdies will der Verein Dauerarbeitsplätze schaffen 23. Dazu ist die GWR in drei Bereichen vertreten, in der Wirtschaftsförderung, der Regionalentwicklung und der Arbeitsförderung. Die Gebäude, in denen die GWR arbeitet, sind über die Roland-Ernst-Gruppe für zwei Jahre gemietet (Kosten: 10,- D M pro m 2 ). Falls die Gebäude von dem Vermieter wie vorgesehen zur Bebauung der Räche als Gewerbepark abgerissen werden, hat sich das Unternehmen bereit erklärt, Räume zu den gleichen Konditionen wie bisher zur Verfügung zu stellen. Ein Kooperationsvertrag mit der Treuhandanstalt existiert nicht, die Treuhandunternehmen haben aber zur Erstausstattung der GWR durch Büromöbel und -geräte aus ihrem Bestand beigetragen. Die Hauptfinanzierung der GWR bis Ende 1992 läuft über ABM. Für ihre Arbeitnehmer erhält

21

Die Gemeinden Gütersfelde und Ruhlsdorf sind der GWR erst 1992 beigetreten.

22

I m Vorjahr war neben diesen beiden Treuhandunternehmen als drittes Treuhandunternehmen die unterdessen privatisierte Eltronik Mitglied in der GWR. ^Nach der Satzung der GWR Teltow e.V. ist der Zweck des Vereins, "auf der Grundlage des Selbstverwaltungsrechtes der Gemeinden (...), die regionale Wirtschaft (...) zu fördern" (§ 2). 73

die GWR eine Vollfinanzierung, für Sachkosten fast 30 vH Zuschüsse. Die technische Ausstattung des Vereins besteht überwiegend aus abgeschriebenen Büromöbeln und -geräten ortsansässiger Unternehmen. Darüber hinaus hat die GWR über das Sofortprogramm in Brandenburg für 1991 und 1992 insgesamt 100 000 DM als nicht rückzahlbare Anschubhilfe erhalten 24. Davon sind aber 40 000 DM zweckgebunden für die Finanzierung von Gesellschaftsanteilen an anderen Beschäftigungsgesellschaften 25. Mittel erhält der Verein auch aus dem Europäischen Sozialfonds für Qualifizierungsmaßnahmen sowie aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden26. Schließlich verfügt die GWR über Erlöse für Dienstleistungen und projektbezogene Mittel beispielsweise für eine Untersuchung (Erfassung von Biotopen), die der Verein für das Umweltministerium in Brandenburg durchführt. Über Projektmittel soll auch ein regionales Verkehrskonzept für das brandenburgische Ministerium für Stadtentwicklung und Verkehr erarbeitet werden.

Die GWR hat im Juli 1991 mit 40 Personen ihre Arbeit aufgenommen. Gegenwärtig sind bei ihr im Rahmen von ABM und FuU-Maßnahmen rund 245 Arbeitnehmer in befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Die Arbeitnehmer wurden überwiegend aus den drei - vorn beschriebenen - Großbetrieben, in denen nach dem Metalltarif bezahlt wurde, übernommen. Auch in der GWR werden die ABM-Kräfte daher in Abstimmung mit dem Arbeitsamt nach diesem Tarif entlohnt. Die Geschäftsführung wird hauptsächlich aus Mitgliedsbeiträgen und den Spenden finanziert.

Im Hinblick auf die Beschäftigtenstruktur in der GWR zeigt sich, daß der Anteil älterer Arbeitnehmer (40 Jahre und älter) mit 56 vH recht hoch ist, Männer und Frauen jeweils zur Hälfte vertreten sind, die Arbeitnehmer relativ gut qualifiziert sind; 45 vH haben einen Fach- oder Hochschulabschluß, 47 vH haben einen Facharbeiterabschluß. Insbesondere der hohe Anteil gut, wenn auch nicht unbedingt fachlich passend, qualifizierter und älterer Arbeitnehmer wirft nach Auskunft der Gesellschaft durchaus Probleme auf. Denn gerade diese Arbeitnehmer empfinden häufig, daß sie in den ersten Arbeitsmarkt nur unter ihrem

^Eine weitere Anschubhilfe von Seiten des Landes Brandenburg noch im laufenden Jahr ist gegenwärtig im Gespräch. 25

Gesellschafteranteile hat die GWR bereits in der Be u. We und in der aus der LESAG entstandenen Stahnsdorfer Beschäftigungsgesellschaft. ^Von der Stadt Teltow und der Gemeinde Kleinmachnow hat der Verein eine Spende über ungefähr 30 000 D M erhalten. 74

Qualifikationsniveau oder gar nicht mehr eingliederbar sind. Dies hat zur Folge, daß sie nur bedingt zu motivieren sind. Mit der Altersstruktur dürfte auch zu erklären sein, daß nur wenige ABM-Kräfte die GWR bisher verlassen haben. ii. Geschäftsbereiche und Projekte der GWR



Geschäftsbereich

Wirtschaftsförderung

Arbeitsschwerpunkte in diesem Bereich sind die Erarbeitung einer Regionanalyse sowie die Konzeption einer regionalen Wirtschaftsdatenbank mit Angaben über Industrie- und Dienstleistungsunternehmen sowie Handels- und Handwerksbetrieben. Weiterhin gehören zu diesem Bereich Technologieberatung und Beratungsdienstleistungen für Existenzgründer sowie für Investoren und ansiedlungswillige Unternehmen.



Geschäftsbereich

Regionalentwicklung

und -planung

Die GWR hat 1991 mit Recherchen und Vorarbeiten für ein regionales Entwicklungskonzept mit umfangreichen Daten über Bevölkerung, Verwaltung, Infrastruktur, Wohnungswesen, Flächenentwicklung, Wirtschaft, Bildungswesen, Kultur und Freizeit sowie Gesundheitswesen und Soziales begonnen. Dies soll letztlich zur Erstellung eines marketingorientierten regionalen Entwicklungskonzeptes führen. Dabei wird auch über eine regionale Verkehrskonzeption nachgedacht und eine regionale Kulturkonferenz vorbereitet. •

Geschäftsbereich Arbeitsförderung

Zunächst wurden in diesem Bereich AB-Projekte und ABM-begleitende Fortbildungsprogramme entwickelt und deren personelle Besetzung organisiert. Zu den Leistungen im Bereich Arbeitsförderung gehören insbesondere

ein Bürgerberatungsbüro insbesondere für Arbeitslose und Kurzarbeiter, die Koordinierung und Beratung der anderen in der Region tätigen Beschäftigungsgesellschaften, ein Frauenprojekt, in dem Frauentreffs organisiert und Frauenprojekte beraten werden sowie über Frauenbelange informiert wird, die Organisation von ABM-begleitender Qualifizierung in der Region. 75

Der Bereich Arbeitsförderung umfaßt zudem verschiedene Einzelprojekte im Rahmen von ABMaßnahmen, das sind

Landschaftsgestaltung und Naturschutz: Dazu gehört die Erfassung ausgewählter Biotope, Vorschläge zur Nutzung und Pflege von Grün- und Freiflächen, Zuarbeiten zu Naturschutzverordnungen, Baumkartierung, Baumsanierungsmaßnahmen, die Beratung für Kommunen bei der Landschaftsgestaltung und Wahrung des Naturschutzes und schließlich auch die fachliche Beratung und Kontrolle von Bauprojekten im Hoch- und Tiefbau. Umweltprojekte: Dabei geht es um Umweltanalysen, Sanierungsvorschläge für Altlastenstandorte, Erarbeitung von Umweltkatastern für Altlasten und Deponien, aber auch um die Müllerfassung sowie um die Vorbereitungen zum Aufbau eines Müllrecyclinghofes. Auch eine Wärmeenergieberatungsstelle ist eingerichtet worden. Verkehrsprojekte: Hierbei sollen Verkehrserhebungen und -zählungen als Grundlage für die Vorbereitung verkehrspolitischer Entscheidungen durchgeführt und ein Radwegenetz erarbeitet werden. Auch Vorschläge zur Parkraumneuordnung fallen hierunter. Bedarfsorientierte Projekte für die Verwaltung, Kultur, Bildung und soziale Dienste. iii. Ausgründungen - Perspektiven Zur Absicherung der Finanzierung des Vereins, zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen sowie zur Realisierung einer Trennung von kommerziellen und gemeinnützigen Tätigkeitsfeldern plant die GWR für ihre eigene Einrichtung verschiedene rechtliche Neuerungen. So will sie ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH gründen. An dieser GWR "Kommunale Entwicklungsgesellschaft mbH" wird der Verein GWR Teltow alleiniger Gesellschafter sein. Beabsichtigt ist damit auch der Trägerwechsel für alle ABM-Kräfte und -Projekte des Geschäftsbereichs Arbeitsförderung. Im Verein dagegen sollen die Bereiche Wirtschaftsförderung, Regionalentwicklung und -planung und Arbeitsförderung verbleiben. Das Arbeitsamt hat diesem Vorhaben bereits seine Zustimmung signalisiert.

Darüber hinaus sollen privatisierungsrelevante Projekte oder Teilprojekte als Töchter der GWR ausgegründet werden und dann eigenverantwortlich - wenn auch vorerst mit öffentlicher Finanzierung - agieren. Beispiel dafür ist ein bislang von ABM-Kräften geführter Bauhof in Stahnsdorf oder ein Energieberatungsbüro. Mittelfristig will die GWR als kommunale Wirtschaftsförderungs76

gesellschaft tätig sein. Im Bereich Qualifizierung ist ebenfalls an eine Ausgründung gedacht. Hier soll ein Bildungsträger, u.U. in Zusammenarbeit mit bereits existierenden Trägern, aufgebaut werden und bedarfsgerichtete Qualifizierungsmaßnahmen anbieten. Quantitative Vorstellungen über Arbeitsplatzeffekte, die aus diesen Veränderungen resultieren könnten, sind im Rahmen der Fallstudie von der GWR nicht gegeben worden. iv. Konkurrenz zur Privatwirtschaft

Der Verein schätzt ein, daß er durch seine Tätigkeiten auch neue Arbeitsplätze im Bau- und Handwerksbereich anstößt. Auch die durch den Verein verbesserten Standortbedingungen sowie Vorarbeiten für privatwirtschaftliche Aktivitäten führen letztlich zu mehr Arbeitsplätzen in der Region. Von Seiten des Vereins wird eine Verdrängung des privaten Gewerbes durch ABMaßnahmen in der gegenwärtigen Umbruchsituation nicht als das im Vordergrund stehende Problem angesehen. 4.2*3.2

Fallstudie Groß Kreutz

4.23.2.1

Fallstudie J Arbeitsförderungsgesellschaft der Land- und Forstwirtschaft e.V. der Region Göt^/Groß Krens/Werder

Über diese Gesellschaft kann in dem vorliegenden Gutachten nur eine kurze Beschreibung gegeben werden. Zwar wurde mit der Arbeitsförderungsgesellschaft ein ausführliches Gespräch geführt, allerdings wollten die Vertreter dieser Einrichtung ihre Informationen nicht als Einzelfall verwertet wissen. So sind Informationen und Erkenntnisse, die aus dieser Fallstudie gewonnen werden konnten, insbesondere in der Gesamtbewertung, die im Teil 5 des Gutachtens erfolgt, berücksichtigt werden. Die Arbeitsförderungsgesellschaft liegt im Landkreis Potsdam. Sie hat ihren Sitz in einer rein landwirtschaftlich geprägten Region zwischen der Stadt Brandenburg und der Stadt Potsdam. Die Einrichtung bezieht sich in ihrer Tätigkeit auf vier kleine Ortschaften 27, mit insgesamt rund 3000 Einwohnern. Bisher gibt es keine Amtsgemeinde, ein Teil der Probleme dieser Region ist sicherlich auch darauf zurückzuführen.

27

Dabei handelt es sich um die Orte Götz, Jeserich, Schenkenberg und Deetz. 77

Tabelle 4

Bevölkerung im Land Brandenburg nach ausgewählten Arbeitsamtsbezirken

Arbeitsamtsbezirk

Wohnbevölkerung am 31.12.1989

Kreis Eberswalde darunter:

Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter am 30.9.1989

in 1000

in vH der Wohnbevölkerung

355,2

235,4

66,2

49,6

Eberswalde

81,3

54,0

66,4



Prenzlau

43,2

28,2

65,3



539,8

354,6

65,7

51,5

43,5

28,4

65,3



128,8

85,9

66,6



73,2

47,5

64,9



644,7

426,7

66,2

51,4

99,0

66,1

66,8



2 641,2

1 739,4

65,9

52,0

16 433,8

10 721,2

65,2

54,1

Neuruppin darunter: Gransee Oranienburg Perleberg Potsdam darunter: Potsdam Brandenburg insgesamt nachrichtlich: Ostdeutschland insgesamt

Quellen: Gemeinsames Statistisches Amt; Bundesanstalt für Arbeit; Berechnungen des DIW.

78

Erwerbstätige 1989

36,6

37,1 20,8

10,8

3,5

8,9

40,4

6,6

6,9

14,7

18,8

Quellen: Gemeinsames Statistisches Amt; Berechnungen des DIW.

8 547,3

15,3

42,9

31,9

18,9

1 321,4

51,1

318,3 13,5

17,1

20,2 16,6

17,3

4,2 16,3 3,6 16,4 2,6 24,6

4,4

8,5 7,0

7,2

17,7

17,7

20,0

26,9

21,4 21,6 19,2

21,5

24,0 22,8

24,9

24,5

23,8

τ ο «λ Vf Produzierendes Gewerbe Bauwirtschaft Pandel schatt ohne Bau Verkehr I I I in vH

36,2

"Et

20,8 25,1 32,9 59,7 9,2 49,2 36,9 22,0 31,7

267,3 20,5

42,4 10,2 21,7 32,8

29,6

in 1 000

Insgesamt

169,7 20,9

Ostdeutschland insgesamt

nachrichtlich:

Brandenburg insgesamt

Potsdam

Potsdam darunter:

Neuruppin darunter: Gransee Oranienburg Perleberg

Eberswalde darunter: Eberswalde Prenzlau

Kreise

Arbeitsamtsbezirk

- September 1989 -

Struktur der Beschäftigten nach Wirtschaftsbereichen und nach ausgewählten Arbeitsamtsbezirken im Land Brandenburg

u Λ

, Dienstleistungen I

.

Tabelle 5

79

80

2,6

6,0

18,0

77 010

3,0

8,2

17,9

10 780

42 943

2,9

13,9

in vH

16 701

10 163

1,9

5,0

17 708

11 106

13 400 5 428

40 150 12 328

6 938

17 600

13 875

7,0

5 828

4 940

12 300

10 858

29 160

73 866 108 220 100 120

Potsdam

Quellen: Bundesanstalt für Arbeit; Berechnungen des DIW.

1) Errechnet aus dem durchschnittlichen Arbeitsausfall.- 2) Arbeitslose in vH der abhängigen zivilen Erwerbspersonen (Beschäftigte und Arbeitslose).- 3) Beschäftigte in ABM in vH der abhängigen zivilen Beschäftigten.- 4) Kurzarbeiter in Vollzeitäquivalent in vH der abhängigen zivilen Erwerbspersonen (Beschäftigte und Arbeitslose).

3,1

15,2

Arbeitslosenquote2)

Kurzarbeiterquote4)

472 300

Empfänger von Altersübergangsgeld

6,1

307 800

Empfänger von Vorruhestandsgeld

ABM-Quote3)

31 897

246 596

Kurzarbeiter - Vollzeitäquivalent -1)

15,0

75 300

Bestände in Fortbildung und Umschulung 507 300

47 689

62 220

404 460

Beschäftigte in ABM

1 195 962 184 262

478 378

in Personen

Neuruppin

darunter Arbeitsamtsbezirke

Eberswalde

Arbeitslose

Brandenburg

3 134 418

insgesamt

Ostdeutsch-

Insgesamt

Kennziffern

Region

- April 1992 -

Arbeitslose, Kurzarbeiter und Beschäftigte in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im Land Brandenburg und nach ausgewählten Arbeitsamtsbezirken Tabelle 6

Vor der Währungsunion waren in der Nähe zwei Betriebe in der Tierproduktion mit insgesamt 200 Beschäftigten und eine Pflanzenproduktion mit 300 Beschäftigten tätig. Zudem gab es den Obstbau, in dem früher 8 000 Personen tätig waren. Die Produktion in diesen Betrieben liegt nahezu vollständig brach. Bei der Arbeitsförderungsgesellschaft handelt es sich nur um eine kleine Einrichtung. Gegenwärtig gibt es insgesamt 28 ABM-Kräfte, eine ABM-Regie-Mannschaft und zwei Maßnahmen. Ein Projekt wird im Bereich Landschaftspflege, das andere im Bereich Tourismus und Naherholung durchgeführt. Bei den ABM-Kräften handelt es sich überwiegend um Frauen, um Langzeitarbeitslose und um Facharbeiter, am häufigsten um Gärtner. Die AB-Maßnahmen werden mit einem Anteil von 20 vH durch Qualifizierungen begleitet. Dabei handelt es sich vor allem um Themen wie Natur- und Umweltschutz. Vom Arbeitsamt werden zudem reine Fall-Maßnahmen angeboten. Dabei handelt es sich um Umschulungen, beispielsweise vom Gärtner zum Landschaftsgärtner oder zum Floristen oder um Umschulungen in den kaufmännischen Bereich hinein. Günstige Perspektiven für die Region sind bislang nicht zu erkennen. 43

Fallstudien in Sachsen

43.1

Fallstudien im Arbeitsamtsbezirk Leipzig

28

Die Fallbeispiele K, L und M gehören zum Stadt- und zum Landkreis Leipzig (rund 514.000/ 128.000 Einwohner). Die Region ist Bestandteil des Ballungsgebietes Halle/Leipzig, das mit dem traditionellen "mitteldeutschen Industriegebiet" identifiziert wird. Die Großstadt Leipzig ist einschließlich der am Stadtrand gelegenen Betriebe der größte Industriestandort von Sachsen. Trotz der im Prinzip relativ diversifizierten Industriestruktur 29 litt die Stadt nach der Währungsunion besonders unter den gravierenden Einbrüchen im Maschinenbau/Fahrzeugbau (mit einem Anteil an den Industriebeschäftigten von gut 50 vH im Landkreis Leipzig und von gut 40 der Stadt Leipzig). Die Region weist im negativen und im positiven einige spezielle Eigenarten auf. Im negativen sind es die hier besonders hohe Umweltbelastung (Braunkohle, Energie), das z.T. noch stärker als woanders veraltete Anlagevermögen (z.B. in der Industrie, besonders aber im

28

Regierungsbezirk Leipzig, Arbeitsamtsbezirk Leipzig. Zum Arbeitsamtsbezirk gehören neben dem Stadt- und Landkreis Leipzig die Kreise Delitzsch, Eilenburg, Würzen, Grimma, Borna. 29

Obwohl das Industrieprofil fast alle Zweige umfaßt, wird es jedoch in hohem Maße durch die chemische Grundstoffindustrie, den Braunkohlenbergbau (außerhalb der Ballungszentren) sowie vom Maschinenbau geprägt. Mit der Präsenz der Grundstoffindustrie hat die Region einen hohen Anteil sogenannter Problembranchen, von denen auch starke Umweltbelastungen ausgehen ("negatives Image" der Region dominierender Braunkohlentagebau in Borna und Delitzsch). 81

Wohnungswesen) und das damit verbundene negative Image30. Im positiven sind es die günstige Verkehrslage und die guten Voraussetzungen zur Entwicklung des tertiären Sektors, hier konzentriert auf den Ballungsraum Leipzig (Messe, Medien, Güterverkehrszentrum, Wissenschaft). Das Umland ist von der Mobilisierung des endogenen Potentials des Ballungskerns abhängig, die Arbeitslosenquoten liegen dort höher als in der Stadt. Die Hoffnungen der Stadt Leipzig auf positive Beschäftigungsimpulse aus dem Dienstleistungssektor sind zwar im Vergleich zu anderen Regionen in Ostdeutschland berechtigt, ein Funktionszuwachs als Dienstleistungszentrum ist deutlich, gleichwohl steht die Beschäftigungsdynamik in den Dienstleistungen in engem Zusammenhang mit der Industrie. Die Einbrüche in der Industrie sind durch den tertiären Sektor nicht zu kompensieren, auch nach einer gewissen Stabilisierung muß auf absehbare Zeit noch mit beträchtlicher Arbeitslosigkeit gerechnet werden 31. Es gilt also auch, über A B M ein Qualifikationspotential in der Region zu bewahren, um Leipzig als Industriestandort zu erhalten. Der Direktor des Arbeitsamtes rechnet für Mitte des Jahres mit weiteren 20 000 Entlassungen aus Treuhandbetrieben.

Für verschiedene Großprojekte (Flughafen, Messeneubau, Güterverkehrszentrum) und für die Erschließung von Gewerbegebieten sind längere Planungszeiten notwendig, die dazu führen, daß ein Bauboom frühestens Mitte/Ende 1992 einsetzen und voraussichtlich bis 1994/95 anhalten wird. Das Arbeitsplatzangebot im tertiären Bereich wird sich damit wegen der erst dann fertiggestellten Projekte verzögern. Vielfach werden Arbeitslosenquoten als Indikator für den Bedarf an AB-Maßnahmen einer Region herangezogen. Die Quote von gut 11 vH im Arbeitsamtsbezirk Leipzig 32 liegt im ostdeutschen Durchschnitt vergleichsweise niedrig. Allerdings gibt diese Quote ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Lage wieder, weil durch andere Maßnahmen (Kurzarbeit, ABM, FuU, vorzeitige Rente) die registrierte Arbeitslosigkeit gemindert wird.

30

Auch aus diesen Gründen erreichten die Stadt Leipzig und der Landkreis Leipzig nach Berlin und Magdeburg seit 1989 die dritthöchsten Abwanderungsverluste. 31

Nach Prognosen des DIW wird es in der Region noch bis Ende 1992 zu weiteren Arbeitsmarkteinbrüchen kommen und auch nach einer gewissen Stabilisierung bis Mitte der neunziger Jahre noch die Lücke zwischen Arbeitskräftepotential und vorhandenen Arbeitsplätzen 18 vH betragen (gegenüber 40 vH 1992) - bezogen auf die Arbeitsamtsbezirke Leipzig und Oschatz (Bereich des Regierungspräsidiums Leipzig). Vgl. Doris Cornelsen, Angela Scherzinger, Hartmut Usbek u.a.: "Struktur und Entwicklungschancen in der Region Westsachsen". In: Beiträge zur Strukturforschung des DIW, Heft 129/1992 (Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft). 32

82

Die Arbeitslosenquoten variieren zwischen den Kreisen des Arbeitsamtsbezirkes beträchtlich.

Bemerkenswert ist vor allem der Stellenwert der AB-Maßnahmen: Gemessen an der Kennzahl Beschäftigte in ABM je 100 Arbeitslose beträgt diese Relation im Arbeitsamtsbezirk Leipzig 50; dies ist der höchste Wert in Sachsen und in den neuen Bundesländern überhaupt, gefolgt von Riesa mit 48,5 (Tabelle 7). Die Relation von Arbeitslosen je gemeldete offene Stelle betrug im Arbeitsamtsbezirk Leipzig im Mai 23, im April 21. Der Frauenanteil bei den Eintritten in FuU liegt mit 67 vH besonders hoch; dies steht auch im Zusammenhang mit der hohen Frauenarbeitslosenquote: sie liegt mit 15,2 vH etwa doppelt so hoch wie die der Männer, außerdem gibt es für Frauen weniger AB-Maßnahmen. In Leipzig beträgt der Frauenanteil hier nur gut ein Drittel.

Zum Thema FuU ergab unser Gespräch mit dem Direktor des Arbeitsamtes in Leipzig, daß man sich noch eine höhere Bereitschaft zur Umschulung für Bauberufe erhofft, insbesondere von Arbeitslosen der Region aus den Bereichen Bergbau, Metallverarbeitung und Landwirtschaft. Die Tabellen 10 und 11 über die regionale Verteilung von Beschäftigungsgesellschaften in Sachsen zeigen, daß der Arbeitsamtsbezirk Leipzig nach Chemnitz den größten Anteil zu verzeichnen hat. Bemerkenswert ist aber auch, daß von allen Personen in A B M in Sachsen nur ein Viertel auf Beschäftigungsgesellschaften entfällt (ABS ohne Sondervermögen). Neben den beiden Mega-AB-Projekten im Raum Leipzig (der Mitteldeutschen BraunkohleStrukturfördergesellschaft und der BiB TAKRAF-Maschinenbau) ist Leipzig durch viele kleine insgesamt mehr als 20 - Beschäftigungsgesellschaften gekennzeichnet. Die Aktivitäten zweier solcher kleinerer Gesellschaften mit der Rechtsform einer ABS sowie der ABM-Stützpunkt der Stadt Leipzig werden als Fallbeispiele für die Region im folgenden vorgestellt, um das Spektrum gerade der kleineren Gesellschaften zu veranschaulichen.

83

Tabelle 7

Beschäftigte in ABM je 100 Arbeitslose April 1992 Sachsen Leipzig Riesa

33,0 50,2 48,5

Sachsen-Anhalt Halle

41,7 35,9

Mecklenburg-Vorpommern Schwerin

29,4 24,7

Brandenburg Eberswalde Neuruppin Potsdam

33,8 37,2 32,3 30,7

Thüringen

34,3

Berlin (Ost)

27,9

Neue Lfinder und Berlin (Ost)

34,0

Quellen: Bundesanstalt für Arbeit.- Berechnungen des DIW.

Arbeitslose, Kurzarbeiter und Beschäftigte in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen April 1992 Tabelle 8

Arbeitsamtsbezirk Leipzig Personen

in vH

160 378

Insgesamt Arbeitslose Kurzarbeiter -Vollzeitäquivalent- 1) Beschäftigte in ABM Bestände in Fortbildung/Umschulung Empfänger von Vorruhestandsgeld Empfänger von Altersübergangsgeld

51788 11465 25 987 27100 16837 27 201

Nachrichtlich: Kurzarbeiter nach Arbeitsausfall 10% bis 25% über 25% bis 50% über 50% bis 75% über 75% Insgesamt

3605 6747 4 598 8688 23638

11,1 2) 2,5 2) 6,3 3)

1) Errechnet aus dem durchschnittlichen Arbeitsausfall.- 2) In vH der abhängigen zivilen Erwerbspersonen (Beschäftigte und Arbeitslose).3) In vH der abhängigen zivilen Beschäftigten. Quellen: Bundesanstalt für Arbeit.- Berechnungen des DIW.

Sachsen Personen Insgesamt

880 504

Arbeitslose Kurzarbeiter -Vollzeitäquivalent- 1) Beschäftigte in ABM Bestände in Fortbildung/Umschulung Empfänger von Vorruhestandsgeld Empfänger von Altersübergangsgeld

314 561 80 732 103714 147 700 89 447 144 350

Nachrichtlich: Kurzarbeiter nach Arbeitsausfall 10% bis 25% über 25% bis 50% über 50% bis 75% über 75% Insgesamt

27 941 48 249 30012 44 562 150 764

in vH

13,7 2) 3,5 2) 5,2 3)

1) Errechnet aus dem durchschnittlichen Arbeitsausfall.- 2) In vH der abhängigen zivilen Erwerbspersonen (Beschäftigte und Arbeitslose).3) In vH der abhängigen zivilen Beschäftigten. Quellen: Bundesanstalt für Arbeit.- Berechnungen des DIW.

85

Statistische Übersicht der Arbeitnehmer in ABS nach Arbeitsamtsbezirken in Sachsen

Tabelle 10

April 1992 Anzahl der Arbeitnehmer in ABS darunter Kurzarb. Null Gesamt FuU ABM

Arbeitsamtsbezirke

Altenbuig/Sachsen Annaberg Bautzen + ABS-Sondervermögen Landmaschinen- und Schienenfahrzeugbau Insgesamt Chemnitz + AB S -Sondervermögen Werkzeug- und Textilmaschinenbau Insgesamt Dresden + ABS-Sondervermögen Elektrotechnik Insgesamt Leipzig + ABS-Sondervermögen Maschinen- und Anlagenbau Insgesamt Oschatz Pirna Summe AA-Bezirke ohne Sondervermögen +Summe ABS-Sondervermögen Summe insgesamt

0

39

39

0

967

858

84

19

3 701

1573

310

1721

2130 5831

176 1749

432 742

1497 3 218

11056

4 307

3013

3668

5 003 16059

352 4 659

487 3 500

4157 7 825

549

333

63

152

6 409 6 958

210 543

767 830

5 432 5584

8885

5887

1136

1851

4 977 13 862

426 6313

1109 2 245

3442 5 293

93

93

0

0

1151

1123

0

3

26 441 18519 44 960

14 213 1164 15 377

4606 2795 7 401

7 414 14 528 21 942

Quellen: Landesarbeitsamt Sachsen.- Berechnungen des DIW.

Tabelle 11

nach Arbeitsamtsbezirken in vH der AA-Bezirke ohne Sondervermögen April 1992

Arbeitsamtsbezirke

Altenburg/Sachsen Annaberg Bautzen Chemnitz Dresden Leipzig Oschatz Pirna Summe AA-Bezirke ohne Sondervermogen

Anzahl der Arbeitnehmer In ABS darunter Kurzarb. Null Gesamt ABM FuU 0,1 3,7 14,0 41,8 2,1 33,6 0,4 4,4

0,3 6,0 11,1 30,3 2,3 41,4 0,7 7,9

0,0 1,8 6,7 65,4 1,4 24,7 0,0 0,0

0,0 0,3 23,2 49,5 2,1 25,0 0,0 0,0

100,0

100,0

100,0

100,0

Quellen: Landesarbeitsamt Sachsen.- Berechnungen des DIW.

86

43.1.1

Fallstudie Κ Kommunale Qualifizierungs- und Sanierungsgesellschaft (KQSG) Böhlitz-Ehrenberg e.V.33

43.1.1.1

Regionales Umfeld

Die Gemeinde Böhlitz-Ehrenberg (Landkreis Leipzig, 15.000 Beschäftigte, bei nur 8.000 Einwohnern) war durch eine Monostruktur von metallverarbeitenden Betrieben geprägt - entsprechend stark war die Massenarbeitslosigkeit auf Grund des Zusammenbruchs dieser Branche Anfang 1991. Zu solchen Betrieben, die in beträchtlichen Größenordnungen Arbeitsplätze abbauten, zählen das Metallgußwerk, das Getriebewerk, das Kolben- und Aluminiumwerk und das Wälzlagerwerk.

i. Merkmale der KQSG Die auf Initiative des Gemeinderates von Böhlitz-Ehrenberg als e.V. Mitte 1991 gegründete KQSG gilt bis heute als Pilotprojekt für Leipzig und ganz Sachsen für den kommunalen Trägertyp von Beschäftigungsgesellschaften. 34 Vereinszweck ist die Kombination von Beschäftigung (durch Sanierungsaufträge seitens der Kommune) und Qualifizierungsmaßnahmen. Die KQSG hebt sich von reinen Auffanggesellschaften dadurch ab, daß sie Arbeits- und Wirtschaftsförderung verbindet. Die Gesellschaft will die im Besitz der Kommune befindlichen Gewerbegebiete erschließen und sanieren. Diese werden dann von der Kommune an Investoren vergeben. Entsprechend dem Bedarf der Investoren sowie der Kommune sollen Mitglieder der KQSG qualifiziert und in Dauerarbeitsplätze vermittelt werden. Besonders engagiert ist das Bemühen um eine zielgerichtete Qualifizierung für die Region und die Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt. Gleichzeitig soll das Image der durch Umweltbelastungen gekennzeichneten Region sowohl für Investoren als auch für die ansässige Bevölkerung dadurch verbessert werden, daß Naherholungs-

33

Informationen auf der Basis von Gesprächen mit den Geschäftsführern, dem Leiter des Qualifizierungszentrums und anderem Managementpersonal sowie Geländebesichtigungen. 34

Gebäude werden zur Nutzung vom Metallgußwerk Leipzig zur Verfügung gestellt. Zu den Vereinsmitgliedern zählen neben der Gemeinde Böhlitz-Ehrenberg und zwei angrenzenden Gemeinden die IHK, die Handwerkskammer, die IG-Metall (Geschäftsstelle Leipzig), das Regierungspräsidium Leipzig und das Landratsamt Leipzig-Land. 87

gebiete erschlossen werden ("weiche Standortfaktoren"). Schließlich werden für die Teilnehmer Wege in die Selbständigkeit angebahnt. Die Zusammenarbeit mit regionalen Institutionen ergibt sich bereits aus der Zusammensetzung des Vereins (Regierungspräsidium Leipzig, Kommunen, IHK, Handwerkskammer), dadurch werden mögliche Konflikte zum örtlichen Handwerk und industriellen Mittelstand im Vorfeld weitgehend ausgeschlossen.

ii. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen •

ABM

Die Gesellschaft arbeitet mit rund 380 Beschäftigten an 17 Projekten mit folgenden Schwerpunkten: -

Altlastenbeseitigung, Räumung, Sanierung, z.T. auch Abriß von Industriebetrieben, die sich bereits im Besitz der Kommune befinden, mit dem Zweck der späteren Vergabe an Investoren;

-

Räumung und Sanierung von Geländen (z.B. ehemaliges Waldbad) mit dem Ziel, diese später als Erholungsgebiete oder Freizeitparks ausbauen zu können.



Fortbildung

und Umschulung (FuU)

Der Weiterbildungsbereich ist durch folgende Maßnahmen gekennzeichnet: 1) Erhebungen zu den Interessen und Neigungen der Arbeitskräfte. 2) Orientierungshilfen und ständige Beratung - auch für Qualifizierungswillige außerhalb der KQSG (einschließlich psycho-sozialer Beratung). 3) Projektbezogene Qualifizierung in ABM mit einem 20-prozentigen Zeitanteil 35 - bislang überwiegend als "Winterschulung" im eigenen Qualifizierungszentrum, künftig stärker in zeitlicher Kombination. Das im Dezember 1991 eröffnete Qualifizierungszentrum dient überwiegend der theoretischen Ausbildung. 4) Organisation von arbeitsplatzbezogener Qualifizierung in Fremdunternehmen, Erwerb von Anpassungsfortbildung und Teilqualifizierung in 4-6 Wochen-Kursen (Spezialzertifikate). Allerdings bestehen hier Probleme, da beim Arbeitsamt derzeit keine Mittel für den Ein-

35

Hierfür wurden von der KQSG für 1992 je Teilnehmer 1000 DM zur Verfügung gestellt mit der Auflage, daß es sich nicht um "Schnupperkurse11 handele, sondern um solche, welche die direkte Vermittlungsfähigkeit verbessern. 88

arbeitungszuschuß verfügbar sind. 5) Kombination von ABM und FuU zu jeweils 50 vH Zeitanteil als Pilotprojekt für Leipzig und Sachsen; dabei handelt es sich um wöchentlich 3 Tage Theorie im Wechsel mit 2 Tagen ABM für Trockenbauer (40 Arbeitnehmer) nach dem Lehrprogramm (Theorie) des Sächsischen Bauindustrieverbandes im Qualifizierungszentrum. Das Problem der verzögerten Auszahlung des FuU-Unterhaltsgeldes durch das Arbeitsamt wird durch eine Vorschußzahlung seitens der KQSG gelöst. Die Beschäftigungschancen dieser 40 Teilnehmer gelten als ausgesprochen günstig; die Dauer der Kombinationsmaßnahme beträgt 12 Monate. Entscheidend sind die Spezialbestimmungen des sächsischen Bauindustrieverbandes für eine verkürzte Ausbildung (Anlerntätigkeit) und das Zertifikat des Verbandes für die Zusicherung von Arbeitsplätzen in Bauunternehmen der Region.



Vermittlungschancen

für den ersten Arbeitsmarkt

Die praxisverbundene nachfrageorientierte Qualifizierung verbunden mit Vermittlungsbemühungen mit den Betrieben haben bereits zu einem überdurchschnittlichen Erfolg beim Übergang auf den ersten Arbeitsmarkt geführt. Dies betrifft etwa 86 Personen und damit mehr als ein Fünftel der Arbeitskräfte der KQSG. Rechnet man zu diesen 86 Personen noch die 40 Arbeitnehmer in der Einjahresausbildung "Trockenbau" (Kombination von A B M und FuU, siehe weiter oben) hinzu, sind mit 126 Personen bereits 33vH der Arbeitskräfte vermittelt. Gute Vermittlungschancen bestehen bei folgenden Projekten: -

In einer einjährigen Kombinationsmaßnahme (6 Monate ABM, 6 Monate FuU) erwerben 25 Frauen ein Zertifikat als "Mitarbeiter im Handel und Verkauf 1 mit der Aussicht auf einen guten Arbeitsplatz in einem Einkaufszentrum der Region;

-

in einem 14-Wochen-Kursus wurde 3 Arbeitnehmern ein Zertifikat als Vermessungshelfer vermittelt;

-

mit einer vierwöchigen Anlernzeit in einer westdeutschen Hoch- und Tiefbaufirma wurde für 20 Arbeitnehmer die Befähigung und Neigung im Bereich der Bausanierung getestet und in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen ein spezieller berufspraktischer und theoretischer Ausbildungsplan erarbeitet.

-

weitere 30 Arbeitnehmer konnten bereits in Bauunternehmen in Arbeitsverhältnisse als Anlernlinge vermittelt werden, verbunden mit zweijährigen berufsbegleitenden Qualifizierungsmaßnahmen.

89

iii.

Existenzgründungen/Ausgründungen

Drei Bereiche der KQSG werden sich als Unternehmen ausgründen:

1. Die Flächen- und Immobiliensanierungs

GmbH Böhlitz-Ehrenberg (FIS) mit 32 Mitarbeitern,

davon ein großer Teil aus der KQSG; Gründung am 1.7.1992, Leistungsspektrum: . . .

Demontage von Betriebsausrüstungen und -anlagen, Abbruch und Entsorgung von Industrie- und Wohngebäuden, Zwischenlagerung und Recycling von Abbruchmaterialien, Erschließung und Tiefbau für Wohnungsbau, Gewerbe und Industrie, Wegebau und Landschaftsgestaltung.

Bereits jetzt gibt es ausreichende Aufträge für das Jahr 1993. Eine Umstrukturierung vom Abbruch- zum Tiefbauunternehmen zeichnet sich ab. Umfangreiche Personalkosten-, Ergebnis- und Cash-Flow-Rechnungen wurden ausgearbeitet. 2. Die Leipziger Bürodienst GmbH Böhlitz-Ehrenberg

(LB)

Das Leistungsspektrum soll in der Anfangsphase von 3 bis 5 Mitarbeitern abgedeckt werden; auch hierfür liegen Kosten-Ergebnisrechnungen vor; Gründung im 3. Quartal 1992, Leistungsspektrum: a) Durchführung von Dienstleistungen in eigenen und vermieteten Büroräumen wie . Sekretariatsdienst, . Konferenzausrichtung und Betreuung, . Veranstaltungsbetreuung, . Schreibbüro, . Telefon-, Fax-, Kopierservice, . Terminkoordinierung. b) Durchführung von Verkaufsfördermaßnahmen, c) Erstellung von Marktuntersuchungen. 3. Die Recycling und Handelsgesellschaft

mbH Böhlitz-Ehrenberg

Die geschäftliche Tätigkeit mit zunächst 9 Mitarbeitern soll im 3. Quartal aufgenommen werden. Betriebsgebäude in einfacher Ausführung werden derzeit errichtet. Das Leistungsspektrum erstreckt sich auf: . . .

90

Abholung und Bergung von Unfallfahrzeugen, Abholung von stillgelegten Fahrzeugen, Einstellung von abzusichernden Fahrzeugen, Abholung von Haushaltsgeräten und deren Entsorgung, Demontage und Weiterverkauf von Ersatzteilen,

Durchführung von Kfz-Reparaturen bzw. Überlassung von Einrichtungen zur Selbsthilfe Dritter, Handel mit wieder instandgesetzten Fahrzeugen.

Auch hierfür liegen Geschäftszahlen, Kosten- und Ergebnisrechnungen vor. Dabei setzt man auf das Eigeninteresse der Kommunen und der Städte an sauberen Straßen und einer sauberen Umwelt; viel verspricht sich die Gesellschaft von der bereits vorliegenden Marketing-Konzeption. iv. Perspektiven der KQSG

Schwerpunkt der KQSG ist in erster Linie die Vorbereitung der gegenwärtigen Mitarbeiter auf den ersten Arbeitsmarkt durch Fortbildung und Umschulung und aktive Vermittlungsbemühungen. Mit Unterstützung des Vereins, der Kommunen und des Arbeitsamtes sieht man eine begründete Chance, der großen Mehrheit der leistungsfähigen Mitarbeiter eine berufliche Neuorientierung mit der Perspektive eines Dauerarbeitsplatzes zu geben. Die KQSG erarbeitet derzeit eines von zwei Pilotprojekten für das Land Sachsen zur Vermittlung von Dauerarbeitsplätzen, da hier von Anfang an Erfahrungen vorliegen. Vorbereitet wird außerdem die Gründung einer Trägergesellschaft zur Leitung der Sanierung und Pflege des Leipziger Auewaldes als kommunales und gemeinnütziges Projekt mit festen Arbeitsplätzen durch Eigenerwirtschaftung. Weitere Schwerpunkte sind die Förderung von Existenzgründungen sowie die Arbeit mit Zielgruppen. Vorrang haben Maßnahmen mit Inhalten, welche die Infrastruktur und Umwelt verbessern helfen und der Schaffung von Dauerarbeitsplätzen dienen können. Aus der Priorität für die Zielgruppen 36 und der zeitlichen Begrenzung für den einzelnen hat man eine mittelfristige Personalstrategie

abgeleitet37; dabei sollen hinsichtlich der Altersgruppe

36

Gleichwohl war bislang der Anteil schwervermittelbarer Personenkreise relativ hoch: 95 Frauen, 50 Personen im Alter von über 50 Jahren, 10 Schwerbehinderte, 47 Jugendliche unter 25 Jahre ( = 53 vH der Gesamtbeschäftigten). 37

Ausgangspunkt ist die Erfahrung, daß die Bestätigung von AB-Maßnahmen durch das Arbeitsamt grundsätzlich nur noch erfolgt, wenn sich a) der Anteil der Zielgruppen (gegenwärtig!) mit über 50 vH darstellt; b) der Anteil der Arbeitnehmer, die verkürzt arbeiten (50 vH der Normalarbeitszeit) auf mindestens 15 vH der beantragten ABM-Personenanzahl beläuft. 91

in A B M unter 50 Jahre folgende Verfahrensweisen zugrunde gelegt werden: < 35 Jahre

.

FuU (bei Eignung)

.

Freier Arbeitsmarkt

.

Arbeitslos

> 35, < 50 Jahre .

FuU (bei Eignung)

.

Freier Arbeitsmarkt Teilzeit ABM + FuU ggf. 50% Teilzeitbeschäftigung Arbeitslos

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die KQSG ihre Unternehmensphilosophie in kürzester Zeit den Erfordernissen der neuen Rahmenbedingungen angepaßt hat. Erste Erfolge zeigen sich sowohl bei der Vermittlungsfähigkeit über Fortbildung auf den ersten Arbeitsmarkt als auch bei spezifischen Existenzgründungen. Schließlich spielt hier die massive persönliche Überzeugungsarbeit des Leiters des Qualifizierungszentrums eine Rolle, nämlich den Arbeitnehmern in ABM die begrenzte Dauer dieses Status eindringlich klar zu machen und sie für Fortbildungskurse zu aktivieren.

4,3.1.2

Fallstudie L MEDLAB Bildungs- und Beschäftigungsgesellschaft mbH (BBG) 38

i. Unternehmensvorgeschichte und rechtlicher Status Die BBG ist aus Leipziger Unternehmen des ehemaligen Kombinates Medizin- und Labortechnik Leipzig (MedLab) 39 entstanden, insbesondere aus dem ehemaligen Leipziger Stammbetrieb der Medizin- und Atemschutztechnik GmbH sowie der Deutschen MedLab GmbH. Die BBG ist somit eine 100%ige Tochter dieser beiden Treuhandbetriebe, die sich mittlerweile in einer stillen Liquidation befinden. Ziel der Ende Mai 1991 erfolgten Gründung der BBG war es, den riesigen Personalabbau in den Leipziger Betrieben der MedLab von ehemals 1.200 Beschäftigten auf

38

Informationen auf der Basis von mehreren Gesprächen mit dem Geschäftsführer, den Leitern von ABM und FuU sowie mit Projektgruppen. 39

Vor der Wende gehörten insgesamt 10.500 Beschäftigte zum Kombinat; nach der Währungsunion schlossen sich 14 Unternehmen mit 6.500 Beschäftigten unter dem Dach der MedLab GmbH zu einer Holding-Gesellschaft zusammen. Während am Standort Leipzig bislang kein Betrieb privatisiert werden konnte, sind außerhalb von Leipzig aus dieser Holding fünf Betriebe durch die Treuhandanstalt privatisiert worden (Erhalt von rund 400 Arbeitsplätzen). 92

nunmehr nur noch 35 40 sozialverträglich zu gestalten.

Bislang befinden sich die Verwaltungsgebäude der BGG, die Sozialstation, die Schulungsräume u.a. noch in einem Gebäude der Medizin- und Atemschutztechnik GmbH. Die Treuhandanstalt will ihre noch vorhandenen Gesellschafteranteile abbauen; die Geschäftsführer sind bereit, diese Anteile selbst zu übernehmen (2 χ jeweils 25.000 Stammeinlagen), sofern ihnen ein langfristiger Mietvertrag für mindestens 5 Jahre eingeräumt wird, der es ihnen erlaubt, in dieser Zeit die notwendigen Existenzgründungen und Ausgründungen vorzunehmen. Der Entwurf eines Kooperationsvertrages mit der Treuhandanstalt liegt seitens der BBG vor. Eine abschließende Entscheidung der Treuhandanstalt steht bislang noch aus.41 Ein gesichertes Mietrechtverhältnis (oder Erbpacht) der derzeit genutzten Gebäude der BBG ist das kardinale Problem für den Fortbestand der BBG bzw. für Ausgründungen.

Der Beirat der BBG besteht aus überregionalen Fachbehörden: Arbeitsamt, Kommunalverwaltung, Handwerkskammer, Sozialamt der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), DGBLeipzig. ii. Merkmale der BBG Die BBG hat mit ihren rund 190 Beschäftigten in ABM über Renovierungsarbeiten in Industriegebäuden (zu einem großen Teil der Mutterbetriebe) und Aktivitäten im Sozialbereich hinaus verschiedene zukunftsträchtige Projektgruppen initiiert. Kennzeichnend für die gegenwärtige Phase sind die offensiven Bemühungen der Geschäftsführung der BBG um Existenzgründungen und Ausgründungen sowie die dazu notwendige intensive Entwicklung von Unternehmenskonzeptionen. Im Bereich von Fortbildung und Umschulung (FuU) überwiegen kurzfristige Maßnahmen mit einem Zeitanteil von 20 vH der ABM-Tätigkeit. Einen Modellversuch über das 50 : 50%-Blokkungs-Modell von ABM und FuU gibt es allerdings auch hier. Umfangreiche Aufgaben im FuUBereich werden von der BBG im Rahmen der Betreuung von Null-Stunden-Kurzarbeitern 40

Diese Arbeitnehmer konnten durch Aktivaverkauf an die westdeutsche Firma Dräger AG erhalten bleiben; die Dräger AG produziert mit diesen Beschäftigten in vorhandenen - und von der BBG renovierten - Gebäuden am alten Standort der Medizin- und Atemschutz GmbH. 41

Gleichzeitig wurde seitens der Geschäftsführer der BBG die Absicht zur Privatisierung eines Teiles der Medizin- und Atemschutztechnik GmbH im Zuge eines Management-By-Outs mit dem noch vorhandenen Fachpersonal bekundet (Gespräch zwischen Treuhandanstalt und Geschäftsführung der BBG vom 23.3.92 mit dem Ziel einer "Paketlösung" im Kooperationsvertrag - bislang ohne Erfolg). 93

wahrgenommen. In ihrer Funktion als sächsische Niederlassung des ABS-Sondervermögens Maschinen- und Anlagenbau ist die BBG für insgesamt 445 Arbeitnehmer zuständig, davon 242 Frauen, 315 in Kurzarbeit Null, 72 in FuU, 14 Arbeitnehmer in zusätzlichen A B M und 44 Sonstige (Zeitarbeitsvertrag usw.).42 Iii. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen •

ABM

Bei den AB-Maßnahmen sind 4 Schwerpunkte zu erkennen: 1. Der Sozialbereich mit einer Begegnungsstätte für Senioren im Leipziger Stadtbezirk Gohlis, einschließlich Gastronomie, sozial-medizinischer Betreuung, Sozial- und Rechtsberatung, Handwerkerstützpunkt und Selbsthilfewerkstatt (Nähstube, Waschsalon) - 5 Arbeitnehmer in ABM; 2. Diverse Aufräum-,

Instandsetzungs-

und Renovierungsarbeiten

in Gebäuden der MedLab

GmbH und der Medizin- und Atemschutztechnik GmbH für vorhandene oder künftige Investoren - mit mehr als 60 Arbeitnehmern in ABM. Für den Zeitpunkt der Beendigung dieser Arbeiten sind bereits mit dem Amt für Sanierung und Wohnungsbauförderung der Stadt Leipzig Überlegungen angestellt worden, für welchen Sanierungsbereich der Stadt die Beschäftigungsgesellschaft weiterhin tätig werden kann, z.B. kleinere Renovierungstätigkeiten in Wohnungen für sozial Schwache oder ältere Bürger. Außerdem gibt es eine neue größere - 400 Personen umfassende - AB-Maßnahme innerhalb des Verbandes der Besehäftigungs-, Bildungs- und Entwicklungsgesellschaften in Sachsen, die sich auf den Erhalt der städtischen Gebäude und baulichen Anlagen erstreckt (z.B. auch auf Schulen). Hieran beteiligt sich die BGG. 3. Ein gewerblicher Bereich, vor allem: Eine Forschungs-

und Entwicklungsgruppe

(16 Arbeitnehmer) 43 mit der Aufgabe:

Entwicklung marktfähiger Produkte auf dem Gebiet der Medizin- und Atemschutztechnik. Unser Gespräch mit diesem Team ergab, daß die Erfolgsaussichten bei der Suche nach Marktlücken auf der Basis ihres Know-hows aus dem ehemaligen MedLabKombinat noch unbestimmt sind; 42

Insgesamt gibt es für den Maschinen- und Anlagenbau in Sachsen 14 und in Leipzig 3 solcher ABSNiederlassungen für Kurzarbeiter-Null. 43

Bestehend aus 4 Konstrukteuren, 3 Technologen, 2 Patentingenieuren (Ingenieure für Maschinenbau) sowie einigen technischen Mitarbeitern und Versuchsmechanikern. 94

Die Projektgruppe

Nord/West

der Stadt Leipzig (17 Arbeitnehmer) hat viele ideenreiche

unterschiedliche Aktivitäten entwickelt: unter anderem Projektierung von Spielplätzen für Schulen und Kindergärten bzw. Modernisierung vorhandener; Erweiterung des Seniorentreffpunktes im Stadtteil Gohlis in Zusammenarbeit mit der Kirche und mit der Caritas durch Hauspflegeangebote u.a.; Aufarbeitung medizinischer Geräte für die Dritte Welt (Projekt "Technologie-Transfer"); Arbeitsleistungen für die Leipziger Wohnungsbaugenossenschaft (Vermessungen, kleinere Instandhaltungsmaßnahmen). 4. Eine Projektierungsgtvppe

mit einem breiten Leistungsspektrum zu verschiedenen Planungs-

und bautechnischen Projektierungsarbeiten (Beratung über bauliche und haustechnische Maßnahmen bei der Instandsetzung und Modernisierung u.a.); Auftraggeber ist überwiegend die Arbeiterwohlfahrt, welche diese Leistungen zur Sanierung und Modernisierung ihrer sozialen und medizinischen Einrichtungen in Anspruch nimmt. Der größte Teil der AB-Maßnahmen beginnt Mitte 1992 und läuft bis Mitte 1993 aus und müßte teilweise verlängert werden. 45 vH der in ABM Tätigen sind Frauen; 37 vH der Beschäftigten sind über 50 Jahre. Damit sind bereits jetzt Problemgruppen stark vertreten. •

Fortbildung

und Umschulung

Schwerpunkt von Fortbildung und Umschulung sind die berufsbegleitende Bildung und spçzifische Weiterbildung. Etwa ein Drittel der rund 180 in ABM Tätigen nehmen Weiterbildungskurse wahr - überwiegend mit einem Zeitanteil von 20 vH. Vorgesehen ist ein Pilotprojekt mit 50 : 50% Zeitanteil für ABM und FuU (20 Personen). 1. Hauptrichtung der Qualifizierungen sind: -

kaufmännisch-betriebswirtschaftliche Ausbildung,

-

PC/Bürokommunikation,

-

Handwerksberufe (Tischler, Maler, Lackierer). Die Qualifizierung erfolgt bei externen Bildungsträgern mit überwiegend 20%igem Zeitanteil berufsbegleitend.

2. Laufende Qualifizierung: -

Orientierungsmaßnahmen nach § 41a AfG, wegen der auch in dieser BBG festgestellten sinkenden Weiterbildungsbereitschaft nimmt die Bedeutung dieser der Motivierung dienenden Kurse zu.

-

Grundkurs Englisch für eigene Arbeitnehmer. 95

3. Geplante Maßnahmen: Fortbildung für Maschinenbauingenieure, Fachkombination Bau, Recht, Betriebswirtschaft. Spezialisierung Heizung/Lüftung (40 Personen). 4. Bürokraft für Klein- und Handwerksbetriebe (ab Mitte August) vorwiegend Frauen, die schon im Büro gearbeitet haben. Diese Kräfte sollen auf Tätigkeiten in Klein- und Handwerksbetrieben vorbereitet werden, wo sie als "Alleinkraft" alle anfallenden Büroarbeiten lösen sollen z.B. Lohnabrechnung, Steuerwesen, Buchhaltung, Kundenbetreuung mit Ausstellung von Rechnungen. Dazu sollen PC-Kenntnisse und betriebswirtschaftliches Grundlagenwissen vermittelt werden (in den Räumlichkeiten der BBG, eigene Lehrkräfte über ABM) - geplant für 20 Frauen.

5. Aufbau eines gewerblichen Übungsbetriebes im Zusammenhang mit dem Projekt Technologietransfer (Aufbereitung und Wartung alter medizinischer Geräte, Anpassung an neue westliche DIN-Normen) - für etwa 20 Personen Darüber hinaus gibt es Kontakte zur Handwerkskammer, um für den dort prognostizierten Bedarf ABM-Teilnehmer für eine 2-3 Jahre dauernde Umschulungsmaßnahme zu gewinnen. Der Geschäftsbereich Bildung der BBG geht davon aus, daß mit den neuen Richtlinien der Bundesanstalt für Arbeit die Zuweisung von Zielgruppen durch das Arbeitsamt verstärkt wird und nach dem Auslaufen der meisten AB-Maßnahmen Mitte 93 die Bedeutung der Sozialbetreuung in der BBG inhaltlich und personell zunehmen wird.

Außerdem sind vom Geschäftsbereich Bildung der BBG intensive Betreuungsleistungen für die im sog. ABS-Sondervermögen erfaßten Kurzarbeiter zu leisten (vgl. den folgenden Abschnitt). •

Kurzarbeiter-Null

und ABS-Sondervermögen

Die MED-LAB BBG ist eine Niederlassung des ABS "Maschinen- und Anlagenbau" - Sondervermögens. Mit dem ABS-Sondervermögen als besondere Vereinbarung der IG-Metall ist der Tatbestand verbunden, daß Abfindungen aus einzelnen Sozialplanansprüchen der vom ABSSondervermögen übernommenen Arbeitnehmer auf das ABS-Konto eingezahlt werden, davon fließen die Zinserträge an das ABS-Sondervermögen (zur Deckung der Betreuungskosten). Die Abfindungen werden erst beim Verlassen der Arbeitnehmer aus dem Sondervermögen an diese ausgezahlt. 96

Hauptaufgabe des Geschäftsbereichs Bildung der BGG ist es, hierbei für diese Kurzarbeiter-Null Weiterbildungsmaßnahmen zu konzipieren, die Arbeitnehmer aufgrund einer intensiven Beratungstätigkeit für solche zu interessieren, adäquate Bildungsträger aus der Region ausfindig und die Betroffenen mit den Verfahrenswegen vertraut zu machen: So über die Antragsverfahren für FuU-Maßnahmen und für das Unterhaltsgeld. Für Sachsen gilt eine Sonderregelung von Treuhandanstalt, IG-Metall und Land, die Ende Juni auslaufenden Regelungen zum ABS-Sondervermögen für Kurzarbeiter-Null noch für eine Übergangsfrist - bis Ende August - fortzuführen, d.h. Kurzarbeiter-Null noch solange finanziell zu tragen. Damit gibt es länger die Möglichkeit, Kurzarbeiter in AB- oder FuU-Maßnahmen zu überführen. Man versucht einen Teil der bisherigen Kurzarbeiter auch in dem oben genannten AB-Projekt "Erhalt der städtischen Gebäude und Anlagen" unterzubringen. Verschiedene FuUKurse beginnen naturgemäß erst nach dem 30. Juni. Im Prinzip wird dadurch der Eintritt in die Arbeitslosigkeit hinausgeschoben und solange eine Betreuung im Hinblick auf Sozialrecht und Weiterbildung durch die Beschäftigungsgesellschaften ermöglicht.

iv. Existenzgründungen/Ausgründungen Mögliche Existenzgründungen/Ausgründungen hängen zu einem Teil mit den bereits erwähnten ABM-Projekten zusammen, folgende vier gewerbliche Felder lassen sich hier unterscheiden: 1. Eine marktfinanzierte Variante sieht man im möglichen Ausbau des Seniorentreffs durch die Errichtung eines Fitnesscenters

(mit Massage, Physiothérapie und Sport); durch die· Lage der

Räumlichkeiten in der Nähe von Geschäften und Wohnungen erhofft man sich hier rege Nachfrage aus dem unmittelbaren Umkreis. 2. Nach Beendigung der Renovierungsarbeiten in den Gebäuden der Treuhand-"Mutter"-Betriebe sollen in Absprache mit dem Amt für Sanierungs- und Wohnungsbauförderung der Stadt Leipzig kleinere Hilfstätigkeiten

für Sanierungsaufgaben übernommen werden, insbesondere im

Bereich der kommunalen Wohnungen. Derartige Tätigkeiten könnten dann in wenigen Monaten vom gleichen ABM-Personal in Form selbständig arbeitender marktwirtschaftlich orientierter Unternehmen ausgeübt werden (Ausgründung eines "Bauhofes"). Vorbereitungen für ein Leipziger Großmodell zur Sanierung städtischer Gebäude sind angelaufen. 3. Die besten Chancen, als gewinnträchtiges Unternehmen arbeiten zu können, hat die oben beschriebene Projektieivngsgivppe;

sie befaßt sich mit Modernisierung, Um- und Ausbau von

Objekten im Sozialbereich einschließlich Berechnungen zu Investitionskosten, Vorbereitungen von Anträgen für Fördermittel, Erarbeitung technologischer Lösungen bei Modernisierungsaufgaben u.a. Über den gegenwärtigen Auftraggeber dieser Gruppe, die Arbeiterwohlfahrt, 97

dürften sich mittelfristig weitere Aufgaben im Bereich anderer Infrastruktureinrichtungen finden lassen. Die Gruppe verfügt heute bereits über einen Bauingenieur, nimmt an Architekturlehrgängen teil und könnte somit später als Ingenieur- und Architekturbüro arbeiten (ca. 17 Dauerarbeitsplätze sollen geschaffen werden). Typische Vorzüge von Beschäftigungsgesellschaften werden bei solchen Existenzgründungen deutlich: So plant man eine weitere Zusammenarbeit mit der Beschäftigungsgesellschaft, zum Beispiel bei der Inanspruchnahme der vorhandenen Kapazitäten der BGG im Rahmen der Buchführung, Auftragsabwicklung und Projektkoordinierung. Die gegenwärtigen guten Kontakte zum Auftraggeber, der Arbeiterwohlfahrt, sind ein exemplarisches Beispiel dafür, wie eine Beschäftigungsgesellschaft bereits als Übungsfirma im Hinblick auf die Heranziehung eines festen Kundenkreises und einer Wettbewerbsreputation funktioniert. Dokumentiert wird die hohe Wertschätzung der Projektgruppe seitens der Arbeiterwohlfahrt. Sie zahlt derzeit 30 vH der Marktpreise für die von der Projektgruppe erbrachten Leistungen. Als hauptsächliches Ausgründungshemmnis werden gegenwärtig die fehlenden technischen Ausrüstungen sowie die ungeklärte Nutzung der Immobilie bezeichnet. Unser Gespräch mit dieser Gruppe ergab, daß es hier durchaus nicht an Mut für den Sprung in die Selbständigkeit fehlt, auch wenn eingeräumt wird, daß vorab noch eine Weiterbildungsphase erforderlich ist (z.B. zu spezifischen Bauanforderungsvorschriften). 4. Eine innovative Ausgründungsidee stellt die geplante Errichtung eines Betriebes für 1Technologietransfer"

dar; gemeint ist damit, die bisher noch im Inland genutzte alte Gerätetechnik im

Bereich der Medizin- und Labortechnik zu warten. Nach einer Aussonderung im Inland sollen die Geräte funktionsfähig gemacht werden, um sie als Spenden- und Solidaritätslieferungen in die osteuropäischen Staaten, die Länder der GUS und der Dritten Welt zu transferieren, sowie den länderspezifischen Anforderungen anzupassen. Dieser Bereich umfaßt also technische Serviceleistungen und Vertrieb; geplante Dauerarbeitsplätze für ein gewinnorientiertes Unternehmen für die Anfangsphase: 20 Arbeitnehmer. Als Vorteil gilt, die im Rahmen der Beschäftigungsgesellschaft verfügbaren Qualifikationen nutzen zu können (Feinmechaniker, Elektroniker, Werkzeugmacher, Servicetechniker). Für dieses Projekt konnte die Beschäftigungsgesellschaft bereits verschiedene Institutionen interessieren: Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, die EKD (Nutzung des dort verfügbaren Fördertopfes "Neue Wege der Arbeitsmarktpolitik"), das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, das Technologiezentrum Marburg, das sich auch mit Medizintechnik befaßt.

Eine optimistische Variante der derzeit geplanten Existenzausgründungen läßt ein Potential von gut 40 Personen, d.h. ein knappes Viertel der in ABM Tätigen schätzen. 98

ν· Konkurrenzbeziehungen zum Handwerk

Die Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, die Unbedenklichkeitserklärungen seitens der Handwerkskammer, die Handwerkskammer im Beirat der BGG, die Begutachtung und Abnahme eigener handwerklicher Leistungen durch Handwerksmeister lassen den Schluß zu, daß es bei dieser Beschäftigungsgesellschaft keine großen Divergenzen zu den Interessen des örtlichen Handwerks gibt. Für die von der Gesellschaft praktizierten einfachen Renovierungsarbeiten in den Gebäuden der Mutterunternehmen gab es auch keine konkurrierenden Angebote seitens mittelständischer Unternehmen.

vi. Vermittlungen auf den ersten Arbeitsmarkt Von den rund 190 in ABM Tätigen konnten bislang erst rund 20 Arbeitnehmer durch feste Beschäftigungsverhältnisse auf den ersten Arbeitsmarkt ausscheiden. Gleichwohl geht der Geschäftsbereich Bildung davon aus, daß sich diese geringe Quote nach Abschluß einiger Fortbildungsmaßnahmen erheblich erhöhen könnte. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es noch zu früh, die Chancen einer Vermittlungsfähigkeit aus Fortbildung und Umschulung einzuschätzen. Zu berücksichtigen wäre schließlich auch das durch Existenzgründungen absorbierte Personal (siehe oben).

43.13

Fallstudie M 4 4 ABM-Stützpunkt der Stadt Leipzig

Bei dem ABM-Stützpunkt der Stadt Leipzig handelt es sich nicht um eine Gesellschaft zur Förderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung (ABS), sondern der ABM-Stützpunkt ist eine Unterabteilung des Rates der Stadt Leipzig. Daraus leitet sich auch die Zielsetzung des ABMStützpunktes ab. Primäres Ziel des ABM-Stützpunktes ist die Betreuung von Langzeitarbeitslosen bzw. von Arbeitslosen, die auf dem regulären Arbeitsmarkt aufgrund ihrer unzureichenden Qualifikation oder sonstiger verminderter Leistungsfähigkeit nur äußerst schwer zu vermitteln sind. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind etwa 920 Personen in A B M beschäftigt, der Frauenanteil beträgt etwa 40 vH, als Obergrenze werden 1.000 ABM-Stellen angestrebt. Um die Vermittlungschancen zu erhöhen, wird versucht, die Qualifikation der Arbeitskräfte durch Weiterbildungsmaßnahmen zu erhöhen. Dazu gehört die Vermittlung von Basisqualifikation, insbesondere in praktischen Tätigkeiten.

44

Informationsbasis ist das Gespräch mit dem Leiter des ABM-Stützpunktes. 99

Der ABM-Stützpunkt gliedert sich in mehrere Abteilungen auf, die verschiedene Maßnahmenschwerpunkte durchführen (vgl. Abb. 9). Die Organisationsstruktur wurde dabei bewußt in Anlehnung an private Unternehmen gewählt, um den Beschäftigten in A B M das Gefühl eines regulären Arbeitsplatzes zu geben. Aufgrund der Anbindung als Unterabteilung an den Rat der Stadt Leipzig erfolgt die Durchführung von Maßnahmen über Aufträge der Stadt Leipzig, die den Bestimmung des AFG entsprechen. Bei der Art der Maßnahmen wird von selten des ABM-Stützpunktes darauf geachtet, daß die durchgeführten Arbeiten im investiven Bereich liegen und nicht Pflegearbeiten beispielsweise auf Grünflächen der Stadt - umfassen, da letzteres nicht über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen finanziert werden kann, sondern dafür Dauerarbeitsplätze von der Stadt bereitgestellt werden müssen.

Eine Reihe von Projekten - insbesondere in den Bereichen Hoch- und Tiefbau - können von den Beschäftigten des ABM-Stützpunktes nicht in eigener Regie durchgeführt werden, da dazu die Sachkompetenz notwendig ist. Für diese Projekte werden deshalb Aufträge an Handwerksbetriebe mit eigenen Fachkräften vergeben, die für die Durchführung des Auftrages jedoch Arbeitskräfte des ABM-Stützpunktes übernehmen. Diese Art Durchführung von Projekten, die über ABMaßnahmen finanziert werden, birgt eine Reihe von Vorteilen. So partizipiert der handwerkliche Bereich in der Stadt Leipzig an dem Einsatz der Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Darüber hinaus werden die Arbeitskräfte des ABM-Stützpunktes unter der Anleitung eines Facharbeiters mit handwerklichen Fähigkeiten vertraut gemacht. Ein weiterer positiver Effekt ist, daß mit Hilfe dieses Systems ein effizientes Zusammenspiel von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage erfolgt. Auf diese Weise konnten bereits mehrere Teilnehmer an AB-Maßnahmen des Stützpunktes auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden alle Arbeitskräfte des ABM-Stützpunktes - mit Ausnahme der Leitung - über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen finanziert. Zukünftig ist jedoch geplant, etwa 30 Arbeitsplätze des administrativen Bereichs als Dauerarbeitsplätze bei der Stadt Leipzig anzusiedeln.

100

Abbildung 9:

Organisationsplan: ABM-Stützpunkt

101

4.3.2

Fallstudien im Arbeitsamtsbezirk Riesa

i. Regionales Umfeld Der Landkreis mit 92.000 Einwohnern ist ein Industrielandkreis mit überdurchschnittlichem Industriebesatz. Rund 63 vH aller Erwerbspersonen waren im produzierenden Gewerbe tätig. Der Durchschnitt der ehemaligen DDR betrug 46 vH und der der alten Bundesländer 40 vH. Wichtigste Branchen waren vor der Währungsunion

die die die die

Metallurgie mit rund Chemie mit rund Leichtindustrie mit rund Elektroindustrie mit rund

17.890 Beschäftigten, 5.690 Beschäftigten, 2.300 Beschäftigten und 1.640 Beschäftigten

Kennzeichnend ist das Wegbrechen der Metallurgie, der Leichtindustrie und der Elektroindustrie bei gutem Erhalt der Arbeitsplätze in der Chemie. Die Eisen- und Stahlindustrie gehört in den neuen Bundesländern zu den Branchen, die am härtesten vom Strukturwandel betroffen sind, und im Kreis Riesa war jeder dritte Arbeitnehmer in der Stahlindustrie tätig. Vor der Wende war die Stahlindustrie (mit gut 80.400 Beschäftigten) durch drei große Kombinate geprägt: das Qualitäts- und Edelstahlkombinat Brandenburg, das Bandstahlkombinat Eisenhüttenstadt, das Rohrkombinat Riesa. Die fehlende Wettbewerbsfähigkeit liegt begründet in der technologischen Rückständigkeit (Siemens-Martin-Öfen u.a.), in den hohen Transport- und Umschlagkosten, der räumlichen Zersplitterung und der fehlenden Roheisen/Rohstoffbasis (überwiegend Verwendung von Schrott). Schließlich fehlten in der Nähe vieler Stahlwerke weitere metallverarbeitende Betriebe. Das Stahl- und Walzkraftwerk

Riesa (1989:12.150 Beschäf-

tigte) war der Stammbetrieb des Rohrkombinats (mit insgesamt 27.870 Beschäftigten) und gilt als nicht mehr sanierungswürdig. Anders verhält es sich mit dem ursprünglich zum gleichen Kombinat gehörenden Stahl- und Walzwerk

Gröditz,

das - bei beträchtlichem Personalabbau - auf Grund

seiner großen Fertigungstiefe und teilweise "intelligenteren" Produkte noch weiter in Betrieb ist. Im Kernbereich der Industriebetriebe werden nach Prognosen der Kommune insgesamt etwa 28 vH der ursprünglichen Arbeitsplätze erhalten bleiben, die vertraglich gebundenen Neuansiedlungen umfassen derzeit ca. 19 vH der ursprünglichen Arbeitsplätze 45. Aus dieser Situation

45

Basis für diese Analyse ist unser Gespräch mit dem Leiter des Amtes für Kreisentwicklung und Wirtschaftsförderung (Landratsamt Riesa). 102

erwächst das hohe Engagement des Landratsamtes und der beteiligten Kommunen für Investorenwerbung. Eine mit Unterstützung des Wirtschaftsministeriums geförderte Studie weist aus, daß 350 - 500 ha neue Gewerbefläche außerhalb der Altstandorte erforderlich sind, um bei Neubesiedlung aller Altflächen (Stahlwerk Riesa, Stahlwerk Gröditz, Zellstoffwerk Gröditz, Leimfabrik Strehla) einen annähernden Ausgleich für die Arbeitsplatzeinbrüche zu erreichen. Aus dieser Sicht gelten für das Landratsamt die Aktivitäten im Stahlwerk Riesa und in der Arbeitsförderungsgesellschaft Gröditz (Zellstoffwerk und Stahlwerk), über A B M Altflächen zu sanieren, als vorbildlich und unumgänglich notwendig. Ebenso gibt es hervorragende Aktivitäten für neue Gewerbegebiete 46. Damit diese Aktivitäten realisiert werden können, ist ein maximaler Förderstatus der Region Riesa notwendig. Im Rahmen des Förderprogrammes "Gemeinschaftsaufgabe 'Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur'" kann als Investitionsförderhöchstsatz ein Investitionszuschuß von 23 vH gewährt werden und zwar für die Errichtung oder den Erwerb einer stillgelegten oder von Stillegung bedrohten Betriebsstätte. Über die Anträge wird von den zuständigen Länderministerien, in diesem Falle vom Ministerium für Wirtschaft und Arbeit in Sachsen entschieden. Beklagt wird vom Landratsamt, daß vom Land Sachsen die Rechtfertigung für den Höchstfördersatz - mit Verweis auf die relativ niedrige Arbeitslosenquote - bestritten wird; diese Quote ist durch die arbeitsmarktentlastenden Faktoren stark verzerrt. Da der Landkreis Riesa nur wenig günstige Voraussetzungen besitzt (Lage im Raum zwischen den Oberzentren Leipzig, Dresden, Chemnitz sowie eine schlechte Verkehrsanbindung), würde die Einschränkung der Vergünstigungen zusammen mit den ABM-Reduzierungen zur Stagnation des begonnenen Prozesses der Umstrukturierung führen. Die Stagnation birgt in Verbindung mit den Betriebsbesetzungen (Gröditz, Elektronik) der Vergangenheit Gefahren für den sozialen Frieden und gefährdet Investitionen (negatives Image). Bei seinen Einschätzungen geht das Landratsamt von folgenden groben Prognosen aus: -

Derzeit würden rund 20.000 Arbeitsplätze für die Erreichung der Vollbeschäftigung gebraucht,

-

knapp 30 vH kann in den Kernbereichen erhalten bleiben,

46

Glaubitz: (70 ha) Grundsteinlegung am 5.5.92, 800 Arbeitsplätze, Baubeginn Ende 1991, Riesa: Strehlaer Str., 400 Arbeitsplätze, Baubeginn Juli 1992. 103

-

ein Drittel könnte mittelfristig (d.h. in 2-3 Jahren) im Zuge von Privatisierungen und Neuansiedlungen (optimistische Variante!) geschaffen werden,

-

für mehr als ein Drittel ist keine Chance absehbar.

Auch aus diesen Überlegungen ergeben sich die Notwendigkeiten für A B M und FuU-Maßnahmen als "Zeitbrücke" zumindest für das mittelfristig absehbare Drittel von Dauerarbeitsplätzen durch Privatisierungen und Neuansiedlungen.

Tabelle 12 Arbeitslose, Kurzarbeiter und Beschäftigte in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen April 1992 Arbeitsamtsbezirk Riesa Personen Insgesamt

52 510

Arbeitslose Kurzarbeiter -Vollzeitäquivalent- 1) Beschäftigte in ABM Bestände in Fortbildung/Umschulung Empfänger von Vorruhestandsgeld Empfänger von Altersübergangsgeld

16 331 3 587 7 916 10 900 4 855 8921

Nachrichtlich: Kurzarbeiter nach Arbeitsausfall 10% bis 25% über 25% bis 50% über 50% bis 75% über 75% Insgesamt

in vH

14,3 2) 3,1 2) 8,1 3)

1474 3 290 906 1748 7418

1 ) Etrcchncl aus dem durchschnittlichen Arbeitsanfall.· 2) In vH der abhängigen zivilen Erwerbspcrsonen (Beschäftigte und Arbeitslose).· 3) In vH der abhängigen zivilen Beschäftigten. Quellen: Bundesanstalt für Arbeit.· Berechnungen des DIW.

104

Die Übersicht zeigt das Ausmaß von Unterbeschäftigung in der einen oder anderen Form (Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, ABM, FuU, vorzeitige Rente). Zum Arbeitsamtsbezirk gehören die Kreise -

Riesa mit

11,3 vH,

-

Großenhain:

17,6 vH,

-

Meißen:

16,3 vH Arbeitslosen.

Der Landkreis Riesa hat vor allem wegen der vergleichsweise umfangreicheren AB-Maßnahmen eine geringere Arbeitslosenquote zu verzeichnen als die mehr landwirtschaftlich ausgerichteten Nachbarkreise. Dort versucht man - trotz der inzwischen erschwerten Bedingungen - noch Neugründungen von ABS in Angriff zu nehmen. Der Rückgang der Arbeitslosenquoten im Arbeitsamtsbezirk (14,3 vH im April gegenüber 13,8 vH im Mai) resultiert einzig aus dem vermehrten Einsatz von ABM, FuU, vorgezogenem Ruhestand sowie aus der fortgesetzten Abwanderung vor allem junger Menschen in die alten Bundesländer und dem Zuwachs bei den Pendlern. Die Relation Beschäftigte in ABM je 100 Arbeitslose liegt im Arbeitsamtsbezirk Riesa bei rund 48. Im Mai betrug die Relation Arbeitslose zu gemeldeten freien Stellen 32 : 1. Etwa die Hälfte der offenen Stellen waren freie ABM-Plätze. Die Arbeitslosenquote liegt für Frauen mehr als doppelt so hoch wie die der Männer. Frauen sind hier wie überall bei der Einbindung in A B M mit 38 vH unterrepräsentiert. Allerdings ist das Bildungsengagement der Frauen bemerkenswert: Zwei Drittel aller Teilnehmer an Qualifizierungskursen sind Frauen. Unser Gespräch bei der Direktorin des Arbeitsamtes ergab aus deren Sicht 47 : Kritik an ABMaßnahmen aus ordnungspolitischen Gründen sei solange sinnlos, wie nicht andere arbeitsmarktentlastende Alternativen aufgezeigt werden oder ausreichend Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen; die kurz- und auch noch mittelfristige Kluft zwischen Arbeitskräfteangebot und Nachfrage erzwingt die Notwendigkeit von ABM-Bewilligungen im derzeitigen Umfang.

47

Gemeinsam mit dem inzwischen ausgeschiedenen Direktor Herrn Klüftinger, der wieder in sein Amt nach Heilbronn zurückkehren wird. 105

4.3.2.1

Fallstudie Ν Qualiflzierungszentrum Region Riesa GmbH 48

Das bereits im Oktober 1990 gegründete Qualifizierungszentrum der Region Riesa war zu diesem frühen Zeitpunkt eine Modelleinrichtung ohne Vorbild. Die Initiative ging vom Landratsamt Riesa und den Mannesmannröhrenwerken AG aus und wurde engagiert unterstützt durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. Entscheidend für den Erfolg war, daß einige der Gesellschafter 49 mit der Bereitstellung von Maschinen und Gebäuden (in den ehemaligen Ausbildungsstätten der Stahl- und Walzwerke Riesa und der Gröditzer Stahlwerke) die materiellen Voraussetzungen für dieses Zentrum geschaffen haben.

Das Zentrum konzentriert sich vor allem auf die Durchführung von Bildungsmaßnahmen zur Fortbildung und Umschulung von arbeitslosen Arbeitnehmern und Kurzarbeitern sowie die berufspraktische Erstausbildung. Es bietet ein breites Angebotsspektrum für die gesamte Region bis hin zum brandenburgischen Einzugsgebiet.

Gegenwärtig entwickelt sich eine gezielte Zusammenarbeit mit der ABS der Stadt Riesa, der ABS "Stahl" Riesa und der Arbeitsförderungsgesellschaft Gröditz. Das Qualifizierungszentrum Region Riesa GmbH führt für diese Gesellschaften verschiedene Bildungsmaßnahmen durch. Hervorzuheben ist die inzwischen relativ hohe Zahl von Teilnehmern in Umschulungslehrgängen (Relation von Teilnehmern in Fortbildung: Umschulung = rund 560 : 460 - Stand März 1992) ein Stand, der anfangs wegen der fehlenden materiellen und personellen Ausstattung noch nicht erreicht werden konnte. Erst mit der ausreichenden Verfügbarkeit von Maschinen und Geräten konnte sich das Kursprofil von Beginn an bis heute verbreitern (vgl. Tabellen 13 und 14). Mit der von der Bundesanstalt für Arbeit bewilligten institutionellen Förderung und der damit besseren Ausstattung ging auch eine Qualifikation der Ausbilder einher (z.T. Fortbildung in den alten Bundesländern). Ab Ausbildungsjahr 1991/92 wurden entsprechend der Nachfrage Umschulungskurse für das

48

Informationsbasis: Gespräch mit dem Leiter des Qualifizierungszentrums einschließlich der zur Verfügung gestellten Statistiken und Dokumentationen. 49

Gesellschafter sind das Landratsamt sowie die Stadtverwaltung von Riesa und von Gröditz, die IHK Dresden, die Gröditzer Stahlwerke GmbH, die Stahl- und Walzwerke Riesa AG, die MannesmannröhrenWerke AG sowie weitere sechs Unternehmen und die Kreissparkasäe Riesa. 106

Bauhaupt- und Baunebengewerbe angeboten (vgl. Tabelle 15). Da in diesem Berufsfeld sowie im Hotel- und Gaststättenwesen eine große Nachfrage besteht, begannen ab März 1992 neue Umschulungsmaßnahmen in diesen Berufsfeldern, obgleich hier immer noch materielle und personelle Engpässe bestehen50. Das Spektrum der Fortbildungslehrgänge zeigt Tabelle 14. Besonders rege nachgefragt waren die Lehrgänge "Staatlich geprüfter Betriebswirt", "Techniker für Umweltschutztechnik", "Anpassungsfortbildung Metall" und "Elektrotechnik" sowie "Schweißen". Nach der Übernahme der Ausbildungsstätten der Gröditzer Stahlwerke GmbH und der Stahl- und Walzwerk Riesa A G erhalten rund 550 Auszubildende eine berufspraktische Erstausbildung im Qualifizierungszentrum Region Riesa GmbH, darunter 72 im Rahmen einer überbetrieblichen Ausbildung. Um die gestiegene Nachfrage im Bausektor und Hotel- und Gaststättenwesen zu berücksichtigen, begann man ab März 93 mit neuen Umschulungsmaßnahmen (vgl. Tabelle 16). Als positiv für die Fortbildung, Umschulung und berufspraktische Erstausbildung erwies sich die enge Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt Riesa, insbesondere mit den Abteilungen Arbeitsvermittlung/Arbeitsberatung und Berufsberatung. Im Qualifizierungszentrum will man sich in der nächsten Zeit auf folgende Bereiche konzentrieren: -

Erhöhung der Qualität der Ausbildung in allen Berufsgruppen bei der Fortbildung und Umschulung sowie Erstausbildung u.a. durch eine gezielte Fortbildung der Ausbilder, Verbesserung der Ausstattung der Labors und Werkstätten mit Maschinen, Geräten u.ä. sowie durch die Schaffung von Übungswerkstätten.

-

Durchführung neuer Umschulungslehrgänge (z.B. Hotelfachmann, Ver- und Entsorger) sowie Beginn der Ausbildung von Schulabgängern zu "Straßenbauern", "Maurern", "Kommunikationselektronikern" und "Hotelfachmännern" im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung.

-

Durchführung von modulhaft aufgebauten Fortbildungslehrgängen insbesondere für die oben genannten ABS Riesa bzw. der Arbeitsförderungsgesellschaft Gröditz.

50

So heißt es dazu im Bericht der Geschäftsführung: "Zur Sicherung der einzelnen Maßnahmen wurden mit entsprechenden Unternehmen der Region Kooperationsverträge abgeschlossen, die die Nutzung der Werkstätten und Geräte auf Mietbasis ermöglichen. Die fehlenden Ausbilder konnten vor allem auf nebenamtlicher Basis gewonnen werden, weitere Aktivitäten in diesem Bereich hängen wesentlich von einer Bereitstellung von Fördermitteln ab. Ein Antrag wurde an die Bundesanstalt für Arbeit gestellt." 107

-

Durchführung von Fortbildungslehrgängen als berufsbegleitende Maßnahme (z.B. zum Personalfachmann mit IHK-Prüfung, rechnergestützte Finanzbuchhaltung, CNC-Lehrgänge).

-

Vorbereitung weiterer Lehrgänge zur Durchführung einer Aufstiegsfortbildung zum "Staatlich geprüften Betriebswirt", Techniker in der Fachrichtung Umweltschutztechnik und Beauftragter für Umweltschutz.

Für die Absolventen aller FuU-Kurse gibt es bereits eine rege Nachfrage in der Region bei den dort ansässigen Betrieben. iL Zusammenfassung Im Gegensatz zu einer Reihe anderer Bildungseinrichtungen in den neuen Bundesländern bildet das Qualifizierungszentrum nicht nur in den Berufsfeldern Wirtschaft und Verwaltung aus, sondern bietet auf Grund der guten Ausstattung ein breites Angebot auch im gewerblich-technischen Bereich. Die Verdoppelung der Zahl der Teilnehmer seit März 1991 zeigt die hohe Akzeptanz dieser Einrichtung in der Region. Bei vielen Berufsfeldern, insbesondere Bauhandwerk, Umwelttechnik, Hotelwesen u.a., scheint es sich um zukunftsträchtige Berufsfelder zu handeln, die durch gute Kooperationsbeziehungen zum Arbeitsamt, zum örtlichen Gewerbe - ein großes Hotel gehört zum Kreis der Gesellschafter - und zu den Investoren entwickelt wurden. Hinzu kommt als Vorteil die intensive Zuarbeit für die ansässigen Beschäftigungsgesellschaften der Stahlindustrie in Riesa und Gröditz. Das Qualifizierungszentrum kann somit mehr bieten als interne ABS-Einrichtungen; es unterscheidet sich durch seine rechtliche Konstruktion von kommerziell tätigen Bildungsstätten und hat somit stark die Belange der Region bis hin zu Nachbargemeinden in Brandenburg im Auge, ebenfalls die Anpassung von Bildungsangebot an die Nachfrage, d.h. letztlich die tatsächliche Vermittlungsfähigkeit der Teilnehmer in Dauerarbeitsplätze.

108

FortbttduP(piw»B"»hmep des OnaiiArimimp^trams Redon Riesa GmbH Tabelle 13:

Durchgeführte Lehrgänge Im Zeitraum Oktober 1990 - Juli 1991

Anzahl der Lehrgänge

Lehrgang

10 2 2 10 9 4 1 4 1 1 2 1 1 3 2 10 3

PC-Grundlagen x PC im Handel und Wirtschaft x spezielle PC-Software x Gabelstaplerfahrer x Schweißerlehrgang x CNC-Technik Textverarbeitungskontorist Aktuelle Büroarbeit Anpassungsfortbildung Industriemechaniker x Berufsgrundjahr x Hydraulik/Pneumatik Fortbildung Energieelektroniker Spezielle Probleme der Umweltschutztechnik Fortbildung staatl. geprüfter Umweltschutztechniker Staatlich geprüfter Betriebswirt x Orientierungsseminar (41a) Qualifizierung für den Verkauf

Anmerkung Die m i t x gekennzeichneten Lehrgänge begannen im September / Oktober 1990. Alle weiteren Lehrgänge wurden in der Regel ab Frühjahr 1991, nach der Lieferung der Technik, durchgeführt.

Tabelle 14;

Fortbildungsmafinahmen - ab September 1991 -

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

Lehrgang

Dauer

Industriemeister für Metall Industriemeister für E.-Technik Techniker für Umweltschutztechnik Staatl. geprüfter Betriebswirt CNC-Dreh- und Frästechnik Anpassungsfortbildung Elektronik Anpassungsfortbildung Metall Hydraulik/Pneumatik Lichtbogenhandschweißen El, E2, E3 Gasschweißen Gl, G2, G3 Metallschutzgas-Schweißen Wolframinertgas-Schweißen Bauhelfer Datenverarbeitung am Arbeitsplatz Erweiterter Schreibmaschinenlehrgang Bedienung und Anwendung von PC Textverarbeitungskontorist

1 Jahr, staatl. Abschluß

14 Wochen 10 Monate

η 8 Wochen 4-6 Wochen, staatl. anerkannt

10 Monate 4-6 Wochen

109

f i m ^ h i i l n n p m i i R i i i i h m e D dCS Q i w H W ^ r n n p M i i ^ i i n g

Tabelle IS:

Umschulnpyf^ft"·^" - Bauberufe-

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Lehrgang

Dauer

Straßenbauer Heizungs- und Lüftungsbauer Zimmerer Fliesenleger Maurer Maler Tischler Elektroinstallateur

2 Jahre η η tt η tt it ft

Tabelle 16:

Um8chiil""g" na ft n ^ 1|n en (ab März 1992)

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

110

Lehrgang

Dauer

Restaur antfachmann/-frau Koch/Köchin Gas- und Wasserleitungsinstallateur Straßenbauer Tischler Maurer Fliesen-, Platten- und Mosaikleger Chem.-teduL Assistent Kaufirau für Bürokommunikation

2 Jahre η tt n

η ft ft ft ft

Regton Riesa GmbH

4.3.2.2

Fallstudie Ο ABM in Trägerschaft der Stahl- und Walzwerk Riesa AG (SWR) 51

i. Vorgeschichte, Merkmale Eine besondere Form von Mega-ABM in Trägerschaft eines stillzulegenden Werkes praktiziert die Stahl- und Walzwerk Riesa AG (SWR) - ein Modellprojekt, das in dieser Dimension ohne Beispiel ist: das Zurückfahren eines die Region dominierenden Werkes (mit ursprünglich 11.500 Beschäftigten) mit dem Ziel eines sozialverträglichen Personalabbaus und entsprechenden Umschichtungen in A B M und FuU. Gleichzeitig ist es gelungen, durch ABM-Projekte die Basis für ein Flächenrecycling 52 zu schaffen, und damit die Absiedlung neuer Investoren, d.h. die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen, zu ermöglichen. Entscheidend für den Erfolg war die frühe Erkenntnis (bereits im Juni 1990), daß der Stahlstandort nicht haltbar sei und nur über eine Revitalisierung des Geländes am alten Standort neue Arbeitsplätze zu schaffen sind. Mit dem Abriß alter Stahlanlagen durch ABM gingen und gehen einher die Entflechtung, die Neustrukturierung der Infrastruktur, Erschließungsarbeiten - alles Aufgaben, die während der flächendeckenden Neubesiedlung durchgeführt werden. Dazu wurde ein Generalplaner einbezogen53, der auf die sich ändernden Anforderungen der Investoren flexibel reagieren und damit schnell Voraussetzungen zur Produktionsaufnahme schaffen kann. Möglich wurde dieses "Riesa-Modell" durch besondere Finanzhilfen des Gemeinschaftswerks "Aufschwung Ost", des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, der Treuhandanstalt des Landes Sachsen sowie durch eine enge Kooperation mit der Landesregierung, der Kommune, der Treuhandanstalt und dem Arbeitsamt. Entscheidend für den Erfolg waren außerdem die Werbung für die Ansiedlung neuer Unternehmen in Abstimmung mit den Konzeptionen der Stadt und des Landkreises Riesa sowie auch die Gründung des Riesaer Qualifizierungszentrums GmbH

51

Ausführliche Gespräche wurden mit dem Leiter der Unternehmensplanung der SWR Herrn Dietrich Fischer geführt, dem wir besonders für die Bereitstellung umfangreicher Materialien danken, sowie mit den Verantwortlichen für ABM und FuU. 52

Somit entstehen keine "Industriewüsten", und vorhandene Grünflächen und Erholungsgebiete der Region müssen nicht zu neuen Gewerbegebieten umgewandelt werden. 53

Aufgabe des Planungsbüros sind die Erstellung von Konzeptionen zur Flächengestaltung, die Abstimmung der Neustrukturierung des Geländes mit der Kommune, die Medienversorgung, die Entsorgung, die Planung von Erschließungsstraßen in Abstimmung mit den Ansiedlungswünschen von Unternehmen (einschließlich der Beantragung von Fördermitteln durch das Land Sachsen), die Vorbereitung von Genehmigungsverfahren für Neubebauungen, die Berücksichtigung von Baulasten. 111

(siehe Fallbeispiel Ν). ii. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen •

ABM

Schwerpunkte im Bereich von ABM sind zwei Mega-Maßnahmen mit jeweils über 600 Arbeitnehmern (Abrißarbeiten, bautechnische Vorbereitung für die Neuansiedlung von Industriebetrieben) 54 . Daneben gibt es kleinere AB-Maßnahmen (Verbesserung des Managements, Altlastenerkundung 55, Vorbereitung eines technischen Museums u.a.). Unterstützt wurden die 2 Großmaßnahmen durch die Einrichtung eines Programm-Managements der Treuhandanstalt und die Zuordnung eines externen Projektsupports (Direktoriat Umweltschutz und Altlasten) 56 . Die beiden Großmaßnahmen laufen Anfang/Mitte 1993 aus, ohne daß bis dahin die sich aus den Neuansiedlungen abzeichnenden neuen Arbeitsplätze verfügbar sind. Somit ist man bestrebt, für die AB-Projekte nochmals eine Verlängerung zu beantragen, auch aus dem Grunde, daß noch nicht alle Sanierungsaufgaben bis Mitte 1993 gelöst sind. •

Fortbildung

und Umschulung

Hier sind zwei Bereiche zu unterscheiden: 1. Die Fortbildung

und Umschulung für die in AB-Maßnahmen Tätigen mit einem maximale

Zeitanteil von 20 vH

54

Das erste Projekt wurde als erste Mega-Maßnahme in den neuen Bundesländern unter Mitwirkung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, der Bundesanstalt für Arbeit, der Treuhandanstalt und der IG Metall vorbereitet und bereits im Dezember 1990 bestätigt. Für die ersten 600 Arbeitnehmer wurden Personalkosten durch die BA bereitgestellt und rund 36 Millionen DM als Darlehen - von der Treuhandanstalt verbürgt - für Sachkosten, Laufzeit 2 Jahre, Arbeitsaufnahme im März 91. Die zweite große Maßnahme mit mehr als 600 Arbeitnehmern wurde bereits im Juli 1991 bestätigt, Personalkosten: rund 27 Millionen, Sachkosten: rund 23 Millionen, ein Teil davon (rund 10 Millionen) aus Mitteln des Gemeinschaftswerkes "Aufschwung Ost" und des Landes Sachsens nach § 96 AFG; Laufzeit 2 Jahre. 55

Aufgaben: möglichst lückenlose historische Erkundung, Durchführung analytischer Voruntersuchungen, Vorbereitung von Gutachten, Entsorgungsvorbereitungen und -durchführungen unter Einbeziehung von Fachfirmen in Zusammenarbeit mit der Treuhandanstalt, dem Umweltbundesamt und den Umweltbehörden des Landkreises zur Abstimmung einzelner Vorhaben (z.B. Deponieprobleme). 56

Dabei geht das Programm-Controlling der Treuhandanstalt von folgenden Kriterien aus: wirtschaftliche Notwendigkeit, Umweltverbesserung, Abstimmung mit kommunalen Einrichtungen, ABM-Umfang, Maßnahmen der Neubeschäftigung. Ein wichtiges Ziel ist es dabei, Synergieeffekte zwischen den Projekten der Umwandlung von Altstandorten zu nutzen. Vgl. Joachim Schatz: Vortrag zum Thema "Rahmenbedingungen und Strategien für ein umweit- und standortorientiertes Flächenrecycling auf Liegenschaften in Ostdeutschland11 - Symposium, Februar 1992, Bonn - Bad Godesberg. 112

Es gibt eine breite Palette von Fortbildungskursen. Hervorzuheben ist, daß Mitte 1992 von den rund 1.450 in AB-Maßnahmen Tätigen rund 520 Arbeitnehmer, d.h. 36 vH, bereits einen Lehrgang abgeschlossen haben und sich derzeit außerdem noch knapp 170 Personen in laufenden Kursen befinden ( = 1 2 vH). Die Lehrgänge werden zu einem Teil in eigenen Schulungseinrichtungen des Stahlwerkes aber auch im Qualifizierungszentrum Riesa (vgl.Fallstudie N) abgehalten. 2. FuU als Vollzeitmaßnahme Ein großer Teil der Kurzarbeiter-Null aber auch andere Personenkreise des Stahlwerkes wurden aus sozialen Gründen in FuU-Maßnahmen aufgefangen. Zum 1.7.1992 waren es rund 740 Personen - Tabelle 17 zeigt die geplanten Reduzierungen im Bereich von FuU. Zu Beginn der Maßnahmen dominierten Orientierungslehrgänge nach § 41a AFG und die Verteilung der Personen auf die Bildungsträger der Region. In dieser Zeit standen soziale Aspekte (Versorgung dieses Personenkreises über das Unterhaltsgeld) im Vordergrund. Erst Mitte/Ende 1991 wurden Bemühungen verstärkt, eine zielgerichtete Ausbildung im Hinblick auf den Bedarf in der Region und die Nachfrage der sich abzeichnenden Neuansiedlungen zu organisieren. Nunmehr geht es darum, eine nachfragegerechte Ausbildung sicherzustellen, die teilweise von den Firmen selbst arbeitsplatzbezogen durchgeführt wird: So sind in der Schweiz von der Arbonia-Forster GmbH bereits 150 Arbeitnehmer ausgebildet worden, die später im Tochterunternehmen in Riesa (Heizkörperherstellung) eingesetzt werden sollen; dieses Unternehmen beabsichtigt eine Aufstockung des Personalbestandes in Riesa von derzeit 150 auf 1.100 bis 1995. Solche arbeitsplatzbezogenen Ausbildungen gibt es bereits für 480 Personen 57, neben der Arbonia noch in drei weiteren Unternehmen. ii. Personalentwicklung 58 Eine bemerkenswerte Leistung des Stahlwerkes stellt der sozialverträgliche Personalabbau und der Neuaufbau von Arbeitsplätzen dar. Dies gelang einmal durch die Ansiedlung überwiegend westlicher

Investoren

darunter das Mannesmannröhrenwerk mit der Übernahme von 1.500

57

Arbeitsplatzbezogene Qualifizierung in privatisierten Unternehmen: Forster Arbonia ca. 150 Arbeitnehmer 3 Monate Badische Drahtwerke ca. 40 Arbeitnehmer Monate Stahl-u. Eisenbau Heine ca. 20 Arbeitnehmers Monate Elbe-Stahlwerke Feralpi ca.250 Arbeitnehmer Monate

58

Für die Gespräche und die Bereitstellung von Personaldaten danken wir dem Leiter des Vorstandsbereichs Personal, Herrn Emmerlich des Stahl- und Walzwerkes. 113

Arbeitnehmern auf dem Gelände des ehemaligen Rohrwerkes Zeithain, die Arbonia-Forster GmbH, das Mini-Stahlwerk Feralpi (italienisches Engagement), alle rekrutiert aus der ehemaligen Belegschaft des Stahlwerkes (vgl. Abbildung 11). Zum anderen gab es erfolgreiche Privatisierungen durch Management-Buy-Out (MBO), Existenzgründungen oder Ausgründungen. Bewährt haben sich auch Ausgründungen aus dem Stahlwerk unter der unternehmerischen Obhut westdeutscher Firmen; bekanntestes Beispiel ist hier die Firma Werfel-Automation Essen59. Die uns zur Verfügung gestellte Auflistung von Neuansiedlungen und Privatisierungen von Geschäftseinheiten des Stahlwerkes ergibt, daß von den 51 Betrieben 16 vH als MBO's oder Existenzgründungen in Zusammenarbeit mit einem westlichen Partner zu bezeichnen sind; der Anteil der Beschäftigten in MBO's an allen Privatisierungen beträgt 6 vH. Die Differenz zwischen den neugeschaffenen Arbeitsplätzen und dem Arbeitsplätzeabbau wird zu einem großen Teil durch die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (vgl. Tabelle 17) - FuU, ABM, Kurzarbeit-Null, Sozialplan/Abfindung, Altersübergang - ausgefüllt. Die Planungen gehen von der Erwartung aus, bis Januar 1995 durch weitere Privatisierungen A B M und FuU auslaufen zu lassen, d.h. ein großer Teil der ehemals Beschäftigten des Stahlwerkes- nämlich 4.390 Arbeitnehmer - sind durch Privatisierungen/Neuansiedlungen auf dem Gelände zu vermitteln (vgl. Abbildung 10).

Der Arbeitnehmerbestand der Stahl- und Walzwerk Riesa AG am 1.7.1992 wird 2.671 Personen in folgender Zusammensetzung umfassen: rund

1.330 Pers. 120 Pers. 940 Pers. 280 Pers.

ABM im Betrieb A B M außerhalb des Betriebes in FuU-Maßnahmen bzw. Kurzarbeit in der "Struktur" des Betriebes

(vgl. ausführlich Tabelle 17). Für Arbeitnehmer, die ohne soziales Netz zu einem Ausscheiden gezwungen waren, steht eine eigene ABS-Stahl GmbH Niederlassung Riesa zur Verfügung (vgl. Fallbeispiel O). Gegenwärtig prognostiziert man abhängig von der Investitionsdurchführung der anzusiedelnden Firmen auf dem Gelände eine Neubeschäftigung bis Anfang 1994/96 von rund 900 Arbeitneh59

Zum Beispiel betrifft dies MBO's wie: Feinmechanik und Prüfanlagen GmbH, Elektro- und Industriemontagen GmbH, ein Ingenieurbüro u.a. 114

mern, die man aus der "Vorhaltung" von Personen in ABM und FuU zu sichern beabsichtigt. Dabei geht die Personalplanung davon aus, daß die vorgesehene Erweiterung der Firma Arbonia, der Firma Modellbau/Bohren AG sowie Feralpi nicht vollständig durch "Vorhaltung" abzudecken ist. Diese setzte eine staatliche finanzielle Förderung für die Begleitung dieser Arbeitnehmer über einen sehr langen Zeitraum voraus, was sich derzeit nicht abzeichnet. iii. Konkurrenzbeziehungen zu Handwerk und Mittelstand Im Verhältnis zum Handwerk gibt es kaum Probleme: -

Mit den Obermeistern des Kreises gibt es Absprachen, fertiggestellte Projekte durch diese was die handwerkliche Seite betrifft - unter Hinzuziehung von ABM-Personal durchführen und/oder überwachen zu lassen.

-

Seit Beginn der ABM-Projekte sind im Zuge dieser Maßnahmen vom Stahlwerk Aufträge in Höhe von 60 Mill. D M an Handwerker oder andere klein- und mittelständische Betriebe der Region vergeben worden. Ein Handwerkerhof soll auf dem Gelände in Absprache mit dem Innungsmeister errichtet werden.

iv. Zusammenfassung Die Übersicht zur Personalentwicklung im Zeitablauf dokumentiert die geglückte Umsetzung der Unternehmensphilosophie. Nach Umbildung des Stahlwerkes und der Revitalisierung des Geländes konnte die Basis für einen diversifizierten Industriestandortes gelegt werden - verbunden mit sozialflankierenden Maßnahmen. Die Brückenfunktion von A B M und FuU ist hier einmal zeitlich gegeben. Darüber hinaus sind von ebenso großer Bedeutung die inhaltlichen Tätigkeiten in den AB-Maßnahmen: das Flächenrecycling und die Vorbereitung des Industriegeländes für die Ansiedlung neuer Investoren. Damit bestehen Chancen, daß durch die neugebildeten Industriezweige auch produktionsorientierte Dienstleistungen nachgefragt werden - ein zweites Standbein für den Arbeitsmarkt der Region. Die Vorzugsbedingungen bei diesem Modell liegen vor allem darin begründet, daß die Finanzierung von der Treuhandanstalt in außergewöhnlich großem Umfang mit unterstützt wurde und es auch bei der Investorenwerbung und -ansiedlung eine konzeptionelle Übereinstimmung mit der Treuhandanstalt als Träger des Stahlwerks gibt - nicht zu vergessen die frühe Hilfestellung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, der Bundesanstalt für Arbeit und des Landes Sachsen. Es handelt sich also hier um ein Modell, das unter den gegenwärtig geänderten Bedin115

gungen kaum zu kopieren ist. Der "Fall Riesa" zeigt aber auch in seiner ganzen Dimension die bisherige Sinnhaftigkeit von AB-Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung und zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen, wenn die Instrumente optimal genutzt werden können.

116

117

absolut kumulativ

absolut kumulativ absolut

2096

878

366

4 431

4 997

9 428

9

5 999

63

1 450

940

186 502 2 218

1290

1634

1 229

281

1.1.92

2 671 4 153

5153

4153

1.1.91

1 185

483

503

87

600 198

160

1 190

0

75

92

7 101 0 395

1.1.93

6 269

193 6 863

0

75

7 056

190 160 922 2 854 3 311 3 471 1082 922

740

643

116

1944

1.7.92

0

0

0

0

4393

0

1.1.94

1.1.95

1) 12 150 Arbeitnehmer im Jahr 1989.2) Ober die nur im geringen Umfang erfolgten und geplanten Kündigungen liegen keine Informationen vor. 3) Ausscheiden durch Sozialplan, Abfindungen, Altersübergang, sonstiges ( z. B. Übergang in Dauerarbeitsplätze, Abwanderungen, Pendler). Quelle: Informationen des Personalvorstands der Stahlwerk Riesa AG.

4. Personalabgang 3)

- "Vorhaltung" f. Privatisierung

3. Privatisierung/Ausgliederung

c) ABM - davon Jahrgang '38Γ39

2 096

5 169

- darunter FuU mit Tarifzulage Kurzarbeiter Jahrg.'38Γ39 Kurzarbeiter als "Vorhaltung"

b) Kurzarbeit/FuU

11 524

9 428

6 355

11524

1.7.90

im Stahlwerk Riesa im Zeitraum 1.7.1990 bis 30.6.1992

a) Struktur Stahlwerk Riesa AG

darunter 2):

2. erreichter Personalstand

1. geplanter Personalstand 1)

Struktur der Personalentwicklung

Tabelle 17:

Quelle: Informationen des Personalvorstands der Stahlwerk Riesa AG.

Abbildung 1 :

118

Quelle: Informationen des Personalvorstands der Stahlwerk Riesa AG.

Abbildung 11:

43.23

Fallstudie Ρ ABS "Stahl" GmbH, Niederlassung Riesa60

Die ABS "Stahl" GmbH Riesa ist eine branchenbezogene Gesellschaft zur Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung 61 mit einer Belegschaftszahl von rund 1.300, die aus ehemaligen sächsischen Stahlunternehmen bzw. mit der Stahlindustrie verschmolzenen Unternehmen infolge fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten von der ABS "Stahl" aufgenommen worden sind.

Hauptfunktionen dieser von der SWR AG unabhängigen Gesellschaft sind: 1. die Entwicklung von Übergangslösungen und Anpassungsqualifizierungen zur Rückführung eines Teils der Kräfte in den ersten Arbeitsmarkt, 2. die Entwicklung von Arbeitsfeldern im Bereich des Umweltschutzes, der Umwelttechnik und von Dienstleistungen in Kooperation mit einschlägigen Gewerbeansiedlungen, 3. die zeitliche Überleitung von Arbeitnehmern der Jahrgänge 1938,1939,1940 in den sozialverträglichen Vorruhestand und 4. die Realisierung von AB-Maßnahmen im Bereich der Kommune, des Landkreises sowie des Flächenrecyclings von Industriebrachen. Die Anschubfinanzierung für den Bestand an Kurzarbeitern wurde bisher für 6 Monate durch die Treuhandanstalt und das Land Sachsen gesichert, ab Juli muß die Gesellschaft zunehmend auf eigene Erträge setzen, um ihre Hauptfunktion erfüllen zu können. Die Personalsituation zeigt folgendes Bild: in ABM: in FuU: Kurzarbeiter-Null Stunden: Geschäftsfeld Dienstleistungen:

412 Personen 211 Personen 630 Personen 48 Personen

Veränderter Bestand zum 1.7.92 (durch die Änderung der Kurzarbeiterregelungen sowie des Wegfalls der Mittel der Treuhandanstalt und des Landes Sachsen): ABM: FuU: Geschäftsfeld Dienstleistungen:

531 378 163

60

Informationsbasis Gespräch mit dem Geschäftsführer.

61

M i t derzeitig 5 Niederlassungen in Gröditz, Brandis, Lippendorf, Freital und Riesa.

120

Die Zahl in A B M kann sich in Abhängigkeit der Genehmigung der Projekte durch das Arbeitsamt auf maximal 900 erhöhen; für diese Größenordnung sind 17 Projekte vorbereitet und beantragt. Damit will man die aus dem Kurzarbeiter-Status in die Arbeitslosigkeit fallenden Arbeitnehmer auffangen. Wäre diese Gesellschaft nicht ins Leben gerufen worden, wäre der Arbeitsmarkt durch weitere Arbeitslose belastet worden. Die Übersicht Abbildung 12 zeigt die inhaltlichen Schwerpunkte. Dabei ist - wie unser Gespräch ergeben hat - zu berücksichtigen, daß die aufgeführten Existenzgründungen zu einem großen Teil erst Ende 1992/Anfang 1993 realisierbar erscheinen. Einige der Projektarbeiten, insbesondere das Projekt "Recycling elektronischer Geräte (PC-Technik)" enthält gewisse innovative Komponenten. Die Gruppe steht in Verbindung mit Forschungseinrichtungen in Dresden, eine Machbarkeitsstudie ist hier als AB-Maßnahme vorgesehen. Analoges gilt für das Projekt "Recycling von Kunststoff/mineralischen Stoffen (Asbest)". Als "Zeitbrücke" für die Überführung von Arbeitnehmern in Dauerarbeitsplätze ist die Arbeitsförderungsgesellschaft in Gröditz in jedem Falle unerläßlich, ebenso für die Überbrückungszeit älterer Arbeitnehmer.

121

Betreiben Industriekraftwerk Zeithain

GJas- und Gebäudereinigung

1

Gestaltung von

Rekultivierung

Quelle: Angaben der ABS

Härterei

Qualitätssicherung

I Parkplätzen in der Stadt Riesa

TGZ-Gelände

Demontage Stabwalzwerk seminar

Arbeitsbeschaf· fungsmaßnahme

Fort- und Umschulungsmaßnahmen

Projektarbeit

LTttdständ^che Kombination ABM mit Ausbildung 1 Beratertätigkeit für

Hilfsbedürftige

mittelstandische Unternehmen

BerufsorientierungsRecycling von elektronischen Geräten (PC-Technik) Grünlandpflege Montagegruppe Abriß der AWU in Ausbildung zum ; Schlosser Zeithain und SanieBagger- bzw. BauRecycling von Plaste Platz- und WegeStandortes maschinenführer rong des reinigung Montagegruppe Sachsenpark Bauhelfer Durchführung von Schulungszentrum Autorecycling Demontagearbeiten der ABS "Stahl" Errichtungeines Verwaltungs- und im Hafen Riesa GmbH zur AnpasFahrschulplatzes Nahverkehr-und Druckereiarbeiten sun2 an die MarktKleintransporte I 1 Umgestaltung und Wirtschaft Handelstätigkeit

Industrielle Dienst· leistungen / Werksvertrage

Existenzgründung

Tätigkeitsfelder der ABS "Stahl" GmbH, Niederlassung Riesa

4.3.2.4

Fallstudie Q Arbeitsförderungsgesellschaft mbH Region Gröditz (AFG Gröditz) 62

i. Regionales Umfeld der Stadt Gröditz (Landkreis Riesa) Gröditz (eine Stadt mit knapp 10.000 Einwohnern) an der nördlichen Grenze des Landes Sachsen gelegen, ist geprägt durch -

das Gröditzer Stahlwerk (GSW GmbH) mit einem Arbeitsplatzabbau von 5.000 auf 1.400; diese Zahl wird sich nach vorsichtigen Schätzungen nochmals im Rahmen der Sanierung auf die Hälfte reduzieren;

-

das Zellstoffwerk mit zuvor rund 850 Arbeitsplätzen, das inzwischen ganz geschlossen wurde;

-

Konsumgüterbetriebe mit zuvor vorwiegend Frauenarbeitsplätzen, die auch bereits geschlossen wurden (eine Hausschuhfabrik mit etwa 70 und ein Kinderbekleidungsbetrieb mit etwa 400 Arbeitsplätzen), weitere Betriebe 63 haben 370 Arbeitnehmer, vorwiegend Frauen, entlassen. Ebenso haben die ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften starke Einbrüche zu verzeichnen.

Ein Ausweichen auf das nahegelegene Riesa ist wegen der dortigen Stillegungen im Stahlwerk für die Arbeitnehmer in Gröditz auch nicht möglich. Die selektive Abwanderung bzw. die starke Pendelwanderung vorrangig in den Altersgruppen 25 bis 30 Jahren droht zu einer Auszehrung des Qualifikationsangebotes der Region mit entsprechend sinkenden Chancen für Neuansiedlungen zu führen.

ii. Merkmale der Arbeitsförderungsgesellschaft Anlaß für die Gründung der Arbeitsförderungsgesellschaft Gröditz war es, den beschriebenen Arbeitskräfteabbau vor allem im Stahl- und Zellstoffwerk sozialverträglich zu gestalten. Kennzeichnend ist also zunächst, daß es hier gelungen ist, für zwei Großbetriebe eine gemeinsame Beschäftigungsgesellschaft zu schaffen. Unter Nutzung der Möglichkeiten des Arbeitsförderungsgesetzes und des Gemeinschaftswerkes "Aufschwung Ost" wurde am 16.11.1991 die Arbeitsförderungsgesellschaft mit dem Status einer gemeinnützigen GmbH und einem Stammkapital von 62

Basis der Untersuchung: Mehrere Gespräche mit den zwei Geschäftsführern und den Bereichsverantwortlichen für ABM und FuU sowie Betriebsbesichtigungen und Gespräche mit "Betroffenen 11 in ABMaßnahmen. 63

und zwar Gartenbau-, Dienstleistungsbetriebe und die Polstermöbel-, Matratzen GmbH. 123

50.000 D M gegründet. Gesellschafter sind die Stadt Gröditz und 9 Bürgermeister der umliegenden Kommunen sowie zwei Vertreter der Kreishandwerkerschaft 64. Als Erfolg ist dabei zu werten, daß damit zwischen der Industrie von Gröditz und den Gemeinden der Region (darunter auch 170 Beschäftigte aus den Nachbargemeinden des Landes Brandenburg) eine Abstimmung der Interessen gefunden werden konnte. Die Gesellschaft will im Rahmen von finanzierbaren AB-Projekten schwerpunktmäßig Sanierungsmaßnahmen auf dem Gelände der Stahlwerke und des Zellstoffwerkes aber auch der umliegenden Gemeinden durchführen, um im weitesten Sinne eine Reaktivierung des brachliegenden Industriegeländes (über Flächenrecycling) durchführen. Ziel ist es dabei, neue Industrien und Dienstleistungsunternehmen anzusiedeln. Der Personalbestand in der Beschäftigungsgesellschaft verdreifachte sich vom November 1991 bis April 1992 auf insgesamt rund 1.150: rund 950 in ABM und rund 180 in FuU. iii. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen •

ABM

Von den 14 AB-Maßnahmen mit insgesamt 950 Arbeitsplätzen entfällt der größte Teil auf zwei Großobjekte 65, und zwar die Demontage, Rekultivierung und Umweltsanierung -

des Zellstoffwerkes (rund 560 Arbeitnehmer);

-

des Stahlwerksgeländes (rund 260 Arbeitnehmer).

Ziel ist es, mit diesen Maßnahmen Industrieansiedlungen oder auch Ausgründungen auf den Werksgeländen zu ermöglichen. Daneben gibt es interessante Einzelprojekte mit dem Ziel von Ausgründungen: Entsorgung von Umweltlasten (insbesondere Altölentsorgung) oder das Projekt konstante Dichtheitsprüfungen von Fittings (Rohrverschraubungen), ein Umweltlabor, eine Elektroinstallationsgruppe, ein Projekt zur Asbestentsorgung. Die Qualifikationsstruktur

der Arbeit-

nehmer zeigt einen hohen Anteil von Erwerbstätigen mit Facharbeiterabschluß (rund 65 vH) oder höherer Qualifikation (Meister: rund 5 vH, Hoch- und Fachschulabsolventen: 11 vH) und einen geringen Anteil von An- und Ungelernten (knapp 18 vH), vgl. im einzelnen Tabelle 18.

64

Als Kontrollorgan fungiert ein Aufsichtsratsgremium mit 12 Mitgliedern: 6 Mitglieder stellen die Gesellschafter, 6 die Arbeitnehmervertreter, davon 2 außerbetriebliche Vertreter der Gewerkschaften IG Metall und Chemie. 65

Haupttätigkeiten sind dabei: die Sanierung von Gelände; die Demontage nichtbenötigter Gebäude und Einrichtungen; die Rekultivierung von Industriegelände; die Instandsetzung und Erhaltung von Grünanlagen, Parkflächen und Gehwegen. 124

Allerdings ist der bereits erreichte hohe Anteil von 24 vH von Beschäftigten in der Altersgruppe über 50 Jahre in ABM hervorzuheben. Aus der Sicht der Geschäftsführung erscheint für diese Altersgruppe eine Einbindung in Umschulungsmaßnahmen nicht mehr sinnvoll. Umso notwendiger ist es, gerade für diese Personengruppe von rund 800 Arbeitnehmern ABM-Lösungen vorzubereiten, da zum 31.12.1992 3 Projekte auslaufen.

Besonders positiv hervorzuheben ist, daß es in dieser Gesellschaft gelungen ist, für einen verhältnismäßig großen Teil von Frauen AB-Tätigkeiten zu finden: der Anteil weiblicher Arbeitnehmer am ABM-Personal beträgt immerhin 45 vH, mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren. Für den Zeitraum Mitte 1991, dem Beginn der Maßnahmen, bis Ende 1992 belaufen sich die Personal- und Sachkosten auf insgesamt ca. 50 Mill. DM, davon 6,9 Mill. Fördermittel aus dem arbeitsmarktpolitischen Programm der Sächsischen Staatsregierung "Arbeit und Qualifizierung für Sachsen". Letztere sind von besonderer Bedeutung, da seit 1992 durch die Bundesanstalt für Arbeit keine weiteren Sachkostenzuschüsse mehr fließen. Gesucht wird daher derzeit intensiv nach weiteren Finanzierungsquellen (kommunale Wirtschaftsförderung, EG-Strukturfonds).



Fortbildung

und Umschulung

Der Weiterbildung teilt sich in zwei Bereiche auf: -

Kombination von Fortbildung und Umschulung mit ABM mit einem Zeitanteil von 50 : 50% als sinnvolle Kombination von Arbeit und Lernen. Dies betrifft derzeit 19 Arbeitnehmer, die jeweils ein halbes Jahr Demontagearbeiten verrichten und im Wechsel eine Anpassungsqualifizierung im Qualifizierungszentrum Gröditz absolvieren.

-

Außerdem ist man bestrebt, durch Verbindung von Arbeitsbeschaffung mit Qualifizierung bis zu einem 20%igen Zeitanteil mit einem vielseitigen Lehrgangsangebot aufzuwarten, um sowohl die Vermittlungschancen für den ersten Arbeitsmarkt zu verbessern als auch Grundlagen für Existenzgründungen zu schaffen (vgl. Tabelle 19).

-

FuU in Vollzeitausbildung In FuU befinden sich rund 200 Personen, die Unterhaltsgeld beziehen (davon 44 vH Frauen) und sich im Status eines ruhenden Arbeitsvertrages mit der Gesellschaft befinden.

Die Abstimmung von FuU auf die Qualifikationsbedürfnisse der Neuansiedlungen ist recht

125

unterschiedlich: So bestehen z.B. für das Zellstoffwerksgelände bereits bessere Chancen, Investoren anzuwerben als für das Gelände des Stahlwerks (wegen der unterschiedlichen Rechtsverhältnisse (vgl. Abschnitt Wirtschaftsförderung). iv. Perspektiven Die Arbeitsförderungsgesellschaft muß folgende Entwicklungen berücksichtigen: -

das Ende der Laufzeit von AB-Maßnahmen für 800 Arbeitnehmer zum 31.12.1992;

-

das Ende der Kurse für 80 Personen in FuU im Laufe des Jahres 1992;

-

den weiteren Personalabbau in den Gröditzer Stahlwerken bis Ende 1992 um 250 Arbeitnehmer und voraussichtlich bis zum Ende der Sanierungsmaßnahmen um weitere 300 Arbeitnehmer.

Die Situation ist trotz aller Ansiedlungsbemühungen des Zweckverbandes

Gröditz

(siehe dort)

noch durch eine Unsicherheit über endgültige Zusagen von Investoren gekennzeichnet. Die Arbeitsförderungsgesellschaft sieht daher die Notwendigkeit, weiterhin "Zeitbrücken" zur Lösung der Beschäftigungskrise in der Region anzubieten; dazu sollen verschiedene Wege helfen: 1. Konzipieren neuer AB-Maßnahmen; dazu liegt ein umfangreicher Ideenkatalog vor mit Schwerpunkt auf Maßnahmen für die Kommunen; man hofft außerdem auf das AFG-Ergänzungsgesetz zum 1.1.93, das Lohnkostenzuschüsse für Umweltprojekte vorsieht und würde dies im Rahmen einer zweiten noch zu gründenden Gesellschaft nutzen; 2. die Forcierung von Existenzgründungen; 3. weitere Möglichkeiten für innovative ABM, d.h. die Verbindung von A B M und die Vorbereitung von Existenzgründungen mit einem Qualifizierungsanteil von bis zu 20 vH der Arbeitszeit; 4. die Gründung einer eigenen Qualifizierungseinrichtung u.a. aus Fördermitteln der EG; 5. die Gründung einer speziellen Beschäftigungsgesellschaft in Form von Einzelwerkstätten mit teilweise marktwirtschaftlichen Erträgen und Fördermitteln nach dem sog. Papenburger Modell 66 . Zu 1: Eine Fülle für weitere AB-Maßnahmen sind teilweise auch gemeinsam mit der Stadt Gröditz und

66

Vorbild ist die Beschäftigungsinitiative Papenburg e.V. (Landschaftspflege und Recyclinghof) hinsichtlich der Erschließung von Quellen für Personalkosten und Sachmittel. 126

den umliegenden Gemeinden67 der Stadt Gröditz entwickelt und beantragt worden. Die Gespräche der Arbeitsförderungsgesellschaft mit den Gemeinden haben zwar häufig gezeigt, daß die Durchführung von AB-Maßnahmen an der fehlenden Bewilligung von Mitteln für Sachkosten scheitert, da der Maßnahmeträger eine Eigenfinanzierung von 10 vH der Gesamtkosten leisten muß(nach § 96 des AFG). Bei größeren Maßnahmen sehen sich die Kommunen bei der Aufbringung dieses Anteils überfordert. Gleichwohl haben sich die Bemühungen der Kommunen verstärkt, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Grundprinzip bei allen Neuanträgen soll aus der Sicht der Arbeitsförderungsgesellschaft eine geeignete Verbindung von Beschäftigung und Qualifizierung sein, d.h. berufsbegleitende Weiterbildung. Daneben werden Projekte in Unternehmen gesucht, die Ausbildungsplätze für Arbeitnehmer der Arbeitsförderungsgesellschaft anbieten. Beispiel: Handwerksbetriebe, die Objekte im Rahmen von Denkmalspflege rekonstruieren und hierfür spezielle Fördermittel in Anspruch nehmen können. Zu 4: Aus der Erkenntnis, daß bei den kommerziellen Anbietern von FuU der kaufmännische und Bürobereich dominiert, versucht man ein Qualifizierungszentrum mit dem Schwerpunkt im technisch-gewerblichen Bereich zu schaffen: insbesondere Aufbau von Lehrwerkstätten im Bauhaupt- und Nebengewerbe und im Bereich der Metallverarbeitung (z.B. Zerspanungstechnik). Außerdem sollen in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer für den dortigen Bedarf Arbeitnehmer ausgebildet werden. Weitere zukunftsträchtige Felder sind aus Sicht der Arbeitsförderungsgesellschaft der Bereich der Altlastenaufbereitung. Dabei sieht man die Ausbildungsvoraussetzungen im Bereich der Chemie bei den Arbeitnehmern des stillgelegten Zellstoffwerkes als möglichen Fundus für eine Weiterbildung an.

Zu 5: Gesucht wird nach Möglichkeiten, Arbeitnehmer in schwer- bzw. nicht mehr vermittelbarem Alter (über 50 Jahre) und Frauen über das Ende von zur Zeit laufenden AB-Maßnahmen hinaus weiter zu beschäftigen. Dazu hat man - in Anlehnung an das Papenburger Modell - eine eigene Beschäftigungsgesellschaft als "Sub-Unternehmen" mit einer Laufzeit von 5 bis 8 Jahren geplant. Auf der Basis von Einzelwerkstätten sollen hier vorwiegend Frauen und ältere Arbeitnehmer arbeiten: Herstellung von Produkten, die Marktlücken in der Region darstellen oder von Dienstleistungen, die von den ortsansässigen Handwerkern und mittelständischen Unternehmen wegen zu hoher

67

Diese haben alle Interessen an Projekten wie Sanierung von Mülldeponien, Anlegen und Ausbauen von Radwanderwegen im Landschaftsschutzgebiet, Neugestaltung von Spiel- und Sportplätzen, Begrünung von Anlagen, Aufforstungsprogramme im Landschaftsschutzgebiet, Flurbereinigungen. 127

Arbeits-(Kosten)intensität nicht angeboten werden, z.B. individuelle Herstellung von Geräten für Spielplätze, historische Rekonstruktionen in den Zentren der Kommunen. Grundsätzlich besteht hierfür seitens der Kommune ein großes Interesse, da sonst Sozialhilfe in beträchtlichem Umfang vorprogrammiert ist. Die Sachmittel können aus verschiedenen zusätzlichen Quellen finanziert werden, z.B projektbezogene Förderungen aus den Töpfen "Denkmalpflege", "Dorfverschönerung". Kombinieren will man dies mit den Fördermöglichkeiten nach §§ 97, 98 AFG: Beschäftigung älterer Arbeitsloser (besondere Lohnkostenzuschüsse für über 50-jährige; das Arbeitsamt trägt hier 70 vH des Arbeitsentgeltes). Beabsichtigt ist, zusätzliche Finanzierungsmittel aus dem europäischen Sozialfonds und projektbezogene Zuschüsse verschiedener Bundesministerien und des Landes Sachsen zu beantragen. v. Existenzgründungen Zwei Ausgründungen werden in Kürze realisiert: -

Ein Umweltlabor;

bestehend aus vier Frauen (Chemielaborantinnen) des ehemaligen Zell-

stoffwerkes, die vorhandene Geräte für Umweltfeldanalysen im Bereich von Luft, Boden und Wasser im kommunalen Auftrag nutzen wollen (Herbst 1992). Als vorteilhaft gilt die finanzielle Unterstützung durch die Außenstelle des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (Berlin) aus dem Fördertopf für Existenzgründungen; desweiteren der Geräteausleih über einen Kooperationsvertrag mit einem Riesaer Umweltlabor; eine wichtige weitere Voraussetzung für die derzeitige Tätigkeit ist die Anerkennung durch die Wasserwirtschaftsdirektion Radebeul. Hervorgehoben wird die Problematik der schwächeren Förderung von Dienstleistungseinrichtungen in der Rechtsform einer GmbH bei der allgemeinen Wirlschaftsförderung im Vergleich zu Unternehmen des produzierenden Gewerbes. -

Eine Elektrikergruppe

als GmbH, 8 Personen; auch hierfür liegen bereits Marktanalysen vor,

ebenso Finanzierungsmodelle, die Auftragslage scheint gesichert (Beginn: 1. Juni 1992). Durchgeführt werden komplizierte Elektroinstallationen für Krananlagen für den noch vorhandenen Kernbereich des Stahlwerkes (zu 50 vH); die andere Hälfte des Auftragsvolumens soll durch die Kommunen abgedeckt werden. -

Bei der Suche nach weiteren Projekten gilt derzeit eine Tierpension mit der Gründung im Herbst als aussichtsreich sowie eine Gruppe, die Asbestsaniemngen frühestens Ende 1992 in Häusern und Schulen durchführen soll, sowie das erwähnte Projekt "Konstante Dichtheitsprüfungen von Fittings"68. Letzteres bemüht sich derzeit noch darum, bis Ende August 1992

68

Diese innovativen Prüfmethoden werden nicht nur im Inland, sondern bereits im Ausland nachgefragt.

128

die notwendigen Aufträge sicherzustellen (8 Personen). vi. Konkurrenz zum Handwerk Der gemeinsam mit den Kommunen erarbeitete Ideenkatalog für weitere AB-Themen sowie die Aufbereitung der Demontage und Sanierungsmaßnahmen in Form von Ausschreibungen zur Beteiligung der umliegenden Handwerksbetriebe zeigen die Bemühungen um die Einbeziehung des Handwerks und anderer klein- und mittelständischer Unternehmen. 25 vH des Finanzvolumens der Gesellschaft entfällt auf Aufträge an externe Unternehmen. vii. Wirtschaftsförderung In unserem Gespräch mit dem Leiter des Amtes für Wirtschaftsförderung der Stadt Gröditz wurde dargestellt, welche unterschiedliche Möglichkeiten für die Ansiedlung von Investoren auf dem Gelände der Arbeitsförderungsgesellschaft - je nach Eigentumsverhältnissen - existieren. Für das Investorenmarketing und die kommunale Ansiedlungsplanung wurde ein Zweckverband Gröditz

gegründet (bestehend aus der Stadt und 7 umliegenden Gemeinden) mit dem Ziel,

Industrieflächen, die im Zuge von Flächenrecycling durch die Arbeitsförderungsgesellschaft aufbereitet werden, für die Neuansiedlung anzubieten. Vorteil des Zweckverbandes ist es, daß Unternehmen nach dem Kriterium eines hohen Arbeitsplätzeeinsatzes angesiedelt werden können. Dabei wurden zwei unterschiedliche Vorbedingungen hinsichtlich der Privatisierungsmöglichkeiten hervorgehoben: -

Vorteilhaft erweist sich das Gelände des Zellstoffwerkes,

das nicht der Treuhandanstalt

untersteht, sondern inzwischen von der Liquidatorin den Gemeinden für ihre Investoren zur Verfügung gestellt wird 69 ; somit lassen sich für diese Neuansiedlungen auch Arbeitnehmer der Arbeitsförderungsgesellschaft in Dauerarbeitsplätze überführen. Aus der Sicht des Amtes für Wirtschaftsförderung ergeben sich aus dieser Politik wichtige Synergieeffekte: Zu den ansiedlungswilligen Firmen gehören westliche Recyclingfirmen, Unternehmen aus dem Bereich Umwelttechnik, Bodensanierung, Schotteraufbereitung, 69

Damit sind 2 Drittel der Flächen des Zellstoffwerkes = 30 ha für Investitionsansiedlungen, über die die Kommune entscheidet, gesichert. Praktisch kauft der Zweckverband Flächen von der Liquidatorin und kann sich so bei der Auswahl der Investoren einschalten. Als günstig erweisen sich dabei die Inanspruchnahme der Fördermittel aus der Maßnahme "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA), die für die Erschließung benutzt werden können. 129

Aufbereitung ölhaltiger Gewässer. Letztere erfordern wiederum spezielle Kläranlagen, hier besteht für die Kommunen die Möglichkeit, spezielle Fördermittel in Anspruch zu nehmen. Beklagt wird allerdings immer wieder der hohe Zeitverzug bei Infrastrukturaufträgen seitens der Kommune; für die Bewilligungsverfahren reicht vielfach das Personal nicht, somit verzögert sich die Schaffung von Arbeitsplätzen. -

Anders sehen die Verhältnisse auf dem Gelände des Stahlwerkes aus. Für die Kommune ist es nachteilig, daß die Treuhandanstalt als Eigentümerin der Flächen für den Kauf seitens der Kommunen (aus deren Sicht) überhöhte Bodenpreise verlangt, so daß dieses Gelände derzeit durch den Zweckverband nicht zu vermarkten ist 70 .

Somit erweist sich für die Arbeitsförderungsgesellschaft die Flächensanierung

und die Zusam-

menarbeit mit dem Zweckverband als wichtige Voraussetzung zur Wirtschaftsförderung

und damit

zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen. Auch wirbt die Kommune um Investoren mit dem Image ihrer besonders reizvollen Landschaftsschutzgebiete, die wiederum auch durch AB-Maßnahmen verbessert werden können. vlii. Zusammenfassung Merkmale der Beschäftigungsgesellschaft sind ihre Verbindung von Flächenrecycling und «Sanierung mit der Möglichkeit der Neuansiedlung über den Zweckverband, die vielfältigen Bildungsaktivitäten zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen, wobei derzeit eine zielgerichtete Weiterbildungsplanung teilweise noch vom Mangel an absehbaren Investoren beeinträchtigt wird. Das Fallbeispiel zeigt die Abhängigkeit der Beschäftigungsgesellschaften vom regionalen Kontext der Wirtschaftsförderung, in diesem Falle von den Eigentumsverhältnissen und der Preispolitik eines noch in Treuhandanstalt befindlichen Betriebsgeländes mit entsprechenden Hemmnissen für Neuansiedlungen und damit der Schaffung von Dauerarbeitsplätzen.

70

Die Treuhandanstalt verlangt 22 DM pro m 2 , zusätzlich sind noch Erschließungskosten seitens der Kommune von 50 D M pro m 2 notwendig - ein Preis, der auch von unabhängigen Gutachtern als überhöht eingestuft wird. 130

Tabelle 18: Qualifikation

der Arbeitnehmer in ABM bzw. Kurzarbeit

Branche

Anzahl

Anteil in vH

Metallberufe Bauberufe Holzbranche Elektroberufe Dienstleistungsbereich Kaufmännische Berufe/ EDV-Branche Chemiebränche Sonstige Berufe Ing.- u./o. Techn. Berufe ohne Beruf

269 52 10 49 56

32,1 6,2 1,2 5,9 6,7

61 74 107 94 65

73 8,8 12,8 11,2 7,8

insgesamt

837

100,0

Tabelle 19: Übersicht der bisherigen FuU -Maßnahmen (berufsbegleitende Lehrgangsart

1. Ersthelferschulung 2. Schutzmaßnahmen und deren Prüfung VDE 3. Hydraulik/Pneumatik 4. Erneuerung Schweißerpaß nach DIN 5. Grundzüge der Buchführung 6. Maschinenschreiben 7. Gabelstaplerlehrgang 8. Arbeitsrechtslehrgang (Koblenz) 9. Symposium Abfallwirtschaft 10. Umgang mit schwach gebundenem Asbest 11. Managemen t-Trainee-Programm 12. Rechnungswesen in ABS-Gesellschaften 13. Arbeitsrechtslehrgang 14. Seminar Altlastenproblematik 15. Schweißen nach neuen europ. Normen 16. Finanzbuchhaltung 17. Der Betriebsbeauftragte für Umweltschutz 18. Heizungsfachseminar

Umfang in Std.

"Null-Stunden"

Maßnahmen) in der AFG

Teil- Durchschnittsnehmer alter

16 48 100 8 120 98 55 40 21 40 40 24 13 8 8 8 16 8

23 24 17 25 24 12 12 8 2 5 4 1 9 1 4 2 2 1

43 33 39 36 42 36 37 39 53 33 41 38 34 49 49 36 53 51

Insgesamt 18 Lehrgänge bzw. Seminare mit 176 Teilnehmern.

131

4.4

Sachsen-Anhalt

4.4.1

Fallstudie in der Region Bitterfeld

4.4.1.1

Wirtschaftliches Umfeld

Der südliche Raum von Sachsen-Anhalt ist durch eine extreme Konzentration der Chemieindustrie gekennzeichnet. 70 vH aller Beschäftigten dieses Bereiches waren in den Großbetrieben Buna, Leuna, Bitterfeld und Wolfen tätig. Auf Grund der Heterogenität der Geschäfte (Chemie, Aluminium, Kunststoffe) der Chemie AG Bitterfeld-Wolfen

bestanden keine Aussichten auf

Übernahme durch einen einzelnen Investor, zumal die bisherige ineffiziente Braunkohlenbasis der Karbochemie einen grundlegenden Strukturwandel erfordert. Daher verfolgt die Treuhandanstalt eher die Strategie des Verkaufs einzelner Betriebsteile und die Bildung eines Chemie- und Industrieparks für Neuansiedlungen. Obwohl bereits viele Betriebsteile der Chemie A G stillgelegt worden sind, werden noch weitere ihre Produktion einstellen müssen. Betrachtet man noch den enormen Kapazitätsabbau des Braunkohlenbergbaus in der Region, so wird deutlich, daß ohne arbeitsmarktpolitische Maßnahmen dieses Industrierevier zu einer Region mit Massenarbeitslosigkeit geworden wäre. Der Landkreis Bitterfeld liegt im nördlichen Teil des mitteldeutschen Ballungsraumes Leipzig/Halle/Dessau. Der Kreis (42 Kommunen, davon 6 Städte)71 mit rund 122.000 Einwohnern und rund 74.500 Erwerbstätigen (Stand 31.12.1989) ist durch eine überdurchschnittlich hohe Quote von Beschäftigten im Bereich von Industrie und sonstigem produzierenden Gewerbe gekennzeichnet (1989: 65,5 vH aller Berufetätigen), sowie durch die Dominanz von Braunkohle und chemischer Industrie. In den drei Großbetrieben Chemie AG Bitterfeld-Wolfen Filmfabrik AG Wolfen MIBRAG (Mitteldeutsche Braunkohlen AG) waren Ende 1989 knapp 39.000 Erwerbstätige oder 52 vH der Erwerbspersonen des Kreises beschäftigt. Den Beschäftigtenabbau in den drei Betrieben zeigen folgende Angaben:

71

132

Regierungsbezirk Dessau, zum Arbeitsamtsbezirk Halle gehörend.

Beschäftigtenentwicklung in den drei Großbetrieben im Raum Bitterfeld Unternehmen

Beschäftigte per 31.1189

Prognose: Beschäftigte Prognose: Erhalt von Beschäftigte per Arbeitsplätzen 31.1191 durch in den Ausgliederung Kernbereichen Neuansiedlung

Chemie AG Bitterfeld Wolfen

17478

8736

2500

3200

Film AG/Ind.Park Wolfen-Thalheim

15 437

4 650

850

3054

MIBRAG

6004

2438

1000

277

Insgesamt

38919

15 824

4 350

6531

Quelle: Angaben der Unternehmen und des Landratsamtes Bitterfeld (Regionalplanungsamt) - Stand März 1991

133

Das Regionalplanungsamt geht davon aus, daß auf mittlere Sicht von den früheren 39.000 Arbeitsplätzen in den Kernbereichen der Unternehmen nur rund 4.000 erhalten werden können. Auf der Basis des noch erwarteten Beschäftigungsrückgangs und der schon jetzt bestehenden Arbeitslosigkeit (einschl. ABM und FuU) werden die fehlenden Arbeitsplätze auf rund 26.000 beziffert. Dem stehen 6.530 erwartete neue Arbeitsplätze in den Chemiebetrieben durch Ausgliederung und Privatisierung gegenüber. Das Landratsamt hofft durch eine Politik der Investorenwerbung auch auf Gewerbegebieten außerhalb der genannten Chemiebetriebe 1993 bereits 2.670 Arbeitsplätze und langfristig 12.380 schaffen zu können72. Zusammengenommen rechnet man also mit neuen Arbeitsplätzen an den Altstandorten von rund 6.530 und solchen an den Neustandorten von 12.380, insgesamt 18.900 - zweifellos eine mit starken Unsicherheiten behaftete Prognose. Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung und der Qualifizierung sind somit eine wichtige "Zeitbrücke" mit der Chance, einen Teil dieser Arbeitnehmer wieder auf den ersten Arbeitsmarkt vermitteln zu können. Viele neue Gewerbegebiete, ebenso wie die durch das Flächenrecycling sanierten Gebiete an den Altstandorten, sind nicht vor 1993/1994 für Investoren/Neuansiedlungen erschlossen. Aus der Sicht des Landratsamtes gibt es außerordentliche Probleme, die Profile von Fortbildung und Umschulung auf den Bedarf der - vielfach noch nicht bekannten - Investoren, darunter auch der neu entstehenden örtlichen Klein- und Mittelbetriebe im Handwerk/Handel/Dienstleistungen, auszurichten. Es bestehen aber große Anstrengungen, alle relevanten Akteure der Region (insbesondere die BQP und das Arbeitsamt) für diese Bedarfsplanung zusammenzubringen. Die folgende Übersicht über den Arbeitsamtsbezirk Halle zeigt alle Arten von Unterbeschäftigung, seien es Personen in Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Dabei liegt die Arbeitslosenquote im Kreis Bitterfeld mit 10,2 vH unter der vom gesamten Arbeitsamtsbezirk Halle, denn schätzungsweise die Hälfte aller Beschäftigten in AB-Maßnahmen im Arbeitsamtsbezirk Halle entfallen auf den Kreis Bitterfeld. Zum Arbeitsamtsbezirk Halle gehören die Kreise Halle und Bitterfeld.

72

Im Kreis sollen vier neue größere Gewerbegebiete erschlossen werden (Industrie- und Gewerbeparks), die z.T. infrastrukturell mit den alten Chemiebetrieben verbunden sind. Bsp.: Industrie- und Gewerbe "Nova Park" (Anschluß an Abwasserbehandlungsanlage über das Chemie AG-Netz).

Arbeitslose, Kurzarbeiter und Beschäftigte in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen April 1992 Tabelle 20

Arbeitsamtsbezirk Halle Personen Insgesamt

90 456

Arbeitslose Kurzarbeiter -Vollzeitäquivalent- 1) Beschäftigte in ABM Bestände in Fortbildung/Umschulung Empfänger von Vorruhestandsgeld Empfänger von Altersübergangsgeld

33 215 5 280 11908 15 900 10 671 13482

Nachrichtlich: Kurzarbeiter nach Arbeitsausfall 10% bis 25% über 25% bis 50% über 50% bis 75% über 75% Insgesamt

in vH

13,2 2) 2,1 2) 5,5 3)

861 3457 2905 2305 9528

1) Errechnet aus dem durchschnittlichen Arbeitsausfall.- 2) In vH der abhängigen zivilen Erwerbspersonen (Beschäftigte und Arbeitslose).3) In vH der abhängigen zivilen Beschäftigten. Quellen: Bundesanstalt für Arbeit.- Berechnungen des DIW.

Sachsen-Anhalt Personen Insgesamt

596 465

Arbeitslose Kurzarbeiter -Vollzeitäquivalent- 1) Beschäftigte in ABM Bestände in Fortbildung/Umschulung Empfänger von Vorruhestandsgeld Empfänger von Altersübergangsgeld

221184 46400 92234 86 500 61670 88477

Nachrichtlich: Kurzarbeiter nach Arbeitsausfall 10% bis 25% über 25% bis 50% über 50% bis 75% über 75% Insgesamt

In vH

15,5 2) 3,3 2) 7,6 3)

11826 31 979 27 620 17229 88 654

1) Errechnet aus dem durchschnittlichen Arbeitsausfall.- 2) In vH der abhängigen zivilen Erwerbspersonen (Beschäftigte und Arbeitslose).3) In vH der abhängigen zivilen Beschäftigten. Quellen: Bundesanstalt für Arbeit.- Berechnungen des DIW.

135

4.4.1.2

Fallstudie R Bitterfelder Qualifizierungs- und Projektierungs-GeseUschaft mbH 73 (BQP)

i. Merkmale der BQP74

Die BQB gehört zu den sog. Mega-ABM, die typisch für das Land Sachsen-Anhalt sind -das sind solche mit mehr als 3 Mill. Gesamtkosten. Bislang entfielen 52 vH der Sachkostenzuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit auf das Land Sachsen-Anhalt. Als landesspezifische Komponente gilt für das Arbeitsministerium von Sachsen-Anhalt weniger die Zielgruppenorientierung als die Konstruktion von sog. gemeinnützigen Sanierungsgesellschaften - neben den übrigen Beschäftigungsgesellschaften -, die vom Land direkt unterstützt werden (1991/92: Bewilligung von 920 Mill. DM). 7 5 Mit dieser Konstruktion strebt man an 1. unmittelbar solche Maßnahmen zu fördern, die aus der Sicht der Landesregierung uneingeschränkt im öffentlichen Interesse liegen (Umweltschutz, Infrastruktur, einschließlich der touristischen), 2. Dauerarbeitsplätze für die Region durch Neuansiedlungen zu schaffen (Erhaltung der Qualifikationsstruktur sowie der sozialen Struktur der Wohnbevölkerung). Die Aufgaben der BQP beziehen sich auf das Gebiet des gesamten Landkreises und die wichtigsten Großbetriebe. Diese enge regionale Ausrichtung auf die Belange des Landkreises ist typisch für diese Mega-ABM. Gesellschafter sind das Landratsamt Bitterfeld, die Chemie A G Bitterfeld/Wolfen, die Filmfabrik Wolfen AG, die MIBRAG, die Industrie- und Kraftwerksrohrleitungsbau GmbH, die Klöckner Rohrwerke Muldenstein AG, die Industrie-Union-AG Vaduz, die IG Chemie, Papier, Keramik, die IG Bergbau und Energie sowie die IG Metall. Ziel der Gesellschaft war es von Anfang an, den Personalabbau in den Unternehmen sozialverträglich zu gestalten und durch FuU sowie Privatisierungen/Ausgründungen einen möglichst

73

Grundlage unserer Analyse waren Gespräche mit dem Geschäftsführer der BQP, Dr. Hacker, den beiden Bereichsleitern von ABM sowie von Fortbildung und Umschulung und weiterem Führungspersonal (insbesondere "Grundsatzfragen"); weitere Einzelgespräche wurden mit den Gruppenleitern des Forschungsbereiches geführt, außerdem wurden Besichtigungen auf dem Werksgelände durchgeführt. Umfangreiche Statistiken und Materialien insbesondere zum Thema Existenzgründungen, Vergabeaktivitäten wurden uns zur Verfügung gestellt. 74

Vgl. auch eine bereits vorliegende Untersuchung über die BQP mit Stand Sommer 1991 in: Ökologischer und wirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern, DIW-Beiträge zur Strukturforschung, Heft 132, Berlin 1992. 75

Die Sanierungsgesellschaften finanzieren sich bei AB-Maßnahmen sowohl aus Mitteln des Landes, der Bundesanstalt für Arbeit, der EG als auch der Treuhandanstalt, soweit es deren Betriebsgrundstücke betrifft. Mittelbare Gewinne durch Werterhöhung sollen durch die Beteiligung an den Maßnahmen teilweise abgeschöpft werden. 136

großen Personenkreis auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. In bezug auf die MIBRAG betreut die Gesellschaft nur den Bereich von Fortbildung und Umschulung (AB-Maßnahmen werden durch eine eigene Beschäftigungsgesellschaft der MIBRAG durchgeführt). Insgesamt umfaßt die Gesellschaft rund 5.900 bestätigte Stellen (davon besetzt 5.200) in ABM und rund 3.000 Personen in Fortbildung und Umschulung, rechtlich sind letztere nicht mit der BQP verbunden, sondern werden nur von der Gesellschaft "betreut". iL Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen •

ABM

Der größte Teil der AB-Projekte liegt im Bereich von Demontage, Abriß, Renaturierung von Betriebsgelände, Beseitigung von Altlasten und -anlagen, darunter auch zahlreiche kleinere Projekte, die dem Umweltschutzbereich oder Tätigkeitsfeldern im Auftrag der Kommunen zuzuordnen sind. Tabelle 22 dokumentiert als Schwerpunkte die Großprojekte zur Sanierung des Geländes der Chemie A G Bitterfeld/Wolfen und der Filmfabrik Wolfen sowie zahlreiche interessante kleinere Projekte. Besonders hervorzuheben sind die Projekte der 300 Personen im Bereich von Forschung und Entwicklung

mit dem Schwerpunkt Umweltforschung, Biotechnologie, Altlastenbeseitigung (vgl.

ausführlich die dort verfolgten Existenzausgründungspläne, siehe weiter unten).

Die große Bedeutung der AB-Maßnahmen wird deutlich an den Sanierungsaufgaben, die bereits auf dem Betriebsgelände neue Gewerbeansiedlungen ermöglicht haben und ermöglichen werden. Mit diesen Sanierungsmaßnahmen will man ein Beschäftigtenvolumen durch Ausgliederungen und Neuansiedlungen in Höhe von rund 6.500 Personen sichern. Diese Ziffer basiert auf der weiteren Definition des Regionalplanungsamtes; nach der engeren Definition der BQP sind es bis 1996 schätzungsweise 2.150 Arbeitsplätze, die durch Privatisierungen/Neugründungen von Firmen geschaffen werden können und sich aus dem ABM-Personal der BQP rekutieren lassen (davon ca. 650 aus Ausgründungen der BQP).



Fortbildung

und Umschulung

Dieser Bereich gliedert sich wie folgt:

137

1.

In der arbeitsplatzbezogenen Fortbildung mit einem 20%igen Zeitanteil für Personen in AB-Maßnahmen befinden sich rund 600 Personen, davon rund 330 Frauen 76. Finanzierungsschwierigkeiten bei der Durchführung gab es, weil bei Beginn der AB-Maßnahmen der Antrag keinen Kostennachweis für Weiterbildung enthielt. Das Arbeitsamt in Halle bezuschußt keine Fortbildungsmaßnahmen, die nicht Gegenstand von AB-Anträgen sind. Außerdem gibt es aus der Sicht der BQP andere Schwierigkeiten mit dem Arbeitsamt Halle 77 : Dort werden strenge Maßstäbe (laut AFG) an die Zweckmäßigkeit

der begleitenden Maß-

nahmen gelegt und diese nur bestätigt, sofern eine "Verbesserung der Vermittlungsfähigkeit" nachgewiesen werden kann. Von der Zustimmung des Arbeitsamtes hängt die Unterhaltszahlung, z.B. bei durchgehenden 4-Wochen-Kursen, ab. Außerdem wird vom Leiter des Bereichs FuU beklagt, daß nur zwei D M pro Teilnehmer und Kursstunde der als zweckmäßig anerkannten Angebote gezahlt werden, was nicht kostendeckend sei.

2.

Vollzeitkurse werden nach dem Stand vom November 199178 von rund 2.660 Teilnehmern in FuU wahrgenommen. FuU-Kurse werden in einer breiten Palette von insgesamt 20 überwiegend externen Bildungsträgern aus den alten Bundesländern angeboten (vgl. Tabelle 23).

Von den 2.660 Personen befinden sich immerhin mehr als die Hälfte (56 vH) in längerfristigen Kursen (d.h. mehr als ein halbes Jahr). Festzustellen ist, daß es noch freie Kurskapazitäten für die Region gibt. Die gesunkene Weiterbildungsbereitschaft im Kreis Bitterfeld manifestiert sich darin, daß außerhalb der BQP in letzter Zeit nur 90 Anfragen aus dem Kreis Bitterfeld zu FuU-Kursen kamen. Die Kapazität der Bildungsträger beträgt hier insgesamt 6.000 Plätze. Allerdings geht man davon aus, daß sich diese "Abwartehaltung" in der Gruppe der Arbeitslosen nach einer gewissen Zeit ändern wird und sich dann die Bemühungen um eine Teilnahme verstärken könnten. Wichtige Tätigkeitsfelder für den Geschäftsbereich Fortbildung und Umschulung in der BQP sind:

76

Beispiele sind Kurse für 160 Arbeitnehmer im "Brennschneiden" im Zuge der Demontage von Chemieanlagen oder Anpassungsmaßnahmen für Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutz (130 Personen), Lehrgänge zur Deponiebewachung (30 Personen), Dekontamination (25 Personen). 77

Eine Überprüfung dieser Aussagen der BQB konnte bislang nieht durch eine Stellungnahme des zuständigen Leiters des Bereichs Fortbildung des Arbeitsamtes vorgenommen werden. 78

138

Leider sind für die BQP nur Zahlen zu diesen Stand verfügbar.

1.

Die Gründung und der Aufbau eines eigenen Berufsbildungszentrums (seit 1. April in Betrieb). Hier sollen für Personen in ABM berufsorientierende Seminare analog der Regelung des § 41a des AFG durchgeführt werden mit dem Ziel, durch eine Information über die beruflichen Möglichkeiten die Motivation für den Übergang aus A B M in Weiterbildungsmaßnahmen zu verbessern, ebenso die Bewerbungsaktivitäten des einzelnen auf den ersten Arbeitsmarkt in Gang zu setzen u.a. auch durch ein Bewerbertraining. Insgesamt plant man, bis Ende 1992 für 400 Personen aus ABM diese berufsorientierenden Seminare durchzuführen.

2.

Weitere Kurse im Rahmen der arbeitsplatzbezogenen Fortbildung sollen konzipiert werden, insbesondere auch Lehrgänge zur Vorbereitung von Existenzgründungen (finanziert aus EG-Mitteln).

3.

Ein wichtiges Feld ist die Koordination von Bildungsmaßnahmen mit den Erkenntnissen des Arbeitsamtes über die Nachfrage nach speziellen Qualifikationen; darüber hinaus will man mit den Bildungsträgern nachfragegerechte spezifische Fortbildungsinhalte beraten und entsprechend auf deren Kursprogramm Einfluß zu nehmen.

4.

Über die individuelle Beratung der Mitglieder in ABM und FuU hinaus bietet man Informationen für die Arbeitslosen und sonstigen potentiellen Weiterbildungswilligen der Region durch Veranstaltungen an. Damit übernimmt die BQP weitergehende Aufgaben für den gesamten Kreis Bitterfeld.

iii. Existenzgründungen/Ausgriindungen Aus A B M heraus werden sowohl Privatisierungen in Form von Ausgründungen/Existenzgründungen, als auch Einstellungen in Unternehmen, die sich neu ansiedeln, erfolgen. So werden zur Zeit auf dem Gelände der Filmfabrik Wolfen AG 34 und auf dem Gelände der Chemie A G BitterfeldWolfen 24 Ausgründungen vorbereitet. Unternehmensschwerpunkte sind vor allem Altlastenbeseitigung und Umweltsanierung. Hierzu gibt es ein ausführliches Verzeichnis über Privatisierungen mit Unternehmensgegenstand, Kooperationspartner u.a. Ein Teil soll unter dem Dach der Bitterfelder Industriepark-Holding erfolgen, ein anderer unter einer Altlasten-Holding AG:

-

Baustoffrecycling; Bodenwaschung; Bodenaustausch/Bodenbehandlung; Grundwasserreinigung/Grundwasserbehandlung; 139

-

biologische Klärschlammaufbereitung; Weiternutzung von Altdeponien und Sicherung geordneter Deponien; Holzrecycling, Kompostierung; Schwermetalldekontamination; Asbestsanierung; Entsorgung und Geländekontaminierung; Umweltanalytik; Toxikologielabor; Recycling Filmabfälle, Kunststoffe, Verpackungsmaterial; Demontage/Abriß; Bauleistungen, Elektrotechnik, Stahlbau- und Transportleistungen; Servicefunktionen, Technologieberatung, Ausgründerunterstützung.

Weiterhin werden Augründungen von Ingenieurbüros für die Erarbeitung von Sanierungskonzepten und die Projektierung von Rückbauobjekten konzipiert. Auch der Aufbau von kleineren Firmen auf dem Gebiet der Sanitärtechnik, der Elektrotechnik, der Hebezeuge- und Aufzugswartung, des Hoch- und Tiefbaus, des Gleisbaus, einer Lackierung und eines Galvanikbetriebes sind in Vorbereitung. Man geht davon aus, daß in diesen neu sich formierenden Firmen jeweils Personal in einer Größenordnung zwischen 5 und 35 eingestellt werden kann und damit - nach einer zweifellos sehr optimistischen Prognose - mit ca. 650 Festarbeitsplätzen zu rechnen ist, die zu einem ABMAbbau führen werden. Zu den schon erfolgten Ausgründungen zählen allerdings erst wenige Betriebe, darunter: -

die IRB GmbH (Rückbau und Bau von Industriebauten, Spezialbauten) mit 30 Beschäftigten; die Wolfener Analytik GmbH als Tochterunternehmen des Labors für Baustoffuntersuchung mit insgesamt 15 Beschäftigten; eine CAD-Station mit 6 Beschäftigten; Ausgründungen aus dem ABM-Bereich Forschung und Entwicklung (siehe weiter unten).



Zum Bereich Forschung und Entwicklung

Im Rahmen der BQP sind zwei ABM-Forschungsgruppen mit insgesamt 300 Personen entstanden. Mit den Leitern der beiden Gruppen wurden ausführliche Gespräche geführt. Derzeit werden Ausgründungen für Herbst 1992 und Ende 1992/Anfang 1993 vorbereitet. Insbesondere zählen dazu Projekte im Bereich von Umweltforschung und angewandten Sanierungstechnologien.

ABM-Forschung I: Aktuelle Ausgründungen 140

Anhaltinische Synthese- und Vertriebs-GmbH (ASV) betrifft das Thema Sanierung von Aitanlagen (18 bis 20 Personen) 79, Computergestützte chemische Synthese und Anwendungsforschung (CASAF) - (3 Wissenschaftler). ABM-Forschung II: Aktuelle Ausgründungen Senkung der Abwasserlast, insbesondere des H 2 S 0 4 (3 Wissenschaftler, 4 Laboranten) unter Einbeziehung westlicher Partner, Entsorgung von nichtgebrauchsfähigen Zwischenprodukten der Chemie A G (2 Wissenschaftler, 6 Laboranten). Ziel ist die Auf- und Umarbeitung zu verwendungsfähigen Produkten bzw. die Ausarbeitung von Entsorgungskonzeptionen, Glasbläserei für Forschungs- und Industrieglasbedarf (6 Facharbeiter einschl. Meister), Umweltdatenbank, computergestütztes Informationssystem über umweltrelevante Stoffe der Filmfabrik Wolfen sowie anderer Betriebe der Region 80 (5 Personen), ein Ingenieurbüro für Umweltfragen, Bauleistungen, ingenieurtechnische Leistungen (10 Personen). Recherchen über Rechtsformen, vorhandenes Gesellschafterkapital, Räumlichkeiten, Gerätetechnik und andere Probleme wären zur Einschätzung der Marktchancen notwendig. Weitere Privatisierungspläne erstrecken sich auf Firmen wie Abwasseraufbereitung/-entsorgung, Entsorgung von Farbstoffen/Abwasser/Beratung, Produktion und Vermarktung von PVC, Beratung zum Kunststoffrecycling (als Ingenieurbüro im Landesmaßstab). Über die Ausgründungsaktivitäten der beiden ABM-Forschergruppen hinaus gibt es zahlreiche hoch innovative Forschungsthemen in den ABM-Gruppen, bei denen Schutzrechte angemeldet werden sollen und die Sanierungslösungen bezogen auf die spezifischen regionalen technologischen Gegebenheiten der dortigen Chemiebetriebe beinhalten. Damit könnten besondere Marktnischen gefunden werden 81. Die Kenntnisse der örtlichen Verflechtungen innerhalb des Altlastengefüges und der Kreislaufzusammenhänge stellen derzeit noch einen Vorteil gegenüber westlichen Konkurrenten dar. Die Bewahrung des Forschungspotentials in der Chemieregion über ABM ist eine - über reine Auffangfunktionen hinausgehende - kaum zu unterschätzende Lei-

79

Als Probleme wurden hier genannt: unklare Perspektive bei der Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten; stark verbesserungsbedürftiger analytischer und synthetischer Gerätepark. 80

Für viele Betriebe der Region ergibt sich die Notwendigkeit von Genehmigungsverfahren zur Umweltverträglichkeit und Beachtung diesbezüglicher gesetzlicher Auflagen. Gerade für kleine Unternehmen ist die Inanspruchnahme dieser Serviceeinrichtung sinnvoll. 81

Uns liegt das umfangreiche Verzeichnis der Forschungsthemen vor: Sie reichen von Themen zur Asbestentsorgung, über Beseitigung anderer umweltbelastender Stoffe bis hin zu "nachwachsenden Rohstoffen", Abwasserreinigungsverfahren, Computerchemie, Waldsanierung. 141

stung: Die immensen Umweltsanierungsaufgaben in diesem Gebiet bedürfen des Sachverstandes der Forscher der dortigen ehemaligen Chemiebetriebe. Die Ansiedlung neuer Unternehmen (Wirtschaftsförderung) und die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen sind vielfach erst nach Beseitigung der Umweltschäden in dieser am stärksten belasteten Region Deutschlands möglich. iv. Vergabevolumen und dadurch ausgeübte Beschaftigungswirkungen

In den ABM-Großmaßnahmen sind in beträchtlichem Umfang Auftragsleistungen enthalten, die über beschränkte Ausschreibungen an die regionalen Firmen vergeben werden. So werden allein für die Großmaßnahme "Ökologische Restrukturierung Filmfabrik A G Wolfen" Aufträge, vor allem auf dem Sektor des Abbruchs, der Demontage und Entflechtung, von 96 Mill. D M anfallen. Seit Beginn der AB-Maßnahme, Mitte 1991, wurde nach der Periode der Beantragung, der Bestätigung und des Anlaufens der Maßnahmen die Auftragsvergabe ab Oktober 1991 ausgebaut. Bisher konnten für 13,6 Mill. DM Aufträge an die örtlich ansässigen Firmen vergeben und damit die Herausbildung und Förderung der regionalen Handwerksfirmen unterstützt werden. Als Fremdaufträge wurden vor allem Bauleistungen ausgeschrieben: Gerüstbauleistungen, Erdarbeiten, Entwässerungsarbeiten und sonstige Rohrleitungsarbeiten, Rohrarbeiten, Rammkernsondierungen, Asbestentsorgung, Sanitär- und Elektroinstallationsarbeiten, Fußbodenlegearbeiten, Malerarbeiten, Rohrleitungsmontagen und Isolierarbeiten, Transport- und Hebezeugeinsatz, Erstellung von Kontaminationsanalysen.

Über eine Vergabekommission in der Bitterfelder Qualifizierungs- und Projektierungsgesellschaft mbH, in der die Kreishandwerkerschaft durch ihre Geschäftsführer mit vertreten ist, wird die ordnungsgemäße Durchführung unter Einhaltung der Vergabevorschriften gewährleistet.

Die BQP geht davon aus, daß aufgrund der aus ABM erreichten Auftragsvergabe über 200 Arbeitnehmer in den vorgenannten Gewerken Dauerarbeit gefunden haben. Durch den Ausbau der Auftragsvergabe, nachdem Mittel für Sachkosten verfügbar sind, wird eine weitere Erhöhung der Beschäftigtenzahl in diesen Unternehmen erfolgen. Von der BQP wird die Einbeziehung von ABM-Kräften in derartige regionale Firmen angestrebt, letztlich auch Festarbeitsplätze für diese Arbeitnehmer in den Unternehmen. 142

ν· Perspektiven Die Geschäftsführung der Gesellschaft hat eine Konzeption für die künftige Arbeit entwickelt. Ausgangspunkt ist, daß die temporäre Brückenfunktion für AB-Maßnahmen, die überwiegend Ende 1992, teilweise Mitte 1993 auslaufen, bis zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen durch neue Investoren notwendig ist. Insbesondere das Industrie-Park-Modell der Bitterfelder Chemie AG (60 vH-Anteile von Land und Kommunen) kann erst nach und nach realisiert werden 82. Neben dem ABM-Bereich wurde gemeinsam von der Bundesanstalt für Arbeit und dem Landesministerium die Ökologische Sanierungs- und Entwicklungs-GmbH

(ÖSE) als 100%ige Tochter de

BQP gebildet. Sie soll - mit etwa 30 Festarbeitsplätzen aus Landesmitteln -1. als Koordinierungsinhalt für Sanierungsaufgaben im Auftrag des Landes und der Kommunen der Region BitterfeldWolfen wirken, 2. die Vergabe von Sanierungsaufträgen an ortsansässige Unternehmen regeln und 3. dabei ABM-Personal der BQP in Zeit- oder Dauerarbeitsplätze solcher Unternehmen überführen. Bis 1995 plant man 800 Arbeitsplätze für Arbeitnehmer der BQP, insbesondere aus der Gruppe der noch leistungsfähigen über 50-jährigen (siehe Abbildung 13). Neben Sanierungsaufgaben für den Landkreis handelt es sich dabei vorrangig um die Entsorgung, den Abriß, die Dekontaminierung des Industriegeländes der Chemie AG Bitterfeld-Wolfen sowie der Filmfabrik Wolfen. Damit kann mittelfristig auch die Entwicklung von Industrie und Handwerk in der Region gefördert werden. Die Mittel der Bundesanstalt für Arbeit (Förderung älterer Arbeitnehmer nach § 97 AFG) machen ab 1993 nach den Planungen erst einen geringen Teil aus, es dominieren Fördermittel des Bundes (Ministerien für Wirtschaft/Umwelt), des Landes, der EG und der Treuhandanstalt 83. Allerdings hofft man auch, von den ab Januar 1992 geplanten Lohnkostenzuschüssen für Sanierungsmaßnahmen der Bundesanstalt profitieren zu können, die bislang in die Rechnungen noch nicht einbezogen werden. Die Projektbearbeitung soll nach Dringlichkeit des Abbaus der Gefährdungspotentiale im Zeitraum zwischen 1993 bis 1997 (vgl. Abbildung 14) erfolgen. Anfang Juli ist ein neues Konzept entwickelt worden, eine gemeinsame Holding zu gründen, 82

Erster bekannter Chemieinvestor ist die Bayer AG, die ihren Personalbedarf langfristig auf 700 Mitarbeiter beziffert, wobei Bayer aus zeitlichen Gründen ein bisher ungenutztes Gelände am Standort Bitterfeld erworben hat. Auf anderen Gewerbegebieten gibt es weitere Projekte wie eine Papierfabrik (400 Personen), das Versandhaus Neckermann, die Quarzglasfabrik der Häreos-Elektrochemie u.a. 83

Für 1995 sehen die geplanten Relationen für den Finanzierungsbedarf von 219 Mill, wie folgt aus: Fördermitteln der EG: 23 vH, des Bundes: 37 vH, des Landes: 22 vH, der THA: 12 vH, der BA (§ 97 AFG): 6 vH. 143

bestehend aus Vertretern des Landkreises Bitterfeld (dem die Ökologische Sanierungs- und Entwicklungs-GmbH zugeordnet ist), den Vertretern des Kreises Merseburg (dem vier Sanierungsgesellschaften zugeordnet sind) und der Landesregierung. Der Holding sollen die Finanzmittel des Bundes und des Landes zugeführt werden mit der Aufgabe, diese den Prioritäten entsprechend auf die Sanierungsgesellschaften zu verteilen.

Wegen der weiteren Einbrüche auf dem Arbeitsmarkt im Jahre 1993 und des erst langfristig möglichen Neuaufbaus in dieser besonders umweltgeschädigten Region hält man eine Verlängerung der bisher befristeten AB-Großprojekte um jeweils ein halbes Jahr, d.h. bis Mitte 1993/Anfang 1994, für notwendig. Die graphische Darstellung der Arbeitskräfteentwicklung (Abb. 13) zeigt die Absicht, gleichwohl bis zum Jahre 1995 das Personal in ABM drastisch abzubauen und zwar durch gezielte Ausgründungen/Privatisierungen mit der Option, dort ABM-Personal einzustellen. Hinzu kommt die verstärkte Auftragsvergabe an ortsansässige Firmen mit der Bindung einer Übernahme von Arbeitnehmern aus ABM, wodurch maximal 500 Dauerarbeitsplätze pro Jahr geschaffen werden könnten. Über die Vergabekommission der BQP soll daraufhingewirkt werden, daß die Auftragsvergabe und damit die Wirtschaftsförderung den Betrieben der Region zufließt. Damit könnte auch die Abwanderung von Fachpersonal eingeschränkt werden.

Durch verfeinerte Abstimmung zwischen Weiterqualifizierung und Bedarf der Unternehmen soll die Übernahme von Personen aus Weiterbildungsmaßnahmen vorgeplant und möglicherweise durch Vorverträge abgesichert werden. Die vorliegende Abbildung 13 zeigt sehr eindrucksvoll die intensiven Planungen zur Reduzierung der gegenwärtigen AB-Maßnahmen in den nächsten fünf Jahren. Man beabsichtigt in jedem Falle, in größerem Umfang die ab Januar 1992 vorgesehenen Lohnkostenzuschüsse für ökologische Sanierungsprojekte der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch zu nehmen, das bedeutet auch, Personen aus ABM in Festarbeitsplätze überführen zu können. Außerdem soll die Regelung angewendet werden, daß Arbeitnehmer - bei absehbarer Einstellung in spätere Festarbeitsplätze - über die Begrenzung des 2-Jahres-Zeitraumes hinaus, maximal um ein weiteres Jahr, zur Überbrückung in ABM verbleiben können. Ansonsten finanziert sich die BQP, abgesehen von BA-Mitteln, auch aus Mitteln des Landes, der Kommune und der Treuhandanstalt. 144

Tabelle 22: Träger BQP übersieht der AB-Maßnahmen der BQP 1 )

ABM-Projektbezeichnung

Arbeitnehmer

Maßnahmen - Maßnahmenbeginn ende

a) Großprojekte Demontage/Renaturierung Betriebsgelände Sanierung Chemie AG I Altlastensanierung Filmfabrik Wolfen Industrie- und Gewerbepark Wolfen / Thalheim Ökologische Restrukturiemng Filmfabrik Wolfen Rekultivierung Gelände Rohrbrücken

221 1249 618 594 992 208

01.09.91 01.09.91 15.08.91 15.08.91 15.08.91 01.09.91

31.12.92 31.12.92 14.08.93 14.08.93 14.08.93 31.12.92

6 6 6 8 161 221 245 197

01.08.91 01.08.91 01.08.91 01.08.91 01.09.91 01.09.91 01.06.92 01.04.92

31.07.93 31.07.93 31.07.93 31.07.93 31.12.92 31.12.92 31.05.93 31.03.93

4 3 12 12 9 16 160 40 23 8 37 35

01.08.91 15.07.91 08.07.91 08.07.91 01.10.91 01.03.92 25.02.92 01.03.92

31.07.93 14.07.93 07.07.93 07.07.93 30.09.92 28.02.93 24.02.93 28.02.93 31.10.92 28.02.93 14.02.93 31.01.93

b) Umweltsanierung außerhalb der Großprojekte Anpassung biotechnischer Anlagen Biotechnische Verfahren für Abwässer Entwicklung biotechnischer Umweltschutz Entsorgung Chlorbenzol Methoden zur Beseitigung von AJtlasten Wiederverwertung deponierter Schadstoffe Ökologische Restrukturierung Filmfabrik Wolfen, Teil II Entsorgung Kraftwerk Wolfen Chemie AG c) Projekte für die Kommunen Bitterfelder Umweltbibliothek Sportmaßnahmen für die Öffentlichkeit Waldschutzarbeiten Greppin Waldschutzarbeiten Wolfen Erfassung Spielplätze Neugestaltung Töpferwall Sanierungsarbeiten Fuhne und angrenzende Gemeinden Rekultivierung Eisenbahnübergänge Renovierung Rosengarten u.a. Neugestaltung Kinderspielplätze Gestaltung Park- und Grünflächen Salzfurth-Kapelle Sanierung Sportplatz Salzfurth-Kapelle

.

01.03.92 15.02.92 01.02.92

1) In den ABM-Projekten sind insgesamt 5126 Arbeitnehmer beschäftigt, dar. in den hier ausgewiesenen 5091. Quelle: BQB - Statistik, aufbereitet durch das DIW.

145

viii. Zusammenfassung Ohne die immensen Sanierungsleistungen auf den riesigen Industriegeländen der ehemaligen Chemiegiganten könnte der Industriestandort Bitterfeld nicht erhalten werden, gäbe es keine Chancen für das Flächenrecycling. Die Folge wäre eine Verödung einer ganzen Region und Massenarbeitslosigkeit. Sollten sich die Prognosen zu den Ausgliederungen, Neuansiedlungen und Sanierungsaufträgen realisieren lassen, könnte es mittelfristig gelingen, den Personenkreis in ABM von jetzt mehr als 5.000 auf 1.000 zu reduzieren.

Tabelle 23

Teilnehmer an FuU-Maßnahmen nach Fachrichtungen in der BQP Alle Personen (2 397) = 100 Anteil

Gewerblich-technische Richtung (Bau-, Metall-, Elektroberufe)

29,7

19,8

Kaufmännische Richtung

33,6

84,4

4,5

95,4

Fortbildung für Hoch- und Fachschulabsolventen

19,4

71,1

Paragraph 41 A F G

12,8

80,1

Soziale Richtung

Insgesamt Quelle: Angaben der BQP.

146

darunter: Frauenanteil

100,0

62,6

Beschfiftigtenentwicklung in der BOP

Abbildung 13:

Arbeitskräfteentwicklung ABM / Bildung von Dauerarbeitsplätzen in der BQP

1993

1994

1995

BSS Bestehende ABM V7 A Ausgründungen {ggj ÖSE

1996 j

1997 I Qualifizierung

Quelle: Konzept der BQP über die künftige Entwicklung, grafische Darstellung der Daten durch das DIW.

147

Abbildung 14:

Zeitablauf für die Bearbeitung der Aufgaben durch die ökologische Sanierungs- und Entwicklungs- GmbH zeitlicher Bearbeitungsablauf

Aufaabenkomplexe

1993

1994

1995

1996

1997

Ruckbau, Abbruch desolater Bausubstanz, stillgelegter Produktionsstätten Erschließung von Industrieflächen und Gelände Tiefenenttrümmerung Beseitigung und Aufarbeitung dekontaminierter Böden in Industrieflächen Deponiesanierung Beseitigung von . Altlasten im Gelände . wilden Deponien Gewässerreinhaltung Luftreinhaltung Lfirmreduzierung Landschaftsbegrünung und Bepflanzung, Bewaldung Sanierung von Armeegelftnde Abbau der Schädigung der Muldenniederungen (Arsen) Ου·ΙΙ·: Angaben ctor BQP.

Anmerkung: Im Rahmen eines anderen Forschungsprojektes des DIW wurde die Entwicklung der BQP bis zum Stand Februar 1993 weiterverfolgt, insbesondere in bezug auf die dortigen Forschergruppen der BQP und die inzwischen erfolgten Existenzgründungen. Die BQP wird sich ab 31. August 1993 nach Auslaufen der ABMaßnahmen als Sanierungsgesellschaft auf das neue Finanzierungsmodell "Arbeitsförderung Umwelt-Ost" (§ 249 h) umstellen. Vgl. Stand und Entwicklungsperspektiven des Forschungspotentials der chemischen Industrie im Raum Halle, Merseburg, Bitterfeld. Gutachten des DIW im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft Berlin, Februar 1993, bearbeitet von Heike Belitz, Frank Fleischer, Kurt Hornschild, Angela Scherzinger; im Unterauftrag: Armin Holicki, Günter Trepte (Halle).

148

4.5

Fallstudie in Mecklenburg-Vorpommern

4.5.1

Fallstudie im Arbeitsamtsbezirk Schwerin

4.5.1.1

Fallstudie S Qualiflzierungs- und Entwicklungs-Gesellschaft mbH (QEG) in der Hansestadt Wismar

- Diese Studie wurde im Unterauftrag in Eigenverantwortung durch das IWH durchgeführt i. Merkmale Die Qualifizierungs- und Entwicklungs-Gesellschaft mbH, nachfolgend QEG genannt, wurde am 06.06.1991 in der Hansestadt Wismar gegründet. Sie war die erste Gründung einer Qualifizierungsgesellschaft im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Die QEG hat die Rechtsform einer GmbH und ist als gemeinnützige Einrichtung anerkannt.

Die QEG ist eine überbetriebliche Beschäftigungsgesellschaft. Hauptgesellschafter ist die Hansestadt Wismar mit einer Einlage von 52 vH des Stammkapitals. Weitere Anteile werden von der Meerestechnik GmbH (ehemals Mathias-Thesen-Werft), der Mecklenburger Umwelttechnik GmbH, dem Dieselmotorenwerk Rostock, Außenstelle Wismar, der Elektroinstallation GmbH (i.L.) und der Papierfabrik GmbH Wismar gehalten. Es besteht eine indirekte Treuhandbeteiligung. Die Geschäftsanteile der Treuhandbetriebe gehen auf die Trägergesellschaft Schiffbau über, wenn die Treuhandbetriebe privatisiert worden sind. Zwischen der QEG und den Gesellschafterbetrieben bestehen Kooperationsverträge. Sie regeln u.a. die Übernahme und Betreuung der von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer dieser Betriebe. Die QEG ist außerdem offen für Arbeitslose, die von dem Arbeitsamt, Nebenstelle Wismar, zugewiesen werden. Organe der QEG sind die Gesellschaftsversammlung und der Beirat. Letzterem gehören neben den Gesellschaftern die Industrie- und Handelskammer Rostock, Geschäftsstelle Wismar, die Kreishandwerkerschaft Wismar/Grevesmühlen, die Bank, die Industriegewerkschaften Metall und ÖTV, das Sozialministerium der Landesregierung MecklenburgVorpommern, die Treuhandanstalt und beratend das Arbeitsamt, Nebenstelle Wismar, an.

Aus der Gesellschafterfunktion der Hansestadt Wismar ist die Einbindung der QEG in Regionalund Wirtschaftsförderungsmaßnahmen der Kommune begründet. Daß die QEG in der Hansestadt die einzige überbetriebliche Beschäftigungsgesellschaft ist, erleichtert die Koordinierung und

149

Einfügung von beschäftigungspolitischen Überbrückungsmaßnahmen in regional- und strukturpolitischen Planungen. Die IHK und Handwerkerschaft müssen für jede AB-Maßnahme zudem die Unbedenklichkeit erklären. Im April 1992 bestanden zwischen der QEG und 850 Arbeitnehmern Arbeitsrechtsverhältnisse. 270 Arbeitnehmer nehmen an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen teil, 220 werden qualifiziert und 360 in Kurzarbeit Null-Stunden betreut. Die Teilnehmer an AB-Maßnahmen sind in 10 Projekte eingebunden, die auf eine Laufzeit von einem Jahr befristet sind. Die Teilnehmer an Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen werden vor allem auf Arbeiten im gewerblichen Bereich vorbereitet. Den Kurzarbeitern werden nach Auslaufen der Befristung bis zum 30.06.1992 arbeitsmarktpolitische Maßnahmen angeboten. Im Zusammenhang mit der angebahnten Privatisierung der Gesellschaftsbetriebe ist die Übernahme von weiteren 800 Kurzarbeitern zu Beginn des zweiten Halbjahres 1992 annonciert, darunter 400 Arbeitnehmer der Meerestechnik GmbH und 300 Arbeitnehmer der Elektroinstallation GmbH. Außer der QEG existiert eine weitere betriebliche Qualifizierungsgesellschaft in Wismar, die R.D. Arbeitsförderungsgesellschaft mbH, die ausschließlich Personal des Dieselmotorenwerks, Geschäftsstelle Wismar, betreut. Sie ist eine Gesellschaft mit direkter Beteiligung der Treuhandanstalt. Sie unterhält mit 50 ehemaligen DMR-Mitarbeitern Qualifizierungsverträge und betreut 31 Arbeitnehmer in Kurzarbeit mit Null-Stunden. ABM-Projekte darf sie nicht tragen. Teilnehmer für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des DMR werden, wie oben dargelegt, ausschließlich von der QEG geführt. Die 50 Qualifizierungsverträge umfassen eine sehr breite Berufspalette (z.B. Altenpflege, Umweltsanierung). Hauptträger der Qualifizierungsmaßnahmen ist die Deutsche private Finanzakademie Mecklenburg· Vorpommern. Deshalb liegt der Ausbildungsschwerpunkt im kaufmännischen Bereich. iL Regionales und arbeitmarktpolitisches Umfeld Die Hansestadt Wismar zählt mit rund 54 000 Einwohnern zu den mittelgroßen Städten in Mecklenburg-Vorpommern. Sie liegt im Nordwesten dieses ostdeutschen Bundeslandes nur 50 km von Lübeck und 130 km von Hamburg in westlicher Richtung und 60 km von der Hansestadt Rostock entfernt. Mit der Landeshauptstadt verbindet sie ein gemeinsamer Wirtschaftsraum, in den die Landkreise Schwerin und Wismar eingebunden sind. Die Hansestadt Wismar ist an die 150

Bundesstraßen Β 105 nach Rostock, Lübeck, Β 106 nach Schwerin und Β 192 nach Güstrow günstig angebunden. Geplant sind die Verlängerung der Autobahn Schwerin bis Wismar sowie die Anbindung an den Neubau der Autobahn Lübeck bis Stettin. Diese Anbindungen werten die Standortqualität Wismars weiter auf. Die Eisenbahnstrecken Rostock-Wismar und Schwerin-Wismar enden in einem Kopfbahnhof in Wismar. Wichtige Unternehmen waren die Werft, die Dieselmotorenfertigung, die Papierfabrik, der Seeumschlag über den Wismarer Hafen, ein Polstermöbelbetrieb, Nahrungsgüterbetriebe, Einzelhandels- und Dienstleistungsunternehmen. In Wismar ist eine Fachhochschule für Bauwesen und Elektronik angesiedelt. Weiterhin existierten 1990 21 Schulen, 6 Fach- und Berufsschulen, 7 Hotels bzw. Pensionen, 34 Gaststätten und 1 Sporthalle. Abwanderungen in die nahen westlichen Bundesländer und der krasse Rückgang der Zahl der Geburten verursachten eine Verringerung der Einwohnerzahl in der Stadt Wismar. Wurden im Jahre 1989 noch 57 173 Einwohner gezählt, waren es am 30.06.1991 nur noch 55 061. Dieser Trend hat sich bisher auch 1992 fortgesetzt. Die Berufstätigenzählung am 30.09.1989 ermittelte 31 112 Berufstätige in der Stadt Wismar, also eine Erwerbsquote der Einwohner von 54,4 vH. Die Zahl der Beschäftigten verringerte sich bis zum 30.11.1990 auf 29 441. Die Erwerbsquote sank bis dahin auf 53 vH.^Das produzierende Gewerbe sicherte 1990 mit 13 124 Arbeitsplätzen fast jeden zweiten Arbeitnehmer der Stadt Beschäftigung. Nach Berechnungen des Sozialministeriums des Landes waren vor der Wende 64,1 vH der Arbeitsplätze in der Stadt Wismar von der Wertftindustrie und See- und Hafenwirtschaft abhängig. Das ist im Vergleich zu westdeutschen Hafen- und Werftenstädten stark überdimensioniert. Darauf fußte von Beginn an die Befürchtung, daß die Übernahme des marktwirtschaftlichen Systems bei der überdimensionierten Abhängigkeit Wismars von dem maritimen Wirtschaftssektor zu starker Massenarbeitslosigkeit führen kann. Die befürchtete Entlassungswelle blieb allerdings aus. Die Arbeitslosenquote beträgt rund 13 vH. Die aktive Arbeitsmarktpolitik hat daran einen großen Anteil. Aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen (ABM, FuU und Kurzarbeit) bewahren gegenwärtig über 5 000 Arbeitnehmer vor der registrierten Arbeitslosigkeit. In den Vorruhestand 151

sind rund 2 000 Personen gewechselt. Die Gesellschafterbetriebe der QEG bauten wie folgt Arbeitsplätze ab:

Meerestechnik GmbH

von 5 000 auf 2 500 Ende 1992

Mecklenburger Umwelttechnik GmbH

von

200 auf

Dieselmotorenwerk, Außenstelle Wismar

von

560 auf

270 (Ziel 180)

Elektroinstallation GmbH

von

300 auf

100

60

Die Papierfabrik ist nur noch ABM-Projekt mit 34 Beschäftigten. Nach Angaben des Amtes für Wirtschaftsförderung Wismar wird davon ausgegangen, daß gegenwärtig noch 17 000 bis 18 000 Arbeitsplätze auf dem regulären Arbeitsmarkt in Wismar vorhanden sind. Würde eine Erwerbsquote der Einwohner Wismars von nur 40 - 45 vH als Zielstellung zugrunde gelegt, müßten 4 100 bis 6 800 vollkommen neue Arbeitsplätze errichtet werden. Hinzuzurechnen wären die sanierungsfähigen vorhandenen Arbeitsplätze, die wettbewerbsfähig zu machen sind. Dazu sind große finanzielle Aufwendungen und eine längere Zeitspanne erforderlich. Dringlich ist dabei der Zusammenklang von Arbeitsmarktpolitik und Regional- und Strukturpolitik. Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung und Neustrukturierung ist die Verdopplung der Zahl kleiner und mittlerer Unternehmen in der Stadt. Im Jahre 1991 wurden 768 Haupt- und 121 Nebenniederlassungen in Industrie, Handwerk, Handel und Dienstleistungen angemeldet und nur 233 Haupt- und 15 Nebenniederlassungen abgemeldet. Bemerkenswert ist, daß im Bereich der Industrie 22 Betriebe angemeldet und nur 1 Betrieb abgemeldet wurden. Im Handwerk stehen 77 Anmeldungen 29 Abmeldungen gegenüber. Spitzenreiter sowohl bei den An- als auch bei den Abmeldungen sind Handelsvertreter, Beratungsbüros, Anzeigenagenturen, Wach- und Schließgesellschaften sowie Dienstleistungen im Bereich der Datentechnik. 277 Anmeldungen stehen 100 Abmeldungen gegenüber. Der sich 1991 abzeichnende Trend setzte sich auch im ersten Quartal 1992 fort. 169 Anmeldungen und 58 Abmeldungen ergaben einen Bestandsanstieg um 111 Betriebe. Die begonnene Erschließung von Gewerbsparks hat zu diesem positiven Ergebnis beigetragen. Die Wirkungen dieser Existenzumgründungen auf dem Arbeitsmarkt sind bisher gering.

152

^Arbeitsmarktpolitische Effekte der Qualifizierungs- und Entwicklungs-Gesellschaft mbH • ABM Für A B M wurden Projektteams geschaffen, die möglichst vielen Teilnehmern neue dauerhafte Arbeitsplatzperspektiven eröffnen und ihre Arbeitsfähigkeit erhalten und verbessern sollen. Für 270 Teilnehmer an AB-Maßnahmen wurden folgende 10 Projekte bestätigt und zeitlich befristet.

3 Projekte für Umwelt- und Geländesanierung, Emissionsreduzierung und Verringerung des Energieeinsatzes auf dem Betriebsgelände des Dieselmotorenwerkes für 39 Arbeitnehmer mit einer Laufzeit vom 01.11.1991 bis 30.10.1992 1 Projekt für Umweltsanierung und Liquidierung einer Nerzfarm (Asbestsanierung, Bodenaustausch, Aufforstung und teilweise Nutzung als Naherholungsgebiet) zum Aufbau eines Recyclinghofes für organische Abfälle mit dem Ziel der Schaffung von Dauerarbeitsplätzen für schwervermittelbare Arbeitnehmer für 40 Arbeitnehmer mit einer Laufzeit vom 16.12.1991 bis 31.12.1992 1 Projekt für Beräumung und Vorbereitung eines Gewerbegebietes, Abriß einer Holzhalle der ehemaligen Verzinkerei auf dem Gelände der Meerestechnik GmbH für 75 Arbeitnehmer mit einer Laufzeit vom 06.12.1991 bis 30.11.1992 1 Projekt für Beräumung von Gelände und Gebäude der Papierfabrik, auf Erhalt der Arbeitsplätze und Privatisierung gerichtet, für 34 Arbeitnehmer mit einer Laufzeit vom 01.09.1992 bis 31.12.1992 1 Projekt für Sanierung des ehemaligen Faltbootbaus der Meerestechnik GmbH auf dem Betriebsgelände des Dieselmotorenwerkes und Vorbereitung für eine noch nicht genehmigte Existenzgründung für 49 Arbeitnehmer mit einer Laufzeit vom 23.01.1992 bis 22.01.1993

1 Projekt zur Herrichtung des Dampfschiffes Schaarhövr auf dem Gelände der Meerestechnik 153

GmbH in Zusammenarbeit mit dem Beschäftigungsträger im Rahmen von ABM, der Gesellschaft für Ökologie und Technologie e.V. in Hamburg für 14 Arbeitnehmer mit einer Laufzeit vom 01.04.1992 bis 31.10.1992 1 Projekt "Kuhweide", Erstellung einer Studie zur Umgestaltung eines Biotops im Stadtgebiet Wismar mit dem Ziel der Erhaltung und Nutzung zur Naherholung sowie der Einbindung in das Stadtgebiet für 5 Arbeitnehmer, darunter 4 Ingenieure mit einer Laufzeit vom 01.03.1992 bis 28.02.1993 1 Projekt zum Aufbau einer Forschungsgruppe für die Fraunhofer Gesellschaft, die ein Institut in Wismar gründen will und Dauerarbeitsplätze sichert für 14 Ingenieure aus den Gesellschafterbetrieben und für von der Entlassung bedrohten wissenschaftlichen Personal der Fachhochschule Wismar mit einer Laufzeit vom 02.04.1992 bis 31.03.1993. Die Teilnehmer an AB-Maßnahmen werden tariflich entlohnt. Die Höhe des Entgelts richtet sich nach den Tarifen-Ost der Industriegewerkschaften, aus denen die Arbeitnehmer stammen und nach dem Arbeitscharakter der zu erfüllenden Maßnahme. 4 verschiedene Tarifgebiete (IG Bau, Steine, Erden; IG Metall; IG ÖTV; IG Papier und Keramik) werden angewendet. Monatlich werden rund 400 000 D M Kosten für Entlohnung aus der Bundesanstalt für Arbeit aufgewendet. Komplementär werden Sachmittel aus dem Aufschwung Ost und dem Europäischen Sozialfonds eingesetzt. Sachkosten betragen je nach Maßnahme von 10 bis 30 vH. Sie werden über Kredite vorfinanziert. Die Zinsen für die Kredite zahlen die Gesellschafter. Im Durchschnitt kostet eine Maßnahme 2,5 Mio. DM; keine Maßnahme liegt unter 1 Mio. D M finanziellem Aufwand. Für jedes Projekt liegt eine Unbedenklichkeitserklärung der IHK und der Handwerkerschaft vor. Vergabearbeiten fehlen gegenwärtig noch, da das Unternehmerinteresse nicht ausreicht. Die genutzten Gebäude wurden entsprechend den Kooperationsverträgen von den Gesellschafterbetrieben gepachtet. 2 Werkstätten wurden aus der Sanierung gewonnen. In der QEG-Verwaltung - ABM für ABM - sind größtenteils Frauen eingesetzt. Die Teilnehmer an AB-Maßnahmen sind 90 vH Männer und nur 10 vH Frauen. Es sind alle Jahrgänge bis zu 55 Jahren, alle Qualifizierungsmerkmale und eine Vielzahl Berufsgruppen vertreten. Wie in den Projekten dargestellt, sind Ausgründungen vorgesehen mit fast 150 Arbeitnehmern. 154

• Fortbildung und Umschulung Die QEG führt eigene Bildungsmaßnahmen durch. Externe Bildungsträger werden einbezogen, um gemeinsam mit ihnen vor allem Kurzarbeiter in die Qualifizierung zu integrieren und das Bildungsspektrum zu verbreitern. Bevorzugt werden Anpassungsumschulungen von einem Jahr, die von der I H K und Handwerkerschaft abgenommen und testiert werden. Auch Erstausbildungen beginnen. Es wird angestrebt, für die Teilnehmer an AB-Maßnahmen nach deren Auslaufen eine Ausbildungszeit folgen zu lassen, um bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu sichern. Für Frauen werden ABM im Sozialbereich vorbereitet. Hier sollen A B M und FuU direkt gekoppelt werden. Geschäftsführer und das Management einschließlich der Projektleiter werden vor der Ausübung ihrer spezifischen Tätigkeit eigens dafür ausgebildet. Als beispielhaft werden Umschulungen und Qualifizierungen benannt, die Arbeitnehmer direkt für sich ansiedelnde Firmen vorbereiten. So werden 28 Arbeitnehmer für den Bootsbau ausgebildet. Sie werden anschließend direkt von 2 Privatfirmen übernommen, die sich in Wismar ansiedeln. • Kurzarbeit Die QEG betreut und verwaltet gegenwärtig 360 Kurzarbeiter. Ihnen werden nach Auslaufen der Frist am 30.06.1992 Qualifizierungsverträge bzw. die Teilnahme an AB-Maßnahmen angeboten. Es wird von der Geschäftsführung befürchtet, daß nur ein kleiner Teil diese gebotenen Chancen ergreifen wird. Vielmehr wird vermutet, daß ein größerer Teil zeitweise Arbeitslosigkeit in Anspruch nimmt. Entsprechend der Kooperationsvereinbarung mit den Gesellschafterbetrieben wird in der QEG damit gerechnet, im zweiten Halbjahr 1992 800 Kurzarbeiter übernehmen zu müssen, die im Zuge der Privatisierung oder Liquidierung dieser Betriebe entlassen werden. Die Funktion der QEG, auch Kurzarbeiter mit Null-Stunden zeitbefristet parken zu müssen, bleibt zumindest noch während des Jahres 1992 in Kraft.

155

iv. Ziele, Erfahrungen und Hauptprobleme der QEG Die QEG ist eine quantitativ und auch qualitativ bedeutende Einrichtung in der Stadt Wismar, die in enger Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt und den Ämtern der Stadtverwaltung von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer betreut, berät, beschäftigt, umschult, verwaltet und auch vermittelt. Sie nimmt vor allem Arbeitnehmer ihrer Gesellschafterbetriebe auf und ist offen für Arbeitnehmer anderer Einrichtungen der Stadt. Sie wendet das gesamte Spektrum der aktiven Arbeitsmarktpolitik an und versucht mit seiner Hilfe die Standortqualität dieser Region zu verbessern. In diesem Sinne unterstützt sie den Aufschwung, der hier für den Herbst dieses Jahres erwartet wird. Er wird jedoch vorerst noch nicht von einer Entlastung des Arbeitsmarktes begleitet. Im Gegenteil wird mit einer weiteren Zunahme der Arbeitslosigkeit im zweiten Halbjahr gerechnet. In diesem Zeitraum werden zwar im Rahmen der Privatisierung der Meerestechnik GmbH und weiterer wichtiger Betriebe Arbeitskräfte zur QEG wechseln und als Kurzarbeiter verwaltet. Gleichzeitig läuft die Befristung der jetzt vorhandenen Kurzarbeiter der QEG aus, denen dann in Erfüllung der Kooperationsvereinbarungen mit den Gesellschaftsbetrieben AB-Maßnahmen oder Maßnahmen der Umschulung angeboten werden. Allerdings wird von den Verantwortlichen der —mter und der QEG eingeschätzt, daß ein großer Teil von ihnen eher die Arbeitslosigkeit wählen wird.

Die Funktion der QEG, Kurzarbeiter auch weiterhin zu verwalten, bleibt demnach auch zukünftig, zumindest bis Jahresende 1992 erhalten. Sie dient allerdings nur als sozialverträgliche Lösung und bietet keine Übergangslösung für den regulären Arbeitsmarkt. Das wird zusätzlich noch dadurch problematisiert, daß Kurzarbeiter mit im Durchschnitt 70 vH des Nettolohns für das Nichtstun einen höheren Prozentsatz zugestanden bekommen als die, die sich über Umschulung und Weiterbildung aktiv auf die veränderten Arbeitsanforderungen einstellen. Letztere erhalten im Durchschnitt 68 vH des ehemals erreichten Nettolohns.

Bisher waren den Bemühungen, die jetzt verwalteten Kurzarbeiter für A B M oder FuU zu gewinnen, kein Erfolg beschieden. Dem stand insbesondere die Erwartung höherer Tarifabschlüsse entgegen, an der die Kurzarbeiter direkt teilhaben. Allerdings wirkt demotivierend, daß nach Abschluß von FuU-Maßnahmen die Chancen nicht wesentlich günstiger sind, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Die Projekte für AB-Maßnahmen sind überwiegend auf Verbesserung der Standortqualität gerichtet. Somit unterstützen sie die regionale Strukturpolitik. Auch Existenzgründungen aus der ABM heraus sind angedacht. Um den Übergang in die freie Unternehmensexistenz und die 156

dauerhafte Sicherung zu unterstützen, reichen spezieil dafür die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik nicht aus. Existenzgründungen bedürfen einer längerfristigen Begleitung, was die Regelungen des AFG ausschließen. Hier ist ein Zusammenwirken mit der Wirtschaftsförderung erforderlich, das zur Zeit noch nicht vorhanden ist. Für beide derzeitige Zielrichtungen der AB-Maßnahmen ist jedoch ein bestimmter Anteil von höherqualifizierten Arbeitnehmern und auch von Facharbeitern eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Gegenwärtig sichert das breite Angebot an Arbeitnehmern Projekte dieser Art, mit denen hochqualifizierte Arbeit geleistet wird. Aber die höheren Qualifikationsstufen und Facharbeiter haben zunehmend bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. So fehlen schon jetzt in der Stadt Wismar Facharbeiter aus der Werftindustrie und Facharbeiter für die spezifischen Bautätigkeiten, weil sie in das nahegelegene alte Bundesgebiet pendeln oder bereits abgewandert sind. Die Meerestechnik GmbH sucht beispielsweise 100 Facharbeiter und setzt gleichzeitig 500 Arbeitnehmer frei, von denen 100 Altersübergangsgeld in Anspruch nehmen und die anderen in die QEG abgegeben werden. Damit verschlechtern sich die Bedingungen für anspruchsvolle Projekte der A B M im Zeitverlauf. Es werden AB-Maßnahmen wie im alten Bundesgebiet verstärkt auf schwer vermittelbare Arbeitnehmer zielen und in ihrer quantitativen Dimension eingeschränkt werden müssen. In welchem Tempo und welcher Dimension dieser Wandel der AB-Maßnahmen vonstatten gehen kann, hängt von der Zeitschiene des Wirtschaftsaufschwungs Wismars ab. Bei dem geringen Angebot an Arbeitsplätzen mit gegenwärtig 17 000 bis 18 000 und der erforderlichen Zeit für die Schaffung neuer Arbeitsplätze wird mit einem längeren Zeitraum zu rechnen sein.

Das gilt auch, wenn sich das Tempo der Anmeldungen von Unternehmen so fortsetzt wie 1991. Analysiert man sie hinsichtlich ihrer Struktur und Wirksamkeit für den Arbeitsmarkt, ist ein großer Teil davon wahrscheinlich dauerhaft ohne echte Marktchancen. Die Mehrzahl der Betriebe beschäftigt weniger als 5 Arbeitnehmer oder ist Einzelunternehmer. Bessere Chancen haben Ausgründungen aus den überdimensionierten Schiffbaubetrieben. Ihre Auftragslage wird noch über eine bestimmte Zeitspanne von dem ehemaligen Stammbetrieb abgesichert. Damit erhalten sie die Möglichkeit, sich auf dem Markt zu etablieren. Denn eine der wesentlichen Faktoren, die die Existenz von neuen ostdeutschen Unternehmen bedrohen, ist die Akquirierung von Aufträgen. Ohne die Prioritätenklausel für öffentliche Ausschreibungen, die ostdeutsche Unternehmen bevorzugen, läuft nach den Worten der Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Wismar nichts.

157

Bedeutsam für das Entstehen kleiner und Mittelstandsunternehmen ist die Existenz größerer Industriebetriebe. Sie verbessern nicht nur die Möglichkeit für Zulieferungen sondern auch die Kaufkraft der Stadt. Durch die Privatisierung der Werft erscheint der Industriestandort Wismar gesichert zu sein. Das begünstigt auch kleine und mittlere Unternehmen in ihrer wirtschaftlichen Existenzfähigkeit. Die Geschäftsführung der QEG geht davon aus, daß die QEG unter der Prämisse eines Funktionswandels noch über längere Zeit in der Stadt Wismar erforderlich ist. Ihre Zukunft liegt in der Anpassungsausbildung, wie das vorbildhaft für Investoren im Bootsbau durchgeführt wurde. Fortbildung und Umschulung sind gut in das regionale Strukturkonzept einzufügen und sichern es gleichzeitig ab. Es wird angestrebt, nach dem Auslaufen der ABM-Projekte, die Arbeitnehmer, die nicht unmittelbar aus dem Projekt heraus auf den regulären Arbeitsmarkt zurückfinden, eine Qualifizierung anzubieten.

158

5

Interdependenzen von Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaft

5.1

Beschäftigungsgesellschaften als qualitativ neues Instrument einer erweiterten Arbeitsmarktpolitik

Die Entwicklung auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt macht deutlich, daß ohne Engagement der öffentlichen Hand der völlige Zusammenbruch des Arbeitsmarktes m den neuen Bundesländern gedroht hätte. Die Beschäftigungsprobleme in Ostdeutschland konnten durch den Einsatz der Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik abgefedert werden. Voraussetzung war der schnelle Aufbau der Infrastruktur der Bundesanstalt für Arbeit.

Zu den Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik zählen: -

Kurzarbeit,

-

ABM,

- Fortbildung und Umschulung und -

Frühverrentung

Aufgrund der Dimension des Arbeitsmarktungleichgewichts werden diese Maßnahmen in einem für die alte Bundesrepublik ungekannten Ausmaß eingesetzt. Eine Zusammenführung einzelner Instrumente erfolgt in den Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften. Damit soll die aktive Arbeitsmarktpolitik in Ostdeutschland unterstützt und dahingehend erweitert werden,die Arbeitskräftenachfrage zu stärken, mit anderen Worten, die Arbeitsmarktpolitik als weiteres Instrument der allgemeinen Wirtschaftsförderung heranzuziehen. Das vorrangige Ziel der Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften ist, zur Arbeitsmarktentlastung beizutragen, indem sie die Umstrukturierung in Krisenregionen, -branchen und unternehmen, die in der Regel mit Massenentlassungen einhergeht, sozialverträglich gestalten helfen. Ein weitergehendes Ziel dieser Gesellschaften ist die Flankierung, Forcierung oder gar Initiierung des wirtschaftlichen Strukturwandels in einer Region, damit neue Beschäftigungsfelder und -perspektiven eröffnet und die Wiedereingliederung von Arbeitskräften in den Arbeitsmarkt erleichtert werden. Organisatorische Vorzüge bieten sie durch die Bündelung von unterschiedlichen Maßnahmen, wie beispielsweise ABM mit Fortbildung und Umschulung84.

84

Vgl. zum Punkt 5: Besehäftigungs- und Qualiflzierungsgesellschaften in den neuen Bundesländern. Bearb.: Kornelia Hagen und Erika Schulz. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 18/1992, S. 242 ff. sowie Kornelia Hagen: Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften in den neuen Bundesländern - Auffanggesellschaften oder Strukturförderungsgesellschaften? DIW-Diskussionspapier Nr. 43, März 1992. 159

Die Entwicklung und der Stellenwert der Beschäftigungsgesellschaften im wirtschaftlichen Anpassungsprozeß ist direkt abhängig von den arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Von besonderer Relevanz ist dabei das Arbeitsförderungsgesetz (AFG), mit dem der rechtliche Rahmen für die am häufigsten genutzten Finanzierungspotentiale der Gesellschaften vorgegeben ist. AB-Maßnahmen wurden in den neuen Bundesländern anfangs nur zögerlich aufgenommen. Ende März 1991 waren lediglich 80 000 Beschäftigte in ABM tätig. Nachdem einige Sonderregelungen insbesondere hinsichtlich der Fördervoraussetzungen für ABM - in den neuen Bundesländern eingeführt worden waren, stiegen die Bewilligungen für ABM sprunghaft an. Bis zum Jahresende 1991 wurden knapp 400 000 Bewilligungen erteilt. Die finanziellen Aufwendungen der Bundesanstalt für Arbeit und des Bundes dafür beliefen sich im vergangenen Jahr auf 5,5 Mrd. DM. Seit Mitte 1991 sind die nach dem AFG geltenden Fördervoraussetzungen - wie der öffentliche Nutzen von ABM und die Notwendigkeit der Zusätzlichkeit solcher Maßnahmen - auch für Projekte in den neuen Bundesländer maßgeblich. Dies hatte zur Folge, daß die potentiellen Aufgabenfelder der Beschäftigungsgesellschaften stark eingegrenzt wurden. Zudem trat die Berücksichtigung von Problemgruppen verstärkt in den Vordergrund. Mit einiger Verzögerung haben diese Änderungen in den Beschäftigungsgesellschaften erhebliche Einschnitte bezüglich der Gestaltungsmöglichkeiten mit sich gebracht: Im ersten Halbjahr 1991 wurde nahezu jedes beantragte Projekt von Seiten der Arbeitsverwaltungen bewilligt, und der inhaltlichen Gestaltung der Projekte waren in dieser Zeit kaum Grenzen gesetzt; die Beantragung als solche war völlig unproblematisch. So wurden für die Demontage, den Abriß, die Sanierung und die anschließende Rekultivierung von Betriebsflächen, unabhängig von den besitzrechtlichen Verhältnissen und/ oder den künftigen Nutzungs- bzw. Verwendungsrechten, öffentliche Mittel bewilligt. Mit diesen Maßnahmen, die den Aufgabenschwerpunkt der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften im letzten Jahr ausmachten, wurden Qualifikationen gesichert, aber auch reguläre Arbeitsplätze initiiert. Darüber hinaus setzten derartige Vorhaben häufig Fachkompetenz voraus, da auch komplexe Techniken wie Hochöfen, Walzstraßen etc. abgebaut wurden; entsprechend groß war der Anteil von hochqualifizierten Fachkräften. Zudem sind im Rahmen dieser Arbeiten auch Aufträge an Spezialfirmen vergeben worden, also Arbeitsplätze im privat-gewerblichen Bereich direkt gesichert oder geschaffen worden. Schließlich wurden mit der Bereitstellung ansiedlungsfähiger Flächen notwendige Voraussetzungen für potentielle Investoren geschaffen. 160

Viele solcher Maßnahmen sind zu Beginn des Vorjahres bewilligt worden und laufen erst Mitte 1993 aus. Von September 1991 an werden Aufträge auf derartige AB-Projekte von den Arbeitsverwaltungen nicht mehr bewilligt, es sei denn, die zu sanierende Fläche wird einer kommunalen Nutzung oder Verwertung zugänglich gemacht. Hierdurch haben die Beschäftigungsgesellschafteft in letzter Zeit - ättmindest hinsichtlich der Sanierungsarbeiten - einen Furiktionsveriust erfahren. Dies bedeutet, d&ß - sollen diese Aufgaben auch künftig erfüllt werden - neben die Bundesanstalt für Arbeit auch andere Akteure treten müssen. Hier ist erheblicher Handlungsbedarf gegeben.- Öenn die Sanierung von industrie- und Gewerbeflächen ist nach wie vor eine wesentliche Voraussetzung für die wirtschaftliche Entfaltung in den neuen Bundesländern. Die Fortdauer der Diskussion über die Finanzierung dieser Aufgabe ohne eine rasche Klärung der finanziellen Verantwortung (Treuhandanstalt, Gebietskörperschaften, Bundesanstalt für Arbeit) ist für die allerorts dringend erfórdéfiiche Entfaltung und Stimulierung des produktiven Wirtschaftsgeschehens kotitraproduktiv. Abhilfe könnte die Änderung der Fördervoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz schaffen. Das geplailte AFG-Änderungsgesetz sieht für Ümweltsanierung in konkreter Projektförderung pauschalierte Lohnkostenzuschüsse in Höhe des Arbeitslosengeldes bzw. der Arbeitslosenhilfe für die Dauer von fünf Jahren vor. Die restliche Finanzierung muß durch Unternehmen, Gebietskörperschaften und Treuhandanstalt sichergestellt werden. Die Treühandanstalt hat bereits angekündigt, ihren Betrieben bis zu 25 vH Personal- und Sachkostenzuschüsse zu gewähren. Auch Beschäftigungsgesellschaften können diese Zuschüsse beantragen. Damit iit es möglich, bisher über A B M finanzierte Personen in einem festen Arbeitsverhältnis für maximal drei Jahre weiterzubeschäftigen. Ebenso wie die inhaltlichen Veränderungen hat auch der zunehmende Anteil von Maßnahmen für Problemgruppen den Charakter der Beschäftigungsgesellschaften verändert. Es ist ein zwingendes gesellschafts- und sozialpolitisches Erfordernis, Problemgruppen des Arbeitsmarktes aufzufangen. Sollen allerdings die Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften vorrangig dies bewältigen, so können weitergehende Aufgaben, wie die Unterstützung des Strukturwandels, nur bedingt geleistet werden. Mit der strikten Einhaltung von AFG-Bestimmungen und nach dem weitgehenden Wegfall von Sonderregelungen für Ostdeutschland sind die untersuchten Beschäftigungsgesellschaften zur Zeit darauf konzentriert, kommunale Projekte wie Rad- und Wanderwegebau, soziale Dienste usw. zu beantragen. Für solche Versorgungsdienstleistungen existiert in der Regel ein großer gesell161

schaftlicher Bedarf. Allerdings sind viele dieser Aktivitäten dauerhaft von öffentlichen Subventionen abhängig, da sie privatwirtschaftlich nicht rentabel sind bzw. die Einkommenslage eine Bezahlung solcher Dienste zu Marktpreisen in absehbarer Zeit nicht zuläßt. Um sich dem Funktionswandel anzupassen, versuchen die Beschäftigungsgesellschaften verstärkt, parallel zur kommunal-gemeinnützigen Ausrichtung solche Gesellschaften aufzubauen, die - von der Beschäftigungsgesellschaft rechtlich getrennt - nach marktwirtschaftlichen Kriterien arbeiten. Gedacht wird auch daran, Erträge aus diesen (Teil-) Gesellschaften (Profit-Centers) den defizitären Bereichen der Beschäftigungsgesellschaften zuzuführen. Dabei handelt es sich bisher vor allem um Überlegungen zum rechtlichen Rahmen solcher Veränderungen und weniger um eine detaillierte Ausarbeitung der Inhalte.

5.2

Können ABM und Beschäftigungsgesellschaften zur Entwicklung eines selbständigen Mittelstandes beitragen ?

Selbständige und Handwerker waren in der DDR aufgrund des Wirtschaftssystems erheblich unterrepräsentiert. Während in Westdeutschland etwa 10,5 v H 8 5 aller Erwerbstätigen einer selbständigen Tätigkeit nachgingen, lag im Sommer 1990 der Anteil der Selbständigen an allen Erwerbstätigen in der DDR lediglich bei rund 3 vH 8 6 ; er erhöhte sich auf 5,2 vH im Sommer 91 87 . Ähnliche Unterschiede bestanden auch im Handwerksbereich. Im Jahr 1989 waren in Westdeutschland gut 13 vH der Erwerbstätigen im handwerklichen Bereich tätig, in Ostdeutschland dagegen lag diese Quote nur bei rund 5 vH. Dies hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Versorgung der Wohnbevölkerung mit Handwerksleistungen, denn am Ende der achtziger Jahre war die Zahl der Beschäftigten im Handwerk pro Einwohner in der DDR nur halb so groß wie in der Bundesrepublik. Aus dieser statistisch abgeleiteten Unterversorgung der Bevölkerung mit Handwerksleistungen läßt sich ein erheblicher Bedarf an zusätzlichen Selbständigen sowie Arbeitsplätzen für abhängig Beschäftigte in diesem Bereich ableiten. Dabei fehlt es nicht an den formalen Voraussetzungen: Der Anteil der Meister an den Erwerbstätigen ist in Ost- und Westdeutschland mit gut 7 vH gleich hoch 88 .

85

Quelle: Das Sozio-ökonomische Panel - Befragung West 1989.

86

Quelle: Das Sozio-ökonomische Panel - Befragung Ost 1990.

87

Quelle: Das Sozio-ökonomische Panel - Befragung Ost 1991.

^Quelle: Auswertung des Sozio-ökonomischen Panels, Befragung West 1989. Ost 1990 und 1991. 162

Existenzgründungen aus Beschäftigungsgesellschaften heraus stellen einen möglichen Weg des Übergangs aus Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik auf den ersten Arbeitsmarkt dar. Ganz deutlich sind in Beschäftigungsgesellschaften diesbezüglich Mobilität und Kreativität zu erkennen. Nicht übersehen werden darf aber bei der Diskussion um chancenträchtige Aus- und Existenzgründungen aus den Gesellschaften, daß ein Großteil der Aktivitäten, die für eine Privatisierung in Frage kommen, bereits aus den Stammbetrieben ausgegründet und ausgegliedert worden sind. Das Potential möglicher Ausgfüiüdungen ist also von vornherein eher begrenzt. So sind denn Existenzgründungen bislang noch fir. Über die marktwirtschaftliche Durchsetzungsfähigkeit der Aktivitäten kann noch kein endgültiges Urteil gefällt werden.

Es gibt aber in den Gesellschaften durchaus marktwirtschaftlich ausbaufähige Aktivitäten. Grundsätzlich fehlt es jedoch an Rahmenbedingungen für einen gleitenden Übergang, den das AFG so nicht vorsieht. Erst nach erfolgter Gründung können Mittel der Wirtschaftsförderung von Existenzgründern in Anspruch genommen werden. Analog zu anderen Unternehmensgründungen oder auch zum Management-Buy-Öut stehen darüber hinaus Hemmnisse wie Kapitalmangel und Sicherheiten für Kredite im Mittelpunkt der Probleme. Dennoch gibt es spezifische Vorteile von Beschäftigungsgesellschaften für die Vorbereitung auf Existenzgründungen. So kann hier durchaus von einer Promoter-Funktion gesprochen werden. Dazu zählen: die Möglichkeit, sich auf den Markt vorzubereiten und bei potentiellen Auftraggebern Anerkennung zu finden (Wettbewerbsreputation), die Aneignung betriebswirtschaftlicher Kenntnisse und die mögliche Inanspruchnahme von Beratungs- und Unterstützungsleistungen. Die Erfolge von Aus- und Existenzgründungen hängen schließlich neben einem marktfähigen Konzept auch von der Bereitschaft der Kommunen und der Treuhandanstalt ab, Bürgschaften zu übernehmen, günstige Verkaufs-, Verpachtungs- und Mietkonditionen für Grund, Boden und Immobilien zu bieten oder auch Maschinen und Anlagen günstig zu überlassen. Von der Treuhandanstalt gibt es unterdessen Absichtserklärungen, die Beschäftigungsgesellschaften bei Existenzgründungen zu unterstützen. Unter anderem hat sie dafür eine Koordinierungsstelle eingerichtet. Überdies will die Treuhandanstalt günstige Finanzierungsbedingungen gewähren (Vorzugsbedingungen für Management-Buy-Out), Grundstücke allerdings nur zum Verkehrswert eigentumsrechtlich übertragen. Schließlich hat sie angekündigt, besonders schnelle Entscheidungen zur Veräußerung treffen zu wollen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Kommunalisierung von Treuhand-Unternehmen. Auch Arbeitslose und Kurzarbeiter außerhalb der Beschäftigungsgesellschaften sollen beraten, 163

deren Geschäftsideen ausgelotet und Hilfestellungen mit dem Ziel des Aufbaus einer mittelständischen Wirtschaftsstruktur angeboten werden. Dazu sollen von einigen Trägergesellschaften flächendeckend Existenzgründungsinitiativen organisiert werden. Quantitative Angaben über Ausgründungspotentiale gibt es von verschiedenen Seiten. Vorsichtige Schätzungen, insbesondere von unabhängigen Experten, gehen von einem Ausgründungspotential von rund 5 vH der in Beschäftigungsgesellschaften tätigen Personen aus. Davon heben sich Angaben einiger Träger- und Servicegesellschaften ab, die das entsprechende Potential aufgrund von Befragungen ihrer Berater in den Beschäftigungsgesellschaften auf bis zu 50 vH beziffern. Dies dürfte sicherlich zu hoch sein, denn bei den Recherchen in den einzelnen Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften wurde der Eindruck gewonnen, daß die als marktfähig angesehenen Projekte nicht kritisch genug beurteilt werden. Ein Blick auf die Pläne zeigt, daß oft Projekte ähnlichen Inhalts von mehreren Beschäftigungsgesellschaften gleichzeitig für marktfähig befunden werden. Aufzuzählen sind hier Autorecycling, Baustoffrecycling, Umweltsanierung wie Boden- und Grundwasserbehandlung, Umweltanalytik, soziale Dienste etc. Offenbar scheint die Frage der Aufnahmefähigkeit des Marktes für solche Aktivitäten häufig nicht umfassend geprüft worden zu sein oder überschätzt zu werden. Hinzu kommt, daß bei einem großen Teil dieser Projekte schon jetzt zu erkennen ist, daß es sich um Leistungen handelt, die auf Dauer von öffentlichen Subventionen oder der öffentlichen Nachfrage abhängig sind. Diese wird aber aufgrund der angespannten finanziellen Situation der öffentlichen Haushalte beschränkt sein.

53

Entwickelt sich durch ABM und Beschaftigungsgesellschaften eine Konkurrenz zur Privatwirtschaft?

Von verschiedener Seite werden gegen Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften starke Bedenken erhoben. Danach stehen sie in Konkurrenz zu potentiellen privaten - vor allem kleineren - Unternehmen, die vergleichbare Produkte oder Leistungen anbieten könnten, sie verhinderten dadurch die Etablierung von Arbeitsplätzen auf dem "ersten" Arbeitsmarkt. Zudem würden Besehäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften weniger im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit gegründet als vielmehr zur Überbrückung von Arbeitslosigkeit. Damit würden letztlich bestehende Wirtschaftsstrukturen konserviert, der Strukturwandel würde behindert und eine Wettbewerbsverzerrung zulasten kleinerer Unternehmen bewirkt. Recherchen für den handwerklichen Bereich bei den zuständigen Kammern ergaben keineswegs 164

einen Konflikt von der Schärfe, wie er oftmals in der Öffentlichkeit dargestellt wird. So stellen die Handwerkskammern für die überwiegende Zahl von AB-Projekten die obligatorische Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Konkurrenzsituationen können vor allem bei relativ leicht zu erlernenden handwerklichen Tätigkeiten, wie Malerarbeiten und Nähen, entstehen. Dabei dürfte es tatsächlich in dem einen oder anderen Fall zu Überschneidungen mit AB-Projekten gekommen sein. Allerdings ist in diesen Ausnahmefällen von den zunehmenden Kontakten bis hin zu regelmäßigen und verbindlichen Gesprächsrunden mit den verschiedenen arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitisch Verantwortlichen schnelle Abhilfe zu erwarten. Es ist in diesem Zusammenhang auf den schon oben erwähnten quantitativen Rückstand des ostdeutschen Handwerksgewerbes zu verweisen. Die Versorgung der ostdeutschen Wohnbevölkerung mit im Handwerk (einschließlich der handwerklichen Produktionsgenossenschaften) Beschäftigten erreichte 1989 nicht einmal die Hälfte des in Westdeutschland erreichten Niveaus. Allein die private Nachfrage dürfte die Handwerksbetriebe voll auslasten und genügend Anreize zur Neugründung bieten. Fraglich erscheint uns vor diesem Hintergrund, ob der bestehende Handwerksbereich überhaupt eine zusätzliche Nachfrage befriedigen könnte. Von den Beschäftigungsgesellschaften wurde eine Konkurrenz zu Privatunternehmen nahezu gänzlich ausgeschlossen. Im Gegenteil, es wurde auf ein nicht unbeträchtliches Volumen von Aufträgen der Gesellschaften an die mittelständische Bauwirtschaft und das Handwerk verwiesen. Zudem gibt es Beispiele, wo für Abbruch- und Demontagearbeiten generell eine Auftragsvergabe erfolgte. Ferner sind für Entsorgungs- und Entkernungsarbeiten häufig auch betriebsspezifische Fachkenntnisse von Ingenieuren und Facharbeitern unerläßlich (Spezifik der Gefahren, Gesundheitsschäden bei Dekontaminierungsarbeiten u.a.), so daß solche Maßnahmen nur Beschäftigte der Qualifizierungsgesellschaften durchführen können, die früher in dem zu sanierenden Betrieb gearbeitet haben, und nicht das ortsansässige Handwerk.

Einige Träger von ABM sprachen auch von fehlenden Angeboten aus der Privatwirtschaft, insbesondere für Abrißarbeiten von Gebäuden und Geländesanierung. Zudem spielen bei der Vergabe von Aufträgen im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen an Stelle von Aufträgen an die Privatwirtschaft offenbar auch noch fehlende betriebswirtschaftliche, kalkulatorische und organisatorische Voraussetzungen bzw. mangelnde Erfahrung des Handwerks im Umgang mit öffentlichen Aufträgen eine gewisse Rolle. 5.4

Fortbildung und Umschulung

Im Zuge des Anpassungsprozesses entwickeln sich in den neuen Bundesländern neue Unterneh165

mens- und Branchenstrukturen. Dies setzt für die Arbeitskräfte sowohl Umschulungsmaßnahmen als auch Ergänzungs- und Anpassungsqualifizierung im Hinblick auf neue Techniken voraus. Zudem müssen marktwirtschaftliche Kenntnisse wie Steuerrecht, Rechnungswesen und Betriebswirtschaft vermittelt werden. Besonders im Handwerk und in der Bauwirtschaft besteht ein erheblicher Qualifizierungsbedarf, da in diesen Bereichen bestimmte Berufsfelder in der DDR nicht oder nur unzureichend existierten. Faßt man die Funktion von Fortbildung und Umschulung zusammen, so ergeben sich hier zwei Bereiche: - FuU ist ein klassisches arbeitsmarktpolitisches Instrument, um eine Schaffung neuer Beschäftigungsstrukturen zu erleichtern. - Als sozialpolitisches und sozialpsychologisches Instrument dient die Weiterbildung auch als Eingliederungs- und Integrationshilfe für Arbeitslose. Über Anforderung und Umsetzung der Maßnahmen wird derzeit noch diskutiert: Einerseits gibt es ein formal hohes Qualifikationsniveau der Berufstätigen in Ostdeutschland, es fehlt aber andererseits an Unternehmen, die eine arbeitsplatzbezogene Qualifizierung durchführen können. Dieser Weg wäre Vollzeit-FuU-Kursen vorzuziehen, da er größere Aussichten auf einen konkreten Arbeitsplatz böte. Die FuU-Kurse sind häufig mit nicht mehr qualifikationsgerechten Einstufungen verbunden. Es gibt zahlreiche Umschulungsmaßnahmen, die zu einem Einsatz unterhalb des formalen Qualifikationsniveaus führen (Ingenieure arbeiten als Facharbeiter, Facharbeiter arbeiten als angelernte Arbeitskräfte in fachfremden Bereichen). Einige Fallstudien haben gezeigt, daß es bereits Anstrengungen der Beschäftigungsgesellschaften gibt, Teilnehmer in AB-Maßnahmen auf reguläre Arbeitsplätze im Rahmen von Training on the Job' zu vermitteln. In jedem Fall sind adäquate Qualifikationen ein wichtiger regionaler Standortfaktor für Unternehmensansiedlungen. Würde es gelingen, eine möglichst gute Anpassung von FuU-Kursen an den Qualifikationsbedarf der Unternehmen zu erreichen, wäre dies eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen.

In der Umsetzung von Fortbildung und Umschulung gibt es aktuell allerdings eine Reihe von Hemmnissen. Da es bisher noch nicht zu einer breiten Ansiedlung von Unternehmen kam oder nur vage Investitionsvorhaben vorliegen, sind gesicherte Prognosen der künftigen Arbeitsmarktstrukturen und des spezifischen Qualifikationsbedarfs nur schwer möglich. Zwar gibt es Ansätze, Fortbildung und Umschulung bedarfsgerecht zu organisieren; so sollen einmal Bedarfsanforderungen der künftigen Investoren (Bedarfsanalyse von Gewerbeansiedlungen und Gewerbeparks,

166

industrielle Umstrukturierungen) durch Abstimmung der Kenntnisse der regionalen Akteure, der Handwerkskammern, Berufsverbände u.ä.m. gebündelt werden, zum anderen sollen alle künftigen Ansiedlungen/Neuinvestitionen erfaßt werden. (Programm: zielorientierte FuU für Beschäftigungsgesellschaften). Bisher sind jedoch trotz solcher Bemühungen, gezielte und zukunftsträchtige Berufsfelder nicht genau auszumachen. Die Beschäftigungsgesellschaften haben somit ihr Bildungsangebot - sei es durch andere Träger oder in eigener Regie - zunächst breit und flexibel angelegt. Soweit Qualifizierungsmaßnahmen in Abstimmung mit ansiedlungsbereiten Investoren angeboten werden, erhöhen sich die Chancen, Dauerarbeitsplätze zu schaffen und eine Ausbildung auf Vorrat zu verhindern.

Ein weiteres Problem ist die Unübersichtlichkeit des Bildungsangebotes infolge einer geradezu "wildwüchsigen" Entwicklung von Bildungsträgern. Vielerorts ist daher gegenüber dem Vorjahr eine abnehmende Bildungsbereitschaft unter ABM-Kräften, Arbeitslosen und Kurzarbeitern festzustellen. Derzeit ist es für die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften besonders schwer, Teilnehmer für Fortbildung und Umschulung zu motivieren, da die jetzt wirksam werdenden Tariflohnerhöhungen sich erst nach dreimonatiger Laufzeit auf die Unterhaltsgelder der Teilnehmer auswirken. In solch einer Situation können dann Informationen über verspätete Zahlungen von Unterhaltsleistungen durch die Arbeitsämter zu einem endgültigen Hemmnis gegenüber der Teilnahme an Maßnahmen zur Fortbildung und Umschulung führen. Dem Angebot der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften an Orientierungskursen nach § 41a AFG kommt damit eine besondere Bedeutung zu. Auch die Kombination von AB- und FuU-Maßnahmen stellt eine Möglichkeit dar, durch einen stärkeren Theorie-Praxis-Bezug die Qualifizierungsbereitschaft wieder zu intensivieren. Infolge erheblicher organisatorischer Schwierigkeiten wird davon aber derzeit nur wenig Gebrauch gemacht.

5.5

Die Problematik eines "zweiten" Arbeitsmarktes

Aufgrund des insgesamt unzureichenden Angebots an offenen Stellen sind die Aussichten, in ein privatwirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis vermittelt zu werden, gegenwärtig gering. Dennoch werden von den Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften direkte Übergänge in feste Arbeitsverhältnisse verzeichnet. Das war bei 5 bis 10 vH der Teilnehmer an Maßnahmen der Gesellschaften der Fall. Diese Angaben basieren jeweils auf Informationen von Seiten der ausscheidenden Arbeitnehmer. Ob mit dem Wechsel auch ein dauerhafter Verbleib in einem festen Arbeitsverhältnis erreicht werden konnte, ist indes nicht zu beantworten.

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Nach Informationen einzelner Vermittlungsstellen der Arbeitsämter scheint es für Beschäftigte Hemmnisse zu geben, eine AB-Stelle für ein festes Arbeitsverhältnisse aufzugeben, wenn damit die Branche gewechselt wird. Dies ist besonders im Bergbau und in der Metallverarbeitung der Fall, da hier nach den geltenden Tarifverträgen ein höherer Lohn gezahlt wird als in den Branchen (z.B. Bau), in die vermittelt werden soll. Das Entgelt für die Stelle im AB-Bereich richtet sich aber nach dem jeweiligen Branchen-Tarif, so daß sich ein AB-Arbeitnehmer im Hinblick auf die Entlohnung beim Wechsel auf eine (feste) Stelle in eine andere Branche durchaus verschlechtern kann.

Das Beharrungsvermögen ist individuell durchaus verständlich, wenn die beruflichen Perspektiven aus Altersgründen oder der instabilen wirtschaftlichen Lage der Unternehmen als begrenzt angesehen werden. Ein beruflicher Wechsel verschlechtert dann die Einkommenssituation, da sich Renten und Arbeitslosengeld an dem geringeren Verdienst orientieren würden. Wenn sich herausstellt, daß das Verharren auf alten - besser dotierten Stellen - gesamtwirtschaftlich ein größeres Problem ist, dann müßten Strategien zur Erhöhung der Fluktuation verfolgt werden. Gedacht werden könnte zum einen an Ausgleichszahlungen, die mit steigenden Löhnen abgeschmolzen werden. Dies würde dem individuellen Sicherungsbedürfnis gerecht werden, die Fluktuation erhöhen und letztendlich die Arbeitsverwaltung finanziell entlasten. Eine andere Möglichkeit wäre es, in AB-Stellen einheitlich nach einem - branchenunabhängigen - Tarif zu entlohnen. Dies birgt u.U. allerdings die Gefahr in sich, daß der Arbeitsmarkt auch hinsichtlich der Entlohnung gespalten wird. Eine Entlohnung unterhalb von 100 vH eines über die Branchen durchschnittlichen Tariflohnes würde sozialpolitischen Sprengstoff mit sich bringen. Zudem würde sie die Mobilität nicht deutlich erhöhen, da gegenwärtig die geringe Arbeitskräftenachfrage die bindende Schranke für einen Arbeitsplatzwechsel ist.

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Fazit

Ostdeutschland befindet sich in einer tiefgreifenden Krise, von der nahezu sämtliche Wirtschaftsbereiche betroffen sind. Ein rascher Ausgleich des schockartigen Einbruchs bei Produktion und Beschäftigung ist unwahrscheinlich, da sich Anpassungsprozesse in Marktwirtschaften in der Regel nicht schlagartig vollziehen. Vielmehr wird der Druck, Personal freizusetzen, in manchen Bereichen auch weiterhin so groß sein, daß eine deutliche Änderung auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt zugunsten von mehr Beschäftigung auf mittlere Sicht nicht zu erwarten ist. In dieser Situation sind Anstrengungen zur Schaffung günstiger ökonomischer Voraussetzungen für den "ersten" Arbeitsmarkt von allen Seiten erforderlich - auch, und im besonderen Maße, von der aktiven Arbeitsmarktpolitik.

Die Arbeitsmarktpolitik in Ostdeutschland muß gegenwärtig neben der sozialpolitischen Komponente zukunftsorientierte Strategien zum Erhalt des Arbeitskräftepotentials und auch der Schaffung von Arbeitsplätzen in Ostdeutschland verfolgen. In der vorliegenden Untersuchung wird gezeigt, daß mit dem Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ein Ansteigen der Arbeitslosenquote auf bis zu 40 vH verhindert werden konnte und somit zum Erhalt des vorhandenen Humankapitals beigetragen wurde. Allein durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen - häufig von Arbeits- und Beschäftigungsgesellschaften getragen -ist vielen Menschen eine Alternative zur Arbeitslosigkeit gegeben worden. Abwanderungen aus Regionen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit wurde so entgegengewirkt. Die oft geübte Kritik, der Einsatz von AB-Maßnahmen - insbesondere in Beschäftigungsgesellschaften - würde private Anbieter verdrängen, konnte nicht erhärtet werden. Interessenkonflikte zwischen Handwerk und Trägern von AB-Maßnahmen - vor allem im Zusammenhang mit der starken Ausweitung der Maßnahmen im ersten Halbjahr 1991 - konnten empirisch nicht nachgewiesen werden.

Die Effekte von Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sind derzeit nur andeutungsweise zu beschreiben. Das Kernproblem ist, daß angesichts des starken Einbruchs und der nur allmählichen Erholung der ostdeutschen Wirtschaft, die hier künftig benötigten Qualifikationsstrukturen noch schwerer als in westlichen Ländern zu prognostizieren sind. Damit wird eine adäquate und dem Strukturwandel angepaßte Weiterbildungsplanung außerordentlich schwer.

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Die Wirkungen des Einsatzes arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen sind - gemessen an der wahrscheinlichen Entwicklung ohne Einsatz dieser Maßnahmen - durchaus als erfolgreich zu bewerten, zumal vergleichbare Effekte durch regional- oder strukturpolitische Maßnahmen kurzfristig nicht erreicht werden können. Investitionsförderung im gewerblichen und im Infrastrukturbereich bedarf einer vernünftigen Konzeption, gründlicher Planung und längerer Durchführung, so daß belebende Wirkungen für die Beschäftigung erst mit Verzögerung eintreten. Dagegen wird durch die unmittelbaren direkten Arbeitsplatzwirkungen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik auch das wirtschaftliche Geschehen stimuliert und weitere Beschäftigungseffekte induziert. Gleichwohl werden die Grenzen der klassischen Arbeitsmarktpolitik - wie sie das Arbeitsförderungsgesetz vorsieht - erkennbar. Ein Umdenken zugunsten einer unkonventionellen, stärker Arbeitsplätze schaffenden, Arbeitsmarktpolitik ist daher erforderlich. Gerade die Beschäftigungsgesellschaften haben versucht, diesen Weg zu gehen. Da das Erfüllen dieser neu gefaßten Aufgaben aus gesamtwirtschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht notwendig ist, kann die Finanzierung nicht auf einen Kreis - nämlich den der versicherungspflichtig Beschäftigten - beschränkt bleiben. Hier sind alle Gruppen der Gesellschaft zur Finanzierung heranzuziehen. Eine Orientierung allein an den über Beiträge aufzubringenden Mitteln führt allenfalls kurzfristig zu einer nennenswerten Entlastung der öffentlichen Haushalte, da eine Kürzung der Mittel bei A B M und bei Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen unmittelbar zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen mit entsprechend höheren Ausgaben in diesem Bereich führen würde. Völlig vernachlässigt werden bei einer rein fiskalischen Betrachtung zudem die Sekundäreffekte der aktiven Arbeitsmarktpolitik, sowie künftige entlastende Wirkungen, die mit einem höheren Beschäftigtenstand verbunden sind. Eine Weiterführung der aktiven Arbeitsmarktpolitik in großem Umfang ist daher erforderlich - zumindest solange, bis die regional- und strukturpolitische Flankierung der Arbeitsmarktpolitik auf Bundes- und/oder auf Länderebene greifen wird.

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