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German Pages 404 [504] Year 1972
WINDMÜHLEN
DR. J A N N I S
C.
NOTEBAART
WINDMÜHLEN der Stand über das
Vorkommen
der
und den
Forschung Ursprung
MOUTON VERLAG · D E N HAAG · P A R I S
Herausgegeben mit UnterStützung der Niederländische Organisation für reinioissensckaftliche Forschung
(Z.W.O.)
Library of Congress Catalog Card Number 70-152977
© 1972 MOUTON & CO PRINTED
IN
HUNGARY
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG I EINE TYPOLOGIE DER WINDMÜHLE
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II EINZELHEITEN ÜBER WINDMÜHLEN IN DEN EINZELNEN LÄNDERN DER ERDE 35 A. EUROPA
35
Albanien 35; Azoren 36; Balearen 42; Belgien 45; Bulgarien 52; Dänemark 55; Deutschland 62; England 79; Finnland 92; Frankreich 96; Griechenland 107; Irland 113; Island 116; Italien 116; Jugoslawien 119; Malta 123; Niederlande 124; Norwegen 149; Österreich 152; Polen 155; Portugal 163; Rumänien 171; Russland 174; Schottland 182; Schweden 186; Schweiz 192; Spanien 193; Tschechoslowakei 199; Türkei 202; Ungarn 203; Zypern 208. B . ASIEN
209
Aden 209; Afghanistan 209; China 216; Formosa 220; Indien 221; Irak 222; Israel 222; Jordanien 224; Kazachstan 224; Libanon 224; Mongolei 225; Persien 225; Saudi Arabien 227; Syrien 228; Thailand 229; Tibet 229; Türkei 232; Uzbekistan 234. c. AJTtncA Ägypten 235; Algerien 238; Ascension 238; Kanarische Inseln 229; Kapverdische Inseln 242; Libyen 243; Madeira 244; Marokko 245; Saint-Helena 246; Süd-Afrika 246; Tristan da Cunha 248; Tunesien 248.
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Inhaltsverzeichnis D . AMERIKA
249
Antillen 249; Argentinien 252; Bolivien 253; Brasilien 253; Kanada Die Vereinigten Staaten 258.
255;
E . AUSTRALIEN
Australien
264; Neuseeland
264
268.
III DIE GEOGRAPHISCHE VERBREITUNG DER HAUPTKLASSEN, KLASSEN, TYPEN UND VARIANTEN DER WINDMÜHLE 269
IV BETRACHTUNG DER WICHTIGSTEN THEORIEN ÜBER URSPRUNG UND VERBREITUNG DER WINDMÜHLE 281 Sumerer 281; Phönizier 282; Griechen 282; Römer 285; Araber 286; Kreuzfahrer 288.
V BETRACHTUNGEN ÜBER URSPRUNG UND VERBREITUNG DER WINDMÜHLE AUF GRUND DER VORLIEGENDEN UNTERSUCHUNG 297
VI FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN WINDMÜHLE UND IHRE VERBREITUNG 317 Der Segelgatter-Typ 321; der Holzgatter-Typ 327; der Segelstangen-Typ der Jalousien-Typ 330; der Rad-Typ 333; der Propeller-Typ 333.
329;
VII HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN WINDMÜHLEN UND IHRE VERBREITUNG 339 VIII SCHLUSSFOLGERUNGEN
344
IX SCHLUSSBETRACHTUNG
355
SUMMARY
357
REGISTER
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BILDNACHWEIS
401
KARTENVERZEICHNIS
405
EINLEITUNG
Durch das Aufkommen der Dampfmaschine, des Diesel- und des Elektromotors wird das Fortbestehen der Windmühle seit dem vorigen Jahrhundert überall in der Welt äußeret gefährdet. Besonders im 20. Jahrhundert haben viele Länder den größten Teil ihrer ehemals so stolzen Windmühlen verfallen lassen. Es ist übrigens verständlich, daß man, obwohl der Wind eine sehr billige Energiequelle darstellt, aus wirtschaftlichen Gründen moderne Energiequellen herangezogen hat, denn hierdurch macht sich der Mühlenbetrieb unabhängig von den Beschränkungen, welche die Benutzung des Windes als Energiequelle den Menschen auferlegt. Demgegenüber steht die Forderung, daß eine Anzahl Windmühlen aus kulturhistorischen Erwägungen heraus für die Nachkommenschaft bewahrt bleiben soll. Daher ist es auch erfreulich, daß obere wie untere Behörden verschiedener Länder gesetzliche Regelungen entworfen haben, auf Grund deren u. a. Windmühlen zu Kulturdenkmälern erklärt und als solche geschützt werden. Zugleich kann die Windmühle auf diese Weise als ein bedeutendes Element im Landschaftsbild erhalten bleiben. In gewissen Ländern bemühen sich um ihre Erhaltung auch Privatpersonen und private Vereinigungen, während mehrere Freiluft- und andere Museen auf diesem Gebiet viel Gutes geleistet haben und noch leisten. Ungeachtet dieser günstigen Anzeichen gibt es noch viele, sehr viele Länder, in denen gar nichts unternommen wird, um aus dem schnei abnehmenden Bestand der Windmühlen die repräsentativsten Vertreter dieser in kulturhistorischer Hinsicht so bedeutsamen Denkmäler für die Zukunft zu bewahren. Dieser stets fortschreitende Verfall legt uns auf, dem Studium alles dessen, was in bezug auf die Windmühlen noch erforschbar ist, unsere Aufmerksamkeit zu widmen. Wir werden uns aber beeilen müssen, wenn wir auch in dieser Weise eine möglichst reiche Anzahl von Daten für die Nachkommenschaft festhalten wollen. Ich habe danach gestrebt, in dieser Arbeit so viel Material wie möglich aus allen Teilen der Welt zusammenzutragen und es auf Grund der äußeren Erscheinungsformen zu ordnen. Ferner habe ich versucht, von der geschichtlichen Entwicklung dieser Erscheinungsformen ein zusammenhängendes Bild zu gewinnen und die großen Züge der Verbreitung dieser Formen durch Zeit und Raum abzuzeichnen. In der Hoffnung, Anregungen zu weiterer Forschung auf diesem Gebiet geben zu können, habe ich mich bemüht, die Lücken in unserem Wissen soviel wie möglich aufzuzeigen. Schließlich
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Einleitung
habe ich versucht, die auf Grund der vorliegenden Untersuchung angestellten Erwägungen und die Schlußfolgerungen durch einen genauen Nachweis des von mir verwendeten Materials der Kontrolle leicht zugänglich zu machen. Eine Untersuchung wie die vorliegende ist aber zahlreichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Nimmt man lateinische Schriften zur Hand, so stellt sich bald heraus, daß aus den Texten meistens nicht ersichtlich ist, welche Energiequelle der Mühle den Antrieb gibt. Zu viele Autoren des Themas „Windmühlen" zögern nicht, aus ungenügenden Mitteilungen auf das Vorkommen einer JPindmühle zu schließen, während eigentlich nur von einer „Mühle" - ohne nähere Kennzeichnung - die Rede ist. Man findet ja in lateinischen Schriften Bezeichnungen wie moia, molinus, molendinus (molendinum), farinarius (farinarium), aus denen nicht mit Sicherheit oder auch nur mit einem Schimmer von Wahrscheinlichkeit zu entnehmen ist, um welche Art Mühle es sich tatsächlich handelt. Um diese Sicherheit zu gewährleisten, sind eben Zusätze nötig wie ad ventura, ventorum, venticium, ventasum, aurerium, ventile, per ventum volvitur, per ventura movetur, per ventum trahitur; quod pellitur vento, ventilibus, cum vento, oder auch Andeutungen wie ventimela oder ventimolum. Eine andere Schwierigkeit entspringt dem Umstand, daß es Länder gibt, in denen die Windmühle niemals Gegenstand einer Untersuchung gewesen ist, so daß dort also keine Literatur über diesen Stoff vorhanden ist. Sofern gelegentlich in technischen oder geographischen Werken von Mühlen die Rede ist, verdankt man es meistens nur dem reinen Zufall, wenn man solchen Aufsätzen auf die Spur kommt. Dies gilt um so mehr, als solche Länder auf eine Bitte um Auskunft nicht reagieren oder, was noch schlimmer ist, einfach behaupten, daß in diesem Land Windmühlen niemals existiert hätten. Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Vielzahl der Sprachen, mit denen der Untersucher auf dem fraglichen Gebiet zu tun hat. Dies hat zur Folge, daß ihm ein Teil der Literatur über die Windmühlen nur schwer oder überhaupt nicht zugänglich ist. Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß ein sonst guter Übersetzer ohne die besondere Kenntnis des Windmühlen-Vokabulars von wenig Nutzen sein kann. Die Überwindung dieser Schwierigkeiten wird man in der internationalen Zusammenarbeit der Mühlenforscher suchen müssen. Den ersten Schritt in dieser Richtung hat die Vereinigung der Mühlenfreunde in Portugal gemacht, als sie vom 28. September bis zum 8. Oktober 1965 in der Umgebung von Lissabon ein internationales Symposion abhielt. Während des letzten Krieges sind mehrere Quellen vernichtet oder aus anderen Gründen unzugänglich gemacht worden. Außerdem gibt es in dem Gebiet der Windmühlenforschung eine Menge Autoren, die gerade bei interessanten und noch unbekannten Angaben einfach vergessen, ihre Quellen zu nennen. Im allgemeinen kann man feststellen, daß die meisten westeuropäischen Länder über eine ausgedehnte Mühlen-Literatur verfügen. Die meisten Länder im östlichen Teil Europas können nur eine sehr spärliche Literatur dieser Art aufweisen. Unsere Kenntnisse über Asien auf dem fraglichen Gebiet beruhen in der Regel auf Reiseberichten von hauptsächlich europäischen Reisenden und Forschern. Von geringem Umfang ist auch die Mühlen-Literatur über Afrika, Amerika und Australien. Auf Grund meiner Untersuchungen glaube ich feststellen zu müssen, daß in einigen Ländern das Quellenstudium noch wenig betrieben worden ist. In diesen Ländern eind nur wenige geschichtliche Daten über die Windmühle bekannt, obwohl nicht anzunehmen ist, daß dort keine Schriftstücke in den Archiven bewahrt geblieben sind, aus denen solche Kenntnisse gewonnen werden könnten. Eine solche Annahme erscheint umso zutreffender, als in vielen, wenn nicht in allen Ländern das Windrecht und das
Einleitung
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Bannrecht - eine der Einnahmequellen - zu den Herrenrechten der Feudalherren gehörten, die im allgemeinen schriftlich belegt sind. Es müßte sich aus derartigen Aufzeichnungen eine Reihe von Hinweisen auf Windmühlen finden lassen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich in der Hauptsache mit den äußeren Erscheinungsformen der Windmühle. Dies bedeutet natürlich nicht, daß es keine anderen Aspekte gibt, die sich zu sehr interessanten Studien eignen. Ich denke ζ. B. an den funktionellen Aspekt, den technischen Aspekt, den rechtlichen Aspekt und den sprachkundlichen Aspekt. Ich vertrete sogar die Ansicht, daß eine vollständige Untersuchung über die Windmühle auch diese Aspekte berücksichtigen muß. Einstweilen habe ich es jedoch für gut befunden, mich auf eine Untersuchung auf Grund der äußeren Erscheinungsformen der Windmühle zu beschränken. Erstens ist das für dieses Gebiet verfügbare Material weniger spärlich im Vergleich zu dem für eine Untersuchung unter den anderen von mir genannten Aspekten erreichbaren. Zweitens lassen sich gerade diese äußeren Erscheinungsformen mit einem hohen Genauigkeitsgrad in Abbildungen und Beschreibungen darstellen. Drittens erweist sich, daß diese äußeren Erscheinungsformen in der ganzen Welt auf eine relativ geringe Anzahl von Formen zurückgebracht werden können. Gerade von dieser Einordnung aus wird es möglich, die geschichtliche Entwicklung und die Verbreitung der Windmühle einer Untersuchung zu unterziehen. Wollten wir die Windmühle unter ihrem funktionellen Aspekt untersuchen, dann müßten wir zwangsläufig an den funktionellen Aspekt der Waeserradmühle anknüpfen, die im allgemeinen der Windmühle vorangegangen ist. Nach A. L . K B O E B B B (Anthropology, Race, Language, Culture, Psychology, Prehistory, New York 1948, S. 449) wurde neben der Wasserradmühle, die Getreide mahlte, eine ebensolche Wasserradmühle benutzt: „bereits im Jahre 1154 zum Mahlen von Baumrinde zu Gerbstoff, im Jahre 1168 zum Walken von Tuch, im 13. Jahrhundert zum Sägen von Holz und noch später zum Zerkleinern von Erz". Bevor die Wasserradmühle zur Anwendung gelangte, „mahlte" man das Getreide mit Hilfe von Reibsteinen, Mörsern, Hand- und Tiermühlen. Die ersten Windmühlen in Europa waren sicher ursprünglich Getreidemühlen. Für Asien (Persien) steht dies nicht fest, obwohl die frühesten Berichte von arabischen Autoren es doch vermuten lassen. In Tibet ist die Windmühle anscheinend nur als Gebetsmühle verwendet worden und in China als Mühle für die Bewässerung, für das Auspumpen von überflüssigem Wasser und für das Heraufpumpen von Meerwasser in die Salzpfannen. Die Windmühle hat im Laufe der Zeiten eine größere Anzahl von Funktionen erfüllt, als dies je zuvor bei anderen Mühlen der Fall gewesen ist. Während meiner Untersuchung habe ich die verschiedenartigsten Benutzungsmöglichkeiten verzeichnen können: außer den Getreidemühlen hat es Windmühlen gegeben mit Vorrichtungen, die aus Samen und Oliven ö l pressen, Gerste und Reis pellen, Malz herstellen, Getreide dreschen, Kakao, Senf und Spezereien feinstampfen, Zuckerrohr auspressen,
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Einleitung
Tuch walken, Baumrinde zu Gerbstoff zerkleinern, Stoffe glätten, aus Seetang und Muschelschalen Kunstdünger miscnen. Holz sägen, Traß, Farbstoffe und Bleiweiß erzeugen, Bergwerke ventilieren, Papier, Pulver und Knochenmehl herstellen, Hanf klopfen, Tabak schneiden und Schnupftabak zerreiben, überflüssiges Wasser auspumpen, Wasser für die Bewässerung heraufpumpen und Becken, Zisternen und Salzpfannen vollpumpen. Es ist auch vorgekommen, daß man eine Paltrockmühle, die ursprünglich als Holzsägemühle entworfen wurde, später zu einer Ölmühle umgestaltet hat. Die eckige Turmmühle, die ursprünglich zum Herauspumpen von überflüssigem Wasser bestimmt war, wurde später mit den entsprechenden Vorrichtungen auch als Getreidemühle, als Ölmühle oder als Holzsägemühle verwendet. Diesen Beispielen von verschiedenartigen Funktionen bei gleicher äußerer Erscheinungsform könnten noch viele andere hinzugefügt werden. Daraus glaube ich schließen zu dürfen, daß die äußeren Erscheinungsformen der Windmühle prinzipiell unabhängig sind von der Funktion, die sie erfüllt, und daß vom Mechanismus der Windmühle allein das Triebwerk all' den verschiedenen Funktionen gemeinsam ist, während die angetriebenen Werkzeuge von der speziellen Funktion abhängen, welche die einzelne Windmühle letzten Endes erfüllt. Das Triebwerk besteht in allen Fällen aus den Flügeln (oder aus einer ähnlichen Vorrichtung) und der Flügelwelle, an der diese Flügel befestigt sind. Sowohl die Flügel als auch die Kuppe der Flügelwelle sind äußerlich wahrnehmbar. Hiermit wird auch der technische Aspekt berührt. An erster Stelle rechne ich hierzu das schon genannte Triebwerk, die Übertragungsvorrichtung (Getriebe) und die angetriebenen Werkzeuge. Ferner kann man dazu allerlei bautechnische Einzelheiten zählen, wie ζ. B. die Konstruktion der drehbaren Hauben. Nur für einige wenige Länder gibt es einigermaßen genaue Beschreibung in dieser Einzelheiten. Es handelt sich also um ein sehr spärliches Material. Über die zeitliche Entwicklung dieser Mechanismen ist noch weniger bekannt. Da man diese Mechanismen nur an Abbildungen ablesen kann, die eigens zu diesem Zweck anzufertigen sind, werden noch manche Sonderuntersuchungen nötig sein, bevor auf diesem Gebiet eine zusammenfassende Arbeit zustande kommen kann. Übrigens werden spezielle Untersuchungen über diesen Aspekt m. E. von großem Nutzen sein besonders für jene Bereiche, in denen bezüglich der Herkunft eines bestimmten Mühlentyps Zweifel herrscht, wie dies ζ. B. mit der konischen Turmmühle auf den Azoren der Fall ist. Diese Mühle wird dort als „Flandrischer Typ" bezeichnet. Bisher stehen uns keine geschichtlichen Daten zur Verfügung, um bestimmen zu können, ob diese Windmühle tatsächlich aus Flandern stammt. Möglicherweise dürfte eine Untersuchung über den technischen Aspekt in dieses Problem mehr Licht bringen. Dies gilt natürlich ebenfalls in bezug auf den rechtlichen und den sprachkundlichen Aspekt. Neue Untersuchungen in beiden Bereichen dürften zweifellos dazu beitragen, viele Fragen zu lösen, für die ich in meiner Arbeit noch keine Erklärung habe finden können.
Einleitung
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Über den juridischen und den sprachkundlichen Aspekt gibt es nur wenige Untersuchungen. und das vorhandene Material ist noch spärlicher als das auf technischem Gebiet. In bezug auf die Gliederung dieser Arbeit möchte ich bemerken, daß ich in Kapitel 1 versucht habe, die äußeren Erscheinungsformen der Windmühle im Rahmen einer Typologie zu ordnen, die als Hintergrund für weitere Detailuntersuchungen dienen könnte. In diesem Kapitel verweise ich so oft wie möglich auf Abbildungen, um mit deren Hilfe zu verdeutlichen, welche Windmühlen zu den unterschiedlichen von mir später genannten Hauptklassen, Klassen, Typen und Varianten gehören. In Kapitel 2 habe ich meinen Stoff nach den einzelnen Ländern und, wenn nötig, nach einzelnen Gebieten geordnet und jeweils dargestellt, welche Art Windmühlen dort vorkommt und welche geschichtlichen Tatsachen darüber bekannt sind. Gegebenenfalls werden dort auch andere Daten mitgeteilt, die für diese Untersuchung von Bedeutung sein können. Soweit es mir möglich war, habe ich für die einzelnen Länder Abbildungen der verschiedenen Windmühlenarten beigefügt. Die Länder und Gebiete werden ihrerseits nach Kontinenten aufgeführt. Wenn es sich während meiner Untersuchung mit einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad ergab, daß in einem bestimmten Land Windmühlen niemals existiert haben, wird dies unter dem betreffenden Ländernamen besonders vermerkt. Länder, die überhaupt nicht erwähnt werden, sind in meine Untersuchung nicht einbezogen worden, da schon von vornherein als wahrscheinlich anzunehmen war, daß es dort niemals Windmühlen gegeben hat. Wenn ein Befund erwies, daß bestimmte Typen oder Varianten nachträglich verschwunden sind, ist dies ebenfalls von mir verzeichnet worden. Aus dem mir zur Verfügung stehenden Material war es jedoch nicht immer möglich festzustellen, ob die Typen und Varianten, die zu einer gegebenen Zeit vorhanden waren, auch jetzt noch vorkommen. Es kann daher geschehen, daß ich sie hier bespreche, als ob sie noch bestünden, während sie möglicherweise schon seit längerer Zeit verschwunden sind. Im Hinblick auf den Gegenstand dieser Untersuchung haben solche Fälle aber kaum Bedeutung, obwohl mir natürlich auch in diesem Punkte eine größere Genauigkeit erwünscht gewesen wäre. In Kapitel 3 wird an Hand von Kartenskizzen eine Übersicht der geographischen Verbreitung der Windmühlen nach Hauptklassen, Klassen, Typen und Varianten dargelegt. Diese Kartenskizzen sind auf Grund der in Kapitel 3 mitgeteilten Daten gezeichnet worden. In Kapitel 4 habe ich die Haupttheorien über Ursprung und Verbreitung der Windmühle dargestellt, wie sie von verschiedenen Forschern vertreten werden. In Kapitel 5 erörtere ich dieselbe Frage des Ursprungs und der Verbreitung auf Grund des Materials, das ich in meine Untersuchung einbezogen habe. In Kapitel 6 werden die verschiedenen Flügelformen und deren Verbreitung behandelt. Es war meine Absicht zu untersuchen, ob zwischen der Verbreitung der verschiedenen Typen von Windmühlen und der Verbreitung der Flügelformen eine bestimmte Korrelation vorhanden ist. Außerdem wird hier geprüft, ob aus dieser Untersuchung noch andere Schlußfolgerungen zu ziehen sind. In Kapitel 7 werden auf dieselbe Art und Weise wie in Kapitel 6 die Haubenformen und deren Verbreitung untersucht. Kapitel 8 gibt eine Zusammenfassung der Schlußfolgerungen, die sich aus den Untersuchungen über die in dieser Arbeit behandelten Fragen ergeben.
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Einleitung
Schließlich werden in Kapitel 9, gleichsam als Nachwort, eine Anzahl von Problemen angeschnitten, die sich während meiner Untersuchung aufdrängten, und deren jedes einzelne zum Gegenstand einer näheren Untersuchung gemacht werden könnte. Hier möchte ich noch ein Wort des Dankes sagen an alle, die mir in den vielen von meiner Untersuchung berührten Ländern durch Auskünfte oder durch Vermittlung von Material und Fotobildern behilflich gewesen sind. Mein ganz besonderer Dank aber richtet sich an Herrn Professor Dr. H. Plischke und Herrn Professor Dr. G. Spannaus, die mir bei der Vorbereitung dieser Arbeit behilflich waren. Nicht weniger richtet sich mein Dank an die „Nederlandse Organisatie voor Zuiver Wetenschappelijk Onderzoek" und an den „Prins-Bernhard-fonds" in Den Haag beziehungsweise Amsterdam, die durch finanzielle Unterstützung die Herausgabe dieser Arbeit ermöglichten. Ohne die Hilfe aller wäre sie nicht zustande gekommen.
I E I N E TYPOLOGIE DER W I N D M Ü H L E
Wie ich in der Einleitung darlegte, beschränke ich mich in dieser Arbeit über den Stand der Forschung in bezug auf das Vorkommen und den Ursprung der Windmühlen auf die äußeren Erscheinungsformen dieser Mühlen. Die Formen, in denen dieser Kleinbetrieb in den einzelnen Ländern vorkommt, habe ich versucht in eine bestimmte Ordnung einzureihen, um das in die Untersuchung einzubeziehende Material übersichtlieh gliedern zu können und es auf diese Weise für eine nähere Bearbeitung zugänglich zu machen. Bevor wir zu dieser Gliederung übergehen, soll zuerst festgestellt werden, was man unter dem Begriff Windmühle zu verstehen habe. Eine Windmühle möchte ich als eine vom Wind angetriebene Maschine definieren, wobei die Windkraft aufgefangen wird durch Flügel (oder gegebenenfalls durch Windräder), die eine Achse zum Drehen bringen. Die sich drehende Flügelachse bringt ihrerseits Werkzeuge in Bewegung, entweder durch eine direkte Kupplung oder durch Übertragung. Daraue folgt, daß die Windmühle die Windkraft in mechanische Energie umsetzt. Aus dieser Definition geht hervor, daß Spielzeugmühlen, vom Winde bewegte Vogelscheuchen und Gebetsmühlen nicht zum Bereich dieser Untersuchung gehören; sie werden daher auch nicht in die hierunter entworfene Typologie aufgenommen. In Kapitel 2 habe ich jedoch den Gebetsmühlen einen Platz eingeräumt, da einige Forscher die Möglichkeit nicht ausschließen, daß in diesen Gebetsmühlen der Ursprung der horizontalen Windmühle zu suchen ist. Auch emoke jacks werden in diese Typologie nicht einbezogen. Unter einem smoke jack ist ein vertikales oder ein horizontales „Windrad" zu verstehen, das im Schornstein eines offenen Kamins angebracht und durch die im Schornstein aufsteigende heiße Luft in Bewegung gebracht wurde. Die Drehbewegung des Rades wurde einem Bratspieß übermittelt, der dadurch ebenfalls in Bewegung geriet. Außerdem sind auch die modernen Mühlen zum Heraufpumpen von Wasser, die aus einem Stahlgerüst und einem Windrad bestehen, hier nicht aufgenommen worden. Smoke jacks und diese modernen Entwässerungsvorrichtungen sind für den Zweck dieser Untersuchung ohne Bedeutung. Um das von mir gesammelte Material ordnen und bearbeiten zu können, habe ich die Windmühlen eingeteilt nach Hauptklassen, Klassen, Typen und Varianten. Dabei habe ich soviel wie möglich die schon üblichen Bezeichnungen angewandt, wenn nicht
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128, 150, 166
26, 311 3, 8
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Eine Typologie der Windmühle
der Begriffsinhalt gegen deren Gebrauch Einwände hervorrief. In einigen Fällen, in denen die Bezeichnung nicht immer denselben Inhalt deckt, habe ich nicht gezögert, die Namen durch Beifügung eines Adjektivs genauer zu bestimmen. Für den Bedarf meiner Untersuchung unterscheide ich an jeder Windmühle die folgenden Bestandteile: a. die äußere Form des Mühlenhauses; b. die Art und Weise, wie die Flügel gegen den Wind gerichtet werden; c. das Triebwerk; d. die angetriebenen Werkzeuge Unter der „äußeren Form" verstehe ich die Mühle, wie wir sie an ihren Außenseiten, vom Fuß hinauf bis (einschließlich) zur Haube in ihren dreidimensionalen Verhältnissen wahrnehmen können. In der Art und Weise, wie die Flügel gegen den Wind gerichtet werden, lassen sich große Unterschiede erkennen. An erster Stelle unterscheiden wir die unbeweglichen Mühlen. Weder das Mühlenhaus, noch die Haube, noch die Flügel sind nach der Windrichtung einstellbar; die Flügel haben einen festen Stand*. An zweiter Stelle können wir jene Mühlen unterscheiden, bei denen das ganze Mühlenhaus gedreht werden kann. Haube und Flügel sind mit diesem Gehäuse fest verbunden, bewegen sich also mit ihm mit, sobald es gedreht wird. Auf diese Weise können die Flügel gegen den Wind gerichtet werden. Schließlich können wir noch jene Mühlen unterscheiden, bei denen das unbewegliche Mühlenhaus fest mit dem Boden verbunden ist, während die Haube mit dem Triebwerk drehbar ist. Durch das Drehen der Haube können die Flügel gegen den Wind gerichtet werden. Das Triebwerk besteht aus einer Anzahl von Flügeln, die an einer Welle, der Flügelwelle, befestigt sind; oder es handelt sich um ein Windrad mit Welle. Die Flügel fangen den Wind auf und werden von ihm zum Drehen gebracht. Die Flügelwelle macht diese Drehbewegung zwangsläufig mit. Die Flügelwelle kann unmittelbar mit den Werkzeugen verbunden sein; es kann aber auch an dieser Welle ein Kammrad befestigt sein, durch welches die Drehbewegung auf die Werkzeuge übertragen wird. Das Triebwerk ist demnach eine mechanische Vorrichtung, die den Wind auf die anzutreibenden Werkzeuge übertragen soll. Nun zeigt es sich, daß die Windmühlenflügel sich in zwei verschiedenen Ebenen drehen können: es gibt Mühlen, deren Flügel sich in der horizontalen Ebene bewegen* und Mühlen, deren Flügel sich in der vertikalen oder in einer beinahe vertikalen Ebene bewegen*. Die Flügelwelle in den Mühlen dieser zweiten Art überträgt ihre Drehbewegung auf die anzutreibenden Werkzeuge stets durch ein Zwischengetriebe. Das Triebwerk aber jener Mühlen, deren Flügel sich in der horizontalen Ebene bewegen, ist gewöhnlich direkt an die Werkzeuge gekuppelt. Daß dies jedoch nicht immer der Fall ist, beweisen die sich in der horizontalen Ebene drehenden Windmühlen in China, die ebenfalls ein Kammrad in Bewegung setzen, um Pumpwerkzeuge anzutreiben*. Die anzutreibenden Werkzeuge sind von der besonderen Funktion der Mühle abhängig. Zu solchen Werkzeugen gehören: Mühlensteine (Getreidemühlen, Spezereimühlen), Pochstempel (Ölmühlen), Sägen (Holzsägemühlen), Schraubenwinde, Faß mit Schraubenwinde oder Pumpen (Mühlen zum Heraufpumpen von Wasser). Falls das Triebwerk nicht direkt an die Werkzeuge gekuppelt ist, befindet sich
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zwischen dem Triebwerk und den Werkzeugen eine Anzahl von Kurbeln, Kammrädern und Ritzeln mit den dazugehörigen Stangen und Spindeln. Dadurch wird die Drehbewegung der Flügel welle beschleunigt, verlangsamt oder in eine Pendelbewegung umgesetzt. Von den genannten Bestandteilen der Windmühle werden in diese Untersuchung nur folgende einbezogen: a. die äußere Form des Mühlenhauses; b. die Art und Weise, wie die Flügel gegen den Wind gerichtet werden; c. das Triebwerk, insbesondere die Flügel und die Flügelwelle. Dies sind eben die Bestandteile, die wir in jeder Windmühle antreffen und die von der Funktion der Mühle unabhängig sind. Wie schon oben erwähnt, gibt es Windmühlen, deren Flügel eich in der horizontalen Ebene bewegen. Daneben treffen wir Windmühlen an, deren Flügel sich in der vertikalen oder in einer beinahe vertikalen Ebene drehen. Die der ersten Gruppe werden als horizontale Windmühlen bezeichnet, die anderen als vertikale Windmühlen. Darauf beruht meine Einteilung in zwei Hauptklassen: Hauptklasse A: die horizontalen Windmühlen; Hauptklasse B : die vertikalen Windmühlen. Innerhalb dieser beiden Hauptklassen unterscheide ich eine Anzahl Klassen, die ihrerseits in Typen eingeteilt werden, von denen nötigenfalls noch Varianten aufzuzählen sind. Diese Gliederung ergibt folgendes Bild: HAUPTKLASSE
A:
HAUPTKLASSE
B:
Klasse I : ohne Windöffhungen ; Klasse I I : mit eingebauten, nicht regulierbaren Windöffhungen; Klasse I I I : mit regulierbaren Windöffhungen; Typ a. nur regulierbar nach der Windrichtung; Typ b. regulierbar sowohl nach der Windrichtung als auch nach der einströmenden Luftmenge. Klasse Klasse
I : die nicht drehbare Mühle; I I : die Mühle mit drehbarem Gehäuse; Typ a. die Bockmühle; Var. 1: die „versunkene" Bockmühle; Var. 2: die offene Bockmühle; Var. 3: die halbgeschlossene Bockmühle; Var. 4: die geschlossene Bockmühle; Typ b. die Wipp- oder Köchermühle; Typ c. die Paltrockmühle ; Typ d. die Schreckmühle (Tjaeker) : Var. 1: die auf einem Fuß gestützte Schreckmühle; Var. 2: die auf Walzen gestützte Schreckmühle. Klasse I I I : die Mühle mit drehbarer Haube: Typ a. die zylindrische Turmmühle; Typ b. die leicht-konische Turmmühle; Typ c. die konische Turmmühle;
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Eine Typologie der Windmühle
Typ d. die eckige Turmmühle: Var. 1: nicht-tailliert; Var. 2: tailliert. Im folgenden sollen diese Hauptklassen mit ihren Klassen, Typen und Varianten kurz besprochen werden, und zwar mit Hinweisen auf die Abbildungen. Es werden dabei die Hauptkennzeichen mit einer Anzahl von Einzelheiten den Gang der Erörterung bestimmen. Für weitere Einzelheiten möchte ich auf die Behandlung von verschiedenen Mühlenarten in den einzelnen Ländern (Kapitel 2) verweisen.
HAUPTKLASSE A: I. Diese ist die Klasse der horizontalen Windmühlen ohne Windöffnungen. Die Einteilung in Klassen gibt ausschließlich die formale Gliederung des Materials an. Die Reihenfolge bei dieser Einteilung stellt weder eine chronologische Rangordnung, noch die einer Entwicklung vom einfachen zum höheren Typ dar. Bei horizontalen Windmühlen ohne Windöffnungen müssen wir an Windmühlen denken, deren Flügel frei im Winde drehen, sodaß die Winde aus allen Richtungen Zugang zu den Segeln haben. Dies ist das auffallendste Kennzeichen an der äußeren Erscheinungsform. Diese Flügel sind einerseits direkt an der senkrechten Welle befestigt, andererseits an einem Gestell, das sich zugleich mit der vertikalen Welle dreht. Mittels einer Übertragungsvorrichtung, nämlich durch ein Kammrad, werden die Werkzeuge für ihre verschiedenartigen Funktionen angetrieben: um Zuckerrohr auszupressen, um Wasser für die Bewässerung oder für Salzpfannen heraufzupumpen oder um überflüssiges Wasser auszupumpen. Dieses Ganze dreht sich innerhalb eines Gestells aus Holz oder Bambus, das in dem Boden befestigt ist*. Mit Ausnahme der horizontalen Windmühle, die auf den Antillen vorkommt, habe ich nirgends Namen entdecken können, mit denen Mühlen dieser Klasse in anderen Sprachen bezeichnet werden. Auf den Antillen nennt man sie den ,,Portugiesischen Typ". KLASSE
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II. Diese Klasse umfaßt die horizontalen Windmühlen mit eingebauten Windöffnungen. In diesem Fall ist durchweg nur eine Windöffhung vorhanden, und zwar als Spalt in einer Mauer, welche die Mühle an der Windseite abschirmt. Das Vorhandensein eines solchen unbeweglichen Spaltes deutet auf eine konstante Windrichtung, und daher auch können Mühlen dieser Art allein in Gebieten verwendet werden., in denen der Wind nur aus einer Richtung weht. Innerhalb dieser Umwandung dreht sich eine vertikale Welle, an der die Flügel befestigt sind. Schon oben erwähnte ich, daß durchweg nur eine Windöffnung vorhanden ist. An den Mühlen, die uns aus dem 19. und dem 20. Jahrhundert bekannt sind, hat man stets nur eine Windöffhung vorgefunden. Eine schematische Zeichnung aus Al-Dimashqi aus der Zeit um 1256/7-1326/7 könnte aber darauf hinweisen, daß damals auch Mühlen dieser Art mit mehreren eingebauten Windöffnungen bekannt gewesen sind*. Die vertikale Welle in den Mühlen dieser Art setzt Werkzeuge in Bewegung, entweder zum Mahlen von Getreide oder zum Heraufpumpen von Wasser für die Bewässerung. In den Getreidemühlen ist die Welle direkt an die Mühlsteine gekuppelt. Welcher Art die Vorrichtung in den Mühlen ist, die Wasser für die Bewässerung heraufpumpen, ist mir nicht bekannt.
KLASSE
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Eine Typologie der Windmühle
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Die Umwandung der Flügel und, in den Getreidemühlen, auch die Wand des Raumes unter der Mühle, in welchem Bich die Steine drehen, sind aus (in der Sonne getrockneten) Tonklötzen aufgebaut. Nirgends habe ich Namen entdecken können, mit denen Mühlen dieser Klasse in anderen Sprachen bezeichnet werden. Vielleicht ist das in Indien gebräuchliche Wort asiyâ-i bad eine Bezeichnung für sie. KLASSE I I I . Diese Klasse umfaßt die horizontalen Windmühlen mit regulierbaren Windöffnungen. In den Mühlen dieser Klasse sind die Flügel entweder nach àllen Seiten oder nur teilweise durch eine Wand abgeschirmt. Wenn die Flügel durch einen Windschirm nur an einer Seite abgeschirmt sind, dann kann dieser Windschirm je nach der Windrichtung verschoben werden. Sind die Flügel an allen Seiten von einer Windschirmwand umgeben, dann können in dieser Wand, je nach der Windrichtung, Öffnungen freigemacht werden. Beide Fälle beziehen sich auf den von mir so bezeichneten T y p a dieser Klasse. Wenn die Flügel an allen Seiten durch eine Windschirm wand umgeben sind, und wenn in dieser Wand nicht nur Öffnungen freigemacht werden können, sondern auch der Umfang dieser Öffnungen reguliert werden kann, dann handelt es sich um den von mir so bezeichneten Typ b. Bei diesem Typ kann deshalb die einströmende Luftmenge reguliert werden. Die Flügel innerhalb dieses regulierbaren Windschirmes sind an einer vertikalen Welle befestigt, die ihre Bewegung durch ein Zwischengetriebe auf die Werkzeuge überträgt. In dem mir zur Verfügung stehenden Material sind diese Werkzeuge nur Mühlsteine. Soweit mir bekannt, kommt eine direkte Kupplung nicht vor. Der Windschirm, der die Flügel nach allen Seiten oder nur teilweise abschirmt, ist ringförmig um die Flügel aufgebaut. Die Plattform, über der sich die Flügel befinden, wird durchweg von einem aus Stein oder aus Holz gebauten konischen Turm getragen*. Für die horizontalen Windmühlen dieser Klasse ist mir kein Name in anderen Sprachen bekannt. Im allgemeinen werden die horizontalen Windmühlen der drei Klassen unterschiedslos als horizontale Windmühlen bezeichnet (Englisch: horizontal windmills; Niederländisch: horizontale vnndmolene).
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HAUPTKLASSE B: KLASSE I. Diese ist die Klasse der vertikalen Windmühlen, welche die nicht-drehbaren Mühlen umfaßt. Die Mühlen der Hauptklasse A sind alle nicht-drehbare Mühlen. Höchstens kann der Windschirm gedreht werden. Die nicht-drehbare Mühle unter den vertikalen Windmühlen ist etwas Besonderes. Im Augenblick ist sie sogar eine seltene Erscheinung. Die Flügel dieser Mühle können nicht gegen den Wind gerichtet werden. Dies ist m. E. das wesentlichste Merkmal der äußeren Erscheinungsform. Übrigens sind diese Mühlen untereinander sehr verschieden. Einige stellen ein quadratisches Gehäuse dar mit abschüssigem Dach. Aus einer der Wände ragt die Flügelwelle heraus*. Diese Mühlen werden als Getreidemühlen verwendet. Wie die Drehbewegung auf die Steine übertragen wird, ist mir unbekannt, doch vermute ich, daß dies mittels eines Kammrades geschieht. Eine andere Art der nichtdrehbaren Mühle besteht aus zwei in den Boden eingerammten Pfählen, zwischen denen sich horizontal die Flügelwelle dreht, die von zwei Flügeln in Bewegung gesetzt wird. Außer den beiden Pfählen ist an der Flügelwelle eine Kurbel befestigt, durch die der
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Kolben einer Pumpe herauf und hinunter bewegt wird. Diese nicht-drehbare Mühle dient zum Heraufpumpen von Meerwasser in Salzpfannen*. Noch eine andere Form der nicht-drehbaren Mühle stellt eine kleine, längliche Holzkonstruktion mit Satteldach dar. Die Ebene der Flügeldrehung fällt zusammen mit der Längsachse der Konstruktion. Die Flügelwelle läuft parallel mit der Schmalseite der Konstruktion und dreht in einem Gestell, das außen an deren Wand angebracht ist. Wie die Übertragung der Bewegung vor sich geht und auf welche Werkzeuge sie einwirkt, ist mir unbekannt*. In einer besonderen Form dieser Konstruktion sind die Flügel mit der Flügelwelle oben auf dem Dach angebracht , und diese Vorrichtung setzt einen Blasebalg in Bewegung*. Auf alten Abbildungen treffen wir Mühlen an, die nach der Art des Materials, aus dem sie gebaut sind (Stein), zu der Gruppe der nicht-drehbaren Mühlen zu rechnen sind. Es ist aber nicht bekannt, inwiefern diese Abbildungen aus dem phantasiereichen Hirn eines Gewähremannes entsprossen sind, der möglicherweise wohl etwas über Windmühlen vernommen, oder sie sogar selber einmal gesehen, aber schlecht beobachtet hatte. Dennoch werde ich in Kapitel 2 bei bestimmten Ländern auf die nicht-drehbare Mühle zurückkommen. Einige Autoren nehmen an, daß den hierunter noch zu beschreibenden Bockmühlen und Wippmühlen als Vorform eine nicht-drehbare Mühle vorangegangen ist. Doch legen sie diese Hypothese vor, ohne Quellen angeben zu können. KLASSE I I . Diese Klasse umfaßt die vertikalen Mühlen, deren ganzes Mühlenhaus gedreht werden muß, um die Flügel gegen den Wind richten zu können. Innerhalb dieser Klasse glaube ich vier Typen unterscheiden zu können.
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Typ a. Dieser Typ wird allgemein als Bockmühle bezeichnet (Dänisch: stubmelle; Englisch: postmill; Französisch: moulin turquois; moulin pivot, moulin de plain, chandelier; Ungarisch: bakos; Jugoslawisch: pokretni tip; Niederländisch: standerdmolen staakmolen; Schwedisch: stubbamölla). Diese Mühle besteht an erster Stelle durchweg aus einem länglichen Holzgehäuse mit zwei schmalen und zwei breiten Seiten. Die Vorderseite, (an der sich die Flügel befinden), ist schmal, um so wenig wie möglich dem Winddruck ausgesetzt zu sein. Die Rückseite, (an der sich die Zugangstreppe befindet), ist gleichfalls schmal. Es sind also die Seitenwände, die breiter sind. In einer Anzahl von Ländern (Sibirien, Rumänien) finden wir aber einen mehr quadratischen Typ vor. Die Bockmühle ist meistens mit einem Satteldach abgedeckt . Ein Spitzbogendach kommt allerdings auch vor. Das ganze Mühlenhaus ist drehbar um einen dicken, runden Pfahl gebaut, den sogenannten Bock. Dieser steht exzentrisch, nämlich ein wenig hinter dem Mittelpunkt der Grundfläche eine Anordnung, die gleichfalls dem Zweck dient, den Winddruck besser auffangen zu können*. In bezug auf diesen Bock glaube ich etwa vier Varianten unterscheiden zu können. Variante 1. Der Bock besteht einfach aus einem dicken, runden Pfahl, der in dem Boden auf horizontal liegenden Balken ruht. Diese Mühle könnten wir als die versunkene Bockmühle' bezeichnen (Englisch: sunken postmill). Soweit mir bekannt, kommt sie heutzutage nicht mehr vor. Bei Ausgrabungen in England hat man Mühlen dieser Art dem 14. Jahrhundert zugeschrieben (s. unter England). Variante 2. Der Bock wird durch einige schräge Balken gestützt. Auf Miniaturen des 14. Jahrhunderts bilden diese schrägen Balken eine Art Dreifuß, der, wie der
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Bock selber, in dem Boden ruht*. Später wurden vier solcher Stützbalken angebracht, die auf Querbalken ruhten. Diese Querbalken lagen auf dem Boden* oder wurden auf Steinsockel gelegt*. Diese Variante wird als .offene Bockmühle' bezeichnet (Niederländisch: open
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Standerdmolen).
Variante 3. Die Stützbalken werden zum Schutz gegen die Witterung mit einer Art Dach abgedeckt. Auf diese Weise entsteht die .halbgeschlossene Bockmühle'*. Variante 4. Um den Bock herum, mit den dazugehörigen Stützbalken, Querbalken und Sockeln, wird eine Wand aufgezogen, die mit einem Dach über dem Stützbalken abgedeckt wird. Es kann dies eine Holzwand sein, und dann bildet sie durchweg ein quadratisches Gehäuse um den Bock. Es kann aber auch eine steinerne Wand sein, und in diesem Falle bildet sie eine zylindrische Konstruktion um den Bock (Flämisch: torenkot). Bisweilen werden um den Bock einfach kleine Balken aufeinander gelegt, oder es werden die Wände des Mühlenhauses nach unten verlängert; schließlich kann der Bock auch von lockeren oder aufeinander geschichteten Steinen umgeben werden. In all' diesen Fällen reden wir von einer .geschlossenen Bockmühle'*. Die vom Triebwerk anzutreibenden Werkzeuge befinden sich bei der Bockmühle im Mühlenhaus oberhalb des Bockes. Diesen Umstand hebe ich absichtlich hervor, da sich die Bockmühle dadurch wesentlich unterscheidet von dem hier folgenden Typ b der Mühlen, die als Ganzes gedreht werden, nämlich von der Wippmühle oder Köchermühle. In den Mühlen dieses letzten Typs werden Werkzeuge angetrieben, die sich, im Gegensatz zur Bockmühle, im unteren Raum befinden. An der Bockmühle treffen wir in bestimmten Ländern noch Vorsprünge an den Seitenwänden oder an der Rückwand der Mühle an*; (Flämisch: kombuizen). Bei gewissen Bockmühlen kommt eine hölzerne Welle vor, die oberhalb der Tür aus der Rückwand hinausragt. Um diese Welle ist ein Tau gewunden. Mit Hilfe des Triebwerks kann diese Welle zum Drehen gebracht werden, und auf diese Art können dann Frachten hochgehisst werden. Diese Hissvorrichtung gehört aber zu den anzutreibenden Werkzeugen und bleibt als solche daher außerhalb dieser Untersuchung. Auch bei anderen Mühlentypen kennt man gelegentlich Hisswerkzeuge, die außerhalb oder innerhalb des Mühlenhauses Frachten hinaufführen können. Solche Hissvorrichtungen hängen aber eng zusammen mit der Funktion der Mühle und auch mit der Höhe, auf der sich in der Müh^e die Arbeitsböden befinden. Die Flügelwelle der Bockmühl e bildet mit der horizontalen Ebene einen Winkel von einigen Graden, sodaß die Flügel, die senkrecht auf dieser Welle stehen, ihrerseits mit der vertikalen Ebene einen Winkel von einigen Graden bilden. Dies scheint aber nicht immer der Fall gewesen zu sein. Aus einigen Abbildungen von Bockmühlen aus dem 13. und 14. Jahrhundert* kann man ersehen, daß in jener Zeit die Welle horizontal lag. Besonders glaube ich dies aus der Abb. 40 ableiten zu müssen, die von einem Ingenieur angefertigt wurde. Erst im 15. Jahrhundert scheint man die Welle in eine schiefe Stellung gebracht zu haben. Der selben Abbildung glaube ich entnehmen zu müssen, daß diese ersten Bockmühlen ursprünglich nicht so groß und nicht so stark wie die späteren waren. Dies könnte sich auch aus verschiedenen alten Schriften ergeben, in denen u. a. erwähnt wird, daß die Mühlenbauer sich verpflichten mußten, die Mühle wieder aufzurichten, wenn der Wind sie umgeweht hatte. Höchstwahrscheinlich war das Mühlenhaus in jener Zeit nicht länglich, sondern quadratisch, oder mit anderen Worten: es war weniger ein Prisma, mehr ein Kubus. Um die Bockmühle gegen den Wind zu richten, muß das Mühlenhaus gedreht wer-
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den. Diese Bewegung kann durch Menschenhände ausgeführt werden oder auch mit Hilfe von Tierkraft. Zu diesem Zweck befindet sich an der Seite der Treppe ein Balken (bisweilen auch eine Art Sterz), der aus dem Mühlenhaus schräg hinausragt. Es gibt aber auch Bockmühlen, die gegen den Wind gerichtet werden durch ein Windrad, das an der Rückseite der Mühle auf der Treppe angebracht ist. Die Drehungsebene dieses Windrades liegt in einer Ebene mit der Mittellinie der Mühle und der Flügelwelle. Dieses Windrad hat die Eigenschaft, sich stets aus dem Wind heraus zu drehen. Hierdurch werden die Flügel automatisch gegen den Wind gerichtet, und so wird allen Windänderungen automatisch entsprochen. Obwohl der Laufsteg um das Mühlenhaus nicht zu der üblichen Ausrüstung der Bockmühle gehört, kommt er dennoch bei ihr auch vor. In diesem Falle hat die Mühle einen sehr hohen Bock, und auf der Höhe des Mühlenhausbodens befindet sich der Laufgang, eine aus Holz gebaute Galerie, die von in die Erde eingeschlagenen Pfählen getragen wird. Es fragt sich aber, ob es sich in solchen Fällen in Wirklichkeit nicht um eine Wippmühle handelt. Die Bockmühle ist stets eine Getreidemühle - mit vielleicht einer Ausnahme, die in der Literatur der Niederlande erwähnt wird. Ein solcher Laufsteg wird an einer Mühle angebracht, sobald diese so hoch gebaut wird, daß man die Flügelsegel vom Boden aus nicht mehr reffen oder beisetzen kann. Diese Stege für die Arbeit an den Segeln kommen im allgemeinen bei einigen Typen in der Klasse der vertikalen Windmühlen vor, bei denen nur die Haube drehbar ist.
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Typ b. Dieser Typ wird allgemein bezeichnet als Wippmühle oder Köchermühle (Französisch: moulin cavier). Im allgemeinen besteht diese Mühle aus einem Mühlen haus, das dem der Bockmühle sehr ähnelt. Es ist nur etwas weniger hoch und etwas weniger stark. Unterhalb dieses Mühlenhauses befindet sich ein Raum, der häufig die Gestalt einer abgestumpften vierseitigen Pyramide hat, aber auch in anderen Formen vorkommt. Das obere Haus, (das eigentliche Mühlenhaus) und das untere Haus sind gewöhnlich aus Holz gebaut*. Das untere Haus wird auch aus Stein gebaut und ist dann quadratisch* oder rund*. Im eigentlichen Mühlenhaus, also im oberen Haus, befindet sich das Triebwerk. Die Drehbewegung der Flügel welle wird durch ein Kammrad auf die Werkzeuge übertragen. Diese befinden sich im unteren Haus. Zwischen dem oberen und dem unteren Haus befindet sich ein Köcher, durch welchen die Verbindung zwischen dem Triebwerk und den Werkzeugen zustande gebracht wird. Das obere Haus kann sich um diesen Köcher drehen. Dieser Bestandteil ist denn auch das Wesentliche an diesem Mühlentyp. Deshalb wird diese Mühle eben als Köchermühle bezeichnet*. Der Köcher hat die Fähigkeit nachzugeben, wenn das Mühlenhaus unter dem Winddruck zu wippen anfängt. Daher wird diese Mühle auch Wippmühle genannt. Es gibt Autoren, die in bestimmten Wippmühlen den Prototyp erblicken der im folgenden noch zu beschreibenden Windmühlen, von denen nur die Haube gedreht werden kann. Wie es in Kapitel 2 im Abschnitt über die Niederlande dargestellt werden soll, hat sich die Wippmühle oder Köchermühle aus der Bockmühle entwickelt als Windmühle zum Auspumpen von überflüssigem Wasser. Wenn W A D S T R Ö M S Hypothese stimmen sollte, dann würde die Entwicklungsreihe der Windmühle mit drehbarer Haube von der Bockmühle zur Wippmühle und von der Wippmühle zur Mühle mit drehbarer Haube führen.
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In Kapitel 2 werden Beispiele von zylindrischen Turmmühlen aus dem 14. Jahrhundert erwähnt, also noch aus der Zeit vor der Erfindung der Wippmühle, die kurz vor 1414 erfolgte. Selbst in dem Fall, daß die zylindrische Turmmühle noch keine bewegliche Haube gekannt haben sollte, ist die Entwicklung der späteren Mühlen mit drehbarer Haube aus dieser zylindrischen Turmmühle viel annehmbarer als die Entwicklung aus der Wippmühle. In Kapitel 5 werde ich auf diese Frage näher eingehen. Auch bei diesem Mühlentyp bildet die Achse der Flügelwelle mit der horizontalen Ebene einen Neigungswinkel von einigen Graden. Soweit mir bekannt, erfolgt die Einstellung dieser Wippmühle nach dem Wind mit Hilfe von Menschenhänden. Gewöhnlich läuft vom oberen Haus eine Treppe herunter bis auf eine kleine Entfernung vom Boden, und unter der Treppe ragt aus dem oberen Haus ein starker Balken heraus. Indem man auf diesen Balken drückt, wird die Mühle gedreht. Obwohl ein Laufsteg für die Arbeit an den Segeln bei dieser Mühle nicht gebräuchlich ist, kommt er bisweilen dennoch vor. Die Wippmühle wird meistens verwendet als Mühle zum Auspumpen von überflüssigem Wasser, und dazu wurde sie ursprünglich auch gebaut. In dieser Funktion könnten wir bei der Wippmühle noch einen Unterschied machen zwischen Mühlen mit einem offenen Schöpfrad, mit einem geschlossenen Schöpfrad und mit einer Schraubenwinde. Mit dem offenen und dem geschlossenen Schöpfrad kann man das Wasser 1,5 bis 2 m heraufführen, mit der Schraubenwinde dagegen 3,4 bis 4 m. Andere Funktionen dieses Typs sind das Sägen von Latten, Pressen von öl, Mahlen von Getreide und Zermahlen von Knochen. Typ c. Dieser Typ wird als Paltrockmühle bezeichnet (Niederländisch: paltrokmolen; Schwedisch: skenkvam). Die Mühlen dieses Typs bestehen aus einem Mühlenhaus, das wie die Bockmühle auf einem Bock steht. Gewöhnlich ist dieser Bock sehr niedrig. Unter dem Umriss des Mühlenhauses befindet sich eine Anzahl (zwei oder mehr) gewöhnlich konisch zulaufender Holzrollen oder sehr kleiner Räder. Die Rollen oder Räder laufen auf einer ringförmigen Bahn oder einer ringförmigen kleinen Mauer. Das ist das Wesentliche an diesem Mühlentyp. Übrigens ist die äußere Form der Vertreter dieses Typs ziemlich verschieden. Meistens stellt das Mühlenhaus eine vierseitige, abgestumpfte Pyramide dar, deren Wände nur eine geringe Neigung aufweisen*. Des öfteren sind diesem Mühlenhaus symmetrisch noch zwei Vorsprünge angebaut*. Diese Mühlen werden durch Menschenkraft gegen den Wind gerichtet. Ein eigentümlicher Vertreter dieses Typs ist eine Windmühle, deren Mühlenhaus die Form eines unregelmäßigen sechsseitigen Prismas hat*. Eine sehr schmale Seite ist nach dem Wind gekehrt. Unterhalb der Bodenfläche befindet sich ein Balkengerüst in der Gestalt eines gleichschenkeligen Dreiecks. Unter der Spitze dieses Dreiecks befindet sich eine Art niedriger Bock. Unter den Basispunkten dieses Dreiecks sind kleine Räder angebracht. Die Mühle wird gegen den Wind gerichtet mit Hilfe eines Hebels, der auf eines der Räder gedrückt wird (Portugiesisch: moinho giratorio). Allen diesen Mühlen ist gemeinsam, daß sie kleine Räder oder Rollen haben, die über eine ringförmige Bahn laufen. Nun treffen wir bei der schon behandelten Bockmühle an der Treppe oder an dem
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Balken, mit dessen Hilfe die Mühle gegen den Wind gerichtet wird, bisweilen ein oder zwei ziemlich große Räder an. Dies macht aber die Bockmühle noch nicht zu einer Paltrockmühle, da die Mühle ohne die Räder alle Kennzeichen der Bockmühle aufweist, obwohl auch hier wie bei der Paltrockmühle diese Räder dazu dienen sollen, der Mühle eine größere Stabilität zu geben und sie bequemer drehen zu können*. Diese Räder werden bei der Bockmühle vor allem, - jedoch nicht ausschließ lieh, - an den Vertreterinnen dieses Typs angebracht, die sich automatisch nach dem Wind richten. Das Mühlenhaus der Paltrockmühle kann selbstverständlich nicht aus Stein gebaut werden. Das Material für diese Mühle ist Holz. Oben im Mühlenhaus befindet sich das Triebwerk. Mittels eines Kammrades wird die Drehbewegung der Flügelwelle in eine drehende oder in eine aufundab-Bewegung der Werkzeuge umgesetzt. Soweit ich dem nachgehen konnte, weicht die Achse der Flügelwelle durch eine kleine Neigung von der horizontalen Ebene ab. Falls an dieser Mühle ein Laufgang vorkommt, befindet sich dieser an der Vorderseite der Mühle und dreht mit dem Mühlenhaus mit*. Die Paltrockmühlen sind an erster Stelle Holzsägemühlen. Dennoch kommen unter ihnen auch Ölmühlen vor. Die sechseckige Paltrockmühle (Portugiesisch: moinho giratorio) ist dagegen eine Getreidemühle. Typ d. Dieser T y p wird als Schreckmühle bezeichnet (Niederländisch: tjasker). Diese ist eine sehr einfache Mühle, in der das Triebwerk und das Werkzeug direkt mit einander gekuppelt sind. Diese kleine Mühle wird nur verwendet, um das überflüssige Wasser aus Gräben herauszupumpen, bei denen nur ein geringer Höhenunterschied zu überwinden ist. Sie besteht aus einem Flügelkreuz. An das untere Ende der Flügelwelle ist eine Schraubenwinde angeschlossen, die in einem Faß steckt. Das Ende der Flügelwelle mit der Schraubenwinde und dem Faß befinden sich im Wasser. Das Ganze bildet mit der horizontalen Ebene einen Winkel von ^ (plus minus) 25 bis 30°. Wir kennen zwei Varianten dieses Typs.
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Variante 1. Parallel mit dem Faß und der Welle laufen zwei Balken, die von einer Art Bock gestützt werden, um den die ganze Mühle gedreht werden kann*. Variante 2. Wie bei der Variante 1, laufen parallel zu dem Faß und der Welle zwei Balken, die von einem Gestell getragen werden, an welchem zwei Rollen angebracht sind, die über eine Bahn laufen können*. Das Wesentliche an dieser Mühle ist die Flügelwelle, die am oberen Ende die Flügel trägt und am unteren Ende die Schraubenwinde mit dem Faß. Diese Mühle steht gleichsam auf einer kreisförmigen Insel, sodaß die Schraubenwinde mit dem Faß beim Drehen stets im Wasser bleibt. Das oben aus dem Faß fheßende Wasser wird über eine hölzerne Rinne zu dem Graben abgeführt, der es aufnehmen soll. Das Ganze ist aus Holz gebaut. Dieser Mühlentyp hat zwar kein Mühlenhaus im eigentlichen Sinne, doch habe ich ihn in die Klasse der vertikalen Windmühlen aufgenommen auf Grund der Erwägung, daß die Flügel dadurch gegen den Wind gerichtet werden, sodaß die ganze Mühle gedreht wird. KLASSE I I I . Diese Klasse umfaßt die vertikalen Windmühlen, bei denen nur die Haube der Mühle gedreht werden muß, um die Flügel gegen den Wind zu richten. Der übrige Teil des Mühlenhauses ist fest verbunden mit dem Boden, auf dem die Mühle steht. Auch innerhalb dieser Klasse glaube ich, vier Typen unterscheiden zu können.
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Typ a. Die Mühlen dieses Typs möchte ich als zylindrische Turmmühlen bezeichnen, und zwar in dem Sinne, daß ich zu diesem Typ nur Mühlen rechne, die eine rein zylindrische Form aufweisen. Diese Mühlen sind, wie auch die im folgenden als Typ b bezeichneten, vor allem typisch für die Mittelmeergebiete*, obwohl sie auch in Nord-Europa vorkommen*. Mit Ausnahme dieser in Nord-Europa vorkommenden Mühlen, werden die Mühlen des Typs a nicht in erhöhter Bauweise ausgeführt. Dieser Mühlentyp wird aus Haustein oder aus Backstein gebaut. Das Triebwerk dieses Typs besteht aus einer Anzahl von Flügeln, die eine Flügelwelle zum Drehen bringen. Diese Drehbewegung wird durch ein Kammrad auf die Werkzeuge übertragen. Die Achse der Flügel welle bildet mit der horizontalen Ebene einen Winkel von einigen Graden. Das Triebwerk dieser Mühle wird durch Drehen ihrer Haube gegen den Wind gerichtet. Dies kann auf verschiedenerlei Weise geschehen. Man kann dazu eine Winde benutzen, die sich im oberen Stockwerk der Mühlenhaube befindet; so wird die Mühle dann von innen her gegen den Wind gerichtet. Oder dies geschieht von außen, ζ. B. mit Hilfe eines Balkens (Sterz), der an der Haube befestigt ist und schräg hinunterragt bis in die Nähe des Bodens. Durch einen Druck auf diesen Sterz wird die Haube mit dem Triebwerk rundherumgedreht. Diese Drehung kann auch bewerkstelligt werden, indem man mit einem Gabelstock gegen den Kopf der Flügelwelle drückt oder an einem, Tau zieht, da« an der Flügelwelle befestigt ist. In Nord-Europa, wo man diesen Mühlentyp in erhöhter Bauweise ausführte, wurde die Mühle gleichfalls von innen her mit Hilfe einer Winde, oder von außen mittels eines starken Balkens gegen den Wind gerichtet. In Süd-Europa hat dieser Mühlentyp keinen angehängten Laufsteg für die Arbeit an den Flügelsegeln, mit Ausnahme der Mühlen auf den Balearen. In Nord-Europa sind aber solche Laufstege benutzt worden*. In Portugal werden diese Mühlen auf Hügelrücken gebaut. Die Mühlen dieses Typs sind an erster Stelle Getreidemühlen. Höchstwahrscheinlich wird dieser Mühlentyp auch verwendet, um Seetang und Muschelschalen zu Kunstdünger zu verarbeiten. Typ b. Die Mühlen dieses Typs möchte ich als leicht-konische Turmmühlen bezeichnen. Die Umwandung dieses Mühlentyps weist im Vergleich zu dem schon genannten Typ der zylindrischen Turmmühlen eine sehr leichte Schräge auf*. Im allgemeinen wird in der Literatur dieser Unterschied nicht gemacht. Bei dieser Art Mühlen gibt es einige, die im Innern rein zylindrisch sind, so daß die leicht-konische äußere Form offenbar gewählt wird, um die Mühle windfester zu machen. Für eine genaue Untersuchung nach dem ältesten Turmmühlentyp scheint mir die Beachtung dieses Unterschiedes sehr erwünscht zu sein. Es könnte sich doch einmal erweisen, daß die zylindrische Turmmühle älter als die leicht-konische Turmmühle ist. Bisher hat man in dieser Frage im Finstern getappt. Wie schon bei den zylindrischen Turmmühlen erwähnt wurde, sind diese, wie auch die leicht-konischen Turmmühlen, typisch für die Mittelmeergebiete. Wie die zylindrische Turmmühle, wird auch die leicht-konische Turmmühle aus Haustein oder aus Backstein gebaut. Nichtsdestoweniger ist mir ein Gebiet in Portugal bekannt, in dem dieser Mühlentyp auch aus Holz gebaut wird. Die leicht-konische Turmmühle wird ebensowenig wie die zylindrische Turmmühle hoch aufgeführt. Das Triebwerk dieses Mühlentyps besteht ebenfalls aus einigen Flügeln, die eine
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Flügelwelle zum Drehen bringen. Diese Drehbewegung wird durch ein Kammrad auf die Werkzeuge übertragen. Die Achse der Flügelwelle bildet mit der horizontalen Ebene einen Winkel von einigen Graden. Die leicht-konische Turmmühle wird auf dieselbe Weise gegen den Wind gerichtet, wie es bei der zylindrischen Turmmühle geschieht. Bei diesem Mühlentyp ist mir das Vorkommen eines Laufsteges nicht bekannt . Die leicht-konische Turmmühle ist an erster Stelle eine Getreidemühle. Höchstwahrscheinlich wird dieser Mühlentyp auch verwendet, um Seetang und Muschelschalen zu Kunstdünger zu verarbeiten. Daß dies sowohl bei der leicht-konischen Turmmühle als auch bei der zylindrischen Turmmühle der Fall sein kann, schließe ich aus der Tatsache, daß die in Portugal vorkommenden Mühlen jene Funktion erfüllen. Es ist also wohl möglich, daß dies für beide Mühlentypen zutrifft. Typ c. Die Mühlen dieses Typs möchte ich als konische Turmmühlen bezeichnen. Dieser Typ ist nämlich deutlich konisch (vgl. Abb. 196 mit Abb. 192 und 193). Die Mühlen dieser Bauart sind typisch für Nord-Europa. Sie werden aus Backstein oder aus Haustein gebaut, meistenteils aber aus Backstein. Selten wird als Baumaterial Holz verwendet. Unter den Mühlen dieses Typs kommen sehr hohe Bauten vor. Das Triebwerk der konischen Turmmühle besteht auch hier aus einigen Flügeln, welche die Flügelwelle zum Drehen bringen. Diese Drehbewegung wird durch ein Kammrad auf die Werkzeuge übertragen. Die Achse der Flügel welle bildet mit der horizontalen Ebene einen Winkel von einigen Graden. Es gibt drei verschiedene Arten, die Mühlen dieses Typs gegen den Wind zu richten. An erster Stelle erfolgt dies oben in der Mühle mittels einer Winde, mit deren Hilfe die Haube gedreht werden kann. An zweiter Stelle wird dazu ein Balken benutzt, mit dessen Hilfe man von außen die Haube mit dem Triebwerk gegen den Wind richten kann. Schließlich wird zu diesem Zweck als Vorrichtung eine Windrose (und manchmal noch eine zweite) verwendet, die oben an der Haube der Mühle angebracht ist. Wie ee im Abschnitt über die Bockmühle schon beschrieben worden ist, dreht sich diese Rose stets aus dem Wind und bringt auf diese Weise eine Welle zum Drehen, die nun ihrerseits die Haube drehen läßt und somit die Flügel stets nach dem Winde eingestellt hält. Bei diesem Mühlentyp treffen wir an erster Stelle Mühlen an, deren Flügel beim Drehen beinahe den Boden berühren, die sogenannten Erdholländer (Niederländisch: grondzeiler, grondmolen). Um diese Mühlen höher in den Wind zu bringen, werden sie auf künstlichen Erhöhungen oder auf natürlichen Wällen gebaut (Niederländisch: beltmolen, bergmolen, walmolen). Oft führt man das Mühlenhaus selbst hoch auf, und in diesem Falle wird um das Mühlengehäuse ein Laufsteg angebracht, von dem aus man die Flügelsegel ausspannen oder reffen kann. Außerdem kann von diesem Laufsteg aus das Triebwerk gegen den Wind gerichtet werden, wenigstens wenn es sich um eine Mühle handelt, bei der diese Einstellung von außen erfolgen muß. Dieser Mühlentyp wird, außer als Getreidemühle, noch für sehr viele von den in der Einleitung genannten Zwecken verwendet. Es ist derselbe Typ, der zu einer Maschine von erheblicher Leistungsfähigkeit entwickelt worden ist und in mehreren Ländern zum Aufschwung der Industrie beigetragen hat. Typ d. Diesen Mühlentyp möchte ich als eckige Turmmühle bezeichnen (Englisch: smockmill). Er wird gewöhnlich mit acht Sei ten wänden gebaut*. Es kommen aber auch
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Vertreter dieses Typs mit vier*, sechs oder gar zwölf Wänden vor. Auch die eckige Turmmühle gehört zum nordeuropäischen Raum. Gewöhnlich besteht diese Mühle aus einem hölzernen Gerippe und ist mit Rohr oder mit Schindeln bedeckt. Bisweilen ruht die Mühle unmittelbar auf dem Boden, doch oft wird ihr unterer Teil durch eine Art senkrechten Unterbau aus Stein oder Holz gebildet*. Manche Vertreter dieses Typs sind aber ganz aus Stein gebaut. Wenn wir die Umrisse dieser Mühle betrachten, stellen wir fest, daß man deutlich eine taillierte* und eine nicht-taillierte Form* unterscheiden kann. Das Triebwerk der eckigen Turmmühle besteht ebenfalls aus einigen Flügeln, die eine Flügelwelle zum Drehen bringen. Diese Drehbewegung wird durch ein Kammrad auf die anzutreibenden Werkzeuge übertragen. Die Achse der Flügelwelle bildet mit der horizontalen Ebene einen Winkel von einigen Graden. Auch bei diesem Mühlentyp gibt es drei verschiedene Möglichkeiten, ihn gegen den Wind zu richten. Von innen her erfolgt dies mit Hilfe einer Winde. Von außen geschieht es mittels eines starken Balkens, und schließlich kennen wir bei diesem Typ auch die automatische Einstellung nach dem Winde mit Hilfe einer Windrose. Bei der eckigen Turmmühle ist der angehängte Laufsteg keine seltene Erscheinimg. Die eckige Turmmühle wurde ursprünglich entworfen als Windmühle zur Ausschöpfung des überflüssigen Wassers aus den unter dem Meeresspiegel liegenden Gebieten, den sogenannten Poldern (S. darüber Kapitel 2 unter Niederlande). Erst später ist sie auch für viele andere Zwecke verwendet worden. Auch diese Mühle ist zu höchster Leistung entwickelt worden. DER
MITTELMEERTYP
In die Mühlenliteratur können wir auf Grund des Sprachgebrauchs in der Klasse der vertikalen Mühlen, deren Haube gedreht werden muß, um das Triebwerk gegen den Wind zu richten, noch eine andere Einteilung einführen. Die zylindrische Turmmühle und die leicht-konische Turmmühle werden in der Mühlenliteratur oft zusammen bezeichnet als Mittelmeertyp. Dieser Typ ist bisher in der Forschung kaum behandelt worden. Ich vermute, daß eine sorgfältige Erforschung der zylindrischen Turmmühle und der leicht-konischen Turmmühle noch manche Ergebnisse zeitigen wird, die uns möglicherweise ein deutlicheres Bild von den verschiedenen Entwicklungsstadien dieser Mühlen und somit von deren Verbreitung durch den ganzen südeuropäischen Raum vermitteln werden. Die Arbeiten von K R Ö G E R ( 2 , 3 ) , D I A S c. S. (4) und BAROJA (5) rechtfertigen schon diese Vermutung. D E R HOLLÄNDISCHE T Y P
Die konische Turmmühle und die eckige Turmmühle werden in der Mühlenliteratur gewöhnlich als „holländische Mühle" bezeichnet (Englisch: Dutch mill; Französisch: moulin hollandais; Portugiesisch: typ Flamengo; Schwedisch: Hollandäre) Auch mit dieser Bezeichnung faßt man zwei verschiedene Mühlentypen unter einem Namen zusammen. Beide Typen gehören zum nordeuropäischen Raum. Aus obigen Ausführungen ist schon zu ersehen, daß man bei den Turmmühlen einen Unterschied machen kann zwischen: a. Mühlen, deren Flügel beim Drehen beinahe den Boden berühren; b. Mühlen, die auf künstlichen Bodenerhöhungen oder auf Wällen aufgestellt werden;
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c. Mühlen, deren Gehäuse hoch aufgeführt ist und deshalb mit einem Laufsteg versehen wird. Die Mühle, die auf dem flachen Boden steht und deren Flügel beim Drehen beinahe den Boden berühren, wird auf Deutsch mit dem Namen „Erdholländer" bezeichnet. Es sind gegen diese Benennung keine Einwände zu erheben, solange es sich um die konische oder um die eckige Turmmühle handelt, da sie beide zum holländischen Typ gehören. Bestimmt unrichtig aber wäre diese Bezeichnung, wenn man sie auch für die zylindrische und für die leicht-konische Turmmühle verwenden wollte, da diese keine Mühlen des holländischen Typs sind. Deshalb würde ich die mehr neutrale Bezeichnung der Niederländer vorziehen: sie reden in diesem Falle von einer Bodenmühle oder einem Bodensegler*. Die Mühle, die auf einer künstlichen Bodenerhöhung gebaut wird, um sie höher in den Wind zu bringen, möchte ich als Bergmühle bezeichnen, und die Mühle, die mit demselben Zweck auf einem Wall aufgestellt wird, als Wallmühle*. Die in erhöhter Bauweise ausgeführte Mühle hat einen Laufsteg. Sie wird als Laufstegmühle bezeichnet. Die Bodenmühle oder der „Bodensegler" kommt sowohl in Nord-Europa als auch in Süd-Europa vor. Bergmühlen, Wallmühlen und Laufstegmühlen trifft man dagegen nur in Nord-Europa an. Laufstegmühlen kommen jedoch auch auf den Balearen vor. Die konische Turmmühle wird gewöhnlich dadurch zu größerer Höhe geführt, daß das Mühlenhaus gleichsam „gereckt" wird, d. h. man beginnt mit einer breiteren Basis, so daß man beim Aufziehen des Ganzen die konische Form beibehalten kann*. Bisweilen aber wird diese konische Turmmühle auf einem Unterbau errichtet. Dies geschieht zwar auch bei der zylindrischen Turmmühle*. Die eckige Turmmühle wird gewöhnlich in erhöhter Bauform ausgeführt, indem man sie auf einen Unterbau stellt*. Im allgemeinen glaube ich, daß man den Unterbau strukturell ganz von der Mühle gesondert zu betrachten hat. Man hat die Mühle höher bauen wollen, um mehr Wind auffangen zu können. Die ursprüngliche Mühle als oberer Teil der erhöhten Konstruktion blieb gewöhnlich unberührt. Wie wir aus den Abbildungen ersehen können, sind die Unterbauten nach Höhe und Form verschieden. Ich habe den Eindruck, daß sie für die wissenschaftliche Untersuchung von geringer Bedeutung sind. In jedem Falle ist die höhere Bauform bei Mühlen nicht die ursprüngliche. Sie ist erst später aufgekommen. Diese Frage wird in Kapitel 6 noch näher erörtert werden. N E U M A N N (6, S. 1 f.) schrieb seinerzeit in seiner Arbeit: „Die holländischen Windmühlen sollen von einem Künstler aus Flandern um das Jahr 1650 erfunden worden sein; es steht jedoch dahin, ob die ersten auf Flößen gebaut wurden, wo sie sich, vor Anker gelegt, selbst nach dem Wind drehen konnten". Es hat hier für mich zunächst nur der zweite Teil dieses Zitats Bedeutung. Während meiner Untersuchung ist mir in der Literatur nur einmal eine Floßmühle begegnet. Es war dies offenbar die erste Holzsägemühle in den Niederlanden gewesen*. Sie wurde am Ende des 16. Jahrhunderts gebaut, doch entsprach sie nicht den Erwartungen. Vermutlich hat sich aus dieser Floßmühle die Paltrockmühle entwickelt (vgl. darüber Kapitel 2 unter „Niederlande"). Dieses in der Entwicklungsgeschichte der Windmühlen einzige Exemplar einer Floßmühle habe ich in meine Typologie nicht aufgenommen. In der Mühlenliteratur treffen wir einen Mühlentyp an, der in den Niederlanden als „Wasserfluchtmühle" bezeichnet wird. Unter diesem Namen versteht man eine Mühle, die aus der Kombination einer Windmühle und einer Wasserradmühle hervorgegangen ist und die es möglich macht, von der einen Kraftquelle auf die andere überzugehen.
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Dies geschah jeweils, wenn eine der Kraftquellen den Müller im Stich ließ. Solche Stühlen kamen in den Niederlanden vor. sowie auch in Deutschland und in England. BICKER CAARTEN (7, S. 26) nannte diese Konstruktion eine Wasserradmühle mit einer Windmühle obenauf. BENNET und ELTON (8, S. 189) reden von einer „combined watermill and windmill". KLEEBEKG (9, S. 3) nennt sie eine „kombinierte Wind- und Wassermühle". Die Bezeichnung „Wasserfluchtmühle" für diese Kombination kommt in alten niederländischen Schriften aus dem Jahre 1740 vor. Die Wasserfluchtmühle habe ich jedoch in meine Typologie nicht aufgenommen, weil die Windmühlen, die in Verbindung mit einer Wasserradmühle in Betrieb sind, zu Typen gehören, die schon in dieser Typologie vertreten sind. Unter den Windmühlen, die mit einer Wasserradmühle kombiniert werden, habe ich die Wippmühle (7, S. 26), die eckige Turmmühle (7, S. 26), die konische Turmmühle (7, S. 26; 8, S. 189) und sogar eine regulierbare horizontale Windmühle (10, S. 218 f.) vorgefunden. In Kapitel 2 werde ich in den Abschnitten über die einzelnen Länder noch näher auf diese kombinierte Wind-Wasserradmühle eingehen. BICKER CAARTEN (7, S. 26) macht hierbei noch einen Unterschied zwischen der Kombination, in welcher das Wasser, und jener, in welcher der Wind die Hauptkraftquelle bildet. Das Wesentliche bei solchen Konstruktionen liegt m. E. darin, daß man je nach Umständen von der Wasserkraft oder vom Wind Gebrauch machen kann. Man ist also nicht von einer Kraftquelle abhängig. Nach BICKER CAARTEN (7, S. 27) kam eine derartige Kombination in den Niederlanden schon 1740 vor. In England nennen BENNET und ELTON (8, S. 190) ein Beispiel aus der Zeit um 1799. Ich habe jedoch nicht den Eindruck, daß es eine größere Anzahl solcher Mühlen gegeben hat. BICKER CAARTEN (7, S. 26) weist vier Beispiele für die Niederlande und eins für Deutschland nach; doch nimmt er an, daß sie zahlreicher gewesen sein dürften. BENNET und ELTON (8, S. 189) reden von „an exceedingly curious case". In jedem Fall stammen die beiden Zeitangaben, über die wir im Augenblick verfügen, aus dem 18. Jahrhundert. Der Gedanke, sich von einer einzigen Kraftquelle unabhängig zu machen, war aber nicht neu, wenn er sich auch nicht in der Gestalt der kombinierten Wind-Wasserradmühle verwirklichte. BENNET und ELTON (8, S. 262) weisen auf einen bemerkenswerten Umstand bei der Einführung der Windmühle hin: diese wurde stets in der unmittelbaren Nähe von alten Wasserradmühlen errichtet, wenn die örtlichkeit sich dazu eignete. Das mir zur Verfügung stehende Material gibt aber weder Anhaltspunkte zur Bestätigung, noch solche zur Ablehnung dieser Behauptung. In jedem Falle erwähnen dieselben Verfasser (8, S. 263) ein Beispiel aus dem 13. Jahrhundert, nämlich eine Windmühle, die in der Nähe der vorhandenen Wasserradmühle der Abtei Meaux in Yorkshire errichtet wurde, als bestimmte Umstände bewirkten, daß das Kloster über weniger Wasser als früher verfügen konnte. Die Windmühle wurde in der Nähe der Wasserradmühle gebaut, so daß sich der Müller und sein Knecht um beide Mühlen kümmern konnten. Es ist hier ganz deutlich, daß die Mönche nicht länger von einer einzigen Kraftquelle abhängig bleiben wollten. Mit modernen Begriffen ausgedrückt, hatten sie für sich das Problem der Betriebssicherheit zu lösen gesucht. In bezug auf ein bestimmtes Gebiet in Anjou (Frankreich) möchte ich noch die folgende Stelle hervorheben: „Par contre, très peu de moulins dans le Baugois . . . Les hommes ont préféré utiliser le fil de l'eau. En plusieurs endroits cependant on trouve, l'un près de l'autre, un moulin à vent placé sur la colline et un autre à eau dans la vallée, ces deux moulins étant conduits par le même meunier qui défiait alors les conditions atmosphériques utilisant l'un ou l'autre suivant le temps" (11, S. 124).
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In bezug auf Portugal bemerken Dias c. s. (4, S. 79), daß ein großer Teil der Windmühlen nur dann in Betrieb ist, wenn die Flüsse nicht genügend Wasser haben, um die Wasserradmühlen anzutreiben. Sobald für diese wieder genügend Wasser vorhanden ist, werden die Windmühlen nicht verwendet. In einem bestimmten Gebiet werden dann sogar die Segelstangen und die Segel von der Windmühle abgenommen und drinnen in der Mühle geborgen, um diese Ausrüstungsstücke nicht unnötigerweise der Witterung auszusetzen. Dias c. s. (4, S. 94) erwähnen weiter noch, daß die Windmühlen,von seltenen Fällen abgesehen, nicht isoliert vorkommen. Dies würde darauf deuten, daß sich die Windmühlen in Portugal im allgemeinen in der Nachbarschaft von Wasserradmühlen befinden. Obwohl Bicker Caakten einen Unterschied macht zwischen Kombinationen, in welchen der Wind, und jenen, in welchen das Wasser die Hauptkraftquelle bildet, glaube ich meinerseits aus der Literatur auf diesem Gebiet schließen zu müssen, daß man im allgemeinen, wenn man beide Kraftquellen zur Verfügung hat, dem Wasser den Vorzug gibt. Dies geht ζ. B. auch aus den zitierten Stellen in bezug auf Frankreich und auf Portugal hervor. Auch die Abnahme der Anzahl von Windmühlen ging schneller vor sich als die der Waeserradmühlen, wie wir es in Kapitel 2 in verschiedenen Ländern noch sehen werden (vgl. ζ. B. „Belgien"). Für diese Bevorzugung muß es natürlich einen Grund geben. Dieser Grund ist mir aber nicht bekannt. Vollständigkeitshalber glaube ich hier noch ein Beispiel heranziehen zu müssen für die Art und Weise, wie man in der Vergangenheit versucht hat, sich von der vorhandenen, oft nicht einsatzbereiten Kraftquelle für den Mühlenbetrieb unabhängig zu machen, ob es sich nun um die Windkraft oder um die Wasserkraft handelte. Ich habe nämlich festgestellt, daß man auch Pferde einsetzte, wenn die Wasserradmühle zu wenig Wasser hatte oder wenn die Windkraft nicht ausreichte, um die Windmühle anzutreiben (12, S. 37, 40). Wenn bei ein und derselben Mühle zweierlei Kraftquellen verwendet werden können, sei es Wind- und Wasserkraft , sei es Wind- und Tierkraft, treffen wir in der Mühle ein zwiefaches Triebwerk an, das mit denselben Werkzeugen verbunden ist. Das eine Triebwerk wird vom Winde bewegt, das andere vom Wasser oder vom Zugtier oder gar durch Elektrizität (24, S. 60). Daneben kennen wir Mühlen mit einem einzigen Triebwerk, das mit verschiedenartigen Werkzeugen in Verbindung steht. Auf diese Weise gibt es Windmühlen mit einem Triebwerk, an das zwei verschiedenartige Werkzeuge angeschlossen worden sind. Auch finden wir Windmühlen mit einem Triebwerk mit drei verschiedenartigen Werkzeugen, und mir ist sogar ein Fall bekannt, in dem das Triebwerk mit vier verschiedenartigen Werkzeugen verbunden ist. Als Beispiele mit zweierlei Werkzeugen: Mühlen zum Mahlen von Getreide und Heraufpumpen von Wasser; Mahlen von Getreide und Sägen von Holz; Mahlen von Getreide und Pressen von Öl, usw. Als Beispiele mit dreierlei Werkzeugen: Mühlen zum Mahlen von Baumrinde, Zerreiben von Zement und Sägen von Holz; Mahlen von Getreide, Pressen von öl und Sägen von Holz, usw. Eine ähnliche Windmühle mit vier verschiedenartigen Werkzeugen wird verwendet zum Heraufpumpen von Wasser, Mahlen von Getreide, Sägen von Holz und Antreiben einer Drehbank.
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Die meisten dieser Mühlen mit mehrfacher Funktion sind aber verschwunden oder werden, wenn sie noch vorhanden sind, nur noch für eine Funktion verwendet, zum Beispiel als Getreidemühle. Von den Mühlen mit der Doppelfunktion einer Getreideund Graupenmühle sind heutzutage noch einige in Gebrauch (24, S. 58 ff.). In der eben erfolgten Beschreibung der verschiedenen Mühlentypen wurde schon kurz die Art und Weise erörtert, wie diese Mühlen gegen den Wind gerichtet werden. Hier sollen die einzelnen Methoden noch einmal im Zusammenhang einer mehr übersichtlichen Darlegung behandelt werden. Wir können dabei feststellen, daß die horizontale Windmühle niemals nach dem Winde eingestellt wird. Bei den regulierbaren horizontalen Windmühlen wird nur mit Hilfe eines Schirmes der Wind auf die Flügel gerichtet. Die Mühle nach dem Winde einzustellen, ist also eine Tätigkeit, die nur im Bereich der Hauptklasse der vertikalen Mühlen vorkommt. Doch können nicht alle vertikalen Windmühlen gegen den Wind gerichtet werden. Die betreffende Technik beschränkt sich auf die Klasse der Mühlen, deren Mühlenhaue gedreht wird, und die Klasse derjenigen Mühlen, an denen nur die Haube drehbar ist. Wir können im ganzen drei Methoden unterscheiden, mit deren Hilfe die Mühle gegen den Wind gerichtet wird: a. dies geschieht von innen her; b. dies geschieht außerhalb des Mühlenhausee; c. dies geschieht automatisch. Methode a. Sie wird nicht bei den Mühlentypen angewandt, die zu jener Klasse gehören, in der das ganze Mühlengehäuse gedreht wird. Hierher gehören also die Bockmühle, die Wippmühle, die Paltrockmühle und der „Tjasker". Diese Methode wird dagegen wohl angewandt bei allen Typen jener Klasse, in der nur die Mühlenhaube gedreht wird. Diese sind: die zylindrische Turmmühle, die leicht-konische Turmmühle, die konische Turmmühle und die eckige Turmmühle. Methode b. Diese wird sowohl bei allen Mühlentypen der Klasse, in der das ganze Mühlenhaus gedreht wird, angewandt, als auch bei allen Mühlentypen der Klaese, in der nur die Haube drehbar ist. Methode c. Hier kann man eine Automatisierung mittels einer einfachen Windfahne und eine Automatisierung mittels einer Windrose unterscheiden. Die Windfahne wird, soviel ich weiß, in der Klasse der Mühlen, deren ganzes Gehäuse gedreht wird, nur für eine Art kleiner Wippmühle angewandt (Niederländisch: spinnekop)*. In der Klasse der Mühlen, deren Haube gedreht wird, wird diese Windfahne nicht verwendet. Die Windrose dagegen wird in der Klasse der Mühlen, deren ganzes Gehäuse gedreht wird, nur für die Bockmühle angewandt. In der Kl asee der Mühlen, deren Haube gedreht wird, wird die Windrose bei der konischen Turmmühle und der eckigen Turmmühle angewandt. Methode a. Wie schon bemerkt, wird die Mühle von innen her mit Hilfe einer Winde gegen den Wind gerichtet. Wir beobachten dies vor allem bei der zylindrischen Turmmühle und der leicht-konischen Turmmühle. In der konischen Turmmühle und der
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eckigen Turmmühle wird dieses System viel weniger angewandt. Ob diese Art, die Haube mit dem Triebwerk von innen her gegen den Wind zu richten, älter ist als die Methode, die Haube von außen zu drehen, ist mir nicht bekannt. Zwar hat man in den Niederlanden jahrelang die Frage erörtert, warum die eckige Turmmühle nur in der Provinz Nord-Holland von innen her gegen den Wind gerichtet wird, während derselbe T y p in der nachbarlichen Provinz Süd-Holland und im übrigen Teil der Niederlande stets von außen nach dem Wind eingestellt wird. Eine in der Provinz Süd-Holland durchgeführte Untersuchung hat inzwischen ans Licht gebracht, daß eine Anzahl von eckigen Turmmühlen, die jetzt von außen her gegen den Wind gerichtet werden, früher eine Vorrichtung hatten, mit der sie von innen her gedreht wurden. Man folgert dies aus der Tatsache, daß an der Haube Rrammen zu sehen sind (13, S. 21). In einigen Gegenden (Balearen, Griechenland) wird die Mühle von innen gegen den Wind gerichtet mit Hilfe eines Hebebaumes, mit dem die Haube „gewrickt", (d. i. ruckweise vorwärts bewegt) wird.
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Methode b. Die Mühle wird von außen gegen den Wind gerichtet auf fünferlei Art: 1. Das Mühlenhaus selbst wird mit Menschenhand in Bewegung gebracht. Diese Methode wird bei der Paltrockmühle und der Tjasker-Mühle angewandt. 2. Um die Haube zu drehen, drückt man mit einer gegabelten Stange auf den K o p f der Flügelwelle. Dies geschieht zum Beispiel bei der sehr niedrig gebauten zylindrischen Turmmühle und der leicht-konischen Turmmühle in einem Teil Portugals (4, S. 5). 3. Man bringt die Mühle in Bewegung mittels eines an der Flügelwelle angebrachten Taues. Auch dies geschieht bei der niedrig gebauten zylindrischen Turmmühle und der leicht-konischen Turmmühle in einem Teil Portugals. 4. Man benützt einen am Mühlenhaus oder an der Haube befestigten Balken. Bei der Bockmühle und bei der Wippmühle ist dieser Balken am Mühlenhaus befestigt. Bisweilen wird ein Zugtier angespannt, um die Mühle in Bewegung zu bringen. Bei der zylindrischen Turmmühle und der leicht-konischen Turmmühle wird der Balken an der Haube befestigt. Einen solchen Balken finden wir schon 1588 bei RAMELLI vor*, und dort sehen wir, daß er mit Hilfe eines Taues und einer Winde fortgezogen wird, also eine Methode, die vor allem bei der zylindrischen Turmmühle und bei der leichtkonischen Turmmühle noch heutzutage in Gebrauch ist. RAMELLI hatte diese Winde auf ein dreieckiges Balkengerüst mit kleinen Rädern gestellt. Er verankerte sie mittels eines Taues an einem der kleinen Pfosten, die kreisförmig in einer gewissen Entfernung um die Mühle standen. In Abb. 278 sehen wir, wie die Winde an einem der Pfosten um eine Mühle in Spanien festgemacht wird. 5. Die konischen Turmmühlen und die eckigen Turmmühlen hatten im allgemeinen eine größere Höhe als die zylindrischen Turmmühlen und die leicht-konischen Turmmühlen. Hierdurch war es möglich, diese Mühlen mit längeren Flügeln zu versehen, was nun wieder zur Folge hatte, daß für das Triebwerk mit der Haube eine schwerere Ausführung erforderlich wurde. Jetzt aber genügte auch eine einfache Stange nicht mehr, um die Mühle von außen gegen den Wind zu richten: man brachte an ihrer Haube ein ganzes Sterzgerüst an. Dieses besteht aus einem Sterzbalken, der mittels zweier Tragbalken auf zwei aus der Seite der Haube herausragenden Balken gestützt wird. Am Sterzbalken befindet sich eine horizontal angebrachte Winde. Um diese Winde liegt eine Kette, die nach beiden Seiten an zwei Pfählen oder Felsenstücken befestigt ist. Indem man ein Rad dreht, bewegt sich die Winde längs der um sie geschlungenen
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Kette, und wird das Sterzgestell mit der Haube und dem Triebwerk gedreht*.
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Methode c. Die Mühle wird automatisch gegen den Wind gerichtet: 1. Mit Hilfe der Windfahne; dies ist eine sehr einfache Lösung, die, wie schon gesagt, nur bei einer Art kleiner Wippmühle vorkommt; 2. mit Hilfe der Windrose (oder zweier Windrosen). Die Windrose treffen wir in der Klasse der Mühlen, deren ganzes Gehäuse gedreht wird, nur bei der Bockmühle an, und im übrigen nur noch in England. In der Klasse der Mühlen, deren Haube gedreht wird, treffen wir die Windrose nur bei der konischen Turmmühle und der eckigen Turmmühle an*. Die Erfindung dieser automatischen Steuervorrichtung wird verschiedenen Personen zugeschrieben. WAILES (25, S. 14) erwähnt, daß EDMUND L E E 1745 ein Patent erhielt für eine Vorrichtung, die die Mühle automatisch gegen den Wind richtet. Die Zeitschrift MOLENNIEUWS (15) führt an, daß die Vorrichtung, die Mühlen automatisch gegen den Wind richtet, in England 1 7 5 0 von WILLIAM CUBITT erfunden wurde. STORCK C. S. (16, S. 122) nennt seinerseits einen gewissen MEIKLE. Dieser soll 1750 den „fantail" erfunden haben. VISSER (17, S. 57) nennt ebenfalls MEIKLE. Auch FELDHAUS (18, Spalte 1332) bezeichnet MEIKLE als den Erfinder des Jahres 1750 für das Windrad-Steuerrad. Nirgends aber sind mir Hinweise auf die Quellen begegnet, denen diese Daten entnommen wurden. Wie dem auch sei, die Windrose scheint in Groß-Britannien erfunden zu sein. Sie ist dort für die konische Turmmühle wie auch für die eckige Turmmühle und sogar für die Bockmühle vielfach angewandt worden (19, S. 42; 17, S. 57). Diese automatische Vorrichtung hat auch in Deutschland (20, S. 120; 21, S. 100) und in Dänemark (20, S. 100; 17, S. 199; 21, S. 100) viel Anklang gefunden. Von Deutschland aus kam dieses Gerät nach den Niederlanden, doch blieb es dort auf das nördliche Gebiet beschränkt (15). Aus meinem eigenen Photomaterial geht hervor, daß dieses automatische Windrad-Steuerrad wohl auch an konischen Turmmühlen in Süd-Afrika und Kanada anzutreffen war. Soweit mir bekannt, ist in der Mühlenliteratur an keiner Stelle die Rede von einer Typologie, die danach strebt, alle Windmühlenformen in einen übersichtlichen Zusammenhang einzuordnen. Zwar macht man in der Literatur einen Unterschied zwischen horizontalen und vertikalen Mühlen, und innerhalb der Gruppe der vertikalen Mühlen werden dann wiederum eine Anzahl Sondertypen beschrieben, doch sind die Betrachtungen darüber nie zu einer Systematik ausgewachsen. Nur KRÜGER (2; 3) hat den löblichen Versuch unternommen, die zylindrischen Turmmühlen und die leicht-konischen Turmmühlen im Rahmen einer systematischen Aufstellung zu erfassen. Er ging von den Flügeln aus und unterschied in dieser Hinsicht drei Typen: 1. eine Mühle mit vier Paar Segelstangen, an denen vier dreieckige Segel befestigt sind; 2. eine Mühle mit vier Flügeln, von denen jeder aus einer halben Rute besteht, an der sich an beiden Seiten das Gatter befindet. Dieses Gatter besteht aus zwei Längslatten und acht Querlatten dazwischen. Die darüber gespannten Segel sind rechteckig; 3. eine Mühle mit vier Flügeln, von denen jeder aus einer halben Rute besteht, an der sich an beiden Seiten das Gatter befindet. Dieses Gatter besteht aus vier oder sechs Längslatten und dazwischen fünfzehn oder mehr Querlatten. In bezug auf die Gebiete, in denen diese Mühlen vorkommen, erwähnt KRÜGER für a. Typ 1: beinahe ganz Portugal, Madeira, Andalusien, die Balearen, Cartagena; b - T y p 2: die Kanarischen Inseln; c. Typ 3: die Insel Ibiza, das Gebiet von La Mancha und Sizilien.
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K R Ü G E R meint, daß Typ 1 der primitivste sei. Er verweist ferner noch auf Unterschiede zwischen den Windmühlen im Gebiet von La Mancha (Typ 3) und denen in Andalusien (Typ 1), doch erwähnt er nicht, ob diese Unterschiede auch für die anderen Gebiete gelten, in denen der Typ 3 bzw. der Typ 1 vorkommt. Man könnte gegen diese Systematik den Einwand erheben, daß sie nur für einen beschränkten Raum gilt, der gewiß nicht alle zylindrischen Turmmühlen und leichtkonischen Turmmühlen umfaßt, wie wir es noch in Kapitel 2 werden feststellen können. Auf den Wert einer von den Flügelformen ausgehenden Systematik komme ich noch zurück in Kapitel 6. SCHEFFLER (22) hat auch eine Typologie für ein beschränktes Gebiet entworfen. Erst stellte er sie für den Kreis Eckernförde in Schleswig-Holstein auf und später für das gesamte Gebiet von Schleswig-Holstein. Seine Typologie unterscheidet: A. Bockmühlen nebst Schöpf-Bockmühlen ; B. „Holländische Jungfern"; C. „Holländer" 1. Achtkant-Ständerbau: a. einfache Erdholländer; b. Kellerholländer; c. Zwickstell-(Galerie-)Holländer; d. Dachholländer. 2. Massive Holländer. Einerseits haften dieser Typologie alle Mängel ihrer geographischen Beschränkung an, da sie keine Vergleiche zieht zu Typen der von SCHEFFLER genannten Mühlen in anderen geographischen Gebieten: demzufolge ist es unmöglich, die besonderen Merkmale eines bestimmten Mühlentyps auf eine so allgemeine Weise zu kennzeichnen, daß auch die Mühlen von offenbar gleichem Typ in anderen geographischen Gebieten in die Klassifizierung eingeordnet werden können. Andererseits kommen in dieser Typologie auch verwirrende Kennzeichnungen vor. SCHEFFLER nennt unter A) die Schöpf-Bockmühlen und unter B) die „Holländischen Jungfern". Soweit ich dem nach den Abbildungen auf Tafel 24 (22) nachgehen kann, glaube ich annehmen zu müssen, daß für diese beiden Typen SCHEFFLERS als wesentliches Merkmal der Umstand zu nennen ist, daß beide das Triebwerk im oberen Mühlenhaus und die Werkzeuge im Unterbau haben. Ich halte dies für das Wesentliche in beiden Mühlen und glaube, sie deshalb zu einem und demselben Typ rechnen zu müssen. Wenn man sich beim Aufstellen einer Typologie der Mühle nicht streng an die wesentlichen Merkmale hält, dann wird man schwerlich zu einer brauchbaren Typologie als Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Forschung gelangen. Das wesentliche Hauptmerkmal der Bockmühlen, der Schöpf-Bockmühlen und der Holländischen Jungfern ist, daß das ganze Mühlenhaus gedreht werden muß, um die Flügel gegen den Wind zu richten. Dies ist also wohl ein die Gesamtheit betreffendes Merkmal. Der wesentliche Unterschied zwischen der Bockmühle auf der einen Seite und der Schöpf-Bockmühle, sowie der Holländischen Jungfer auf der anderen Seite liegt darin, daß bei der Bockmühle das Mühlenhaus sowohl das Triebwerk als auch die Werkzeuge enthält, während bei den beiden anderen Mühlen sich das Triebwerk im oberen Mühlenhaus und die Werkzeuge im Unterbau befinden.
Der Achtkant-Ständerbau stimmt zum Teil mit der eckigen Turmmühle meiner Typologie überein, aber in diesem Sinne, daß die Bezeichnung „eckige Turmmühle" Raum läßt für die Mühle mit vier, sechs und zwölf Kanten, wie sie in Gebieten außerhalb von Schleswig-Holstein vorkommt. Der „massive Holländer" stimmt mit der konischen
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Turmmühle meiner Typologie überein. In meiner Typologie wird also zwischen den beiden Vertretern des holländischen Typs ein deutlicher Unterschied gemacht. Sollte S C H E F F L E R seine Typologie auch außerhalb von Schleswig-Holstein anwenden wollen, dann muß auch die Gruppe der massiven Holländer ihrerseits unterteilt werden in „einfache Erdholländer" usw. - In diesem Falle würde ζ. B. die Bezeichnung „einfache Erdholländer" sowohl Mühlen aus der Gruppe der eckigen Turmmühlen als auch Mühlen aus der Gruppe der konischen Turmmühlen bezeichnen. Dies kann nur Verwirrung erzeugen. Trotzdem hat eine solche geographisch beschränkte Typologie in einer anderen Beziehung natürlich den Vorteil, daß man bis in die Einzelheiten verfolgen kann, welche abweichenden Erscheinungsformen gegebenenfalls auftreten (22, S. 146 ff.). Beim einfachen Erdholländer führt S C H E F F L E R die Detailuntersuchung weiter durch, und dies geschieht auch beim Kellerholländer. In bezug auf den Zwickstell-(Galerie-)Holländer behandelt er gesondert den Teil der Mühle unterhalb des Laufstegs, usw. - In dieser Hinsicht kann eine geographisch beschränkte Typologie schließlich doch fruchtbar sein für die Aufstellung einer weltumfassenden Typologie. Außer den gegebenen, geographisch beschränkten Typologien, glaube ich, hier noch eine geographisch breiter aufgefaßte Arbeit erwähnen zu müssen, nämlich die von B E N N E T und E L T O N ( 8 ) . Diese Forscher haben zwischen 1 8 9 8 und 1 9 0 4 ein vierbändigee Werk verfaßt, in dessen zweitem Teil sie die Wasserradmühlen und die Windmühlen behandeln. Obwohl dieses Werk veraltet ist, kann es stets noch als Handbuch auf diesem Gebiet betrachtet werden. Die Verfasser haben keine Typologie entworfen, doch aus der Art ihrer Behandlung des Stoffes könnte man eine Typologie ableiten. Bevor dieses Kapitel zur Typologie abgeschlossen wird, möchte ich noch der Methode, mit welcher A N D E R S J E S P E R S E N in Dänemark sein Material über Windmühlen sammelt und ordnet, eine kurze Besprechung widmen. J E S P E R S E N benutzt dafür Formulare, in die er für jede einzelne Mühle Querschnittzeichnungen und Grundrisse aufnimmt, eine schematische Darstellung des Triebwerkes und der von ihm in Bewegung gebrachten Werkzeuge, die schematische Darstellung der angewandten Technik, um die Mühle gegen den Wind zu richten, sowie verschiedene Daten, u. a. über die einzelnen Bestandteile der Mühle (23, S. 88 ff.). Wenn man Formulare dieser Art in allen Ländern als Ausgangspunkt beim Sammeln des Materials benutzen würde, könnte man damit eine gute Grundlage für eine Typologie gewinnen, die nicht nur von der äußeren Erscheinungsform, sondern auch vom technischen Gesichtspunkt ausgeht. Es kann übrigens gegen die Formulare J E S P E R S E N S der Einwand erhoben werden, daß sie nur für Getreidemühlen brauchbar sind. Darin liegt also auch wiederum eine gewisse geographische Beschränkung vor. Doch scheint mir eine Anpassung des Formulars an den Rahmen größerer Untersuchungsfelder möglich zu sein.
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QUELLEN
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II EINZELHEITEN ÜBER W I N D M Ü H L E N IN D E N EINZELNEN LÄNDERN DER E R D E A. Europa
Albanien Von Mihal Hanxhari, Direktor der Biblioteka Shkencore, Universiteti Shetëror in Tirana, erhielt ich einen Brief vom 15. März 1962, in welchem er mir u. a. folgendes mitteilte: „ . . . noue devons vous informer que nous ne disposons pas des matériaux sur les moulins à vent. D'ailleurs en dehors de quelques cae sporadiques, les mouline à vent n'étaient paa connus dans notre pays, les sources d'eau de nos montagnes étant abondantes". Aus diesen von Mihal Hanxhari mitgeteilten Daten glaube ich entnehmen zu dürfen, daß es in Albanien früher Windmühlen gegeben hat, jedoch nur sehr sporadisch. Dies entspricht den Ausführungen N O P S C A ' S (2, S. 130) zu derselben Frage. N O P S C A bemerkt nämlich (1925), daß Windmühlen in Nord-Albanien unbekannt sind; er fügt jedoch hinzu, daß sich am Wege zwischen Konaj und Orosi in einem Buchenwald ein alter Mühlenstein mit einem Durchmesser von 80 cm und einer Stärke von 30 cm befindet. Nach der Überlieferung soll er aus einer Windmühle herstammen, die einet auf einem vorspringenden Felsen stand. Nach N O P S C A gibt es keinen Grund, die Richtigkeit dieser Überlieferung anzuzweifeln, da doch in diesem Gebiet kein Wasser vorkommt und Wasserradmühlen somit auszuschließen sind. In dem vorliegenden Fall gehörte also diese Windmühle zu den sporadischen Fällen, auf die Mihal Hanxhari in seinem Brief hinweist.
MÜHLENTYPEN A . D I E HORIZONTALB
WINDMÜHLE
Es ist mir nicht bekannt, ob es in diesem Land je horizontale Windmühlen gegeben hat. Wahrscheinlich ist es nicht. B. DIE VERTIKALE
WINDMÜHLE
Die Windmühlen, die in Albanien vorkamen, gehörten wahrscheinlich zur Gruppe der zylindrischen Turmmühlen und/oder der leicht-konischen Turmmühlen. Albanien liegt nämlich im Gürtel dieser für das Mittelmeergebiet typischen Mühlen, wie wir sie auch entlang der Küste Jugoslawiens nordwestlich von Albanien und in Griechenland süd-
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
östlich von Albanien vorfinden. Es gibt nicht die geringste Veranlassung zu der Annahme, daß in diesem Gürtel von Windmühlen Albanien uns vor Überraschungen stellen könnte.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Über die Flügelformen ist mir nichts bekannt.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Über die Haubenformen ist mir ebenfalls nichts bekannt.
QUELLEN 1. Brief der Universiteti Shetëror i Tirones, Biblioteka Shkencore, Nr. 21/37 v. 15. 3. 1962. 2. Franz Baron Nopsca: Albanien. Bauten, Trachten und Geräte Nordalbaniens, Berlin-Leipzig, 1926.
Azoren Einige Azoreninseln sind 1431 und 1432 von dem Portugiesen Gonzalo Velho Cabrai entdeckt worden. In alter Zeit waren schon die Karthager, die Normannen und die Araber auf diesen Inseln gelandet, doch waren sie unbewohnt geblieben. Zwischen den Jahren 1432 und 1453 wurden die übrigen Inseln entdeckt. Nachher wurden diese Inseln bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts von Portugiesen, von Franzosen aus der Bretagne und von Flamen bevölkert. Flamen landeten zum Beispiel auf der Insel Terceira unter der Führung von Jacôme von Brügge und auf S. Jorge unter der Führung von Willelm van der Hagh. Die Insel Faial übergab Alfonsus V im Jahre 1466 seiner Tante Isabella, Tochter des Königs Johann I von Portugal und Mutter Karls des Kühnen (|1471). Auf dieser Insel ließen sich denn auch 1466 etwa 2000 „artisans et laboureurs de Flandres" unter der Führung des Josse van Hurtere nieder. Auf den alten niederländischen Seekarten werden die Azoren als „Flämische Inseln" bezeichnet (1, Tl. 2, S. 794; 1, Tl. 15, S. 572; 2, S. 430). Zu der Frage, in welcher Zeit die erste Windmühle auf den Azoren erschienen ist, läßt sich wenig oder nichts mit Gewißheit aussagen. Carreiro da Costa (3, S. 3) erwähnt , daß eine vom Niederländer Jan Huygen van Linschoten angefertigte Karte auf dem Berg Brasil der Insel Terceira Windmühlen aufweist. Auf dieser Insel hat sich Jan Huygen van Linschoten von 1589 bis 1591 im Dienst des Augsburger Handelshauses der Fugger aufgehalten. Auf der Landkarte von Terceira, die mir unter die Augen kam, ist aber auf dem Berg Brasil keine einzige Windmühle zu entdecken. Zwar kommt auf dieser Karte als Hinweis der Name moinhos vor, doch werden mit dieser Bezeichnung
A. Europa: Azoren
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offenbar Wasserradmühlen gemeint (4, S. 104-113). Diese Landkarte umfaß das ganze Gebiet der Insel Terceira. Aus dem Text von Jan Huygen van Linschoten selbst glaube ich entnehmen zu müssen, daß es noch eine zweite Karte gegeben hat. Er schreibt nämlich: „den governuer hadde gerne ghehadt, dat ick hem het gheheele eylandt uyt gheworpen hadde, om aen zijn majesteyt te seynden, waervanmij excuseerde, doch maecten hem die stadt van Angra met zijn haven, fortresse ende incoraste, het welcke hy nae den coningh eant, wiens weergaey ende ghelijekenisse men hier naer mach sien, waer mede my den governuer grootelijck gheaffectioneert en veel vrientschappen bewees." (D. H.: „Der Gouverneur wünschte eine Darstellung des ganzen Inselgebiets, um sie dem König zu schicken. Doch konnte ich seinem Begehren nicht entsprechen und stellte also auf meiner Karte nur die Stadt Angra mit Hafen, Festung und Zugang dar. Der Gouverneur erwies sich mir dafür sehr gewogen und freundlich und sandte die Zeichnung dem König, dessen Bildnis man hiernach sehen kann".) (4, S. 104-113). Aus diesen Daten glaube ich schließen zu müssen, daß in der Tat zwei Karten angefertigt worden sind, nämlich: 1. eine Karte der ganzen Insel Terceira; 2. eine Karte nur von Angra mit nächster Umgebung. Die Karte von der ganzen Insel Terceira ist bekannt. Sie wurde in den Niederlanden von Doetechem angefertigt nach Hinweisen von Jan Huygen van Linschoten. Es wäre also denkbar, daß die Windmühlen auf dem Berg Brasil vergessen worden sind. Die Karte, die nur die Stadt Angra und deren Umgebung darstellt, wurde von Jan Huygen van Linschoten auf Terceira selbst gezeichnet. Nach van Linschoten's Mitteilung wurde diese Karte vom Gouverneur an den König geschickt. Ich habe vergeblich versucht, diese Karte ausfindig zu machen, doch darf man es nicht für ausgeschlossen halten, daß sie sich noch in einem der portugiesischen oder spanischen Archive befindet.Solange man diese Karte nicht wiedergefunden hat, können wir nicht wissen, ob Jan Huygen van Linschoten zwischen 1589 und 1591 schon Windmühlen auf der Insel vorgefunden hat. Demgegenüber steht ein Bericht, nach welchem die erste Windmühle auf Terceira 1818 gebaut wurde. Terceira soll die erste Azoreninsel gewesen sein, auf der eine Windmühle errichtet wurde, denn, so sagt der Berichterstatter, vor 1839 spricht kein einziger Reisender vom Vorkommen solcher Bauten auf den anderen Inseln (5, S. 186). In Portugal (siehe dort) scheinen die Einwohner als Kraftquelle beim Mahlen das Wasser zu bevorzugen. Man benutzt dort die Windkraft vor allem in Ergänzimg zur Wasserkraft. Auf den Azoren erkennen wir dieselbe Bevorzugung der Wasserkraft und neben dieser der Tierkraft - letzteres bei der sogenannten atafona = Tiermühle - je nach den örtlichen Gegebenheiten. Wir stellen denn zum Beispiel auch fest, daß auf den Azoren die Windmühlen dort nicht vorkommen, wo genügend stark strömendes Wasser verfügbar ist. Auf S. Jorge gibt es zwar genügend Wasser, doch hat es nicht überall ein ausreichendes Gefalle. An solchen Stellen kommen dann Windmühlen vor. Die Insel Graciosa dagegen hat immer unter Wassermangel zu leiden gehabt, und hier sehen wir denn auch Windmühlen neben den atafona'e. Auf der Insel Pico ist infolge der Porosität des Bodens strömendes Wasser eine Seltenheit. Die Windmühle ist dort die einzige Maschine zum Mahlen von Getreide. Ähnliches begegnet uns auf der Insel Faial. Auf der Insel Flores steht den Bewohnern genügend strömendes Wasser zur Verfügung, und außerdem sind dort die Winde sehr heftig. Daher kommen dort keine Windmühlen vor, wohl aber Wasserradmühlen. Di© Insel Corvo verfügt nicht über
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
genügend strömendes Wasser. Die Winde sind aber sehr ungestüm, so daß hier viel atafona's vorkommen. Nichtsdestoweniger gibt es ein Photo einer Mühle auf Corvo, die der von Madeira* sehr ähnlich ist. Auf S. Miguel gibt es nur im östlichen Teil der Insel genügend strömendes Wasser. Daher trifft man dort auch die Waeserradmühlen an. Windmühlen befinden sich im westlichen Teil dieser Insel. Auch auf den Inseln S. Maria und Terceira begegnen uns die Windmühlen nur in den wasserarmen Gebieten (3, S. 2, 3, 15). Vollständigkeitshalber ist noch zu erwähnen, daß die Formigas unbewohnt sind. Diese Bevorzugung von Wasserkraft und Tierkraft könnte möglicherweise der Grund für eine späte Einführung der Windmühle sein. Hiermit läßt sich aber der oben erwähnte Bericht, Jan Huygen van Liinschoten habe schon zwischen 1589 und 1591 Windmühlen gesehen, nicht in Einklang bringen. Soweit man der Sache nachgehen kann, werden die Windmühlen auf den Azoren ausschließlich zum Mahlen von Getreide verwendet.
MÜHLENTYPEN A. DIB HORIZONTALE WINDMÜHLE
Diese Mühle ist hier unbekannt. B. DIE VERTIKALE WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Auf diesen Inseln habe ich keine Spur vom Vorhandensein einer nicht-drehbaren Mühle vorgefunden. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse
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Von dieser ICI asse sind auf den Azoren nur bekannt: b. Die Wippmühle. Diese besteht aus einem achtkantigen oberen Haus aus Holz und einem unteren Haus aus Stein. Sie kommt nur vor auf der Insel S. Jorge (13, S. 79)*. Es ist auffallend, daß eine Ähnlichkeit besteht in der äußeren Erscheinung dieser Mühle und derjenigen der französischen „moulin cavier". c. Die Paltrockmühle. Auf den Azoren treffen wir zweierlei Arten von Paltrockmühlen an: 1. Der moinho giratàrio, wie dieser von mir unter ,,Portugal" beschrieben wird. Diese Mühle kommt nur auf der Insel S. Jorge vor (13, S. 76, 105)*. Sie trägt acht Segelstangen und vier Segel. 2. Ein gemauerter Sockel, auf welchem über einem sehr niedrigen Bock ein Mühlenkörper aufgebaut ist. Unter der Bodenplatte des Mühlenkörpers sind kleine Räder angebracht, die beim Drehen des Mühlenkörpers auf dem Rande des gemauerten Sockels laufen (13, S. 106). Hier können wir nun wieder zwei Varianten unterscheiden: a. Der Mühlenkörper ist rund und die Haube ist konisch oder zwiebeiförmig (7, S. 34; 13, S. 106). Diese Variante kommt auf den Inseln Faial, Pico, S. Jorge und Graciosa vor*. Sie trägt acht Segelstangen und acht Segel oder vier Flügel.
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b. Der Mühlenkörper ist sechekantig (13, Abb. S. 14 und 59), oder achtkantig (6; 10, Riicks. 186; 8, S. 94). Der eechskantige kommt auf Terceira vor (13, S. 106)*; der achtkantige auf den Inseln Terceira, Pico und Faial. Die Haube dieser beiden Varianten hat die Form einer Pyramide; beide werden mit Hilfe eines Stakens gegen den Wind gerichtet. Es ist mir nicht entgangen, daß vor allem die Variante 2a* in ihrer Gesamtform dem eogenannten holländischen Typ, auf den ich bei der konischen Turmmühle noch zurückkommen werde, sehr ähnlich ist. Sogar die Form der Haube ist jener der zwei Haubenformen ähnlich, die den holländischen Typ auf den Azoren krönt. Demgegenüber ist zu erwähnen, daß dieser Typ Paltrockmühle nicht immer das Flügelkreuz trägt, sondern auch acht dreieckige Segel. Wann dieser Mühlentyp, bei welchem der ganze Körper gedreht werden muß, in dieses Gebiet eingeführt worden ist, und woher er kam, ist mir nicht bekannt. Um diesen Mühlentyp handelt es sich nach STOKCK c. B. (9, S. 120) in der von ihm aus einer Schrift von Mark Twain zitierten Stelle: ,,Small windmills grind the corn, ten bushel a day, and there is one assistant superintendent to feed the mill, and a general superintendent to stand by and keep him from going to sleep. When the wind changes they hitch on some donkeys and actually the whole upperhalf of the mill turns around, until the sails are in a proper position, instead of fixing the concern so that the sails could be moved instead of the mill".
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III. Mühlen mit drehbarer Haube a. Die zylindrische Turmmühle. LOPES (8, S. 9 2 ) erwähnt eine zylindrische Turmmühle, doch kann ich aus deren Abbildung nicht mit Sicherheit ersehen, ob es sich um eine zylindrische Turmmühle oder vielmehr um eine leicht-konische Turmmühle handelt (8, S. 91, Abb. 2). In der Mühlenliteratur nimmt man im allgemeinen den Unterschied zwischen beiden offenbar nicht so ganz genau. In dem Werk von VBIGA de OLIVEIBA c. s. (13, Abb. 34) wird aber eine zylindrische Turmmühle der Insel Terceira abgebildet*. ' 5 b. Die leicht-konische Turmmühle. Die leicht-konische Turmmühle kommt jedenfalls auf den Inseln Pico und Faial vor (13, S. 78)*. Andere Autoren behaupten, daß dieser 6 Typ auch auf den Inseln Terceira, Graciosa und S. Jorge vorkommt (3, S. 2 f., 15; 6). Die Abb. 5 stellt eine Mühle dar, die von außen gegen den Wind gerichtet wird. c. Die konische Turmmühle. Die konische Turmmühle auf den Azoren weist zwei Varianten auf: 1. Eine konische Turmmühle aus Stein, die auf einem Unterbau aus demselben Material ruht. Dieser Unterbau hat die Gestalt eines Kegelstumpfes. Der Unterbau ist breiter als die Mühle selbst*. Soweit mir bekannt ist, kommt dieser Typ vor auf 7 den Inseln S. Jorge (3, S. 15; 6) und Terceira (13, S. 75 f.). Die Mühle wird von außen gegen den Wind gerichtet. 2. Eine konische Turmmühle aus Stein, die dem Turmmühlentyp, wie er in NordEuropa vorkommt, sehr ähnlich ist. Dieser Typ wird hier als tipo flamengo oder tipo holandés bezeichnet. Dieser Typ weist auf den Azoren dreierlei Haubenformen auf, nämlich eine zwiebeiförmige Haube (Englisch: Ogee), eine Haube in der Gestalt eines regelmäßigen achtkantigen Prismas mit einer sich daran anschließenden Pyramide und eine Haube in der Form eines Kegels mit einem sich daran anschließenden Zylinder. Diese Mühle trifft man auf den Inseln S. Miguel, Terceira, Graciosa, S. Jorge und
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
S. Maria an (3, S. 2 f., 15; 6; 8, S. 93; 10, R. 134; 11, S. 61; 12, S. 175; 13, S. 75ff.)*. Es ist natürlich sehr verführerisch, die Bezeichnung tipo flamengo in Zusammenhang zu bringen mit der Tatsache, daß neben den Franzosen und den Portugiesen auch die Flamen an der Besiedlung der zentralen Inseln einen bedeutenden Anteil gehabt haben. Besonders die Insel Faial ist von Flamen kolonisiert worden zu der Zeit, als sie sich im Besitz der Isabella befand. Das Sonderbare ist aber, daß gerade die Insel Faial den tipo flamengo nicht kennt und, soweit man der Sache nachgehen kann, auch nie gekannt hat. Ebenso sonderbar ist es, daß der tipo flamengo vor allem auf S. Miguel und S. Maria vorkommt, zwei Inseln, die entweder keine oder nur wenige flämische Siedler betreten haben. Wir werden daher der Tatsache Rechnung tragen müssen, daß dieser nordeuropäische Mühlentyp höchstwahrscheinlich erst später eingeführt worden ist, und zwar weil die Leistung dieses Mühlentyps beträchtlich größer war als die der möglicherweise vorher schon vorhandenen Typen. Alle diese konischen Turmmühlen werden von außen gegen den Wind gerichtet, d. Die eckige Turmmühle. Dieser Mühlentyp ist auf den Azoren unbekannt.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE
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An den Mühlen auf den Azoren können wir verschiedene Flügelformen unterscheiden: 1.Vier Flügel, die sich nicht wie die Uhrzeiger drehen, sondern umgekehrt. Diese Flügel bestehen aus einem Gatter, das sich an der einen Seite der halben Rute befindet. Dieses Gatter besteht aus drei Längslatten und 12, 13 oder 15 Querlatten. An der anderen Seite der halben Rute befinden sich Windbretter. Über das Gatter kann ein rechteckiges Segel gespannt werden. Man refft die Segel, indem man sie teilweise oder gänzlich aufrollt. Diese Flügelformen kommen bei den Paltrockmühlen und bei den konischen Turmmühlen vor. Die Flügel von einigen dieser Mühlen weisen eine Wölbung entstehend durch starke Krümmung der Rute auf*; bei anderen Mühlen bilden die Flügel mit der Ebene, in der sie drehen, einen Winkel. 2. Vier Flügel, deren Drehrichtung mir nicht bekannt ist. Das Gatter befindet sich an der einen Seite der halben Rute; an der anderen Seite befinden sich Windbretter. Dieses Gatter besteht aus drei Längslatten und 11 oder 12 Querlatten. Über das Gatter kann ein rechteckiges Segel gespannt werden. An den Flügeln ist eine leichte Wölbung zu sehen. Von der verlängerten Flügelwelle aus laufen Spannseile zum Topp der Flügel. Außerdem sind die Toppe der Flügel miteinander durch Spannseile verbunden. Diese Flügelformen kommen bei der Paltrockmühle und der leicht-konischen Turmmühle vor. 3. Acht Segelstangen, die sich entgegen dem Uhrzeiger drehen. Zwischen diesen Stangen sind acht dreieckige Segel gespannt. Man refft diese Segel, indem man sie teilweise oder gänzlich aufrollt. Diese Flügelform kommt bei der Paltrockmühle und der zylindrischen Turmmühle vor; (oder handelt es sich um eine leicht-konische Turmmühle? Das ist aus dem Bild nicht genau zu ersehen). Die Segelstangen sind miteinander durch Spannseile verbunden. Auch sind diese Stangen mit dem weit herausragenden Kopf der Flügelwelle durch Spannseile verbunden. 4. Wie Nr. 3, aber mit sechs Segeln. Diese Flügelform kommt bei der Paltrockmühle vor. 5. Wie Nr. 3, aber mit vier Segeln. Diese Flügelform kommt bei der Paltrockmühle vor.
A. Europa:
Azoren
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6. Ein vierblättriger Propeller. Diese F o r m k o m m t bei der Paltrockmühle und bei der konischen Turmmühle vor. 7. Ein zweiblättriger Propeller, dessen Drehrichtung mir nicht bekannt ist. Diese Flügelform k o m m t bei der Wippmühle, der Paltrockmühle und der konischen Turmmühle vor.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Auf den Azoren können wir die folgenden Haubenformen unterscheiden: 1. Die Sattelform. Diese k o m m t bei der Wippmühle vor*. 1 2. Die konische Form. Diese k o m m t bei der zylindrischen Turmmühle*, der 5 leicht-konischen Turmmühle* und der Paltrockmühle vor*. 6-3 3. Die Pyramiden form. Diese H a u b e n f o r m bekrönt die Paltrockmühle* u n d 2 die konische Turmmühle*. 8 4. Die Zwiebelform. Diese k o m m t bei der Paltrockmühle und bei der konischen Turmmühle vor.
QUELLEN
1. Winkler Prina Encyclopaedic, Amsterdam-Brüssel, 1947, 1960. 2. Lea Guides Bleue Portugal, Madère, Açores, Paris, 1957. 3. Dr. F. Carreiro da Costa: „Moinhos de vente nos Açores", in: Fermentos, Revista de Divtdgacao Tecnica, Ano V nos 20-21 Agosto de 1961, Cruz Quebrada. Derselbe Aufsatz wurde auch aufgenommen in: Revista Braaüeira de Panificaçâo, Rio de Janeiro, no. 314, Ano XXVII, Outubro de 1961. 4. Itinerario, dl. Ι Π . Werken Linschoten-Vereeniging, LX, tweede uitgave, 1967. Briefwechsel mit Dr. jur. W. J . van Baien und Dr. H. Terpstra über die Karte von Terceira in dieser zweiten Ausgabe. 5. Frederico Lopes Junior: „Moinhos de vento", in: Boletim do Instituto Histórico da Ilha Terceira, no. 16, 1968. 6. Abbildungen, die mir Dr. F. Carreiro da Costa in seinem Brief vom 7. 9. 1962 wohlwollend zur Verfügung stellte. 7. The Nation/il Geographie Magazine, Vol. LXVII No. 1, Januar 1935. 8. Cap. Frederico Lopes Junior: „Moinhos de vento", in: Commissâo Reguladora dos Cereais do Arquipélago dos Açores, Boletim I o semestre 1946. 9. John Storck and Walter Dorwin Teague: Flour for man's bread, a history of milling, Minneapolis, 1952. 10. Coronel Frederico Lopes: „Moinhos de vento", in: Boletim Instituto Hiatórico da Ilha Terceira, Vol. XVI, 1958. 11. Dr. Luis Bernardo Leite de Althayde: „Moinhos de vento", in: Commiasäo Reguladora doe Cereaia de Arquipélago dos Açores, Boletim no. 2, 2° semestre de 1946. 12. Augusto César Pires de Lima: „As Artes e os Oficios nae tradiçôes populares I I I . Os moleiros", in: Portucale 2 sir., no. 16/17, Jul./Out. 1948. 13. Ernesto Veiga de Oliveira, Fernando Galhano e Benjamin Pereira: Moinhos de vento. Açores e Porto Santo, Lisboa, 1966.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Balearen Im vorigen Jahrhundert müssen die Balearen ein bedeutendes Windmühlengebiet gewesen sein. Wie B A B O J A (1, S. 334) erwähnt, hat M O L L ( 2 , S. 1-35) gesagt, daß 1884 auf diesen Inseln Hunderte von Windmühlen in Betrieb waren. SALVADOR (13, S. 359) zählte 1897 für Menorca noch 39 Windmühlen. Als M O L L 1934 sein Werk veröffentlichte, waren die Windmühlen auf den Balearen im Schwinden begriffen. B A B O J A (1, S. 334 f.) führt Autoren wie MADOZ, R U I Z (4) und A R A N Z A D I (5, S. 353) an, die für verschiedene Orte die Zahl der noch in Betrieb gebliebenen Windmühlen angaben, wie z. B. für Manacor allein schon etwa 45. J U A N A I N A U D de L A S A B T E (3) schrieb mir, daß man von 1930 an auf den Balearen die Windmühlen außer Betrieb setzte. Im Jahre 1955 waren noch fünf davon in Betrieb. Diese standen alle auf der Insel Formentera. C O B B E T T (6, S. 460) gibt an, daß er in Palma auf Mallorca zwei große Gruppen von Türmen vorfand, die zu Ruinen verfallen waren. Er hatte den Eindruck, daß es Windmühlen gewesen waren, doch konnte er dafür keine Beweise finden, obwohl er sich auch sorgfältig nach Mühlensteinen umgesehen hatte. Dies ist wohl ein Zeichen dafür, daß der Zahn der Zeit hier gründliche Arbeit geleistet hat. R O K S E T H (7, S. 175) nennt die Windmühlen auf Mallorca primitiv. Jede Mühle bediente einige Familien, die jeweils nur kleine Mengen Getreide mahlen ließen. Die Windmühle diente nur zum Mahlen von Getreide. Man kannte keine andere Funktion. Die Mühlen waren meistens in kleinen Gruppen (1, S. 335) auf Hügeln oder zwischen zwei Hügelrücken gebaut, um soviel Wind wie möglich auffangen zu können (7, S. 178). Im Gebirge kam die Windmühle nicht vor; hier wurden Wasserradmühlen benutzt (7, S. 175). Nach R O C K S E T H ( 7 , S. 1 7 8 ) war über der Tür der Windmühle beinahe immer ein Bild der hl. Barbara zu sehen. Diese Heilige war nämlich die Schutzpatronin der Müller. Die Achse der Flügelwelle der Windmühlen auf den Balearen bildet mit der Ebene der Drehung einen Winkel von einigen Graden.
MÜHLENTYPEN
A. D I E HORIZONTALE
WINDMÜHLE
Soweit man der Sache nachgehen konnte, ist dieser Typ hier nie bekannt gewesen. B. DIE VERTIKALE
WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Auf diesen Inseln habe ich nicht-drehbare Mühlen nicht aufspüren können. G L E I S B E R G (14, S. 48) nimmt jedoch an, daß die Windmühlen auf den Balearen, wie die anderen Mühlen vom Mittelmeertyp, ursprünglich wahrscheinlich nur für eine Windrichtung gebaut wurden. Es gibt aber für diese Hypothese keinen einzigen Anhaltspunkt. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse Soweit ich der Sache nachgehen konnte, kam hier kein einziger Typ dieser Klasse vor.
A. Europa: Balearen
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III. Mühlen mit drehbarer Haube a. Die zylindrische Turmmühle. Die von mir eingesehenen Abbildungen von Mühlen auf den Balearen zeigten stets den Typ der zylindrischen Turmmühle*. Sowohl auf Mallorca wie auf Menorca und Jbiza waren diese Mühlen in einen Unterbau eingebaut. B A R O J A (1, S. 3 3 5 ) bemerkt dazu, daß dieser Unterbau auf Mallorca rund oder quadratisch oder auch rhombisch ist*. Er erwähnt aber nicht, ob auf Mallorca auch Mühlen ohne diesen Unterbau vorkamen. Dies wird aber ausdrücklich von R O K S È T H (7, S. 178) behauptet. Er weist nämlich darauf hin, daß man, wenn der Turm auf dem Boden stand, um die Mühle eine Plattform errichtete* ; wenn aber ein Unterbau vorhanden war, diente dieser als Plattform, von der aus man die Flügelsegel reffen konnte. ROKS E T H fügt noch hinzu, daß um die Mühle herum bieweilen ein Laufsteg vorhanden war, wenn die Mühle zu hoch war, um die Segel von der Plattform aus reffen zu können. Wie schon bemerkt wurde, kam die auf einem Unterbau errichtete zylindrische Turmmühle auch auf Menorca vor*. Es ist mir aber nicht bekannt, ob es hier auch Mühlen ohne Unterbau gab. Dieselbe Bemerkung gilt nicht nur in bezug auf Jbiza*, sondern für die ganze Inselgruppe der Pityusen. Betreffe dieser Inselgruppe erwähnte ich schon, daß auf der Insel Formentera 1955 noch fünf Mühlen in Betrieb waren. B A R O J A ( 1 , S . 3 3 8 ) bemerkt noch, daß auf Jbiza der Unterbau weniger entwickelt war als auf Mallorca und Menorca. Alle diese Mühlen werden von innen her gegen den Wind gerichtet. Die Haube wird nämlich mit Hilfe einer Handspake gewrickt (ruckweise vorwärts bewegt), bis sie den richtigen Stand erreicht hat (7, S. 182). Es ist mir nicht bekannt, zu welcher Zeit die erste Mühle in diesem Gebiet gebaut worden ist. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß keine anderen Turmmühlentypen auf den Balearen vorkamen. FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE An den Mühlen auf den Balearen können wir zwei verschiedene Flügelformen unterscheiden : 1. Sechs Flügel, deren Drehrichtung mir nicht bekannt ist. Diese Flügel bestehen aus einem Gatter, das sich an beiden Seiten der halben Rute befindet. Nach B A R O J A (1, S. 336) besteht dieses Gatter aus sechs Latten, von denen je drei an jeder Seite der halben Rute zu dieser Rute parallel laufen. Diesee Gatter zählt neunzehn Querlatten an der einen Seite der halben Rute und zwanzig an der anderen Seite. MATSCHOSS und L I N D N E B (10, S. 27) bringen eine Abbildung, auf welcher der Flügel einer Mühle auf Mallorca gleichfalls sechs Parallel-Latten zählt, jedoch sechzehn Querlatten an der einen Seite der halben Rute und siebzehn an der anderen Seite. R O K S E T H (7, S. 179 f.) gibt für Mallorca sowohl vier als auch sechs Parallellatten an. Für Menorca gibt B A R O J A (1, S. 336) fünf Parallellatten, von denen sich zwei an der einen Seite der halben Rute und drei an der anderen Seite befinden. Aus unserer Abb. 12 ist dies aber nur schwerlich abzulesen. Es zeigt sich, daß auf Jbiza dae Gatter zu beiden Seiten der halben Rute zwei Parallellatten hat (8; 11, gegenüber S. 141). Es ist klar, daß sich an diesen Flügeln keine Windbretter befinden. Über das Gatter kann ein rechteckiges Segel gespannt werden. Man refft dieses Segel, indem man es teilweise oder gänzlich aufrollt.
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Einzelheiten
über Windmühlen
in den einzelnen Ländern der Erde
Die Flügel werden durch Spannseile im richtigen Abstand voneinander gehalten. Die Flügelwelle ragt wohl drei Meter heraus, und vom Kopf dieser Flügelwelle aus laufen feste Spannseile zum Topp der Ruten und außerdem dünnere Seile zu den Spitzen der Gatter. Diese Seile, die von der Flügelwelle aus gespannt werden, sind dazu angebracht, daß die Flügel dem Winddruck besser standhalten. Die Flügel weisen keine Wölbung auf, doch bilden sie mit der Ebene, in der sie drehen, einen geringen Winkel (7, S. 179 f.). In bezug auf die Flügelformen auf Mallorca ist noch eine bemerkenswerte Einzelheit zu erwähnen. Wenn nämlich der Wind sehr schwach ist, spannt der Müller zwischen den Flügeln noch dreieckige Segel (7, S. 181). Ich glaube, die Mühlen auf den Balearen entschieden zum Mittelmeertyp rechnen zu müssen, aber ich stelle fest, daß K R Ü G E R (s. Kapitel 2) ihnen in seinem Klassifikationssystem keinen Platz eingeräumt hat. Außerdem erwähnt K R Ü G E R (12, S. 164 ff.), daß man den Typ III seiner Klassifikation, nämlich die Mühle mit vier Flügeln, auf den Balearen und auf Jbiza vorgefunden hat. Ich habe sie jedoch nicht entdecken können. 2. Auf Mallorca (Alcydia) kamen acht Segelstangen vor. Die Drehrichtung ist mir nicht bekannt. Zwischen diesen Segelstangen waren vier dreieckige Segel gespannt. So hat es jedenfalls K R Ü G E R dargelegt ( 1 2 , S. 1 6 4 ff.). B A R O J A bezieht sich in dieser Frage nur auf K R Ü G E R ( 1 , S. 2 7 5 ) und ent hält sich weiterer Ausführungen. Abbildungen dieses Mühlentyps mit dieser Flügelform habe ich nicht entdecken können. Dagegen erwähnt B A R O J A auf Jbiza das Vorkommen von Mühlen mit zwölf Segelstangen, zwischen denen sechs dreieckige Segel gespannt werden können (1, S. 339). Ich habe auch vergeblich nach einer Abbildung dieser Flügelform gesucht. HAUBENFORMEN D E R V E R T I K A L E N MÜHLE
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Auf den Balearen können wir folgende Haubenformen unterscheiden. 1. Die konische Form. Diese kommt bei der zylindrischen Turmmühle auf Menorca und Jbiza vor*. Die zylindrischen Turmmühlen auf Mallorca kennzeichnen sich durch eine besonders spitze konische Form*. Ihre Haube ist aus Binsen hergestellt.
QUELLEN
1. Julio Caro Baroja: „Dissertación sobre loa molinos de viento", in: Revista de Dialectología y Tradiciones populares, Tomo V i l i , Cuad. 2, Madrid, 1952. 2. F. de Β. Moll: „Vocabulari técnio des molins de vent de les Balears", in: Butlleti de dialectología catalana, 2* epoca, X X I I , Barcelona, 1934. 3. Brief des Generaldirektors der ,,Museos de Arte", Barcelona, Juan Ainaud de Lasarte, vom 22. 1. 1962. 4. Francisco Anaya Ruiz: „Por tierras mallorquínas. Camino de Artá", in: Esfera, año IV, nam, 186 (21. 7. 1917). 5. Telesforo de Aranzadi: Aperos de labranza y sus aledaños textiles y pastoriles, folklore y costumbres de Espana, I, Barcelona, 1931. 6. Louis Cobbett: „Mediterrenean windmills", in: Antiquity, Vol. XIII, 1939. 7. Pierre Rokseth: Terminologie de la culture des céréales à Majorgue, Barcelona, 1923. 8. Juan Castello: Jbiza and Formentara. The travellers' A.B.C., Palma de Mallorca, 1954. 9. Julio Caro Baroja: ,,Le moulin à vent en Espagne", in: Laos, tome II, Stockholm, 1952. 10. Conrad Matschoss und Werner Lindner: Technische Kulturdenkmale, München, 1932. 11. Geographical Magazine, June 1935.
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12. Fritz Krüger: „Notas etnográfico-Iinguísticas da Póvoa de Varzim", in: Boletim de Filologia, r v , fase. 3-4, Lisboa, J 930. 13. Erzherzog Ludwig Salvador von Toskana: Die Balearen, 2. Bd., Würzburg-Leipzig, 1897. 14. Hermann Gleisberg: Technikgeschichte der Getreidemühle, München, 1956.
Belgien In Belgien wird ein Teil der Literatur über Windmühlen durch das Verlangen gekennzeichnet, in diesem Lande die älteste Windmühle von Europa nachzuweisen. In bezug auf die hier jeweils als „älteste in Europa" ausgegebenen Windmühlen werden sowohl verschiedene Ortschaften als auch verschiedene Jahreszahlen genannt. ΒABOJA (1, S. 240) erwähnt, daß nach einigen Autoren die älteste Mühle in Europa aus dem 10. Jahrhundert datiert. Diese Mühle soll in Rexpoede in der Umgebung von Dünkirchen gestanden haben. Sie wurde erst 1951 niedergerissen. Β ABOJA beruft sich in bezug auf diese Angaben auf eine Mitteilung von Dr. jur. L. de WILDE, einem Forscher, der, wie er noch sagt, eine gediegene Arbeit über die Mühlen in den Niederlanden vorbereitete. Dr. jur. de W I L D E wohnte seinerzeit in Gent. Eine zweite Windmühle, die in der Literatur manchmal als die älteste Mühle in Europa bezeichnet wird, ist die von Mauvinage in der Umgebung von Silly. Nach der ältesten der vorgeschlagenen Datierungen soll sie bis 1040 zurückgehen (2, S. 6). Ein Bericht im „Bulletin des Enquêtes" (3, S. 271) bezieht sich auf diese Mühle „reputé le plus ancien d'Europe". D E L V I N (4, S. 4) bemerkt nur, daß sie die älteste Mühle (Belgiens) ist. Er ßchrieb dies 1929 und erwähnte noch, daß die Mühle noch immer existiert, wenigstens durch Restaurierung von bestimmten Teilen. Demgegenüber steht aberdaß LATTEN (5, S. 2 8 - 3 0 ) schon 1927 angab, daß diese Mühle das Jahr vorher nieder, gerissen worden war. Dieser Autor teilt ferner noch mit, daß nach der Überlieferung diese Mühle 1180 durch Trazegnies gebaut wurde, als er von einem Kreuzzug heimkam. FELDHAUS (6, S. 316) dagegen will zwar annehmen, daß die Mühle sehr alt sei, daß sie jedoch höchstens bis 1680 zurückgehe. FELDHATJS versäumt aber zu erwähnen, wie er zu diesem Schluß gelangt ist. Eine andere „älteste Mühle von Europa" scheint die von Peteghem in der Provinz West-Flandern zu sein; wenigstens vermutet dies L A T T I N (5, S. 30). Diese Mühle soll aus dem Jahre 1092 stammen. VISSER (2, S. 194) nennt ebenfalls zwei Mühlen, die man als die ältesten in Europa betrachten könnte, nämlich die Mühle in Synghem, die aus dem Jahre 1154 stammen soll, und die in Sorghem, die beinahe ebenso alt ist. Auffallend bei all' diesen Berichten über die „älteste Mühle von Europa" ist der Umstand, daß keiner von den Verfassern das Bedürfnis empfunden hat, darzulegen, aus welchen Praemissen er zu einer derartigen Schlußfolgerung gelangt ist. Man könnte annehmen, daß es doch wichtig genug ist, sich darüber mehr Gewissheit zu verschaffen. Ich zweifle aber an den angegebenen Jahreszahlen und damit auch an der Richtigkeit jener Behauptungen. L A T T I N (5, S. 28) erwähnt noch eine hölzerne Mühle aus dem Jahre 1190 in Maalderen in der Provinz Brabant. Auch für diesen Bericht gibt er keine Quelle an, und ebenso versäumt er es, die Behauptung zu begründen, nach welcher diese Windmühle schon seit 808 Jahren Eigentum der Familie Leemans sei. Für die Personennamens-
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
forschung könnte dies jedoch eine wichtige Feststellung sein. Auch Εκ (20, S. 73) nimmt an, daß die erste Windmühle in Belgien 1190 gebaut wurde. Das erste Mal, daß in Belgien von einer Windmühle in einer Urkunde die Rede ist, betrifft das Jahr 1 1 9 5 . Diese Urkunde ist in einer von Baron de R E I F F E N B E R G besorgten Ausgabe (7, S. 320) veröffentlicht worden. Es ist ein Donationsbrief, in welchem Nicoles de Rumigni und Raeses de Gavre das Mahl- und Fischereirecht in einem hennegauiechen Bezirk an Oston de Arbre und seinen Erben abtritt. In diesem Brief kommt die Stelle vor: ne pueent faire plus de moulins ne à aiwe (Wasser) ne à vent ne à cheval, . . .". Nach D E W E B T (8, S. 20) ruht das Original im Vol. 48-49 der „Chambres de Comptes" in Brüssel. Im Bulletin des Enquêtes (3, S. 276) wird aber erwähnt, daß Jules D E W E B T Untersuchungen angestellt hat im Archiv der Chambres de Comptes in Lille. Wie dem auch sei, dieses Bulletin gibt an, daß diese Akte die Übersetzung einer lateinischen Urkunde zu sein scheint, und daß es nicht sicher ist, ob die Wörter à vent nicht ein Zusatz des Kopisten oder des Übersetzers der Urkunde ist (3, S. 276 f.). Dieses Stück hat also für unsere Untersuchung nur einen zweifelhaften Wert. Das erste Aktenstück in bezug auf eine Windmühle, über welches kein Zweifel herrscht, ist vom Dezember 1197 datiert. Laut dieser Urkunde übertrug Baldwin IX von Flandern, Kaiser von Konstantinopel, der Abtei Nonnenbossche in der Nähe von Ypern das Eigentum einer Windmühle. Der Text lautet: „Ego, B(alduuuinus), Flandrie et Hainioe comes notum fieri uolo, tarn presentibus quam futuris, quod, pro remedio ainime mee, concessi ecclesie de Nemore iuxta ipram, quoddam molendinum quod uento agitur, in perpetuum possidendum; nec si aliis terre mee molendinis, que similiter uento aguntur, ne molant, ex parte mea inhibitum fuerit, ideo predictum molendinum cessabit. Vt autem hec concessio mea stabilis permaneat, in perpetuum, et inconuulsa, presenterai paginam feci sigilli mei appensione confirmari et testium sunscriptione muniri. S. G(erardus), prepositus Brugensis et Flandrie cancellarius, S. Castellanus Gandensis, G(erardus) de Cremberga, Philippus, camerarius. Actum Ipre in domo mea, anno Domini M°. C°. XCVIJ. mense decembri" (9, S. 72). Als Datum für die erste Windmühle in Belgien könnte man also mit einigem Zweifel das Jahr 1195 festhalten. Indessen ist es sicher, daß hier im Jahre 1197 eine Windmühle vorhanden war. Die nächst-jüngeren Windmühlen, über die uns Urkunden erhalten geblieben sind, sind zwei Windmühlen im Hennegau, diejenige in Taintegnies aus dem Jahre 1219 und diejenige in Montaban au RoeuLx aus dem Jahre 1250. Die letztere soll schon eine lange Zeit existiert haben, bevor sie von der Abtei von Saint-Feuillen erworben worden ist (3, S. 277). Es hat sich ferner gezeigt, daß es 1247 auch in der Stadt Ypern eine Windmühle gegeben hat. Aus diesem Jahre ist ein Brief des Papstes Innozenz IV an den Bischof von Therouanne erhalten. Der Papst beauftragte die Geistlichkeit, zugunsten der Bürger von Ypern gewisse Schwierigkeiten zu beseitigen: , , . . . , quia cum molendina villae Yprensis molere nequeant sine vento, quae si etiam diebus singulis ventum haberent propitium ad molendum non sufficeret multitudini hominum eorundum; si concedi petebant, ut liceret eis molere quamdocumque ventus aptus venerit ad molendum" (12, S. 168). Bemerkenswert ist noch, daß alle diese Mühlen, d. h. die von 1195, 1197, 1219, 1247 und 1250, in der Nähe der französischen Grenze gelegen waren, so daß eine Verbreitung der Windmühle vom französischen Gebiet aus wohl mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist.
A. Europa:
Belgien
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Wir verfügen in bezug auf die Windmühlen in Belgien über eine ganze Anzahl statistischer Daten. Die das ganze Land betreffenden gehen zurück bis 1846. Ich lasse diese Zahlen hier folgen: Die Zählungen in den Jahren 1846, 1880 und 1886 waren offizielle Zählungen. Die Zählung im Jahre 1927 wurde von der Vereniging voor Nafuur- en Stedenschoon (13, S. 9 f.) vorgenommen. Die Zahl für 1946 habe ich BOONENBURG entliehen (14, S. 32). Aus diesen Daten kann der Schluß gefolgert werden, daß der Bestand an Mühlen von 1846 bis 1880 um gut 21% zurückgegangen ist oder durchschnittlich um ± 0 , 6 % jährJahr
"Windmühlen
WaaaerradmüMen
Inageeamt
1846 1880 1886 1927 1946
2739 2168 .
2634 2353
6373 4611 3121 1000
274
lich. Wir wissen leider nicht, wie er zwischen 1880 und 1886 abgenommen hat. Höchstwahrscheinlch ist der Rückgang in diesen Jahren relativ viel stärker gewesen als in der Zeit zwischen 1846 und 1880. Wenn wir die Gesamtzahlen für die Wind- und die Wasserradmühlen betrachten, so gilt für den Bückgang in dieser Periode die Durchschnittszahl 16%. Daraus folgt, daß die Zahl der Wasserradmühlen weniger abgenommen hatte als die der Windmühlen. Die Gesamtheit der Wind- und der Wasserradmühlen ist in der Zeit von 1880 bis 1886 um 30,8% zurückgegangen. Dies entspricht einem Durchschnitt von gut 5,1% jährlich. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß der Prozentsatz für den Rückgang der Windmühlen noch höher liegt. Ein sprechendes Beispiel für den Rückgang des Windmühlenbestandes in Belgien gibt Robert VANDEVELDE (15, S . 57) für die Provinz Ost-Flandern. Im Jahre 1 8 3 0 , als das Belgische Grundbuchamt errichtet wurde, sind 703 Windmühlen eingetragen worden. Nach 1830 sind noch 115 hinzugekommen. Von diesen 818 Windmühlen in OstFlandern waren 1 9 6 1 kaum 38 übrig geblieben. BOONENBURG (14, S . 3 2 ) gibt 1 9 4 6 für Ost-Flandern noch 63 Windmühlen an. Daß die Zahl der Windmühlen in Belgien auch in unseren Tagen noch weiter zurückgeht, sehen wir an der Provinz Antwerpen: Jahr
vorhanden
1946 1958 1961
50 48 42
la Betrieb
31 6
unter Denkru&Ißchnti gestellt 15 12
Die Zahlen für 1946 sind BOONENBURG (14, S. 32) entliehen, diejenigen für 1958 der Zeitschrift ,,Natuur- en Stedenschoon" (17, S. 51 f.) und die für 1961 dem Werk von DESART (15, S . 79).
Auch aus den Zahlen für die einzelnen Städte geht deutlich der Rücklauf auf diesem Gebiet hervor. Ich will mich hier auf die Stadt Gent beschränken. Der Historiker Guichardin (1482-1530) spricht von 100 Windmühlen, die um diese Stadt herum stan-
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
den. Auf dem farbigen Panorama-Stadtplan aus dem Jahre 1534 sind mehr als 60 Windmühlen dargestellt (15, S. 58). Noch 1708 standen zahlreiche Mühlen auf dem Stadtwall (16, S. 232, Fußnote). Die letzte Windmühle verschwand dort 1881 (15, S. 58). Obwohl es in Belgien seit dem 7. August 1931 ein Gesetz zur Erhaltung von Denkmälern und Landschaften gibt, sind im letzten Krieg infolge der hohen Holzpreise viele Mühlen niedergerissen worden. BOONENBTJRG (14, S. 33) ist übrigens der Meinung, daß der Denkmalschutz bei den Windmühlen wenig geholfen hat, da die Regierung nicht energisch auftritt und ihre Aufnahme unter den Denkmalschutz am liebsten aufhebt, um das Niederreißen zu ermöglichen. Die meisten dieser Windmühlen waren Getreidemühlen (18, S. 98). Eine andere Funktion ist das Herauspumpen von überflüssigem Wasser. Nach V I S S E R (2, S. 8) war man im 16. Jahrhundert der Ansicht, daß für je 2000 Einwohner 1 Mühle nötig war. H A V E R M A N S (18, S. 100) gibt für den Anfang des 20. Jahrhunderts im Gebiet zwischen der Scheide, der belgisch-niederländischen Grenze und der Landstraße von Antwerpen nach Breda dieselbe Verhältniszahl an. Er bemerkt außerdem, wie eigentümlich es sei, daß man in Flandern schon im 15. und 16. Jahrhundert allgemein annahm, daß für je 2000 Einwohner 1 Mühle erforderlich sei. Anscheinend könnte diese Verhältniszahl es ermöglichen, wenigstens für Belgien die Zahl der Mühlen im Verhältnis zur Größe der Bevölkerung zu schätzen. Bei der Anwendung dieser Verhältniszahl aber stoßen wirt schon gleich auf Schwierigkeiten. Sie wäre wol zu gebrauchen, solange es sich um Gereidemühlen handelt; ich nehme jedoch an, daßh die Zahl der Industriemühlen in diese Verhältniszahl nicht eingeschlossen ist. Aber auch für den Fall, daß es sich um Getreidemühlen handeln sollte, müssen wir uns darüber klar sein, daß diese Getreidemühlen sowohl in der Gestalt von Wasserradmühlen als auch in der Form von Windmühlen auftreten können. Ferner hängt das Verhältnis zwischen Wind- und Wasserradmühlen von geographischen (unter Einbeziehung auch der klimatologischen) Umständen ab. Die Verhältnisziffer: 1 Mühle je 2000 Einwohner ist also nicht brauchbar für die Schätzung der Zahl der Windmühlen, die sich auf dem Höhepunkt der Entwicklung ergeben haben kann. In der Mühlenliteratur finde ich endlich noch einen Bericht vor, der nicht ohne weiteres richtig zu deuten ist. Bei L A U R Y S S E N ( 1 9 , S. 5 8 ) ist von Steuerfreiheit für das vierte Pferd einer Windmühle die Rede. Ich stelle mir die Sache so vor, daß ein Müller für die Fuhren bestimmt keine vier Pferde braucht. Ich denke vielmehr an eine Windmühle, für die man zugleich die Zugkraft von Pferden benutzen konnte, wie ich es in Kapitel 1 dargelegt habe. Doch kann diese Frage nicht ohne nähere Untersuchungen entschieden werden. Die Mühlen in Belgien werden von außen gegen den Wind gerichtet mit Hilfe eines Stakens oder eines Sterzes.
MÜHLENTYPEN
A. D I E HORIZONTALE
WINDMÜHLE
In Belgien habe ich über das Vorkommen von horizontalen Windmühlen nirgends einen Anhalt finden können.
A. Europa: Belgien Β. D I E V E R T I K A L E
49
WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Über das Vorkommen einer nicht-drehbaren Mühle habe ich nichts erfahren. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse a. Die Bockmühle. Der älteste Mühlentyp in Belgien ist die Bockmühle (Flämisch: Standerdmolen, staakmeule). Das Aufkommen der steinernen Mühlen kann man nicht früher datieren als zu Beginn des 17. Jahrhunderts (5, S. 6; 15, S. 10). Bis zu dieser Zeit kannte man in Belgien offenbar ausschließlich Mühlen aus Holz. So erwähnt V A N D E V E L D E (15, S. 37), daß die Stadt Gent 60 hölzerne Mühlen zählte. Für Brügge wurden 1562 25 Bockmühlen angegeben (21, S. 256 f.). In Belgien hat es sehr viele Bockmühlen gegeben. Die Bockmühle in Belgien besteht aus einem Gehäuse aus Holz, dessen Grundfläche ein Rechteck ist. Die vordere und die hintere Kante der Mühle bilden die schmalen Seiten. Die Seitenwände der Mühle sind breiter. Das Ganze dreht sich auf einem Bock. Wir können die offene Bockmühle* die halbgeschlossene Bockmühle* und die geschlossene Bockmühle* unterscheiden. Ich glaube mich B O O N E N B U K G (14, S. 100) anschließen zu müssen, der die Bockmühle in Belgien im allgemeinen reicher und voller nennt als die in den Niederlanden. In Belgien sieht man an vielen Mühlen dieser Gruppe Anbauten, die sogenannten Kombüsen. Diese kommen meiner Kenntnis nach in den Niederlanden nicht vor. b. Die Wippmühle. Soweit mir bekannt ist, wird in der Mühlenliteratur Belgiens niemals das Vorkommen von Wippmühlen oder Köchermühlen erwähnt. BOONENBTXRG (14, S. 32, Anm. 1) gibt an, daß sich unter den Bockmühlen viele sogenannte „torenkotmolens" befinden. Dies sind Bockmühlen, die nicht auf den üblichen vier Sockeln, sondern auf einem gemauerten, runden Kofen ruhen, dem torenkot oder „Turmkofen". In vielen torenkotten, d. h. in der Räumlichkeit unter der Mühle, befand sich eine Ölpresse oder eine Schwingelmaschine, die ebenfalls vom Triebwerk der Mühle in Bewegung gebracht wurde. Da das Triebwerk sich in solchem Fall im oberen Teil der Mühle befindet, muß es zwischen diesem oberen Teil und dem Kofen einen Durchgang (Köcher) geben, um die im unteren Raum stehenden Werkzeuge antreiben zu können. Es ist deutlich, daß wir es in einem solchen Fall mit einer Köchermühle oder Wippmühle zu tun haben*. Nach R O N S E ( 1 0 , S. 12) hat das Aufkommen der Mühle aus Stein den Unterbau der Bockmühle mit dem Turmkofen hervorgerufen. Man hob die ganze Bockmühle in die Höhe und mauerte darunter den Unterbau. Dieserfolgteim 17. Jahrhundert. Ich glaube daraus herleiten zu dürfen, daß die Wippmühle erst im 17. Jahrhundert in Belgien Eingang gefunden hat, und zwar durch einen Umbau der Bockmühle. Der Name „torenkotmolen" für die Wippmühle scheint vor allem in der Provinz West-Flandern in Gebrauch zu sein. Verwirrend ist aber der Umstand, daß man die gleiche Mühle in den anderen Provinzen als torenmolen (Turmmühle) bezeichnet, während gegenwärtig im internationalen Gebrauch die Bezeichnung „Turmmühle" für die Mühle mit drehbarer Haube allgemein üblich ist. Welche Reichweite die Verbreitung dieser Mühlen in Belgien gehabt hat, und wie groß ihre Anzahl war, ist mir nicht bekannt, u. a. weil man in diesem Lande zwischen Bockmühlen und Wippmühlen keinen Unterschied, - oder wenigstens nicht einen deutlichen Unterschied macht.
14, 15, 16
17
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
c. Die Paltrockmühle. Soweit man der Sache nachgehen kann, hat Belgien die Paltrockmühle nie gekannt d. Der Tjasker. Auch dieser ist in Belgien offenbar unbekannt. III. Mühlen mit drehbarer Haube
18 19
a. Die zylindrische Turmmühle. Soweit mir bekannt ist, hat es in Belgien niemals zylindrische Turmmühlen gegeben (22, S. 66). b. Die leicht-konische Turmmühle. Auch dieser Typ scheint in Belgien unbekannt zu sein. c. Die konische Turmmühle. Betreffs des Aufkommens der ersten Mühle aus Stein in Belgien sind die Meinungen ziemlich geteilt. L A T T I N (5, S. 6) ist der Ansicht, daß sie im Anfang des 17. Jahrhunderts aufkam. R O N S E (15, S. 10) meint jedoch, daß man die Mühlen erst im 18. Jahrhundert aus Stein gebaut habe. Derselbe Forscher (10, S. 12) schreibt aber, daß die obengenannten torenkotmolens im 17. Jahrhundert gebaut wurden, und zwar infolge des Aufkommens von Mühlen aus Stein. E D O U A R D R E M O U CHAMPS, Direktor des „Musée de la vie wallonne" in Lüttich, schrieb mir, daß die Mühle aus Stein wahrscheinlich im 18. Jahrhundert aufgekommen ist (23), B A R O J A (1, S. 265) glaubt, daß sie um 1650 eingeführt wurde. Auf Grund dieser verschiedenen Berichte glaube ich von der Tatsache ausgehen zu müssen, daß es vor dem 17. Jahrhundert in Belgien keine steinernen Windmühlen, in caau konischen Turmmühlen, gegeben hat. Diese konische Turmmühle wurde im allgemeinen aus Backstein gebaut. Die einzige aus Holz gebaute Mühle mit drehbarer Haube in der Provinz Antwerpen steht in Arendonk. Sie datiert aus dem Jahre 1770 oder 1780 und ist 1957 restauriert worden (17, S. 39, Nr. 4). Vermutlich ist es eine konische Turmmühle. Ob es in Belgien noch mehr Mühlen dieses aus Holz gebauten Typs gegeben hat oder noch gibt, ist mir nicht bekannt. In der Provinz Lüttich soll es im Gegensatz zum Westen und zur Mitte Belgiens mehr Mühlen aus Stein gegeben haben (24, S. 206). In diesem Gebiet wird die konische Turmmühle als moulin français bezeichnet (24, S. 206)*. d. Die eckige Turmmühle. Aus Abbildungen, die sich in meinem Besitz befinden, geht hervor, daß die eckige Turmmühle in Belgien vorkam*. Welche Verbreitung diese Mühlen gehabt haben, und in welcher Dichte, ist mir nicht bekannt. Ebensowenig ist mir bekannt, ob sie noch für andere Funktionen als für das Herauspumpen von überflüssigem Wasser verwendet wurden.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE In Belgien kommt allgemein das Flügelkreuz vor. Wir können hier folgende Formen unterscheiden : 1. Vier Flügel mit dem Gatter an der einen Seite der halben Rute. Das Gatter besteht aus drei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten. Über dieses Gatter kann ein rechteckiges Segel gespannt werden. Der Flügel weist eine Wölbung auf. Diese Flügelform kommt bei der Bockmühle, der Wippmühle und der konischen Turmmühle vor. 2. Ganz wie unter 1., doch können an der anderen Seite der halben Rute Windbretter
A. Europa: Belgien
51
angebracht werden. Diese Flügelform kommt bei der Bockmühle, der Wippmühle, der konischen Turmmühle und der eckigen Turmmühle vor.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN
MÜHLE
In Belgien können wir die folgenden Haubenformen unterscheiden: 1. Die Sattelform. Diese kommt bei der Bockmühle und der Wippmühle vor. 2. Die gebrochene Sattelform. Diese kommt bei der Bockmühle und der Wippmühle vor. 3. Die Glockenform. Diese kommt bei der Bockmühle und der Wippmühle vor. 4. Die Bootform. Diese kommt bei der konischen Turmmühle und der eckigen Turmmühle vor. 5. Die Zwiebelform. Diese kommt bei der konischen Turmmühle vor.
QUELLEN 1. Julio Caro Baroja: „Dissertación sobre los molinos de viento" in: Revista de Dialectología y Tradiciones populares, Tomo V I H , Cuad. 2, Madrid, 1962. 2. H . A. Visser: Zwaaiende wieken. Over de geschiedenis en het bedrijf van de toindmolens in Nederland, Amsterdam, 1946. 3. Bulletin des Enquêtes. Musée de la vie wallonne, fase. 21-24, 1929-1930. 4. D. Delvin: Les moulins de la commune Biévène, Möns, 1929. 6. Amand de L a t t i n : Onze moleña, Antwerpen, 1927. β. F . M. Feldhaus: Technik der Vorzeit, der geschichtlichen Zeit und der Naturvölker, LeipzigBerlin, 1914. 7. Baron de Reiffenberg: Monuments pour servir à l'histoire des provinces de Namur, de Hainaut et de Luxembourg, Tome 1. 8. Jules Dewert: Les moulins du Hainaut, Tome premier, Charleroi, 1930. 9. Leopold van Hollebeke: L'Abbaye de Nonnenboseche de l'ordre de Saint Benoit pris d'Ypres 1101—1796 suivi du catvlaire de cette maison, Bruges, 1866. 10. Alfred Ronse: De windmolens, Brugge, 1934. 11. G. Doorman: Octrooien voor uitvindingen in de Nederlanden uit de 16e-18e eeuw met bespreking van enkele onderwerpen uit de geschiedenis der techniek, 's-Gravenhage, 1940. 12. Leopold August Warnkönig: Flandr. Staats· und Rechtsgeschichte bis zum Jahre 1305, Bnd. 2, Abt. 1, Tübingen, 1836. 13. Molententoonstelling ingericht in h e t Sterckshofmuseum te Deurne, Antwerpen, 1939. 14. Κ . Boonenburg: „Windmolens in Belgie", in: Heemschut, 27e jg., nr. 2, aprii 1960. 15. Robert Desart: De vñndmolens van België, Brüssel, 1961. 16. Richard Bennet and J o h n Elton: History of cornmiUing, Vol. I I , Liverpool, 1899. 17. Natuur· en Stedenschoon. Speciaal n u m m e r van het maandschrift van de Vereniging Natuuren Stedenschoon, 31e jg., nr. 4, aprii 1958. 18. Robert Havermans: „ H e t molenprobleem", in: Maandschrift van de Vereniging Natuur- en Stedenschoon, 23e jg., nr. 9, September 1950. 19. C. J . Lauryssen: De molens van het graafschap en het hertogdom Hoogstraten. Brecht, 1934. 20. Sven Β. E k : Väderkvamar och Vattenmöllor, Stockholm, 1962. 21. Victor de Rode: Histoire de Lille, Tome I, Paris, 1848. 22. C. Visser, A. ten Bruggencate en J . Schregardus: Onze HoUandsche molens, Reeks I en Π , 1926 en 1929. 23. Edouard Remouchamps; Direktor des „Musée de la vie wallonne" in Lüttich; Brief vom 16. 1. 1962. 24. Elisee Legros: „ L a meunerie à v e n t " , in: Bulletin des Enquêtes de la vie wallonne, faec. 55-56, 1949.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Bulgarien Es ist mir nicht gelungen, in bezug auf die Windmühlen in Bulgarien viele Daten zu sammeln. Auf meine Bitte um Auskunft über diesen Gegenstand schrieb mir George Mikhailov Dobrev, Direktor der Nationalen Bibliothek „Vassil Kolarov" in Sofia ua.: „After extensive enquiries in this matter, we are sorry to inform you that we could not find documents and material relating to the subject of your studies. In fact, this is only natural, since water-power has been generally the main motorsource of the mills in this country" (4). Gern nehme ich an, daß die Hauptkraftquelle in Bulgarien das Wasser ist, da ein großer Teil des Landes aus Gebirge besteht. Es bleibt aber noch genügend Flachland übrig, wo diese Wasserkraft fehlt und man als Kraftquelle den Wind verwenden könnte. Es zeigt sich denn auch, daß hier in der Tat Windmühlen vorkommen. Der oben erwähnte Bericht von Dobrev bedeutet also wohl, daß in diesem Lande dem fraglichen Gegenstand niemals spezielle Untersuchungen gewidmet worden sind. Herr I. T. Nazarof, bulgarischer Handelsattache in den Niederlanden, teilte mir mit, daß sich in der Dobrudscha und entlang der Küste des Schwarzen Meeres Windmühlen vorfinden. Durch Vermittlung von Herrn Nazarof ist es mir auch gelungen, einiger Fotobilder von Windmühlen in der Dobrudscha habhaft zu werden. In bezug auf die Mühlen entlang der Meeresküste ist mir dies jedoch nicht gelungen. Man wird daher die hier folgende Erörterung über die Windmühlentypen nur mit dem nötigen Vorbehalt annehmen können, bis wir in diesem Punkt vollständiger informiert sind. In bezug auf die Zeit, in der die verschiedenen Windmühlentypen in diesem Lande zum ersten Male aufgetreten sind oder erwähnt werden, sind mir keine Daten bekannt.
MÜHLENTYPEN A. D I E HORIZONTALE
WINDMÜHLE
Es ist mir nicht bekannt, ob dieser Typ sich in Bulgarien zur Zeit noch vorfindet oder sich früher dort vorgefunden hat. B . D I E VERTIKALE
WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Angaben über das etwaige Vorkommen von nicht-drehbaren Windmühlen habe ich nicht finden können. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse
20, 24
a. Die Bockmühle. Daß in der Dobrudscha Bockmühlen vorkommen, erweist sich aus fünf Fotobildern, die ich aus Bulgarien erhalten habe. Die Bockmühle besteht aus einem vierkantigen Prisma, das im allgemeinen nicht in hoher Bauweise aufgeführt wird. Die Vorder- und die Rückseite sind schmäler als die Seiten wände*.
A. Europa: Bulgarien
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Die Abbildungen 21 und 22 stellen dieselbe Mühle dar. Die Abbildungen 20, 21 und 22 zeigen uns, auf welche sehr primitive Weise diese kleinen Konstruktionen zusammengesetzt sind. Die Mühle auf Abbildung 24 dagegen macht einen mehr gepflegten Eindruck. Aus Abbildung 20 geht hervor, daß sich diese Mühle im Zustand des Verfalls befindet. Sie hat nur noch zwei ganze Flügel, die beiden anderen nur als Stümpfe. Außerdem stellen wir fest, daß diese Mühle auf einer Balkendecke errichtet ist, die selber auf einem quadratischen Sockel aus lockeren Steinen steht. Auf den Abbildungen 21, 22 und 24 sehen wir, daß diese Balkendecke ohne Zwischenkörper unmittelbar auf dem Boden ruht. Die Abbildung 25 zeigt uns gleichfalls eine bulgarische Bockmühle, deren Bock von einem runden, gemauerten Postament umgeben ist. Wir wissen aber nicht, auf welche Weise der Bock in dieses Postament eingebaut worden ist. Es fällt mir ferner auf, daß an keiner dieser Mühlen ein Balken angebracht ist, mit dessen Hilfe die Mühle gegen den Wind gerichtet werden kann. Wie dies eigentlich geschieht, ist mir nicht bekannt; mir ist jedoch aufgefallen, daß auf Abbildung 21 um die Mühle herum im Boden kleine Pfähle stecken. Diese Pflöcke dienen höchstwahrscheinlich dazu, die Mühle stabil zu machen um zu verhindern, daß sie vom Winde abgedreht wird. Wie dies aber im einzelnen geschieht, ist mir nicht bekannt. In bezug auf die Bockmühle in Bulgarien bemerkt BOONENBURG (2, S. 16; 3, S. 12), daß hier vielleicht von einer „Kreuzung" zwischen der germanischen und der romanischen Kultur die Rede sein kann, da diese Mühlen den Unterbau einer romanischen Turmmühle und den Oberbau einer normalen, als germanisch angesehenen Bockmühle aufweisen. In Kapitel 5 komme ich auf diese Interpretation zurück. Höchstwahrscheinlich meint BOONENBURG eine Mühle wie auf Abbildung 25, da die anderen Abbildungen zu einer solchen Annahme kaum Anlaß geben. Soweit mir bekannt ist, gibt es in Bulgarien keine anderen Typen aus der Klasse der Windmühlen, deren ganzer Körper gedreht werden muß, um die Flügel gegen den Wind richten zu können. III. Mühlen mit drehbarer Haube Aus der von Herrn Nazarof erteilten Auskunft glaube ich folgern zu müssen, daß sich entlang der Küste des Schwarzen Meeres möglicherweise zylindrische Turmmühlen, - diese auch neben leicht-konischen Turmmühlen oder nur die letzteren - , vorfinden. Dies würde mich durchaus nicht wundern, da in einem Teil dieses Küstenstriches die Bevölkerung aus Griechen besteht. Es ist mir jedoch nicht gelungen, hierüber nähere Auskunft zu erhalten.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Es ist schwierig zu sagen, wie die Flügelform der Mühle auf Abbildung 20 beschaffen ist. Vermutlich ist es die gleiche wie auf den Abbildungen 21, 22 und 23. Über die ursprüngliche Zahl der Flügel läßt sich mit Gewißheit nichts aussagen. Auf Grund der mir zur Verfügung stehenden Fotobilder glaube ich etwa drei Flügelformen unterscheiden zu können: 1. Sechs Flügel. Die halben Ruten werden hier durch Stangen gebildet, an deren beiden Seiten ein Gatter befestigt ist. Diese Gatter tragen keine Segel, doch sind die Zwischenräume zwischen den Längslatten und Querlatten ausgefüllt mit Teilen, die
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21, 22
23
25
Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
wie dünne Brettchen aussehen. Die Flügel drehen sich gegen den Uhrzeiger und bilden mit der Ebene, in der sie drehen, einen Winkel. Die Flügel werden im richtigen Abstand voneinander gehalten durch Stangen, die zwischen ihnen angebracht sind. Der Kopf der Flügel welle wird durch zwei Strebebalken gestützt*. Möglicherweise werden diese Balken benützt, um die Mühle gegen den Wind zu richten. 2. Acht Flügel derselben Art wie der unter 1. beschriebenen. Ich weiß aber nicht, welches die Drehrichtung dieser Flügel ist ; wohl bilden sie mit der Drehungsebene einen Winkel. Zwischen den Flügeln sind Stangen angebracht, die sie im richtigen Abstand voneinander halten, und außerdem werden auch die halben Ruten nahe dem Kopf der Flügelwelle durch Stangen an ihrem Platz festgehalten. Der Kopf der Flügelwelle wird bei dieser Mühle ebenfalls durch zwei Strebebalken gestützt*. 3. Zwölf Segelstangen, zwischen denen eine gleiche Anzahl dreieckiger Segel gespannt werden kann. Für V I S S E R (1, S. 98) scheint es offenbar, wie er schreibt, ,ein großes Rätsel' zu sein, wie diese Mühle ihre Segel trägt*. Dies ist m. E. kein Rätsel mehr, wenn wir die Windfangvorrichtung auf Abb. 25 mit derjenigen auf Abb. 24 vergleichen. Aus Abb. 24 ist schwierig abzulesen, ob es sich hier um zehn oder um zwölf Segelstangen handelt. Der Kopf der Flügelwelle weist hier eine Verlängerung auf, nämlich ein Stück Stange, von dem aus Spannseile zu den Toppen der Segelstangen gespannt sind, an denen die dreieckigen Segel befestigt werden. Diese Stangentoppen werden ihrerseits im richtigen Abstand voneinander gehalten durch dazwischen gespannte dicke Leinen. Auf Abb. 25 sind solche Spannseile vorhanden, und es fehlen zwei Segelstangen. Nach Abb. 24 möchte ich aus der Zahl der Spannseile zwischen dem Kopf der Flügelwelle und den Toppen der Segelstangen die Folgerung ziehen, daß hier zehn Segelstangen vorhanden sind. Aus der Art, wie die Segel auf Abb. 24 gespannt sind, möchte ich schließen, daß die Flügel sich gegen den Uhrzeiger drehen.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLEN
21, 22
l. Die Sattelform. Die Sattelhaube auf den Abbildungen 20, 24 und 25 ist aus Holz gebaut. Daneben findet man Sattelhauben aus einem Material hergestellt, das getrocknetem Gras ähnlich sieht*.
QUELLEN
1. 2. 3. 4.
C. Visser, A. ten Bruggencate und J. Schregardus: Onze Hollandsche moleña, Reeks II, 1929. Κ. Boonenburg: De windmolens in het buitenland, o. J., (hektographiert). K. Boonenburg: Windmolens in het buitenland. Sonderdruck ohne Nennung der Zeitschrift, o. J. Ein Brief vom 12. 4. 1962 (Nr. B-I-b4/322) von George Mikhailov Dobrev, Direktor der Nationalen Bibliothek „Vassil Kolarov" in Sofia.
A. Europa: Dänemark
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Dänemark Εκ (1, S. 73, 93) bezeichnet eine Mühle in Fleng aus dem Jahre 1259 als die älteste Mühle Dänemarks. Diese Mühle wurde im genannten Jahr dem Baufonds der Kirche von Roskilde geschenkt. Εκ gibt als Quelle das Diplomatarium danicum, R 2 I: 274 an. An dieser Stelle habe ich aber keine Quelle entdecken können, der Εκ seinen Bericht entliehen haben kann. Er führt weiter aus, daß in einem Testament des Ritters Peder Olufsen in Karise aus dem Jahre 1261 nicht weniger als vierzig Windmühlen in Hedringe erwähnt werden und verweist dazu auf einen Beleg im Diplomatarium danicum, R 2 I: 333. Einen solchen Beleg aber habe ich am angegebenen Ort nicht gefunden. Es ist mir also nicht bekannt, auf welchen Quellen EK'S Angabe beruhen soll. Seine Datierung der ältesten Windmühle in Dänemark werden wir demnach vorläufig mit der nötigen Vorsicht behandeln müssen. In Dänemark waren - wie in vielen anderen Ländern auch - die Mühlen einer Steuer unterworfen. Vor den Windmühlen gab es in diesem Lande vertikale Wasserradmühlen (mit vertikaler Welle) und horizontale Wasserradmühlen (mit horizontaler Welle). Die vertikalen Waeserradmühlen wurden im hauswirtschaftlichen Bereich verwendet, d. h. daß solch eine einfache Wasserradmühle im Besitz eines Dorfes oder einer Gruppe von kleinen Bauernhöfen war. Die komplizierteren horizontalen Wasserradmühlen dagegen wurden als „kommerzielle" Mühlen betrachtet. Die Krone hatte schon sehr früh verstanden, das Mahlen zu besteuern. Sie ging von der Auffassung aus, daß ihr alles Wasser angehörte, und unterstellte das Mahlen ihren Monopolansprüchen. Als um 1600 die Besteuerung der horizontalen Wasserradmühlen eine feste Einrichtung geworden war, wurden die vertikalen Wasserradmühlen sogar verboten (3, S. 301). Auf der Insel Bornholm, die erst nach 1522 aus schwedischen Händen in den Besitz Dänemarks übergegangen war, blieben trotz dieses Verbotes die vertikalen Wasserradmühlen noch bis 1750/1800 in Betrieb. Später eignete sich die Krone auch das Windrecht an, so daß das Mahlen mit der Windmühle also ebenfalls zu einem königlichen Monopol wurde. Auf der Insel Bornholm konnte die Windmühle erst sehr spät Eingang finden infolge der Tatsachen, daß in bezug auf die vertikale Wasserradmühle illegale Steuerfreiheit herrschte, und daß im allgemeinen die Bevölkerung weit verstreut wohnte (4, S. 13 f.). Auf Bornholm kamen die Windmühlen vor allem zwischen 1860 und 1880 auf. Auch in den übrigen Teilen Dänemarks wurde die Verbreitung der Windmühlen durch die Besteuerung offenbar stark gehemmt. Ursprünglich wurden die Windmühlen nur in dichter bevölkerten Gebieten mit wenig Wasser zugelassen. Später, als der Gebrauch der Wasserkraft die Maximalhöhe erreichte, wurde die Windmühle auch im Hinblick auf trockene Sommer und starken Frost als Ergänzung zugelassen (3, S. 301). Ein im Jahre 1852 angenommenes Gesetz bestimmte, daß diese Steuer nach zehn Jahren aufgehoben werden sollte. Dies hatte zur Folge, daß seit 1862 überall im Lande Windmühlen gebaut wurden. Aus den obigen Ausführungen geht also hervor, daß sowohl eine Steuergesetzgebung als auch eine dünne Besiedlung (Bornholm) die Verbreitung der Windmühle beeinflussen können. Nach 1862 hat die Windmühle in Dänemark eine große Verbreitung gefunden. Ein gutes Beispiel dafür finden wir auf einer Karte der Wind- und Wasserradmühlen im Amte Ribe aus dem Jahre 1906 (5, S. 235). JESPERSEN (4, S. 1 8 , 20) teilt einige Einzelheiten mit, aus denen hervorgeht, wie
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schnell die Windmühlen auf der Insel Bornholm in Verfall geraten sind. Das Material, über das er verfügt, bezieht sich auf etwa 60 Windmühlen. Davon waren 1936 noch 29 übrig geblieben. Diese Zahl war schon 1956 auf 8 zurückgegangen und 1958 sogar auf 5. J E S P E R S E N schließt mit der Bemerkung: „the remaining 5 mills will cease working in a few years, unless steps are taken to preserve them, or at least the best of them". Zwar gab es in Dänemark eine Hochschule für Mühlenbau, doch auch mit deren Hilfe konnten offenbar keine Verbesserungen eingeführt werden, durch welche die Windmühle die Konkurrenz mit den Diesel- und Elektromotoren hätte aufnehmen können. In der Absicht, einige Mühlen unter Denkmalschutz zu nehmen, um sie für die Zukunft zu erhalten, hat man eine Reihe von Untersuchungen vorgenommen. Das Hauptziel dieser Untersuchungen war zu ermitteln, welche Mühlen dafür in Betracht kommen sollten. Dies hatte gleichzeitig zur Folge, daß über alle noch vorhandenen Mühlen sehr viele Unterlagen gesammelt wurden. So wurden 1958 die Mühlen auf Bornholm untersucht, über die Mühlen auf Lolland-Falster ein vorläufiger Bericht aufgestellt, während auf Vend-Syssel eine Felduntersuchung vorgenommen wurde (4, Abb. 9). Im Jahre 1959 wurden die Inseln Als, Aere, Langeland, Lolland-Falster, Bornholm und ein Teil von Sjaelland untersucht (3, S. 302). Es hat sich schließlich ergeben, daß in Dänemark auch die Kombination von Wasserradmühle und Windmühle bekannt ist. J E S P E R S E N ( 4 , S. 8 7 ) erwähnt „windmills attached to watermills". B Ö C H E R ( 5 , S. 3 7 4 ) sagt, „daß einige Wassermühlen durch Einrichtung für Windkraft erweitert wurden".
MÜHLENTYPEN A. D I E HORIZONTALE
WINDMÜHLE
Soweit mir bekannt ist, kam die horizontale Windmühle in Dänemark nur auf der Insel Bornholm und auf der Insel Christiansen (18 km nordöstl. von Bornholm) vor. Die älteste Windmühle auf Bornholm soll eine horizontale Windmühle gewesen sein. Dieser Mühlentyp wird als „Djaevladans" (Teufelstanz) bezeichnet. Die Flügel waren aus Holz. Anscheinend kannte man mit Scharnierklappen versehene Flügel, die sich frei in der Luft drehten, oder solche ohne Klappen, vor die ein Schirm gestellt werden konnte. Es sind mir keine Abbildungen von solchen Mühlen auf Bornholm bekannt. Ich verfüge nur über eine Abbildung, die eine horizontale Windmühle auf der Insel Christiansen darstellt. Die Flügel dieser Mühle drehen sich frei in der Luft und haben keine Scharnierklappen. Diese Abbildung stammt aus dem Jahre 1754 (4, S. 17, 21; 11, S. 46)*. Ich halte es für eine sehr bemerkenswerte Tatsache, daß die älteste Windmühle auf Bornholm zur Hauptklasse der horizontalen Windmühlen gehörte. In Nord-Europa ist sonst die am frühesten auftretende Windmühle stets eine Bockmühle. Die horizontale Windmühle kann übrigens in Europa und gewiß in Nord- und Mitteleuropa als ein Experiment betrachtet werden, das meistens nicht weiter als zu einem Entwurf auf dem Papier oder zur Gestalt eines Modells gelangt ist. In den Fällen, in denen eine solche Mühle wirklich gebaut worden ist, entsprach sie nicht den Erwartungen, da die Leistung zu niedrig war und die Betriebskosten zu hoch lagen. Wie ist es dann zu erklären, daß die erste Windmühle auf Bornholm eine horizontale Windmühle war? Es ist sehr fraglich, ob wir darauf je eine Antwort werden finden können.
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WINDMÜHLE
I. iDie nicht-drehbare Mühle Über das etwaige Vorkommen einer nicht-drehbaren Mühle in Dänemark ist mir nichts bekannt geworden. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse a. Die Bockmühle. Bockmühlen kommen in Dänemark wohl vor, doch V I S S E R C. S. (6, S. 100; 7, S. 199) nennt deren Anzahl auffallend klein. Dies scheint aber nicht immer der Fall gewesen zu sein. B O O N E N B U R G (10, S. 3 f.) gibt an, daß er auf einer alten Karte des Sund und dessen weiterer Umgebung aus der Zeit um 1600 Hunderte von Bockmühlen abgebildet fand; sie standen sowohl auf Sjaelland als auf den übrigen Inseln des dänischen Archipels und, auf der gegenüberliegenden Seite, in Südschweden. Es sah auf dieser alten Karte wirklich danach aus, daß jeder Bauer seine eigene kleine Bockmühle hatte. Die Dänen nennen diese Mühle Stubmolle. Die Bockmühle besteht aus einem vierkantigen Prisma, dessen Seitenwände breiter als die Vorder- und die Rückseite sind*. In Dänemark wird der Sockel der Bockmühle selten geschützt. Eine Ausnahme stellt die Bockmühle auf Bornholm dar, die auf einem Fundament aus Granit ruht und deren hölzernes Fußgestell innerhalb des Mühlenkörpers steht*. J E S P E R S E N hat 1959 eine Liste von noch intakten Bockmühlen aufgestellt, in die er aber auch die Exemplare der Freiluftmuseen aufgenommen hat, und zwar jeweils im Rahmen der Gebiete, aus denen sie ursprünglich herstammten: Sjaelland Lolland Falster Bornholm kleinere Inseln Jylland (möglich) Fyn im Ganzen
5 2 2 3 3 2 0 17 Bockmühlen
Der größte Teil dieser Mühlen steht unter Denkmalschutz. Zwei davon habe ich im Friland-museet zu Sorgenfri, Kopenhagen, gesehen, und zwar eine von der Insel Laeso und eine von Sjaelland. Wie ich anfangs schon mitteilte, soll die erste Bockmühle aus dem Jahre 1259 stammen. Diesen Befund müssen wir aber, wie gesagt, vorläufig mit der nötigen Vorsicht behandeln. Allerdings erwähnt E R I X O N ( 8 , S . 4 4 ) , daß die älteste Windmühle aus dem 13. Jahrhundert datiert. Die älteste bekannte Angabe über das Vorkommen einer Bockmühle auf Bornholm stammt jedoch aus dem Jahre 1 7 3 7 ( 4 , S. 1 8 ) . J E S P E R S E N ( 4 , S. 1 8 ) „denkt", wie er sagt, daß auf Bornholm der Übergang von der horizontalen Windmühle zu der vertikalen Windmühle, in casu der Bockmühle, mit dem Übergang zu der horizontalen Wasserradmühle zusammenfiel. Dies soll, seiner Meinung nach, zwischen 1750 und 1800 geschehen sein. Ich glaube nun J E S P E R S E N SO verstehen zu müssen, daß er irgend einen Zusammenhang zwischen der horizontalen Windmühle und der Bockmühle suggerieren will, wenn er da angibt, es scheine wohl der ursprüngliche Verlauf der Dinge gewesen
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zu sein, daß im Gatter der Flügel der Bockmühle lose Holzbretter angebracht werden konnten. Er fügt hinzu: „The line of development from the old Djaeviadane is obvious" (4, S. 28). Ich bin aber der Ansicht, daß diese Hypothese nicht stimmen kann. In Ländern wie Portugal und Finnland, um nur diese zwei zu nennen, kommen diese Holzbretter auch vor. Es ist aber keineswegs davon die Rede, daß dies in jenen Ländern mit einer Entwicklung von der horizontalen Windmühle aus zusammenhängen sollte. Für Lolland-Falster ist noch die merkwürdige Tatsache zu erwähnen, daß die Flügel der Bockmühle (1958 vier solcher Mühlen) sich im Uhrzeigersinn drehen, während alle übrigen Windmühlen in Dänemark, und, soweit mir bekannt, auch sonst fast überall in der ganzen Welt sich (von der Windrichtung aus gesehen) entgegen dem Uhrzeiger drehen. Die Drehung in der Uhrzeiger-Richtung hat zur Folge, daß der Hebebaum der Sperre sich an der rechten Seite der Mühle statt an der linken befindet und, da sich auch die Mühlensteine in einer anderen Richtung drehen, die Rillen in den Mühlensteinen in entgegengesetzter Richtung laufen (3, S. 302; 4, S. 34). Es steht mir keine Abbildung dieser Bockmühle zur Verfügung, doch muß man diese Drehrichtung m. E. auch aus den Flügelformen ablesen können. Der Winkel, den der Flügel mit der Ebene der Drehung bildet, oder die Flügelwölbung muß eben auch dem sonstigen Stand entgegengesetzt sein. Falls das Gatter auf die eine Seite der halben Rute verrückt worden ist und sich an der anderen Seite der halben Rute Windbretter befinden, dann müssen auch diese entgegengesetzt angeordnet sein. Aus der Flügelform auf Abb. 28 glaube ich ablesen zu können, daß es sich hier ebenfalls um eine Drehung im Uhrzeigersinn handelt. JESPEBSEN hat dies übrigens auch so dargelegt (4, S. 95, D K 20 057). b. Die Wippmühle. Das mir zur Verfügung stehende Material erwähnt nur einmal das Vorkommen dieses Mühlentyps in Dänemark (1, S. 70). Εκ stützt seine Angaben auf STEENSBERG in einer Rezension der Arbeit von WADSTRÖM (9).
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Im Mai 1969, als ich in Gesellschaft des bekannten dänischen Mühlenforschers JESPERSEN Dänemark bereiste, zeigte sich, daß dort die Wippmühle nur in Nord west Jütland vorkam, vor einigen Jahrzehnten noch in einer Anzahl von je einer Mühle für zwei Bauernhöfe. Auf der erwähnten Reise konnten wir nur noch zwei Wippmühlen ausfindig machen, nämlich eine im Hjerl Hede-Museum und eine in dessen Nähe auf der Scheune eines Bauernhofes*. Die Mühlen stehen auf dem Dach der Scheune auf einer quadratischen Plattform. Sie bestehen aus einem kleinen oberen Gehäuse, das um einen langen Köcher dreht. Dieser Köcher setzt sich fort bis in den oberen Teil der Scheune, wo auf einem Balkengerüst die Steine gelagert sind. Die Mühle auf dem Bauernhof hat zum letzten Mal im Herbst 1968 gemahlen. Wie der Inhaber behauptete, betrug die Mahlkapazität 200 kg (Kilo) pro Stunde. Vermutlich sind diese Mühlen erst nach 1850 gebaut worden, da ein Hauptbestandteil des Triebwerks ein gußeisernes Rad ist, das erst nach 1850 in das Gebiet eingeführt wurde. c. Die Paltrockmühle. Über die Paltrockmühle in Dänemark wird in der Literatur nichts geschrieben. Während meiner Reise durch Dänemark im Jahre 1969 sah ich bei Klintholm auf der Insel Mon eine außer Betrieb gesetzte und verschlossene Mühle. Ein Gutsbesitzer der Nachbarschaft war sehr positiv in seiner Behauptung, daß es sich hier um eine Paltrockmühle handele*. d. Der Tjasker. Diese Mühle kommt in Dänemark nicht vor. Andere Mühlentypen dieser Klasse scheinen in Dänemark unbekannt zu sein.
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III. Mühlen mit drehbarer Haube a. Die zylindrische Turmmühle. Spuren vom Vorkommen dieser Mühle habe ich nicht entdecken können. b. Die leicht-konische Turmmühle. Auch über diese Mühle habe ich nichts entdeckt. c. Die konische Turmmühle. In Dänemark ist die konische Turmmühle anscheinend eine ziemlich seltene Erscheinung, außer auf Bornholm und im südöstlichen Teil von Fyn (3, S. 302)*. Von den zwei Exemplaren, die auf Bornholm vorkommen, trägt eines eine zwiebeiförmige Haube und das andere eine Haube in der Form eines umgekehrten Bootes. Diese Mühlen sind aus Haustein gebaut. Beide sind Bodenmühlen (4, S. 90, DK/20 003 und DK/20 005). Sie werden hier als hollaender bezeichnet (3, S. 302). Aus Abb. 31 können wir ersehen, daß dieser Mühlentyp auch die selbsttätige Vorrichtung kennt, durch welche sich die Mühle gegen den Wind richtet. Wann dieser Typ in Dänemark aufgekommen ist, ist mir unbekannt. Auch über dessen Verbreitung habe ich keine Angaben finden können, obwohl ich glaube annehmen zu dürfen, daß dieser Typ in diesem Lande nie eine große Verbreitung gehabt hat. Auch Εκ (1, S. 70) gibt an, daß die konische Turmmühle zwar vorkam, daß jedoch die eckige Turmmühle in Dänemark die gewohnte Erscheinung war. d. Die eckige Turmmühle. Die eckige Turmmühle war also in Dänemark eine gewohnte Erscheinung. Auch dieser Typ wird in diesem Lande als hollaender bezeichnet (3, S. 302). Er hat durchweg eine achtkantige Form*. Als Baumaterial wird sowohl Haustein als auch Backstein verwendet. Auf Bornholm ist die aus Haustein gebaute eckige Turmmühle innen rund (4, SS. 46, 55, 67). Die in Holz ausgeführte eckige Turmmühle ist innen aber achteckig, und ihr Körper ist häufig mit Schindeln gedeckt. Auf Bornholm ist die Mehrzahl dieses Mühlentyps aus Holz gebaut. J E S P E R S E N (4, S. 22; 3, S. 302) ist der Anflicht, daß man bei diesem Typ zwei Varianten unterscheiden kann: eine nordöstliche und eine südwestliche. Die Unterschiede in ihrer äußeren Erscheinungsform betreffen die Basis der Mühle und die Gestaltung der Haube. Die nordöstliche Variante hat einen Unterbau, dessen Wände senkrecht auf dem Boden stehen, während die Turmform oberhalb dieses Unterbaues anfängt. Bei der südwestlichen Variante setzt die Turmform schon am Boden an, oder von einem sehr niedrigen Unterbau aus, und infolgedessen ist diese Mühle durchweg niedriger. So stellt J E S P E R S E N es in seinen Skizzen von den beiden Varianten dar *. Die Fotobilder aber, die er als Beispiele für den nordöstlichen Typ bringt, stimmen meiner Ansicht nach mit diesen Skizzen nicht überein. Die Wände des Mühlenfußes auf Abb. 34 stehen zwar senkrecht auf dem Boden, doch die Strebepfeiler des Fußes werden in die Schräge der Mühle aufgenommen. So glaube ich denn auch, daß hier in Wirklichkeit kein Unterschied zu der als südwestlicher Typ abgebildeten Mühle vorliegt*. Und umgekehrt finde ich auch, daß die Abbildung des südwestlichen Typs*, was die äußere Form betrifft, mit der von J E S P E R S E N gezeichneten Skizze dieses Typs nicht übereinstimmt*. Hierzu möchte ich nochmals bemerken, daß ich ausschließlich die äußere Erscheinungsform des Mühlenkörpers meine. Ferner möchte ich hier noch auf Kapitel 1 verweisen, und zwar auf die Ausführungen über die Art und Weise, wie die Mühlen höher hinauf an den Wind gebracht werden. Die nordöstliche Variante hat eine Haube in der Form einer Zwiebel, die südwestliche dagegen eine solche in der Gestalt eines umgekehrten Bootes. Außerdem gibt es noch in der Konstruktion eine Anzahl von Unterschieden, die wir hier außer Betracht lassen.
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JESPERSEN hält es für möglich, daß die nordöstliche Variante von Schweden aus beeinflußt wurde, während die südwestliche in Zusammenhang mit den Niederlanden stehen könnte. Es ist ferner sehr gut möglich, daß beide Typen bei ihrem Aufkommen in sich ausgeprägter waren. Im Augenblick weisen beide Varianten Merkmale von beiden Muttervarianten auf (4, S. 22). Ich habe den Eindruck, daß die Windmühlen in Dänemark in der Hauptsache Getreidemühlen sind. Sobald JESPERSEN (Abb. 4, S. 79) Windmühlen mit einer anderen Funktion erwähnt, spricht er von odd-activitymills. Alle diese Mühlen gehören aber auch zum Typ der eckigen Turmmühle, wenigstens soweit ich der Sache nachgehen konnte. Ich glaube jedoch noch einen Sonderfall anführen zu müssen, nämlich eine Mühle, bei der die Seitenwände fehlen*. Auch in anderen Ländern begegnen uns selten Mühlen, bei denen die Seiten wände ganz oder teilweise weggelassen wurden. Die hier angeführte Mühle gehört dennoch zu den eckigen Turmmühlen. Diese Mühle treibt ein Sägewerk an, und ihre Flügel drehen sich in der Uhrzeiger-Richtung. Soweit ich der Sache habe nachgehen können, kommen in Dänemark keine Mühlen vor, die von innen her gegen den Wind gerichtet werden. Neben Mühlen, die von außen mit Hilfe eines Sterzes gegen den Wind gerichtet werden, kommen auch Mühlen vor, die sich durch eine selbsttätige Vorrichtung nach der Windrichtimg einstellen (6, S. 100; 7, S. 199). Zu welcher Zeit die eckige Turmmühle in Dänemark Eingang fand, ist mir nicht bekannt. Ich weiß nur, daß die ältesten Zeugnisse für diesen Mühlentyp auf Bornholm auf das Jahr 1785 zurückgehen.
F L Ü G E L F O R M E N DER V E R T I K A L E N MÜHLE Soweit ich aus den mir zur Verfügung stehenden Fotobildern ersehen kann, ist in Dänemark nur das Flügelkreuz bekannt. Die Flügel dieses Flügelkreuzes weisen jedoch verschiedenerlei Konstruktion auf: 1. Das Gatter befindet sich gleichförmig an beiden Seiten der halben Rute. Zu beiden Seiten der halben Rute verläuft je eine Längslatte, die mit der Rute durch Querlatten verbunden ist. Über dieses rechteckige Gatter kann ein Segel gespannt werden. Aus der Abbildung (4, gegenüber S. 28) ist kaum zu ersehen, ob der Flügel eine Wölbung aufweist, oder nur mit der Ebene der Drehung einen Winkel bildet. Diese Konstruktion treffen wir bei der Bockmühle an. 2. Das Gatter befindet sich an beiden Seiten der halben Rute, doch ist es auf einer der Seiten breiter. Es besteht daher aus Querlatten mit zwei verschiedenen Längen,die links und rechts der halben Rute angebracht sind und durch je eine Längslatte gestützt werden. Im Gatter können statt des Segels kleine, dünne Bretter angebracht werden. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. Diese Flügel weisen keine Wölbung auf, doch bilden sie mit der Drehungsebene einen Winkel. 3. Das Gatter befindet sich an beiden Seiten der halben Rute, doch ist es auf einer der Seiten breiter. Zu beiden Seiten der halben Rute verläuft je eine Längslatte, die durch Querlatten mit der Rute verbunden ist. Über das Gatter kann ein rechteckiges Segel gespannt werden. Auch hier ist es schwer zu sehen, ob der Flügel eine Wölbung aufweist, oder nur mit der Drehungsebene einen Winkel bildet. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. 4. Das Gatter befindet sich nur an der einen Seite der halben Rute. An der anderen
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Seite können Windbretter angebracht werden. Das Gatter besteht aus drei Längslatten mit einer großen Anzahl Querlatten. Dieses Gatter kann mit einem rechteckigen Segel bedeckt werden. Wir treffen diese Konstruktion bei der Bockmühle und bei der eckigen Turmmühle an. 5. An der einen Seite der halben Rute befinden sich Jalousien, die sich in Abhängigkeit von der Windstärke selbsttätig öffnen und schließen. An der anderen Seite der halben Rute befinden sich Windbretter. Diese Flügel weisen eine Wölbung auf. Wir treffen diese Form bei der eckigen Turmmühle an. 6. An beiden Seiten der halben Rute befinden sich Jalousien. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der konischen Turmmühle und bei der eckigen Turmmühle an.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE In Dänemark kann man die folgenden Haubenformen unterscheiden: 1. Die Sattelform. Diese Konstruktion treffen wir bei der Bockmühle an. 2. Die Spitzbogenform. Diese Konstruktion treffen wir bei der Bockmühle an. 3. Die Bootform. Diese Konstruktion treffen wir bei der eckigen Turmmühle an. 4. Die Zwiebelform. Diese Konstruktion treffen wir bei der konischen Turmmühle und der eckigen Turmmühle an.
QUELLEN
1. Sven B. Ek: Väderkvarnar och VaUenmöUor. En etnologisk Studie i kvarnarnoe historia. Stockholm, 1962. 2. Diplomatarium danicum, Khvn, 1938. 3. Anders Jeepersen: Danish windmills. Excerpt Transactions of the Newcomen Society, Vol. xxxi, 1957-68 and 1968-69. 4. Anders Jespersen: Windmills on Bornholm, Denmark. A field survey, analysis and recommendation for preservation, compiled 1966-1968, Virum. 6. Steen B. Böcher: Vandkraftens udnyttelse i det sydlige Nerrejylland, forog nu. Mit einer deutschen Zusammenfassung, Kobenhavn, 1942. 6. C. Visser, A. ten Bruggencate en J. Schregardus: Onze HoUandsche molens, Reeks I en II, 1926 en 1929. 7. H. A. Visser: Zwaaiende wieken. Over de geschiedenis en het bedrijf van de windmolens in Nederland, Amsterdam, 1946. 8. Sigurd Erixon: „Quelques contributions nordiques à l'histoire des moulins à vent", in: Laos, tome II, Stockholm, 1962. 9. Roger Wadström: Svenska kvarntermer, Uppsala, 1962. 10. Κ. Boonenburg: Windmolens in het buitenland, Sonderdruck ohne Nennung der Zeitschrift, o. J. 11. Hermann Gleisberg: Technikgeschichte der Getreidemühle, München, 1966. 12. Anders Jespersen: Standard proposals for mill survey work, Nationalmuseets Melleudvlag, Danmark, 1966. Vortrag auf dem ersten internationalen Symposium für Molinologie in Portugal (Estoril), 1966. 13. Anders Jespersen: Mill preservation in Denmark, Nationalmuseets Malleudvlag, Danmark, 1966. Vortrag auf dem ersten internationalen Symposium für Molinologie in Portugal (Estoril), 1966. 14. Anders Jespersen: Mills and their preservation, Copenhagen, 1963.
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in den einzelnen Ländern der Erde
Deutschland S. 1 1 ) gibt an, daß in Deutschland die ältesten Mühlen dem 1 3 . und 14. Jahrhundert angehören. Wie E R I X O N bemerkt ( 2 , S. 4 4 ) , teilt W A D S T R Ö M ( 3 ) mit, daß die Windmühlen Norddeutschland schon im 13. Jahrhundert erreicht haben. Die älteste Windmühle in Deutschland datiert aus dem Jahre 1222. Sie stand auf der Stadtmauer von Köln (5, S. 620). K E U S S E N (4, S. 305, a. 2) schreibt hierzu: „Gegenüber den Häusern auf Burgmauer I liegt ein Turm der Römermauer. Offenbar auf diesem befand sich die im 13. J h d t . erwähnte Windmühle". K E U S S E N (4, S. 132 b) glaubt sogar berichten zu können: „Windmühlen kannte man in Köln jedenfalls schon vor dem 13. Jahrhundert auf der alten Römermauer". Für diese Behauptung gibt er aber keinen Beleg an. Eine zweite Windmühle, von welcher Berichte überliefert sind, stammt aus dem Jahre 1234. Sie befand sich in Schleswig-Holstein. D R U B E (7, S. 6) teilt nämlich mit, daß Heinrich von Barmstede die Hälfte der Einkünfte aus einer Wassermühle (dimidium molendinum aquaticum) und einer Windmühle (molendinum ventivolum) dem Kloster Ütersen schenkte. Eine Windmühle, die in der deutschen Mühlenliteratur gelegentlich als die älteste Mühle Deutschlands bezeichnet wird, soll aus dem Jahre 1303 datieren und dem Kloster Zinna in der Nähe von Treuenbrietzen gehört haben. Erstens ist hierzu zu bemerken, daß wir in Deutschland schon Mühlen vor dieser Zeit kennen, wie vorhin gezeigt wurde. Zweitens geht aus den Urkunden des Klosters Zinna nicht hervor, daß dieses Kloster über eine Windmühle verfügt haben soll. In einigen dieser Urkunden wird mit Nachdruck auf die in jener Zeit gewiß schon vorhandenen Wasserradmühlen hingewiesen. Diese Stellen erwecken den Anschein, als ob die Windmühle zwar schon bekannt war, daß man dieser aber zu Gunsten der klösterlichen Wasserradmühlen in einem weiten Umkreis den Eingang verwehren wollte (9, S. 335-337). Die Urkunde vom 6. Januar 1300 ist verloren gegangen. Aus dem Text einer im 17. Jahrhundert geschriebenen Übersetzung dieser Urkunde können wir folgern, daß das Kloster Zinna das Wasser des Ryplitz-Flüsschens schon vor dem 6. Januar 1300 gekauft hatte (8, S. 6 f.). In einer Urkunde vom 23. Mai 1300, deren Li halt uns nur durch eine wahrscheinlich im 17. Jahrhundert verfaßte Übersetzung bekannt ist, lesen wir: ,, . . . thun wir Kundt, das wir dem Abtt undt dem ganzen Kloster Zinna umb und in Brizen also viel eine meileweges in ambitu, in Cirkel, begriffen, Windt und all Wasser, zu iederzeit zugebrauchen verkauft und nachgelassen haben; . . .". In diesem Text finden wir also die Bestätigung dafür, daß das Kloster im Besitz des Wassers war. Das Windrecht stellt in dieser Urkunde das neue Element dar. Wie es mir scheint, hat das Kloster es schon vier und einen halben Monat nach der Unterzeichnung der ersten Urkunde für nötig gehalten, seine Wasserradmühleninteressen zu beschützen, indem es auch das Windrecht in einer Urkunde festlegen ließ. Es ist aber nirgends eine Andeutung vom Vorkommen einer Windmühle zu entdecken (8, S. 8). Eine Urkunde vom 13. Januar 1301 bestätigt den Ankauf des Wassers und enthält Einzelheiten über den Umfang der damit erworbenen Rechte. Darin kommt die Stolle vor: ,, . . . und den Mühlen, welche jetzt daran liegen oder später oberhalb oder unterhalb, innerhalb und außerhalb der Stadt daran errichtet werden mit allen daraus kommenden Einkünften und vollständigen Gerechtigkeit auf beiden Ufern . . . " (8, S. 9 f.). Das Windrecht und das Vorhandensein von Windmühlen werden in dieser GERHAKD L U T H E R (1,
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Deutschland
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Urkunde nicht erwähnt. Deutlich wird hier der Nachdruck auf das Wasserrecht und auf die Wasserradmühlen gelegt. Eine Urkunde vom 25. Juli 1302 handelt ausschließlich von der Reinigung des Wassers (8, S. 11). Am 3. Mai 1303 wird in einer Urkunde noch einmal ausdrücklich das Wasserrecht festgelegt und bestätigt. Darin kommt die Stelle vor: „ . . . So dass keiner unserer Vögte, auch kein Bürger in Briezen noch irgend einer von unseren Leuten sich unterstehen soll eine Mühle an besagten Gewässern oder andern Wassern dieser unserer Herrschaft oder eine Windmühle oder dergleichen eine Meile weit im Umkreis von Briezen neu zu erbauen; denn dies würde zum grössten Schaden für besagte Mönche gereichen" (8, S. 12 f.). Eine andere Stelle aus dieser Urkunde wirft noch ein besonderes Licht auf die Windmühlenfrage: „Wir verbieten nicht minder bei Vermeidung unserer Ungnade allen Wagen auswärtiger Mühlen, welche zu besagten Kloster nicht gehören, jemals nach der Stadt Briezen zu fahren wegen des zu mahlenden Getreides, weil die Mönche selbst genug Mühlen für Alle an genannten Wassern schon haben oder doch sicher haben werden" (8, S. 13). Ich bin geneigt, aus diesen Angaben zu schließen, daß das Kloster Zinna im Jahre 1303 keine Windmühle besaß, sondern nur über Wasserradmühlen verfügte. Andere Mühlen, die in der Mühlenliteratur manchmal als „älteste Mühlen" bezeichnet werden, sind diejenige in Soest aus dem Jahre 1340 (10, S. 85 f.; 11, S. 13) und diejenige in Speyer aus dem Jahre 1393 (12, S. 846 f.). Ich glaube hier aber bemerken zu müssen, daß mir nicht bekannt ist, aufweiche Quelle der Soester Bericht aus dem Jahre 1340 zurückgeht; SCHWARTZ (11) beruft sich auf VORWERCK (10), und dieser gibt keine Quelle an. Die älteste Mühle, die man zur Zeit in Deutschland kennt, datiert also aus dem Jahre 1222. Im allgemeinen geht aus dem vorhandenen Material hervor, daß die ältesten Mühlen in Deutschland zum Typ der Bockmühle gehören. Daß auch die Kölner Mühle von 1222 dazu gehörte, möchte ich aus bestimmten Gründen nach den Quellen annehmen. KRÜGER (13, S. 221) nimmt nämlich an, daß der Mittelmeertyp (die zylindrische Turmmühle und die leicht-konische Turmmühle), sich zuerst in Süd Frankreich und weiterhin durch das Rhônetal bis nach Burgund und von hier zur atlantischen Küste bis zur Mündung der Loire und bis in die Normandie verbreitet hat. In den Niederlanden wird in dem Gebiet, das gerade nördlich von Emmerich jenseits der Grenze gelegen ist, im Jahre 1444 die erste zylindrische Turmmühle der Niederlande erbaut (s. unter Niederlande). Da es also eine Mühle vom Mittelmeertyp war, möchte ich selbstverständlich versuchen, diese Mühle mit anderen Mühlen dieses Typs in den östlichen Niederlanden und die Vertreter dieses Typs im nächstgelegenen Nachbargebiet, d. h. Frankreich, miteinander in Zusammenhang zu bringen. Die Verbindung zwischen den östlichen Niederlanden mit Frankreich läuft über Belgien oder Deutschland. Soweit man der Sache nachgehen konnte, hat es in Belgien vor dem Jahre 1444 keine Mühlen vom Mittelmeertyp gegeben, auch nach 1444 nicht. Die Verbreitung des Mittelmeertyps muß daher ihren Weg über Deutschland genommen haben. Ich denke dabei an eine Weiterverbreitung von Burgund aus, zum Beispiel zwischen den Vogesen und dem Juragebirge hindurch bis in das Rheintal und von dort zum östlichen Teil der Niederlande. In diesem Zusammenhang könnte es also von Wichtigkeit sein, mit Sicherheit zu erfahren, zu welchem Typ die Kölner Mühle aus dem Jahre 1222 gehörte. Einer schriftlichen Auskunft des Historischen Archivs der Stadt Köln entlehne ich folgendes: „In der Columbaschreinkarte heißt es Bl. 3 a zum Jahre 1222, daß, Marcmannus et
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
uxor sua Irmegardis effestucaverunt super domo et area sita in Berlico iuxta molandinum ad ventum que est Gerardi Gallici et uxorie sue Rigmudus' bzw. daß ,Gerardus et uxor sua Rigmudus effestucaverunt super domo et area, quam edificaverunt Marcmannus et uxor sua Irmegardis in Berlico prope molandinum ad ventum, contigua aree Welteri Aquensis . . . ' . . . Über die Bauart der Mühle läßt sich den Quellen nichts entnehmen; daa völlige Verschwinden derselben aus den Nachrichten der Folgezeit spricht für eine leichte Bauart, d. h. Holz". Hier liegt also ein wichtiges Problem vor, das noch einer näheren Untersuchung harrt. Zunächst sollte man der Frage nachgehen, ob Prof. K R Ü G E R S Hypothese in bezug auf Frankreich wohl stimmen kann, und dazu derjenigen, ob der Mittelmeertyp die östlichen Niederlande über dae Rheintal erreicht hat. Im Hinblick auf die Untersuchungen zur Mühlenkunde glaube ich hier in bezug auf die Verwendung von alten Karten und alten Städteansichten ein warnendes Wort aussprechen zu müssen. Wenn diese Warnung auch für die Mühlenforschung in jedem Lande gelten darf, so glaube ich ihr doch gerade in dem Abschnitt über Deutschland einen Platz einräumen zu sollen, weil dieses Land über eine besonders schöne Sammlung von alten Städtebildern im Werk des Schweizers M E R I A N (15) verfügt. Am Schluß einer modernen Ausgabe dieses Werkes wird buchstäblich geschrieben: „Die insgesamt 56 Kupferstiche stellen mit wenig Ausnahmen Arbeiten von Caspar Merian dar. Da auch er Niedersachsen nicht selbst kannte, mußte er sich in jedem Fall fremder Vorzeichnungen bedienen. Es sind aus diesem Grunde Fehler, Ungenauigkeiten und problematische Ortsbezeichnungen nicht ausgeschlossen". Dieses Zitat spricht m. E. für sich selbst und gewinnt noch an Bedeutung, wenn man von diesen Stadtbildern bestimmte Einzelheiten herleiten will. K L E E B E R G (52, S. 80) bemerkt u. a.: „Ein Vergleich der auf den Merianstichen erkennbaren Mühlen mit den damals urkundlich nachgewiesenen ergibt, daß sehr viele Mühlen fehlen. Die Benutzung der Merianstiche würde also ein lückenhaftes und daher falsches Bild ergeben". Bei Landkarten muß man daran denken, daß die winzige Mühle, mit der eine Windmühle bezeichnet wird, eben nur ein Zeichen ist. Auch auf modernen Karten steht ein solches Zeichen unabhängig von dem Mühlentyp, der sich dort in Wirklichkeit an Ort und Stelle befindet. Um von der Verbreitung der Windmühlen in Deutschland eine zahlenmäßige Vorstellung zu geben, habe ich die folgende Übersicht zusammengestellt: Jahr
Windbetriebe
Getreidemühlen
1882
19.900
18.579
1895 1907
18.362 17.933
17.803 17.027
1925
8.170
?
Diese Angaben sind S C H L E N G E R (17, S . 363) und K R Ü M M E L (18, S. 170) entliehen. Diese Statistik ist deutlich auf die Getreidemühlen ausgerichtet. Die Spalte „Windbetriebe" muß aber auch die übrigen Windmühlen umfassen. Ich weiß jedoch nicht, wie die Gewerbezählungen, aus denen diese Angaben herstammen, zustande gekommen sind, ob man also daraus schließen kann, daß für die Windmühlen, die keine Getreidemühlen sind, in den genannten Jahren folgende Zahlen gelten: 1882: 1.321; 1895: 559; 1907: 906; 1925:?
10
11
Balearen U. Mallorca, Turmmühle 10. Mallorca, Turmmühle 11. Mallorca, Turmmühle
Zylindrische Zylindrische Zylindrische
Sfolti
Belgien
16. 17.
Bockmühle 'Torenkot'-Mühle
16
17
18
19
Belgien
18. Konische Turmmühle 19. Eckige Turmmühle
H M M M H j
22
2Λ
Bulgarien 20.
Jinrkmiihle
21.
Borkinü/ile
22.
Horkmïthle
23.
Bockmühlc
1 ) î ï i i c m i i i k
2S.
Horkmühlc
29.
Wippmühl··
30. l'i litro rkmüUc 31. K'misrhe 32. Erk'uje
33. Kvkirji·
Turiti müh ì r Turmmühl·'
Turmmühlc
:t-2
·ΛΛ
i l . η. · B A R L E Y
STONE
(aRUBBE) (.s.
C8p
· GRINDING STONB (KV^nN)
Ρ (HAT) inverted boat ehape cap CAP STONE FLOOR (LORKISLOPT)
(KVJERNLOFT) BRIDGE
FLOOR
SPURWHEEL LOFT (MEZZANINLOFT)
(OMGANG) BRIDGE FLOOR
{ORUNDJ BASE
LOADING PLATFORM
level
Fig. 2.
SOUTH-Wan
ΤωηπκΜ
Diiänemark
34, 3-Í. Ericige
TurmniitMcn
Di.'utsulilanil U.
Borkmühh
15.
Wipptn'úhh·
16.
Borkmühh
47.
B'irkmïthle
4H.
Wippmühle
49.
Wippmühle
50.
Wippmühle
51. 52.
J'/iiliorkmuhh· Srlircrkmühle
(Tjuskrr)
Deutschland
Zi/liinlrtxrln: •37 —·5Γ. Koitixrhr •rtS — f)ÌO. A'rkìi/r
Turmmúiil·: TuniDni'lhlni Tuniim'ùìih'ìì
A. Europa: Deutschland
65
Aus der obigen Übersicht ersehen wir, daß die Anzahl der Mühlen zurückgegangen war. Die Zahl der „Windbetriebe" im Jahre 1925 können wir nicht mit den Zahlen der vorangegangenen Jahre vergleichen, da zwischen 1907 und 1925 als Folge des ersten Weltkrieges Gebietsverluste zu berücksichtigen sind. Außer den Zahlen dieser Statistik, fand ich in der Literatur (19, S. 201, 206) noch einige Sonderangaben: 1905: 9382 Windmühlen; 1909: 8170 Windmühlen. Diese Zahlen sind jedoch mit denen der Statistik auf S. 64 schwerlich in Einklang zu bringen. Ebenso wenig ist dies der Fall mit einer Aufzählung in der vom Kaiserlichen Statistischen Amte herausgegebenen gewerblichen Betriebsstatistik im Gewerbeverzeichnis des 1911 erschienenen Ergänzungsbandes für das gesamte Deutsche Reich an Hauptbetrieben von Windmühlen. In diesen Band (20, S. 209) sind 4657 Windmühlen eingetragen worden. Aus der Statistik auf S. 64 geht hervor, daß der Rückgang 1882-1907 rund 10% betrug. Der große Verfall ist aber erst etwas später erfolgt. W I L D E M A N (26, S. 129-131) gibt z.B. für den Kreis Jülich an, daß früher der Müller in Spiel von seiner Mühle aus auf etwa 35 Windmühlen, zumeist Bockmühlen, blicken konnte, während 1931 von dieser Zahl nur noch zwei übrig waren. Von den Hunderten von Windmühlen, die 1900 im Regierungsbezirk Aachen in Betrieb waren, waren 1931 nur höchstens noch neun übrig geblieben. Unter den 150 Windmühlen in der Rheinprovinz waren 1931 siebzig zu Turmstümpfen verfallen. In bezug auf Schleswig-Holstein verdeutlicht S C H E F F L E R (22, S . 136) auf einer Karte, wie weit dort der Verfall schon fortgeschritten ist; er bemerkt dazu, daß zwischen 1900 und 1934 die Zahl der Windmühlen auf die Hälfte zurückgegangen ist (22, S. 137). Der zweite Weltkrieg hat diesen Verfall an vielen Orten noch beschleunigt. K L E E B E R G (52, S. 79) gibt 1964 für Niedersachsen an, daß die Zahl der Windmühlen 784 beträgt. Davon sind 159 noch unversehrt, 342 haben keine Flügel und ihr Getriebe wird mit Hilfe eines Motors in Bewegung gebracht; 283 liegen still. Ein Teil dieser stillgelegten Mühlen sind nur noch Ruinen. Die Windmühlen waren in Deutschland nicht gleichmäßig über das ganze Land verbreitet. Das Streuungsfeld zeigte dem Betrachter also nicht überall die gleiche Dichte. Für die norddeutsche Tiefebene kann man im allgemeinen den Satz aufstellen, daß das Wassergefälle von Süden nach Norden abnimmt. Daraus folgt, daß die Möglichkeit, Wasserradmühlen in Betrieb zu halten, in demselben Maße abnimmt. Demgegenüber ist hervorzuheben, daß die Windkraft vom Norden nach Süden abnimmt. Letzteres kann mit einigen Angaben über die durschnittliche jährliche Windkraft nach H E L L MANN (18, S. 170) veranschaulicht werden: Wilhelmshaven 6,8 Hamburg 5,9 Memel 5,5 Berlin 5,0 Erfurt 4,4 Kaiserslautern 2,3 Weißenburg am Sand 2,1 München 1,6 Hieraus folgt also, daß die Voraussetzungen für die Errichtung von Windmühlen umso günstiger werden, je mehr man nach Norden geht. Diesen Umständen entspricht denn auch die Verbreitung der Windmühlen, und zwar in dem Sinne, daß die Windmühle südlich der Eifel, des Taunus, der Rhön und des Thüringer Waldes eine sehr seltene Erscheinung war. Dieser Raum bildete 1895 ein Drittel des damaligen Reichsgebietes.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
KRÜMMEL (18, S. 170) gab in bezug auf die Windmühlen in diesem Raum für das
genannte Jahr folgende Zahlen an: im ganzen rechtsrheinischen Bayern 16 im Großherzogtum Hessen 2 in Württemberg 1 in Baden und den Reichslanden — in Hohenzollern 5 Das Windmühlengebiet lag also nördlich der oben genannten Gebirge. Die Dichte der Mühlen Verbreitung war aber nicht überall die gleiche. Ich möchte dies an einigen Beispielen zeigen. Die durchschnittliche Dichte im gesamten Deutschland von 1895 betrug 3,4 pro km2. Die Dichte im südlichen Gebiet lag weit unterhalb dieser Zahl. In einigen Kreisen des Westens und des Nordens lag sie zwischen 6,0 und 9,6. In einem größeren Gebiet um Leipzig herum lag die Durchschnittszahl zwischen 13,0 und 19,0, in Niederschlesien und dem südlichen Teil der Provinz Posen zwischen 20,0 und 50,0 und mehr (19, S. 201). Eine gute Vorstellung von der Verbreitung und Dicht« geben uns die diesbezüglichen Karten in den Werken von KRÜMMEL (18) und von SCHLENGER (17, S. 362). Nach SCHMIDT (19, S. 206) gelten für die Errichtung einer Windmühle folgende Voraussetzungen: 1. ein regelmäßiger Wind von ausreichender Stärke; 2. das Vorhandensein von Getreide; 3. das Vorhandensein von Material für den Bau der Mühle. In ihrer Allgemeinheit bin ich mit dieser Auffassung nicht einverstanden. In Deutschland selbst zeigen einige Beispiele, daß für den Bau einer Windmühle noch andere Faktoren in Betracht kommen können. Auf Grund einer statistischen Tabelle über „Zahl und Typus der Windmühlen im Kreise Eckernförde 1825-1934" glaubt SCHEFFLER (22, S. 137) nachweisen zu können, ,, . . . wie nach Aufhebung des Mühlenzwanges in Schleswig 1852 und vor allem nach Einführung der Gewerbefreiheit 1869 die Zahl der Windmühlen ganz erheblich anschwillt, so daß um 1875 ein absoluter Hochstand eingetreten ist". Zweifellos wird eine tiefer schürfende Untersuchung in dieser Hinsicht auch für andere Teile Deutschlands ähnliche hemmende Faktoren auf die Entwicklung und Verbreitung der Windmühlen ans Licht bringen können. "Übrigens ist gegen die von SCHMIDT bestimmten Voraussetzungen für die Errichtung von Windmühlen noch der Einwand zu erheben, daß dies keine Voraussetzungen sind für die Errichtung von Windmühlen überhaupt, sondern allein für Windmühlen, die nur die Funktion der Getreidemühle erfüllen. Andere Funktionen der Windmühle erfordern überflüssiges Wasser oder den Mangel an Wasser oder das Vorhandensein von ölsamen, von Baumstämmen usw. - In diesem Zusammenhang fällt mir auf, daß einige Autoren von Windmühlen-Literatur besonders oder ausschließlich das Mahlen von Getreide berücksichtigen. Dies ist der Fall bei SCHMIDT, wenn er die Voraussetzungen für die Errichtung einer Windmühle darlegt. Auch KLEEBERG ist hier zu nennen der wörtlich schreibt: „Wenn man von Mühlen spricht, denkt man in erster Linie an das Mahlen und Schroten von Getreide und an die Herstellung von Graupen und Grütze, also an die Getreideverarbeitung". KLEEBERG nennt denn auch die Windmühlen anderer Art „Sondermühlen". DRUBE befaßt sich mit Windmühlen (7, S. 5 f.) und erwähnt weiter die „Windwassermühlen" (7, S. 6 f.), um dann zu den „Holländer Mühlen" (7, S. 7) überzugehen. Wenn er über Windmühlen und über die „Holländer Mühlen" spricht, redet er von Getreidemühlen. Die Windmühlen mit anderen Funktionen bezeichnet er als „andere Mühlen" (7, S. 121 ff.). Auch die in der vorliegenden
A. Europa: Deutschland
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Arbeit auf S. 64 angeführt« Statistik zeigt, daß man den Getreidemühlen den Vorrang gibt.
Auf Grund dieser verschiedenen Angaben glaube ich den Schluß ziehen zu dürfen, daß Deutschland seine Industrie nicht mit Hilfe der Windmühle zur Entwicklung gebracht hat, wie es dies zum Beispiel die Niederlande getan haben. Auch scheint man in Deutschland die Windmühlen für das Ausschöpfen von überflüssigem Wasser wenig benützt zu haben. BILATJ (21, S. 58) bemerkt sogar, daß die Verwendung der Windwassermühle in Deutschland ein Stiefkind geblieben ist. Für eine gründliche Forschung auf dem vorliegenden Arbeitsgebiet ist es erforderlich, daß nicht vorgegeben wird, über die Windmühle zu schreiben, um dann das Hauptaugenmerk lediglich auf die Getreidemühle zu richten. In einem solchen Falle muß der Autor es deutlich machen, daß er seine Untersuchung auf Qetreide-WindmüJUen beschränken will. Meinerseits habe ich mir in dieser Arbeit das Ziel gesetzt, die Windmühle zu behandeln, unabhängig von den verschiedenen Funktionen, die sie erfüllen kann. Das ändert nichts daran, daß ich dieser verschiedenen einzelnen Funktionen stets eingedenk bin. In der deutschen Mühlenliteratur findet man Typenbeschreibungen, die anscheinend in die von mir aufgestellte Typologie hineinpassen. Eine nähere Betrachtung lehrt aber, daß dies nur zum Teil richtig ist. An allererster Stelle ist es auffallend, daß SCHLENOEB in seiner Verbreitungskarte (17, S. 362, Abb. 2) nur „Turmwindmühlen" und „Bockwindmühlen" angibt. Der von mir aufgestellten Typologie würden hierzu entsprechen die Umschreibungen „Mühlen mit drehbarer Haube" bzw. „Mühlen mit drehbarem Gehäuse". W I L D E M A N (26, S. 128) vermerkt unter der Abbildung einer Wipp- oder Köchermühle „Holländische Bockwindmühle". DRTJBE (7, S. 6) schreibt wörtlich: „In verhältnismäßig großer Zahl werden die Bockwindmühlen in der Wilstermarsch errichtet als Windwassermühlen". Ich nehme an, daß auch in diesem Falle die Wipp- oder Köchermühle gemeint wird. SCHEFFLER (22, S. 135) macht hier noch einen gewissen Unterschied, indem er von „Bockmühlen nebst Schöpf-Bockmühlen" spricht, womit er offenbar Bockmühlen und Wippmühlen meint. SCHLENOEB (17, S. 364) schreibt: „Daneben gibt es noch besondere Bockformen. Eine Kontamination von Bock- und Turmwindmühle stellt der Paltrock in Hinterpommern und Ostpreußen dar, der durch beigefügte Skizzen in den Antwortbogen charakterisiert wird als eine Bockmühle, die durch Umbau einen drehbaren Kopf erhalten hat." Ich weiß wirklich nicht, wie ich mir diese Mühle vorstellen soll. Sowohl die Bockmühle als auch der Paltrock gehören zu den Mühlen, deren ganzer Körper gedreht werden muß, um die Flügel gegen den Wind zu richten. SCHEFFLER (22, S. 135) stellt für Schleswig-Holstein eine Typologie mit der folgenden Einteilung auf: A. Bockwindmühlen nebst Schöpf-Bockmühlen. B. „Holländische Jungfern". C. „Holländer": 1. Achtkant-Ständerbau. a. Einfache Erdholländer. b. Kellerholländer. c. Zwickstell-(Galerie-)Holländer. d. Dachholländer. 2. Massive Holländer.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Wie ich oben schon bemerkte, müßte A nach der von mir vorgeschlagenen Typologie heissen: „Bockmühlen nebst Wippmühlen". Ohne nähere Beschreibung ist es auch an Hand der von S C H E F F L E R gebrachten Abbildung auf Tafel 24c nicht möglich festzustellen, um welchen Typ es sich hier handelt. Ich glaube mich aber nicht zu irren, wenn ich die dort abgebildete Mühle als eine Wipp- oder Köchermühle bezeichne. Die von S C H E F F L E R genormten Typen A und Β gehören beide zur Klasse der Mühlen, deren ganzer Körper gedreht werden muß, um die Flügel gegen den Wind zu richten. Typ C gehört zur Klasse der Mühlen, deren Haube gedreht wird, um die Flügel gegen den Wind zu richten. Der Achtkant-Ständerbau stimmt mit der eckigen Turmmühle meiner Typologie überein. Der „massive Holländer" ist dann der von mir genannte Typ der konischen Turmmühle. Unabhängig von der Bedeutung der Bezeichnung „Holländer" für einige Mühlentypen geht auch noch aus anderen Hinweisen hervor, daß der Einfluß der Niederländer auf den Mühlenbau und den Mühlenbetrieb in Deutschland seit altersher eingewirkt hat. Im Jahre 1392 waren es die Niederländer, die in Köln eine Windmühle erbauten (5, S. 620). Im Jahre 1393 wurde eine Windmühle in Speyer erbaut, und im folgenden Jahre wurde ein Müller aus den Niederlanden herangeholt, um mit dieser Mühle zu mahlen (12, S. 846 f.). Der zu seiner Zeit berühmte Ingenieur und Mühlenbauer Jan Adriaansz Leeghwater wurde 1634 ins Holsteinische gerufen, um Einpolderungen vorzunehmen. Damit war das Anlegen von Deichen und der Bau von Windmühlen verbunden, um das Wasser in den Poldern auf dem erwünschten Stand halten zu können (51, S. 19). D O D T V A N F L E N S B U R G ( 2 7 , S . 1 6 9 , Anm.) erzählt, daß in seinem Geburtsort Flensburg 1817 die Niederländer die Ölmühlen bemannten. Man hatte dort verschiedene Male für den Dienst Deutsche herangezogen, doch dies sei nicht zur Zufriedenheit der Unternehmer ausgefallen. F E L D B A U S (28, Spalte 722) erwähnt den Beruf eines „Mühlenarztes": so wurden Männer bezeichnet, die sowohl Zimmerleute als auch Techniker waren. Meistens zogen sie von Mühle zu Mühle, um Reparaturarbeiten auszuführen. F E L D H A U S (29, S. 255) gibt dafür ein Beispiel schon aus dem Jahre 1432. Solch ein Mühlenarzt erhielt für das Instandhalten von allen drehenden und beweglichen Teilen und für das Billen der Mühlsteine (Anbringen der Rillen) einen festen Lohn. Gelegentlich montierte er auch neue Wellen u. ä. ein, doch mußte er dafür eine Sondervergütung bekommen. F E L D H A U S schließt mit den Worten: „Hier haben wir also den später besonders von umherziehenden Niederländern ausgeübten Beruf des Mühleninstandhalters, des Mühlenarztes". Es ist mir nicht bekannt, ob es in Deutschland Mühlen gegeben hat, deren Haube von innen her gegen den Wind gerichtet wird. Die selbsttätige Einstellung nach der Windrichtung mittels einer Windrose oder „Fuhlwust"-Vorrichtung, wie es an der Elbemündung heißt, hat in Deutschland in sehr vielen Orten Eingang gefunden (17, S. 364; 30, S. 102; 31, S. 100)*. Soweit mir bekannt ist, kommt aber diese Windrose niemals bei der Bockmühle vor. Bei der Wippmühle dagegen kannte man zwar die selbsttätige Einstellung nach der Windrichtung, doch erfolgte sie nicht mittels einer Windrose, sondern mit Hilfe eines breiten Sterzes (7, S. 6). Daneben finden wir Mühlen, deren Haube von außen gegen den Wind gerichtet wird (22, S. 141)*. In Deutschland ist auch die Verbindung von Wasserradmühle und Windmühle bekannt; wenigstens ist mir mit Namen und Abbildung ein Fall bekannt aus Hüven ( 2 3 , S. 3 ; 3 2 , S. 2 6 ) * . G L E I S B E R G ( 5 3 , S. 4 6 ) führt eine solche Kombination aus Schles-
A. Europa: Deutschland
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wig-Holstein an, wo es in Wokersmühle eine Wasserradmühle mit einer auf ihrem Dach errichteten horizontalen Windmühle gegeben hat. Weitere Beispiele solcher Kombinationen habe ich in Deutschland jedoch nicht entdecken können. Allerdings glaube ich hier noch eine Urkunde von 1314 erwähnen zu müssen, in welchem Jahr Graf Gerhard an seinen Bruder Hennecke Besitzungen in Holstein verkaufte; dort heißt es u. a.: „Vor Broder skall forondol os oc vor Husfrue den Gard ved Oldenburg med Vedermöller, Vandmöller, Fiskeri . . .". Weist dies möglicherweise ebenfalls auf eine Verbindung von Windmüller- und von Wassermüller-Tätigkeit hin?
MÜHLENTYPEN A. DIE HORIZONTALE WINDMÜHLE
Obwohl im Laufe der Zeit mehrere deutsche Mühlentechniker verschiedene Systeme für horizontale Windmühlen entworfen haben, hat dieser Mühlentyp dennoch in ihrem Land nie Eingang finden können. Ein Bericht über eine wirklich in Betrieb gesetzte horizontale Windmühle stammt aus dem Jahre 1714. Es handelte sich um eine Holzsägemühle in Augsburg. Man mußte sie aber wieder außer Betrieb setzen, da sie die Konkurrenz mit den örtlichen Wasserradmühlen nicht durchhalten konnte (33, S. 10). Ich nehme einstweilen an, daß diese horizontale Windmühle funktionierte wie diejenigen, mit denen man Wasser aus den Bergwerken pumpte, und die von Jakob Leupold in seinem Werk Theatri Machinarum Hydraulicarum beschrieben worden sind, das 1724 und 1725 in Leipzig veröffentlicht wurde: „The wind wheel of this is constructed precisely in the same manner as an overshot water wheel complete with tangent buckets to trap the passing breeze" (33, S. 10)*, Wir haben zuvor schon gesehen, daß eine horizontale Windmühle in Schleswig-Holstein mit einer Wasserradmühle kombiniert war. Bis vor kurzem wurde eine Abbildung einer horizontalen Windmühle in der Arbeit von W. H. R Y F F (Gualtherus H. Rivius), Nürnberg 1547, als älteste in Europa betrachtet*. Mittlerweile wurde im Staatlichen Archivlager in Göttingen, Staatsarchiv Königsberg (Archivbestände Preußischer Kulturbesitz) ein Brief mit einem dazugehörigen Bilde einer horizontalen Windmühle entdeckt. Dieser Brief ist vom 30. September 1545 datiert und wurde vom Erzbischof Wilhelm von Riga an Herzog Albrecht von Preußen gesandt (54). Laut diesem Bericht wurde diese Mühle von einem Mühlenbauer in Emden im Jahre 1545 „erfunden". Die Mühle hat 40 ein- und ausschlagende Flügel, 4 Koppel Mühlsteine und 10 Maschinen für andere Tätigkeiten. Bei Windstille konnte die Mühle mit Hilfe von 6 Pferden in Bewegung gesetzt werden. Die Abbildung bei Rivius und die der Emder Mühle sind einander sehr ähnlich. Die meisten horizontalen Windmühlen wurden zwar auf dem Papier entworfen, aber höchstens als einzelne Modelle verwirklicht. Zum regelrechten Bau einer Mühle dieser Art kam es gewöhnlich nicht. Ein Kupferstich aus dem Jahre 1641 im Germanischen Museum in Nürnberg stellt eine horizontale Windmühle der Bergfestung Hohentwiel mit siebzehn Flügeln dar (53, S. 46). Im Jahre 1783 entwarf Benjamin Wisemann eine horizontale Windmühle. Merkwürdigerweise ist sie auf der Zeichnung mit dreieckigen Segeln ausgerüstet (53, S. 45)*. Soweit man der Sache nachgehen kann, ist diese Mühle nie gebaut worden. Aus dem Jahre 1829 stammt das Modell einer horizontalen Mühle von Alban, das angeblich in
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37
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Rostock aufbewahrt wird. Auch diese Mühle ist offenbar nie gebaut worden (34, S. 111). Im Jahre 1848 entwarf P. Flamm, Direktor einer Glasfabrik in Nantesbuch bei Benediktbeuren, gleichfalls eine horizontale Windmühle. Nach diesem Entwurf wurde ein fünf Fuß hohes Modell angefertigt . Auch dieses Mühlenmodell hat man in Wirklichkeit nie ausgeführt (35, S. 111, Tafel XXII, Abb. 135-137). Auf der Pariser Ausstellung 1867 wurde Moerath's Windrad vorgeführt. Dieses war ebenfalls eine horizontale Windmühle. Das Rad hatte einen Durchmesser von 50 m, und zur Regulierung der Antriebswindkraft konnten 31 Klappen geöffnet und geschlossen werden. Der ursprüngliche Entwurf entstand um 1862, und zwar soll C. Wolff, ein Ingenieur aus dem Königreich Hannover, ihn angefertigt haben (33, S. 15 f.). N E U M A N N (35, S. 119, Tafel XXI, Abb. 122, 123) erwähnt auch noch das Wolff-System aus dem Jahre 1862. Die Anschaffungskosten dieser Mühle scheinen aber die einer Dampfmaschine mit gleicher Leistung überstiegen zu haben (33, S. 15 f.).
B . D I E VERTIKALE
WINDMÜHLE
1. Die nicht-drehbare Mühle F E L D H A U S (36, S. 316) glaubt nicht, daß es von Anfang an drehbare Mühlenhäuser gegeben hat. Er nimmt an, daß an geeigneten Stellen Türme erbaut wurden, deren Flügel gegen die Hauptrichtung des Windes gerichtet waren. Seiner Auffassung will ich mich gern anschließen, doch positives Wissen zu dieser Frage ist nicht vorhanden. Nichtsdestoweniger kennen wir Länder mit nicht-drehbaren vertikalen Windmühlen, wie zum Beispiel Kreta, Frankreich und Österreich. Ob es in Deutschland je nichtdrehbare Mühlen gegeben hat, ist mir nicht bekannt. Dennoch hat F E L D H A U S seine Hypothese nicht ohne Grund aufgestellt. Er geht von einer nicht-drehbaren Mühle aus, die in einer jetzt in Deutschland befindlichen hebräischen Handschrift über das Backen aus der Zeit um 1400 erwähnt wird (28, Spalte 1327). Dann findet man in der Handschrift von Keyser die Zeichnung eines Aufzugs vor, mit dem man Personen auf eine Festungsmauer hinaufzieht. Dieser Aufzug wird von zwei Paar Windrädern in Bewegung gesetzt (28, Spalte 1328). F E L D H A U S führt noch andere Beispiele an. Die Frage ist aber, in wiefern diese Beispiele etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben. Auf Grund einer Übersicht von N E U M A N N ( 3 5 , S . 3 2 ) , der für jede Windrichtung die Anzahl der Windtage mit 1000 Tagen angibt, kann man für Deutschland mit folgenden Zahlen rechnen:
Windrichtung
Ν
NO
O
SO
S
SW
W
NW
Windtage
84
98
119
87
97
186
198
131
Es treten hier also deutlich die Westwinde in den Vordergrund. Angenommen, daß im 12. und im 13. Jahrhundert die Zahlen der Windtage mit denen dieser Übersicht übereinstimmten, so würde dies bedeuten, daß eine gegen Westen gerichtete nichtdrehbare Mühle nur an 198 von 1000 Windtagen gut hätte mahlen können, und vielleicht noch an 316 Tagen bei Südwest- oder Nordwestwind weniger gut.
A. Europa: Deutschland
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II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse a. Die Bockmühle. In Deutschland wird diese Mühle auch wohl als „Ständermühle" bezeichnet; es kommt noch der Name ,Ka8tenwindmühle' vor (24, S. 12). Wie ich bereits bemerkte, (S. 61 f.), glaube ich ernstlich damit rechnen zu müssen, daß in den Rheingegenden die älteste Mühle möglicherweise aus Stein gebaut war. In der norddeutschen Tiefebene dagegen ist die erste Mühle aus Stein höchstwahrscheinlich im 17. Jahrhundert, möglicherweise sogar erst im 18. Jahrhundert, auf den Plan getreten. BREDT (20, S. 204) stellt zwar fest, daß die holländische Turmmühle schon im 16. Jahrhundert bekannt war; ob er damit meint, daß sie nur in den Niederlanden bekannt war oder auch in Deutschland, ist nicht klar. Sehen wir uns hingegen - mit aller gebotenen Vorsicht - die Städtebilder in Merians Topographie von Niedersachsen (15) an, dann zeigt sich doch, daß die dort abgebildeten Mühlen ausschließlich Bockmühlen sind. Dieses Werk wurde 1 6 5 3 veröffentlicht. GLEISBERG ist denn auch der Ansicht, daß die holländischen Mühlen erst im 18. Jahrhundert in Deutschland eingeführt wurden (53, S. 51). Wie dem auch sei, wir dürfen annehmen, daß die älteste Windmühle in der norddeutschen Tiefebene die Bockmühle war. Sollte die Kölner Mühle von 1222 eine hölzerne Mühle gewesen sein, dann könnte man in diesem Falle diese Jahreszahl für die älteste Bockmühle festhalten. Sollte es jedoch eine Mühle aus Stein gewesen sein, dann müssen wir den Bericht aus dem Jahre 1234 als die älteste Angabe über das Vorkommen einer Bockmühle betrachten. Dieser Bericht betrifft eine Schenkung von Heinrich von Barmstede, durch welche er dem Kloster Ütersen die Hälfte der Einkünfte einer Wassermühle u. a. für die Ausrüstung einer Windmühle überläßt. Diese Windmühle soll in Schleswig-Holstein errichtet worden sein (7, S. 6). Die Bockmühlen sind in Deutschland anscheinend in großer Anzahl vorhanden gewesen (37, S. 198). Sie kamen besonders im Norden, in Mitteldeutschland und im Osten vor (38, S. 68; 39, S. 24). W«nn wir berücksichtigen, daß SCHLENGER (17, S . 362) zu den „Bockmühlen" auch die Wippmühle rechnet, so geht doch aus der von ihm gezeichneten Verbreitungskarte deutlich hervor, daß die Bockmühle vor allem in den nördlichen, mittleren und östlichen Teilen Deutschlands vorkam, und zwar mit dem Schwerpunkt in Sachsen (17, S. 363). Aus derselben Karte zeigt sich noch, daß im deutschen Südosten die Bockmühle der einzig vorkommende Windmühlentyp war. KRÜGER (13, S. 220-223) glaubt, daß die Bockmühle Flandern zum Verbreitungsschwerpunkt hatte und sich von dort u. a. auch nach Deutschland verbreitet hat. Hierauf komme ich in Kapitel 5 zurück. RÜHLMANN (40, S . 24) erwähnt noch, daß die ersten Bockmühlen als Getreidemühlen verwendet wurden. Hieraus ist zu ersehen, daß auch bei RÜHLMANN der Begriff „Bockmühle" umfassender ist, als ich ihn in meiner Typologie festgelegt habe, indem er ihm nämlich auch Mühlen zuordnen will, die überflüssiges Wasser auspumpen. Es versteht sich, daß die Bockmühle am allgemeinen Verfall der Windmühlen teilgenommen hat, den ich bereits in der Einleitung erwähnt habe. BOONENBURG (41, S . 8) ist sogar der Ansicht, daß die Bockmühle in Deutschland im letzten Weltkrieg fast gänzlich verschwunden ist. Bei der Bockmühle sind mehrere Varianten bekannt. SCHLENGER (17, S . 364) schreibt darüber: „Auch bei der Bock- oder Ständerwindmühle kommen einige Bauvarianten vor, die sich zumeist auf den Bock beschränken, der in vielen Fällen nicht sichtbar, sondern durch einen Bretterverschlag verkleidet ist oder manchmal durch eine Stein-
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
unterläge, einen Eichenklotz u. s. w. versetzt ist". Zu dem mir zur Verfügung stehenden Material gehört die bei FELDHAUS (28, Spalte 722) vorkommende Abbildung einer offenen Bockmühle aus dem Jahre 1 4 3 0 * . Dort findet sich auch eine Skizze vom Querschnitt einer offenen Bockmühle aus dem gleichen Jahre vor (28, Spalte 1 3 2 8 ) * . Obwohl der Bock in beiden Abbildungen nicht ganz der gleiche ist, so ist dennoch ersichtlich, daß er in beiden Fällen unbedeckt ist. Die Abbildung 41 stellt eine Bockmühle aus späterer Zeit dar. Abbildungen einer halbgeschlossenen Bockmühle sind mir nicht begegnet. Sobald wir uns nun nach Abbildungen einer geschlossenen Bockmühle umsehen, stoßen wir auf eine besondere Schwierigkeit, da aus den Abbildungen oft nicht abzulesen ist, ob es sich um eine geschlossene Bockmühle oder um eine Wippmühle handelt. Ein Beispiel für einen solchen zweifelhaften Fall ist Abbildung 42. Dagegen glaube ich, daß wir in Abbildung 43 das Beispiel einer geschlossenen Bockmühle vor uns haben. Ein Sonderbeispiel für diesen Typ finden wir in Abbildung 44. Hier reicht der Mühlenkörper bis dicht an den Erdboden herunter, so daß der Bock gegen Witterungseinfliisse geschützt ist. Wie vorsichtig die Forschung mit der Deutung des Bildmaterials sein muß, erweist sich aus den Abbildungen 46 und 47. Der Sockel auf Abbildung 47 muß höchstwahrscheinlich als eine freie Interpretation des Bockmühlensockels auf Abbildung 46 betrachtet werden. Übrigens stellt Abbildung 47 eine ziemlich genaue Zeichnung der Mühle auf Abbildung 46 dar. b. Die WippmüMe. Es liegt hier eine neue Schwierigkeit vor, indem die Wipp- oder Köchermühle in Deutschland gewöhnlich zu den Bockmühlen gerechnet wird. Dies erklärt folgende Äußerung von KLEEBERG (23, S. 5): „Diese ersten Windmühlen sind alle sogenannte Bockwindmühlen gewesen, die mit Hilfe des .Steerts' in den Wind gedreht wurden. Man nennt sie auch Ständermühle, in Holland heissen sie Wippmolen". Letzteres ist bestimmt nicht richtig, wie aus meiner Typologie zu ersehen ist. Bei dem mir für deutsche Windmühlen zur Verfügung stehenden Bildmaterial läßt sich des öfteren nicht entscheiden, ob es sich um eine Wippmühle handelt, d. h. um eine jener Mühlen, in deren Unterbau sich Werkzeuge befinden, die mittels einer Welle durch einen Köcher mit dem Triebwerk im oberen Gehäuse in Verbindung stehen, oder ob wir es mit einer Bockmühle zu tun haben, also mit einer Mühle, die nur aus einem Gehäuse besteht, in welchem Triebwerk und Werkzeuge zusammen aufgestellt sind. Abbildung 45 und auch Abbildung 48 zeigen den Querschnitt einer Wippmühle. Auf Abbildung 49 wird eine Wippmühle dargestellt, mit welcher in der Wilstermarsch im Gebiet, das bei Brokdorf und St. Margarethen unter dem Meeresspiegel liegt, das überflüssige Wasser herausgepumpt wird. D R U B E (7, S. 6) ist der Ansicht, daß das kunstvolle Entwässerungssystem auf die im 12. Jahrhundert eingewanderten Holländer zurückgeht. Wenn er aber damit meint, daß diese Wippmühlen schon im 12. Jahrhundert in dieses Gebiet Eingang gefunden haben, dann ist dies entschieden ein Irrtum. In diesem Jahrhundert hat es diesen Windmühlentyp überhaupt noch nicht gegeben (vgl. den Abschnitt über die Niederlande). Wann die Wippmühle zum ersten Male in Deutschland eingeführt wurde, ist mir nicht bekannt. Ursprünglich waren diese Mühlen mit Schöpfrädern ausgerüstet. Erst viel später ist die Schraubenwinde erfunden worden. Diese wurde 1773 in SchleswigHolstein nach niederländischem Beispiel eingeführt (7, S. 6, 120). Aus Abbildung 48 ersehen wir, daß dieser Mühlentyp, neben dem Ausschöpfen von überflüssigem Wasser,
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auch noch andere Dienste leisten konnte. Vermutlich stellt Abbildung 48 eine Getreidemühle dar. Wie stark die Verbreitung dieses Mühlentyps gewesen ist, ist mir nicht bekannt. Nach D R U B E waren Mühlen dieses Type noch 1 9 3 6 in Betrieb. c. Die Paltrockmühle. V I S S E R C. s. (30, S. 88) vertritt die Meinung, daß sich außerhalb der Niederlande nirgends in der Welt — es sei denn vielleicht noch in Ostfriesland - Paltrockmühlen vorfinden. Dies würde demnach bedeuten, daß es möglicherweise Vertreter dieses Typs in Ostfriesland gegeben hat. Εκ (38, S. 68) erwähnt den slcenkvarn. Dies ist der schwedische Ausdruck für die Paltrockmühle. Er bedeutet wörtlich „Mühle auf Schienen". Εκ behauptet, daß diese Mühlen in den Niederlanden und in Deutschland bekannt sind. S C H L E N G E R (17, S . 364) erwähnt die Paltrockmühle in Hinterpommern und Ostpreußen. Nur stimmt die Beschreibung nicht, da S C H L E N GER von einem „drehbaren Kopf" spricht. Die Paltrockmühle gehört eben nicht zu den Mühlen, deren Haube drehbar ist. K L E E B E R G (52, S. 17) gibt von der Paltrockmühle in Niedersachsen folgende Beschreibung: „Sie . . . ähnelt einer Bockwindmühle, jedoch ist die Außenbekleidung bis auf den Erdboden herabgezogen. An der Unterkante hat die Bekleidung an jeder Ecke ein kleines Rad, das über eine Bundschiene läuft". Der Autor bringt einige Abbildingen (52, S. 170, 211, 212, 393) und teilt mit, daß es in Niedersachsen noch eine große Anzahl von diesen Mühlen gibt, daß sie jedoch bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr durch Windkraft angetrieben werden*. (Vgl. Abb. 188, die eine Paltrockmühle in den Niederlanden darstellt). d. Der Tjasher. Diese Mühle kommt nachweislich in Deutschland vor. D R T J B E (7, S. 121) gibt von einer solchen Mühle aus Schleswig-Holstein* einen Querschnitt, der am besten mit der Abbildung 189 eines Tjasker aus den Niederlanden zu vergleichen ist. DRTJBE bezeichnet ihn als „Schrickmöhl". Wann dieser Typ in Deutschland eingeführt wurde und welche Verbreitung er hier gehabt hat, ist mir nicht bekannt.
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III. Mühlen mit drehbarer Haube a. Die zylindrische Turmmühle. Die zylindrische Turmmühle ist in Deutschland bekannt*. In meinem Besitz befinden sich acht Abbildungen von zylindrischen Turmmühlen aus Emmerich (26, S. 131), Hannover (52, S. 115), Kempen (26, S. 137), Liedberg (44, S. 93), Merzenich (20, S. 215). Soest (11, S. 17), Wesel (20, S. 206), Zons (42, S. 837). Von diesen Mühlen gehören fünf dem Rheingebiet an. Außer den Mühlen in Hannover und Soest, ist mir aus dem übrigen Deutschland keine einzige zylindrische Turmmühle bekannt. Ich kann nicht annehmen, daß dies ein Zufall ist. Höchstwahrscheinlich handelt es sich hier um einen nördlichen Ausläufer des Mittelmeertyps. Besonders die alte Darstellung der Mühle in Emmerich erinnert an diesen Typ, wie auch die Mühle aus
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Hannover. Wie ich schon bemerkt habe, würde es von Bedeutung sein, in dieser Hinsicht das Urkunden- und Schriften-Material des gesamten Rheingebietes gründlichst zu durchforschen. Wann die erste zylindrische Turmmühle in Deutschland erschienen ist, ist mir unbekannt. Sollte die Kölner Mühle von 1222 eine Mühle aus Stein gewesen sein, dann hätte sie zweifellos zu diesem Typ gehört. Wir wissen es aber nicht. Die Verbreitung dieses Typs ist mir zur Zeit noch ungenügend bekannt. Sollte er ein nördlicher Ausläufer des Mittelmeertyps gewesen sein, dann dürfen wir erwarten, daß im Anschluß an das Verbreitungsgebiet in Frankreich das gesamte Rheinland deutsches Verbreitungsgebiet war. Die Mühle in Wesel hatte nachweislich einen Laufsteg. b. Die leicht-konische Turmmühle. Nichts deutet daraufhin, daß dieser Typ je in Deutschland in Erscheinung getreten ist. c. Die konische Turmmühle. Dieser Typ ist hier als „Holländer-Mühle" bekannt. Abbildung 54 zeigt uns eine solche Mühle ohne Laufsteg. Die Segel werden vom Erdboden aus gerefft. Die Haube wird von außen gegen den Wind gerichtet. Abbildung 55 zeigt uns eine in einen künstlichen Hügel gebaute, sehr schlanke Turmmühle. Die Flügel werden automatisch mittels Jalousien gemindert. Die Mühle wird mit Hilfe einer Windrose automatisch gegen den Wind gerichtet. Abbildung 56 stellt eine konische Turmmühle mit Unterbau dar. Die Flügel können vom Dach des Unterbaues aus gemindert werden. Die Haube wird von außen gegen den Wind gerichtet. Abbildung 57 zeigt une eine konische Turmmühle mit Laufsteg. Von diesem Laufsteg aus können die Flügel gemindert werden. Die Haube wird von außen gegen den Wind gedreht. Das Verbreitungsgebiet dieses Mühlentype umfaßt Norwest- und Norddeutschland (13, S. 222), vor allem aber Nordwestdeutschland (38, S. 70). Bei SCHLENGER kann man diese Verdreitung nicht ersehen, da er die Turmmühlen ohne nähere Einteilung behandelt hat (17, S. 362 f.). Vermutlich hat dieser Typ zum ersten Male im 17. Jahrhundert in Deutschland Eingang gefunden. Für diesen Zeitpunkt haben wir aber keine Gewißheit. Es könnte sich einmal zeigen, daß dieser Mühlentyp hier erst im 18. Jahrhundert erschienen ist. d. Die eckige Turmmühle. Wie die konische Turmmühle, wird auch dieser Typ als „Holländer Mühle" bezeichnet. Abbildung 58 stellt eine eckige Turmmühle dar, deren schräg stehende Wände vom Rumpf bis auf den Erdboden herabgezogen sind. Die Flügel werden automatisch gemindert. Die Haube wird von außen gegen den Wind gerichtet. Auf Abbildung 59 ist dieser Typ auf einer niedrigen Basis ausgeführt. Die Flügel werden vom Erdboden aus gemindert. Die Haube wird von außen gegen den Wind gerichtet. Abbildung 60 stellt eine in einen künstlichen Hügel eingebaute eckige Turmmühle dar. Die Flügel können vom Hügel aus gemindert werden. Die Haube dreht sich automatisch in den Wind. Abbildung 61 zeigt uns eine eckige Turmmühle auf einem Unterbau und mit einem Laufsteg. Die Flügel werden automatisch gemindert. Bevor dies durch eine selbsttätige Vorrichtung geschehen konnte, wurden die Flügel vom Laufsteg aus gemindert·. Die Haube wird automatisch in den Wind gedreht mit Hilfe einer Windrose. Es gibt eckige Turmmühlen, die sogar zwei Windrosen auf ihrer Haube haben (52, S. 234, 427). Abbildung 62 zeigt eine eckige Turmmühle mit einem Gehäuse als Unterbau und außerdem mit einem Laufsteg. Aus der Abbildung kann man nicht ersehen, ob wir es hier mit einer selbsttätigen Vorrichtung für das Mindern der Flügel zu tun haben. Die Haube wird von außen gegen den Wind gerichtet. Abbildung 63 zeigt noch eine eckige Turmmühle sehr besonderer Art. Sie ist nämlich auf einer Wasserradmühle gebaut.
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Es handelt sich um die Hüvener Getreidemühle von der auf Abbildung 64 ein Querschnitt gegeben wird. Die schrägen Wände sind mit Rohr oder mit Schindeln bedeckt. Abbildung 58 zeigt eine nicht-taillierte Variante dieses Type, Abbildung 60 die stark taillierte Variante. Nach Εκ (38, S. 70) kommt die eckige Turmmühle vor allem im Nordwesten Deutschlands vor. Infolge der Zusammenfassung aller Turmmühlentypen in eine Gruppe geben uns die Verbreitungskarten von KRÜMMEL (18) und von SCHLENGER (17, S. 362) keine Vorstellung von der Verbreitung des Typs der eckigen Turmmühle. In bezug auf die Zeit, in der dieser Mühlentyp zum ersten Male in Deutschland aufgetreten ist, habe ich keinerlei Hinweise aufspüren können. Doch glaube ich zu verstehen, daß KLEEBERG (52, S. 17) dafür die Mitte des 18. Jahrhunderte bestimmen will. SCHEFFLER (22, S. 141) unterscheidet bei den eckigen Turmmühlen eine Anzahl Variationen von denen wir einige in unsere Abbildungen aufgenommen haben. Ich bin der Ansicht, daß nur ein Teil der von ihm erwähnten Variationen als typologische Variationen bezeichnet werden können. Die übrigen sind möglicherweise auf bautechnische Änderungen zurückzuführen, und zwar im Hinblick auf das Ziel, die Mühle höher hinauf an den Wind zu bringen. Diese letzten Variationen hängen höchstwahrscheinlich von der örtlichen Bauweise und der persönlichen Phantasie der Erbauer oder deren Auftraggeber ab. Es fällt auf, daß die letztgenannten Variationen die typologischen Hauptmerkmale der Windmühle nicht antasten. Die von mir vorgeschlagene Typologie gibt trotz der vielen Variationen deutlich an, zu welchem Typ jeweils die Mühle gehört. Dies bedeutet andererseits natürlich nicht, daß es sich nicht lohnen würde, die verschiedenen Variationen zu untersuchen und die Befunde in Einzelstudien über die innerhalb geographisch beschränkter Gebiete auffindbaren Mühlen darzulegen.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Soweit es aus dem mir zur Verfügung stehenden Bildermaterial ersehen kann, kommen in Deutschland nur das Flügelkreuz und die fünf Flügel vor. KRÜMMEL (18, S. 170), der von den „kräftigen holländischen Mühlen in Nordwestdeutschland und entlang der Küste" spricht, bemerkt dazu, daß diese Mühlen oft fünf oder sechs mit Segeln bespannte Flügel haben. Eine Abbildung einer Mühle mit sechs Flügeln ist mir aber nie begegnet. Man kann in Deutschland die folgenden Flügelformen unterscheiden: a. Vier Flügel 1. Das Gatter befindet sich an der einen Seite der halben Rute. An der anderen Seite der halben Rute können Windbretter angebracht werden. Das Gatter besteht aus einer Längslatte oder aus 1, 2 oder 3 Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten. Dieses Gatter kann mit einem rechteckigen Segel bespannt werden. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir an bei der Bockmühle, Wippmühle, zylindrischen Turmmühle und eckigen Turmmühle.
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Bei der eckigen Turmmühle fand ich in einem Fall Spannseile zwischen den einzelnen Flügeln. 2. Das Gatter befindet sich an der einen Seite der halben Rute. Dieses Gatter kann mit einem rechteckigen Segel bespannt werden. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der konischen Turmmühle an. 3. An beiden Seiten der halben Rute befinden sich Jalousien, die sich automatisch öffnen und schliessen. Die eine Seite ist aber breiter als die andere. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir an bei der Bockmühle, zylindrischen Turmmühle, konischen Turmmühle und eckigen Turmmühle. 4. An beiden Seiten der halben Rute befinden sich Jalousien, doch an der schmalen Seite nur über einem Teil der Länge. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der eckigen Turmmühle an. 5. Nur an der einen Seite der halben Rute befinden sich Jalousien. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir an bei der Bockmühle, zylindrischen Turmmühle, konischen Turmmühle und eckigen Turmmühle. 6. Von den vier Flügeln sind zwei mit Jalousien versehen, und zwar in derselben Art wie die Flügel unter 3. Die beiden anderen Flügel haben ein Gatter wie unter 2. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der Bockmühle und der eckigen Turmmühle an. 7. Yon den vier Flügeln sind zwei mit Jalousien versehen, und zwar in derselben Art wie die Flügel unter 4. Die beiden anderen Flügel haben ein Gatter wie die unter 2. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der Bockmühle an. 8. Von den vier Flügeln sind zwei mit Jalousien versehen wie die unter 5. Die beiden anderen Flügel haben ein Gatter wie die unter 2. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der eckigen Turmmühle an. b. Fünf
Flügel
1. Jalousien befinden sich an der einen Seite der halben Rute. Die Flügel weisen eein Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der konischen Turmmühle und der eckigen Turmmühle an. c. Ein ringförmiger Flügel 1. KLESBERG (52, S. 17) erwähnt für Niedersachsen vier Mühlen mit einem ringförmigen Flügel, von dem er auf Seite 172 eine Abbildung gibt. KÁLMÁN (50, S. 30) gibt an, daß man 1910 in der Nähe von Luckenwalde bei Leipzig und in der Nähe von Riessen (gemeint ist wohl Riesa) Bockmühlen sehen konnte, deren Flügel aus Jalousien bestanden. Dieses System soll 1825 aus England über Frankreich nach Deutschland gekommen sein (37, S. 55). Dieses System bewirkt, daß, je nachdem die Flügel sich schneller oder langsamer drehen, die Jalousien sich weiter öffnen oder schließen.
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HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE In Deutschland können wir die folgenden Haubenformen unterscheiden: 1. Die Sattelform. Sie kommt bei der Bockmühle und der Wippmühle vor. 2. Die gebrochene Sattelform. Sie kommt bei der Bockmühle und der Wippmühle vor. 3. Die Spitzbogenform. Sie kommt bei der Bockmühle, der Wippmühle und der Paltrockmühle vor. 4. Die Glockenform. Sie kommt bei der Bockmühle und der Wippmühle vor. 5. Die konische Form. Sie kommt bei der alten zylindrischen Turmmühle vor (Emmerich, Hannover und Wesel). 6. Die Bootform. Sie kommt bei der zylindrischen Turmmühle, der konischen Turmmühle und der eckigen Turmmühle vor.
QUELLEN
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
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England Unter „England" verstehe ich jenen Teil von Groß-Britannien, der mit dem Namen England bezeichnet wird. Bezüglich der Geschichte der Windmühlen in diesem Gebiet ist es m. E. angebracht, an einige Tatsachen aus einer bestimmten Periode der englischen Geschichte zu erinnern. Ich meine hiermit die Zeit, in der England und das der Insel gegenüberliegende Gebiet des europäischen Kontinents eng mit einander verbunden waren. England fiel 1066 unter die Herrschaft Wilhelms des Eroberers, Herzog der Normandie. Der Einfluß dieses Herzogtums wurde in der Sprache und den Institutionen Englands tonangebend. Das Land wurde dem Feudalsystem in seiner kontinentalen Ausprägung unterworfen. Die Personalunion, die England mit der Normandie verknüpfte, verband es politisch und kulturell mit dem Festland. Unter Heinrich Π (1154-1189) waren England, die Normandie und praktisch ganz West-Frankreich mit einander verbunden. Diese Bindungen hörten erst 1272 auf (1, S. 190; 2, S. 247 ff.). Während der Regierung Wilhelms des Eroberers (1066-1087) bemühte sich dieser Fürst, die Verwaltung des eroberten Landes in Ordnung zu bringen. Um die Grundlage zu einer fiskalischen Übersicht zu schaffen, gab er seinen Beamten den Auftrag, in allen Landesteilen ein genaues Verzeichnis aller Hilfsquellen aufzustellen, über welche England verfügte. Diese Untersuchung, die man die Domesday survey genannt hat, begann im Jahre 1080. Außer dem Besitz an Land, Vieh, usw. wurden auch die Mühlen nach ihrer geographischen Lage aufgezeichnet. Die Untersuchung war im Jahre 1086 beendet. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden in das Domesday book eingetragen. Dieses Verzeichnis betrachten die Historiker als eine zuverlässige Quelle. Es wird in London im Record Office, Chancery Lane aufbewahrt (3, S. 101-180). Dieser Bericht wurde Domesday book (Buch des Jüngsten Gerichtes) genannt, weil gegen die in diesem Buch gesammelten Aufzeichnungen kein Einspruch erhoben werden konnte. Es waren in dieses Verzeichnis etwa 6000 Mühlen eingetragen worden. Einige Forscher sind der Ansicht, daß sich unter den verzeichneten Mühlen auch Windmühlen befanden (4, S. 41). Bei keiner der eingetragenen Mühlen wird aber die Kraftquelle genannt. Alle Mühlen in diesem Bericht werden mit der Abkürzimg „mol" bezeichnet (5, S. 2). Man darf annehmen, daß Hand-, Tier- und Wasserradmühlen in jenen Tagen in England allgemein in Gebrauch waren. Das Domesday book gibt aber keine Auskunft darüber, ob es damals Windmühlen gab oder nicht (6, S. 1 f.). Einige Autoren in England erwähnen das Vorkommen von Windmühlen schon vor der Entstehung der Domesday survey. BENNET und ELTON (3, S. 225 ff.) führen Berichte aus den Jahren 340, 669 und 833, aus dem 10. Jahrhundert und aus dem Jahre 1040 an, doch weisen sie m. E. mit Recht daraufhin, daß alle diese Berichte gefälscht sind. Andere Forscher nehmen an, daß die älteste Windmühle in England aus dem Jahre 1145 oder gar 1100 stammt (10, S. 284; 9, S. 2). Nach STOW (10, S. 284) soll der Gründer des Klosters Clerkenwell im Jahre 1100 einem Priester ein Stück Land bei diesem Kloster geschenkt haben, damit dort eine Windmühle errichtet werden konnte. Nach ROUND (10, S. 284) soll dies aber erst im Jahre 1145 geschehen sein. Diesen Angaben fehlt meiner Ansicht nach eine feste Grundlage, vor allem, da sie nicht durch authentische Quellen belegt werden. WALLEE (11), der in einer Arbeit über Windmühlen in London eine Anzahl von alten Berichten über solche Mühlen anführt, erwähnt mit keinem Wort die vorhin genannte Windmühle von Clerkenwell. Der älteste zuverlässige Bericht über das Vorkommen einer Windmühle stammt aus
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Einzelheiten Uber Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
dem Jahre 1191. Man findet ihn in den Annalen des Klosters St. Edmunds. Diese Annalen beziehen sich auf die Zeit von 1173 bis 1202. Sie beginnen mit einer kurzen Übersicht über die Verhältnisse unter dem Abt Hugh. Dieser Einleitung folgt die Geschichte der Klosterverwaltung unter Hughs Nachfolger, dem Abt Samson von Totington. Die Handlungen dieses Abtes bilden den Hauptgegenstand dieser Annalen. Der Verfasser ist Joceline von Brakelond, der im Jahre 1173 in das Kloster trat und später selber Abt wurde. Daher werden diese Annalen mitunter auch als Chronik von Brakelond bezeichnet (12, S. V). ROKWODE druckt den vollständigen lateinischen Text ab und bemerkt dazu, daß er diesen Bericht für ganz zuverlässig hält (12, S. VII, 4 3 f.). BENNET und ELTON (3, S. 2 3 6 ) und CARLYLE (13, S. 101 f.) geben von diesem Bericht eine englische Übersetzung. Aus diesem Text erfahren wir, daß der Dechant Herbert auf seinem Pfarrland in Haberton im Jahre 1191 eine Windmühle aus Holz errichtet hatte. Als Abt Samson von St. Edmunde dies vernahm, gab er seinen Zimmerleuten den Auftrag, die Mühle niederzureissen, weil er die Konkurrenz dieser Mühle mit seinen eigenen Mühlen fürchtete. Der alte Dechant Herbert glaubte auf seinem eigenen Landbesitz das Windrecht und das Recht, Mühlen zu errichten, für sich beanspruchen zu können. Außerdem war seine Mühle nur dazu bestimmt, sein eigenes Getreide zu mahlen. Der Abt war mit dieser Auffassung nicht einverstanden und glaubte sogar, daß der König oder dessen Gerichtsdiener in dieser Frage ohne die Zustimmung des Abtes nichts unternehmen könnten. Dadurch, daß der Dechant Herbert eilig heimkehrte, konnte er seine Windmühle noch durch seine eigenen Zimmerleute niederreissen lassen. Aus dieser Darstellung ist nicht ersichtlich, ob die Mühlen des Abtes Samson auch Windmühlen waren. Wohl erfahren wir noch, daß es für die Bevölkerung keinen Mühlenzwang gab; der Abt behauptet nämlich, daß er die Leute nicht zwingen könne, zu seinen Mühlen zu kommen, da sie freie Menschen seien. Daß die Windmühlen in jenen Tagen noch eine ganz neue Errungenschaft waren (8, S. 2), könnte man aus einer Entscheidung von Papst Celestinus III ( 1 1 9 1 - 1 1 9 8 ) ableiten. Während er in der römisch-katholischen Kirche das Primat ausübte, wurde in England die Streitfrage erörtert, ob die Geistlichkeit das Recht habe, die Zehnt auch von den Windmühlen zu erheben. Papst Celestinus III entschied zugunsten des Klerus: ,,De redibus molendini ad ventum solvendae sunt decimae" (3, S. 235). Auch wenn im allgemeinen angenommen wird, daß die Mühle des Dechanten Herbert in Haberton die älteste Windmühle Englands war, gebietet mir die Objektivität, hier noch einige Berichte über Windmühlen zu erwähnen, von denen man nicht genau weiß, aus welchem Jahre sie stammen. Der erste dieser Berichte betrifft eine Schenkung von Odo von Dammartin an das Kloster Tanrigge. Es handelt sich hier um eine Windmühle, und nicht um eine Wasserradmühle oder eine Tiermühle. Diese Schenkung erfolgto unter der Regierung König Richards I, also zwischen 1189 und 1199. In jedem Fall war dies die älteste Mühle der Grafschaft Surrey. Es ist aber sehr fraglich, ob wir es hier mit einer Windmühle zu tun haben, die älter als die des Dechanten Herbert ist. Dies wäre allerdings nur der Fall, wenn die Schenkung im Jahre 1189 oder 1190 erfolgt wäre (3, S. 2 3 5 ) . Nach einem anderen Bericht hat Seffrid II, Bischof von Chichester in der Grafschaft Sussex, den Kirchenländereien eine Windmühle geschenkt. Dieser Bischof verwaltete dieses Gebiet von 1180 bis 1204 (6, S. 94). Auch in diesem Fall ist es also möglich, daß diese Windmühle älter als die des Dechanten Herbert ist. Aus den obigen Daten können wir also folgern, daß in England zwischen 1180 und 1204 wenigstens drei Mühlen errichtet wurden.
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93. Windrone 94. Wippmühle 95. Wippmühle 96. Zylindrische
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Einige Autoren (18, S. 456; 19, S. 284) sind der Ansicht, daß schon im Jahre 1143 von Windmühlen in England die Rede war. Es handelt sich hier um das Kloster Pipewell in Northamptonshire. Dieses Kloster wurde 1143 errichtet und 180 Jahre später also 1323, mußte es verlassen werden, weil der dem Kloster gehörige Wald im Laufe der Zeit für den Bau von Häusern, Wasserradmühlen und Windmühlen abgeholzt worden war. Der Auszug der Klosterinsaesen fand also erst 1323 statt, und wir wissen überhaupt nicht, wann in diesem Walde zum ersten Male Holz für den Bau einer Windmühle geschlagen wurde. Nach WAILES (8, S. 1) gab es für das Vorkommen von Windmühlen in England zwei wichtige Gründe: a. das Vorhandensein von gutem Getreideland; b. die Notwendigkeit, Tümpel und Sümpfe trocken zu legen. Außerdem fehlte es östlich der Linie Newcastle-Portsmouth an Waeserkraft, um Wasserradmühlen anzutreiben. Dies muß also das hauptsächliche Verbreitungsgebiet der Windmühle in England gewesen sein. In diesem Raum eignete sich vor allem Südengland mit seinen leicht hügeligen Ebenen für die Verwendung von Windkraft (17, S. 231). BOONENBURG (20, S. 7) bemerkt, daß die Windmühlen sich im Osten und im Süden vorfinden, und zwar hauptsächlich in Lincolnshire, Cambridgeshire, Norfolk, Suffolk, Essex und Kent. WAILES (8, S. 1) nimmt an, daß es in der Blütezeit Englands dort wohl 10 000 Windmühlen gegeben hat. J. S. (17, S. 231) berührt in diesem Zusammenhang noch eine interessante Frage. Bis etwa 1823 war der Boden in England schlecht dräniert. Er bildete also ein großes Reservoir für Grundwasser. Dies hatte zur Folge, daß die Wasserläufe regelmäßig mit Wasser versehen waren. Als man nach jener Zeit daranging, den Boden besser zu dränieren, lief das Wasser schneller ab zum Meer, so daß nun das in den Wasserläufen verfügbare Wasser um 50% abnahm. Dies wirkte sich natürlich auf die Verwendung von Wasserradmühlen aus, und so mußten nun oft Windmühlen die Aufgabe der Wasserradmühlen übernehmen. Für ein Land wie England, das so sehr an der Tradition haftet, ist es unbegreiflich, daß es seinen reichen Schatz an alten Mühlen auf eine Art und Weise hat verfallen lassen, die höchstwahrscheinlich in der ganzen Welt nicht ihresgleichen findet. Dies ist um so weniger verständlich, als doch die Society for ancient buildings eine Sonderabteilung für Wind- und Wasserradmühlen führt. Von Tausenden von Windmühlen, die es einst gegeben hatte, waren 1945 weniger als fünfzig übrig geblieben (8, S. 1). Diese Anzahl war 1949 auf etwa zwölf zurückgegangen, und die meisten befanden sich in einem troslosen Zustand (21, S. 100). Obwohl aus diesen Daten der Verfall deutlich genug ersichtlich ist, will ich hier noch zwei beredte Zeugnisse aus ganz bestimmten Gebieten anführen. Das erste betrifft das Sumpfgebiet bei Wash-bay, wo sich im 17. Jahrhundert niederländische Wasserbau-Ingenieure bemühten, die Sümpfe trockenzulegen. Hier standen in früheren Zeiten mehr als 2000 Windmühlen, von denen nach BOONENBTTRÖS Angaben nur noch fünf übrig geblieben waren (das Jahr dieser Feststellung ist leider nicht bekannt). Das zweite
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Beispiel betrifft die Insel Anglesea, auf der sich von altersher viele Windmühlen vorfanden. Von diesen Mühlen waren, wie BOONENBUHG berichtet, nur noch zwei übrig (20, S. 7). Der niederländische Einfluß auf den Mühlenbau ist offenbar auch in England sehr groß gewesen. Es ist wohl bemerkenswert, daß viele englische Ausdrücke aus der Berufssprache des Müllers mit niederländischen Wörtern und Redensarten übereinstimmen (20, S. 7). Die Windmühle wurde in England an erster Stelle als Getreidemühle und als Mühle zum Ausschöpfen von überflüssigem Wasser verwendet. Sie hat außerdem noch andere Punktionen gehabt, doch konnte ich mir keine Auskunft darüber verschaffen, in welchem Umfang dies der Fall gewesen ist. In England hat das System, die Mühle selbsttätig gegen den Wind zu richten, große Verbreitimg gefunden. Es wird sowohl auf jene Mühlen angewandt, deren ganzer Körper sich dreht (in casu die Bockmühle), als auch auf die Mühlen, von denen allein die Haube gedreht wird. Außerdem werden manche Mühlen von außen in den Wind gedreht mit Hilfe von Handkraft. Hier ist besonders das System mit der endlosen Kette zu erwähnen, und zwar bei den Mühlen, deren Haube gedreht wird. Es ist mir kein einziger Fall bekannt, in dem die Haube von innen her gedreht wird. Auch das selbsttätige System, mit dem die Flügel gemindert werden, hat hier große Verbreitung gefunden. Im Jahre 1789 wurde in England eine Erfindung des Niederländers Huygens, - der zentrifugale Regulator für einen regelmäßigen Lauf der Uhren, - übernommen, um sie auf die Mühlsteine anzuwenden. Die Geschwindigkeit des Windes ist oft unregelmäßig, und infolgedessen rutscht das Getreide zwischen den Mühlsteinen hindurch, ohne genügend zermahlen zu sein. Der in England erfundene Mühlstein-Regulator gewährleistete eine regelmäßige Drehung der Steine (19, S. 292)*. Mit der Windrose, durch welche die Flügel automatisch gegen den Wind gerichtet wurden, mit dem Regulator an den Mühlsteinen und durch das selbsttätige Mindern der Flügel war die Windmühle schon 1789 so gut wie vollständig automatisiert. Die Engländer haben übrigens noch auf eine andere Weise zur Verbesserung der Windmühlen beigetragen. Schon 1758 unternahm John Smeaton eine Reihe von Versuchen, um die zweckmäßigste Wölbung der Flügel festzustellen. Wie schon in Kapitel 1 bei der Erörterung der Typologie bemerkt wurde, kannte England auch Windmühlen in der Nachbarschaft von Wasserradmühlen unter der Bewirtschaftung eines und desselben Müllers. Auch die Kombination von Wasserradmühle und Windmühle in ein und derselben Konstruktion war bekannt.
MÜHLENTYPEN A. DIE HORIZONTALE WINDMÜHLE
Wahrscheinlich ist zum ersten Male im Jahre 1724 ein British patent auf eine horizontale Windmühle erteilt worden, und zwar einem John Brent. Von dieser Mühle ist keine Abbildung vorhanden. Am 24. Januar 1726 ersuchte derselbe John Brent zusammen mit Johan Celley in Holland um ein Patent auf dieselbe Erfindung. In ihrem Gesuch an die „Staaten von Holland" (damals die heutigen Provinzen Nord- und Südholland zusammen) legten die Antragsteller dar, daß sie nach vielen Jahren Arbeit und mit
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großen Unkosten eine Windmaschine erfunden hätten, mit der man allerlei mill-work verrichten und ebenfalls einen Wagen oder ein Schiff gegen den Wind bewegen könnte. Diese Maschine könne bei jedem Wind arbeiten. Es gibt aber keine Zeugnisse dafür, daß man diese Mühle je gebaut und in Betrieb gesetzt hätte (22, S. 12). Ein zweiter Engländer, Robert Beatson aus London, hat 1798 gleichfalls eine horizontale Windmühle erfunden. Die Flügel bestanden aus Jalousien, die sich öffneten, sobald sich die Flügel in den Wind drehten, und die sich wieder schlossen, sobald sich die Flügel vom Winde abdrehten. Um seine Erfindung bekannt zu machen, veröffentlichte Beatson ein Heft mit dem Titel: An essay on the comparative advantages of vertical and horizontal windmills. Ich habe nirgends ein Zeugnis dafür gefunden, daß diese Mühle je gebaut worden ist (22, S. 18 f.). Die Journals von James Watt enthalten folgende Notiz: „April 11, 1799. Sunday at Lichfield with Mr. Wedgewood - to see Dr. Darwin's horizontal windmill." Nähere Einzelheiten über diese Mühle habe ich nicht aufspüren können (4, S. 48). In einem Bericht über praktische Versuche mit horizontalen Windmühlen schreibt GLEISBERG (29, S. 46): „Ähnliche Versuche stellte man 1807 in der englischen Grafschaft Surrey . . . an". GLEISBERG gibt aber für diese Stelle keinen Beleg an. Im Jahre 1822 machte James White eine sehr merkwürdige Erfindung. Es handelte sich um ein ringförmiges Boot, das sich in einem ringförmigen Kanal bewegen sollte. An diesem Boot waren Segel befestigt, durch welche sich das Boot mit Hilfe des Windes im Kreise drehte. White hat seine Erfindung in einer kleinen Publikation beschrieben, die den Titel trug: A new century of inventions, Manchester, 1822. Soweit mir bekannt ist, ist auch diese Mühle niemals verwirklicht worden. Im Jahre 1828 war aber eine hoirzontale Windmühle für das Ausschöpfen von Wasser wirklich in Betrieb an den Ufern des Regent's Canal bei London. Die Flügel waren einzeln an vertikalen Stangen befestigt, und zwar etwas abseits von der Mitte dieser Flügel. Die Flügel zeigten eine schmale Seite, wenn sie sich gegen den Wind bewegten, und eine breite Seite, sobald sie sich vom Winde abdrehten. B A T H E (22, S. 18 f.) nimmt an, daß es eine kleine Mühle gewesen sein muß, möglicherweise die Schöpfung eines erfinderischen Gärtners, um seine Gemüsebeete zu berieseln. Im übrigen sind in England, soweit mir bekannt ist, zwei große horizontale Mühlen erbaut worden. Beide wurden von Stephen Hooper errichtet. Hooper war Schiffskapitän und ein tüchtiger Mechaniker. Nachdem er sich aus seinem Seemannsdasein zurückgezogen hatte, übte er mit seinem Sohn den Beruf eines Müllers aus. Es wird erwähnt, daß er eine horizontale Mühle erfand und sie auch bauen ließ. Die erste jener Mühlen wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Margate errichtet. Die Flügel waren an einem konischen Rumpf angebracht. Der Wind konnte durch das gänzliche oder teilweise Schließen von Schiebebrettern nach Bedarf zugelassen werden. Die Windöfihungen konnten also nach der Windrichtung eingestellt werden, und außerdem konnte die Menge des zuzulassenden Luftstroms reguliert werden. Die Flügelwelle trieb in der üblichen Weise, d. h. durch Kraftübertragung, die Mühlsteine an. Die erste der von Hooper erbauten Mühlen hatte fünf Paar Mühlsteine. Hooper verkaufte diese Mühle im Jahre 1801. Im Jahre 1825 war sie noch in Betrieb, doch einige Jahre später wurde sie während eines Sturmes stark beschädigt und nicht mehr repariert. Nach dem Verkauf der Mühle in Margate ließ Hooper in Battersea eine ähnliche Mühle für das Mahlen von Leinsamen bauen. Später wurde diese Mühle als Fowler's mill bezeichnet. Im Jahre 1811 wurde sie für das Mahlen von Malz verwendet. Die
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Instandhaltungskosten waren im Verhältnis zum Erlös so hoch, daß die Mühle bald dem Verfall preisgegeben wurde (6, S. 75 f.)*.
B. D I E VERTIKALE WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Es gibt keine Anzeichen dafür, daß es in England je eine nicht-drehbare Mühle gegeben hat. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse
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a. Die Bockmühle. Dieser Mühlentyp wird in England als postmill bezeichnet . Als etwas Besonderes verfügt England über eine Anzahl von Miniaturen in Handschriften aus dem 13., 14. und 15. Jahrhundert. Soweit uns bekannt ist, gibt es nirgends in der Welt Abbildungen von einer vertikalen Windmühle vor dem 13. Jahrhundert. Es existieren zwei Darstellungen aus dem 13. Jahrhundert. Die eine ist eine Miniatur in einer Handschrift von Aristoteles' Physica, die im Britischen Museum aufbewahrt wird. Auf diesem Bild sehen wir deutlich, daß wir es mit einer auf einem Bock stehenden Mühle zu tun haben. Der Mühlenkörper wird mit Hilfe eines Stakens um den Bock gedreht. Es ist schwer festzustellen, auf welcher Grundlage der Bock selber ruht. Die Mühle hat ein Flügelkreuz, das auf eine sehr simplistische Art dargestellt wird. Der Illustrator hat vermutlich Flügel mit von Segeln bespannten Gattern wiedergeben wollen. Die Haubenform ist nicht deutlich. Der Mühlenkörper ist gezeichnet, als ob er aus Stein gebaut oder mit Schindeln bedeckt wäre (6, S. 15; 23, S. 240)*. Die andere Abbildung ist eine Miniatur im Text eines Psalmes, der sich im Besitz von Pierpont Morgan befindet. Das Bild stammt aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, vermutlich aus der Zeit um 1270. Nach dieser Darstellung wird der Psalm „Windmühlen-Psalm" genannt. Auch hier sehen wir wiederum deutlich, daß es sich um eine auf einem Bock stehende Mühle handelt. Der Bock wird durch Strebebalken gestützt. Der Mühlenkörper kann mittels eines Stakens gedreht werden. Die Mühle hat ein Flügelkreuz mit Gattern, die sich gleichförmig an beiden Seiten der Ruten befinden. Die Haube ist sattelförmig (6, S. 12; 23, S. 241 f.)*. Aus dem 14. Jahrhundert kennen wir mehrere Miniaturen. Zuerst eine Abbildung aus der Zeit um 1340 im sogenannten Louterell psalm. Sie wurde für Sir Geoffrey von Louterell gemacht und wird im Britischen Museum aufbewahrt. Deutlich sehen wir, daß es sich hier um eine Bockmühle mit sattelförmigem Dach handelt. Der Bock wird von einigen Strebebalken gestützt. Die Mühle trägt ein Mühlenkreuz. Das Gatter befindet sich gleichförmig an beiden Seiten der Rute (6, S. 16)*. Eine andere Darstellung aus dem 14. Jahrhundert befindet sich auf dem Grabmal des 1349 verstorbenen Adam Walsokne of Lynn, Norfolk. Wir sehen hier deutlich eine Bockmühle. Der Bock wird von Strebebalken gestützt. Die Haube ist deutlich sattelförmig. Die Mühle hat ein Flügelkreuz mit Gattern, die sich gleichmäßig an beiden Seiten der Ruten befinden. Außen ist an der Mühle ein Staken befestigt, um die Flügel gegen den Wind richten zu können (4, S. 41; 6, S. 15; 11, S. 169; 24, S. 120)*. Eine dritte Darstellung aus dem 14. Jahrhundert findet man in einer Handschrift der Decretals of Gregory IX, die im Britischen Museum aufbewahrt wird. Auch hier
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handelt es sich zweifellos um eine Bockmühle. Der Bock wird gestützt. Mit Hilfe eines Stakens kann die Mühle in den Wind gedreht werden. Die Haube ist sattelförmig. Die Mühle hat ein Flügelkreuz mit Gattern, die sich gleichmäßig an beiden Seiten der Ruten befinden. Die Decretals of Gregory IX wurden in Italien geschrieben, aber in England illustriert (6, S. 15; 23, S. 241)*. In derselben Handschrift finden wir noch eine andere Abbildung. Ob wir es bei dieser mit einer drehbaren Bockmühle, oder mit einer nicht-drehbaren Mühle zu tun haben, ist nicht deutlich. Es erhebt sich die Frage, warum man diese Mühle, wenn sie n i c h t drehbar ist, auf einem Bock errichtet hat. Andererseits gehört zu einer d r e h b a r e n Mühle ein Staken, den man zwar auf dem Bilde nicht sieht, was aber nicht bedeutet, daß er nicht vorhanden sein kann; denn er würde sich entgegengesetzt zu den Flügeln, also hinter der Mühle befinden und kann durch diese verdeckt sein. Man darf also vermuten, daß es sich um eine drehbare Mühle handelt, die wahrscheinlich perspektivisch verzeichnet ist. Das Dach ist vermutlich sattelförmig. Die Mühle hat ein Flügelkreuz mit gleichmäßigen Gattern an beiden Seiten der Ruten (3, S. 248; 6, S. 14)*. B E N N E T und E L T O N (3, S. 248) bringen noch eine andere Illustration aus dem 14. Jahrhundert. Auch bei dieser handelt es sich offenbar wieder um eine Bockmühle*. Aus den erwähnten Darstellungen darf man m. E. folgern, daß es sich in allen Fällen um Bockmühlen handelt. Diese Bockmühlen des 13. und des 14. Jahrhunderts sind offenbar kleiner als die Bockmühlen späterer Zeit. Alle wurden mit Hilfe eines Stakens gegen den Wind gerichtet. Alle hatten eine sattelförmige Haube und ein Flügelkreuz. Die Gatter befanden eich gleichmäßig an beiden Seiten der Ruten. Höchstwahrscheinlich lag die Achse der Flügelwelle horizontal. Die Böcke auf Abb. 67, Abb. 71 und möglicherweise auch auf Abb. 73 ruhen im Erdboden. Es ist möglich, daß wir es hier mit der „sunken postmill" zu tun haben, von der später noch die Rede sein wird. Die anderen Mühlen wurden von Strebebalken gestützt. Es soll hier noch eine letzte Abbildung aus dem 14. Jahrhundert erwähnt werden. Sie stammt aus dem Jahre 1326 und zeigt uns, wie man mit Hilfe einer Bockmühle einen Bienenkorb in eine belagerte Festung hineinwerfen könnte. Dieses Bild gehört zu den kriegstechnischen Zeichnungen zweier Handschriften, die in der Bibliothek von Oxford und der von Holkman aufbewahrt werden. Sie wurden im Jahre 1326 von Walter von Milimete dem König Edward I I dediziert (26, S. 317, 320)*. Die im Britischen Museum befindlichen Miniaturbilder aus dem 15. Jahrhundert stimmen teilweise mit denen aus dem 13. und 14. Jahrhundert überein (3, S. 251, 254, 255)*. Die Mühle auf Abb. 78 ist sehr schlecht wiedergegeben. Ein wichtiger Bestandteil wie die Tür, die den Zugang zur Mühle bildet, ist einfach weggelassen worden. Dagegen ist das Bild einer Bockmühle auf dem Grundriss des Karthäuser-Klosters in London aus dem Jahre 1430 viel besser ausgearbeitet. Der Mühlenkörper ist deutlich größer als auf all' den bisher erwähnten Darstellungen. Er hat wahrscheinlich sogar zwei Stockwerke (3, S. 252)*. Neben diesen Bildern aus dem 15. Jahrhundert gibt es einige andere, die ich nicht recht zu deuten weiß. Keine der darauf abgebildeten Mühlen hat einen Bock, so daß sie an nicht-drehbare Mühlen erinnern. Alle diese Mühlen stehen auf einem kleinen Hügel. Die Zeichnungen sind übrigens auch sehr unvollständig; (auf einer derselben fehlt ζ. B. die Tür). Es ist m. E. nicht logisch anzunehmen, daß es im 15. Jahrhundert in West-Europa nicht-drehbare Mühlen gegeben hat, während die drehbare Mühle hier schon im 13. und im 14. Jahrhundert bekannt war. Ich denke, daß wir diese Unvollständigkeit auf das Konto der Miniaturmaler setzen müssen (3, S. 251, 255)*.
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Die vorhin schon erwähnte sunken postmill hat diesen Namen erhalten in Zusammenhang mit Ausgrabungen, bei denen man im steinigen Boden kreuzförmige Überreste zusammen mit Überbleibseln des Kreuzpostamentes der Bockmühle gefunden hat. W E S T E L L ( 2 5 ) schreibt diese Überreste dem 1 4 . Jahrhundert zu. Neben der sunken postmill gibt es die Bockmühle, deren Kreuzbalken unmittelbar auf dem Erdboden ruhen*. Aus Abb. 85 ist ersichtlich, wie die Wände des Mühlenkörpers nach unter verlängert worden sind, um das Holzwerk unter dem Mühlenkörper gegen Einflüsse der Witterung zu schützen. Nichtsdestoweniger gehören diese Mühlen noch zum Typ der offenen Bockmühle*. Daneben finden wir geschlossene Bockmühlen, d. h. Mühlen, deren Bock mit den Stützbalken innerhalb eines kleinen Gebäudes steht*. Man bemerkt hier deutlich, wie der Bock auf dem Kreuzbalken ruht. Wenn man sich solche geschlossenen Windmühlen von außen ansieht, ist es nicht ohne weiteres möglich festzustellen, ob wir es hier mit einer geschlossenen Bockmühle oder mit einer Wippmühle zu tun haben. Wae sollen wir ζ. B. von einer Mühle wie auf Abb. 87 und 89 denken? Dagegen nehme ich gern an, daß Abb. 90 eine geschlossene Bockmühle darstellt. Die Bockmühle wird hier mit Hilfe eines Stakens gegen den Wind gerichtet*. Bisweilen ist dieser Staken mit einem Rad versehen, das über eine gehärtete Bahn läuft*. In anderen Fällen wird die Mühle in den Wind gedreht mit Hilfe einer Windrose, die auf der Treppe der Mühle*, bisweilen auf der Haube* befestigt ist. b. Die Wippmühle. Die Wippmühle scheint jedenfalls in England vorzukommen. S K I L T O N ( 1 4 , S . 2 8 ) spricht von einer hollow-postmill*. Dieser Fall ist in der englischen Mühlenliteratur der einzige, bei dem mir keine Zweifel aufgekommen sind, allerdings mit Ausnahme einer sehr primitiven hollow-postmill*. Ε κ (27, S. 70) bemerkt zu diesem Mühlentyp, daß er in England selten vorkommt. In der englischen Mühlenliteratur ist aber häufig von composite mills die Rede. W A T L E S (8, S . 11) schreibt hierüber: , , Ι Η each case the mill consisted of a post mill body which had been removed from its substructure and mounted on a short tower, having a curb at the top, on which it turned". S M I T H (9, S . 146) erklärt: „Composite. A mill the body of which has the shape of a postmill, but which is supported upon a basement of two or more stories, and which revolves, not around a post, but upon a curb supported by the basement". B A R O J A (23, S . 269) führt an, daß sowohl in den Niederlanden als auch in England und in anderen Gebieten im 17. Jahrhundert kombinierte Konstruktionen entstehen, in denen sich Bestandteile der alten Bockmühle und der Turmmühle vereinigen*. Auch S M I T H (9, S . 49) und B A T T E N (6, S . 28) erwähnen diese composite mill, während B O O N E N B U R G (20, S . 7) sie mit den torenkotmolens in Belgien vergleicht. Ich glaube daraus folgern zu müssen, daß diese Kombination von Bockmühle und Turmmühle erst entstanden sein kann, nachdem die Turmmühle auf den Plan getreten war. Ob solche Mühlen als eine besondere Variante der Bockmühle und (oder) der Wippmühle zu betrachten sind, kann nicht ohne eine nähere und gründlichere Untersuchung bestimmt werden. Aus den Ausführungen B A T T E N S (6) über die Wimbledon Common Mill in Surrey geht hervor, daß die Wippmühle zu einer composite mill umgebaut werden kann. B A T T E N schreibt: „It was built as a hollow-post mill, the only one in England of which any trace is left, but during this century it has been converted to a composite mill". Nebenbei möchte ich noch anführen, daß B A T T E N (6) in England nur eine Wippmühle kannte, nämlich die in Laver in Essex.
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c. Die Paltrockmühle. In der Mühlenliteratur über England habe ich keine Spur vom Vorkommen einer Paltrockmühle entdecken können. d. Der Tjasker. Diese Mühle kommt, soweit mir bekannt ist, in England nicht vor. III. Mühlen mit drehbarer Haube a. Die zylindrische Turmmühle. In meinem Besitz befinden sich einige Abbildungen von zylindrischen Turmmühlen in England, nämlich: 1. von der Chesterton Windmill, Warwickshire*; 96 2. von der Aßhton Mill, Sommerset*; 97 3. von einer auf einem Glasgemälde aus dem 15. Jahrhundert in Stoke bei Clare, Suffolk* dargestellten Mühle. 98 Die Chesterton Windmühle hat mit dem Mittelmeertyp nichts gemein. Sie ist ein Bau aus viel späterer Zeit mit einer eigenen Architektur, die mit den traditionellen Mühlentypen nichts zu tun hat. Man vermutet, daß sie ursprünglich im Jahre 1632 als Observatorium gebaut und erst im 18. Jahrhundert zur Windmühle umgebaut wurde (32). Auch die Ashton Mill hat höchstwahrscheinlich mit dem sogenannten Mittelmeertyp nichts gemein. Die Sache liegt anders bei der Mühlendarstellung auf dem Glasgemälde. Wir haben es hier deutlich mit einer Mühle des Mittelmeertype zu tun. Die Entstehungsgeschichte dieses Glasgemäldes und der Name des Entwerfers sind mir nicht bekannt, doch kann ich mir nur schwerlich vorstellen, daß dieses gemalte Fenster aus dem 15. Jahrhundert eine Darstellung einer englischen Turmmühle aus der nämlichen Zeit geben soll, und dann noch einer Mühle, die von innen her gegen den Wind gerichtet wird. Nirgends ist mir auch nur der geringste Beweis begegnet, daß England die zylindrische Turmmühle in jenen Tagen gekannt hat. Wie ich späterhin noch besprechen werde, müssen wir annehmen, daß die Turmmühle in England zuerst in der Gestalt der konischen Turmmühle in Erscheinimg getreten ist. Zu zwei Anfragen nach Auskunft über dieses Glasgemälde aus dem 15. Jahrhundert erhielt ich eine Antwort. R E X WAILES (30), der bekannte Mühlenforscher Englands, schrieb mir hierzu: „The origin of the Stoke-by-Clare stained glass roundel is not known. But it is secular and not ecclesiastical and was probably presented to the church sometime after the Commonwealth, which ended in 1660. The subsequent freedom from Puritan iconoclaem led people to beautify their churches so far as they were able and in this same window are pieces of random broken old stained glass which were inserted at the same time as the roundel". b. Die leicht-konische Turmmühle. Auch in bezug auf die leicht-konische Turmmühle ist mir nirgends der Hinweis begegnet, daß es diesen Mühlentyp in früheren Jahrhunderten in England gegeben haben soll. Zwar verfüge ich über eine Abbildung von einer leicht-konischen Turmmühle, der Old Buckenham Mill, diese Mühle ist aber erst im Jahre 1818 erbaut worden, lehnt sich also nicht an die traditionelle, mediterrane Mühle dieses Typs an*. c. Die konische Turmmühle. Dieser Typ ist in England als towermill bekannt. Im allgemeinen nimmt man an, daß die erste konische Turmmühle im 16. Jahrhundert nach England kam (8, S. 6; 14, S. 18). RÜHLMANN (18, S. 456 Anm. 4 ) glaubt sogar behaupten zu dürfen, daß England diesen Mühlentyp aus den Niederlanden eingeführt hat. Es ist auffallend, daß in England neben den kräftigen Typen* vor allem viele schlanke Typen vorkommen*. Yarmouth ist bekannt als der Ort, der die höchste Turmmühle besitzt*.
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Die Mühlen kommen sowohl mit als auch ohne Laufsteg vor. Die Mühlenkörper sind in der Hauptsache aus Backstein gebaut. Die konischen Turmmühlen sollen sich vor allem in Norfolk und Lincolnshire verbreitet haben (6, S. 33). Die Haube der konischen Turmmühle wird mit Hilfe einer Windrose gegen den Wind gerichtet. Trotz dieser Windrose ist aber oft noch ein Sterzwerk vorhanden, so daß die Haube auch von außen mit Handkraft in den Wind gedreht werden kann. Bei einer einzigen Mühle erfolgt dies mittels einer endlosen Kette. d. Die eckige Turmmühle. Dieser Mühlentyp wird in England als smockmill bezeichnet, weil diese Mühle in ihrem Äußern an den altertümlichen Kittel (smock) erinnert, der von Arbeitern getragen wurde (6, S. 28). Auch dieser Mühlentyp soll im 16. Jahrhundert in England aufgekommen sein (14, S. 18). Er weist sechs, acht, zehn oder zwölf Seiten auf (8, S. 10). Ich glaube, daß die St. Olaves Windwaesermühle in Suffolk vier Seiten hat (8, Abb. X X V I a). Die meisten Mühlen haben aber acht Seiten (6, S. 28). Es gibt bei diesem Typ ziemlich verschiedene Bauarten. Es gibt einige Mühlen ohne Laufsteg (Abb. 103, 104), andere mit Laufsteg*, oder auch mit einem Unterbau*. Gedeckt sind sie gewöhnlich mit Holzbrettern oder mit Schindeln. Nach BATTEN sind die meisten Mühlen dieses Type in Cambridgeshire und Kent gelegen. Die in Cambridgeshire sollen aber im Vergleich zu denen in Kent plump gebaut sein. In Kent sind sie höher und schlanker (6, S. 33). Soweit ich es aus dem mir zur Verfügung stehenden Bildermaterial ersehen kann, sind die Mühlen in Kent nicht einmal tailliert, wärend sie es in den Niederlanden wohl sind. Auf Grund der Darstellung auf Abb. 107 glaube ich annehmen zu müssen, daß es sich um eine offene eckige Turmmühle handelt. Zu welchem Zweck diese Mühle verwendet wird, ist mir nicht bekannt, mag es auch deutlich sein, daß es keine Getreidemühle ist. Vermutlich bezieht sich auf diese Mühle folgender Hinweis von SMITH (9, S. 35): „The smallest windmill in the county (Essex), the derelict smock in the marshes at Gobions, East Tilburg, is also the only remaining wind draining mill in the county". Die eckige Turmmühle wird von außen in den Wind gedreht mit Hilfe eines Stakens. Oft kommt bei dieser Mühle auch eine Windrose vor. Trotz dieser Windrose ist manchmal noch ein Sterzwerk vorhanden, so daß die Haube auch von außen mit Handkraft gegen den Wind gerichtet werden kann.
FLÜGELFORMEN DER V E R T I K A L E N MÜHLE In England kommen Flügelformen vor, die voneinander ziemlich verschieden sind: a. Zwei Flügel 1. An beiden Seiten der halben Rute sind Jalousien angebracht, an der einen Seite breit, an der anderen Seite schmal. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Dieser Typ kommt bei der eckigen Turmmühle vor. 2. Jalousien befinden sich nur an einer Seite der halben Rute. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Dieser Typ kommt bei der eckigen Turmmühle vor.
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b. Vier Flügel 1. An beiden Seiten der halben R u t e befindet sich das Gatter mit je einer Längslatte an beiden Außenseiten und einer großen Anzahl Querlatten. Dieses Gatter kann mit einem rechteckigen Segel bespannt werden. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion habe ich bei der Bockmühle angetroffen. 2. An der einen Seite der halben Rute befindet sich das Gatter, an der anderen Seite können Windbretter angebracht werden. Das Gatter besteht aus drei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten. Dieses Gatter kann mit einem rechteckigen Segel bespannt werden. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Wir treffen diese Konstruktion bei der Bockmühle und bei der eckigen Turmmühle an. 3. An der einen Seite der halben Rute befindet sich das Gatter, an der anderen Seite können Windbretter angebracht werden. Das Gatter besteht aus einer großen Anzahl von Querlatten, die von der halben Rute und einer Längslatte gestützt werden. Dieses Gatter kann mit einem rechteckigen Segel bespannt werden. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. 4. An der einen Seite der halben Rute befindet sich das Gatter, an der anderen Seite können keine Windbretter angebracht werden. Das Gatter kann mit einem rechteckigen Segel bespannt werden. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der konischen Turmmühle an. 5. An der einen Seite der halben Rute befindet sich das Gatter, an der anderen Seite können keine Windbretter angebracht werden. Das Gatter kann mit einem rechteckigen Segel bespannt werden. Der Kopf der Flügelwelle hat eine Verlängerung nach außen hin, und von hier aus laufen Spannseile zu den einzelnen Flügeln. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der konischen Turmmühle an. 6. An der einen Seite der halben Rute befindet sich das Gatter, an der anderen Seite können keine Windbretter angebracht werden. Das Gatter kann mit einem rechteckigen Segel bespannt werden. Die Flügel sind durch Spannseile miteinander verbunden. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der konischen Turmmühle an. 7. An beiden Seiten der halben Rute befinden sich Jalousien. Diese Jalousien sind an beiden Seiten gleich breit. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der eckigen Turmmühle an. 8. Diese Mühle ist der Variante 7 ähnlich, doch sind die Jalousien an der einen Seite der halben Rute schmäler als die an der anderen Seite. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der Bockmühle und der konischen Turmmühle an. 9. Diese Mühle ist der Variante 8 ähnlich, doch besetzen die Jalousien der schmalen Seite nicht die ganze Länge, sondern nur einen Teil der halben Rute. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der Bockmühle und der konischen Turmmühle an. 10. Jalousien befinden sich nur an der einen Seite der halben Rute. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle, der konischen Turmmühle und der eckigen Turmmühle vor. 11. Von den vier Flügeln sind zwei beschaffen wie die der Variante 9, die beiden anderen wie die der Variante 2, doch ohne Windbretter. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
12. Von den vier Flügeln sind zwei beschaffen wie die der Variante 10, die zwei anderen wie die der Variante 2, doch ohne Windbretter. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. c. Fünf
Flügel
1. An beiden Seiten der halben Rute befinden sich Jalousien. Diese Jalousien sind an der einen Seite schmäler als an der anderen Seite. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der Bockmühle und der konischen Turmmühle an. 2. Jalousien befinden sich nur an der einen Seite der halben Rute. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der konischen Turmmühle an. d. Sechs Flügel 1. An der einen Seite der halben Rute befindet sich das Gatter. Aus dem Bildermaterial ist nicht ersichtlich, ob an der anderen Seite Windbretter vorhanden sind. Das Gatter kann mit einem rechteckigen Segel bespannt werden. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der eckigen Turmmühle an. 2. An der einen Seite der halben Rute befinden sich Jalousien. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der konischen Turmmühle an. e. Acht Flügel 1. An der einen Seite der halben Rute befinden sich Jalousien. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion treffen wir bei der konischen Turmmühle an. f. Ringförmiger Flügel 103
1. Von diesem Flügeltyp habe ich nur ein Beispiel angetroffen*.
H A U B E N F O R M E N D E R V E R T I K A L E N MÜHLE In England unterscheiden wir folgende Haubenformen: 1. Die Sattelform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. 2. Die Spitzbogenform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle und als drehbare Haube bei der konischen Turmmühle und der eckigen Turmmühle vor. 3. Die Glockenform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. 4. Die Bootform. Wenn eine Windrose an der Haube befestigt ist, tritt diese Bootform weniger deutlich in Erscheinung und nimmt bisweilen eine Gestalt an, die zwischen der Boot form und der Spitzbogenform die Mitte hält. Die Bootform treffen wir bei der konischen Turmmühle und bei der eckigen Turmmühle an. 5. Die Zwiebelform. Diese Konstruktion kommt bei der konischen Turmmühle und bei der eckigen Turmmühle vor. WAILES (8, S. 3) ist der Ansicht, daß die ursprüngliche Haube der Bockmühle sattelförmig war. Eine Bestätigung für diese Annahme können wir in den Miniaturen finden, die hier im Abschnitt über die Bockmühle in England besprochen worden sind. WAILES glaubt, daß die Spitzbogenhaube erst später entstanden ist, u.a. um für ein größeres
A. Europa: England
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Kammrad an der Flügelwelle Raum schaffen zu können (8, S. 4). B A T T E N (6, S. 33) bezeichnet Norfolk als das Gebiet der boatshaped caps. Höchstwahrscheinlich hat er diesem Haubentyp auch die Hauben mit Spitzbogenform zugeordnet. Cambridgeshire bezeichnet er ale das Gebiet der ogee cap, der Zwiebelform.
QUELLEN
1. Winkler Prine Encyclopaedic, dl. 8, Amsterdam-Brüssel, 1960. 2. J . H. Round: The origin of the Mayoralty of London, London, 1887. 3. Riehard Bennet and John Elton: History of committing, Vol. H , Liverpool, 1899. 4. Arthur Titley: „Notes on old mills", in: The Newcomen Society for the study of the history of engineering and technology, Transactions, Vol. UT, 1922-1923, London, 1924. 5. Hugh P. Vowlee: „An inquiry into origins of the windmills", in: The Newcomen Society for the study of the history of engineering and technology, Transactions, Vol. X I , 1930-1931, London, 1932. 6. M. I. Batten: English windmills. Containing a history of their origine and development, with records of mtUs in Kent, Surrey, and Sussex, Westminster, 1930. 7. Abbot Payson Usher: A history of mechanical inventions, New York, 1929. 8. Rex Wailes: Windmills in England, a study of their origine, development and future, London, 1945. 9. Donald Smith: English windmills, Vol. Π , Westminster, 1932. 10. Sir Walter Besant: Medioeval London, Vol. Π , London, 1906. 11. J . G. Waller: „London windmills", in: Home counties magazine, July 1901. 12. Johanne Gage Rokewode: Chronica de Brakelonda, London, 1840. 13. Thomas Carlyle: Past and present, Oxford, 1918. 14. C. P. Skilton: British windmills and watermills, London, 1947. 15. Leopold Delisle: „On the origine of windmills in Normandy and England", in: Journal of the British Archeological Association, Vol. 6, London, 1850. 16. J . J . Dodt van Flensburg: „Oud bestaan der windmolens te Utrecht", in: Tijdschrift voor geschiedenes, oudheden en statistiek van Utrecht, 7e jg., 1841. 17. J . S. „Power of wind as applied to flour mills", in: The practical mechanic's journal, Vol. V111second series, April 1863-March 1864, London. 18. Moritz Rühlmann: Allgemeine Maschinenlehre, 1. Bd., Berlin C. 19. William Fairnbairn: Treatise on mitts and millwork, London, 1864. 20. K. Boonenburg: Windmolens in het buitenland (Sonderdruck ohne Nennung der Zeitschrift), o. J . 21. Κ. Boonenburg: De windmolens, in: Heemschutserie, dl. 69, Amsterdam, 1949. 22. Gre vi lie Bathe: Horizontal windmills, draft mitte and similar air-flow engines, Philadelphia, 1948. 23. Julio Caro Baroja: „Dissertación sobre los molinos de viento", in: Revista de Dialectología y Tradiciones populares, Tomo VIII, Cuad. 2, Madrid, 1952. 24. John Storck and Walter Dorwin Teague: Flour for men's bread, a history of milling, Minneapolis, 1952. 25. W. P. Westell: ,,Sandon Mount, Hertfordshire. Its site, excavation and problems", in: Trans. St. Albans and Herts, archil, and archeol. Society New Series no. 4, 1934. 26. F. M. Feldhaus: Technik der Antike und des MiUelatters, Potsdam, 1930. 27. Sven B. E k : Väderkvarnar och Vattenmöllor, Stockholm, 1962. 28. Charles Singer, E . J . Holmyard, A. R. Hall and Trevor I. Williams: A history of technology, Vol. II, Oxford, 1956. 29. Hermann Gleisberg: Technikgeschichte der Getreidemühle, München, 1956. 30. Rex Wailes: Brief vom 6. 11. 1965. 31. Rex Wailes: The English Windmill, London, 1969. 32. Derek Ogden: Chesterton Windmill. Ein Vortrag gehalten auf dem internationalen Symposion für Molinologie, Dänemark, 1969.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Finnland Der älteste Bericht über das Vorkommen einer Windmühle in Finnland stammt wahrscheinlich aus dem Jahre 1463. Diese Auskunft erhielt ich vom Valtionarkisto, dem Nationalarchiv in Helsinki. In den Rechnungen der Burg Turku (Àbo) für das genannte Jahr wird die Windmühle der Burg erwähnt (1). Nach BOONENBTJRO (2, S . 6) wird in Finnland angenommen, daß die Windmühle von Schweden aus und über die Àlandsinseln ins Land gekommen ist. S I N G E R (3,S. 620) behauptet, daß die Windmühle Finnland über Mitteleuropa und Süd-Skandinavien erreicht hat. Die eine Auffassung braucht die andere nicht auszuschließen. Es liegt m. E. auf der Hand, daß die Windmühle von Skandinavien aus über die Àlandsinseln nach Finnland gewandert ist. Bis 1809 war Finnland ein Teil Schwedens. Im 12. und im 13. Jahrhundert unternahmen die Schweden Kreuzzüge nach Finnland, unterwarfen weite Teile dieses Landes und zwangen die Einwohner, sich zum Christentum zu bekehren. Die Schweden errichteten dort u. a. die Festung Turku und besiedelten vor allem die Ostküste der Bottnischen Bucht (4, S. 586). Die Brücke zu diesem Gebiet bildeten die zwischen Schweden und Finnland liegenden Àlandsinseln, ein Archipel von 6000 Inseln, von denen im Jahre 1930 etwa 90 bewohnt waren. In diesem Jahr betrug die Zahl der Einwohner 27 375. Die Bevölkerung ist von schwedischer Herkunft und spricht die schwedische Sprache. Sie lebt von Viehzucht und Landwirtschaft, von Fischerei und Jagd. Von 1809 bis 1917 standen die Àlandsinseln mit dem Großherzogtum Finnland unter russischer Herrschaft. Im Jahre 1917 rief Finnland seine Unabhängigkeit aus, und die Àlandsinseln gelangten an Schweden zurück. Ein Jahr später aber nahmen die Finnen diese Inseln in Besitz. Seit dem 7. Mai 1920 genießt der Archipel ein hohes Maß von Autonomie unter der Amtsgewalt eines finnischen Gouverneurs (12, S. 449). Die Geschichte dieser Inselgruppe und des finnischen Staates läßt erkennen, daß Schweden bis 1809 auf die kulturelle Entwicklung dieser Gebiete einen großen Einfluß ausgeübt hat. Die älteste Windmühle in Turku wurde also unter der schwedischen Oberherrschaft errichtet. Die Àlandsinseln selber besitzen eine große Anzahl Windmühlen. The National Geographie (5, S. 110) erwähnt, daß es dort eine Zeitlang mehr als 900 Getreidemühlen gegeben hat. Eine gründliche Untersuchung über die Windmühlen in Finnland hat bisher noch niemand vorgenommen. Unsere Kenntnisse auf diesem Gebiet sind also sehr oberflächlich (6). Professor E S K O A A L T O N E N , der dem sozialen Aspekt der Gemeinschaftswasserradmühlen ein besonderes Interesse entgegenbringt und als Autorität auf dem Gebiete der Mühlenkunde gilt, schrieb mir, daß bedauerlicherweise niemals eine Spezialarbeit über die Windmühlen Finnlands veröffentlicht worden ist. Es gibt nur unzusammenhängende Daten, die in ethnologischen Dissertationen, in anderen Veröffentlichungen und in Zeitschriften verstreut sind. Die wichtigste Quelle ist das Buch von S I R E L I U S (7, S. 267-73), da es Abbildungen von den wichtigsten Windmühlentypen enthält (8). Es erweist sich, daß man in Finnland, wie in vielen anderen Ländern, der Wasserkraft den Vorzug gegeben hat. Nur dort, wo das Wasser nicht ausreichte, und überall, wo man Landwirtschaft trieb, fanden sich Windmühlen vor. Sie fehlten nur in Lappland. Es liegen aber keine Verbreitungskarten vor (6). Wir wissen nur, daß sich die Windmühlen 1820 vom südwestlichen Teil Finnlands nach dem Norden des Landes und nach Mittel- und Ost-Finnland verbreitet haben (9, 1946, S. 48).
A. Europa: Finnland
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Das älteste Mühlenverzeichnis Finnlands stammt aus dem Jahre 1585. Es wurde im Hinblick auf die Festsetzung der Mühlensteuer aufgestellt. In jener Zeit hatten sich die Windmühlen noch nicht weiter verbreitet als über die beiden südwestlichen Provinzen Turku (Ábo) und Pori (Björneborg). Diese Provinzen bildeten also mit den Álandsinseln ein zusammenhängendes Gebiet. Für die beiden Provinzen wurden folgende Zahlen verzeichnet: Turku: 553 Wasserradmühlen und 719 Windmühlen Pori: 270 Wasserradmühlen und 34 Windmühlen zus. 823 Wasserradmühlen und 753 Windmühlen. Daraus können wir also entnehmen, daß Finnland ohne die Álandsinseln in jener Zeit 753 Windmühlen zählte. In späteren Verzeichnissen wurden bedauerlicherweise nur die Wasserradmühlen erwähnt (1). Zwischen 1585 und 1820 haben die Windmühlen sich fast über das ganze Land verbreitet. Man nimmt an, daß es im Jahre 1820 ungefähr 7500 Windmühlen gab. Dazu muß man wissen, daß viele (auch gemietete) Bauernhöfe im Besitz einer Windmühle für den eigenen Gebrauch waren (9, 1946, S. 48). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es schätzungsweise mehr als 15 000 Windmühlen, also zu einer Zeit, in welcher der Rückgang schon eingesetzt hatte (6). In einer Zeitschrift (9, 1946, S. 48) wird erwähnt, das Anfang 1900 keine statistischen Daten in bezug auf die Windmühlen vorhanden sind, doch soll deren Zahl damals wenigstens 20 000 betragen haben. Nach derselben Zeitschrift waren die meisten Mühlen 1914 verschwunden. Im Jahre 1946 beschloss die Kulturelle Bauern-Stiftung sich danach zu erkundigen, wieviel Windmühlen noch übrig geblieben waren und ließ zu diesem Zweck in zwei Zeitschriften einen Aufruf erscheinen. Es liefen zahlreiche Antworten ein, aber schließlich ergab die Prüfung keine zuverlässige Übersicht. Dieselbe Stiftung ersuchte 1947 alle Gemeinden um ergänzende Angaben zu den 1946 erhaltenen Informationen. Die meisten Gemeinden erteilten die gewünschte Auskunft. Die Durchsicht ergab eine Gesamtzahl von 556 Windmühlen. Nach ihrem Zustand wurden sie folgendermaßen eingeteilt: a. zum Gebrauch geeignet b. ohne Flügel, sonst in gutem Zustand c. ohne Flügel, sonstiger Zustand unbekannt d. in sehr schlechtem Zustand e. über den Zustand ist nichts bekannt f. als Museum verwendet
160 95 47 142 92 20
zusammen 556 (9, 1948, S. 135). Ich habe nicht den Eindruck, daß diese Zahlen ganz zuverlässig sind, doch geben sie immerhin gewisse Hinweise. Es darf hier noch hinzugefügt werden, daß die Álandsinseln bei dieser Zählung nicht berücksichtigt worden sind. Die meisten Windmühlen waren Getreidemühlen. Daneben gab es noch Mühlen für das Heraufpumpen von Wasser und andere für das Sägen von Holz und das Anfertigen von Dachschindeln. Alle Windmühlen in Finnland waren bis auf eine aus Holz gebaut. Nur diese eine Windmühle in Turku, ,,a Dutch-type mill is built on a granite chamber" (6). Nach Boonenburg (2, S. 6) soll man sich zwischen 1930 und 1940 kräftig für die Erhaltung der Windmühlen eingesetzt haben, doch wurde die Ausführung dieses Pro-
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
gramms durch den Krieg unterbrochen. Es ist immerhin erstaunlich, daß diese Bemühungen eines ganzen Jahrzehnts keinen Anlaß zu einer gründlichen Untersuchung auf diesem Gebiet gegeben haben. Einige örtliche Museumßdirektionen haben eine Anzahl von Windmühlen restauriert.
MÜHLENTYPEN A. D I E HORIZONTALE
WINDMÜHLE
Daten über das Vorkommen von horizontalen Windmühlen in Finnland sind mir nicht bekannt geworden. B. D I E VERTIKALE
WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Nachweise vom Vorkommen nicht-drehbarer Mühlen in Finnland sind mir nie begegnet. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse a. Die Bockmühle. Dieser Typ war nahezu in ganz Finnland bekannt, und man hat ihn daher für den ältesten Typ gehalten (6)*. Dieser Typ stimmt mit dem der Âlandsinseln überein*. Soweit ich der Sache nachgehep konnte, wird diese Mühle in Finnland jalkamylly genannt (9, 1943, S. 70). Während Abb. 110 den mit Bleistift geschriebenen Vermerk jalkamylly erhielt, wurde auf Abb. 111 die Bezeichnung varvasmylly notiert. Auf welchen Unterschied die beiden Benennungen hinweisen sollen - beide Mühlen sind Bockmühlen - ist mir nicht klar, obwohl die Lage der-Steine natürlich verschieden ist. Die älteste Bockmühle stammt also höchstwahrscheinlich aus dem Jahre 1463. Die Mühle wird mittels eines Stakens in den Wind gedreht. b. Die Wippmühle. B O O N E N B U R G (2, S. 6) bemerkt, daß jedes Gebiet den Mühlenbau nach eigenem Geschmack und eigenen Erfahrungen ausgeführt hat. Diese Äußerung trifft für die Wipp- oder Köchermühle auf jeden Fall zu. Ich glaube hier drei Varianten unterscheiden zu können, die auch eigene Namen tragen: 112, 113 1. die tuilimylly *; 114, 115 2. die harakkamylly* ; 116, 117 3. die mamsellimylly*. Aus den Querschnitten auf den Abbildungen 113, 115 und 117 geht deutlich hervor, daß alle diese Mühlen Köchermühlen sind. Aus den Abbildungen 112, 114 und 116 ist ebenso deutlich zu ersehen daß bei diesen drei Mühlen das obere Gehäuse mittels eines Stakens gegen den Wind gerichtet werden kann. Das Getriebe befindet sich im oberen Gehäuse, die Werkzeuge (in casu die Mühlsteine) befinden sich im unteren Gehäuse. Die Welle im Köcher überträgt die Bewegung des Getriebes auf die Mühlsteine. Die harakkamylly erinnert stark an die holkkvarn in Schweden und die moulin cavier in Frankreich. Es ist mir nicht bekannt, wann die erste Wippmühle in Finnland erbaut worden ist, und auch nicht, welche Verbreitung sie gehabt hat, obwohl Εκ (10, S. 70) meint, daß sie im eigentlichen Finnland ziemlich allgemein verbreitet war. 108 109
A. Europa: Finnland
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c. Die Paltrockmühle. Es ist mir kein einziger Nachweis vom Vorkommen dieses Mühlentyps in Finnland bekannt geworden. d. Der Tjasker. Auch hier fehlt jeder Nachweis, daß diese Mühle je in Finnland bekannt gewesen ist. III. Mühlen mit drehbarer Haube a. Die zylindrische Turmmühle. Es sind keine Daten vorhanden, aus denen hervorgeht, daß dieser Typ in Finnland bekannt gewesen ist. b. Die leicht-konische Turmmühle. Auch in bezug auf diesen Typ sind mir keine Daten zur Kenntnis gekommen. c. Die konische Turmmühle. Es gibt meines Wissens keinen Beweis dafür, daß dieser Typ je in Finnland bekannt gewesen ist. d. Die eckige Turmmühle. Die eckige Turmmühle* hat Professor E S K O AALTONEN in einem mit Bleistift geschriebenen Vermerk mamsellimylly genannt. Diese Bezeichnung ist sehr verwirrend, da auch die Variante 3 der Wippmühle denselben Namen trägt. Aus Abbildung 119 ist aber deutlich zu ersehen, daß es sich hier nicht um eine Wippmühle handelt. Soweit mir bekannt ist, werden diese eckigen Turmmühlen von außen in den Wind gedreht mittels eines Stakens. Wann die erste Mühle dieses Typs in Finnland Eingang gefunden hat, und welche Verbreitung sie gehabt hat, ist mir nicht bekannt. FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Die Flügel sind aus Brettern angefertigt. Am Ende jedes Flügels ist eine fensterförmige Öffnung, die durch das Wegnehmen oder das Einsetzen von Brettern geöffnet, bzw. geschlossen werden kann. Die Verwendung von Segeltuch kam selten vor, doch war sie nicht gänzlich imbekannt (6). Die Abbildungen 108, 109, 111 und 117 bestätigen den Hinweis auf die fensterförmige Öffnung. Abbildung 113 zeigt uns geschlossene Flügel aus Holz, in denen diese Fenster vermutlich fehlten. Sie fehlen übrigens ganz bestimmt an den Flügeln auf Abbildung 118. In dem spärlichen mir zur Verfügung stehenden Bildermaterial habe ich keine Beispiele für die Verwendung von Segeltuch gefunden. Bei den Mühlen auf Abb. 110 und 112 ist aber Zweifel geboten. Im allgemeinen hatten die Windmühlen vier Flügel, doch gab es auch einige mit sechs, acht und vielleicht sogar mit zwölf Flügeln (6). BOONENBTJRG (2, S. 6) bemerkt daß die Windmühlen in Osterbotten an der Westküste sehr oft sechs Flügel hatten. In dem mir zur Verfügung stehenden Bildermaterial haben die Windmühlen durchweg vier Flügel. Auf Abbildung 118 sehen wir eine Mühle mit sechs Flügeln. Abbildungen von Mühlen mit acht oder zwölf Flügeln sind mir nicht unter die Augen gekommen. Auf Abbildung 110 scheinen die Flügel eine Wölbung aufzuweisen. Dagegen glaube ich, daß auf Abbildung 118 die Flügel mit der Drehimgsebene einen Winkel bilden. HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Auf Grund des Bildermaterials glaube ich folgende Haubenformen unterscheiden zu können:
118, 119
96
108-117
Einzelheiten
Uber Windmühlen
in den einzelnen Ländern der Erde
1. Die Sattelform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle und bei der Wippmühle vor*. 2. Die Pyramidenform. Abbildung 119 zeigt, daß es sich hier um ein regelmäßiges sechsseitiges Prisma handelt, das von einer regelmäßigen sechsseitigen Pyramide bekrönt wird. Diese Konstruktion kommt bei der eckigen Turmmühle vor. Aus Abbildung 118 ist schwierig zu ersehen, um welche Haubenform es sich handelt.
QUELLEN 1. Brief vom Valtionarkisto in Helsinki vom 24. 3. 1962, Nr. 364. 2. K . Boonenburg: Windmolens in het buitenland (Sonderdruck ohne Nennung der Zeitschrift), o. J. 3. Charles Singer: A history of technology, Vol. II, Oxford, 1956. 4. Winkler Prins Encyclopaedic, dl. 8, Amsterdam-Brüssel, 1950. 6. The National Geographic, June 1935. 6. Brief der Ethnographischen Abteilung im finnischen Nationalmuseum in Helsinki vom 20. 2. 1962. 7. U . T. S ire Ii us: Suomen Kansanomainen Kvltuurri. 8. Brief v o n Professor Esko Aaltonen, Universität von Turku, vom 26. 3. 1962. 9. Kotisentu-lekti. 10. Sven B . Ek: Väderkvarnar och vattenmöllor, Stockholm, 1962. 11. Manninen: „Die Sachkultur Estlande", 2. Bd., in: Sonderabhandlungen der Gelehrten Gesellschaft II, Tartu, 1933. 12. Winkler Prins Encyclopaedic, dl. 1, Amsterdam-Brüssel, 1947.
Frankreich Es gibt noch immer Autoren, die der Meinung sind, daß der älteste Bericht über das Vorkommen einer Windmühle in Frankreich aus dem Jahre 1105 stammt (1, S. 456; 2, S. 239). Soweit mir bekannt ist, wurde die Urkunde, in der diese Jahreszahl angegeben wird, von MABILLON entdeckt. Dieser (3, S. 4 4 4 ) schreibt in seinem Werk unter der Jahreszahl 1105: „Jisdem etiam facultatem concessit constituendi domos stagna molendina ad aquam e ventum in episcopatu Ebroicensi, Constantiensi e Bajocensi, ad augendos monasterii proven tus". Die Urkunde selbst von der nur ein Teil erhalten geblieben ist, wird in den Archives Nationales (carton L, 1146, 18) aufbewahrt. DELISLE (4, S. 403) weist daraufhin, daß man bei genauer Prüfung dieser Urkunde Spuren einer Fälschung entdecken kann. Der hier erwähnte Vital wird nämlich Abt des Klosters Savigny genannt, während dieses Kloster erst sieben Jahre später errichtet wurde. Die älteste zuverlässige Erwähnung einer Windmühle finden wir in einer Urkunde aus der späten Regierungszeit Heinrich II (1154-1189). Es handelt sich um eine undatierte Urkunde von Alexander de Liéville, der um 1180 der Abtei St. Sauveur de Vicomte ein Stück Land neben einer Windmühle schenkt, höchstwahrscheinlich in Montmartin en Graine: ,,Totam illam terram de dominico meo quam habebam in monte monasterii quae sita est inter monasteriam Sancti Martini et molendino de vento quam via de villa ad ecclesiam sequat (Cart, de St. Sauveur, F 0 XXV, no. 125)" (4, S. 403). Nach 1180 nimmt die Zahl der Berichte, in denen von Windmühlen oder von Wind-
Filmland
116. Wippmühle " 117. Durchschnitt Abb. 116. UH-Ili). Eckif/c Turmmühle.ii 118
Frankreich
124—127. Abweichende 128. Xicht-drehbare
Typen Mühle
Frankreich 1 11
137, 13S. Wippmuhlcti ! « Vii), HO. Zyliiidrixrlie Turtum ùìilc 114. Leirht-lconixchc Ttinnmïtliltni |
Frankreich
11').
Lcirht-konivchc
ΙΙβ.
Konische
Turmniiihle Turmmühle
1 lì.
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1ΙΊ.
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Ί ' nniDii ϋ/ιίι
( ¡ricchciiland
100,151.
Χ ich!-drehbare
152, 153. Zylindrische
Mühlen Turmmühlen
A. Europa: Frankreich
97
recht die Rede ist, schnell zu. Man darf annehmen, daß im 13. Jahrhundert die Windmühle in Frankreich eine gewohnte Erscheinung war. Nachstehend folgt ein chronologisches Verzeichnis von Berichten über Windmühlen in Frankreich während des 13. Jahrhunderts. Deren Inhalt wird hier mit Stichworten und ganz allgemein wiedergegeben; außerdem werden noch die Gegenden oder die örtlichkeiten genannt, auf die sich die Jahreszahlen beziehen. In all' diesen Berichten handelt es sich selbstverständlich stets um Windmühlen. JAHBESZAHL
INHALT
1201 1207 1210 1212 1214 1216*
Herrenrechte verkauft Einwilligung zum Bau Einwilligung zum Bau kurz vorher erbaut erwähnt eine Windmühle Bestätigung Mühlenbannrecht
1225
der Bau kann nicht verhindert werden
Schenkung 1227** erwähnt eine Windmühle erwähnt eine Windmühle 1232* 1233 1236 1242** 1251 1254 1267
Bestätigimg Mühlenbau erwähnt eine Windmühle Schenkung Windrecht erwähnt eine Anzahl Windmühlen Zuweisung Erlös Zuweisung Erlös Erlös ausgeschlossen erwähnt eine Windmühle erwähnt eine Windmühle
1268 1281
Zuweisung einer Windmühle erwähnt eine Windmühle
1285 1290 1292
erwähnt eine Windmühle erwähnt eine Windmühle richterlicher Befehl, Windmühle niederzureissen Verkauf einer Windmühle
1293
GEGEND ODER HINWEIS ORTLICHKEIT
Langreme (Caen) (4, S. 404) Tienvillers (4, S. 404) Beauvoir (4, S. 404) Évreux (4, S. 404) Renneville (4, S. 404) Normandie (5, S. 80; 6, S. 139, Sp. 2; 7, S. 131) (8, S. 7; 9, I, S. Wervicq 187) Turqueville (4, S. 404) Loos (10, I. S. 273) (10, I. S. 273, Marquette Anm. 2) Normandie (7, S. 158) Lille (10, S. 218) Lille (11, S. 39, Anm. 2) Wazemmes (10, I. S. 273) Cassel (8, S. 11) St. Omer (8, S. 11) St. Marie-Capelle (8, S. 11) Lille (9, S. 355) Porte St. Sauveur (10,1. S. 273 Anm. 2) Fécamp (4, S. 405) Cateleu (10, I. S. 273, Anm. 2)
Fives (10, I. S. 273, Anm. 2) Crequeville (4, S. 405) Normandie bei Lille
(4, S. 405) (8, S. 15)
Erläuterung: * Die Berichte aus den Jahren 1216 und 1232 stammen aus dem échiquier der Normandie. Échiquier nannte man in jenen Tagen das Obergericht (12, S. 222). Έβ ist hier hervorzuheben, daß die Bezeichnung molendinum venti von diesem Gerichtshof zum ersten Male im Jahre 1216 verwendet wird. Bis zu dieser Zeit fehlte der Zusatz venti. ** PBATE (8, S. L X X I X ) gibt statt 1227 das J a h r 1226 an und Shnlicherweise, in bezug auf die Ebene von Wazemmes, statt 1242 die Jahreszahl 1240.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Aus diesem Verzeichnis geht hervor, daß alle diese Berichte, soweit ich der Sache nachgehen konnte, aus dem nordwestlichen Teil Frankreichs stammen. Es erhebt sich daher die Frage, ob diese Tatsache dem reinen Zufall zuzuschreiben ist, oder ob dies bedeuten soll, daß im 13. Jahrhundert die Windmühle in anderen Gebieten Frankreichs noch nicht bekannt war. Der Zufall könnte darin bestehen, daß die Forschung sich auf diese nordwestlichen Gegenden gerichtet hat, weil gerade aus diesen Gebieten die ältesten Berichte über Windmühlen stammen. Im Abschnitt über England habe ich schon die Bindungen erwähnt, die in der Zeit zwischen 1066 und 1272 dieses Land mit Frankreich verknüpften. In jenen Tagen erstreckte sich von Nordfrankreich bis in das Gebiet der heutigen Niederlande die Grafschaft Flandern. Im Jahre 1047 heiratete Wilhelm, der Herzog der Normandie, Mathilde, die Tochter des Grafen von Flandern. Einige Nachkommen aus dieser Ehe wurden Könige von England. Aus Dankbarkeit für die Hilfe, die der Herzog 1066 aus Flandern erhalten hatte, schenkte er den Untertanen dieser Grafschaft einen Anteil aus den 60 000 Lehen, die in England verliehen wurden (10, I, S. 189, 256). Hieraus ist ersichtlich, daß es in jener Zeit zwischen der Normandie und Flandern eine enge Verbindung gab. Diese Tatsache ist zweifellos von Bedeutung, wenn wir sie als Hintergrund für die früheste Geschichte der Windmühlen in diesen Gebieten betrachten. Nicht weniger bedeutend ist in diesem Zusammenhang das sogenannte Gesetz von Oléron. Dieses „Gesetz" enthält eine Sammlung von Gebräuchen und Urteilen, die Guillaume Guischos, Schreiber der Gemeinschaft von Oléron, einer Insel im Norden der Gironde-Mündung, zusammengestellt hat. Es ist nach den Anweisungen des mayor dieser Gemeinschaft aufgezeichnet worden. STORCK (13, S . 121) nennt es ein „twelfth-century code". Twiss (14, S . L X X X V f.) teilt mit, daß das Manuskript in der Bodleian Library aufbewahrt wird, und daß die Schrift auf das 14. Jahrhundert weist. Der Text schließt mit dem Vermerk: „Iste Uber est magistri Johannis Ramberti, cui detur paradisus, et fuit completus anno domini MCCCXL quarto, scilicet decima die mensis Febroarii". Twiss zitiert einen gewissen L U D E R S , welcher der Meinung ist, daß die Sammlung älter als die überlieferte Handschrift sein dürfte. In diesem Gesetz von Oléron wird bestimmt, daß die Windmühlen zu den Immobilien gehören (14, S. 386). STORCK (13, S. 121) entnimmt dieser Sammlung noch die folgende Beschreibung: „Some windmills are altogether held above the ground, and have a high ladder; some have their foot fixed in the ground, being, as people say, well-affixed". Man nimmt an, daß dieses Gesetzbuch im Jahre 1314 von England übernommen worden ist. Die obige Beschreibung der Mühle bezieht sich offenbar auf eine Bockmühle. Meines Erachtens ist es aber sehr fraglich, ob diese Beschreibung der Windmühle nicht nachträglich in England dem Text der Sammlung hinzugefügt worden ist, denn die Insel Oléron lag höchstwahrscheinlich jenseits der Südgrenze dieses Windmühlentyps. Es ist schwierig, sich von der Verbreitung und der Verbreitungsdichte der Windmühlen in Frankreich eine richtige Vorstellung zu machen. Ich habe den Eindruck, daß Frankreich mit der Erteilung von Auskunft zu dieser Frage im allgemeinen nicht freigiebig ist. In vielen Fällen war es infolge von allerlei hemmenden Bestimmungen unmöglich, einige für meine Arbeit benötigte Werke aus Frankreich zu beziehen. Wir werden uns also notgedrungen mit sehr summarischen und möglicherweise lückenhaften Angaben begnügen müssen. Aus unserem Verzeichnis der Windmühlen im 13. Jahrhundert hat sich bereits ergeben, daß die Windmühle sich über den nordwestlichen Teil Frankreichs schnell ver-
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breitet hat. Wir glauben zu wissen, daß für dieses Gebiet die große Anzahl Mühlen besonders in der alten Grafschaft Flandern charakteristisch war. Wieviele Mühlen es hier aber gegeben hat, ist mir nicht bekannt. In bezug auf das Gebiet von Landes in Süd-Frankreich teilt VISSEE (15, S. 197) mit, daß diese Gegend in der Blütezeit der Windmühlen richtig mit Mühlen „besät" war. Auch hier ist mir deren Anzahl nicht bekannt. Dagegen wissen wir etwas mehr in bezug auf Paris und dessen Umgebung. VIOLLET-le-Duc (16, S. 410) erwähnt die Mühlen, die im 15. Jahrhundert auf der hutte des moulins zwischen dem Palast der Tuileries und dem Boulevard und auf verschiedenen Türmen der Stadtmauer stehen. BENNET und ELTON (17, S. 2 3 2 , Anm.) und BATTEN (19, S. 10) geben an, daß im Jahre 1 6 3 0 zahlreiche Windmühlen auf den Stadtmauern standen. DESART (18, S. 10) gibt an, daß sich im Rechtsbezirk des Châtelet von Paris um 1707 etwa tausend Windmühlen vorfanden. KRÜGER (20, S. 221) erinnert ferner an die Windmühlen in Süd- und Südost-Frankreich, im Rhônetal, in Bourgogne und an der Loire-Mündung. Höchstwahrscheinlich ist die Windmühle über ganz Frankreich verbreitet gewesen, das Massif Central ausgenommen. Wie ich schon bemerkte, ist mir in bezug auf die Zahl der Windmühlen nichts bekannt. Nur in bezug auf das Gebiet von Anjou sind wir dank der Untersuchung von WEBSTER etwas besser informiert. WEBSTER scheint für Anjou etwa 6 5 0 Windmühlen gezählt zu haben. Bei einer neuen Untersuchung wurden davon mehr als 300 aufgefunden. Einige Mühlen befanden sich noch in gutem Zustand; 1961 waren nur noch zwei in Betrieb. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts müssen aber die Mühlen in diesem Gebiet eine größere Dichte aufgezeigt haben (21, S. 122, 124). Die Hohe Kommission für Historische Denkmäler hat in ihrer Sitzung vom 25. Oktober 1957 den Wunsch geäußert, man möge eine Zählung der noch vorhandenen Windmühlen vornehmen, um Webster's Ergebnisse zu vervollständigen (21, S. 122). Es ist mir aber nicht gelungen zu erfahren, ob man diesem Wunsch entsprochen hat. Aus dem vorangehenden Bericht über Anjou dürfen wir folgern, daß der Verfall sehr groß sein muß. Meine eigenen Untersuchungen im Gebiet der alten Grafschaft Flandern haben ebenfalls das Bild eines großen Verfalls ergeben. Außerdem habe ich den Eindruck gewonnen, daß in Frankreich für den Schutz der Mühlen wenig geleistet wird. Dies wird übrigens von BOONENBTJRG (22, S. 10) bestätigt. Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich annehme, daß die Windmühlen in Frankreich sehr gefährdet sind. In Frankreich sind mir keine Beispiele von der Kombination Windmühle-Wasserradmühle begegnet. Wohl erwähnt LAMAISON (21, S. 1 2 4 ) , daß man in einigen Gegenden von Baugois eine Windmühle in der Nähe einer Wasserradmühle vorfindet, so daß beide Mühlen vom selben Müller bewirtschaftet werden konnten. Bevor dieser allgemeine Teil abgeschlossen wird, und wir zu den verschiedenen Mühlentypen übergehen, halte ich es für richtig, hier einige Mühlen zu erwähnen, die in ihrer äußeren Erscheinungsform von unserer Systematik abweichen*. Ich glaube aber, sie als örtliche Abweichungen von bestehenden Typen betrachten zu dürfen. Man kann m. E. ohne viel Mühe feststellen, daß die Mühlen auf den Abbildungen 123, 124, 125 und 126 Abweichungen der zylindrischen Turmmühle und die auf den Abbildungen 120, 121, 122 und 127 Abweichungen der leicht-konischen Turmmühle sind. Die meisten dieser Abweichungen kommen im Département der Loire-Inférieure vor (Abb. 124 bis einschl. 127). Sie kommen auch noch in den Départements du Nord, der Somme, Ornes und des Morbihan vor, also hauptsächlich im Gebiet des Mittelmeertyps. Außerdem sind diese Mühlen, soweit die Zeit ihrer Entstehung bekannt ist, vor dem Aufkommen des holländischen Typs in Frankreich errichtet worden. Abbildung 125 stammt aus
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dem Jahre 1368, Abbildung 124 aus dem 14. Jahrhundert, Abbildung 127 aus den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts und Abbildung 123 aus der Zeit um 1600. Es fällt noch auf, daß die Flügel und Hauben auf Abb. 120 (Dép. Nord) und Abb. 121 (Dép. Somme) den beim holländischen Typ üblichen Formen entsprechen, während die Abbildungen 123, 125, 126 und 127 uns die konische Haube zeigen und Flügel darstellen, deren Gatter sich an beiden Seiten der halben Rute befindet. Man könnte m. E. auch die Mühle auf Abbildung 122 als eine leicht-konische Turmmühle mit Unterbau betrachten. Diese Mühlen mit abweichenden Formen werden „Teufelsmühlen" genannt. MÜHLENTYPEN A. DIE HORIZONTALE WINDMÜHLE
Aus Frankreich sind einige Entwürfe von horizontalen Windmühlen bekannt. Der erste stammt aus dem Jahre 1699. Es handelte sich um eine Erfindung von Couplet. Die Mühle hatte vier Flügel, um welche ein verstellbarer Schirm angebracht werden konnte. Es ist nicht wahrscheinlich, daß dieser Entwurf je ausgeführt wurde. Im selben Jahre entwarf auch Duquet eine horizontale Windmühle. Die eigentlichen Flügel waren von einer Kuppel mit Jalousien umgeben, durch welche der Wind Zugang hatte. Es wird erzählt, daß dieser Mühlentyp in Portugal und in Polen soviel Anklang fand, daß man ihn gewöhnlich als „polnische Mühle" bezeichnete. Im Laufe meiner Untersuchungen habe ich jedoch weder in Polen noch in Portugal je eine Spur dieses Typs auffinden können. Höchstwahrscheinlich ist eine Mühle nach den Plänen von Duquet wohl nie erbaut worden. Im Jahre 1719 wurde der Entwurf einer tragbaren horizontalen Mühle mit scharnierten Flügeln veröffentlicht. Auch diese Mühle ist höchstwahrscheinlich im Stadium des Entwurfes steckengeblieben. Ein letzter Entwurf wurde 1732 von Gallon ausgearbeitet. Der Antrieb des Windes auf die Flügel konnte mittels Schiebebrettern reguliert werden. Auch diese Mühle ist vermutlich nie über das Entwurfstadium hinausgekommen. Die Entwürfe aus den Jahren 1699 und 1732 wurden von der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Paris angenommen und in ihren „Handlungen" von 1735 (26, S. 12 f.) veröffentlicht. B. DIE VERTIKALE WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle
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Im Werk von BENNET und ELTON (17, S. 308) fand ich das Photo einer Windmühle mit der Unterschrift: „Vallorcine, Switzerland". In Goldmanns Atlas (35, Karte 84) wird nur ein Ort namens Vallorcine in Frankreich in der Nähe der Schweizer Grenze südlich vom Genfer See verzeichnet. Aus dem Bild* geht hervor, daß der Mühlenkörper die Form eines kleinen Schuppens aus Holz mit einem Satteldach aufweist. Die Flügel liegen in der Verlängerung der Längsachse dieser Konstruktion. Sie drehen sich um eine horizontale Achse. Diese ist in ein Gestell eingebaut, das außen an den Schuppen angebaut ist. Wie die Drehbewegung der Flügel welle auf die Werkzeuge übertragen wird, ist aus der Abbildung nicht zu ersehen. Auch ist mir nicht bekannt, welche Werkzeuge dadurch angetrieben werden.
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Wann dieser Mühlentyp in Frankreich Eingang gefunden und welche Verbreitung er gehabt hat, ist mir nicht bekannt. Ich weiß auch nicht, ob zur Zeit noch Mühlen dieses Typs vorhanden sind. Eine Scheune mit Flügelkreuz in Eecke stellt eine eigentümliche Form der nichtdrehbaren Windmühle dar*. Ein ehemaliger Müller, der Landwirt wurde, hat diese Mühle in der Scheune gebaut. Er mahlte hier sein eigenes Getreide. Wenn er damit fertig war, nahm er die Flügel weg und verwahrte sie in der Scheune bis zur folgenden Ernte. Die Flügel befanden sich auf der südwestlichen Seite, da der Wind in diesem Gebiet vor allem aus dieser Richtung weht (37, Planche XIV).
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II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse a. Die Bockmühle. Dieser Windmühlen typ wird in Frankreich als moulin pivot, moulin de plain oder als chandelier bezeichnet (21, S. 125). Ein anderer Name für diesen Typ ist noch moulin turquois (2, S. 239; 16, S. 405; 25, S. 632). Letztere Bezeichnung wurde zum ersten Male im Jahre 1402 in einem vom Grundherrn von Thorigny dem König gegebenen aveu verwendet (25, S. 632). Einige Autoren sehen daher in diesem aus der Normandie stammenden Wort eine Bestätigung ihrer Auffassung, daß die Kreuzfahrer sich die Windmühle aus dem Morgenland mit nach Hause gebracht haben. VISSER c. S. (27, S. 197) sind der Ansicht, daß die Bockmühle auch in Frankreich die älteste Mühle ist. Die älteste Bockmühle in Frankreich, über welche zuverlässige Berichte zu uns gelangt sind, ist die oben schon erwähnte Mühle aus der Zeit um 1180. Sie war im Herzogtum Normandie gelegen. Wenn wir von der Tatsache ausgehen, daß in jenen Tagen dieses Herzogtum, England und Flandern in enger Beziehimg zu einander standen, und wir dabei berücksichtigen, daß die älteste Windmühle in England (1191) und die älteste Windmühle in dem heute zu Belgien gehörigen Teil der Grafschaft Flandern (1197) gelegen waren, dann können wir mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit daraus folgern, daß auch die älteste Mühle in Frankreich zu diesem Typ gehörte. KRÜGER (20, S. 221 f.) sucht das Zentrum der Verbreitung der Bockmühle im Küstenstreifen der alten Grafschaft Flandern. Von dort soll sich die Verbreitung in zwei Richtungen vollzogen haben. Einer dieser beiden Wege läuft von dort nach Deutschland und zum Nachbarland im Osten Deutschlands. Der andere Weg führt von Flandern ins Innere Frankreichs bis in die Champagne, die Beauce, das Orléanais und sogar bis zum unteren Lauf der Loire. In diesen Gebieten finden wir also die Südgrenze der Bockmühle. Soweit unsere Kenntnisse jetzt reichen, glaube ich, KRÜGER in diesem Sinne berichtigen zu müssen, daß der Ausgangspunkt der Verbreitung nicht in der alten Grafschaft Flandern, sondern im früheren Herzogtum Normandie gelegen war, da man in der zuletzt genannten Provinz die älteste Bockmühle erwähnt. In einem mehr allgemeinen Rahmen betrachtet, könnte das Dreieck Normandie, Flandern und SüdostEngland als das Ursprungsgebiet der Bockmühle bezeichnet werden. Wohl kann man hierzu noch bemerken, daß der äußerste Nordwesten Frankreichs (also ein Teil der früheren Grafschaft Flandern) in bezug auf die Verbreitung der Bockmühle die größte Dichte aufwies. BOONENBURG (22, S. 9) erwähnt in diesem Zusammenhang, daß er dabei an den Kasselberg in Französisch-Flandern denkt, einen nahezu alleinstehenden Hügelrücken von 157 m Höhe, der einst mit Dutzenden von hübschen Bockmühlen gleichsam bepflanzt war*. 130, 131 In Frankreich können wir bei der Bockmühle zwei Varianten unterscheiden, nämlich
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die offene Bockmühle und die geschlossene Bockmühle. Abbildung 131 gibt uns ein deutliches Beispiel von einer offenen Bockmühle. Der Fuß ist ganz offen und ruht mit seinen Kreuzbalken auf Sockeln. Bei der geschlossenen Bockmühle liegen die Kreuz132, 133, balken auf einer Wanne aus Stein. Diese kann rund sein* oder eckig*. 134 Daß es sich in einem solchen Falle nicht um eine Wippmühle handelt, kann man aus Abbildung 135 ersehen. b. Die WippmûMe. Eine bestimmte Variante der Wippmühle wird hier als moulin 136 cavier bezeichnet*. Wir können an dieser Variante drei Teile unterscheiden: ein oberes und ein unteres Gehäuse und einen Unterbau. Das obere Gehäuse, in dem sich das Getriebe befindet, kann gegen den Wind gerichtet werden. Im unteren Gehäuse das eine Kegelform aufweist, befinden sich die Werkzeuge. Durch einen Köcher zwischen dem oberen Gehäuse und diesem Kegel wird die Verbindung zwischen dem Getriebe und den Werkzeugen hergestellt. Der Unterbau unter dem Kegel und der Kegel selber werden hier zusammen cave genannt. Wir haben es hier also deutlich mit einer Wippmühle mit Unterbau zu tun. In diesem Unterbau wird das Mehl aufgefangen und in 137 Säcke geschüttet. Außerdem dient dieser Raum noch als Aufbewahrungsort*. Der Kegel und der Unterbau sind aus Stein gebaut. Das obere Gehäuse ist natürlich aus Holz. Diese Variante kommt im Gebiet von Anjou vor und erfüllt dort die Funktion einer Getreidemühle. Ob dieser Typ auch außerhalb des Gebietes von Anjou vorkommt, ist mir nicht bekannt. L A MAISON (21, S. 125) erwähnt 1961, daß es in Anjou 137 Windmühlen vom Typ moulin cavier gab. Von diesen Mühlen konnten 106 leicht repariert werden; 19 hatten noch das obere Gehäuse, doch waren ihre Flügel nicht mehr vorhanden; die übrigen 12 hatten noch ihre Flügel. Im Jahre 1951 war nur noch eine dieser Mühlen in Betrieb, nämlich in Croix-Cadeau bei Avrillé. Es ist wohl möglich, daß es in Frankreich noch einen anderen Vertreter dieses Wippmühlentyps gibt oder gegeben hat. So erwähnt Εκ (30, S. 70) mit einem Hinweis auf B O O N E N B U R G und K R Ü G E R , daß in Zentral- und in Süd-Frankreich, ζ. B. im Garonnegebiet Wippmühlen für die Dränierung verwendet werden. K R Ü G E R (20) legt aber eine Zeichnung des moulin cavier vor. BOONENBURG (28, S. 100) berichtet nur, daß man im Süden Frankreichs (Garonne) altertümliche Poldermühlen vorfindet. Für einen Niederländer wie BOONENBURG gibt es nur zwei Poldermühlentypen, nämlich die Wippmühle und die eckige Turmmühle. Letztere ist eine der sogenannten holländischen Mühlen. Wie wir bald noch sehen werden, ist in Frankreich die holländische Mühle nicht weiter nach Süden vorgedrungen als bis einschließlich Nordfrankreich. Hieraus dürften wir also die Folgerung ziehen, daß die Dränierungsmühle in Südfrankreich eine Wippmühle ist. Außerdem spricht BOONENBURG von „altertümlichen" Poldermühlen. Im Vergleich zu der eckigen Turmmühle ist die Wippmühle in der Tat altertümlich. Abbildungen dieser Dränierungsmühle im Garonnegebiet sind mir aber nicht bekannt, und auch die Zahl der Mühlen in diesem Gebiet kenne ich nicht. Wann dieser Mühlentyp in Frankreich aufgekommen ist, entzieht sich ebenfalls meiner Kenntnis. Es gibt in Frankreich noch eine andere Wippmühle, nämlich auf der Insel de Noirmoutier. Diese Mühle dient zur Beschleunigung der Salzfabrikation durch das Wegpumpen von Wasser aus den Salzpfannen, sobald das Salz sich auskristallisiert hat. Aus der Beschreibung CLAUDE R I V A L S (39) geht hervor, daß die Mühle auf einer versetzbaren hölzernen Brücke ruht, die über den Deich gestellt wird, der die Salzpfanne und den Ableitungskanal trennt. Der Kopf mit dem Flügelkreuz, das aus rechteckigen 138 eisernen Flügeln besteht, dreht auf einer hölzernen Scheibe um den Köcher*. In dem
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unteren Teil des Köchers bewegt sich eine Pumpe. Die drehende Bewegung der Flügelachse wird umgesetzt in eine auf- und niedergehende Bewegung der Pumpe. Mittels einer Windfahne wird die Mühle gegen den Wind gerichtet. Auf der Insel de Noirmoutier kommen noch ein Dutzend solcher Mühlen vor. c. Die Paltrocbnühle. Soweit mir bekannt ist, kommt dieser Mühlentyp in Frankreich nicht vor. d. Der Tjasker. Daten über das Vorkommen des Tjasker habe ich nicht aufspüren können. I I I . Mühlen mit drehbarer Haube a. Die zylindrische Turmmühle. In Frankreich kommt die zylindrische Turmmühle vor. Sie wird hier moulin breton genannt. Dae zu meiner Verfügung stehende Bildermaterial enthält Darstellungen von zylindrischen Turmmühlen aus den Départements Ille-et-Vilaine, Finistère, Morbihan, Loire-Inférieure, Vendée und Vienne*. RONSE 139, 140 (38, S. 6) erwähnt noch, daß die aus Stein gebauten Mühlen von Balinghem und Andres im Bezirk Guiñes der Beschaffenheit und dem Aussehen nach auf erstaunliche Art mit denen in der Normandie übereinstimmen. Mir sind aber keine Abbildungen der Mühlen in den genannten Orten bekannt, sodaß ich diese Angabe nicht kontrollieren kann. Der Mühlenkörper ist aus Stein gebaut und trägt eine konische Haube. Soweit man der Sache nachgehen kann, werden alle diese Mühlen von außen gegen den Wind gerichtet mit Hilfe eines Stakens. Alle haben ein Flügelkreuz. Der älteste Bericht über diesen Mühlentyp soll aus de 13. Jahrhundert stammen (37, Planche XLVI). Wieweit dieses Jahr als richtig angesehen werden darf, ist mir nicht bekannt. Wie groß die Zahl der Mühlen dieses Typs gewesen ist, ist ebenfalls nicht bekannt. PICOT gibt an, daß es auf der Insel Belle De vor 1600 noch keine Mühlen gegeben hat. Im Jahre 1787 gab es dort acht Mühlen, 1841 waren es neunzehn; für 1929 spricht er von einer großen Anzahl (d. h. wohl: mehr als neunzehn); 1935 waren nur noch drei übrig geblieben. Manche Mühlen dieses Typs - wie auch Mühlen anderen Typs - sind dem zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen. b. Die leicht-konische Turmmühle. Die leicht-konische Turmmühle besteht aus einem leicht-konischen Körper aus Stein oder Backstein, der eine konische Haube trägt. Der echte Mittelmeertyp ist gewöhnlich ein niedriger Bau*. In Frankreich findet man aber 142 Vertreter dieses Typs, die höher aufgeführt sind*. Höchstwahrscheinlich werden diese 141 Mühlen von innen her gegen den Wind gedreht. Es gibt aber auch Mühlen dieses Typs, die von außen gegen den Wind gerichtet werden mit Hilfe eines Stakens*. Sowohl die 144 zylindrische Turmmühle als auch die leicht-konische Turmmühle bezeichnet man als moulin tour. In welcher Zeit eine Mühle dieses Typs zum ersten Male in Frankreich erschienen ist, ist mir nicht bekannt. Wir verfügen über eine Darstellung in einer Miniatur aus der Normandie (Abb. 145). Diese Miniatur soll aus den Jahren 1430-1440 stammen und wird in der Bodleian Library in Oxford aufbewahrt (2, S. 257). Ein weiterer Bericht über einige Exemplare dieses Mühlentyps stammt aus dem Jahre 1467. Aus diesem Jahre ist eine Darstellung von einigen Mühlen aus Carcassonne (2, S. 257) bekannt. Wenn wir aber annehmen, daß die Mühlen des Mittelmeertyps schon 1444 die Niederlande erreichten (36, S. 158), und zwar vermutlich von Frankreich aus, dann muß auch
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angenommen werden, daß sie in Frankreich schon lange vorher bekannt waren. PICOT (37, Planche X X X I V ) schreibt diesen Typ schon dem 13. Jahrhundert zu. Obwohl ich nicht damit rechnen kann, hier ein vollständiges Bild von der Verbreitung dieses Typs geben zu können, so glaube ich doch, daß wir uns von ihr eine gute Vorstellung machen können. Vertreter dieses Typs werden in den folgenden Gebieten und Ortschaften erwähnt: Normandie (20, S. 221; 22, S. 9), Bretagne (31, S. 162; 22, S. 9), Morbihan (22, S. 9), das Gebiet von der Loire-Mündung bis Bourgogne (20, S. 221), Seine et Marne (37, Planche X X X I V ) , Vendée (22, S. 9), Charente (22, S. 9), Tarn et Garonne (22, S. 9), Quercy (32, S. 81, 84), Landes (37, Planche L X V I ) , die obere Garonne (31, S. 160, 161), Carcassonne (2, S. 256), Nîmes (2, S. 256), Provence (31, S. 160, 161; 22, S. 9), die benachbarten Alpen (31, S. 160 f.), das Rhônetal (20, S. 221) und Maçonnais (31, S. 161 f.), ferner die Gegend bis Bourgogne (20, S. 221), sowie von hier bis zur Normandie, die Mündung der Loire (20, S. 221) und Anjou (21, S. 126).
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Die Mühlen in Morbihan sind ganz primitive Turmmühlen, doch gibt es davon auch einige hübschere Exemplare. In der Vendée und in der Charente sind die Mühlen verlassen. In der Provence waren die Mühlen etwas ansehnlicher und bis vor kurzem in Betrieb. Beim Ort Fontvieille an der Straße von Arles nach Les Baux stehen noch vier Mühlen, zwei davon sind ganz unversehrt. Eine von beiden ist die berühmte Mühle*, in der Alphonse Daudet seine Lettres de mon moulin schrieb (22, S. 9). Über die Zahl der leicht-konischen Turmmühlen, die es einst gegeben hat, wissen wir so gut wie nichts. Nur in bezug auf Anjou sind einige Daten bekannt. LAMAISON (21, S. 126) gibt 1961 an, daß in Anjou noch 167 Mühlen dieses Typs vorhanden waren. Von diesen waren 51 zu Ruinen verfallen, 83 besaßen noch einen Teil ihres Holzwerkes und die Haube, 21 hatten noch Flügel und 2 waren noch in Betrieb. Über die 10 übrigen erfährt man keine Einzelheiten. Aus dieser Übersicht geht hervor, wie weit schon der Verfall auch bei diesem Mühlentyp fortgeschritten war. Für das Gebiet zwischen Toulouse und Cahors erwähnt MEYER (32, S. 81), daß man viele Windmühlen außer Betrieb gesetzt hatte. Oft war der Mühlenkörper stehen geblieben und wurde als Taubenschlag oder als Lagerraum benützt. Soweit mir bekannt ist, wurde die leicht-konische Turmmühle nur für das Mahlen von Getreide verwendet. Einen Laufsteg habe ich bei diesem Mühlentyp nicht angetroffen. c. Die konische Turmmühle. Dieser Typ wird moulin hollandais genannt. In Frankreich ist er noch eine sehr junge Erscheinung, denn diese Mühle hat hier erst im 18. Jahrhundert Eingang gefunden. Dieser Typ hat in Frankreich auch keine große Verbreitung gekannt. Er ist nicht weiter vorgedrungen als bis nach Französisch-Flandern und ins Artois (20, S. 222)*. Wie groß die Zahl dieser Mühlen gewesen ist, ist mir nicht bekannt. Zweifellos gerät auch dieser Typ je länger je mehr in Verfall. Soweit mir bekannt ist, wurden diese Mühlen von außen gegen den Wind gerichtet mit Hilfe eines Sterzwerkes. Höchstwahrscheinlich wurden sie nur für das Mahlen von Getreide verwendet. Einen Laufsteg habe ich bei diesem Mühlentyp nicht angetroffen. d. Die eckige Turmmühle. Soweit ich der Sache nachgehen kann, fanden sich in Frankreich nur wenige Vertreter dieses Typs vor. Die meisten waren aus Backstein gebaut. Die Mühle auf Abbildung 147 wird von außen gegen den Wind gedreht. Haube und Flügel verraten hier den holländischen Typ. Es handelt sich um eine Mühle, die mit 31 anderen erbaut wurde, um die Moeres in Nordfrankreich trockenzulegen. La Voix
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du Nord (34, Nr. vom 15. 9. 61) gibt an, daß der Erbauer der „holländische" Ingenieur „Wencelas Gobergher" war. PICOT (37, Planche I I ) bemerkt aber, daß es sich um den „Belgier Wenceslas Coeberger" handelt. Diese Mühle wurde um 1752 errichtet. Im mir zur Verfügung stehenden Bildmaterial finde ich auch eine Mühle dieses Typs, die mit Hilfe einer Windrose automatisch gegen den Wind gedreht wird. Wir dürfen annehmen, daß die Verbreitung in Frankreich auf das nordwestliche Gebiet beschränkt gebheben ist. Außer dieser eckigen Turmmühle holländischen Typs fand ich im Bildermaterial zwei Abbildungen von Mühlen, die ebenfalls eckig sind, aber m. E. als eckige Varianten des Mittelmeertyps zu betrachten und möglicherweise unter dem Einfluß der holländischen eckigen Turmmühle entstanden sind. Abbildung 148 stellt eine eckige „zylindrische Turmmühle" und Abbildung 149 eine eckige „leicht-konische Turmmühle" vor. Zwar tragen diese Mühlen ein Flügelkreuz, aber damit sind nahezu alle Mühlen des Mittelmeertyps in Frankreich ausgerüstet. Die Haube beider Mühlen ist konisch.
FLÜGELFORMEN DER V E R T I K A L E N MÜHLE Aus dem mir zur Verfügung stehenden Bildmaterial und aus der Mühlenliteratur geht hervor, daß die Form der Windfangvorrichtung im allgemeinen das Flügelkreuz ist, und zwar das mit einem Gatter versehene Flügelkreuz. Soweit meine Kenntnisse reichen, kommen aber im Süden Frankreichs auch Mühlen mit sechs Flügeln vor (40). Die allgemeine Form ist jedoch das Flügelkreuz. Auch die Miniatur aus der Normandie aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts* zeigt uns das bekannte Flügelkreuz mit den gleichen Gattern an beiden Seiten der halben Ruten. Auch habe ich nirgends Belege dafür finden können, daß es in Frankreich jemals Mühlen mit einer anderen Anzahl von Flügeln als vier gegeben hat, wie wir sie doch sonst in vielen Ländern antreffen. Aus dem mir zur Verfügung stehenden Bildermaterial treten folgende Varianten dieses Flügelkreuzes hervor: 1. Das Gatter befindet sich gleichmäßig an beiden Seiten der halben Rute. Auf jeder Seite gibt es nur eine Längslatte mit einer großen Anzahl von Querlatten. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle, der zylindrischen Turmmühle und der leicht-konischen Turmmühle vor. 2. Das Gatter befindet sich an der einen Seite der halben Rute. Dieses Gatter besteht aus zwei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten. An der anderen Seite der halben Rute befinden sich Windbretter. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle, der leicht-konischen Turmmühle und der konischen Turmmühle vor. 3. Das Gatter befindet sich an der einen Seite der halben Rute. Das Gatter besteht aus drei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten. An der anderen Seite der halben Rute befinden sich Windbretter. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle und der eckigen Turmmühle vor. 4. Das Gatter befindet sich an der einen Seite der halben Rute. Das Gatter besteht aus drei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten. Zwei dieser Längslatten sind jedoch kürzer als die dritte. An der anderen Seite der halben Rute befinden sich die Windbretter. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der konischen Turmmühle vor.
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106 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde 5. Das Gatter befindet sich an der einen Seite der halben Rute. Das Gatter besteht aus drei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten. An der anderen Seite der halben Rute befinden sich keine Windbretter. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. 6. Die Flügel sind an beiden Seiten der halben Rute mit Jalousien versehen. Diese Konstruktion kommt bei der eckigen Turmmühle vor. 7. Bei der Mühle mit sechs Flügeln befindet sich das Gatter an beiden Seiten der halben Rute. Nähere Besonderheiten können aus dem mir zur Verfügung stehenden Bildmaterial nicht entnommen werden. Diese Konstruktion kommt bei der leichtkonischen Turmmühle vor. Wie die Flügelform bei dem moulin cavier genau beschaffen war, ist mir nicht bekannt. Das mir zur Verfügung stehende Bildermaterial enthält keine einzige Darstellung einer Wippmühle mit unbeschädigten Flügeln. Man kann nur sagen, daß es ein Flügelkreuz mit Gattern war.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Aus dem Bildermaterial geht hervor, daß in Frankreich folgende Haubenformen vorkommen: 1. Die Sattelform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle und bei der Wippmühle vor. 2. Die gebrochene Sattelform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. 3. Die Olockenform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. 4. Die konische Form. In diesem Fall ist die konische Form besonders spitz. Diese Konstruktion kommt bei der zylindrischen Turmmühle und bei der leicht-konischen Turmmühle vor. 5. Die Bootform. Diese Konstruktion kommt bei der konischen Turmmühle und bei der eckigen Turmmühle vor. 6. Die Zeltform. Diese Konstruktion kommt bei der Wippmühle vor.
QUELLEN
1. Moritz Rühlmann: Allgemeine Maschinenlehre, 1. Bd., Braunschweig, 1965. 2. Julio Caro Baroja: „Dissertación sobre loe molinos de viento", in: Revieta de Dialectología y Tradiciones populares, Tomo VIII, Cuad. 2, Madrid, 1952. 3. Johanne Mabillon: Annales Ordinis Sancii Benedirti, t. V., Paris, 1740. 4. Leopold Delisle: ,,Οη the origine of windmills in Normandy and England", in: Journal of the British Archeological Association, Vol. 6, London, 1850. 5. L. A. und Th. A. Warnkoenig und L. Stein: Franz. Staats- und Rechtsgeschichte, Basel, 1848. 6. Léchaude-d'Anisy: Grand Rôles des échiquiers de Normandie, Paris, 1845. 7. M. A. J. Marnier: Établissements et coutumes, assises et arrêts de l'échiquier de Normandie, au treizième siècle (1207 à 1245), Paris, 1839. 8. Jacques Prate: Droit d'eau et de vent en Flandre, en Hainaut et en Cambrésis. (Diss.), Lille, 1910. 9. E. Hautcoeur: Gartulaire de l'Église Collégiale de Saint-Pierre de Lille, 2 Tomes, Lille-Paris, 1894. 10. Victor Derode: Histoire de Lille, Lille-Paris, 1848. 11. Ed. van Hende: Histoire de Lille de 620 à 1804, Lille, 1876. 12. C. R. C. Herckenrath: Frans Woordenboek, dl. I, Groningen-Batavia, 1947.
A. Europa: Frankreich/Griechenland 107 13. John Storck and Walter Darwin Teague: Flour for man's bread, a history of milling, Minneapolis, 1952. 14. Travers Twiss: Monumenta jurídica. The good usages and the good customs and the good judgements of the commune of Oléron, Vol. 2, chap. XCI, London, 1873. 15. H. A. Visser: Zwaaiende wieken. Over de geschiedenis en het bedrijf van de windmolens in Nederland, Amsterdam, 1946. 16. E. Viollet-le-duc: Dictionnaire raisonné de l'architecture française du XI' au XV' siècle, Tome sixième, Paris, o. J. 17. Richard Bennet and John Elton: History of committing, Vol. 2, Liverpool, 1899. 18. Robert Desart: De windmolens van België, Brüssel, 1961. 19. M. I. Batten: English windmills. Containing a history of their origine and development, with records of mills in Kent, Surrey and Sussex, Westminster, 1930. 20. Prof. Fritz Krüger: Géographie des traditions populaires en France, Mendoza, 1950. 21. M. Guy Lamaison: „Les moulins à vent d'Anjou", in: Les monuments historiques de la France, no. 3, 1961. 22. K. Boonenburg: Windmolens in het buitenland (Sonderdruck ohne Nennung der Zeitschrift), o. J. 23. Charles Singer, E. J. Holmyard, A. R. Hall and Travor I. Williams: A history of technology, Vol. Π , Oxford, 1956. 24. M. A. de Caumont: Abécédaire ou rudiment d'Archéologie, Caen, 1859. 25. Pierre Larousse: Grand dictionnaire universel du 19" stiele, Tome XI, Paris, o. J. 26. G re ville Bathe: Horizontal windmills, draft mills and similar air-flow engines, Philadelphia, 1948. 27. C. Visser und J. Pie te ree: Hollandsch Molenboek, Amsterdam, 1941. 28. K. Boonenburg: De windmolens, in: Heemschuteerie dl. 69, Amsterdam, 1949. 29. C. Visser, A. ten Bruggencate und J. Schregardus: Onze HoUandsche moleña, 2e reeks, 1929. 30. Sven Β. Ek: Vöderkvarnar och vaüenmöUor, Stockholm, 1962. 31. Fritz Krüger: „Notas etnográfico-lingüísticas da Póvoa de Varzim", in: Boletim de Filologia, IV fase. 3-4, Lisboa, 1936. 32. Heinz Meyer: „Bäuerliches Hauswesen im Gebiete zwischen Toulouse und Cahors", in: Volkstum und Kultur der Romanen, VT, Hamburg, 1933. 33. Louis Cobbett: „Mediterranean windmills", in: Antiquity, Vol. Χ Ι Π , 1939. 34. La Voix du Nord: in verschiedenen Nummern dieser Tageszeitung sind 1961 Mühlen aus Nordfrankreich abgebildet und beschrieben worden. 35. Goldmanne Großer WeltaÜas, München, 1965. 36. A. Sipman: „De torenmolen te Zeddam", in: Gedenkboek Dr. J. H. van Heek, Didam, 1953. 37. Henry Picot: Les vieux moulins de France. Les moulins à vent, Paris, 1949. 38. Alfred Ronse: De windmolens, Brugge, 1934. 39. Claude Rivais: Portable salt-water mills of France: The salt-makers' windmills in lie Noirmoutier. Ein Vortrag gehalten auf dem internationalen Symposion für Molinologie, Dänemark, 1969. 40. Claude Rivals: ,,Moulins-Tour du Midi", in: Annales du Centre Régional de Documentation Pédagogique de Toulouse, no 3, Novembre 1967.
Griechenland Griechenland gehört zu jenen Ländern, aus denen nur mit Schwierigkeiten Auskunft über die Windmühlen zu erhalten ist. Auf Grund der Daten, die ich im Laufe der Jahre sammeln konnte, habe ich den Eindruck gewonnen, daß in diesem Lande die Windmühle niemals der Gegenstand eingehender Studien gewesen ist. Das mir zur Verfügung stehende Material enthält nur einen einzigen Bericht in bezug auf dae griechische Festland. Abgesehen von dieser Ausnahme, bezieht sich mein gesamtes Material auf einige Inseln im Ionischen Meer und vor allem auf die Inseln in der Agäis.
108
Einzelheiten über Windmühlen
in den einzelnen Ländern der Erde
Besonders auf den Inseln im Ägäischen Meer herrscht Mangel an strömendem Wasser. Dagegen verfügen diese Inseln wohl über Windkraft. Es ist also verständlich, daß man diese Windkraft zum Antreiben von Windmühlen verwendet hat. Mariolopoulos (18, S. 46) bemerkt, daß in Griechenland die Windkraft auf den Inseln im Ägäischen Meer am stärksten ist. Schwächer ist die Windkraft auf den Ionischen Inseln, am schwächsten ist der Wind über dem Festland. Für diese östlichen Inseln ist es ferner noch charakteristisch, daß sie mit Mangel an Holz zu kämpfen haben, an Stein aber kein Mangel ist. Es liegt daher auf der Hand, daß man für den Bau dieser Windmühlen Haustein verwendete. Meiner Ansicht nach ist es am besten, hier für die verschiedenen Teile Griechenlands einige Einzelheiten betreffs der Windmühle folgenden zu lassen: a. Das Festland Der einzige Bericht über das Festland bezieht sich auf Thrakien. Von der Leitung dieses Regierungsbezirkes erhielt ich die Mitteilung (1), daß in diesem Gebiet keine Windmühlen vorkommen. Weder die Geschichte noch die Überlieferung dieser Gegend gibt zu erkennen, daß es hier je Windmühlen gegeben hat, allerdings mit Ausnahme einer Windmühle im Dorf Avdria. Die Voraussetzungen für den Bau von Windmühlen sind in diesem Gebiet nicht günstig, da der Wind im Sommer zu schwach ist. Dagegen ist Wasserkraft in genügendem Maße vorhanden, um Wasserradmühlen anzutreiben. B O O N E N B U R G ( 7 , S. 1 1 ) behauptet aber, daß Windmühlen sowohl auf dem Festland als auch auf den Inseln vorkommen. b. Die Inseln im Ionischen Meer B A R O J A (2, S . 280) erwähnt das Vorkommen von Windmühlen auf den Ionischen Inseln, u. a. auf Paxos und auf Antipaxos. Er bemerkt dazu, daß sie mit der Front nach Epiro gerichtet sind. In Elseviers Weekblad (17) ist die Abbildung einer Mühle auf Ithaka erschienen. c. Die Inseln im Ägäischen Meer 1 . Skyros. B A R O J A ( 2 , S. 2 8 0 ) erwähnt das Vorkommen von Windmühlen auf der Insel Skyros. 2. Kea. C O B B E T T (3, S. 459) schreibt, daß er auf Kea Windmühlen gesehen hat. 3. Mykonos. B A R O J A (2, S. 280) erwähnt das Vorkommen von Windmühlen auf Mykonos. Abbildungen solcher Mühlen findet man auf einem Prospekt für Touristen (4). 4. Ios, Paros, Tolegandros, Kimolos. Der Direktor der „National Tourist Organisation of Greece" (5) teilte mir mit: ,, . . . that most of the Cyclades islands, like los, Paros, Tolegandros, My conos, Ky molos etc., are famous for their windmills which add to the islands' picturesqueness". 5. Santorin. C O B B E T T (3, S. 459) schreibt, daß er auf Santorin Windmühlen gesehen hat. S T A A L (6, S . 109) hat diese Insel besucht und beschreibt die Mühlen im Dorf Pyrgos. 6. Chios. B A R O J A (2, S. 256) vermerkt, daß in dem Werk von G. B R A U N und F. H O G E N B E R G (Civitatis orbis terrarum, liber primus, ed. Colonia, 1599) eine Abbildung erscheint, auf der zwei Reihen Windmühlen dargestellt sind, eine Reihe von dreizehn Mühlen in der Nähe einer Bucht und eine von acht Mühlen am Strande entlang. Es ist mir nicht gelungen, dieses Werk einzusehen. C O B B E T T (3, S. 459) gibt an, ein Photo einer auf dieser Insel in Betrieb befindlichen Mühle zu besitzen.
A. Europa: Griechenland 109 7. Patmos. COBBETT (3, S. 459) beschreibt, wie die Windmühle auf Patmos gegen den Wind gerichtet wird. 8. Kos. COBBETT (3, S. 459) behauptet, auf dieser Insel Windmühlen gesehen zu haben. 9. Kreta. JIMÉNEZ DE LA ESPADA (8, S. 47) berichtet über eine Reise des Spaniers Pero Tafur in den östlichen Teil des Mittelmeers zwischen 1435 und 1439 und erwähnt, daß Pero Tafur auf dem Kai von Chania eine Anzahl von Windmühlen vorgefunden hat. BIERENS DE HAAN (9, S. 167 ff.) unternahm 1930 eine Heise, die ihn auch über Kreta führte. Im westlichen Teil der Insel, auf der Halbinsel Akrotiri, welche die Sudabucht umschließt, fand er zwei Windmühlen vor. Im östlichen Teil der Insel sah er noch an mehreren Orten Getreidemühlen in einer Reihe auf einem Hügelrücken. In dem Dorfe Zyda, das ein paar Autostunden in östlicher Richtung von Chania entfernt ist, fand er gleichfalls zehn auf einem Hügelrücken aufgereihte Mühlen dieser Art. Er erzählt noch, daß es im Bergland auf Kreta runde Hochebenen gibt, auf denen Ackerbau getrieben wird. Die größte dieser Ebenen ist die von Lasithi. Für die Bewässerung hat die Bevölkerung dort Wasserrinnen ausgegraben. Kleine Windmühlen schöpfen das Wasser herauf. Es stehen auf dieser Ebene wohl dreitausend solcher kleinen Mühlen einfacher Art. Diese kleinen Mühlen betrachte ich als moderne Mühlen auf eisernen Gestellen. Mittels einer Windfahne drehen sie sich automatisch in den Wind. Das Besondere ist aber, daß diese modernen Mühlen acht dreieckige Segel führen (20, S. 702 bzw. S. 751). 10. Rhodos. Die Berichte über diese Insel sind m. E. von großer Bedeutung für die Windmühlen-Forschung in diesem Teil der Welt, da sie uns wertvolle historische Daten vermitteln. Bis zum 15. August 1308 stand die Stadt Rhodos unter der Herrschaft von Byzanz. Seit 1306 bemühten sich die Ritter des Johanniterordens um die Eroberung der Insel. An jenem 15. August 1308 fand die Eroberung ihrer Abschluß mit dem Fall der Stadt. Die Johanniter legten auf der Insel große Festungswerke an und behaupteten sich hier bis zum Jahre 1522. In diesem Jahre wurde die Insel von den Türken erobert (10, S. 435). Nach den ältesten Berichten sollen die ersten Windmühlen auf der Insel Rhodos von genuesischen Kriegsgefangenen erbaut worden sein. Durch diese Leistung sollen sie sich freigekauft haben. In bezug auf die Zeit, in der diese Arbeiten stattfanden, herrscht aber keine Einstimmigkeit. GABBIEL (11, S. 59) weist daraufhin, daß FABEB (Evagatorium, III, S. 257) den Vorgang in die Zeit der Türkenherrschaft, also nach 1522, verlegt. JEAN THENAUD (Voyage. - Ed. Schefer, S. 126, 127) stellt ihn aber in die Zeit der Johanniter, also zwischen 1308 und 1522. GABKIEL hält es für bezeugt, daß auf dem Hafendamm von Rhodos im Jahre 1391 wenigstens vierzehn Windmühlen standen. Die neunte, die zehnte und die vierzehnte Mühle werden in einer Schenkung des Admirals der Johanniter, Bruder Domenico d'Alemagna, an das St. Catharina-Hospiz erwähnt. Nach Lib. Bull, 1492, F° 129, ist schon im Jahre 1389 unter anderen genannten Gaben die Rede von duobus molendinis ad ventum. Wir wissen aber nicht, seit wann die anderen Mühlen schon vorhanden waren. GABRIEL ist jedoch der Ansicht, daß einige dieser Windmühlen schon in byzantinischer Zeit erbaut wurden. Wie alt sie also eigentlich sind, wissen wir nicht genau. Es scheint aber möglich zu sein, die Zeit doch etwas näher zu bestimmen. AMBROISE (12, S. 394), der bekannte Chronist des dritten Kreuzzuges, verweilte zwischen 1190 und 1192 zehn Tage auf der Insel Rhodos. In seinem Bericht, der auch diese Episode erwähnt, spricht er nicht von Windmühlen, und dies läßt sich nur dadurch erklären, daß die Mühlen damals auf dem
110 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde Hafendamme noch nicht zu sehen waren. GASTON P A R I S ist der Meinung, daß Ambroise von Beruf Schreiber war und höchstwahrscheinlich aus der Normandie stammte (12, S. X f.)· Die Windmühle war tatsächlich noch nicht bekannt in West-Europa mit Ausnahme der Normandie, aber auch in diesem Gebiet war eine Windmühle noch eine große Neuerung. Ambroise hätte gewiß nicht versäumt, das Vorkommen von Windmühlen auf Rhodos zu erwähnen, wie er es auch tat, als in der Umgebung von Akkon die erste Windmühle errichtet wurde (12, S. 87). Eine diesbezügliche Erwähnung für Rhodos darf umso eher erwartet werden, als der Windmühlen-Typ in Rhodos von jenem Typ abwich, den er möglicherweise aus der Normandie kannte. Im Laufe des 15. Jahrhunderts geben mehrere Reisende davon Kunde, daß auf dieser Insel Windmühlen vorkommen, und zwar nicht nur auf dem Hafendamm, sondern auch in der Stadt und auf dem Lande. Die Gärten scheinen mit Wasser aus einem Bassin bewässert zu werden, das mit Hilfe von Windmühlen gefüllt wird. G A B R I E L erwähnt noch 1921, daß in der Stadt und auf dem Lande zahlreiche Mühlen zu sehen sind (11, II, S. 127). In welchem Jahre die älteste Windmühle in Griechenland errichtet wurde, ist uns unbekannt. Aus dem ältesten authentischen Bericht, der aus dem Jahre 1389 stammt, wissen wir, daß es schon damals Windmühlen gab. Diese sind vermutlich nach 1249 (11, I, S. 59) und gewiß nicht vor 1190 erbaut worden. Die Mühlen wurden durchweg in einer Reihe nebeneinander aufgestellt. Diese Anordnung haben wir schon für Kreta vermerkt, und B A R O J A (2, S. 281) erwähnt sie auch für Mykonos. Dieselbe Erscheinung begegnet uns andernorts noch in Portugal. Man kann beobachten, daß die Windmühlen sowohl auf Kreta als auch auf Rhodos der Bewässerung dienten. Im allgemeinen aber waren die Windmühlen in Griechenland für das Mahlen von Getreide in Gebrauch. Es ist m. E. nicht möglich, auch nur annäherungsweise zu schätzen, wieviel Windmühlen es in Griechenland gegeben hat. Sogar Rhodos entzieht sich einer solchen Schätzung. In bezug auf die Inseln im Agäischen Meer schreibt C O B B E T T (3, S. 458), daß sie voll von Windmühlen waren. Viele waren verfallen, doch war noch eine große Anzahl dieser Mühlen in Betrieb.
MÜHLENTYPEN A. D I E H O R I Z O N T A L E
WINDMÜHLE
Es ist mir kein einziger Beleg dafür bekannt, daß es in Griechenland je horizontale Windmühlen gegeben hat. B. DIE VERTIKALE
WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle In Griechenland finden wir mehrere Typen einer nicht-drehbaren vertikalen Windmühle. An erster Stelle sind hier zwei Typen der nicht-drehbaren Mühle auf der Insel Kreta zu erwähnen. 1. Ein langgezogenes Gebäude aus rohem Haustein, an dem eine schmale Seite abgerundet und ein wenig höher als die übrigen Teile des Gebäudes ist. Soweit ich es aus
A. Europa: Griechenland 111 der Abbildung ablesen kann, liegt die Flügelwelle in einer an der abgerundeten Seite des Gebäudes befindlichen Spalte*. Diesen Mühlen typ findet man in West-Kreta vor. Wie weit er sich verbreitet hat, ist mir nicht bekannt. Auch in bezug auf das früheste Auftreten dieses Mühlentyps in Griechenland ist mir nichts bekannt. 2. Ein viereckiges Gebäude aus Stein, dessen Vorderseite etwas höher ale die anderen Seiten ist. Es ist mit einem schrägen, flachen Dach überdeckt. Die Flügelwelle ragt aus der Wand dieses Gebäudes heraus*. Vollständigkeitshalber möchte ich noch erwähnen, daß auf Kreta neben diesen nichtdrehbaren Mühlen auch Mühlen vorkommen, die gegen den Wind gedreht werden können. Außer diesen nicht-drehbaren Mühlen auf Kreta werden auch solche auf Santorin (6, S. 109) erwähnt. Hier soll es sich um zylindrische Turmmühlen handeln. Obwohl der Autor sehr entschieden behauptet, daß sich auf dieser Insel Mühlen dieser Art neben den drehbaren Mühlen vorfinden, glaube ich dennoch, daß in bezug auf diesen Bericht Zurückhaltung geboten ist. Eine Abbildung der betreffenden Mühle ist mir nicht bekannt. In einem gewissen Sinne sind die Windverhältnisse auf Kreta für nicht-drehbare Windmühlen relativ günstig. MABIOLOFOULOS (18, S. 42) teilt mit, daß in drei von den vier Jahreszeiten der Nordwestwind vorherrscht.
151
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II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse Ich habe für Griechenland keine einzigen Beleg dafür gefunden, daß es hier je Mühlen gegeben hat, deren ganzer Körper gedreht werden mußte, um die Mühle gegen den Wind zu richten. III. Mühlen mit drehbarer Haube a. Die zylindrische Turmmühle. Auf Grund des mir zur Verfügung stehenden Bildmaterials müßte ich den Schluß ziehen, daß in Griechenland die zylindrische Turmmühle vorherrscht. Schon auf einem Holzschnitt von Breydenbach aus dem Jahre 1483 finden wir eine Abbildung der zylindrischen Turmmühle auf der Insel Rhodos*. Auch aus späterer Zeit besitzen wir Darstellungen von Mühlen auf dieser Insel*. Es ist auffallend, daß auf den Abbildungen 153 und 154 die Mühlen in einer Reihe aufgestellt sind. Abbildung 155 stellt eine zylindrische Turmmühle auf West-Kreta und 158 eine solche auf Ost-Kreta dar. Letztere gehörte zu einer Reihe von zehn Mühlen (9, S. 168). Abbildung 157 stellt eine Reihe von zylindrischen Turmmühlen auf Mykonos und Abbildung 159 eine zylindrische Turmmühle auf Ithaka dar. Alle diese Mühlen bestehen aus einem zylindrischen Rumpf aus verputztem Haustein. Sie sind nicht hoch aufgeführt. Keine einzige dieser Mühlen ist mit einem Laufsteg versehen. Angaben über die Verbreitung und Dichte dieser Mühlen stehen mir nicht zur Verfügung. Wenigstens auf Patmos werden diese Mühlen von innen her gegen den Wind gerichtet, und COBBETT (3, S . 4 5 9 ) nimmt an, daß dies auch auf den anderen Inseln im Ägäischen Meer der Fall ist. Oben auf dem Rumpf der Mühle befindet sich ein Ring aus Hartholz, aus welchem heraus Holzpflöcke nach oben ragen. Die Haube sitzt darauf
152 153, 154, 156
112 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde fest mit einem Ring aus Holz, in welchem Löcher angebracht sind. Indem man in eines dieser Löcher einen Stock steckt und einen der Pflöcke als Stützpunkt benutzt, kann man die Haube hochheben, um sie um einige Grade zu verschieben. b. Die leicht-konische Turmmühle. Es ist mir nicht bekannt, ob es in Griechenland leicht-konische Turmmühlen gibt oder gegeben hat. c. Die konische Turmmühle. Dieser Typ kommt in Griechenland nicht vor. d. Die eckige Turmmühle. Auch dieser Typ kommt in Griechenland nicht vor.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Nach ST AAL (6, S. 109) hat die Windmühle in Griechenland ungefähr zwölf Segelstangen, zwischen denen dreieckige Segel gespannt werden. Der Kopf der Flügelwelle ragt drei bis vier Meter heraus. Vom Ende des Kopfes laufen Spannseile zu allen Segelstangen, und diese sind außerdem auf dieselbe Art miteinander verbunden. Dies kann man bei den Mühlen auf Kreta und Mykonos beobachten. B A R O J A (2, S. 281) spricht aber von zehn bis zwölf Segelstangen und dies mit Recht, denn auf Abbildung 159 können wir deutlich zehn Segelstangen unterscheiden. In bezug auf die Flügelformen möchte ich hier auf Abbildung 152 verweisen. Die Windfangvorrichtung wird hier durch acht halbe Ruten mit Gattern dargestellt. Es erhebt sich die Frage, ob diese Flügelform mit Gattern schon von Anfang an in diesem Gebiet bekannt war, oder ob ursprünglich nur die Segelstangen mit den dazwischen gespannten dreieckigen Segeln vorkamen. Ich vermute, daß der Flügel mit dem Gatter aus der Phantasie eines Künstlers entsprungen ist, der diese Mühlen höchstwahrscheinlich nie erblickt hat.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE In bezug auf die Haubenformen der vertikalen Mühle lasse ich die nicht-drehbare Mühle außer Betracht. Alle Haubenformen bei der zylindrischen Turmmühle weisen augenscheinlich die konische Form auf.
QUELLEN
1. Brief der Provinzialverwaltung von Rodope, Thrakien, vom 12. 3. 1963. 2. Julio Caro Baroja: „Dissertación sobre los molinos de viento" in: Revista de Dialectología y Tradiciones populares, Tomo VIII, Cuad. 2, Madrid, 1952. 3. Louis Cobbett: „Mediterranean windmills", in: Antiquity, Vol. XIII, 1939. 4. Folder no. 14, April 1962, published by the National Tourist Organization of Greece. 5. Brief des Direktors der „National Tourist Organization of Greece" vom 17. 12. 1962, Nr. 73049/C 27 Dav. 6. Arthur Staal: Hellas, Amsterdam, 3. Auflage, o. J. 7. K. Boonenburg: Windmolens in het buitenland (Sonderdruck ohne Nennung der Zeitschrift), o. J. 8. Jiménez de la Espada: „Andaças e viajes de Pero Tafur (1435-1439)", in: Colección de libres españoles raros y curiosos, VIII, Madrid, 1874. 9. Dr. J. A. Bierens de Haan: „Windmolens op Kreta", in: Tweede Jaarboek van de Hollandsche Molen, Vereeniging tot Behoud van molens in Nederland, Amsterdam, 1934. 10. Steven Runciman: A history of the crusades, Vol. I l l , Cambridge, 1955. 11. A. Gabriel: La cité de Rhodes, 2 Vol., Paris, 1921 und 1923.
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160. Konische
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Horizontale
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Mühle
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Jugoslawien
16S. 169. 17U. 171. 172. 173. 171.
Bockmühle Zylindrische Turmmïihle Zylindrische Turmmühle Konische Turmmühle Konische Turmmühle Eckige Tur>nmühle Eckit/e Turinmühle
A. Europa: Griechenland/Irland
113
12. A m b r o i s e : L'Estoire de la Guerre Sainte. Histoire en vers de la troisième croisade (1190-1192) par Ambroise, publiée et traduite d'après le manuscrit unique du Valicati par Gaston Paris, Paris, 1897.
13. J u l i o Caro B a r o j a : „ L e moulin à v e n t en E s p a g n e " , in: Laos, t o m e I I , Stockholm, 1952. 14. Tercier: „Memoire sur la prise d e la ville e t de l'isle d e R h o d e s , e n 1622 p a r Soliman Π d u n o m , E m p é r e u r des O t t o m a n s " , Mémoires de littérature, tirés des registres de VAcademie Royale des Inscriptions et Belles-Lettres, T o m e X X V I , P a r i s , 1759. 15. E . Viollet-le-duc: Dictionnaire raisonné de l'architecture française du XI' au XVI' siècle, T o m e sixième, Paris, o. J . 16. F . Lopez E s t r a d a : Embajada a Tamorlan, estudio y edición de un manuscrito del siglo XV, Madrid, 1943. 17. Eisernere Weekblad, 28. 2. 1959. 18. E . G. Mariolopoulos: La distribution des elements météorologiques en Grèce, A t h è n e s , 1937. 19. F . M. F e l d h a u a : Technik der Antike und des Mittelalters, P o t s d a m , 1930. 20. The National Geographie Magazine, W a s h i n g t o n D . C., N o v e m b e r 1953 u n d D e c e m b e r 1958.
Irland In der Mühlenliteratur ist in bezug auf die Windmühlen in Irland kaum ein Hinweis zu finden. Es ist diesem Gegenstand keine einzige Untersuchung gewidmet worden, weder dem Bau der Windmühle noch ihrer Verbreitung. Authentische Daten betreffs der ältesten Windmühle in diesem Gebiet sind mir nicht bekannt. Auf eine Bitte um Auskunft erklärte Herr Professor E S T Y N EVANS, Verfasser von Irish heritage (1942), Mourne country (1951) und Irish folk vxiys (1957), daß die Windmühlen in Irland meistenteils aus den letzten Jahren des 18. und' dem Anfang des 19. Jahrhunderts stammen (1). Aus dem mir zur Verfügung stehenden Material kann man keinerlei Eindruck gewinnen von der Anzahl der Windmühlen, die es dort gegeben hat, noch von deren Verbreitung und Dichte. Am Anfang des 19. Jahrhunderts hat die „Royal Dublin Society" in mehreren Grafschaften statistische Untersuchungen vorgenommen. Eins der Themen bei diesen Untersuchungen war Mills of every kind. In den meisten gelegentlich dieser Untersuchung eingelaufenen Berichten wird dieser Gegenstand aber nicht berücksichtigt. Als ein Musterbeispiel für die Ergebnisse einer solchen Untersuchung seien hier die Angaben für die Grafschaft Armagh, eine der nördlichsten Grafschaften Irlands, mitgeteilt: „Mills are of two descriptions only in this country, those necessary for the linen, and those for the corn manufacture. Of the former kind, are bleach-mills and flaxmills; of the latter are oat-mills and those for the manufacture of flour; oatmeal-mills are usually driven by water, but many of them are windmills" (1). Ich weiß nicht, ob wir aus diesen Daten folgern dürfen, daß in der Grafschaft Armagh die Funktion der Windmühle einzig und allein die der Verarbeitung von Hafer war. Jedenfalls werden bestimmte Zahlen nicht angegeben, weder für die eine noch für die andere Mühlenart. Das Finanzministerium von Nord-Irland hat Verzeichnisse von alten Denkmälern veröffentlicht, doch sind darin die Windmühlen nicht aufgenommen (1). Professor E S T Y N EVANS teilt in bezug auf Nord-Irland mit, daß sich eine bedeutende Anzahl von Windmühlen im Osten der Grafschaft Down und besonders noch in der Nähe der Küste vorfindet (1).
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160, 161
Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
PERCY LE CLEEC, Inspector of National Monuments, schrieb mir in bezug auf die Republik Eire, daß Windmühlen in bestimmten Teilen des Landes sehr zahlreich sind, doch niemand, meinte er, habe je eine allgemeine Arbeit über diese Windmühlen oder deren Verbreitung verfaßt (2). SKILTON (3, S. 32) verweist auf ein in Dublin gemaltes Aquarell aus dem 19. Jahrhundert, auf welchem eine Windmühle dargestellt wird. Eine Reproduktion dieses Gemäldes soll in einem Werk von Sean O'Faolain, The story of Ireland zu finden sein. Es ist mir nicht gelungen, dieses Buch in die Hände zu bekommen. SKILTON schreibt noch in bezug auf die Windmühlen: „but Irish specimens are certainly rare". Der Direktor des Nationalmuseums der Republik Eire teilte mir mit, daß alle Windmühlen mit Ausnahme einer einzigen zu Ruinen verfallen sind. Nur die Rümpfe sind stehen geblieben (4). Soweit mir bekannt ist, ist im gesamten Irland nur eine Windmühle restauriert, und zwar die in Tacumshin in der Grafschaft Wixford in der Republik Eire. Die Instandhaltung dieser Mühle* gehörte zu den Aufgaben des Direktors des Nationalmuseums, A. T. LUCAS (4). In Nord-Irland ist nach den Mittei ungen von Professor ESTYN EVANS keine einzige Windmühle mehr in Betrieb (1). MÜHLENTYPEN A. DIE HORIZONTALE WINDMÜHLE
Soweit mir bekannt ist, sind in Irland niemals horizontale Windmühlen in Betrieb gewesen. In Zusammenhang mit dem Mangel an Material kann man aber über diesen Punkt schwerlich etwas Endgültiges aussagen. Wohl erwähnt BATHE (5, S. 16) einen von Professor BLYTH aus Glasgow (Schottland) geschaffenen Entwurf für den Bau einer horizontalen Windmühle. Dieser Entwurf soll eine Bearbeitung des Windrades gewesen sein, das von Dr. THOMAS R. ROBINSON 1843 im Armagh Observatorium (Irland) erfunden wurde, um als Windmesser verwendet zu werden. B. DIE VERTIKALE WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Ich habe in Irland keinen einzigen Nachweis vom Vorkommen nicht-drehbarer Windmühlen in der heutigen oder in früherer Zeit gefunden. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse Auch vom Vorkommen solcher Mühlen habe ich keine einzigen Nachweis finden können. I I I . Mühlen mit drehbarer Haube a. Die zylindrische Turmmühle. Es ist vielleicht möglich, daß in der Republik Eire zylindrische Turmmühlen existiert haben. PERCY LE CLERC schrieb mir nämlich: the stonework of the building, which ist either a cylindrical or tapering tower some twenty-five feet high". Abbildungen von Mühlen dieses Typs sind mir aber nicht bekannt.
A. Europa: Irland
115
b. Die leicht-konische Turmmühle. Wenn ich annehmen dürfte, daß die restaurierte Mühle von Tacumshin in der Grafschaft Wexford eine Vorstellung vom gängigen Typ der „tapering mill" gibt*, dann möchte ich diese mit einem leichten Vorbehalt den 160, 161 leicht-konischen Turmmühlen zuordnen. Die Windmühle von Tacumshin weist eine Anzahl von Merkmalen auf, kraft deren sie zweifellos zum Mittelmeertyp gehört; der Mühlenkörper ist nicht hoch aufgeführt, die Haube ist entschieden konisch, die Flügelwelle ist nach außen hin verlängert; Spannseile laufen vom Kopf dieser Verlängerung und von einer Stelle etwas unterhalb des Kopfes zu den Toppen der Flügel; die Flügel sind durch Spannseile miteinander verbunden. Das alles sind Merkmale des Mittelmeertyps. Den Mühlenkörper möchte ich aber konisch nennen, und die Windfangvorrichtung besteht nicht aus Segelstangen mit dreieckigen Segeln. Ich bin jedoch der Ansicht, daß die Merkmale so ausgeprägt denen des Mittelmeertyps entsprechen, daß ich diesen Mühlenkörper nicht zur Gruppe der konischen Turmmühlen rechnen kann. Die Mühle wird von außen gegen den Wind gedreht mit Hilfe eines Sterzwerks. c. Die konische. Turmmühle. Soweit ich der Sache nachgehen kann, gibt es keinen Nachweis vom Vorkommen dieses Mühlentyps in Irland. Hier muß man aber den Vorbehalt in Anschlag bringen, den ich bei der leicht-konischen Turmmühle glaubte machen zu müssen. Die Knappheit des vorhandenen Materials muß uns davon abhalten, in dieser Hinsicht Endgültiges auszusagen. d. Die eckige Turmmühle. Auch hier gilt ungeschmälert das, was vorhin in bezug auf die konische Turmmühle bemerkt worden ist.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Alles, was hier über die Flügelformen in Irland gesagt werden kann, beruht nur auf der Flügelform der restaurierten Mühle in Tacumshin: 1. Ein Flügelkreuz mit dem Gatter an der eine Seite der halben Rute: Windbretter sind nicht vorhanden. Das Gatter besteht aus zwei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten. Die Flügelwelle ist nach außen hin verlängert. Vom Kopf dieser Verlängerung und von einer Stelle etwas unterhalb des Kopfes laufen Spannseile zum Topp der Flügel. Die Flügel sind auch miteinander durch Spannseile verbunden. Die Flügel weisen eine Wölbung auf.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Auch hier stellt die Mühle in Tacumshin das einzige Material dar, über das ich verfüge. Die Haube dieser Mühle zeigt die konische Form. Unter der Haube, die aus Stroh hergestellt ist, ist ein Aufsatz aus Holz angebracht.
QUELLEN
1. 2. 3. 4. 6.
Brief der Library of the Queen's University in Belfast vom 9. 7. 1963. Brief des Inspektors of National Monuments, Dublin, 16. 1. 1963. C. P. Skilton: British windmills and watermiils, London, 1947. Brief des Direktors des Nationalmuseums der Republik Eire, Dublin, 2. 1. 1963. Greville Bathe: Horizontal windmills, draft mills and similar air-jlow engines, Philadelphia, 1948.
116 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Island 162
Das einzige mir zur Verfügung stehende Material in bezug auf diese Insel ist die Abbildung einer Windmühle in Reikjavik*. Jedes Ersuchen meinerseits um Auskunft ist unbeantwortet geblieben. Die Abbildung stellt eine eckige Turmmühle mit Laufsteg dar. Wir sehen hier deutlich ein Flügelkreuz, in dem sich das Gatter an der einen Seite der halben Rute befindet. Das Gatter besteht aus drei Längslatten und vielen Querlatten. An der anderen Seite der halben Rute können Windbretter angebracht werden. Die Haube der Mühle ist zwiebeiförmig. Die Flügel werden von außen gegen den Wind gerichtet mit Hilfe eines Sterzes. Da dieser Mühlentyp in den Niederlanden, wo er entwickelt wurde, zum ersten mal 1526 genannt wird, kann er erst nach dieser Zeit nach Island gekommen sein. Wir wissen, daß diese Insel um 800 von den Iren entdeckt worden ist. Vorher war sie vermutlich unbewohnt. In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts wurde sie von Norwegen aus von den Wikingern besiedelt. Diese Norweger stammten vor allem aus den westlichen Fjorden. Im Jahre 1262 wurde diese Kolonie gezwungen, die Oberherrschaft des norwegischen Königs anzuerkennen. In später Zeit geriet sie mit Norwegen unter die Oberherrschaft Schwedens und schließlich unter die des dänischen Königs. Nach 1814 war Island ein Teil Dänemarks. Seit 1944 ist es eine selbständige Republik (2, S. 644). Vermutlich hat die Windmühle hier von Skandinavien aus Eingang gefunden.
QUELLEN 1. Richard B e n n e t a n d J o h n E l t o n : History of cornmilling, Vol. I I , Liverpool, 1899. 2. Winkler Prins Encyclopaedie, dl. 18, A m s t e r d a m - B r ü s s e l , 1954.
Italien Auf dem Gebiet der Windmühlenkunde ist in Italien keine einzige Arbeit erschienen. Zwar kann man in italienischen Veröffentlichungen in bezug auf diesen Stoff einzelne Daten vorfinden, doch ist es unmöglich, sich mit deren Hilfe ein Bild von den äußeren Erscheinungsformen, von dem Verbreitungsfeld und der Verbreitungsdichte, von den Funktionen der Windmühle u. ä. zu machen. Kurzum, auf diesem Gebiet ist kaum etwas bekannt. Ein Schreiben von A L B E R T O GERALDI ( 1 ) hat mir diesen Befund bestätigt. Es fällt weiter auf, daß bei B O O N E N B U R G (2) von Windmühlen in Italien nicht die Rede ist. B A K O J A ( 3 , S. 2 5 9 , 2 6 3 ) führt einige alte Werke an, in denen einige Einzelheiten über Mühlen in diesem Land erwähnt werden. An erster Stelle nennt er das Werk von B R A U N und H O G E N B E R G (4, Abb. 68), in dem uns eine Ansicht von Modena darüber belehrt, daß dort um 1599 auf den Türmen der Stadtmauer mehrere Mühlen standen. Ferner nennt B A K O J A noch daa Werk von J E R Ó N I M O CARDAN ( 1 5 0 1 - 1 5 7 6 ) , De Rerum Varietale. Dieser Autor verweist im Rahmen einer theoretischen Betrachtung über den Mechanismus der Windmühle auf eine Mühle in San Maturino in der Nähe von Mailand. Es ist mir nicht gelungen, diese beiden Werke nachzuschlagen.
A. Europa: Italien
117
Die in diesen Werken enthaltenen Berichte über Windmühlen in Italien sind aber nicht die ältesten. S I N G E R ( 5 , S . 6 2 0 ) gibt an, daß der älteste Bericht, in dem eine Windmühle erwähnt wird, aus dem Jahre 1237 stammt. Diese Mühle soll in Siena gestanden haben. S I N G E R führt aber keine Quelle an. B E N N E T und E L T O N ( 6 , S . 2 3 9 ) und R Ü H L M A N N ( 7 , I, S . 4 5 6 ) behaupten, daß in Italien bis zum 1 4 . Jahrhundert keine Windmühlen erwähnt wurden. B E N N E T und E L T O N ( 6 , S. 2 3 8 ) berichten, daß B A R T O L O M E O V E R D E 1 3 3 2 die Behörden in Venedig um die Einwilligung zum Bau einer Windmühle ersuchte. Man prüfte seinen Plan und sein Gesuch wurde unter der Bedingung genehmigt, daß er den zum Bau benötigten Boden nur dann für eine bestimmte Zeit würde behalten können, wenn die Ausführung seines Planes von Erfolg gekrönt werden sollte. Ich möchte hieraus folgern, daß für die Behörden der Bepublik die Windmühle offenbar eine unbekannte Maschine war. G A Z Z E R E ( 8 , S. 2 7 6 ) beschreibt eine Windmühle, die zum Schöpfen von Wasser verwendet wurde. Eine der Neuerungen an dieser Mühle war ein dreieckiges Segel, mit dessen Hilfe die Mühle automatisch gegen den Wind gedreht wurde. Vermutlich war dieses Segel in derselben Weise angebracht, wie es mit dem Sterz, den wir schon kennen lernten, der Fall war, nur daß dieser Sterz aus Holz bestand. Für das italienische Festland dürfen wir auf Grund dieser Daten annehmen, daß in Nord-Italien Windmühlen vorhanden waren. Ob es noch anderwärts auf dem italienischen Festland Mühlen gegeben hat, wissen wir nicht. B A B O J A ( 3 , S. 2 7 8 ) bemerkt, daß er in bezug auf Sardinien und Corsika keine Daten aus letzter Zeit hat bekommen können. Er ist jedoch der Ansicht, daß die Durchsicht von alten Stichen u. ä. möglicherweise erweisen könnte, daß es dort mehr Windmühlen gegeben hat, als man gewöhnlich annimmt. Nur in bezug auf Sizilien ist uns eine Abbildung neueren Datums einer Windmühle bekannt*. Es handelt sich hier um eine Mühle in Trapani. Auch hier fehlt uns jede Auskunft über Verbreitung und Dichte und desgleichen jede Nachricht über die älteste Mühle auf dieser Insel. Εκ (10, S. 72) stellt auf Grund der Angaben bei J A B E R G und J U D (11) fest, daß auf dem italienischen Festland keine Windmühlen mehr gefunden wurden. Sollte also die eine Windmühle in Sizilien nicht unter Schutz genommen werden, dann ist es gut möglich, daß dieses letzte Kulturgut auf diesem Gebiet in Kürze für immer aus Italien verschwindet. MÜHLENTYPEN A. D I E H O R I Z O N T A L E W I N D M Ü H L E
Einige Italiener haben Entwürfe von horizontalen Windmühlen ausgearbeitet. A G R I stellt in seinem Werk (3, S. 263) eine horizontale Windmühle dar, und auch V E R A N Z I O hat 1616 mehrere Entwürfe ausgearbeitet (13, S. 117, Fig. 59; 14, S. 46). Es ist mir aber nicht bekannt, ob eine der entworfenen Mühlen je erbaut worden ist. COLA
B. D I E VERTIKALE WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Es fehlt jeder Nachweis, daß es je in Italien, nicht-drehbare Mühlen gegeben hat.
163
118
Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse Auch in bezug auf das Vorkommen von Mühlen dieses Typs habe ich keine Daten auf spüren können. III. Mühlen mit drehbarer Haube Der einzige Typ dieser Klasse, von dem man etwas weiß, ist: b. Die leicht-konische Turmmühle. Die Abb. 163 der Mühle in Trapani ist das einzige Bildmaterial, das mir für Italien zur Verfügung steht. Es handelt sich offenbar um eine Mühle vom Mittelmeertyp. Diese Mühle dient zum Heraufpumpen von Meerwasser in die Salzpfannen.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Auch hier stellt Abb. 163 das einzige Material dar: 1. Sechs Flügel mit Gatter an beiden Seiten der halben Rute. Dieses Gatter besteht aus zwei Längslatten an jeder Seite der halben Rute. Die Form des Gatters ist ein Trapez. Es kann mit einem trapezförmigen Segel bespannt werden (3, S. 279, Fig. 27). Die Flügel sind durch Spannseile miteinander verbunden. Ich weiß nicht, ob die Flügel mit der Drehungsebene einen Winkel bilden.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Auch hier stellt Abb. 163 das einzige Material dar: 1. Die konische Form. Diese Form ist hier sehr spitz. Die Konstruktion kommt also bei der leicht-konischen Turmmühle vor.
QUELLEN
1. Brief von dott. Alberto Giraldi, Direktor der Bibliothoca Nazionale Centrale in Florenz, 9. 1. 1962. 2. K. Boonenburg: Windmolens in het bwitenland (Sonderdruck ohne Nennung der Zeitschrift), o. J . 3. Julio Caro Baroja: „Dissertación sobre los molinos de viento", in: Revista de Dialectología y Tradiciones populares, Tomo VIII, Cuad. 2, Madrid, 1952. 4. G. Braun und F. Hogenberg: Civitatis orbis terrarum, liber primus, ed. Colonia, 1599. 5. Charles Singer: A history of technology, Vol. II, Oxford, 1956. 6. Richard Bennet and John Elton: History of cornmilling, Vol. II, Liverpool, 1899. 7. Moritz Rühlmann: Allgemeine Maschinenlehre, 2 Bd., Braunschweig 1865. 8. G. Gazzeri: „D'una macchina che serve a sollevar l'acqua per l'azion del vento", in: Atti delli ER. Accademia dei Georgofili di Firenze, Vol. X I I , Firenze, 1834. 9. G. Gazzeri: „Descrizione di un mulino a vento perfezionato da L. Turchini", in: Atti delli ER. Accademia dei Georgofili di Firenze, Vol. X I I I , Firenze, 1835. 10. Sven Β. E k : Väderlcvarnar och vattenmollor, Stockholm, 1962. 11. Κ. Jaberg und J . Jud: Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz, Zofingen, 1928. 12. G. Pitré: La famiglia, la casa, la vita del popolo siciliano, Palermo, 1913.
A. Europa: Jugoslawien 13. J. Storck and W. Dorwin Teague: Flour for man's bread, a history of milling, 14. Hermann Gleisberg: Technikgeschichte der Getreidemühle, München, 1956.
119
Minneapolis, 1962.
Jugoslawien (1, S. 112) nimmt auf Grund der zur Zeit bekannten Quellen an, daß die älteste Windmühle in Jugoslawien dem 15. Jahrhundert angehört. Er ist ferner der Ansicht, daß die verschiedenen Typen zu anderen Zeiten und unter verschiedenen Umständen aufgekommen sind. Er führt aber keine Einzelheiten an. Ich weiß also nicht, zu welchem Typ die älteste Mühle gehörte. Als Mühlengebiete bezeichnet NIKOLIÓ Slowenien (Dravsko Polje, die Umgebung von Hajdina, Dolga Gorica und Slovenska Bistrica), Serbien (Vojvodina) und die Adriaküste mit den vorgelagerten Inseln. Schließlich weist er noch auf Spuren von Windmühlen im Vadartal und im Tal der Morava hin. In bezug auf die Zahl der Mühlen, die es in Jugoslawien gegeben hat, habe ich nirgends Daten auffinden können. KÁLMÁN (2, Kap. IV) erwähnt, daß 1906 auf dem südslawischen Gebiet, das damals zu Ungarn gehörte, neun Mühlen standen. Obwohl er in seinem nach 1954 erschienenen Aufsatz erwähnt, daß im genannten Jahr noch Mühlen in Betrieb waren, gibt er nicht an, um wieviel Mühlen es sich damals noch handelte. Jugoslawien ist übrigens auf dem Gebiet der Windmühle ein sehr interessantes Land. Es stellt eine Berührungszone dar, in welcher Verbreitungsgebiete von verschiedenen Windmühlen typen ihre Grenzen finden. Erstens liegt in Jugoslawien die Südgrenze des Verbreitungsgebietes der Bockmühle. Diese Südgrenze läuft durch Slowenien. Zweitens läuft durch Jugoslawien die Südgrenze der holländischen Mühle. Auch diese Grenze geht durch Slowenien und umfaßt Vojvodina in Serbien. Drittens zieht sich durch Jugoslawien die Nordgrenze des Mittelmeertyps. Jedenfalls läuft diese Grenze entlang der Adriaküste und umfaßt höchstwahrscheinlich auch das Vardartal und das Moravatal (1, S. 112). Wenn Letzteres stimmt, dann begegnen sich die Südgrenze des Verbreitungsgebietes der holländischen Mühle und die Nordgrenze des Mittelmeertyps in der Nähe von Belgrad. Da es an Daten fehlt, um genau bestimmen zu können, aus welcher Richtung die verschiedenen Mühlen hergekommen sind, glaubt NIKOLIÓ auf Grund der Mittellage des Balkans als Brücke zwischen Asien und Europa annehmen zu dürfen, daß es in der allgemeinen Verbreitungsrichtung zwei Wellen gegeben hat. Die älteste dieser Wellen soll sich vom Osten her über Jugoslawien nach Europa bewegt haben. Das Vorhandensein von Windmühlen an der Küste und auf den Inseln des Agäischen Meeres und die Spuren von Mühlen im Vardartal und im Moravatal sowie deren Vorkommen an der Adriaküste, auf den dort vorgelagerten Inseln und im trockenen Hinterland zeigen nach NIKOLIÓ zweifellos einen der Wege an, über die sich die alte Welle aus den waaserlosen Gebieten von Südost-Asien und dem nordöstlichen Teil Afrikas verbreitet haben kann (1, S. 112). Weshalb NIKOLIÓ von einer Verbreitung in westlicher Richtung und gar aus Südost-Asien (meint er etwa Seistan?) und Nordost-Afrika ausgeht, ist mir nicht bekannt. Hängt dies vielleicht von der Tatsache ab, daß sich die älteste Erwähnung von Windmühlen auf Seistan bezieht, oder haben wir es hier mit der psychologischen Erscheinung der Antithese zu tun, nämlich durch den Gegensatz NIKOLIÓ
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Einzelheiten über Windmühlen
in den einzelnen Ländern der Erde
zur jüngeren Welle die vom Westen herkam? N I K O L I Ó hebt nämlich hervor, daß die jüngere Welle, die konstruktivische Neuerungen und Verbesserungen bracht«, sich vom westlichen Teil Europas nach dem Osten und Südost bewegt hat (1, S. 112). Es mutet aber wunderlich an, daß N I K O L I Ó wörtlich bemerkt: „That once again proves the already known thesis: that the route of windmills went from Asia to Europe" (1, S. 112). NtKOLié war von einer Hypothese in bezug auf die alte Welle ausgegangen. Man kann aber schwerlich annehmen, daß diese Hypothese beweiskräftig ist. Das Umgekehrte ist wahr, nämlich, daß N I K O L I Ó auf Grund einer unbewiesenen These die Bewegung der alten Welle bestimmt. Der Mühlenbestand in Jugoslawien geht zurück. Doch sind zur Zeit noch Mühlen in Betrieb in Slowenien und in Vojvodina, wie ich es vor kurzem während meines Aufenthaltes in Jugoslawien beobachten konnte. Zudem habe ich noch an der Küste der Halbinsel Istrien eine große Anzahl von nicht-drehbaren Mühlen entdeckt, die in Betrieb sind. Auch fand ich noch im Gebiet von Maribor in Slowenien eine drehbare Windmühle, die als Vogelscheuche benutzt wurde. Diese beiden Arten Windmühlen hat N I K O L I Ó überhaupt nicht erwähnt. Die Mühlen im Vardartal, im Moravatal, entlang der Küste und auf den Inseln sind baufällig. N I K O L I Ó ( 1 , S . 1 1 2 ) bemerkt, daß die Funktion der Windmühlen in Jugoslawien sich in der Hauptsache auf das Mahlen von Getreide beschränkte. Dagegen verwendete man an der Adria-Küste auch Mühlen zum Pressen von Olivenöl. In bezug auf das Vorkommen der Kombination von Wasserradmühle und Windmühle und über die Bewirtschaftung einer Wasserradmühle und einer Windmühle durch ein und denselben Müller ist mir nichts bekannt geworden. Obwohl es sich auch meiner Kenntnis entzieht, wann die erste Windmühle in Jugoslawien Eingang gefunden hat, so dürfte es dennoch von Interesse sein, hier einen Bericht zu erwähnen, auf den B R É H I E R ( 3 , S . 1 7 7 , 1 7 8 ) hingewiesen hat. Aus diesem Bericht geht hervor, daß in Mazedonien um 1083 beim Bau des Klosters von Petritzos außer Tiermühlen auch eine Wasserradmühle errichtet wurde. Es war hier also noch nicht die Rede von einer Windmühle. MÜHLENTYPEN A. D I E HORIZONTALE
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WINDMÜHLE
Vor dem zweiten Weltkrieg kam in Slowenien die horizontale Windmühle vor (Dolga Gorica und Slovenska Bistrica)*. Die horizontalen Flügel mit der vertikalen Welle stehen neben dem kleinen Gebäude, in dem die Mühlensteine aufgestellt sind. Die Bewegung der sich drehenden Gangspilles wird durch einen Treibriemen auf die Achse des Läufersteines übertragen. Aus der Abbildung ist es schwierig abzulesen, wie veil Flügel die Mühle hat. Vermutlich sind es deren vier. Auch der Typ dieser horizontalen Windmühle ist schwer zu bestimmen. Es hat den Anschein, als ob die Flügel ungefähr zur Hälfte durch die Wand des kleinen Gebäudes und den daran anstoßenden Bretterzaun abgeschirmt sind. N I K O L I Ó ( 1 , S. 1 0 6 ) bezeichnet diese Mühle nach der Gegend, in der sie vorkommt, als „dolgogorski tip". Wann diese Mühle in Jugoslawien Eingang gefunden hat, ist mir nicht bekannt. Auch weiß ich nicht, ob sie früher eine größere Verbreitung gekannt hat. Es ist auffallend, daß diese Art Windmühle und auch der Mittelmeertyp als erste verurteilt waren zu verschwinden.
A. Europa: Jugoslawien
121
Β. DIE VERTIKALE WINDMÜHLE
T. Die nicht-drehbare
Mühle
Während einer Reise in Jugoslawien im Sommer 1965 hatte ich die Gelegenheit, eine Anzahl von nicht-drehbaren Mühlen in Istrien zu besichtigen. Diese Mühlen sind von NIKOLIÓ nicht erwähnt worden. Die nicht-drehbare Mühle in Istrien* ruht auf zwei gleich hohen senkrecht in den Boden gerammten Pfählen. Auf diesen Pfählen liegt eine horizontale Welle, auf deren Mitte vier Segelstangen angebracht sind. Je zwei dieser Stangen bilden einen Winkel von ungefähr 60 Grad. An zwei dieser Stangen, die in derselben geraden Linie liegen, sind aufgerollte Baumwollsegel befestigt. Wenn sie auseinandergerollt sind, kann man sie mittels einer Leine an der nächsten Segelstange festmachen. An dem einen Ende der horizontalen Flügelwelle ist eine Kurbel aus Holz befestigt. Diese Kurbel macht die Drehung der Welle mit und treibt eine Pumpe an, deren Bewegung Meerwasser für die Salzpfannen herausschöpft. Auf einer Niederung an der Westküste der Halbinsel waren viele Mühlen dieser Art in Betrieb, die je nach der Stärke des Windes bald langsam, bald schneller drehten oder auch stillstanden. Wann diese kleinen Mühlen zum ersten Mal verwendet worden sind, ist mir nicht bekannt.
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II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse a. Die Bockmühle. NIKOLIÓ erwähnt diesen Typ für Slowenien (1, S. 106). Soweit ich der Sache habe nachgehen können, kommt dieser Typ nur dort vor. NIKOLIÓ bezeichnet ihn als pokretni tip (1, S. 1 0 3 ) * . Der Mühlenkörper besteht aus einem vierseitigen Prisma. Aus der Form der Haube glaube ich sogar folgern zu müssen, daß die Seiten des Mühlenkörpers regelmäßig sind. Er trägt nämlich als Haube eine regelmäßige vierseitige Pyramide. Der Bock ruht auf dem Erdboden oder ist in den Boden eingegraben. Er wird von drei oder vier Balken gestützt. Typischerweise tritt die Flügelwelle zum Vorschein an einer der Schnittlinien von zwei stehenden Seiten des Mühlenkörpers. Außerdem liegt die Flügel welle selber horizontal. Ich besitze aber das Photobild einer Bockmühle, das mir vom Völkerkundlichen Museum in Belgrado wohl wollend zur Verfügung gestellt wurde*. Obwohl dieses Bild schlecht belichtet ist, glaube ich dennoch ohne Zweifel feststellen zu können, daß der dargestellte Mühlenkörper nicht vier, sondern mehr Seiten hat, und zwar vermutlich wenigstens sechs. Die pyramidenförmige Haube stimmt mit dieser Beschaffenheit überein. Falls diese Bockmühle in der Tat einen Mühlenkörper mit sechs gleichmäßigen Seiten und eine Haube in der Form einer regelmäßigen sechsseitigen Pyramide haben sollte, dann würde diese Mühle einer zylindrischen Turmmühle sehr ähnlich sein (1, S. 103). Ich glaube jedoch nicht annehmen zu dürfen, daß es sich hier um eine Übergangsform von der zylindrischen Turmmühle aus Stein zur vierseitigen Bockmühle aus Holz handelt. Ich halte es immer noch für einfacher, einen nicht-drehbaren Mühlenkörper mit drehbarer Haube zu bauen als umgekehrt. Wann die älteste Bockmühle in Jugoslawien Eingang gefunden hat, ist mir nicht bekannt. Wohl nimmt man an, daß die älteste Windmühle hier im 15. Jahrhundert errichtet worden ist. Auch wenn dies stimmen sollte, so würde man damit noch nicht wissen, ob die älteste Mühle in diesem Land eine Bockmühle war. Soweit man der Sache nachgehen kann, hat Jugoslawien keine anderen Typen der
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Mühle gekannt, deren ganzer Körper gedreht werden muß, um die Flügel gegen den Wind richten zu können. I I I . Mühlen mit drehbarer Haube 169, 170
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a. Die zylindrische Turmmühle. Rein zylindrische Turmmühlen kommen entlang der Adria-Küste und auf den ihr vorgelagerten Inseln vor*. Spuren dieses Typs finden wir auch im Gebiet des Vardars und der Morava (1, S. 98). In bezug auf die Zeit, in der dieser Mühlentyp in diesem Land erschienen ist, habe ich keinerlei Hinweise auffinden können. Aus den mir zur Verfügung stehenden Abbildungen, kann ich nicht ersehen, ob diese Mühlen von innen her oder von außen in den Wind gedreht werden. b. Die leicht-konische Turmmühle. Es ist mir nicht bekannt, ob es in diesem Land je leicht-konische Turmmühlen gegeben hat. c. Die konische Turmmühle. Diesen Turmmühlentyp finden wir im Stromgebiet der Theiss*. Dieses Verbreitungsgebiet steht vermutlich in Zusammenhang mit dem Gebiet der konischen Turmmühle in Ungarn. Dieser Mühlentyp scheint im 17. Jahrhundert in diesem gewöhnlich als Vojvodina bezeichneten Gebiet aufgetreten zu sein. Dieser Mühlentyp war zweifellos mehr perfektioniert als die anderen in diesem Land erwähnten Typen (1, S. 112). Diese Mühle wird von außen mit Hilfe eines Sterzwerkes in den Wind gedreht. d. Die eckige Turmmühle. Ich besitze Abbildungen von zwei Windmühlen, die ich zu diesem Typ rechnen möchte: 1. N t K O L i é bezeichnet diese Variante als preSki tip (1, S. 106). Sie kommt in Slowenien vor*. Der Turm besteht aus vier in Trapezform angeordneten Pfählen. Sie tragen eine drehbare Haube, aus der eine Flügelwelle hinausragt. Diese Haube kann von außen mit Hilfe eines Stakens gegen den Wind gerichtet werden. Bis zur halben Höhe sind an den vier Pfählen Bretterwände verschlagen und an eine der Seiten stößt noch ein kleiner Schuppen an. Die Flügelwelle bringt das Gangspill in Bewegung und das Gangspill überträgt sie mittels eines Treibriemens auf die Mühlensteine, die im Schuppen aufgestellt sind (1, S. 116). 2. N i k o l i ö bezeichnet diese Variante als Sentmiheljski tip (1, S. 106). Sie kommt in Slowenien vor*. Der Turm besteht aus vier an den Winkelscheiteln eines Trapez eingerammten Pfählen, die zusammen einen ringförmigen Flügel mit Sterz tragen. Durch diesen Sterz wird der Flügel automatisch in der Windrichtung gehalten. Am unteren Teil der Pfähle sind Bretterwände verschlagen, die von einem Dach überdeckt sind. In dem so gebildeten Schuppen befinden sich die Mühlensteine. Das Gangspill wird durch die Flügelwelle in Bewegung gebracht. Seinerseits bringt das Gangspill mit Hilfe eines Treibriemens die Mühlensteine in Bewegung (1, S. 106).
FLÜGELFORMEN DER V E R T I K A L E N MÜHLE Das spärliche Bildmaterial, das mir zur Verfügung steht, gibt keine ausführliche Auskunft. So habe ich auch nicht ausfindig machen können, welches die Flügelform der zylindrischen Turmmühle in Jugoslawien war. Die einzigen mir bekannten Flügelformen sind die folgenden:
A. Europa: JugoslawienjMalta
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1. Ein Flügelkreuz mit Gatter an der einen Seite der 1 alben Rute und mit Windbrettern an der anderen Seite. Das Gatter besteht aus drei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten. Über dieses Gatter wird ein rechteckiges Segel gespannt. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Die Flügelwelle bildet mit der horizontalen Ebene einen kleinen Winkel. Diese Konstruktion kommt bei der konischen Turmmühle vor. 2. Ein Flügelkreuz, das mit einem Holzbeschlag in der Form eines Trapezes bedeckt ist. Die Flügel weisen eine leichte Wölbung auf. Die Flügelachse liegt horizontal. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. 3. Ein Flügelkreuz, das mit einem Holzverschlag in der Form eines Rechtecks bedeckt ist. Die Flügel bilden mit der Drehungsebene einen Winkel. Die Flügelwelle hegt horizontal. Diese Konstruktion kommt bei der eckigen Turmmühle vor. 4. Ein ringförmiger Flügel mit Schaufelbrettern aus Holz. Die Flügelachse liegt horizontal. Diese Konstruktion kommt bei der eckigen Turmmühle vor. HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Auch in bezug auf die Haubenformen verfüge ich nur über ein bescheidenes Bildmaterial. Danach kann man die folgenden Haubenformen unterscheiden. 1. Die konische Form. Diese Konstruktion kommt bei der zylindrischen Turmmühle vor. 2. Die Zeltform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle und der eckigen Turmmühle vor. 3. Die Pyramidenform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor.
QUELLEN
1. Rajko Nikolié: Vetrenja 6e il Jugoslaviji, Novi Sad, o. J. 2. Lambrecht Kálmán: „A Magyar Szélmalom", in: Ethnographia XII Évfolyam, Budapest, 1911. 3. Louis Bréhier: Le monde byzantin, T. III. La civilisation byzantine, Paris, 1950.
Malta Nach B A R O J A (1, S. 256) soll in dem Werk von B R A U N und H O G E N B E R G (2, Fig. 114) aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von Mühlen auf Malta die Rede sein, angeblich in der Umgebung der Burg S. Miguel am Meer. Es ist mir nicht gelungen, Einsicht in dieses Werk von B R A U N und H O G E N B E R O ZU nehmen. Wie diese Mühlen beschaffen waren, und ob auf dieser Insel zur Zeit noch Mühlen vorhanden sind, ist mir nicht bekannt.
QUELLEN
1. Julio Caro Baroja: „Dissertación sobre los molinos de viento", in: Revista de Dialectología y Tradiciones populares, Tomo VIII Cuad. 2, Madrid, 1962. 2. G. Braun und I. Hogenberg: Civitatis orbis terrarum, liber primus ed. Colonia, 1699,
124 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Niederlande Die ältesten bekannten Windmühlen in den Niederlanden datieren aus dem Jahr 1274. Sie werden in dem Entwurf einer Urkunde erwähnt, durch welche der Graf von Holland, Floris V, im Jahre 1274 den Bürgern von Haarlem gewisse Privilegien gewährt. Dieser Entwurf ist in den Akzisenbrief für Haarlem aufgenommen worden (1, S. 185, 186). Die betreffende Stelle lautet: „Oppidanus quivis molendinum ad ven tum habens solvet annuatim sex solidos de eodem. De molendino ad equos vero tres solidos quilibet habens annuatim persolvet. Qui oppidanus non fuerit et molendinum ad ventum habet, solvet de eodem annuatim ad assiciam viginti solidos vel oppidani ibidem non molabunt. Siquis autem oppidanorum post inhibitionem edictam molaverit ibidem solvet duos solidos ad emendam". Es handelt sich also darum, daß ein Bürger der Stadt, der eine Windmühle besitzt, jährlich sechs Schilling zu zahlen hat. Die Steuer für eine Pferdemühle beträgt drei Schilling. Ein Nicht-Bürger, der eine Windmühle besitzt, soll jährlich zwanzig Schilling zahlen, sonst dürfen die Bürger ihr Getreide nicht bei ihm mahlen lassen. Wer diesem Verbot zuwiderhandelt, soll als Buße zwei Schilling zahlen. Ein weiterer Bericht über das Vorkommen einer Windmühle stammt aus dem Jahr 1294. Aus den landesherrlichen Rechnungen des Grafen von Geldern im genannten Jahr geht hervor, daß der Graf eine Windmühle in Lochern in Pacht gegeben hatte (2, S. 53). Die wichtigsten Stellen aus diesen Rechnungen sind: „Computatio Gerardi Sculteti in Logheim de officio de dicto integro anno. Item ibidem de molendinis venti et aque cum curte comitis ex pacto siliginis 130 maldra, maldrum pro 12 s., valent
78 lib.
Item pro reparatione molendini venti 10 lib". Ein dritter Bericht, der sich auf eine Windmühle bezieht, stammt aus dem Jahr 1299. In jenem Jahr verlieh der Herzog von Brabant und Limburg einem gewissen Heyme das Recht, zwischen den Ortschaften St. Oedenrode und Schijndel eine Windmühle zu errichten, und übertrug ihm als erblichen Besitz das Windrecht. Der Text dieser Schenkung lautete wie folgt: „Universis praesentes litteras visuris Nos Johannes dei gratia dux Lothar. Brabantiae et Limburgiae notum facimus, quod nos Arnoldo dicto Heyme fideli nostro dilecto in augmentationem sui feodi, quod a nobis tenet, inter hamodam de Rode et Skinle, ubi magis ibidem sibi viderit expedire, ad construendum unum molendinum ad ventum, nec non ejusdem molendini constituendi ventum liberum contulimus hereditarie et conferimus per presentes. Quibus sigillum nostrum in testimonium veritatis duximus apponendum. datum die jovis ante festum beati nicolai Anno domini: M.C.C, nonagésimo nono" (3, p. 170). In der Mühlenliteratur der Niederlande wird des öfteren die Ansicht vertreten, daß es hier schon vor 1274 Windmühlen gegeben hat. Meine Untersuchungen in bezug auf diese Frage haben ergeben, daß in Urkunden und andern Quellen gewiß von „Mühlen" die Rede ist. Nichts in diesen Berichten erlaubt uns, in bestimmten Fällen anzunehmen, daß wir es mit Windmühlen zu tun haben. In einer Anzahl von Fällen ist es mir sogar klar, daß wir es eindeutig mit Berichten über Wasserradmühlen zu tun haben. Einem dieser frühen Berichte möchte ich aber eine ausführliche Erörterung widmen.
A. Europa:
Niederlande
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Einige Autoren glauben, die älteste Windmühle auf das Jahr 1000 oder sogar in eine frühere Zeit zurückführen zu dürfen (6, S. 13; 4, S. 9; 5, S. 10). Sollte diese Annahme begründet sein, so würde dies für die kulturgeschichtliche Entwicklung der Windmühle in West-Europa von großer Bedeutung sein. Erstens würde damit feststehen, daß die älteste Windmühle Europas in den Niederlanden gelegen war und nicht in der Normandie, wie man es bis jetzt angenommen hat. Zweitens würde damit ein vernichtendes Urteil über jene Theorie ausgesprochen werden können, nach welcher die erste Windmühle von den Kreuzfahrern nach Europa gebracht wurde. Eine Windmühle um das Jahr 1000 in West-Europa würde bedeuten, daß in diesem Teil der Welt Windmühlen schon wenigstens 90 Jahre vor dem ersten Kreuzzug bekannt gewesen sind. Es handelt sich hier um die an die Stadt Hülst angrenzende .Herrlichkeit Maelstede', die mit ihrer Burg nach Sanderus (7, Bd. II, S. 616) schon in einer Urkunde von Kaiser Otto III. um 984 erwähnt wird. Ich glaube annehmen zu sollen, daß Landsberghe (8, S. 339) den Namen dieses Herrensitzes in Zusammenhang bringen will mit der Tatsache, daß die Herren aus dem Geschlecht der Maelstede das Mühlenrecht besaßen. Adriaanse (9, S. 128) bemerkt dazu, daß dieses Geschlecht vielleicht jenem Mühlenrecht seinen Namen verdankt. Doch davon abgesehen, daß die Bezeichnung maelstede noch andere Bedeutungen als die von „Mahlstätte" haben kann (10, S. 66, 71), ist hier doch nur von MühlenrecAi die Rede. Auch wird für das Vorhandensein dieses Mühlenrechts kein quellenmäßiger Beleg angegeben. Zwar will ich noch annehmen, daß die Herren von Maelstede dieses Mühlenrecht in der Tat besessen haben, doch erhebt sich dann die Frage, ob dieses Mühlenrecht sich wirklich auf Windmühlen bezog. Es ist aber kein einziger Beleg zu finden, der uns das Recht gibt, dies anzunehmen. Boonenburg (5, S. 10) geht seinerseits von der Auffassung aus, daß Wasserradmühlen nur auf einem unebenen Gelände vorkommen können. Die Bodenbeschaffenheit in Hülst und in der Umgebung der Stadt scheine aber darauf hinzudeuten, meint Boonenburg, daß hier von Mühlen mit Wasserkraft-Antrieb nicht die Rede sein könne. Es liege daher auf der Hand, hier das Vorhandensein von einer oder mehreren Windmühlen zu vermuten. Boonenburg hat aber m. E. der geographischen Lage dieses Gebietes um 1000 zu wenig Rechnung getragen. In jener Zeit muß es dort gut möglich gewesen sein, durch die Wirkung von Ebbe und Flut eine Wasserradmühle in Bewegung zu bringen. Es gibt also keinen Grund, „Mühlenrecht" als „Windmühlenrecht" zu interpretieren und hiermit verliert denn auch die Auffassung, daß Windmühlen bereits um das Jahr 1000 in den Niederlanden bekannt waren, jedes Fundament. Wir verfügen außerdem über eine Urkunde vom 14. April 1273 mit folgendem Wortlaut: „Nos Margareta, Flandrie et Hainonie, notum facimus universis cum per dicum, qui nuper factus est in dicatione terre de Voghele, prope Hülst, cursus aquarum per quas molendinum in dicto loco situm, quod ibidem habent viri religiosi abbas et conventus dunensis, consuevit habere usum molendini penitus sit obstructus. Nos nostrum prebemus assensum ad id quod dicti abbas et conventus dictum molendinum suum extra predictum dicum de novo factum, transferre valeant ita ut per cursum fluvii ipsum molendinum usum molendi habeat et habere valeat sicut prius ante translationem dicti dici habere libere consuevit. Dum tarnen ipsum molendinum infra terra m ecclesie sue propriam transférant . . . abbas et conventus superius nominati presentium testimonio litterarum. Datum anno Domini M°CC°LXX° tercio, die veneris post diem Pasche" (34, S. 331). Dies läuft also darauf hinaus, daß Gräfin Margareta von Flandern und Hennegau
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
der Abtei Ter Duinen mit Rücksicht auf die Folgen der Bedeichung in Voghele bei Hülst das Recht gab, die Wasserradmühle zu verlegen. In bezug auf die Anzahl von Windmühlen, die es einst in den Niederlanden gegeben hat, verfügen wir über einen zuverlässigen Bericht aus dem Jahr 1855. Vor dieser Zeit begegnen uns vereinzelte Daten über bestimmte kleine Gebiete. So zählte um 170< die Zaangegend nördlich von Amsterdam 1200 Windmühlen (11, S. 10), ohne Zwoifel eine beträchtliche Menge für einen ziemlich engen Raum. Um 1855 besaßen die Niederlande wie Berechnungen es gezeigt haben, noch über 9000 Windmühlen (là, S 119;. Eir er von Visser (13, S. 170) verzeichneten Übersicht des Mühlenbestandes RITI 1. UtviiU xr 1943 entnehme ich folgende Zahlen:
Punktion der Mahle
Getreide- und andere Industriemühlen Wassermühlen (Windantrieb)
in Betrieb
nicht in Betrieb unversehrt
som Teil niedergerissen
763 624
126 69
362 121
1277
184
483
Während der Kriegsjahre 1944-1945 wurden 52 Windmühlen leicht beschädigt, 55 schwer beschädigt und 116 sehr schwer beschädigt oder verwüstet (13, S. VII). Im Jahr 1946 waren nur noch 1307 Windmühlen unversehrt (13, S. VII). Anfang 1960 war diese Zahl auf 991 zurückgegangen, von denen 40% noch in Betrieb waren. Anfang 1961 betrug die Zahl der noch vorhandenen Windmühlen 986, von denen 36,4% noch in Betrieb waren (14, S. 14). Anfang 1962 war ihre Zahl auf 977 zurückgegangen. Von diesen Mühlen waren noch 328 regelmäßig in Betrieb, 70 davon in einem sehr verfallenen Zustand. Am 1. Januar 1963 gab es noch 970 Windmühlen (16, S. 16, 17). Die Windmühle hat sich über das gesamte Gebiet der Niederlande verbreitet. Die Getreidemühle fand sich überall vor. Die Wind Wassermühlen traf man vor allem im Westen des Landes an, und hier waren die Industriemühlen vor allem um die großen Hafenstädte Rotterdam und Amsterdam (die Zaangegend) gruppiert. Im Verlauf der niederländischen Mühlengeschichte sind zwei Perioden hervorzuheben, in denen die Zahl der Windmühlen in starkem Maße zugenommen hat. Die erste dieser beiden Perioden fällt in das 17. Jahrhundert. Die reichen Kaufleute in Amsterdam sahen sich damals nach neuen Möglichkeiten um, Geld anzulegen. Sie fanden sie in der Trockenlegung von vielen Seen in Nord-Holland (15, reeks II, S. 60). Für diese Trockenlegungen waren zahlreiche Poldermühlen vonnöten. Die zweite Periode setzte kurz nach Beginn der Franzosenzeit (1795) ein, nachdem die Herrenrechte auf die Windmühlen abgeschafft worden waren (13, S. 5). Demgegenüber steht ein Rückgang im 18. Jahrhundert als Nachwirkung der Besuche des russischen Zaren. Peter des Großen. Dieser hielt eich zweimal (1697 und 1717) in Zaandam auf, um sich vor allem mit dem Handwerk der Schiffszimmerleute vertraut zu machen, er arbeitete tatsächlich selbst an einigen Schiffen mit. Außerdem nahm er einen tätigen Anteil am Bau mehrerer Windmühlen, u. a. 1697 beim Errichten der Graupenmühle De Orootvorst (der Großfürst) in Zaandam. Als Zar Peter nach Rußland zurückkehrte, nahm er eine Anzahl Mühlenbauer und Handwerker mit. Er ließ in Rußland und Schweden vom Wind angetriebene Holzsägemühlen errichten. Da die
A. Europa:
Niederlande
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Holzsägereien in der Zaangegend einen bedeutenden Industriezweig bildeten, erfuhr dieses Gebiet schon bald die Folgen der russischen Konkurrenz: die niederländische Einfuhr von ungesagtem und die Ausfuhr von gesägtem Holz nahmen rasch ab. Im Jahre 1752 untersagten die Generalstaaten bei Strafe des Verluste der Bürgerrechte die Ausfuhr von Mühlen und Mühlenteilen. Der starke Rückgang setzte aber um 1780 ein, als England den niederländischen Schiffern verbot, gesägtes Holz in dieses Land einzuführen (13, S. 69, 81; 15, reeks I, S. 21). Übrigens hat sich auch in den Niederlanden das Aufkommen der Dampfmaschinen sowie der öl- und der elektrischen Motoren im Wettbewerb mit der Windkraft ausgewirkt. Ein großer Verfall wurde spürbar. Wie wir es anfangs schon sehen konnten, lief der Mühlenbestand von mehr als 9000 im Jahr 1855 auf 970 im Jahr 1963 zurück. Das bedeutet einen Rückgang von mehr als 8000 Windmühlen. Es besteht aber die Hoffnung, daß man die jetzt noch vorhandenen Mühlen durch die gemeinschaftlichen Anstrengungen von höchsten und unteren Behörden, durch die gesetzlichen Vorschriften und durch die Initiative von Privatpersonen* zum großen Teil wird erhalten können. Überdies ist eine Stiftung „Elektrizitätserzeugung durch Windmühlen" ins Leben gerufen worden, mit deren Hilfe bei der Erzeugung von Elektrizität Windmühlen eingeschaltet werden sollen. Der für zahlreiche Windmühlen vorgesehene Schutz erfordert nun aber auch im Hinblick auf die Instandhaltung die Ausbildung von sehr spezialisierten Facharbeitern. Im Jahr 1957 standen in den Niederlanden noch etwa 25 Mühlenbauer zur Verfügung (20). Diese Anzahl ist mit Rücksicht auf die vielen mit dem Mühlenschutz verbundenen Restaurationstätigkeiten zu gering. Deshalb legt man jetzt so viel Grewicht auf die Heranbildung eines Nachschubs von jungen Mühlenbauern (16, S. 16; 21, S. 7, 8). Wie die Besprechung der einzelnen Mühlentypen noch zeigen wird, haben die Niederländer schon früh die Entwicklung neuer Mühlentypen in die Wege geleitet, entweder um Windmühlen für die Erfüllung neuer Funktionen auszubauen oder um bestehende Typen zu verbessern. Hierdurch erhielten die Niederländer den Namen von Mühlenbauern. Diese Tatsache ist in der Mühlenliteratur bisher nur wenig beachtet worden. Vor dem 17. Jahrhundert sind mir nur einige Fälle bekannt, in denen Niederländer ihre Mühlenbaukunst ins Ausland brachten. Singer c. s. (17, S. 620) ist der Ansicht, daß die Niederländer schon früh bekannte Mühlenbauer waren. Er erinnert daran, daß im Jahre 1392 eine Mühle in Köln von Niederländern errichtet wurde. Nach dem Wortlaut einer Grabschrift schickten die Niederländer 1549 aus den Niederlanden eine Windmühle nach Spanien (15, reeks II, S. 112). Bis 1600 ist die Zahl der einschlägigen Berichte sehr gering, und man könnte gleichsam sagen, daß sich die Niederländer in der Zeit von 1300 bis 1600 hauptsächlich mit der Entwicklung der Windmühle befaßt haben. Erst nach 1600 beginnt die Periode, in der sich die Niederländer auf dem Gebiet der Wasserwerke und des Mühlenbaus auszeichnen und durch ihre Leistungen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt werden. Einer der bekanntesten Mühlenbauer in der Geschichte war Jan Adriaansz Leeghwater. Er wurde 1575 in De Rijp (Nord-Holland) geboren. Von Haus aus war er Zimmermann. Er erbaute viele Wasserwerke und Windmühlen. Als Ingenieur und Mühlenbauer war er in Deutschland, England und Frankreich tätig (15, reeks I, S. 20; 15, reeks II, S. 62; 13, S. 65). Auch reisende Mühlenreparateure aus den Niederlanden, die „Mühlenärzte", wie man sie in Deutschland nannte, waren bekannte Erscheinungen (19, S. 255).
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Wie vorhin schon erwähnt wurde, kamen auch Ausländer in die Niederlande, um sich die Technik des Mühlenbaus anzueignen. Der bekannteste unter ihnen war der nissische Zar Peter der Große. Die Niederländer waren im 17. Jahrhundert tüchtige Seefahrer und unternahmen als solche weite Erkundungs- und Eroberungsfahrten beinahe durch alle Teile der Welt. Im Verfolg ihrer Eroberungszüge brachten sie Windmühlen nach Nord-Amerika und Süd-Afrika (s. die betreffenden Abschnitte). Durch die Einwanderung von Niederländern in Polen und Portugal fanden niederländische Mühlentypen Eingang auch in diese Länder. Die Niederlande werden mitunter als das Gebiet bezeichnet, in welchem 1573 die Mühle mit der drehbaren Haube erfunden wurde. Ihr Erfinder soll der in Alkmaar wohnhafte Flame Lief Jansz Andries van Moerbeke gewesen sein. Woher diese Angabe stammt, ist mir nicht bekannt. Mehrere Autoren haben sie mit Recht als nichtzutreffend bezeichnet (15, S. 11; 22, S. 122; 23, S. 21). STORCK C. S. (22, S. 120) weist in diesem Zusammenhang auf die Skizze einer drehbaren Haube in einem der Notizhefte des Leonardo da Vinci (1452-1519) hin. Man könnte hier eventuell noch an eine Erfindung an zwei verschiedenen Orten denken. Dies ist aber ausgeschlossen, da wir wissen, daß die Niederlande die Windmühle mit drehbarer Haube schon lange vor 1573 kannten. Vermutlich war die erste zylindrische Turmmühle in Zeddam in den Niederlanden schon von Anfang an mit einer Haspel versehen, mit welcher man die Haube von innen her gegen den Wind richten konnte (23, S. 18). Jedenfalls verfügen wir über einen Bericht aus dem Jahr 1545, aus dem hervorgeht, daß irgendein Arbeiter Steinblöcke gehauen hat, auf denen die Haube dieser zylindrischen Turmmühle in den Wind gedreht werden konnte (24, S. 157). BICKER CAARTEN C. S. (23, S. 21) hält es für möglich, daß Lief Jansz Andries van Moerbeke die Haube erfunden hat, die man von außen gegen den Wind richten konnte. Es scheint nämlich, daß man bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts alle Mühlen mit drehbarer Haube von innen her gegen den Wind gerichtet hat. Dies war übrigens auch der Fall mit der von Leonardo da Vinci skizzierten Haube. Mit Recht bemerkt BICKER CAARTEN C. S., daß aber keine Sicherheit darüber besteht, daß Lief Jansz Andries van Moerbeke wirklich der Erfinder der Haube ist, die von außen gegen den Wind gerichtet werden kann. Wenn der ganze Körper der Windmühle gedreht werden muß, um die Mühle gegen den Wind zu richten, wird dazu Handkraft verwendet. Der Mühlenkörper wird gleichsam um seine Achse gestoßen oder gezogen. Diejenigen Mühlen, bei denen nur die Haube gedreht wird, scheint man bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stets von innen her in den Wind gedreht zu haben (23, S. 21). Lange Zeit hat man es innerhalb der Niederlande als eine besondere Erscheinungsform der eckigen Turmmühle bezeichnet, daß deren Haube nur in der Provinz Nord-Holland von innen her gegen den Wind gerichtet wird. Überall sonst in den Niederlanden wird die Haube der eckigen Turmmühle von außen in den Wind gedreht. BICKER CAARTEN C. S. (23, S. 21) bemerkt aber, daß man aus der Anwesenheit von Krammen in der Haube einiger eckigen Turmmühlen in Süd-Holland folgern kann, daß diese Mühlen ursprünglich ebenfalls von innen her gegen den Wind gerichtet werden konnten.
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Bis 1891 war die einzige Form der automatischen Einstellung nach der Windrichtung bei der kleinen Wippmühle zu finden, dem sogenannten Spinnkopf. Dies geschah mittels eines breiten hölzernen Sterzes*. Im Jahr 1891 wurde auf einer Ausstellung in Schönebeck, südlich von Magdeburg, u. a. eine Windrose vorgezeigt, mit der sich eine Windmühle automatisch gegen den Wind richten konnte. Einige Müller und Mühlen.
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Niederlande
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A. Europa: Niederlande
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bauer aus Groningen, die diese Ausstellung besucht hatten, führten die Windrose in Groningen ein. In den übrigen Teilen der Niederlande hat diese Automatisierung nicht oder kaum Eingang gefunden (25). Auch in Groningen wurde die Windrose nie an der Bockmühle angebracht, wie es in England wohl der Fall war. In den Niederlanden erfüllten die Windmühlen eine sehr große Anzahl von Funktionen. Zunächst gab es da die Getreidemühlen und die Mühlen für das Trockenlegen von Seen und ganz allgemein für das Ausschöpfen von überflüssigem Wasser. Unter den Getreidemühlen wären noch besonders die vielen Mühlen in der Zaangegend zu nennen, die dort im Zusammenhang mit der umfangreichen Schiffahrt nach fernen Ländern eigens dazu errichtet wurden, für die Fabrikation von Schiffez wieback Mehl zu mahlen. Bis in das 18. Jahrhundert hinein haben diese Mühlen einen bedeutenden Platz eingenommen im Gesamtbestand der Windmühlen in der Zaangegend (15, S. 22). Die Windmühlen wurden noch für andere wichtige Funktionen verwendet: für das Pressen von öl, das Sägen von Holz, das Herstellen von Papier, das Schälen von Gerste und Graupen und später von Reis, und für das Walken von Textilien. Nach einigen Autoren soll die erste Ölmühle in den Niederlanden (1582) eine Bockmühle gewesen sein, die man aus Flandern nach Alkmaar transportiert hatte. In Wirklichkeit waren Windmühlen als Ölmühlen schon 1566 in Harlingen und Leeuwarden in Betrieb (4, S. 97). Vor jener Zeit wurde das öl in einer von Pferden angetriebenen Mühle gepreßt. Die Zaangegend zählte in ihrer Blütezeit wohl 200 Windmühlen für das Pressen von öl. Im Jahre 1847 zählten die Niederlande noch 112 Mühlen dieser Art (15, S. 14; 22, 88); 1962 war nur noch eine einzige in Betrieb (26). Im Jahre 1592 wurde die Windmühle auf das Sägen von Holz eingestellt (15, p. 14). In Wirklichkeit muß diese Jahreszahl 1594 heißen, wie im Abschnitt über die Paltrockmühle gezeigt werden wird. Zehn Jahre später wurde für das Sägen von Holz zum ersten Mal eine Mühle mit drehbarer Haube verwendet (13, S. 79). Diese Sägewerke waren vor allem in der Zaangegend konzentriert, doch fand man sie auch in Dordrecht und in Middelburg. Die erste Windmühle für das Anfertigen von Papier wurde 1586 errichtet. Zunächst wurde in der Zaangegend mit Hilfe von Windmühlen nur graues und blaues Papier hergestellt. Auch weißes Papier wurde in den Niederlanden in jenen Tagen hergestellt, jedoch nicht in der Zaangegend, sondern in der Veluwe mit Hilfe von Wasserradmühlen. Die französische Invasion in die Niederlande im Jahre 1672 hatte jedoch zur Folge, daß auch die Fabrikation von weißem Papier in die Zaangegend verlegt und hier dann mit Hilfe von Windmühlen fortgesetzt wurde. Auf diese Weise wurde Genua als Zentrum der Papierindustrie verdrängt. In jenen Tagen war das niederländische geschöpfte Papier berühmt. Im Jahre 1847 waren noch 21 Papiermühlen in Betrieb (15, S. 15, 24 f.). Der erste Windrechtbrief für die Errichtung einer Graupenmühle wurde 1639 erteilt (13, S. 99, 100). Um die Mitte des 19. Jahrhunderts waren noch 48 Graupenmühlen in Betrieb. Die Walkemühlen dienten dazu, gewebte Stoffe dichter zu machen bzw. zu verfilzen. Das war vor allem wichtig für die bedeutende Tuch- und Segelindustrie. Die erste Walkemühle wurde 1620 in Leiden errichtet (13, S. 118). Die Windmühle wurde ferner noch für die verschiedensten anderen Zwecke verwendet, nämlich für die Herstellung von Sämischleder, von Schnupftabak, Farbstoffen, Senf, Seilen, Trass, Lohe, Kakao, Pulver, Grützwaren und für das Pressen und Glänzen von Stoffen. Außerdem gab es noch Mühlen für das Zerreiben von Spezereien und das Zermahlen von Knochen.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Die Windmühlen übernahmen zum Teil die Funktionen, die vorher schon von Pferdeund Wassermühlen erfüllt worden waren. Wasserkraft war nur in einem Teil der Niederlande vorhanden. So war es denn auch die Verwendung der Windkraft bei den Windmühlen, die in verschiedenen Teilen der Niederlande zur Industrialisierung geführt hat. Mehrere moderne Industrien haben ihren Ursprung in der Windmühle gefunden. In den Niederlanden war auch die Kombination einer Wasserradmühle mit einer Windmühle bekannt. Diese Kombinationen konnten nur in jenem Teil der Niederlande zustande kommen, in dem strömendes Wasser eine Wasserradmühle antreiben konnte. BICKER CAARTEN (27, S . 2 6 ff.) gibt Abbildungen von einigen solcher kombinierten Mühlen: eine auf einer Wasserradmühle aufgestellte Wippmühle, nach einem Gemälde eines unbekannten Meisters im Tuchhallenmuseum in Leiden; eine eckige Turmmühle auf einer Wasserradmühle in Apeldoorn ; eine eckige Turmmühle auf einer Wasserradmühle in Leeuwen ; eine konische Turmmühle auf einer Wasserradmühle in Cas tern. Er erwähnt außerdem noch fünf ähnliche Kombinationen in Brabant, doch bemerkt er dazu, daß sie wohl zahlreicher sein dürften. In der Provinz Geldern wird eine solche Kombination schon 1740 erwähnt. In dem betreffenden Bericht wird diese Mühle als watervlugtmolen bezeichnet (Wasserfluchtmühle). BICKER CAAKTEN glaubt zwei Varianten unterscheiden zu müssen, nämlich eine erste, bei der die Wasserkraft, und eine zweite, bei der die Windkraft die größere Rolle spielt (27, S . 30).
Zuletzt möge hier noch die eigentümliche Tatsache erwähnt werden, daß man wie in Belgien, so auch in den Niederlanden einzelnen Mühlen einen Eigennamen gegeben hat. Hierzu fand ich für die Niederlande eine Erklärung: In bestimmten Gegenden, in denen viele Windmühlen vorkamen, machten die Behörden Vorschriften, um jene Mühlen, mit denen das Publikum in Berührung kam, durch besondere Bezeichnungen voneinander unterscheiden zu können. So wurde in der Zaangegend 1663 und 1669 angeordnet, daß alle Windmühlen einen bebilderten Namen tragen mußten, d. h., daß der Name auf ihrer Front nicht nur mit Buchstaben, sondern auch mit einer entsprechenden Figur erkennbar zu machen war im Hinblick auf die vielen ungebildeten Leute in jenen Tagen. So können wir ζ. B. an der Windmühle De Valk (Der Falke) in Leiden noch heute einen Fassadenstein mit dem Bild eines Falken erkennen, der außer dem Namenszug die Mühle kennzeichnete (28, S. 22; 13, S. 75; 15, reeks II, S. 51). Jene Mühlen aber, die zum Ausschöpfen von überflüssigem Wasser dienten und mit denen das Publikum nichts zu tun hatte, trugen gewöhnlich keinen gemalten Namen und keine Figurdarstellung. Bemerkenswert ist noch die Tatsache, daß die Bockmühlen selten einen Namen tragen (15, reeks I, S. 30).
MÜHLENTYPEN Α. DIE HORIZONTALE WINDMÜHLE
Im 18. Jahrhundert reichten John Brent und Johan Celley bei den Staaten von Holland ein Gesuch ein um den Schutz ihrer Rechte als Erfinder einer horizontalen Windmühle. Am 24. Januar 1726 wurde ihnen ein günstiger Bescheid erteilt (29, S. 12).
A. Europa: Niederlande
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Es ist mir aber nicht bekannt, ob in den Niederlanden auf Grund dieses Patentes jemals eine Windmühle erbaut worden ist. Wohl wird 1857 die Errichtung von zwei horizontalen Windmühlen erwähnt. Eine große horizontale Windmühle soll damals vom Mühlenbauer Jan de Vries Pz. an der Westzij in Zaandam auf Bestellung von Alberdinck aus A'msterdam erbaut worden sein. Diese Mühle war für das Pressen von ö l bestimmt. Im selben Jahr wurde vom Mühlenbauer Vredenduin in Zaandijk für den hier ansässigen Auftraggeber Vis eine kleine horizontale Windmühle im Kaiverpolder errichtet (30, S. 57). Nach den überlieferten Berichten hatten diese Mühlen Kuppeln mit sechs Öffnungen. Dies waren ohne Zweifel die Windöffnungen, durch die der Wind Zugang zu den Flügeln fand. In der Mitte der Kuppel befand sich die vertikale Welle, an der die Flügel befestigt waren. Aus der Beschreibung läßt sich nicht ersehen, ob die Windöfthungen je nach Windstärke reguliert werden konnten. Dagegen wird erwähnt, daß viel Wind notwendig war, um die Flügel zum Drehen zu bringen, und dann drehten sie sich auch nur langsam. Beide Mühlen scheinen den Erwartungen nicht entsprochen zu haben. Höchstwahrscheinlich ist denn auch die Zahl der horizontalen Windmühlen in den Niederlanden auf diese zwei Fälle beschränkt geblieben.
B. DIE V E R T I K A L E
WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle O bwohl in der niederländischen Mühlenliteratur allgemein angenommen wird, daß der älteste Mühlentyp in diesem Land die Bockmühle gewesen ist, werden dennoch bei einigen Autoren nicht-drehbare Mühlen erwähnt, d. h. Mühlen, die nicht gegen den Wind gerichtet werden konnten. VISSER C. S. (15, reeks I, S. 10) spricht sich in dieser Hinsicht sehr positiv aus. Er behauptet, daß man in den Niederlanden 1408 für das Ausschöpfen von überflüssigem Wasser nicht-drehbare Mühlen verwendete. Er äußert sich also nicht über die Bockmühle und redet eigentlich vom P r o t o t y p der Wippmühle (s. dort). Ferner erklärt er noch, daß die Entwässerung mit Hilfe dieser nicht-drehbaren Mühlen nicht gelingen konnte. Für seine Behauptungen führt VISSER aber keinen Beleg an. In einem andern Werk (13, S. 4) steht er auch nicht an zu behaupten, daß die ältesten Windmühlen in Holland und in Flandern nicht in den Wind gedreht werden konnten. Der wechselnde Wind gab dazu Anlaß, daß man die Mühle auf einem Bockgerüst errichtete und sie damit drehbar machte. In diesem Fall sollte es sich also um den Prototyp der Bockmühle handeln. Auch hier führt dieser Autor keine Quelle an. VERHEUL (31, S. 22) ist etwas weniger kategorisch. Er meint, daß die ersten Windmühlen höchstwahrscheinlich nicht-drehbare Mühlen waren, die nur bei einer bestimmten Windrichtung betriebsfähig waren. Es handelt sich also auch hier um den Prototyp der Bockmühle. Auch VERHEUL zitiert keine Quelle. Ich nehme an, daß diese Berichte auf eine Stelle bei BLANKEN (32, S. 14) zurückgehen. In deutscher Übersetzung lautet sie: „Nachdem man sich 1408 auf verschiedentliche Art durch die Errichtung von kleinen und größeren nicht-drehbaren Windmühlen, die nur mit Wind aus einer Richtung arbeiten konnten, vergeblich darum bemüht hatte, die Ländereien zu entwässern, faßt endlich die Gräfin von Holland, Jakoba von Bayern, den Beschluß, am 13. Mai 1430 zu Gunsten der verarmten Einwohner eine Urkunde ausstellen zu lassen, kraft derer
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
in der Nähe der Stadt Schoonhoven die erste große Wipp-Windmühle errichtet wurde, nämlich die Bonrepas, die wahrscheinlich nach allen Windrichtungen gedreht werden konnte". Zunächst fällt hier auf, daß BLANKEN für diesen Bericht keine Quelle angibt, und außerdem, daß er die Versuche mit nicht-drehbaren Mühlen dem Jahr 1408 zuweist. Schließlich erklärt er, daß^die erste, wahrscheinlich drehbare, Wippmühle 1430 gebaut wurde. Im Jahre 1430 wurde in der Tat im Polder Bonrepas bei Schoonhoven eine Wippmühle errichtet, und diese war drehbar, wie es allgemein bekannt ist. Sie war aber nicht die älteste bekannte Wippmühle. Diese datiert nämlich aus dem Jahr 1414 (s. den Abschnitt über die Wippmühle Seite 133 f.). Wae nun die angeblich im Jahre 1408 gebauten Windmühlen betrifft, so kommt der einzige Hinweis, den ich in diesem Zusammenhang habe auffinden können, in einer alten Rechnung vor, aus der hervorgeht, daß 1408 die Deichschöffen von Delfland nach Alkmaar gezogen sind, um eine Untersuchung anzustellen über das Wasser, das Florisz von Alkemade und Jan Grietenssoen met de molen (mit der Mühle) ausgeworfen hatten (4, S. 73). Welche Kraftquelle die Mühle in Bewegung brachte (Mensch, Tier oder Wind), wird in diesem Bericht nicht erwähnt. Von vergeblichen Bemühungen ist dort ebenfalls nicht die Rede. Ich bin der Ansicht, daß BLANKEN die besagte Stelle sehr frei interpretiert hat. Ich glaube denn auch annehmen zu müssen, daß es für das einstige Vorhandensein einer nicht-drehbaren Mühle, sei es als Prototyp der Bockmühle, sei es als Prototyp der Wippmühle, keinen einzigen historischen Beleg gibt. Indes verfügen wir über eine Rechnung des Gutsverwalters für Nord-Holland, Enghebrecht, über Ausgaben behufs einer Mühle oder mehrerer Mühlen im Jahre 1316. Eine dieser Ausgaben bezieht sich auf die Mühle in Eykenduinen (jetzt innerhalb der Gemeinde Den Haag gelegen), für die man ein Bockgerüst, sechs Balken und eine Welle gekauft hatte (33, S. 48, 59). Aus der Tatsache, daß ein Bockgerüst gekauft wurde, glaube ich folgern zu dürfen, daß es sich um bestimmte Ersatzteile handelte, so daß also die drehbare Bockmühle wenigstens schon eine Anzahl von Jahren vor 1316 bekannt war. So gelangen wir in zeitlicher Hinsicht ziemlich nahe an die älteste der in den Niederlanden bekannten Mühlen heran, nämlich die aus dem Jahre 1274 in Haarlem. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse
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a. Die Bockmühle. Der allgemeine Name für diesen Mühlentyp ist „Bockmühle". In Seeland wird er auch als staakmeule und in anderen Gebieten als standermolen, bokmolen oder Franse molen (französische Mühle) bezeichnet (4, S. 9). Der Mühlenkörper ist ein vierseitiges Prisma, dessen horizontaler Querschnitt ein Rechteck ist. Eine der schmalen Seiten des Prismas ist gegen den Wind gerichtet, um den Winddruck auf die Mühle so niedrig wie möglich zu halten. Außerdem steht der Bock in der Richtung dieser Windseite exzentrisch, damit die Mühle dem Winddruck besser Widerstand leiste. Die niederländische Bockmühle weist durchweg keine Anbauten am Mühlenkörper auf, wie dies sonst bei Bockmühlen in Belgien, England und Deutschland oft der Fall ist*. In den Niederlanden treffen wir folgende Varianten dieses Mühlentyps an: 1. die offene Bockmühle*. Der Bock mit den Kreuzbalken und den kleinen Mauern, auf denen diese ruhen, sowie auch die Strebebalken sind überhaupt nicht zugedeckt.
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2. die halbgeschlossene Bockmühle*. Hier sind nur die Strebebalken und der Bock zugedeckt und somit gegen Witterungeeinflüsse geschützt. 3. die geschlossene Bockmühle*. Hier ist das ganze Fußstück zugedeckt. Wie das innen aussieht, zeigt der Querschnitt auf Abb. 179. Da es keinen einzigen Nachweis über das einstige Vorkommen von nicht-drehbaren Windmühlen gibt, müssen wir vorderhand annehmen, daß die älteste Bockmühle aus dem Jahr 1274 stammte und sich in der Stadt Haarlem befand. Es gab eine Zeit, in der die Bockmühlen über die gesamten Niederlande verbreitet waren. Wieviel Mühlen dieses Typs es in der Blütezeit gegeben hat, ist mir nicht bekannt. Ich glaube zu wissen, daß es vor einigen Jahren in diesem Land noch etwa 40 Bockmühlen gab. Die Bockmühle war ursprünglich eine Getreidemühle und sie ist es im großen und ganzen auch geblieben. Es ist aber bekannt, daß eine der ersten Ölmühlen 1582 ebenfalls eine Bockmühle war. b. Die Wippmühle. Wie wir im folgenden noch sehen werden, war die Wippmühle die erste Windmühle, die in Betrieb gesetzt wurde, um eingedeichte Ländereien vom überflüssigen Wasser zu entlasten, und die später sogar verwendet wurde, um Tümpel trocken zu legen. Um die Notwendigkeit und die Bedeutimg dieser Windmühle richtig einschätzen zu können, dürfte hier eine kurze Beschreibung der Bodenbeschaffenheit in den Niederlanden in früherer Zeit wohl von Nutzen sein. Ursprünglich bildeten die Niederlande zu Füßen eines sich durch Deutschland, Belgien und Frankreich erstreckenden Hochlandes ein Deltagebiet, das vom Rhein, von der Maas und von der Scheide durchzogen war. Diesem Deltagebiet vorgelagert war eine Nehrung, aus der sich durch Verwehungen Dünen bildeten. Hinter dieser Nehrung wuchsen Wälder und Heide. Unterhalb dieser Wälder bildete sich eine viele Meter tiefe Hochmoorschicht. Infolge des Ansteigens des Meeresspiegels und des Sichsetzens des Deltabodens drang das Meerwasser nach der Zerbröckelung der Nehrung in das Land hinein. Dadurch entstanden hinter dieser Nehrung große Moore, durch die hindurch die Flüsse ihren Weg zum Meer suchten. Die ersten Bewohner der Niederlande ließen sich an den Stellen nieder, die vom Wasser freigeblieben waren. Bisweilen bauten sie Wurten (Warften) auf, um darauf ihre Wohnstellen zu errichten. Der übrige Teil des Landes war unbewohnbar. Um ihn bewohnbar zu machen, war Eindeichung die erste Voraussetzung. In bezug auf die ältesten Eindeichungen in den Niederlanden ist kaum etwas bekannt. Gewöhnlich wird angenommen, daß die ersten Deiche von den Römern den großen Flüssen entlang angelegt worden sind. Für den Ausbau von einigermaßen umfangreichen Eindeichungen mußten die Bewohner des ganzen Gebietes zusammenarbeiten. Dazu war das erste Erfordernis das Vorhandensein einer zentralen Obrigkeit. Zahlreiche Eindeichungen scheinen im 7. und im 8. Jahrhundert erfolgt zu sein. Im 13. Jahrhundert waren die wichtigsten der jetzt vorhandenen Deiche ausgebaut. In bezug auf die ersten Eindeichungen ist zu bedenken, daß diese nur den Zweck hatten zu verhüten, daß das Wasser der großen Flüsse bei erhöhtem Wasserstand über das umliegende Land ströme. Diese Deiche wurden sogar manchmal quer durch die Nebenflüsse angelegt, und zwar derart, daß diese Nebenflüsse vom Hauptfluß abgetrennt wurden, so daß das Wasser auch nicht über diese Nebenflüsse einen Ausweg auf das Land finden konnte. Später fing man an, kleine Parzellen Land, deren Boden für einen natürlichen
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Abfluß bei niedrigem Waeserstand des Meeres hoch genug lag, mit einem Deich zu umgeben. Dann wurden in diesem Deich kleine Schleusen eingebaut. Bei niedrigem Stand des Außen wassere konnten diese Schleusen geöffnet werden, und so flöß das Wasser eines solchen Polders in das Außenwasser ab. Die vielen Parzellen Land, deren Boden zu niedrig lag, konnten aber das überflüssige Wasser nicht durch einen natürlichen Abfluß loswerden. Wollte man solche Parzellen dennoch trockenlegen, dann war eine künstliche Entwässerung geboten. Zu diesem Zweck wurden dann diese Parzellen eingedeicht. Es wurden Kanäle und Gräben gegraben, und mit Hülfe von Hand- und Tiermühlen wurde das Wasser ausgeschöpft. Da die Leistung solcher Mühlen gering war, mußten die eingedeichten Parzellen Land (Polder) auf einen geringe Ausdehnung beschränkt werden (23, S. 33; 35; 36; 37; 38, S. 23-54). Es liegt auf der Hand, daß die Bewohner der Niederlande sich nach Mitteln umsahen, um die künstliche Entwässerung mit größerer Kraft durchzuführen. Man benutzte den Wind schon als Kraftquelle für das Mahlen von Getreide mit Hilfe der Bockmühle. Wollte man jedoch die Windkraft in den Dienst der künstlichen Entwässerung stellen, dann war es erforderlich, sie so einzufangen, daß ein Schöpfrad, das schon bei den Hand- und Tiermühlen bekannt war, und das nach Lage der Dinge in der Bedeichung eines Landes seinen festen Stand haben muß, vom Triebwerk der Windmühle in Bewegung gebracht werden konnte. Obwohl mir kein einziger Nachweis von der Verwendung einer nicht-drehbaren Mühle begegnet ist, könnte ich mir doch vorstellen, daß hier möglicherweise aus der Bockmühle erst eine nicht-drehbare Mühle entwickelt wurde, die ein Schöpfrad in Bewegung bringen konnte. Ob der Vorgang sich so abgespielt hat, wissen wir aber nicht. Wohl wissen wir, daß irgend jemand auf den Gedanken kam, den massiven Bock der Bockmühle durch einen Köcher zu ersetzen, durch den sich eine vertikale Welle drehen konnte. Diese vertikale Welle wurde vom Getriebe in Bewegung gebracht. Ihrerseits übertrug diese vertikale Welle die Bewegung auf ein Schöpfrad. So entstand die erste Wippmühle. Soweit man der Sache nachgehen kann, ist diese Mühle eine niederländische Erfindung. Die ersten Angaben über die Wippmühle stammen aus dem Jahr 1414. Sie beziehen sich auf zwei Wippmühlen in IJselmonde (23, S. 18). Diese Mühle ist in den Niederlanden bekannt als Wippmühle oder Köchermühle. Die Mühle besteht aus einem unteren und einem oberen Gehäuse. Das untere Gehäuse hat die Form einer regelmäßigen vierseitigen Pyramide. Das obere Gehäuse ist ein Kasten, der dem Körper der Bockmühle sehr ähnlich, aber doch kleiner ist. DEIS obere und das untere Gehäuse sind durch einen Köcher miteinander verbunden. Durch diesen Köcher läuft die vertikale Welle, welche die Bewegung des Triebwerkes auf das Schöpfrad überträgt*. Das untere Gehäuse dient dem Müller zur Wohnung. Es hat zwei Türen, damit man jederzeit, ohne von den Flügeln gestört zu werden, hinein- und hinausgehen kann. Dieses untere Gehäuse war in Friesland gewöhnlich mit Dachziegeln bedeckt. Im Westen der Niederlande war dies nur selten der Fall (13, S. 14). Die ursprüngliche Wassermühle war mit einem offenen Schöpfrad versehen. Das geschlossene Schöpfrad ist etwas jünger (13, S. 14). Die Wippmühle fand als Poldermühle ihre Verbreitung vor allem in der Provinz Süd-Holland. Außerdem kam sie noch in Utrecht, Overijsel und Friesland vor. In der Provinz Nord-Holland kam sie nahezu nicht vor. Aus dieser Wippmühle hat man später zwei kleinere Wippmühle entwickelt. Die erste
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ist eine Wippmühlo in geringer Größe, die nicht bewohnt wird. Sie wird als spinnekop bezeichnet (Spinnkopf)*. Die zweite ist ebenfalls ein kleines Modell, das nicht bewohnt wird und von einem breiten Sterz automatisch in den Wind gedreht wird. Diese Mühle ist als Weidemolentje bekannt (kleine Wiesenmühle)*. Die Spinnköpfe in Friesland und Groningen sind meistens mit einer Schraubenwinde ausgerüstet (13, S. 14). Obwohl die ursprüngliche Funktion das Ausschöpfen von überflüssigem Wasser war, hat man die Wippmühle doch später anderen Funktionen angepaßt. Die wichtigste dieser neuen Funktionen war das Mahlen von Getreide. Da das untere Gehäuse für diesen Zweck zu klein war, wurde die ganze Mühle auf einen Unterbau gestellt und später, in vielen Fällen, mit einem Laufsteg versehen. Der Unterbau bot nun den für die Arbeit erforderlichen Raum. Der Laufsteg gab dem Müller die Möglichkeit, die Segel zu reffen (Abb. 1 8 3 , 1 8 4 ) . V I S S E R und P I E T E R S E (4, S. 3 7 ) sind der Ansicht, DPß dieser Getreidemühlentyp zu den Ausnahmen gehörte. Ich glaube aber, daß er öfter vorkam, als man es im allgemeinen annimmt. B I C K E R CAARTEN c. S. ( 2 3 , S. 18) teilt in bezug auf Süd-Holland mit, daß man die Getreide-Wippmühlen früher besonders in den Dörfern des Werders Ablasserwaard, der Vijf-Herenlanden, des Werders Krimpenerwaard und auch in Waddinxveen und Capelle an der IJsel vorfand. In Süd-Holland datiert die älteste Getreide-Wippmühle aus 1611. Es handelte sich hier um eine Mühle in Leiden. Nach V I S S E R ( 1 3 , S. 3 5 ) gab es 1 9 2 6 in den Niederlanden noch zwölf Getreide-Wippmühlen. Einige von diesen Mühlen sind zur Zeit noch vorhanden. Von den anderen Funktionen der Wippmühle seien hier noch folgende angeführt: das Pressen von ö l (13, S. 95), die Herstellung von Papier (13, S. 114 f.), das Zermahlen von Knochen (13, S. 129) und das Sägen von Holzlatten (13, S. 85)*. Der diesen Funktionen angepaßte Mühlentyp hat aber nie eine große Verbreitung gekannt. Wieviel Wippmühlen die Niederlande in der Blütezeit gehabt haben, ist mir nicht bekannt. c. Die Paltrockmühle. Es wird gewöhnlich angenommen, daß die erste Holzsägemühle, die mit Windkraft arbeitete, 1592 von Cornells Cornelisz van Uitgeest, alias Cornells Lootjes, erbaut worden ist. Aus seinem Lizenzgesuch vom 5. Dezember 1593 an die Staaten von Holland ist zu ersehen, daß die Mühle zu jener Zeit noch nicht gebaut war. Aus der von den Staaten von Utrecht am 14. Februar 1600 erteilten Lizenz geht aber hervor, daß die Mühle ungefähr sechs Jahre früher errichtet worden war. Wir dürfen daher annehmen, daß die erste von Windkraft angetriebene Holzsägemühle 1594 erbaut worden ^ist. Cornells Cornelisz von Uitgeest hat Mühlen gebaut und sie offenbar verkauft und höchstwahrscheinlich auch Lizenzen zum Errichten von Mühlen vergeben (40, S. 95). Die Frage lautet jetzt, wie diese Mühlen beschaffen waren und zu welchem Typ sie gehörten. Das Lizenzgesuch vom 5. Dezember 1593 war von zwei Zeichnungen begleitet. Die erste dieser Zeichnungen* zeigt deutlich, daß es sich um eine Wippmühle handelt. Die zweite* stellt eine Holzsägemühle auf einem Floß dar. Die Form dieses Mühlenkörpers erinnert an die der Bockmühle. Bei der Erfindung und dem Lizenzgesuch des Cornells Cornelisz ist der wichtige Punkt jedoch nicht die äußere Form der Mühle. In dieser Hinsicht konnte er auf bestehende Typen zurückgreifen, die sich dazu eigneten, die erforderlichen Werkzeuge auf einem festen Boden aufzustellen und sie in Bewegung zu bringen. Die Erfindung ist nicht die Erfindung einer Mühle, sondern die von Achsen und Kurbeln, die es möglich machen, eine Drehbewegung in eine Aufundabbewegung umzusetzen, um Sägerahmen
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in Betrieb setzen zu können. Solche Werkzeuge konnten dann in verschiedene Mühlentypen eingebaut werden: So ist denn auch 1604 während der Laufzeit der Cornells Cornelisz erteilten Lizenz, eine eckige Turmmühle mit diesen Werkzeugen ausgestattet worden (40, S. 95). Es ist bekannt, daß Cornells Cornelisz Holzsägemühlen sowohl zu Lande als auch auf einem Floß gebaut hat. Am 16. Januar 1595 erhielt Cornells Cornelisz vom Magistrat in Alkmaar die Genehmigung, eine Mühle auf festem Boden zu bauen. Es war eine eckige Turmmühle. Außer der 1594 in Uitgeest errichteten Mühle baute er noch mit einem Geschäftspartner 1598 eine Floßmühle in Wormer. Besonders diese Floßmühle hat zu einer lebhaften Diskussion Anlaß gegeben. Einige Autoren sind der Ansicht, daß eine Floßmühle technisch nicht möglich gewesen wäre, und daß dieses Floß nur dazu diente, die Mühle von der Bauwerft bis zu ihrem Standort zu transportieren. Doch geht aus der Beschreibung zur Abb. 187 im Lizenzgesuch deutlich hervor, daß es sich hier wirklich um eine Floßmühle handelt. Es wird sogar genau beschrieben, wie das Floß im Wasser drehbar festzumachen ist. Auch die Berichte über die 1598 erbaute Floßmühle zeigen deutlich, daß es sich nicht um den Transport einer Mühle handelt. Die erste Floßmühle, die 1594 errichtet wurde, trug den Namen 't Juffertje (die Jungfer). S C H E F F L E R (41, Tafel 24c) bezeichnet eine bestimmte Wippmühle in Deutschland als „holländische Jungfer". Ob der Name 't Juffertje vielleicht darauf hinweist, daß diese Floßmühle eine (kleine) Wippmühle war?
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Diese Einzelheiten mußten meiner Ansicht nach hier zur Sprache kommen, weil ziemlich allgemein angenommen wird, daß sich die Paltrockmühle aus der „Jungfer" entwickelt hat, und zwar infolge der Tatsache, daß die Floßmühle auf die Dauer den Anforderungen nicht genügte. In dieser Hinsicht bin ich jedoch anderer Meinung. Wie vorhin schon bemerkt wurde, konnten die Werkzeuge für das Holzsägen in die schon bestehende Wippmühle und die damals auch schon vorhandene eckige Turmmühle eingebaut werden. Daneben hat sich aber ein neuer Mühlentyp entwickelt, der vorzüglich als Holzsägemühle geeignet war. Dieser neue Typ war dann die PaltrockMühle. Vermutlich ist die Bezeichnung Paltrock ursprünglich der Name eines typischen Kleidungsstückes der eingewanderten Pfälzer, die sich in jener Zeit an der Zaan niederließen (15, S. 90). In welchem Jahr die erste Paltrockmühle erbaut wurde, ist mir nicht bekannt, doch nehme ich an, daß dies am Anfang des 17. oder am Ende des 16. Jahr hunders erfolgt ist (23, S. 22). Soweit man der Sache nachgehen kann, ist die Paltrockmühle em Mühlentyp, der in den Niederlanden entwickelt wurde. Die Paltrockmühle* besteht aus einem Mühlenkörper mit der Form einer vierseitigen abgestumpften Pyramide. Der Arbeitsraum ist seitlich am Mühlenkörper angebaut. Das Ganze ruht auf einem niedrigen Bock, während der Umriß des Mühlenkörpers mit Walzen auf einer ringförmigen Mauer ruht, über der das Ganze sich drehen kann. Auf diese Weise kann die Mühle gegen den Wind gerichtet werden. Das Hauptgebiet für die Paltrockmühle war die Zaangegend. Von den 350 Holzsägemühlen, die einst hier gestanden haben, gehörten 233 dem Typ der Paltrockmühle an (13, S. 84). Jetzt sind nur noch zwei davon Übriggeblieben. Ein zweites Gebiet war Amsterdam. Hier gab es in der Blütezeit 70 bis 80 Mühlen dieses Typs. Sie sind später alle verschwunden. Ein drittes Gebiet von Bedeutung war Dordrecht. Wieviel Mühlen hier gestanden haben, ist mir aber nicht bekannt.
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Schließlich hat es noch vier Paltrockmühlen in Middelburg gegeben. d. Der Tjasker. Diese Mühle kennt zwei Varianten. Die erste* ruht auf einem im Boden befestigten Bock mit Strebebalken. Auf diesem Bock befinden sich zwei Balken, die zu beiden Seiten einer Tonne verlaufen. In dieser Tonne befindet sich eine Wasserschraube. Die Balken sind derart miteinander verbunden, daß sich in diesem Gebälk die Achse drehen kann, die zugleich Flügelwelle und außerdem Welle der .Tonnenmühle' ist. Die zweite Variante* hat, wie die erste, zwei Balken zu beiden Seiten der Tonne; auch hier dreht sich in der Verbindung dieser Balken die Flügelwelle zugleich als Welle der ,Tonnenmühle'. Diese Variante hat jedoch keinen Bock. Die beiden genannten Balken ruhen auf einem schräg stehenden trapezförmigen Sockel, unter welchem Walzen angebracht sind, die über eine mit Stein oder Zement hartgemachte kreisförmige Bahn rollen. Diese Mühlen für das Ausschöpfen von überflüssigem Wasser müssen m. E. in der Gruppe der vertikalen Windmühlen, deren ganzer Körper gedreht wird, untergebracht werden. Denn die ganze Mühle muß auf ihrem Bock oder ihrem Fuß herumgezogen werden, um die Flügel gegen den Wind richten zu können. Außerdem kann diese Mühle nicht aus Stein gebaut werden, wie es bei den Mühlen der Fall ist, von denen allein die Haube geweht wird. Es ist eine kleine, ganz einfache Mühle, um Weideland von überflüssigem Waaser zu entlasten, wenn es sich nur um einen sehr geringen Unterschied im Wasserstand handelt.
A ist der Zufuhrgraben für das zum Tjasker hingeleitete überflüssige Wasser. Die Mühle schöpft das Wasser aus und ergießt es bei Β in eine hölzerne Rinne (auf der Skizze gestrichelt), die es in einen etwas höher gelegenen Abfuhrgraben C führt. Wenn man nun die Mühle dreht, wird zugleich die Rinne verlegt. Das Ganze ist eine sehr einfache Konstruktion. Der Schraubenköcher bildet mit der vertikalen Ebene einen Winkel von 25 bis 30 Grad, und dies ist also auch der Winkel, den die Flügel mit jener Ebene bilden (4, S. 81).
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Wann der erste Tjasker in Betrieb genommen wurde, ist nicht bekannt. Da wir uns aber diesen Tjasker nicht ohne Schraubenköcher vorstellen können, kann darin ein Hinweis auf das Alter dieses Typs liegen. Aus dem Inhalt eines Lizenzbriefes aus Middelburg geht hervor, daß diese Schraubenköchermühle 1598 erfunden worden ist (4, S. 81). Hieraus glaube ich folgern zu dürfen, daß der Tjasker erst nach 1598 in Gebrauch gekommen ist. Der Tjasker kam vor allem in Friesland und im Nordwesten der Provinz Overijsel, weniger häufig im Groninger Land vor; je einer wurde noch in den Provinzen Drente und Geldern gefunden, während er im Westen der Niederlande gänzlich unbekannt war. Wieviel Mühlen dieses Typs es im ganzen gegeben hat, ist mir unbekannt. Soweit ich weiß, sind jetzt noch drei davon in Betrieb. Aus diesen Einzelheiten geht m. E. deutlich hervor, daß das Kerngebiet des Tjaskers in Friesland und Nordwest-Overijsel gelegen war. Außerdem ist mir noch ein einzelner Tjasker außerhalb der Niederlande bekannt, und zwar in Nord-Deutschland (s. den betreffenden Abschnitt). Ich glaube auf Grund dieser Daten annehmen zu dürfen, daß der Tjasker eine niederländische Erfindung ist. III. Mühlen mit drehbarer Haube a. Die zylindrische Turmmühle. Die ersten Turmmühlen, die in den Niederlanden gebaut wurden, waren in der ,Herrlichkeit Bergh' gelegen, also im südwestlichen Teil der heutigen Provinz Geldern. Es hat sich herausgestellt, daß hier im Laufe der Zeit vier Mühlen aus Stein gebaut worden sind, nämlich die von Zeddam, von Bergh (auch wohl 's-Heerenberg), von Gendringen und von Didam. B I C K E R C A A R T E N C. S. ( 2 3 , S. 1 8 ) gibt in den Erörterungen über die Turmmühle in Zeddam in Klammern die Jahreszahl 1444 an. Ich nehme an, daß er damit meint, die zylindrische Turmmühle, die heute noch immer in Zeddam zu sehen ist, sei 1 4 4 4 erbaut worden. B I C K E R C A A R T E N ( 4 2 , S. 1 3 1 ) bemerkt noch, daß die Mühlen von Bergh, Zeddam und Gendringen schon 1451 aus Stein gebaute Turmmühlen waren. S C H I L F G A A R D E ( 4 3 , S . 1 8 3 ) und V A N D E V E N ( 4 4 , S . 4 2 2 , Nr. 8 ) führen beide eine Urkunde vom 5. Oktober 1451 an, durch welche eine aus dem Ertrag der Mühlen des Herrn Wilhelm ten Berge zu Bergh, Zeddam, Didam und Gendringen herrührende Schenkung in natura an das Krankenhaus in Bergh gewährleistet wird. Aus dieser Urkunde geht aber nicht hervor, daß es sich in den genannten Ortschaften um Mühlen aus Stein handelt. Auf welche Quellen B I C K E R C A A R T E N C. S. ( 2 3 , S. 1 8 ) und ( 4 2 , S. 131) sich stützt, ist mir nicht bekannt. S I P M A N (24) hat der Turmmühle in Zeddam eine Abhandlung gewidmet. Er teilt u. a. auch Einzelheiten über die Mühlen in Bergh, Gendringen und Didam mit. Er bezieht sich dabei auf Urkunden im Archiv des Hauses Bergh (24, S. 156) und gibt auch deren Inventarnummern an. Ich glaube also von diesen Daten ausgehen zu dürfen um darzulegen, was über diese ältesten Mühlen bekannt ist. In bezug auf die Mühle in Zeddam führt S I P M A N eine Urkunde aus dem Jahre 1 4 5 4 an. Es ist in dieser Akte nämlich von einer Parzelle Land die Rede, aus deren Boden Backsteine für die Mühle in Zeddam hergestellt worden sind. Diese Mühle wird schon 1451 erwähnt (24, S. 156). Wir dürfen also annehmen, daß die steinerne Mühle in Zeddam kurz vor 1454 oder vielleicht schon vor 1451 gebaut worden ist. Daß deren
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Form zylindrisch war, wissen wir ganz bestimmt, weil diese Mühle noch heute existiert. SIPMAN weist ferner auf eine Urkunde aus dem Jahre 1545 hin, aus welcher hervorgeht, daß jemand Steine gehauen hat, auf denen die Haube in den Wind gedreht werden konnte (24, S. 157). So wissen wir also, daß die Mühle 1545 eine drehbare Haube trug. Ob dies auch schon vor diesem Jahr der Fall war, wissen wir nicht mit Sicherheit. Diese Haube wurde von innen her mit Hilfe einer Haspel gegen den Wind gerichtet (24, S. 1 5 9 - 1 6 4 ) . In jedem Fall hat die Untersuchung hier nicht bewiesen, daß die zylindrische Turmmühle in Zeddam schon 1444 vorhanden war, wie BICKER CAARTEN c. s. (23, S. 18) es angibt. In bezug auf die Mühle in Bergh bemerkt SIPMAN (24, S. 158), daß diese schon 1444 als Turmmühle erwähnt wird. Höchstwahrscheinlich müssen wir auch hier an die zylindrische Form denken. Die konische Form war noch nicht entwickelt worden. In bezug auf die Mühle in Gendringen beruft sich SIPMAN (24, S. 157) auf eine Urkunde aus dem Jahre 1457, aus der hervorgeht, daß die durch Einsturz bedrohte Mauer der Mühle repariert wurde. Wir dürfen also vermutungsweise annehmen, daß die Mühle schon mehrere Jahre als zylindrische Turmmühle bestanden hat. In bezug auf die Mühle in Didam teilt SIPMAN (24, S. 159) mit, daß erst 1469 durch eine Beleg nachgewiesen wird, daß die Mühle aus Stein gebaut war. Aus den obigen Angaben glaube ich folgern zu dürfen, daß die erste zylindrische Turmmühle in Bergh stand und 1444 errichtet worden war. Die Mühle in Zeddam wurde kurz vor 1454 oder 1451 erbaut. Die Mühle in Gendringen wurde mehrere Jahre vor 1457 errichtet, und die in Didam vor oder im Jahre 1469. Nur die zylindrische Turmmühle in Zeddam steht heute immer noch gut erhalten da*. Folgerichtig erhebt sich hier die Frage nach der Herkunft dieser Mühlen. Diese zylindrischen Turmmühlen zeigten - wenigstens wenn wir die in Zeddam als Beispiel hinstellen dürfen - mit ihrer konischen Haube eine derartig ausgeprägte Ähnlichkeit mit dem Mittelmeertyp, daß wir wohl in dieser Richtung die Antwort auf die gestellte Frage suchen müssen. Im Abschnitt über Deutschland habe ich schon dargelegt, daß es sich vermutlich bei dieser Mühle um einen nördlichen Ausläufer des Mittelmeertyps handelt. Eine Untersuchung in Frankreich und in Deutschland würde in dieses Problem mehr Licht bringen können. Einstweilen werden wir uns mit dieser Hypothese begnügen müssen. In den Niederlanden hat die zylindrische Turmmühle höchstwahrscheinlich keine große Verbreitung gefunden. Nichtsdestoweniger sind noch einige Mühlen dieses Typs nachzuweisen. So stand 1926 noch eine zylindrische Turmmühle in der geldrischen Ortschaft Huissen (15, Reeks I, S. 19). Wann diese Mühle erbaut wurde, ist mir nicht bekannt. Gronsveld hat noch heute eine zylindrische Turmmühle*. In bezug auf die Zeit ihrer Entstehung werden drei Jahreszahlen genannt: 1618 (42, S. 18), 1622 (13, S. 197) und 1623 (15, reeks I, S. 66). Ruysdael ( 1 6 2 9 - 1 6 8 2 ) hat eine Mühle dieser Art in Wijk bij Duurstede in einem seiner Gemälde dargestellt. Auch Zevenaar hat noch heute eine zylindrische Turmmühle. Die Mühlen in Huissen und Wijk bij Duurstede weichen insofern vom Mittelmeertyp ab, als sie mit einem Laufsteg versehen sind, der beim Mittelmeertyp sonst nicht vorkommt, allerdings mit Ausnahme der Windmühlen auf den Balearen. b. Die leicht-konische Turmmühle. Die älteste bekannte leicht-konische Turmmühle stammt aus dem Jahre 1593 und stand in Hazerswoude*. Auch aus einem Stich aus
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den Jahre 1614* geht hervor, daß die Niederlande mehrere leicht-konische Turmmühlen gekannt haben. Es waren sichtlich Mühlen, die von innen her gegen den Wind gerichtet wurde. Sie trugen konische Hauben. Es handelt sich hier offenbar um Mühlen vom Mittelmeertyp. Wie diese Mühlen in die Niederlande Eingang gefunden haben, ist mir nicht bekannt. Gab es unter den Windmühlen in Bergh, Gendringen und Didam, die ich im Abschnitt über die zylindrischen Turmmühlen besprochen habe, vielleicht schon eine oder mehrere leicht-konische Turmmühlen ? Oder müssen wir in dieser leichtkonischen Turmmühle eine Übergangsform von der zylindrischen zur konischen Turmmühle erblicken? Ich glaube nämlich annehmen zu dürfen, daß die konische Turmmühle eine niederländische Erfindung ist. Unter welchen Umständen diese neue Form ausgebildet wurde, ist nicht bekannt. Wir werden uns also vorläufig mit der Feststellung begnügen müssen, daß es jedenfalls leicht-konische Turmmühlen in den Niederlanden gegeben hat. Ebensowenig ist bekannt, welche Verbreitung dieser Mühlentyp gehabt hat. Wohl aber können wir feststellen, daß nur die Mühle in Lienden als Vertreter dieses Typs noch heute vorhanden ist. c. Die konische Turmmühle. Wie schon bei der leicht-konischen Turmmühle bemerkt wurde, gilt die Ausgestaltung der konischen Turmmühle allgemein als eine niederländische Erfindung. Von den Niederlanden aus hat sich dieser Mühlentyp über einen großen Teil West-Europas unter dem Namen „holländische Mühle" verbreitet. Ob sich diese Entwicklung von der zylindrischen Turmmühle aus unmittelbar zur konischen Turmmühle oder über die leicht-konische Turmmühle vollzogen hat, ist mir nicht bekannt. Es gibt keinerlei Daten in bezug auf die Beschaffenheit von Übergangsformen. Wir befinden uns hier vollkommen im Unklaren. Es ist nicht möglich, selbst nur annäherungsweise anzugeben, wann die erste völlig entwickelte konische Turmmühle erbaut worden ist. Die Entwicklung hat sich wahrscheinlich deshalb nicht schnell vollziehen können, weil die Errichtung einer konischen Turmmühle stets eine ziemlich kostspielige Angelegenheit war. Vermutlich ist die Entwicklung dieses Mühlentyps im Lauf des 16. Jahrhunderts zum Abschluß gelangt*. Dieser Windmühlentyp hat sich nichtsdestoweniger über die gesamten Niederlande verbreitet, wieviel Mühlen diese Art es gegeben hat, ist mir aber nicht bekannt. Viele sind bis heute erhalten geblieben. Man unterscheidet bei diesen Mühlen sogenannte grondmolens (Bodenmühlen), beltmolens (Hügelmühlen) und stellingmolens (Laufstegmühlen). Die Hauptfunktion der Mühlen dieses Typs war das Mahlen von Getreide. Sie wurden außerdem für manche anderen Funktionen, in einigen Fällen sogar für das Ausschöpfen von überflüssigem Wasser verwendet. Für den weichen Polderboden im Westen der Niederlande war diese Mühle aber durch ihr Gewicht weniger geeignet. In der Entwicklung der konischen Turmmühle von ihrem Prototyp aus war auch einbegriffen die Entwicklung einer Mühle, die von innen her in den Wind gedreht wurde, zu einer solchen, die man von außen gegen den Wind richten konnte. In der zylindrischen Turmmühle lag der Raum mit den Mühlsteinen nahe beim Getriebe, wie dies noch heute bei der Mühle in Zeddam ersichtlich ist. Der Müller arbeitete also hauptsächlich im oberen Teil der Mühle. Es bedeutete für ihn eine große Bequemlichkeit, daß er die Mühle von innen her gegen den Wind richten konnte. In der konischen Turmmühle wurden die Steine tiefer aufgestellt. Der Müller arbeitete also gewöhnlich unten, so daß es für ihn beschwerlich war, immer wieder hinaufsteigen zu müssen, um die Haube gegen den Wind zu richten. So kam man auf den Gedanken, die Haube
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von außen in den Wind zu drehen. Diese neue Technik wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelt (23, S. 21). d. Die eckige Turmmühle. Die eckige Turmmühle besteht in der Hauptsache aus einem hölzernen Skelettbau, der in den Niederlanden im allgemeinen mit Rohr, bisweilen aber auch mit kleinen Brettern bedeckt ist. Das Ganze steht auf einem Postament aus Mauerwerk oder aus Holz*. Die Mühle hat eine drehbare Haube. Allgemein ist die Mühle achteckig, doch hat es auch sechseckige und zwölfeckige Mühlen gegeben. Der älteste Bericht über eine eckige Turmmühle geht auf das Jahr 1526 zurück. In diesem Jahr erteilte das Hohe Deichamt in Delfland dem Confessor in Loosduinen die Genehmigung, die Wippmühle im damaligen Loozerdijk-Polder durch eine achteckige Mühle zu ersetzen (23, S. 18). Ein nächster Bericht stammt aus dem Jahre 1545. In diesem Jahr entschied der Hof von Holland, daß die vier für den Polder Ret Grootslag in Nord-Holland bestimmten achteckigen Mühlen in Krimpen, westlich von Ansdijk errichtet werden sollten (23, S. 19). Dem Bericht des Jahres 1526 glaube ich entnehmen zu dürfen, daß die eckige Turmmühle als eine Verbesserung im Vergleich zu der Wippmühle betrachtet wurde, da die Baukosten der eckigen Turmmühle zweifellos die einer Wippmühle überstiegen haben. Die eckige Turmmühle verdankt ihre Entstehung der Tatsache, daß die Turmmühle aus Stein durch ihr Gewicht weniger dazu geeignet war, in den sumpfigen Poldern des westlichen Teils der Niederlande für das Ausschöpfen des überflüssigen Wassers verwendet zu werden. Man brauchte dort eine leichter gebaute Mühle. Die eckige Turmmühle ist also ursprünglich als Poldermühle entworfen worden. Aus einer Stelle bei VISSER (13, S. 16, 17) geht sogar hervor, daß die eckigen Turmmühlen teuerer als die runde steinerne Poldermühle gleicher Größe waren. In diesem Zusammenhang führt VISSER einen Bericht an, aus dem hervorgeht, daß im Jahre 1740 die acht mit Rohr bedeckten eckigen Turmmühlen der Deichgenossenschaft De Overwaard in Kinderdijk pro Stück 10.500 Gulden (etwa DM 11.600) kosteten, während die Mühlen aus Stein im nachbarlichen Werder „De Nederwaard" im Jahre 1738 9000 Gulden (etwa DM 10.000) pro Stück gekostet hatten. Da die eckige Turmmühle vorzüglich für die sumpfigen Polder im Westen des Landes geeignet waren, dürfen wir erwarten, daß diese Mühle im Westen des Landes entwickelt worden ist. Die vorhin (Bericht vom Jahre 1545) genannten, in Krimpen zu errichtenden achteckigen Turmmühlen wurden von Meister Jacob, einem Mühlenbauer in Delft, erbaut. Auch der Bericht aus dem Jahre 1526 bezieht sich auf einen Turmmühle gleichen Typs in Süd-Holland. Mit Recht bemerkt also BICKER CAARTEN C. S. (23, S. 19), daß diese Berichte eine starke Stütze dafür sind, daß die eckige Turmmühle im Herzen der Provinz Süd-Holland (das entspricht dem Westen des Landes) entstanden ist. Eigentümlicherweise ist über die Entwicklung dieser eckigen Turmmühle nichts bekannt. Wenn wir die Form dieser Mühle betrachten, drängt sich die Vermutung auf, daß sie aus der konischen Turmmühle entwickelt worden ist. Sollte diese Vermutung zutreffen, dann dürfte man annehmen, daß die konische Turmmühle schon im Jahre 1526 entwickelt gewesen ist. Die ursprüngliche Funktion der eckigen Turmmühle war das Ausschöpfen von überflüssigem Wasser. Dank dieser Funktion wurde dieser Mühle im 17. Jahrhundert, dem „Goldenen Zeitalter" der Niederlande, eine übermäßig starke Verbreitung zuteil. Der Handel und die Kauffahrer riefen einen ungewöhnlichen Wohlstand hervor. Dies hatte
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zur Folge, daß sich die Städte in einem bis dahin unbekannten Maße ausbreiteten. Die vom wirtschaftlichen Umschwung emporgetragenen Großkaufleute Amsterdams sahen sich nach neuen Möglichkeiten vorteilhafter Kapitalanlage um. Die Bodenspekulation trieb beinahe überall den Pachtwert der Ländereien hinauf und daraus ergab sich ein starker Antrieb u. a. für die Trockenlegung von Tümpeln und Seen (38, S. 311-314). Diese befanden sich besonders in Nord-Holland. Durch die Initiative von Amsterdamer Kaufleuten sind vor allem im 17. Jahrhundert viele dieser Tümpel und Seen trockengelegt worden. Das bei dieser Arbeit verwendete Schöpfwerk war die eckige Turmmühle. Wie die konische Turmmühle eroberte dieser Mühlentyp unter dem Namen , .holländische Mühle" ebenfalls einen großen Teil West-Europas. Wie ich im Abschnitt über die Wippmühle schon bemerkte, wurde in der Periode, die vor der Entwicklung der Wippmühle liegt, das Wasser mit Hilfe von Tier- und Handkraft durch Schöpfräder weggeschafft. Die mit diesen primitiven Kraftquellen erreichte Hubhöhe betrug nur 30 cm. Das mit Windkraft angetriebene Schöpfrad brachte die Hubhöhe auf 1 m und später sogar auf 1,5 bis 2 m (45, S. 378-380). Am 25. April 1634 wurde einem Einwohner von Leiden, Symon Hulsbos das Patent erteilt für eine Schöpfradvorrichtung, die der heutigen Schraubenwinde ähnlich war. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis dieses Werkzeug den Anforderungen genügen konnte. Die Hubhöhe stieg zuletzt auf 4 bis 5 m. Nichtsdestoweniger verstanden es die Niederländer, sich bis zur Erfindung der Schraubenwinde mit Werkzeugen zu behelfen, die wie die Schöpfräder nur ein geringes Leistungsvermögen hatten. Wenn man einen tiefen Tümpel trockenlegen und schließlich auch trockenhalten mußte, baute man, wenn es sich als nötig erwies, stufenweise bis drei Mühlen untereinander. Die am tiefsten liegende Mühle förderte das Wasser in einen Graben auf der ersten Stufe, die zweite Mühle hob es dann in einen Graben auf der zweiten Stufe und so weiter. Dieses stufenweise Ausschöpfen wurde in mehreren Poldern angewandt, ζ. B. im nordholländischen Schermerpolder, einem trockengelegten Tümpel. Außer den senkrecht eingebauten Schöpfrädern wurde später, d. h. nach dem Jahr 1771, auch eine Konstruktion mit einem Schöpfrad in geneigter Lage verwendet. Die Achse dieses Schöpfrades bildete mit dem Horizont einen Winkel von 55 bis 60 Grad. Das Patent für eine solche Vorrichtung erteilten am 23. August 1770 die Staaten von Holland und Westfriesland an Anthoine George Eckhardt in Den Haag (46, S. 36). Einige Sachverständige waren der Ansicht, daß dieses Schöpfrad bestimmte Vorzüge besaß, doch hat es nie die senkrechten Schöpfräder verdrängen können. Selbstverständlich mußten sämtliche Mühlen eines Polders in derselben Zeit in Betrieb sein, um das überflüssige Wasser auszuschöpfen und auch zur selben Zeit mit dem Schöpfen aufhören, sobald der gewünschte Wasserstand erreicht worden war. In einem großen Polder wurde zu diesem Zweck an einem Hauptmast tagsüber ein Ball und nachts eine Lampe als Signal aufgehängt. Dieses Zeichen wurde dann von einer Anzahl sogenannter Signalmühlen übernommen, worauf alle Mühlen in Betrieb gesetzt wurden. In den Poldern geringeren Umfangs gab es nur eine Signalmühle, - den sogenannten „Admiral" - an der ein Ball oder eine Lampe aufgehängt wurde. Es zeigte sich, daß die eckige Turmmühle, außer für die hier besprochenen Funktionen, noch für allerlei andere Funktionen besonders geeignet war. Ich weiß nicht, warum gerade dieser Mühlentyp diese besondere Eignung besaß. Ich vermute aber, daß sie vielleicht der im Vergleich zur konischen Turmmühle aus Stein leichten Konstruktion zuzuschreiben war. So konnte man die eckige Turmmühle sogar auf einem
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hölzernen Unterbau errichten, wie dies häufig bei den Holzsägemühlen geschah*. Trotz ihrer leichten Bauart konnte diese Mühle sehr gut einen ungewöhnlich starken Winddruck aushalten. Eine wichtige Funktion der Mühle dieses Typs war das Holzsägen. Im übrigen übernahm sie alle Funktionen, die eine Windmühle nur erfüllen konnte. Bei diesem Mühlen typ ist noch etwas Bemerkenswertes zu erwähnen. Ursprünglich wurde er also auf dem sumpfigen Polderboden aus Holz gebaut. Später können wir beobachten, daß er in Fällen, in denen die Bodenbeschaffenheit nicht von Einfluß war, auch auf einem steinernen Unterbau* oder ganz aus Stein errichtet wird*. Sobald man die Mühle auf einem Unterbau errichtete, wurde sie mit einem Laufsteg versehen*. Manche Autoren, die sich mit dem Mühlenbau in den Niederlanden befaßten, haben seinerzeit nicht ohne Staunen festgestellt, daß nur die Provinz Nord-Holland eckige Turmmühlen kannte, die von innen her gegen den Wind gerichtet werden. In allen anderen niederländischen Gebieten werden die Mühlen dieses Typs von außen gegen den Wind gedreht. Inzwischen hat man aber entdeckt, daß in Süd-Holland in der Haube von einigen eckigen Turmmühlen noch heute Krammen zu sehen sind, die darauf hinweisen, daß diese eckigen Turmmühlen, die man jetzt von außen gegen den Wind richtet, früher von innen her gedreht wurden. Die Umänderung hat in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stattgefunden (23, S. 21). Es erhellt daraus, daß diese Änderung in Nord-Holland nicht Eingang gefunden hat. Man kann sogar die Frage aufwerfen, ob wohl alle niederländischen Mühlen mit drehbarer Haube ursprünglich von innen her gegen den Wind gerichtet wurden. Beachtenswert ist hier noch der Umstand, daß man in den Niederlanden zwei Varianten dieses Mühlentyps unterscheiden kann, nämlich die taillierte Form* und die nicht-taillierte*. Die eckigen Turmmühlen in Nord-Holland, die von innen her in den Wind gedreht werden, weisen alle die nicht-taillierte Form auf. VISSER c. S. (4, S. 57) bemerkt, daß eine eckige Turmmühle, die von innen her gegen den Wind gerichtet wird, stets mit einer schwereren Mittellinie gebaut werden muß, um eine schwerere Haube tragen zu können, da eine solche Haube das Gegengewicht des schweren Sterzes vermißt, mit dem sonst die Mühle von außen in den Wind gedreht wird. Falls dies stimmt, glaube ich daraus folgern zu dürfen, daß die nicht-taillierte eckige Turmmühle ursprünglich gebaut wurde, um von innen her gegen den Wind gerichtet zu werden. BICKER CAARTEN c. S. (23, S. 21) erwähnt eine Anzahl Mühlen in Süd-Holland, die zur Zeit von außen in den Wind gedreht werden, aber in der Haube noch Krammen aufweisen, die darauf hindeuten, daß diese Mühlen früher von innen her gegen den Wind gerichtet wurden. Bei der Prüfung des Bildmaterials stellte sich heraus, daß in der Tat alle die von BICKER CAARTEN c. S. erwähnten Mühlen die nicht-taillierte Form aufweisen. Nun ist die Frage, ob man so weit gehen kann zu behaupten, daß alle nicht-taillierten Mühlen ursprünglich als Mühlen gebaut wurden, die von innen her in den Wind gedreht werden mußten. Diese Frage wäre noch zu untersuchen.
FLÜGELFORMEN DER V E R T I K A L E N MÜHLE Soweit man der Sache nachgehen kann, haben die niederländischen Windmühlen seit altersher das Gatter gekannt. Dieses befand sich ursprünglich gleichmäßig an beiden
198
199, 200 198, 199
198, 197
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Seiten der halben Rute. Die Rute wies seinerzeit eine gewisse Krümmung auf. BICKEB CAARTEN (47, S. 118) gibt an, daß sich in der Zeit von +1560 bis +1650 allmählich
eine neue Flügelform entwickelt hat. VISSER C. S. (4, S. 53) erinnert an eine Beschreibung des bekannten niederländischen Ingenieurs und Mühlenbauers Leeghwater aus den Jahre 1654, aus der hervorgeht, daß kurz vorher die Mühlenflügel eine radikale Änderung erfahren hatten. Diese Verbesserung betraf an erster Stelle das Gatter, das nun an einer Seite der halben Rute angebracht wurde. Dadurch sollte angeblich das Klappern der Segel beseitigt werden (15, reeks II, S. 42; 47, S. 118; 13, S. 54). Ich glaube aber, daß es sich nicht um das Klappern der Segel handelte, sondern um die Möglichkeit, den Wind besser aufzufangen. An der anderen Seite der halben Rute wurde eine Art Rahmen angebracht, an dem man Windbretter befestigen konnte. Außerdem erhielt der Flügel durch Rutenkrümmung eine passendere Wölbung, die sogenannte zeeg (47, S. 118). Diese Verbesserungen müssen sich in starkem Maße auf die Leistung der Mühle ausgewirkt haben. Die Ruten waren ursprünglich aus Eichenholz angefertigt. Dieses Holz war aber zu spröde und wurde deshalb durch Kiefernhölzer aus Riga und später aus Amerika ersetzt. Noch später wurden sogar eiserne Ruten verwendet (13, S. 59). Um den Windfang der Flügel zu regulieren, konnte man die Segel gänzlich oder teilweise ausrollen und auch gänzlich zusammenrollen. Außerdem konnte man ein oder mehrere Windbretter abnehmen.
a a. b. c. d. e.
b
c
d
e
volles Segel; im niedrigsten Stand; im mittleren Stand; im höchsten Stand; ohne Segel.
Man konnte noch auf eine andere Weise vorgehen und zum Beispiel zwei Flügel nach d und zwei nach e einstellen oder auch noch andere Kombinationen zwei zu zwei anwenden. Es erfordert natürlich eine große fachmännische Übung und Kenntnis der eigenen Mühle, um die Segel auf die richtige Weise zu bedienen. Später ist man, vor allem im nördlichen Gebiet der Niederlande, zu den sogenannten Berton-Flügeln übergegangen. Diese Flügel waren mit Jalousien versehen. Diese waren
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durch Scharniere mit einer Stange verbunden, die durch die Flügelachse ging. Vom inneren Raum der Mühle her konnte man mit Hilfe dieser Stange, und ohne die Mühle stillzulegen, das öffnen der Jalousien regeln. Dieses System ergab eine zu starke Bremswirkung und wurde daher aufgegeben. Später wurde in England eine Technik erfunden, zu deren Anwendung die Jalousien mit Federn versehen wurden. Sobald die Windstärke zunimmt, werden die Jalousien geöffnet, wodurch die Umlaufgeschwindigkeit reguliert wird. Im vorigen Jahrhundert wurde dieses System, nach dem es aber schon perfektioniert worden war, über Frankreich auch in die Niederlande eingeführt. Es wurde hier vor allem in Groningen und in etwas geringerem Umfang in Friesland, Drente und dem geldrischen Achterhoek verwendet, in allen anderen Landesgebieten aber nur in einigen wenigen Fällen. Im gcldrischen Achterhoek wurde es nur an zwei der vier Flügel angewandt. Wegen des schweren Laufes des Triebwerkes wurde aber dieses System in den Niederlanden meistens wieder aufgegeben (13, S. 54). Nach dem Jahre 1923 versuchte man in den Niederlanden, im Zusammenhang mit dem Kampf für die Erhaltung der Windmühlen, die Leistung dieser Mühlen zu erhöhen. Dekker, ein Mühlenbauer in Leiden, kam auf den Gedanken, die Form der Flügel dem Profil der Flugzeugflügel anzugleichen. Als Ersatz für die Windbretter erhielt jeder Flügel an der entsprechenden Seite eine gebogene Form, und diese Änderung führte dazu, daß Dutzende von Windmühlen gerettet werden konnten. Das Segel wurde jedoch schmäler, so daß die Möglichkeit des Reffens geringer wurde, was man als einen Nachteil betrachten muß (4, S. 62). Nach VISSE» (13, S. 209) hat es in den Niederlanden nur eine geringe Anzahl Mühlen gegeben, die sich in der Uhrzeiger-Richtung drehten. Von den Miniaturbildern ausgehend, die ich im Abschnitt über England (s. dort) behandelt habe, möchte ich annehmen, daß die Flügelwelle ursprünglich horizontal lag. Da der Wind mit einem Winkel von etwa zehn Grad über den Erdboden weht, muß es als eine Verbesserung betrachtet werden, daß man der Flügelwelle eine jenem Winkel entsprechende Neigung gegeben hat. Nur wenn man die Mühle mit einem Laufsteg versieht, ist die Neigung etwas geringer, da man sonst dem Laufsteg eine zu große Breite geben müßte (4, S. 26). Auch der Tjasker weicht von der üblichen Neigung ab (s. dort). Ob diese Verbesserung in bezug auf die Lage der Flügelwelle ihren Ursprung in den Niederlanden oder in einer anderen Gegend hat, ist mir nicht bekannt. Die Flügelwelle war ursprünglich aus Eichenholz. Für deren Anfertigung brauchte man einen Baum von 5 bis 6 m Länge und mit einem Querschnitt von 7 0 x 7 0 cm. Im Jahre 1840 wurden in den Niederlanden zum ersten Mal Flügelwellen aus Eisen verwendet. Seit dem Jahre 1910 aber werden solche Wellen nicht mehr gegossen und man benutzt Flügel wellen aus alten, niedergerissenen Mühlen (13, S. 59). In den Niederlanden war eine Mühlensprache bekannt, d. h. der Müller konnte mit Hilfe der Flügel bestimmte Zeichen geben. Für die gegen die Uhrzeigerrichtung drehenden Mühlen sind die mir bekannten Zeichen die folgenden (3, S. 146): 1. Die Tagesarbeit ist beendet. Am nächsten Morgen kann der Müller sie sofort wieder aufnehmen. 2. Wir haben nichts zu mahlen. Ein Zeichen, daß den Kunden sofort geholfen werden kann. 3a. Für eine längere Zeit außer Betrieb. Dies geschieht manchmal bei Poldermühlen. Der praktische Zweck ist die Gefahr von Blitzeinschlägen zu reduzieren.
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3b. In der Provinz Friesland meint dieses Zeichen aber den Ruhestand an Sonn- und Feiertagen. 4. Dies ist das Proteetzeichen einer Poldermühle, wenn das Waaser durch Verschmutzung der Gräben nicht schnell genug zur Mühle heranfließt. 5. Besonders in der Zaangegend gebräuchlich, wo die Mühlen nahe beieinander standen. Die in der Nähe einer Feuersbrunst stehenden Mühlen, die häufig ein Rohrdach hatten, nahmen diesen Stand an, um sich bereit zu halten, um eventuell niederfallende Funken durch Drehung der Mühlenflügel abzuwenden. 6. Mit allerlei Schmuck am Topp der Flügel und auf den Flügeln selber. Fahnen und Weihnachtsbäume auf dem nach oben gerichteten Topp der Flügel*. Dies geschah aus Anlaß einer Hochzeit, einer Geburt u. dgl. in der Familie des Müllers oder auch zu Pfingsten. 7. Die Mühle hat irgend einen Schaden. Dieses Zeichen war ein Signal für die Polderverwaltung oder auch für den Müller, wenn er sich nicht in seiner Mühle befand. 8a. Feier in der Familie des Müllers : Hochzeit einer Tochter oder Geburt.
A. Europa: Niederlande 147 8b. In Friesland und im Achterhoek deutet dieses Zeichen auf einen Trauerfall. 9. Der Flügel steht ein wenig seitlich vom vertikalen Stand. Dies sollte einen Trauerfall anzeigen. 10. Kein Getreide zur Mühle bringen, denn die Steine werden gebillt. Wann diese Zeichen entstanden sind, ist mir nicht bekannt. Die in den Niederlanden übliche Flügelform ist das Flügelkreuz. Soweit es mir bekannt ist, hat es nur einmal eine Mühle mit sechs Flügeln gegeben, nämlich an einer im Jahre 1521 fertig ausgebauten Mühle. Diese Mühle stand in Amsterdam. Die sechs Flügel scheinen aber den Anforderungen nicht genügt zu haben, denn bald wurde auch diese Mühle mit dem Flügelkreuz versehen. Dieses Flügelkreuz zeigt die folgenden Formen: 1. Ein Gatter an der einen Seite der halben Rute und an der anderen Seite Windbretter. Das Gatter besteht aus drei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten. Uber dieses Gatter wird ein rechteckiges Segel gespannt. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle, der Wippmühle, der Paltrockmühle, der zylindrischen Turmmühle, der konischen Turmmühle und der eckigen Turmmühle vor. 2. Wie die vorige Form, aber ohne Windbretter. An deren Stelle kam das DekkerProfil. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei den verschiedenen Mühlentypen vor. 3. Zwei Flügel mit Gatter und Windbrettern wie unter 1. Die beiden anderen Flügel haben an der einen Seite der halben Rute Jalousien und an der anderen Seite Windbretter. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der eckigen Turmmühle vor. 4. Die vier Flügel sind mit Jalousien versehen und weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der zylindrischen Turmmühle und der konischen Turmmühle vor. 5. Zwei Flügel mit Gatter mid Windbrettern wie unter 1. Die beiden anderen Flügel haben nach dem Bilau'schen System schmale Flügel, die gänzlich aus Holz sind. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der konischen Turmmühle vor. 6. Ein Gatter an der einen Seite der halben Rute. Dieses Gatter besteht aus drei Längslatten und einer großen Anzahl Querlatten. Über dieses Gatter wird ein rechteckiges Segel gespannt. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei dem Tjaaker vor. 7. Ein Gatter an beiden Seiten der halben Rute. Dieses Gatter besteht an dereinen Seite der halben Rute aus drei Längslatten und an der anderen Seite der halben Rute aus einer Längslatte mit jeweils einer großen Anzahl Querlatten. Über dieses Gatter wird ein rechteckiges Segel gespannt. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei dem Tjaaker vor.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE In der Niederlanden kommen die folgenden Haubenformen vor: 1. Die Spitzbogenform. Diese Konstruktion erscheint bei der Bockmühle und der Wippmühle. 2. Die Glockenform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
3. Die konische Form. Diese Konstruktion findet sich bei der zylindrischen Turmmühle und der leicht-konischen Turmmühle vor. 4. Die Bootform. Diese Konstruktion kommt bei der zylindrischen Turmmühle, der konischen Turmmühle und der eckigen Turmmühle vor.
QUELLEN
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A.
Europa:
Niederlande/Norwegen
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30. 31. 32. 33.
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Norwegen Das Land Norwegen ist eins von den Gebieten, über die bezüglich der Windmühle wenig bekannt ist. Die einschlägige Literatur ist sehr spärlich (1). Es scheint so, als ob die Windmühle in Norwegen allzeit eine ziemlich seltene Erscheinung geblieben ist. Man konnte im allgemeinen auf die Waeserkraft zurückgreifen, die hier nahezu überall vorhanden war (1; 2, S. 17). Daneben kannte man in Gegenden ohne Wasserkraft auch Pferdemühlen (3, S. 14; 4, S. 117). Außerdem habe ich aus der Literatur den Eindruck gewonnen, daß an vielen Stellen Norwegens der Wind nicht recht geeignet ist für die Arbeit mit Windmühlen (3, S. 134). Der älteste Bericht über das Vorkommen von Windmühlen in Norwegen stammt aus dem Jahre 1274. Im kanonischen Gesetz des Erzbischofs Jon wird erklärt, daß die Bürger eine Steuer zu zahlen haben, wenn sie ein Schiff, eine Mühle oder eine Windmühle bauen (5, S. 353; 6, S. 15, 16). Es ist aber sehr zweifelhaft, ob es schon damals in Norwegen wirklich Windmühlen gegeben hat. Es ist möglich, daß der betreffende Text aus einem dänischen Modell übernommen worden ist und daß man ihn seinerzeit als eventuell wichtig für die Zukunft erachtete (1). Wie lange in diesem Land Windmühlen bestanden haben, ist nicht bekannt (1). Das zu meiner Verfügung stehende Material enthält Daten über Windmühlen in Trondheim (7), auf Inseln vor der Küste wie z. B. Hvaler (0stfold), in Staveren (Vestfold), bei Bergen und bei Stavanger (6, S. 15, 16). Ferner finden sich Windmühlen noch in Bergen
150 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde (4, S. 168, 169; 8, S. 231; 9, S. 175) und in Stavanger (1). In den östlichen Bezirken kamen Windmühlen sporadisch vor (1; 11, S. 1-5). Schließlich wurden solche noch in Holmestrand, Larvik (1), Tonsberg (1) und Oslo (Christiania) erwähnt (4, S. 169; 6, S. 21; 12, S. 417). Obwohl man mitunter erklärt nicht zu wissen, wie weit die Windmühlen verbreitet waren (6, S. 15, 16), so bin ich doch der Ansicht, daß die oben angeführten Einzelheiten ein einigermaßen deutliches Bild von der Verbreitung der Windmühlen in Norwegen geben. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß die Windmühlen keine große Verbreitung gefunden und sich auf jene Gebiete beschränkt haben, in denen die Waeserkraft nicht ausreichte. Wenn man eine Landkarte von Norwegen betrachtet, auf der die Höhenunterschiede vermerkt sind, kann man ersehen, wie wenig Baum das Land für Windmühlen bietet. In der Literatur findet man einige Hinweise, aus denen hervorgeht, daß die Windmühlen in Norwegen keinen geeigneten Boden fanden. In Bergen wurde 1592 eine solche Mühle erbaut, die nur kurze Zeit in Betrieb war (4, S. 168). An einer anderen Stelle wird erwähnt, daß in Bergen mehrere Windmühlen errichtet wurden, daß sie jedoch keine bedeutende Rolle spielten und bald aufgegeben wurden (3, S. 14). Windmühlen scheinen in Bergen nicht einträglich gewesen zu sein (3, S. 134). Einige Hinweise in der Literatur können andeuten, daß die Windmühlen versagt haben. So wurde am Ende des 16. oder am Anfang des 17. Jahrhunderts in Bergen eine vermutlich erst 1592 errichtete Windmühle niedergerissen und als Geschenk an den König in Kopenhagen versandt (3, S. 134). Aus anderen Berichten darf man höchstwahrscheinlich folgern, daß Windmühlen eine ziemlich seltene Erscheinung darstellten. So wird in einer der Quellen erwähnt, daß man zwischen 1630 und 1695 Gegenden mit Windmühlen als geeignete Stellen für „romantisches EinherwandeLn" betrachtete (9, S. 513). Auch die Meldung, daß König Christian IV die Windmühle in Nordnaes besichtigt hat (3, S. 134), kann auf ihr seltenes Vorkommen hindeuten. Von einigen Windmühlen ist jedoch bekannt, daß ihnen ein längeres Leben beschert war. So wurde die Mühle in Sandar 1830 erbaut und 1863 durch eine Feuerbrunst vernichtet (11, S. 1-5). In Tonsberg wurde im 17. Jahrhundert eine Windmühle errichtet. Im folgenden Jahrhundert war sie zerfallen. Es wurde aber 1755 eine neue erbaut, die angeblich sehr gut funktioniert hat. Neue Mühlen, die 1833 errichtet wurden, waren noch 1860 in Betrieb. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist aber die letzte von ihnen niedergerissen worden (1). Wieviel Windmühlen es in Norwegen zur Zeit noch gibt, ist mir nicht bekannt. Der einzige Bericht, über den ich verfüge, bezieht sich auf eine Windmühle in Stavanger, die in diesem Jahrhundert noch stand, aber ohne Flügel, und die als Lagerraum benutzt wurde (1). Nach einer von Boonenbtxrg (13, S. 4) zitierten Mitteilung der norwegischen Gesandtschaft in den Niederlanden, kommen jetzt in Norwegen keine Windmühlen mehr vor. In bezug auf die von den Windmühlen erfüllten Funktionen ist kaum etwas bekannt. Ich glaube aber im allgemeinen annehmen zu dürfen, daß in einem Land, in dem die Windmühle sich so wenig durchsetzte, auch die Anzahl der von ihr erfüllten Funktionen nur eine beschränkte gewesen ist. In der Hauptsache wurde sie wahrscheinlich als Getreidemühle verwendet. Nur aus der Umgebung von Stavanger ist mir ein Bericht bekannt, aus dem hervorgeht, daß die Windmühlen dort im allgemeinen klein und primitiv waren und für den Antrieb einer Pumpe oder einer Dreschmaschine verwendet wurden (1).
Α. Europa: Norwegen 151 MÜHLENTYPEN Α. D I E HORIZONTALB W I N D M Ü H L E
Es ist mir nicht bekannt, ob es in Norwegen je horizontale Windmühlen gegeben hat.
B. D I E V E R T I K A L E W I N D M Ü H L E
I. Die nicht-drehbare Mühle Es ist mir nicht bekannt, ob Norwegen je eine nicht-drehbare Mühle gekannt hat.
II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse a. Die Bockmühle. Die einzigen Windmühlen in diesem Land, deren Körper gedreht werden maßte, um die Flügel gegen den Wind zu richten, waren Bockmühlen in SüdNorwegen (13, S. 4). Einzelheiten über die älteste Mühle dieses Typs, sowie über die Verbreitung, die Verbreitungsdichte der Mühlen u. ä. sind mir nicht bekannt. Bildermaterial über diesen Mühlentyp steht mir nicht zur Verfügung.
III. Mühlen mit drehbarer Haube Die Mühle, die 1828 in Trondheim erbaut wurde, war nach „holländischem Modell" entworfen worden (1). Es ist mir aber nicht bekannt, ob hiermit eine konische Turmmühle oder eine eckige Turmmühle gemeint wird. Auch aus einem Gemälde von 1770 und einer gezeichneten Ansicht von Tonsberg von 1815* ist nicht deutlich zu ersehen, um welchen Mühlentyp es sich handelt. Ebensowenig ist aus einer Ansicht von Sandefjord von 1860 zu ersehen, ob es sich hier um eine konische Turmmühle oder um eine eckige Turmmühle handelt*. Wohl können wir feststellen, daß die Mühle von außen in den Wind gedreht wird. Die einzigen Mühlen, über die wir etwas mehr aussagen können, gehören zur Gruppe: c. Die konische Turmmühle. Die einzige Abbildung, aus der sich mit einer gewissen Sicherheit der Typ ablesen läßt* stellt zwei konische Turmmühlen dar. Keine von beiden besitzt noch ihre Flügel. An einer dieser Mühlen ist festzustellen, daß die Haube von außen gegen den Wind gerichtet wird. Wann dieser Typ zum ersten Mal in Norwegen erbaut wurde, ist mir nicht bekannt. Auch über die Verbreitung und die Verbreitungsdichte dieser Mühlen ist mir nichts bekannt.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Die Abb. 202, 203 und 204 zeigen ein Flügelkreuz, doch dies ist auch alles, was ich in bezug auf die Flügelformen glaube bemerken zu können. Nur wird noch von B O O N E N BURG (13, S. 4) in bezug auf die Bockmühlen erwähnt, daß sie Flügel hatten, die mit großen Holzbrettern belegt waren.
202, 203
204
205
152 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Aus der Abb. 205 glaube ich schließen zu müssen, daß wir es hier mit der konischen, und zwar einer sehr spitzkonischen Haubenform zu tun haben. Diese Konstruktion kommt bei der konischen Turmmühle vor. Vermutlich ist die auf Abb. 204 dargestellte Haubenform die Bootform, doch ist dies nicht deutlich zu ersehen.
QUELLEN
1. Briefe der Universitätsbibliothek in Oslo vom 22. 1. 1961 und vom Februar 1962. 2. Oskar Jahnsen: Norske mynor og kvernar, Vol. I, No 33, 1934. 3. Johan Hagelsteen: Gamie metter i Bergen, 1946. 4. Dei Ν oreke Handverks Histie, Vol. 2. 6. Norges Gamie Love, Vol. 2, 1848. 6. Sigurd Grieg: in: Volund, 1960. 7. Henry Berg: in: Arbeider-Avisa, 20. 11. 1954. 8. Norske Rigeregistranter, Vol. 3, Christiania, 1865. 9. Norske Magazin, Vol. 2, 1868. 10. Norske Rigsregistranter, Vol. 4, Christianaie, 1870. 11. Halvdan Meiler: „En melle i det gamie Sandar", in: Vestfoldminne, Vol. 6, 1943-1947. 12. Norske Rigeregistranter, Vol. 7, Christiania, 1880. 13. Κ. Boonenburg: Windmolens in het buüenland (Sonderdruck ohne Nennung der Zeitschrift), o. J. 14. Tensbergs Historie, Vol. 2, Oslo, 1934.
Österreich Soweit man der Sache nachgehen kann, ist der Bestand an Windmühlen in Österreich niemals Gegenstand einer Untersuchung gewesen. Österreich ist ein gebirgiges Land, in dem Tiefebenen nur einen bescheidenen Raum einnehmen. Daher ist es auch begreiflich, daß dieses Land vor allem von der vorhandenen Wasserkraft reichlich Gebrauch macht. Die Wasserradmühle ist also die für Österreich typische Mühle. In den Gebieten, in denen diese Wasserkraft aber fehlt, ist es gleichsam selbstverständlich, daß man dazu überging, die vorhandene und kostenlose Windkraft nutzbar zu machen. (3, S. 30; 2, S. 119). Windmühlen hat es im Burgenland und im nördlichen Teil von Nieder-Österreich gegeben. Es ist mir aber nur in bezug auf einen Teil des Burgenlandes - nämlich den Neusiedler Bezirk - gelungen, einige Daten zusammenzubringen. Dieser Bezirk erstreckt sich über eine große Tiefebene, die sich nach Osten hin an die weite ungarische Tiefebene anschließt. Diese Neusiedler Tiefebene ist ein fruchtbares Gebiet, das die Kornkammer für Wien bildete. In dieser Tiefebene gibt es keine Flüsse oder Bäche, die Wassermühlen hätten antreiben können, und hier standen denn auch Windmühlen (4). Zu welcher Zeit man in Österreich die erste Windmühle gebaut hat, ist mir nicht bekannt. Auch habe ich nicht erfahren können, welche Verbreitung sie in diesem Land gehabt hat, obwohl ich glaube annehmen zu dürfen, daß sie in Ansehung der geographi-
A. Europa: Österreich
153
sehen Gegebenheiten relativ gering gewesen ist. Wie stark die Verbreitungsdichte war, entzieht sich ebenfalls meiner Kenntnis. Nach den mir zugekommenen Informationen in bezug auf den Neusiedler Bezirk gab es dort Windmühlen in Neusiedl am See, in Poderadorf und in St. Andrä (4). In bezug auf die historische Entwicklung der Windmühlen in Österreich habe ich keine Auskunft erhalten können. Es ist mir auch nicht bekannt, von welcher Gegend aus die Windmühlen in dieses Land Eingang gefunden haben. Wohl steht es fest, daß auch die Stadt Sopron-Odenburg die Windmühle gekannt hat. Diese Tatsache bezeugt jedenfalls, wie ich es im Abschnitt über Ungarn noch zeigen werde, daß das Windmühlengebiet Österreichs und dasjenige Ungarns ineinander übergehen (4). Wenn auch oben auf die Bevorzugung der Wasserkraft in Österreich hingewiesen wurde, so zeigt sich doch, daß man selbst im Gebirge die Windkraft benutzt hat (oder noch benutzt?). Dies erhellt aus der Abb. 206. Die betreffende Windmühle wird dazu verwendet, den Blasebalg einer Schmiede in Bewegimg zu bringen. Soweit ich der Sache nachgehen konnte, dienten dagegen alle Mühlen im Neusiedler Bezirk zum Mahlen von Getreide. Es ist mir nicht bekannt, ob es in diesem Land jemals Kombinationen von Wasserradmühlen und Windmühlen gegeben hat.
MÜHLENTYPEN A. D I E HORIZONTALE W I N D M Ü H L E
Es ist mir nicht bekannt, ob es je horizontale Windmühlen in Österreich gegeben hat. B . D I E VERTIKALE W I N D M Ü H L E
I. Die nicht-drehbare Mühle In Österreich kommen nicht-drehbare Mühlen vor* Unter dem betreffenden Bild steht eine Erläuterung, die in deutscher Übersetzung folgendermaßen lautet: „ K I N D B E R G . Eine eigentümliche Windmühle zum Antrieb der Blasebälge, die ee früher in jeder Schmiede gab; eine Erinnerung an die Vergangenheit" (5, S. 541). Ich habe versucht, weitere Einzelheiten über diesen Mühlentyp in Erfahrung zu bringen, doch ist mir dies nicht gelungen. Es ist mir denn auch nicht bekannt, wann dieser Mühlentyp in diesem Land Eingang gefunden hat. Auch in bezug auf seine Verbreitung und die Verbreitungsdichte ist mir nichts bekannt.
206
II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse a. Die Bockmühle. Im Neusiedler Bezirk kam die Bockmühle vor*. Der Fuß der Mühle war mit Brettern geschützt. Es war demnach eine geschlossene Bockmühle. Diese Mühle wurde gegen den Wind gerichtet, indem man den Mühlenkörper mit Hilfe des Stakens zum Drehen brachte*. Obwohl es sich hier nicht um eine Mühle handelt, die automatisch gegen den Wind gerichtet wird, ist der Staken dennoch mit einem Rad versehen. Vermutlich soll diese Vorrichtung dazu dienen, dem Mühlenkörper auf der dem Wind abgekehrten Seite einen besonderen Stützpunkt zu geben.
207, 208
207
154
Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Wann die erste Bockmühle in Österreich gebaut wurde, ist mir nicht bekannt. Auch ist mir über die Verbreitung dieser Mühle und über die Verbreitungsdichte nichts bekannt. Als ich dieses Gebiet vor einigen Jahren besuchte, habe ich dort weder Windmühlen noch Überbleibsel von Windmühlen entdecken können, so daß ich annehme, daß diese Mühlen inzwischen verschwunden waren. Meines Wissens hat Österreich keine anderen Mühlentypen gekannt, deren Körper gedreht werden muß, um die Flügel gegen den Wind richten zu können. III. Mühlen mit drehbarer Haube. 209-211
209, 211
Anhand des Bildmaterials* ist in dieser Klasse nur ein Windmühlentyp erkennbar: c. Die konische Turmmühle. Obwohl ich hier die dargestellten Mühlen zum Typ der konischen Turmmühle rechnen möchte, bin ich mir dessen wohl bewußt, daß diese Mühlen einige Merkmale aufweisen, die an den Mittelmeertyp gemahnen. Die Mühle in Podersdorf zeigt die plumpe Form, die eher dem Mittelmeertyp als der konischen Turmmühle zu eigen ist. Dagegen ist die der Mühle in Neusiedl am See wiederum zu hoch aufgeführt, um noch zum reinen Mittelmeertyp gerechnet zu werden. Wir dürfen aber nicht die Tatsache übersehen, daß die drei Abbildungen die konische Haube des Mittelmeertyps aufweisen. Die Flügelform, nämlich ein Kreuz und Flügel mit einem Gatter an der einen Seite der halben Rute und Windbrettern an der anderen Seite; die Wölbung, die drei Längslatten des Gatters* gehören wiederum nicht imbedingt zum Mittelmeertyp. Ich betrachte deshalb diese Mühle vorläufig als eine Mischform mit ausgeprägten Zügen des Mittelmeertyps. Es müßte aber eine nähere Untersuchung über den Zusammenhang dieses Mühlengebiets mit dem der Tschechoslowakei und dem Ungarns vorgenommen werden. In bezug auf die Herkunft dieser Mühle, die Zeit, in der sie zum ersten Mal in diesem Land Eingang gefunden hat, die Verbreitung und die Verbreitungsdichte ist mir nichts bekannt.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Das spärliche Bildermaterial zeigt uns nur das Flügelkreuz und Flügel mit einem Gatter an der einen Seite der halben Rute und Windbrettern an der anderen Seite. Das Gatter besteht aus drei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle und der konischen Turmmühle vor.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Mit dem wegen des spärlichen Bildmaterials erforderlichen Vorbehalt kann man hier die folgenden Haubenformen unterscheiden: 1. Die Sattelform. Diese Konstruktion kommt bei der nicht-drehbaren Mühle und der Bockmühle vor. 2. Die konische Form. Diese Konstruktion kommt bei der konischen Turmmühle vor.
A. Europa: Österreich/Polen 155 QUELLEN 1. Brief von Dr. F. Renndorfer, Leiter der Katalogabteilung der österreichischen Nationalbibliothek in Wien, vom 7. 3. 1962, Nr. ZI.: 83/62. 2. Dr. A . Becker: Studien zur Heimatkunde von Niederösterreich, Wien, Leipzig, 1910. 3. J. Haan: Klimatographie von Österreich, I: Klimatographie von Niederösterreich, Wien, 1904. 4. Brief von Dr. Adalbert Riedl, Direktor des Landesmuseums, Eisenstadt, vom 19. 8. 1963. 5. Mr. Dr. C. Schouten: „Kindberg, het bezienswaardige dorp", in: Arts en Auto, Nr. 9, 1964. 6. Burgenland, Festschrift aus Arda β der Vereinigung des Landes der Heidebauern und der Heinsen mit Deutschösterreich, herausgegeben von Dr. Eduard Stepan, Wien, 1920.
Polen Die Mühlenliteratur in bezug auf Polen ist entschieden nicht durchsichtig. Erstens ist es infolge der Grenzänderungen nach dem zweiten Weltkrieg nicht immer möglich, auf grand der Literatur aus der Zeit vor dem Krieg genau der Frage nachzugehen, inwiefern die vorhandenen Daten sich auf das gegenwärtige Polen beziehen oder auf Gebiete, die außerhalb der heutigen Grenzen liegen. Zweitens wird ein bedeutender Teil der Mühlenliteratur, die sich auf die alten Klostergebiete bezieht, durch eine große Anzahl von ungenügend fundierten Daten gekennzeichnet, die die Mühlengeschichte zu verzerren oder gar zu fälschen drohen. Schließlich entzieht sich dieselbe Mühlenliteratur einer genauen Analyse, indem zum Beispiel die Wippmühle als Bockmühle bezeichnet wird, während es nicht immer deutlich ist, ob es sich in dem gegebenen Fall um eine Bockmühle für das Mahlen von Getreide oder um eine solche für das Ausschöpfen von Wasser handelt. Im Norden Polens lagen im 13. Jahrhundert ganze Landstriche unter Wasser oder sie waren mit Sümpfen bedeckt, ein Zustand, der dem im Westen der Niederlande sehr ähnlich war. In diesem polnischen Gebiet wurden im 13. Jahrhundert Klöster gegründet, deren Mönche die Urbarmachung dieser Gegend in Angriff nahmen (1, S. 25, 26). Uber die Anfänge dieser Klöster habe ich keine Daten aufspüren können, aus denen sich ein klares Bild von der Art und Weise, wie die Mönche diese Arbeit ausführten, ergeben könnte. Aus Berichten aus dem Jahre 1525 wissen wir, daß sich in diesem Gebiet u. a. Deutsche, Niederländer und Schotten niedergelassen haben (2, S. 4). Das wird höchtswahrscheinlich auch schon vor dieser Zeit der Fall gewesen sein, da als Helfer bei der Urbarmachung und nachher als Siedler in den erschlossenen Gebieten viele Menschen gebraucht wurden. In jedem Fall sind die Niederländer schon sehr früh in dieses Gebiet eingewandert. SCHUMACHER (2, S. 6) ist der Ansicht, daß sie schon im 13. Jahrhundert ins Land kamen. Sicher ist jedenfalls, daß sie sich im 14. Jahrhundert dort schon seit einiger Zeit aufhielten. Dies glaube ich jedenfalls schließen zu können aus der Art und Weise, wie sie in diesem Jahrhundert in Gruppen zusammen wohnten, und aus den Ämtern, die von Niederländern bekleidet wurden. Im Jahr 1316 war ein gewisser Niclaus von Holland Schultheiß von Neuteich und 1352 ein gewisser Volprecht von Holland Schultheiß von Damerow. Im Marienburger Konventsbuch (1399-1412) finden wir noch vier Bauern, die den Namen Holland oder Holländer tragen (3, S. X X V I ) . Der Umfang dieser Einwanderung von Niederländern soll natürlich nicht überschätzt werden, doch aus der Tatsache, daß sich an zwei Stellen
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
das Schultheiß-Amt in Händen von Niederländern befand, darf wohl gefolgert werden, daß sich diese Bevölkerungsgruppe gemeinschaftlich niedergelassen hatte und man Dörfer bildete, die gänzlich oder wenigstens zu einem großen Teil niederländisch gewesen sind. Die große Einwanderung von Niederländern ereignete sich aber nach 1527 als Folge der Reformationsbewegung in den Niederlanden unter der römisch-katholischen spanischen Regierung (2, S. 25). Daß sich einer der Auswanderndererströme aus den Niederlanden nach dem polnischen Land richtete, war nicht erstaunlich. Schon 1316 war Danzig Mitglied der Hansa geworden (4, S. 699, 700). Die nördlichen Niederlande, und vor allem Friesland, Holland und Seeland, führten einen aktiven Handel mit Danzig (2, S. 6). Ursprünglich waren es meistens wohlhabende Leute, die sich hier niederließen. Später folgten auch Gruppen von einfachen Leuten (2, S. 12-14). Zur Einwanderung von Niederländern in das gegenwärtige Polen wird die besondere Behandlung, die sie dort im Vergleich zu den Einwanderern anderer Nationalität erfuhren, in erheblichem Maße beigetragen haben. Keine der anderen Nationalitäten konnte hier ihre nationale Eigenart lange bewahren, wie es die Niederländer zum Teil dank ihrem festen Zusammenschluß vermocht haben (2, S. 5). Eine Skizze des Ansiedlungsgebietes der Holländer im Amt Holland (2, Appendix I) stellt das Gebiet dar, das in diesem Amt den Niederländern zwischen 1527 und 1560 gegeben wurde, und verzeichnet zugleich, wieviel Ortschaften in diesem Gebiet ausschließlich von Niederländern bewohnt waren. Vor allem dieses Zusammenleben hat es ermöglicht, daß sich die niederländische Kultur dort eine lange Zeit aufrechterhalten hat. Noch 1723 wurde dort auf Niederländisch gepredigt (5, S. 290). D E T H L E F S E N (10, S. 53) erklärt, daß ζ. B. der Einfluß der Niederländer deutlich nachweisbar ist. Soweit ich der Sache nachgehen konnte, stammen die ältesten Windmühlen im Gebiet des jetzigen Polens aus dem Jahre 1377. Sie standen in Chojnice. SCHMID (1, S. 26) bemerkt dazu: „Den ältesten urkundlichen Nachweis bietet jetzt die Handfeste für zwei Windmühlen im Gebiete der Stadt Könitz von 1377; sie ist vom Hochmeister ausgestellt, nicht vom Komtur, ein Anzeichen, daß hier etwas Neues und für sich wichtig Gehaltenes vorlag". S C H M I D erwähnt aber nicht, in welcher Urkundensammlung der Text dieser Handfeste veröffentlicht worden ist. Auch erwähnt er nicht, um welchen Mühlentyp es sich in dem betreffenden Fall handelt. Im Zinsbuch des Hauses Marienburg, das um 1390-1400 geschrieben wurde, werden zwei Windmühlen in Petershagen erwähnt. Auch eine Ölmühle wird verzeichnet, doch ohne Angabe über die Treibkraft. Dies waren die einzigen Mühlen in Großen Werder. Auf der Nehrung werden aber zwei Windmühlen erwähnt, nämlich in Nickelswalde und Schönbaum (3, S. LXXXVIII). Trotz des Hinweises, daß es in Großen Werder weiter keine Windmühlen gab, teilt SCHMID noch mit, daß der Konvent Marienburg 1396 eine Windmühle in Lindanau errichten ließ (1, S. 26). In bezug auf diese Mühle wird nur noch berichtet, daß zwei Mühlensteine ,,36 mr" kosteten. Von den zwei Mühlen in Petershagen wird nicht gesagt, welches ihre Funktion war. Nach ihrem Standort auf der Nehrung zu urteilen, werden die Mühlen in Nickelswalde und Schönbaum keine Windmühlen zum Ausschöpfen von Wasser gewesen sein. Aus den obigen Daten glaube ich folgern zu dürfen, daß in diesem Gebiet am Ende des 14. Jahrhunderts etwa sieben Windmühlen vorhanden waren, nämlich zwei in Chojnice, zwei in Petershagen, eine in Nickelswalde, eine in Schönbaum und eine in Lindanau. Ich meine aus dieser Aufzählung den Eindruck zu gewinnen, daß die Windmühle in diesem Gebiet noch eine sehr junge Erscheinung war. SCHMID ( 1 , S . 26) ist derselben
A. Europa: Polen
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Ansicht, wenigstens in bezug auf die beiden Windmühlen in Chojnice. Unter diesen sieben Windmühlen befand sich nachweislich eine Getreidemühle; zwei andere werden, nach ihrer Lage auf der Nehrung zu urteilen, ebenfalls Getreidemühlen gewesen sein. Über die übrigen vier Mühlen ist uns nichts bekannt. Man kann jedoch schwerlich annehmen, daß die Errichtung einer Mühle zum Ausschöpfen von Wasser, eines Werkzeuges also, das für dieses Gebiet von außergewöhnlicher Bedeutung wäre, nicht Anlaß zu einer Erwähnung in den Urkunden gegeben hätte. Falls für solche Mühlen jemals Steuern gezahlt wurden, dürften sie doch niedriger als die für Getreidemühlen gewesen sein. In schärfstem Kontrast hierzu steht ein Bericht bei BERTRAM c. S. (6, S. 10). Sie erklären: „Die Windschöpferwerke sind also bereits im 14. Jahrhundert in Hunderten von Fällen im Weichseldelta zur Anwendung gebracht worden". Zu diesem Schluß kommen sie aufgrund der folgenden Betrachtung: „Die Tatsache, daß die Trockenlegung des Weichseldeltas im 14. Jahrhundert erfolgt ist, ist mit absoluter Sicherheit durch geradezu zahllose Urkunden festgestellt. Da andere Kraftquellen außer dem Wind für die zu diesem Zweck notwendigen Wasserhebewerke nicht vorhanden waren, so muß der deutsche Ritterorden sich zweifelsfrei der Windschöpferwerke von Anfang an bedient haben". BERTRAM C. S. machen hier einen Denkfehler. Ihrer Ansicht nach könnten keine Trockenlegungen stattgefunden haben, bevor Windmühlen in Betrieb gesetzt wurden. In den Niederlanden aber, dem typischen Wasserland, hat man ganz entschieden sumpfigen Boden trocken gelegt, bevor es Windmühlen gab (s. in NIEDERLANDE ab S. 124). Ich nehme an, daß man auch in Polen damit angefangen hat, den höher gelegenen Boden mit niedrigen Deichen zu umgeben und das Wasser auf natürlichem Weg abfließen zu lassen oder mit Hilfe von Hand- und Tiermühlen auszuschöpfen (3, S. LXXXVIII). Außerdem soll man die Höhenunterschiede beachten, die es im 14. Jahrhundert im Vergleich zum heutigen Stand gegeben haben wird. Sie waren damals viel weniger groß als jetzt, und zwar schon durch die eine Tatsache, daß der trocken gelegte Boden seit jener Zeit eingesunken ist. Außerdem übersehen BERTRAM C. S. den Umstand, daß die erste Windwassermühle in diesem Gebiet und die Wippmühle in den Niederlanden einander wie zwei Tropfen Wasser ähnlich sehen. Das Nächstliegende ist der Gedanke, daß es zwischen diesen Mühlen in den Niederlanden und denen in Polen einen Zusammenhang gibt. Die erste Wippmühle ist sehr wahrscheinlich in den Niederlanden entwickelt worden. Hieraus müßte man also schließen, daß dieser Mühlentyp von den Niederlanden aus seinen Weg in dieses östliche Gebiet gefunden hat. Man hat auch allen Grund anzunehmen, daß dies durch Zutun der eingewanderten Niederländer geschehen ist. Nun ist diese Windwassermühle in den Niederlanden erst seit 1414 bekannt. Dies bedeutet also, daß im 14. Jahrhundert noch nicht die Rede davon sein konnte, daß diese Windmühle schon in Polen vorhanden sei und dann noch in „Hunderten von Fällen", wie diese Autoren es meinen. Und ferner würde dies zugleich noch bedeuten, daß die sieben Windmühlen im 14. Jahrhundert alle Getreidemühlen waren und zum Typ der Bockmühle gehörten. In seinen Ausführungen über die Wippmühle erklärt SCHMID (1, S . 27), daß diese in den Niederlanden selten vorkommt und nur als Getreidemühle verwendet wird. Er ist der Ansicht, daß die Windwassermühlen in den Niederlanden wie der sogenannte „Holländer" konstruiert sind. SCHMID schließt mit der Behauptung: „Das berechtigt uns, die Windschöpfmühlen der Weichselwerder als früh entstandene selbständige Konstruktion anzusehen". Aber beide Windwassermühlen, nämlich die Wippmühle
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
und die eckige Turmmühle, sind höchstwahrscheinlich beide in den Niederlanden entwickelt worden. Wie ich schon bemerkte, stammt die älteste bekannte Wippmühle aus dem Jahre 1414 und die älteste bekannte eckige Turmmühle aus dem Jahre 1526. Zwischen 1414 und 1526 war die Wippmühle die einzige Wind Wassermühle in den Niederlanden und fand als solche eine große Verbreitung. Die Wippmühlen in den Niederlanden arbeiteten ausschließlich mit Schöpfrädern, die neben dem unteren Gehäuse aufgestellt waren. Als die eckige Turmmühle entwickelt worden war, erwies sich diese durch ihre kräftige Bauart besser windbeständig als die Wippmühle. Dies hatte zur Folge, daß viele Wippmühlen durch eckige Turmmühlen ersetzt wurden, die ursprünglich ebenfalls mit dem stehenden Schöpfrad arbeiteten. Damale war in den Niederlanden kein anderes Waeserhebewerk bekannt. Erst 1634 wurde die Schraubenwinde erfunden. Da diese Schraubenwinde in den ersten Jahren den Anforderungen nicht genügte, wurden sogar während einer langen Zeitspanne noch Windwassermühlen mit Schöpfrädern gebaut. Die Wippmühle wurde in den Niederlanden als Mühle für das Ausschöpfen von überflüssigem Wasser entworfen. Erst später wurde die Wippmühle auch als Getreidemühle konstruiert. Dies geschah 1611. Für alle diese Fragen sei hier noch auf den Abschnitt über die Niederlande hingewiesen {ab S. 133). Ich glaube durch die obigen Ausführungen die Grundlage der SCHMID'sehen Auffassung und somit auch diese Auffassung selbst hinlänglich widerlegt zu haben. Auch im 15. Jahrhundert werden in Polen eine Anzahl Windmühlen erwähnt. So ist 1404 im Rechnungsbuch des Marienburger Großschäffers die Rede von Windmühlen in Mielenz und in Tiege. Das Große Zinsbuch von 1415 erwähnt 5 Windmühlen im Scharfauer Gebiet und 3, die zum Hofe Lesewitz gehörten. Im Jahre 1472 wird noch eine Windmühle in Prangenau (3, S. L X X X V I I I ) erwähnt. Das sind zusammen 13 Windmühlen. In keinem dieser Fälle gibt die Quelle die von den Mühlen erfüllte Funktion an. Wir wissen nur, daß eine Aufzeichnung im Rechnungsbuch des Königsberger Großschäffers (1402-1404) von rheinischen Mühlensteinen spricht. Nirgends kann man feststellen, daß es in diesem Gebiet schon Windmühlen zum Ausschöpfen von Wasser gab. Den ersten Hinweis in diesem Sinn finden wir auf einer gemalten Darstellung der Marienburg im Artushofe in Danzig, die zwischen 1460 und 1487 angefertigt wurde. Nach SCHMID (1, S. 27) ist auf diesem Bild „eine Windmühle mit hohem Bock und Andeutung eines Wurfrades" dargestellt. Die Herkunft dieser Windmühle zum Ausschöpfen von Wasser wird hier nicht angegeben, doch deuten die Worte „mit hohem Bock" offenbar auf eine Wippmühle. Wohl liest man bei SCHUMACHER (2, S. 112): „Beachtenswert ist besonders der Versuch, die holländischen Wassermühlen mit Schöpfwerk zur Entwässerung der Wiesen einzuführen". Nach einer von SCHUMACHER (2, S. 112) zitierten Stelle aus Kaerius sollen diese Mühlen im 16. Jahrhundert schon sehr verbreitet gewesen sein, während aus Berichten von 1588 hervorgeht, daß dieser Mühlentyp von Niederländern in dieses Gebiet eingeführt worden ist. Es ist schwierig, in die Verbreitung der Windmühlen in Polen Einblick zu gewinnen. Ich habe nur einige wenige Daten zusammenbringen können. SCHMID (3, S. L X X X V I I I ) teilte 1919 für den Kreis Marienburg im Jahre 1818 einige Zahlen mit. Es gab damals 133 Windmühlen für das Ausschöpfen von Wasser; 2 Windmühlen für das Vermählen von Graupen und Grütze; 31 Getreidemühlen 166 Windmühlen.
A. Europa: Polen Im Jahre 1932 (1, Zahlen an:
S.
in Groß Werder in Klein Werder
26, 27) gab
30 80 5 44
SCHMID
159
für Marienburg im selben Jahr 1818 folgende
Getreidemühlen und Wassermühlen Getreidemühlen und Wassermühlen
= 110 Windmühlen =
49 Windmühlen 159 Windmühlen
Bis 1818 war die Errichtung von Windmühlen in diesem Gebiet von der Zustimmung des Herrn abhängig. Dieses Herrenrecht wurde 1818 aufgehoben. Die Behörden erwarteten damals als Folge dieser Maßnahme eine größere Zunahme der WindmühlenAnzahl (1, S. 26). Inwieweit das Ergebnis diesen Erwartungen entsprach, ist mir nicht bekannt, wohl aber bemerkt SCHMID (1, S . 26), daß um 1900 die Zahl der Windmühlen zurückging. Für die Zeit gerade vor diesem Rückgang habe ich keine Zahlen auffinden können, jedoch gibt S C H M I D noch für das Jahr 1930, und zwar für Marienburg, folgende Zahlen an (1, S. 26, 27): in Groß Werder in Klein Werder
32 8 11 3
Getreidemühlen und Wassermühlen Getreidemühlen und Wassermühlen
Eine andere Aufzählung von Getreidemühlen bei Zahlen: Land Elbing Marienburg Stuhm Rosenberg Marienwerder
= 40 Windmühlen = 14 Windmühlen 54 Windmühlen SCHMID
ergibt aber für 1930 folgende
9 11 15 15 12 62 Getreidemühlen
Ich habe den Eindruck, daß die erste Aufzählung für Marienburg, Groß Werder und Klein Werder mit ihren 43 Getreidemühlen nicht mit der letzten Übereinstimmt. Deutlich ist das Bild bestimmt nicht. Ich bin mir dessen bewußt, daß diese Übersicht nur einen kleinen Teil des gegenwärtigen Polens umfaßt. In bezug auf das übrige Polen verfüge ich nicht über einschlägige Angaben. Wohl gibt S C H L E N G E R (8, S. 362) eine sehr verallgemeinernde Skizze über das Vorkommen von Turmmühlen und Bockmühlen in einem Teil des gegenwärtigen Polens. Da er aber zwischen den verschiedenen Arten Turmmühlen auf der einen und der Bockmühle und der Wippmühle auf der anderen Seite keinen Unterschied macht, sind diese Daten schwer zu verarbeiten. Im nördlichen Gebiet dieses Landes dürfte wohl ein weiter fortschreitender Verfall zu erwarten sein, da nach dem Krieg 1914-1918 alle Windmühlen zum Ausschöpfen von Wasser im Weichsel-Werder außer Betrieb gesetzt wurden (1, S. 27). Ihre Aufgabe wurde
160 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde von modernen Wasserhebewerken übernommen. In der Zeit, als dieses Gebiet noch unter deutscher Verwaltung stand, wurden für die Erhaltung einer Anzahl von Mühlen der verschiedenen in diesem Gebiet vorkommenden Typen Maßnahmen getroffen (1, S. 28). Es ist mir nicht bekannt, ob es im heutigen Polen ebenfalls einen Denkmalschutz gibt, der auch einige Windmühlen als kulturhistorische Denkmäler aus der Vergangenheit für die Nachkommenschaft zu erhalten bestrebt ist.
MÜHLENTYPEN A. D I E HORIZONTALE W I N D M Ü H L E
212 213
In bezug auf horizontale Windmühlen in Polen sind mir nur Berichte aus zweiter Hand bekannt. B A T H E (9, S. 12) erwähnt die Erfindung einer horizontalen Windmühle durch DuQuet. Es war ein einfaches Turbinenrad mit vier flachen Flügeln. Der Wind wurde durch Jalousien auf das Rad gerichtet. In der Erläuterung dieser Erfindung wird vermerkt, daß: „these types of mills have been established in Portugal and Poland to such an extent that they are frequently termed Polish mills". B A T H E fügt noch hinzu, daß sie oft auf Häusern oder an anderen dem Wind ausgesetzten Stellen errichtet waren*. Nach B A T H E (9, S. 11) beschreibt Belidor 1739 eine horizontale Windmühle zum Mahlen von Getreide*. Die Mühle hatte sechs Flügel, nämlich B, C, D, E, F und G, die an einer vertikalen Welle befestigt waren. Diese Welle lief durch den Mittelpunkt L des Turmes und war dort an ihrem Ende mit einem Getriebe verbunden, in welches ein großes Kammrad hineingriff, das am oberen Mühlenstein befestigt war. Auf diese Weise konnte die Treibkraft auf die Mühlensteine übertragen werden. Um einen Teil des Umkreises der Flügel war eine drehbare Schirm wand Η, Κ, I gebaut. Auf diese Weise konnte der Wind auf einen Teil der Flügel gerichtet werden. Belidor teilt noch mit, daß die Königliche Akademie in Portugal wie auch die in Polen erklärt haben, dieser Windmühlentyp sei „very enduring in usage". Dieser Bericht setzt voraus, daß diese Art Mühlen in beiden Ländern eine gewöhnliche Erscheinung war. In Portugal ist keine Spur vom Vorkommen dieser Mühlen in der Vergangenheit aufgefunden worden (s. den betreffenden Abschnitt). Auch für Polen sind mir keine Nachweise von deren Existenz bekannt geworden. Diese Berichte über horizontale Windmühlen in Polen sind m. E. vorläufig nur mit dem gebotenen Vorbehalt zu bewerten. Eine Untersuchung in Polen wäre in dieser Hinsicht sehr erwünscht. B. DIE VERTIKALE WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Ich habe in bezug auf das Vorkommen einer nicht-drehbaren Mühle in diesem Land keine Daten aufspüren können. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse
214, 215
a. Die Bockmühle. Die Bockmühle besteht aus dem bekannten Mühlenkörper in der Gestalt eines vierseitigen Prismas, dessen senkrechte Wände bis ganz in die Nähe des Erdbodens herabreichen, um den Fuß der Mühle soviel wie möglich gegen Witterungseinflüsse zu schützen*.
A. Europa: Polen
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Vermutlich stammt die älteste Bockmühle, die von Chojnice, aus dem Jahre 1377. Im Hinblick auf das spärliche Material, das mir zur Verfügung steht, glaube ich, diese Aussage nur mit dem gebotenen Vorbehalt machen zu können. Es ist mir nicht bekannt, welche Verbreitung und Verbreitungsdichte dieser Mühlentyp in Polen gehabt hat. Dies ist an erster Stelle dem Fehlen von statistischen Daten zuzuschreiben, und an zweiter Stelle dem Umstand, daß die Bockmühle und die Wippmühle hier mit demselben Namen bezeichnet werden. b. Die Wippmühle. SCHMID (3, S . LXXXVIII) gibt von der Wippmühle folgende Beschreibung: „Am häufigsten ist hier die Form der Bockwindmühlen, die sich aber von den Mahlmühlen durch das kleinere Obergestell und den hohen, als abgestumpfte Pyramide gestalteten Unterbau unterscheidet"*. Obwohl SCHMID demnach den Unterschied zwischen beiden Typen richtig einsieht, faßt er beide Typen unter der Bezeichnung ,,Bockwindmühle" zusammen. B E R T R A M (11, S. 14) betrachtet die Wippmühle als eine „Bockmühle mit Wurfrad" oder ein „Bockmühlenschöpfwerk"; er läßt sogar verstehen, daß diese Mühle schon bekannt sein mußte, als die Klöster mit der Urbarmachung des Landes einen Anfang machten, denn er bezeichnet diesen Mühlentyp als „Ordensschöpfwerk". Nach SCHMIDS Beschreibung der Darstellung der Marienburg im Artushofe in Danzig (3, S. LXXXVIII) soll die älteste Erwähnung einer Windmühle aus den Jahren 14601487 stammen, nämlich aus der Zeit, als dieses Gemälde angefertigt wurde. Was die Verbreitung dieser Mühle betrifft, so dürfte hier wohl ein Hinweis auf den allgemeinen Teil in diesem Abschnitt über Polen genügen. Die Wippmühle wurde mit Hilfe eines Stakens gegen den Wind gerichtet. In Polen kannte man ein Zeichensystem, das mit dem in den Niederlanden gebräuchlichen eine große Ähnlichkeit zeigt. In Großen Werder kannte die Deichgenossenschaft der Alten Laache eine Hauptmarkmühle. Sobald die Flügel dieser Mühle in den Stand eines stehenden Kreuzes gebracht wurden, war dies ein Zeichen, daß man mahlen sollte. Dieses Zeichen wurde von fünf Richtmühlen übernommen und den übrigen Mühlen weitergegeben. Wenn die Flügel in den Stand des liegenden Kreuzes gebracht wurden, sollten alle Mühlen mit dem Mahlen aufhören. Dies wurde durch eine Entscheidung vom 22. September 1906 angeordnet, aber es war ein Brauch, der auf eine sehr alte Uberlieferung zurückging. c. Die Paltrockmühle. SCHMID ( 1 , S. 27) nimmt in die Gruppe der „Kornmahlmühlen" als Nr. 2 den Paltrock auf. Dieser ist, wie er sagt, der Bockmühle ähnlich, „aber die Eckstiele laufen etwa drei Fuß über der Erde im Spurkranz". Diesen Worten kann ich leider nicht entnehmen, ob der Mühlenkörper mittels Walzen auf diesem „Spurkranz" aufgestellt ist. In den Niederlanden streckt sich unter dem Mühlenkörper der Paltrockmühle ein weiträumiger Arbeitsboden aus, der breiter als der Mühlenkörper ist. Unter diesem Arbeitsboden sind Walzen angebracht, die sich über einen Spurkranz bewegen. Außerdem ist in Polen der Paltrock eine Getreidemühle, während er in den Niederlanden für das Sägen von Holz verwendet wird. S C H L E N G E R (8, S . 364) erwähnt gleichfalls die Paltrockmühle, die er als „eine Kontamination von Bock- und Turmwindmühle" bezeichnet. Abbildungen dieses Mühlentyps oder nähere Angaben über diesen Typ sind mir nicht bekannt. d. Der Tjasker. Soweit man der Sache nachgehen kann, ist der Tjasker in diesem Land nicht bekannt.
216
162 Einzelheiten Über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde III. Mühlen mit drehbarer Haube Hinweise auf das Vorkommen von zylindrischen oder leicht-konischen Turmmühlen habe ich nicht auffinden können. c. Die konische Turmmühle. SCHMID (1, S. 27) unterscheidet in einer Aufzählung von Getreidemühlen : 1. . .. 2.
217, 218, 219
220 217, 218, 219
...
3. Holländer Mühlen, mit drehbarem Kopfe, holländisch. 4. Dieselben auf hohem Unterbau, etwa einem Kornspeicher, der mit einer Gallerie gekrönt ist, z. B. Gr. Wickerau 1853, Wengein 1859. Alle diese durchweg aus Holz gebaut. 5. Turmmühlen, mit massivem Körper, auf denen wie bei den Holländern, ein drehbarer Kopf ruht. So z. B. in Freystadt, Kreis Rosenberg und Budisch, Kreis Stuhm. Diesen Angaben glaube ich entnehmen zu dürfen, daß 3 und 4 zu den eckigen Turmmühlen gehören und 5 die konische Turmmühle darstellt. Auch nach Εκ (12, S. 73) kommt die Mühle aus Stein in Polen vor. Von der konischen Turmmühle ist mir aber keine Abbildung bekannt. Auch fehlt mir jedweder Hinweis in bezug auf die älteste Mühle dieses Typs und über deren Verbreitung und Verbreitungsdichte. d. Die eckige Turmmühle. Die eckige Turmmühle ist aus Holz gebaut. Sie kommt ohne Unterbau* und mit Unterbau* vor. Nach BERTRAM C. S. (6, S. 11) wurde die eckige Turmmühle, wenigstens im Danziger Werder, erst nach 1800 eingeführt. Ob sie an anderen Stellen in Polen früher eingeführt worden ist, ist mir nicht bekannt. Über die Verbreitung und Verbreitungsdichte dieser Mühle ist mir ebenfalls nichts bekannt. SCHMID (1, S. 28) erklärt aber, daß sie nicht häufig vorkommt. Nach dem Krieg 1914-1918 kam dieser Typ als Windwassermühle im Weichsel-Werder außer Gebrauch (1, S. 28). Soweit ich der Sache nachgehen konnte, hat die eckige Turmmühle in Polen nur zwei Funktionen erfüllt: sie wurde zum Ausschöpfen von überflüssigem Wasser und zum Mahlen von Getreide verwendet (1, S. 27). Für das Heben von Wasser benutzte man das Wasserrad, das innerhalb des Mühlenkörpers lag, oder die Schraubenwinde *. Die eckige Turmmühle wurde von außen mittels eines Sterzes gegen den Wind gerichtet*. Dies geschah aber auch automatisch mit Hilfe einer Windrose*.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE
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Aus dem spärlichen Material, das zu meiner Verfügung steht, geht hervor, daß die übliche Flügelform das Kreuz war. Es kommen dabei folgende Formen vor: 1. Das Gatter befindet sich an der einen Seite der halben Rute. An der anderen Seite befinden sich die Windbretter. Das Gatter besteht aus drei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten. Über dieses Gatter konnte ein rechteckiges Segel gespannt werden. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle und der eckigen Turmmühle vor. 2. An beiden Seiten der halben Rute befinden sich Jalousien. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der eckigen Turmmühle vor. 3. Außerdem war die Mühle mit sechs Flügeln* und auch die mit fünf Flügeln be-
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kannt. Über letztere berichtet SCHMID (1, S. 27): „Fünf Flügel, wie in Wenglen, Kreis Marienburg, sind wohl sehr selten und erst im 19. Jahrhundert gebaut". Aus der Darstellung auf Abb. 217 glaube ich außerdem noch folgern zu dürfen, daß diese Flügel sich in der Uhrzeiger-Richtung drehen. Das übrige Bildmaterial zeigt die normale Drehrichtung an. HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Das spärliche Bildmaterial zeigt uns: 1. Die Spitzbogenform. Diese Konstruktion kommt bei der Wippmühle vor. 2. Die Olockenform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. 3. Die Bootform. Diese Konstruktion kommt bei der eckigen Turmmühle vor.
QUELLEN 1. B. Schmid: „Erhaltung von Windmühlen", in: Die Denkmalpflege in der Provine Westpreussen, 17. Bericht 1920-1928, Königsberg, 1932. 2. Dr. Bruno Schumacher: Niderländische Ansiedlungen im Herzogtum Preussen zur Zeit Herzog Albrechts (1525 bis 1568), Leipzig, 1903. 3. B. Schmid: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Marienburg. 1. Die Städte Neuteich und Tiegenteich und die ländlichen Ortschaften (Heft X I V der Geeamtreihe), Danzig, 1919. 4. Winkler Prins Encyclopaedic, deel 6, Amsterdam-Brüssel, 1949. 6. Abraham Hartwicha: Geographisch-Historische Landesbeschreibung derer dreyen im polnischen Preussen liegenden Werdern, Königsberg, 1723. 6. H . Bertram, W. la Baume und O. Kloeppel: Das Weichsel-Nogat-Delta. Beiträge zur Geschichte seiner landschaftlichen Entwicklung, vorgeschichtlichen Besieddung und bäuerlichen Haus- uni Hofanlage, Danzig, 1924. 7. Lothar Weber: Preussen vor 600 Jahren in culturhistorischer, statistischer und militairischer Beziehung nebst Special-Geographie, Danzig, 1878. 8. H . Schienger: „Die Sachgüter im Atlas der deutschen Volkskunde", in: Jahrbuch für historische Volkskunde, 1934, Π Ι / I V . 9. Greville Bathe: Horizontal windmills, draft mills and similar air-flow engines, Philadelphia, 1948. 10. Richard Dethlefsen: Bauernhäuser und Holzkirchen in Ostpreussen, Berlin W, 1911. 11. Hugo P h . Bertram: Neuere Grundsätze für Schöpfwerksbauten mit besonderer Berücksichtigung ihrer Entwicklung im Weichseldelta, Berlin, 1925. 12. Sven B. E k : Väderkvamar och vattenmöllor, Stockholm, 1962. 13. Dr.-Ing. Werner Lindner: Die Ingenieurbauten in ihrer guten Gestaltung, Berlin, 1923. 14. Conrad Matschoss und Werner Lindner: Technische Kulturdenkmale, München, 1932.
Portugal In bezug auf die ersten Windmühlen in Portugal sind mehrere Daten bekannt. BABOJA (1, S. 282) bemerkt aber mit Recht, daß wir mit der Verwertung dieser Angaben sehr vorsichtig sein müssen. Die erste Erwähnung einer Windmühle geht auf das Jahr 1303 zurück (1, S. 282, 283; 2, S. 92). BABOJA verweist zu diesem Bericht auf ein Werk von Henrique da Gama Barros (3, S. 33). In bzw. an den Mühlen selber finden sich aber keine Hinweise, die weiter als bis zum 18. Jahrhundert zurückgehen (2, S. 93).
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
DIAS C. Θ. (2, S. 92) erinnert wohl noch an einen Volksglauben, in dem man eine Anspielung auf die Existenz einer Windmühle in der Zeit zwischen 1261 und 1325 finden könnte. In einer Mitteilung des „Vereins von Freunden der Mühle" in Portugal (4) steht ein Hinweis auf das Vorkommen einer Windmühle in Portugal im 11. Jahrhundert. Ibn Muqana al-Iehbouni, der in einer Ortschaft etwa 30 km westlich von Lissabon geboren wurde, hat im 11. Jahrhundert ein Gedicht geschrieben, das ins Französische übersetzt wurde. Von dieser Übersetzung erhielt ich eine englische Version 4), die folgendermaßen lautet: „ I f thou art a man of decision, thou needst a mill that will work with the clouds, without the (help of) brooks. The land of al-Qabdâq ( = Lissabon) does not yield, when the gear is good, more than twenty loads of grain . . .". Auch wenn wir annehmen dürften, daß in diesen Zeiten der arabische Urtext trotz der zweifachen Übersetzung richtig wiedergegeben ist, scheint mir dessen Inhalt zu unbestimmt zu sein, um als Zeugnis für das Auftreten der ältesten Windmühle in Portugal dienen zu können. DIAS c. β. (2, S. 92) erklärt denn auch, daß ein entsprechend genauer Zeitpunkt unbekannt ist. Ein Bericht, der uns eine sichere Grundlage in dieser Hinsicht bietet, stammt aus dem Jahre 1490. In diesem Jahr ersuchten einige Spanier den König von Portugal, D. Juan II, um eine Lizenz für eine Maschine, mit der man ohne Hand- oder Tierkraft Wasser aus Quellen, Seen und Sümpfen schöpfen könnte (3, S. 34, 35). Nach BAROJA (1, S. 283) hatten die Mühlen in Portugal im 16. Jahrhundert schon eine gewisse Verbreitung erlangt. DIAS c. S. (2, S. 30) ist der Ansicht, daß die niedrigen Mühlen im allgemeinen die ältesten sind. Sie erreichen selten eine Höhe von 5 m. Falls dies richtig ist, würden die Mühlen zwischen Porto und Espinho sowie diejenigen der Umgebung von Murtosa und im Süden Portugals zu dieser älteren Gruppe gehören (2, S. 16, 22, 54). Das gesamte Verbreitungsgebiet der Windmühlen erstreckt sich von Caminha im äußersten Norden des Landes bis hinein nach Algarva, das südlichste Gebiet Portugals. Von Caminha ab bis in die nördliche Umgebung von Figueira da Foz findet man die Windmühlen in der Hauptsache in einem schmalen Küstenstrich vor. An einigen Stellen, nämlich bei Viana do Castelo, bei Barcelos und bei Velonga sind die Windmühlen etwas tiefer in das Land vorgedrungen. Den Mondego entlang sind die Windmühlen auf beiden Ufern bis Penacova und Poiares ins Land eingedrungen. Südlich von Seiria sind sie über die volle Breite des Landes verstreut und schließen sich im Süden an zwei bekannte Windmühlengebiete im Nachbarland an, an Spaniens Estramadura und Andalusien (2). BARO JA (7, S. 41) rechnet zu den spanischen Mühlengebieten, die sich an das Verbreitungsgebiet der portugiesischen Windmühle anschließen, Galicien, Estramadura und Andalusien. Derselbe Autor (2, S. 286) ist der Ansicht, daß die Windmühlen in diesen Gebieten mehr Charakteristika gemein haben mit den portugiesischen Windmühlen als mit den Windmühlen von La Mancha, auf den Balearen oder in anderen Gebieten Spaniens. KRÜGER, BAROJA und DIAS c. S. haben, jeder auf seine Weise, versucht, die zum Mittelmeertyp gehörenden Windmühlen in einzelne Gruppen einzuteilen. KRÜGER nimmt dabei als geographischen Rahmen das Mittelmeergebiet im weitesten Sinn, während m. E. die iberische Halbinsel und deren Umgebung dafür die eigentliche Grundlage bilden, und nicht das ganze Mittelmeergebiet. BAROJA und DIAS C. S. beschränken sich ihrerseits auf die Mühlen in Portugal.
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K R Ü G E R ( 6 , S. 1 6 4 - 1 6 6 ) geht bei seiner Einteilung von der Flügelform aus. Er unterscheidet* : 1. vier Paar Segelstangen, die vier dreieckige Segel tragen; 2. vier Flügel, deren Gatter sich an beiden Seiten der halben Rute erstreckt. An jeder Seite der halben Rute befindet sich eine zu dieser Rute parallel laufende Latte. Das Gatter hat acht Querlatten und trägt rechteckige Segel; 3. vier Flügel, deren Gatter sich an beiden Seiten der halben Rute befindet. Zu jeder Seite der halben Rute finden sich zwei oder drei zu ihr parallel gerichtete Latten. Das Gatter hat wenigstens fünfzehn Querlatten und trägt lange und schmale rechteckige Segel. Von der geographischen Verbreitung dieser Typen gibt K R Ü G E R folgendes Bild: 1. in weiten Gebieten Portugals (Minho, zwischen Douro und Minho, in Estramadura, Algarba), auf Madeira, in Andalusien, auf den Balearen und in Cartagena; 2. allgemein auf den Kanarischen Inseln und südlich von Quercy; 3. auf den Balearen, auf Ibiza, in La Mancha und auf Sizilien. Zunächst fällt hier auf, daß Griechenland und die Westküste der Türkei in dieses Bild der geographischen Verbreitung nicht aufgenommen worden sind. Ferner ist es sehr fraglich, ob man Mühlen wirklich auf Grund ihrer Flügelformen voneinander unterscheiden kann (vgl. Kapitel 6). B A R O J A ( 1 , S . 2 8 5 ) erklärt, daß er im Bereich des portugiesischen Materials die vorhandenen Mühlentürme in folgende Klassen gruppieren kann: 1. Türme mit kreisförmiger Basis, zylindrisch-konisch aus vertikal angebrachten Holzbrettern aufgeführt, deren Enden jeweils übereinander liegen; 2. Türme von geringeren Maßen auf einer weniger runden Basis (als 1.), aus vertikal zusammengefügten Holzbrettern aufgeführt; 3. Türme aus Stein und Zement, zylindrisch, nicht sehr hoch, mit Kalk getüncht; 4. Türme aus Stein und Zement, zylindrisch, etwas höher als die vorigen; 5. Bockmühlen. Zunächst ist hierzu zu bemerken, daß die Bockmühlen bestimmt nicht zu den „Türmen" gehören. Was B A R O J A hier „Bockmühle" nennt, ist der sogenannte moinho giratòrio, den ich den Paltrockmühlen zuordnen möchte. Jedenfalls ist seine Bockmühle im Gegensatz zu den vier anderen von ihm genannten Typen eine Mühle, deren ganzer Körper gedreht werden muß, um die Flügel gegen den Wind zu richten. Ferner laufen in B A R O J A B Einteilung zwei verschiedene Merkmale nebeneinander, nämlich: 1. das Material, aus dem die Mühle gebaut worden ist (Holz, Stein, Zement); 2. die Dimensionen der Mühlen. Meiner Ansicht nach hat innerhalb der Gruppe der „Türme" eine Einteilung auf Grund des Materials, aus dem diese Türme gebaut sind, keinen Sinn. Die „Türme", die hier gemeint sind, sind aus Stein gebaut. „Türme" aus Holz stellen offenbar, wie wir es hierunter noch sehen werden, nur eine örtliche Abweichung dar. D I A S C. S. ( 2 , S. 5 ) unterscheidet zunächst zwei Hauptgruppen: die des „moinho fixo" (nicht-drehbare Mühle) und die des „moinho giratòrio" (drehbare Mühle). Unter den nicht-drehbaren Mühlen werden die Turmmühlen verstanden, wie sie sich in Portugal anfinden, und von denen also nur die Haube drehbar ist. Unter den drehbaren Mühlen werden die Mühlen verstanden, deren ganzer Körper gedreht werden muß. Weiter teilt D I A S c. S. die Hauptgruppe der nicht-drehbaren Mühlen in geographische Gruppen ein.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Ich bin der Ansicht, daß eine das ganze Gebiet der Mühlen des Mittelmeertype berücksichtigende Einordnung des vorhandenen Materials, wie D I A S C. S. sie für Portugal vorgenommen hat, die Grundlage für eine ausgearbeitete allgemeine Typologie dieser Mühlen und für eine bessere Einsicht in deren kulturhistorische und geographische Entwicklung bilden könnte. Besonders aus dem Werk von D I A S c. S. geht hervor, daß die Windmühlen auch in Portugal als „ein wirtschaftlicher Anachronismus" betrachtet werden, und so muß dann unvermeidlich der Verfall eintreten. Ursprünglich soll dieses Land eine große Anzahl Windmühlen besessen haben. Ich habe jedoch in dieser Hinsicht nirgends Zahlen auffinden können. Dos Santos Simöes teilte mir während des internationalen Symposiums für Molinologie in Portugal 1965 mit, daß es in diesem Land noch mehr als 2500 Windmühlen gebe. Viele Mühlen sind jedoch verschwunden, und zwar vor allem im nördlichen Gebiet (2, S. 93, 94). Dennoch ist mir auf einer Reise durch Portugal aufgefallen, daß man, mehr nach dem Süden hin, noch ganze Gruppen von Mühlen, vorzugsweise nebeneinander auf einem Hügelrücken aufgestellt, lustig im Winde sich drehen sah. Die Windmühlen in Portugal sind gewöhnlich unbewohnt (11). In Portugal werden die Mühlen auf mancherlei Weise in den Wind gedreht. Im südlichen Teil des Landes geschieht dies von innen her mittels einer Haspel. Die übrigen Mühlen werden von außen gegen den Wind gerichtet. Bei den Turmmühlen im Norden erfolgt dies mit Hilfe eines an der Haube befestigten Stakens. Eine sehr primitive Technik, um die Mühle in den Wind zu drehen, finden wir bei den niedrigen Turmmühlen in Laag Beira, Alentejo und vermutlich auch südlich von Porto. Hier benutzt man nämlich ein am Kopf der Flügelwelle befestigtes Seil, mit dem man die Flügelwelle herunterzieht, oder einen gegabelten Stock, mit dem man auf die Flügelwelle drückt. Um den moinho giratòrio zu drehen, wird unter einer der Walzen, mit denen die Mühle auf dem Boden ruht, ein Hebel geschoben, mit dessen Hilfe die Mühle in Bewegung 223
„gewrickt" wird (2, S. 5)*. In Portugal ist die Kombination von Wasserradmühle und Windmühle unbekannt. Im allgemeinen aber wurden die Windmühlen in der Nähe von Wasserradmühlen errichtet, so daß ein und derselbe Müller sowohl die eine als auch die andere Mühle, je nach der Jahreszeit, bedienen konnte. Im Sommer, wenn das Wasser nicht ausreicht und genügend Wind vorhanden ist, werden die Windmühlen in Betrieb gesetzt. Im Winter dagegen sind die Wasserradmühlen tätig. Während der Ruhezeit für die Windmühlen sind die Segel um die Segelstange gerollt, um sie so wenig wie möglich dem Einfluß der Witterung auszusetzen. In Souselas werden die Segelstangen mit den Segeln sogar abgenommen und in der Mühle aufgehoben (2, S. 79, 94). Der größte Teil der Windmühlen wurde in diesen Wechselbetrieb einbezogen. Die Anzahl der isolierten Windmühlen war beschränkt (2, S. 94). Bevor ich diesen allgemeinen Teil unserer Ausführungen über die Windmühlen in Portugal abschließe, möchte ich auf eine technische Einzelheit hinweisen, die meines Wissens auf dem Gebiet des Mühlenbaues in der ganzen Welt einzigartig sein dürfte. Wie wir im folgenden noch sehen werden, sind die Segelstangen der Windmühlen durch Spannseile miteinander verbunden. Dort, wo diese Spannseile an der Segelstange festgeknotet sind, und auch am äußeren Ende der Segelstange, werden Blasinstrumente einer bestimmten Art befestigt, die beim Drehen der Segel einen meistens sanften und
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etwas klagenden Ton erzeugen*. Diese Blasinstrumente werden buzinas oder búzios (Posaunen, Hörner) genannt. Diese buzinas sind gewöhnlich aus Ton hergestellt, selte-
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ner aus Rohr oder aus Blech. Südlich von Pais sind sie aus Ton angefertigt. Sie werden als jarras (Krüge) bezeichnet. Man kann zwei Arten buzinas unterscheiden, nämlich diejenigen mit einer langgezogenen* und solche mit einer mehr gedrungenen Form*. Beide Formen kommen in der gleichen Gegend vor und werden in den örtlichen Töpfereien auf Bestellung geliefert. Für beide Arten Krüge gibt es eine Reihe von aufeinanderfolgenden Größen von 11 ab bis sogar 20 1. Gewöhnlich befestigt der Müller am äußeren Ende der Segelstangen, um die das Segel nicht gerollt wird, drei große Krüge, meistens von 4 bis 7 1. An den Seilen, die die Segelstangen an ihrem äußeren Ende miteinander verbinden, befestigt der Müller dann eine Anzahl von kleineren Krügen von 1 bis 2 1, in der Reihenfolge ihrer Größe. Diese Spannseile am äußeren Ende der Segelstangen sehen dadurch aus einiger Entfernung wie ein Rosenkranz aus. Die Krüge* haben eine schmale Öffnung, an welcher der Luftstrom beim Drehen der Segel entlangfahrt. Auf diese Weise wird dem Krug ein Ton entlockt, der von dessen ganzem Körper eine Resonanz erhält. Die Einschnürungen an den Krügen machen es möglich, diese Gefäße an den Segelstangen und an den Spannseilen zu befestigen. Dos Santos Simöes erklärte mir, daß der langgezogene Krug* buzina und der kürzere* jarra genannt wird. Er teilte mir auch noch mit, daß die buzinas einen Ton hervorbringen, solange die Drehgeschwindigkeit der Stangentoppe weniger als 30 km beträgt. Die buzinas erzeugen einen niedrigen Ton. Sobald die Drehgeschwindigkeit mehr als 30 km beträgt, beginnen diβ jarras zu tönen. Diese jarras bringen einen hohen Ton hervor. Wenn der Müller sich in der Mühle oder auch in deren Nähe auf dem Land aufhält, vermag er also dem Klange nach wahrzunehmen, wie groß die Drehgeschwindigkeit der Flügel ist, und kann dann notfalls die Segel beizeiten reffen. In der Umgebung von Lissabon werden zum selben Zweck an den Segelstangen Rohrstöckchen befestigt, die mit einem Schlitz versehen sind. Auf diese Weise wird beim Drehen ein scharfer Pfeifenton erzeugt (2, S. 79, 80)*.
MÜHLENTYPEN A. D I E HORIZONTALE WINDMÜHLE
Wie ich schon im Abschnitt über Polen erwähnte, geht aus einer Stelle in den Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Paris in bezug auf eine von DuQuet 1699 entworfene, horizontale Windmühle hervor, daß „these types of mills have been established in Portugal and Poland to such an extent, that they are frequently termed Polish mills" (vgl. den betreffenden Abschnitt S. 160) (12, S. 12). Bélidor (13, Π, S. 42) hat eine horizontale Mühle 1739 beschrieben und erwähnt dabei, daß die Königliche Akademien in Portugal und in Polen erklärt haben, dieser Windmühlentyp sei „very enduring in usage" (vgl. den Abschnitt über Polen) (12, S. 11). BARO J A (1, S. 282) ist offenbar der Meinung, daß es in Portugal horizontale Mühlen gegeben hat, und erklärt sogar, daß sie an die persischen Windmühlen (s. dort) erinnern. Er zitiert in diesem Zusammenhang das Werk von Bélidor (13, II, S. 42) und erklärt, daß dieser Mühlentyp als „Molino de tipo portugués" bezeichnet wird (1, S. 286). Β AROJA nimmt an, daß dieser Mühlentyp zur Zeit der arabischen Herrschaft ziemlich allgemein in Gebrauch war, doch gibt er zu, daß er mit dieser Ansicht das Gebiet der Vermutungen betritt (1, S. 354). Er schließt mit der Frage, ob diese Mühle etwa in der Zeit der großen Kauffahrtei in Portugal aus dem Osten eingeführt wurde (1, S. 360).
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168 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde (2, S. 7, Anra. 1 ) , der bis jetzt die ausgedehnteste Untersuchung auf dem Gebiet der Windmühlen in Portugal vorgenommen hat, stellt fest, daß in Wirklichkeit kein einziger Nachweis darüber vorhanden ist, daß es solche Windmühle je gegeben hat. Auch mir ist kein einziger Hinweis in dieser Richtung bekannt geworden. D I A S C. S.
B. DIE VERTIKALE WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Weder in der Literatur noch während meiner Reise durch Portugal habe ich irgendeinen Hinweis finden können, aus dem hervorgeht, daß es in diesem Land nicht-drehbare Windmühlen gibt oder gegeben hat. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse
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Den einzigen Mühlentyp in Portugal, dessen ganzer Körper gedreht werden muß, um die Flügel gegen den Wind zu richten, den sogenannten „moinho giratòrio", möchte ich der Paltrockmühle zuordnen: c. Die PaÜrocbnühie. Der Mühlenkörper ist aus Holz und besteht aus einem sechsseitigen Prisma mit einer pyramidenförmigen Haube, in der die Flügelwelle liegt. Unter diesem Mühlenkörper ist ein als Dreieck gebildetes Balkengerüst angebracht. Eine der Ecken des Dreiecks ruht auf einem Pflock, während an den beiden anderen Ecken ein kleines Rad angebracht ist. Um den Pflock als Mittelpunkt kann die Mühle, die mit beiden Rädern über einen in dem Boden eingefaßten steinernen Ring rollt, mit Hilfe eines Hebels gegen den Wind gerichtet werden. Diese Mühle zeigt in einer gewissen Hinsicht eine Ähnlichkeit mit der Paltrockmühle in den Niederlanden. Beide Mühlentypen kennen den Ring, der die Einstellung der Mühle nach der Windrichtung ermöglicht. Die Paltrockmühle hat übrigens ihren Drehpunkt unter der Mitte des Mühlenkörpers. Der moinho giratàrio dagegen hat diesen Drehpunkt unter einer der Ecken des dreieckigen Balkengerüstes, das sich unter der Grundfläche des Mühlenkörpers befindet*. Der „moinho giratòrio" kommt hauptsächlich vor im Gebiet südlich von Porto (von Espinho ab), das sich bis zu einer Linie südlich des Mondego-Flusses (bis Leiria und Ourèm) erstreckt. Außerdem findet man eine Anzahl Mühlen dieses Typs im Norden des Landes, und zwar östlich von Viano do Castelo (2, S. 55, 56). Es ist mir nicht gelungen zu erfahren, in welcher Zeit dieser Mühlentyp in dieses Land Eingang gefunden hat. Eine Mühle dieses Typs habe ich noch östlich von Yiana do Castelo bei der Arbeit gesehen.
III. Mühlen mit drehbarer Haube
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a. Die zylindrische Turmmühle. Die zylindrische Turmmühle kommt in der Gegend von Coimbra vor (2, S. 17), doch vor allem nördlich von Lissabon und zwischen Sintra und Ericeira (2, S. 30) sowie in Montedor (2, Est. 22)*. Außer dieser rein zylindrischen Turmmühle kommen im Gebiet von Sintra Mühlen vor, die bis zur halben Höhe zylindrisch sind und sich daiin nach oben ein wenig ver-
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jüngen (2, S. 30)*. Sie sind aus Stein gebaut und haben dicke Wände. Diese Mühlen 228 sind nicht hoch aufgeführt. Wie groß der Bestand an diesen Mühlen gewesen ist und wie viele Mühlen heute noch im Betrieb sind, ist mir nicht bekannt. b. Die leicht-konische Turmmühle. Die gängige Turmmühle in Portugal ist die leichtkonische Turmmühle*. Wir finden sie denn auch im ganzen Verbreitungsgebiet der 229 Windmühlen, obwohl eine große Anzahl von diesen Bauten im Laufe der Zeit dem Verfall preisgegeben worden ist. Die leicht-konische Turmmühle ist in der Hauptsache aus Backstein und Haustein aufgezogen. Die Wände sind mitunter bis 1,70 m dick. Die meisten dieser Mühlen haben eine Höhe zwischen 3,50 und 5 m. Einige sind noch höher, und zwar reicht die Höhe in einigen Fällen bis zu 7 m (2). Soweit ich der Sache nachgehen kann, sind alle diese leicht-konischen Turmmühlen im Innern rein zylindrisch. Die Mühlen von Murtosa, die nicht höher als 3,50 m sind, dienen alle zum eigenen Gebrauch der Bauern. Im Gebiet von Estramadura, zwischen den Ortschaften Cadaval, Peniche und Alcabaça, und weiter in der Gregend von Ourèm, treffen wir leicht-konische Turmmühlen an, deren Rumpf aus Holz gebaut ist. Mitunter ruht dieser hölzerne Rumpf auf einem niedrigen Fundament aus Stein. D I A S c. S. (2, S. 42)* erklärt, daß er die Wahl dieses 230 Baumaterials eigentlich nicht versteht. Die Kosten weichen nicht merklich von denen einer Mühle aus Stein ab, und auch der Vorteil einer schnelleren Errichtung kann diese Wahl nicht hinlänglich erklären. D I A S C. S. ist der Aneicht, daß man sie vielleicht dem Einfluß, der vom hölzernen moinho giratorio im nachbarlichen Gebiet ausgegangen ist, zuschreiben muß. Diese leicht-konischen Turmmühlen aus Holz werden alle von innen her in den Wind gedreht. Dagegen wird die Mühle aus Stein sowohl von innen her als auch von außen gegen den Wind gerichtet. c. Die konische Turmmühle. Obwohl es auf dem portugiesischen Festland ζ. Z. keine konischen Turmmühlen gibt, ist doch in einigen Berichten über dieses Gebiet von „holländischen Mühlen" die Rede. Dr. jur. W. J. van Baien legte mir eine diesbezügliche Korrespondenz mit Joao M. dos Santos Simöes aus Lissabon vor. Darin teilte Simöes mit, daß er kürzlich am wenig besuchten südlichen Ufer des Tajo Überreste von Windmühlen gefunden hatte. Seiner Ansicht nach hatte es in dieser Gegend im 17. Jahrhundert holländische Mühlen gegeben. Von einer dieser Mühlen war noch bis vor kurzem ein Unterbau aus gemauertem Haustein vorhanden. Diese Mühle war im Auftrag eines Holländers namens Kramer erbaut worden, der dort eine Pulverfabrik besaß. Eine andere holländische Mühle wurde von Jacome Ratton erbaut. Sie war dazu bestimmt, Wasser zu heben für einen Kanal, der den Tajo über Land mit Rio Sado verbinden sollte. Soweit die Mitteilung Simöes'. In einem anderen Bericht wird dargestellt, wie König Joao III. am 1. August 1552 Jeronimo Fragoso die Genehmigung zum Bau einer holländischen Mühle in Evora erteilte, und zwar unter der Bedingimg, daß sie wie die Mühlen in den Niederlanden beschaffen und innerhalb von dréi Jahren voll in Betrieb sein sollte (15; 10, S. 10). Diese Berichte habe ich in diesen Abschnitt über die konische Turmmühle aufgenommen, doch ist es in Wirklichkeit nicht bekannt, ob sie sich auf konische oder auf eckige Turmmühlen beziehen. Im Zusammenhang mit dem am meisten vorhandenen Baumaterial vermute ich aber, daß es sich hier um konische Turmmühlen handelte.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
d. Die eckige Turmmühle. Ich habe keinen einzigen Hinweis auffinden können, aus dem hervorgeht, daß es in Portugal je eckige Turmmühlen gegeben hat.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE In Portugal treffen wir die folgenden Flügelformen an: 1. Acht Segelstangen mit vier dreieckigen Segeln. Der Teil der Flügelwelle, der aus der Mühle herausragt, ist achteckig. An den acht Seiten sind acht Segelstangen in zwei Gruppen von vier befestigt. Die vier Segelstangen der einen Gruppe sind weniger weit vom Rumpf entfernt als die vier der anderen Gruppe. Diese beiden Gruppen bilden miteinander einen Winkel von 45°. An jeder der vier Außenstangen wird die eine Kante eines dreieckigen Segels befestigt, dessen Spitze am Topp der in der Uhrzeigerrichtung folgenden Innenstange festgemacht wird. Vom weit hinausragenden Kopf der Flügelwelle laufen Spannseile zum Topp der Innenstangen und von dort, aber entgegen der Richtung dee Uhrzeigers, zur nachbarlichen Außenstange. Diese Verbindungen sollen natürlich dazu dienen, die Flügel windfest zu machen. Diese acht Segelstangen mit den vier dreieckigen Segeln bilden auf dem portugiesischen Festland den allgemein vorkommenden Flügeltyp an der Mehrzahl der Mühlen, deren Körper sich dreht, und derjenigen, bei denen sich nur die Haube dreht (2, S. 6, 72). 2. Acht Segelstangen mit tabuinhas (s. unten). Auch hier haben wir es mit vier Innenstangen und vier Außenstangen zu tun. Jede Außenstange ist in der Uhrzeigerrichtung mit der folgenden Innenstange durch zwei Querlatten verbunden. Zwischen diesen beiden Querlatten können „tabuinhas" befestigt werden. Eine „tabuinha" ist aus einer Anzahl von Brettchen zusammengesetzt, die eine Einheit bilden. Zwei solche tabuinhas können zwischen je zwei Querlatten befestigt werden (2, S. 82). Diesen Flügelbau finden wir bei einigen der als „moinho giratòrio" bezeichneten Mühlen. 3. Das Flügelkreuz. Portugal besitz nur eine Windmühle mit einem Flügelkreuz, nämlich die Mühle in Montedor in der Gegend von Viana do Cáetelo. Bei diesem Flügelkreuz ist an beiden Seiten der halben Rute das Gatterwerk angebracht. Dieses weist an jeder Seite drei Längslatten und vier Querlatten auf. Zwischen je zwei Längslatten oder zwischen einer Längslatte und der halben Rute kann man ein hölzernes Windbrett anbringen. Die Flügel weisen keine Wölbung auf (2, S. 81). Die Neigung der Flügelwelle in den Mühlen, die von innen her gegen den Wind gerichtet werden, beträgt 10 Grad. Bei den anderen Mühlen beträgt sie 3 bis 5 Grad (2, S. 78, 79).
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE In Portugal kommen die folgenden Haubenformen vor: 1. Die konische Form. Diese Konstruktion erscheint bei der zylindrischen Turmmühle und der leicht-konischen Turmmühle. 2. Die Sattelform. Diese Konstruktion kommt bei der leicht-konischen Turmmühle vor. 3. Die Bootform. Diese Konstruktion findet sich bei der leicht-konischen Turmmühle. 4. Die Pyramidenform. Diese Form, die hier unregelmäßig sechsseitig ist, kommt bei der Paltrockmühle vor.
A. Europa: Portugal!Rumänien
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QUELLEN
1. Julio Caro Baroja: „Diseertación sobre loe molinos de viento", in: Revieta de Dialectología y Tradiciones populares, Tomo VHI, Cuad. 2, Madrid, 1962. 2. Jorge Dias, Ernesto Veiga de Oliveira e Fernando Galhano: Sistemas primitivos de moagem em Portugal, Porto, 1969. 3. Henrique da Gama Barros: Historia da administraçâo publica em Portugal nos seculos XII a XV, 2e ed. geredigeerd door Torquato de Sonsa Soares, Bd. IX, Lisboa, 1946. 4. Mitteilung der: „Aseociaçâo portuguesa de amigos dos moinhos", Lisbon, July 1964. 5. Henri Pérès: La Poésie Andalouse, en Arabe Classique au Xlème Siècle, Parie, 1937. 6. Fritz Krüger: „Notas Etnográfico-linguíaticaa da Póvoa de Varzim", in: Boletim de Filologia, IV fase. 3—4, Lisboa, 1936. 7. Julio Caro Baroja: „Le moulin à vent en Espagne", in: Laos, tome ΓΓ, Stockholm, 1962. 8. Augusto César Pires de Lima: „Ab artes e οβ oficios nas tradiçôes populares", in: Portucale, 2β sér. no 16/17, Porto, 1948. 9. Charles Singer, E. J. Holmyard, A. R. Hall and Trevor I. Williams: A history of technology, Vol. Π , Oxford, 1966. 10. K. Boonenburg: Windmolens in het buitenland (Sonderdruck ohne Nennung der Zeitschrift), o. J. 11. Brief von J. M. dos San toe Simôes, Conservador- Ajudante Museu Nacional de Arte Antiga a Lisboa an Dr. jur. W. J. van Baien, vom 6. 3. 1963. 12. Gre ville Bathe: Horizontal windmills, draft mills and similar air-flow engines, Philadelphia, 1948. 13. Bernard Forest Bélidor: Architecture hydraulique, 4. Bd., Paris, 1737-1763. 14. Hermann Gleisberg: Technikgeschichte der Getreidemühle, München, 1966. 16. Grande Enciclopédia Portuguesa e Brasileira, Bd. 17, Stichwort „moinho".
Rumänien In Rumänien kommen oder kamen Windmühlen vor ; doch ist das Material, über das ich verfüge, zum größten Teil unzulänglich. BABOJA (1, S. 2 7 9 ) erwähnt Windmühlen in Bessarabien, wo eie zum Heben von Seewasser in die Salzpfannen dienen sollen. Er sagt aber nicht ausdrücklich, um welchen Mühlentyp es sich hier handelt. Er beruft sich übrigens auf K R Ü G E R (2, S. 1 5 7 , Anm.), der sich seinerseits auf das Werk von DAMÉ bezieht ( 3 , S. 1 5 9 - 1 6 3 ) . BOONENBURG (4, S. 12) weist auf die hölzernen Windmühlen in Siebenbürgen hin. Sehr oft stehen sie in einer langen Reihe auf einem Hügelkamm. Ihre Gestalt erinnert sehr an die der steinernen Getreidemühlen, doch sind sie ganz aus Holz gebaut. Die Zahl der Flügel ist „auf sechs zurückgebracht". Hieraus glaube ich entnehmen zu dürfen daß BOONENBURG in diesen Mühlen einen M i t t e l m e e r t y p sieht. Er beschreibt sie weiter noch als „hübsche Beispiele eines Übergangstyps". Hiermit meint er vermutlich das Material, aus dem sie gebaut sind. Sollte er dies wirklich in diesem Sinn gemeint haben, dann möchte ich besser nicht von „Übergangstyp" sprechen. Es gibt doch noch andere Länder, in denen beim Mühlenbau Holz statt Stein verwendet wird, z. B. in Belgien und Portugal (s. dort). Dies ist offenbar eine sehr lokale Angelegenheit. Wie BOONENBURG erwähnt auch Ε κ (5, S. 72) hölzerne Turmmühlen vom Mittelmeertyp. Er führt noch an, daß es im Donaudelta hölzerne Mühlen mit einem kräftigen Mühlenkörper gibt. Er erklärt aber, daß diese Mühlen zu den westeuropäischen Paltrockmühlen gehören. In dem von PETRESCU C. S. (6, S. 13) verfaßten Museumsführer fand ich die Abbildung
172 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde 231
einer Mühle, die offenbar aus der Dobrudscha stammt*, und die auf mich den Eindruck macht, als ob es sich um eine Bockmühle handelt. In besagtem Führer wird sie mit der Nr. 28 und dem Vermerk „Moara din Sarichiol" erwähnt. Auch das Fotobild in Sado233 veanu's Werk (10)* macht auf mich den Eindruck, daß es sich um eine Bockmühle handelt. NIKOLIÓ (8, S. 98) verzeichnet in seiner Karte den Standort von mehreren Windmühlen in der Dobrudscha. KÁLMÁN (9, S. 27) verweist außerdem noch auf eine Anzahl Windmühlen in Siebenbürgen. Er erwähnt aber nicht, welchen Typs sie sind. BEBNET KEMPERS (11) berichtet, daß in Verbindung mit den Bodenumständen die Wasserradmühle kennzeichnend ist für dieses Land. Allein in den Tiefebenen, anschließend an das Schwarze Meer, kommen Windmühlen (mori di wînt) vor. In Urkunden aus dem Jahre 1583 werden sie zum ersten Mal genannt. Vor hundert Jahren besaß Munte nien 197 Windmühlen- vierzig Jahre später waren sie auf eine reduziert. Im Jahre 1901 zählte die Dobrudscha nördlich von Constanza noch 639 Windmühlen; jetzt sind diese dort sehr selten geworden. In dem Dorfmuseum in Bukarest sollen sich noch 2 oder 3 Mühlen befinden und darüber hinaus noch einige in Dumbrava Sibiului. Diese Windmühlen zeigen zwei Typen, nämlich die mori cu pivot und den tip olandez. Der erste Typ hat auf den ersten Blick viel Ähnlichkeit mit der Bockmühle. Er hat denn auch einen Bock, um den das Gehäuse sich dreht, aber im übrigen ruht das Mühlenhaus auf einer Art Schlitten aus Eichenholz, der wie ein Rahmen auf einem steinernen Fuß liegt. Damit nähert sich dieser Typ stark der Paltrockmühle, wie diese z. B. in Deutschland vorkommt. Nur die kleinen Räder unter dem Mühlenhaus fehlen. Meiner Meinung nach sollte man diesen Typ zu den Paltrockmühlen rechnen, da nicht der Bock, wohl aber 233 der Schlitten essentiell geworden ist für die Drehung des Mühlenhauses*. HEDVIGA RTJSDEA des Brukenthal Museum in Sibiu (12) gibt eine Beschreibung und eine Typologie „der Windmühlen in der Dobrudscha". In Wirklichkeit spricht sie über Windmühlen in Moldavien, der Dobrudscha, Walachien und Ottenien. Über den westlichen Teil Rumäniens schreibt sie nichts. In dem von ihr genannten Gebiet sind einige Mühlen noch immer in Betrieb. Es zeigt sich aber, daß der Rückgang im Mühlenbestand sehr groß ist. In der Stadt Braila fand man im Jahre 1861 noch 140 Mühlen, 1901 war es nur noch eine. Die Verfasserin nennt zwei Typen von Mühlen, nämlich einmal eine Bockmühle auf einem Schlitten. Dieser Schlitten wird gestützt von hölzernen Pfählen oder von Steinen. Als zweiten Typ nennt sie die eckige Turmmühle mit acht oder zehn Seiten. Die meisten Mühlen drehen im Sinne des Uhrzeigers. Auf Grund der vorliegenden Berichte dürfen wir annehmen, daß es in der Dobrudscha, im Donaudelta, in Bessarabien und in Siebenbürgen Windmühlen gibt oder gegeben hat. Ich glaube aber annehmen zu dürfen, daß es diese auch in Westrumänien gibt oder gegeben hat. In Vojvodina (Jugoslawien) finden wir im Theiss-Gebiet die konische Turmmühle (8, S. 101). Dieses Gebiet schließt sich im Norden an die ungarische und an die rumänische Tiefebene an. Wir wissen, daß diese ungarische Tiefebene ein Mühlengebiet ist. KÁLMÁN (9, Kapitel VI) verzeichnet im Gebiet westlich der Donau 2 8 Windmühlen, in demjenigen zwischen der Donau und der Theiss 129 und zwischen der Theiss und dem Maros 113. Man kann schwerlich annehmen, daß es im anschließenden Gebiet Rumäniens keine Windmühlen geben soll. Dies sind also die wenigen Daten aus dem mir zur Verfügung stehenden Material. Meine an rumänische Stellen gerichteten Bitten um Auskunft haben nichts eingebracht. Was im folgenden noch niedergelegt wird, geschieht mit dem üblichen Vorbehalt.
A. Europa: Rumänien
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MÜHLENTYPEN Α. D I B HORIZONTALE WINDMÜHLE.
Es ist mir nicht bekannt, ob es in diesem Land je horizontale Windmühlen gegeben hat. B. D I E VERTIKALE WINDMÜHLE.
I. Die nicht-drehbare Mühle. Es ist mir ebenfalls nicht bekannt, ob es je nicht-drehbare Mühlen in Rumänien gegeben hat. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse a. Die Bockmühle. Hierfür verweise ich auf die Paltrockmühle. c. Die Paltrockmühle. Bei der Paltrockmühle in Rumänien ist die Hauptform das vierseitige Prisma. Dabei strecken die Bretter des Mühlenkörpers sich aus bis über den Fuß. Wenn man sich diese Verlängerung wegdenkt, dann hätte der Mühlenkörper ungefähr die Form eines Kubus, wie er bei der Bockmühle aus Rußland bekannt ist (s. dort). Auf den Abbildungen zeigen einige rumänische Paltrockmühlen an ihren Seitenwänden Anbauten*. Über das erste Auftreten dieses Windmühlentyps in Rumänien sowie über seine Verbreitung und die Verbreitungsdichte ist mir nichts bekannt.
231
III. Mühlen mit drehbarer Haube. Ob Rumänien die zylindrische - und die leicht-konische - Turmmühle kennt, ist mir nicht bekannt. Höchstwahrscheinlich kennt dieses Land ebenfalls die konische Turmmühle, wenn da« Mühlengebiet von Vojvodina (Jugoslawien) und der ungarischen Tiefebene sich in Rumänien fortsetzt. d. Die eckige Turmmühle. In dem östlichen Teil, jedenfalls in der Dobrudscha, kam die eckige Turmmühle vor, sie ist aber 1963 verschwunden. Eine Rekonstruktion hat inzwischen stattgefunden. Der ganze Mühlenkörper war aus Holz gebaut und mit 8 oder 10 Seiten versehen. Die Haube wurde von außen gegen den Wind gerichtet. Die Haube war pyramidenförmig*. 232
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Die einzigen mir für Rumänien bekannten Flügelformen sind die auf den Abbildungen 231, 232. und 233. Es handelt sich hier um eine Mühle mit sechs Flügeln und um einige Mühlen mit dem Flügelkreuz. Jeder der Flügel besteht aus einem Rahmen, der höchstwahrscheinlich teilweise mit dünnen Holzbrettchen belegt ist. Aus den Abbildungen ist nicht zu ersehen, ob die Flügel eine Wölbung aufweisen, oder ob sie mit der Drehungsebene einen Winkel bilden. In der Süd-Dobrudscha kommt die Paltrockmühle mit 8 oder 12 dreieckigen Segeln vor. Nur 4 der Segelstangen stecken durch die Flügelwelle. Die anderen Segelstangen sind an einem eisernen Ring befestigt, der sich in einem Abstand von einem Meter um
174 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde den Kopf der Flügelwelle befindet. Die Flügelwelle ist verlängert und Spannseile laufen von dieser verlängerten Welle zum Topp der Segelstangen. Auch die Segelstangen sind untereinander durch Spannseile verbunden.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Die Hauben der mir bekannten Paltrockmühlen haben die Sattelform.
QUELLEN 1. Julio Caro Baraja: „Dissertación sobre loe molinos de viento", in: Revista de Dialectología y Tradiciones populares, Tomo V I I I , Cuad. 2, Madrid, 1952. 2. Fritz Krüger: „ N o t a s etnográfico-lingüisticas da P ó v o a de Varzim", in: Boletim de Filologia, I V fase. 3 - 4 , Lisboa, 1936. 3. Fr. Damé: Incercare de terminologie poporanä românâ, Bucaresti, 1898 (1901). 4. Κ . Boonenburg: Windmólens in het buitenland (Sonderdruck ohne Nennung der Zeitschrift), o. J. 5. Sven B . E k : Väderkvarnar och vattenmöllor, Stockholm, 1962. 6. Paul Petrescu, P a u l Stahl, Anton Dimboianu: Architectura din Mazeul satului, Bucaresti, 1966. 7. C. P . Skilton: British windmills and watermills, London, 1947. 8. Rajko Nikolié: Vetrenja 6e u Jugoelaviji, Novi Sad, o. J. 9. Lambrecht Kálmán: ,,Α magyar ezélmalom", in: Ethnographia X X I I . Ëvfolyam, Budapest, 1911. 10. Mihail Sadoveanu: Le delta du Danube, Bucarest, 1966. 11. A. J. Bernet Kempers: ,,Openluchtmueea in Roemenie", in: Het Nederlands Openluchtmuseum. Bijdragen en mededelingen, jg. 29, no 2, 1966. 12. Hedviga Ruçdea: The Windmills of Dobrudja-Romania (Description and typology). Ein Vortrag gehalten auf dem internationalen Symposion für Molinologie, Dänemark, 1969.
Russland
(U.S.S.R.)
Das Material über die Windmühlen in der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken das mir zugänglich ist, ist sehr fragmentarisch. Vielleicht gibt es mehr derartiges Material, aber die Sprache bildet für mich eine Sperre. Im Norden Rußlands, in dem Teil, der jetzt Estland genannt wird, wurde nach dem Liber census Daniae erst um 1250 in Koila bei Jaggowall die erste Wasserradmühle angelegt (1, S. 86). Sollte von der These ausgegangen werden dürfen, daß Wasserradmühlen immer früher vorhanden waren als Windmühlen, dann würde dies bedeuten, daß es in Estland bis um 1250 keine Windmühlen gegeben hat. MANNINEN (2, S. 264) der von 1922 bis 1928 Direktor des Estländischen Nationalmuseums war und in Estland viel gereist ist, berichtet, daß die am frühesten bekannten Windmühlen aus dem Jahre 1330 datieren. Sie gehörten der Stadt Riga (Lettland) an. Wie es in anderen Teilen Rußlands damit bestellt war, ist mir nicht bekannt. Indessen hat der zweimalige Aufenthalt von Zar Peter in den Niederlanden, 1697 und 1717, auch für die Verbreitung der Windmühlen in Rußland Folgen gehabt. Zar
A. Europa:
Russland
175
Peter hat beim Bau einer eckigen Turmmühle in Zaandam mitgearbeitet. Nach seiner Rückkehr in die Heimat ließ er hier Windmühlen errichten. D a zu jener Zeit in Rußland, wie vorhin festgestellt wurde, Windmühlen schon bekannt waren, und diese (dem Zeitpunkt ihrer Entstehung gemäß) wohl zu den Bockmühlen gehörten, müssen wir daraus schließen, daß Zar Peter die eckige Turmmühle eingeführt hat. Wir dürfen übrigens noch annehmen, daß die von ihm aus den Niederlanden mitgebrachten Mühlenbauer auch andere Typen gebaut haben (3, S. 68, 69). MANNINEN (2, S. 265, 266) äußert die Möglichkeit, daß bei der Einführung der Bockmühle in Estland die Schweden eine Rolle gespielt haben. E s waren nämlich schwedische Bauern auf der Insel Vormsi vor der Küste Estlands, die Bockmühlen bauten. Außerdem finden wir diesen Mühlentyp in Estland auch auf den der Küste vorgelagerten Inseln und auf dem Festland der Nordwestküste selbst. Windmühlen waren im Norden Rußlands im Gouvernement Archangelsk (2, S. 268) und in der Umgebung von Leningrad bekannt (2, S. 267). Wie vorhin bemerkt wurde, waren im Norden Rußlands die Windmühlen schon früh bekannt. MANNINEN (2, S. 264) erzählt, daß in Estland die Windmühle (tuuleveski, tuulik) volkstümlicher war als die Wasserradmühlen. Nur scheinbar in Widerspruch mit dieser Aussage berichtet er auf S. 265: „ I m größten Teil des Landes hatten die Bauern überhaupt keine Windmühlen". Hiermit meint er nämlich, daß die meisten Windmühlen in Händen der Großgrundbesitzer waren. Auch eine K a r t e im schwedischen Kriegsarchiv bestätigt das Vorkommen von Windmühlen in Pärnu (5). In Lettland gab es ebenfalls Windmühlen (2, S. 264, 266). Außer den ältesten Windmühlen aus 1330 in Riga werden noch Windmühlen in Kurland erwähnt. Auch Litauen kannte Mühlen (4, Fig. 128). Dies gilt ebenfalls für Kaliningrad (6). MANNINEN (2, S. 266, Anm. 2) und auch ZELENIN (7, S . 93) erwähnen d a s V o r k o m m e n
von Windmühlen in Weiß-Rußland. Auch in der Ukraine und auf der Krim kommen Windmühlen vor (3, S. 199; 8, S. 69). Auf der letzteren Halbinsel hat ein Unbekannter, der seinen Bericht mit den Initialen J . S. unterschrieb, während des Krimkrieges (18531856) in der Umgebung der Stadt Eupatoria (jetzt: Jevpatorija) an die 200 Windmühlen gezählt, die hauptsächlich zum Mahlen von Getreide verwendet wurden. Aus West-Sibirien ist mir die Abbildung einer Bockmühle bekannt (16, S. 63). SKILTON (10, S. 23) berichtet: „in Bessarabia you may see several six-sailed specimen close together in a straight line". Hieraus geht also hervor, daß es in Bessarabien Windmühlen gibt. Die U.S.S.R. ist ein ausgedehntes Land. Wer sich hier nach dem Vorkommen von Windmühlen erkundigen will, muß sie zunächst in den Tiefebenen suchen. Eins dieser Gebiete ist Turkestan. Im Jahre 1900 gab es hier nur vertikale Wasserradmühlen, Pferdemühlen und Stampfmühlen (12, S. 339, 340). Windmühlen waren damals nicht vorhanden. Soweit ich der Sache nachgehen konnte, dienten die meisten Windmühlen zum Vermählen von Getreide. Im Norden gab es jedoch Windmühlen zum Holzsägen, wie wir dies aus der Geschichte der Reise von Zar Peter in die Niederlande wissen (s. dort). Auch HUECK (13, S. 247) erwähnt seinerseits die Sägemühlen. E s ist mir nicht bekannt, ob die Windmühlen noch für andere Funktionen verwendet wurden. In der Sammlung Est- undLivländische Brieflade (14,1, S. 559; II, S. 10) fielen mir die besonderen Bezeichnungen „die trockene Mühle" oder „de droege moele" auf. Sie meint natürlich die Windmühle im Gegensatz zur Wasserradmühle. Bevor ich nun den allgemeinen Teil dieser Ausführungen über Rußland abschließe,
176 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
235 234
möchte ich noch auf eine horizontale Windmühle besonderer Art aufmerksam machen, die es in diesem Land gegeben hat. Es handelt sich hier um Gebetemühlen (s. den Abschnitt über Tibet). HORWITZ (17, S. 19, 100) zitiert in diesem Zusammenhang Pallas' Reisebeschreibung aus der zweiten Hälfte dee 18. Jahrhunderts. In dem Teil dieses Werkes, in dem von einem Grabmal nördlich von Astrachan die Rede ist, erzählt Pallas, daß er noch ein zweites Grabmal dieser Art gesehen hat, auf dem eine Gebetstrommel angebracht war, die sich mit Hilfe von „Windflügeln" drehte. Bei den KasachKirgisen, die zwischen dem Aralsee und der unteren Wolga wanderten, sah Pallas eine Art Opferaltärchen aus Flechtwerk mit Klei oder aus Steinen. Hier fand er die gleichen vom Wind bewegten Gebetsmühlen vor*. Dies war auch der Fall an einem zwischen Warpa und Wolga verlaufenden Nebenflusses, dem Gologol*.
MÜHLENTYPEN A. DIE HORIZONTALE WINDMÜHLE
Es sollen hier die Gebetemühlen als Vertreter der horizontalen Mühle außer Betracht bleiben Dann ist es aber ein Problem, welche Verbreitung die horizontale Mühle in Rußland gehabt hat. In der Literatur ist mir diesbezüglich nur einmal ein Hinweis begegnet, und zwar in der Veröffentlichung jenes unbekannten Verfassers (S. 145 dieser Arbeit). Neben den 200 von ihm in der Umgebung von Eupatoria (Jevpatorija) gezählten, betriebsfähigen vertikalen Windmühlen war nur e i n e horizontale Windmühle zu sehen, die wenigstens schon 25 Jahre außer Betrieb zu sein schien. Wir können also daraus schließen, daß die horizontale Windmühle auf der Krim in jenen Tagen des Krimkrieges eine seltene Erscheinung war und daß sie höchstwahrscheinlich die Konkurrenz mit ihrer vertikalen Schwester nicht hatte durchhalten können. Der erwähnte Autor beschreibt diese horizontale Windmühle als einen aus Backstein gebauten Turm. Der Durchmesser betrug an der Basis ungefähr 20 feet und oben ungefähr 17 feet bei einer Höhe von 20 feet. Oben ragte die Flügelwelle heraus, an der 12 Flügel angebracht waren. Der Arm eines jeden dieser Flügel war ungefähr 10 feet lang. Auf jedem dieser Arme stand am äußeren Ende eine vertikale Achse, auf die beweglich ein Flügel shutter - so aufgesetzt war, daß er durch sie in seiner Breite auf 1/3 und 2/3 unterteilt wurde. Diese „shutter" waren ungefähr 12 inches breit und 5-6 feet hoch. Während des Drehens konnten eich diese shutters nach dem Wind einstellen. Über ein Drittel des totalen Umkreises drehten die Flügel hinter einer Schirmwand. Es ist m. E. aber sehr fraglich, ob diese Flügel, die doch schon mindestens 25 Jahre außer Betrieb waren, noch so genau erkannt und beschrieben werden konnten. Der Verfasser sagt jedoch: „the screen seemed to have been hauled round with ropes". Wann die erste Mühle dieses Typs zum ersten Mal auf der Krim errichtet wurde, ist mir nicht bekannt. B A T H E (15, S. 41) bemerkt dazu, daß diese Mühle nach 1783 entstanden sein muß, da bis zu jenem Jahr das betreffende Gebiet einem örtlichen Khan unterstellt war. B . DIE VERTIKALE WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle. Hinweise über das Vorkommen einer nicht-drehbaren Mühle sind mir nicht begegnet.
Norwegen
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Muhl·' :?•'>(). liorkniü/tlc 2Ö2. Zylindrische Turtum it/rfcii
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Schweden 264—261. 26H.
Wippmühlen Paltrorkmühle
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A. Europa: Russland 177 II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse a. Die Bockmühle. Wie schon im allgemeinen Teil erwähnt wurde, stammt die älteste bekannte Windmühle in der U.S.S.R., die in Riga, aus dem Jahre 1330. Höchstwahrscheinlich handelte es sich um eine Bockmühle. Wenn wir die Form der Bockmühlen in Rußland betrachten, fällt zunächst auf, daß der Mühlenkörper der Bockmühle in Estland deutlich die Form eines Prismas aufzeigt*, während sich derselbe Mühlentyp in der Ukraine und in West-Sibirien eher der Form eines Kubus nähert*. In der Ukraine kommt jedoch neben dieser Kubusform auch die Prismaform vor*. In bezug auf die Windmühle in Archangelsk* ist es sehr die Frage, ob es sich um eine Bockmühle oder um eine Wippmühle handelt. Ich würde aber sagen, daß der Anbau an der Vorderseite der Mühle darauf hinweist, daß sich der Arbeitsraum oben befindet. Andererseits ist zu beachten, daß die Flügel welle in der zweiten Mühle einen sehr niedrigen Stand einnimmt. Dies könnte bedeuten, daß sich die Werkzeuge (die Mühlensteine) entweder oberhalb der Flügelwelle oder im unteren Gehäuse befinden. WAILES (20, S. 151), ehrenamtlicher technischer Ratgeber der Mühlenabteilung der englischen „Society for the Protection of Ancient Buildings" erklärt in bezug auf Rußland: „ I have seen, though I do not possess, a photograph of a post mill in Russia, with the windehaft in the lower part of the mill body; the drive could only have been upwards, as in a water mill, and the connection of ideas is obvious" (20, S. 150). Das Mühlengehäuse in Archangelsk hat ebenfals die Form eines Kubus. Auch in bezug auf den Fuß der Bockmühle können wir noch einige Unterschiede feststellen. In Estland wird der Fuß auf zweierlei Art beschützt: entweder dadurch, daß die Bretterwände des Mühlenkörpers bis ganz unten hinabreichen*, oder durch den Umstand, daß der Bock in ein Fundament aus Stein eingebaut ist*. Dieser steinerne Fuß ist zylindrisch*, oder er hat die Form eines abgestumpften Kegels*. In der Ukraine treffen wir einen niedrigen Fuß an, der entweder unbedeckt bleibt* oder von den bis unten hinabreichenden Bretterwänden des Mühlenkörpers bedeckt wird*. Der Fuß der Bockmühle in West-Sibirien ist in ein Gerüst von zusammengefügten Balken eingebaut*. Falls die Mühle auf Abb. 243 zu den Bockmühlen zu rechnen wäre, dann würde sich erweisen, daß diese Bockmühle in Archangelsk auf einem hölzernen Unterbau ruht. Auch in der Flügelform tritt eine gewisse Verschiedenheit zutage. Es gibt Bockmühlen mit vier Flügeln*, mit sechs Flügeln*, und sogar mit sieben Flügeln*. Die meisten dieser Flügel bestehen aus einem mit Brettchen bedeckten Rahmen. Nur einige Windmühlen haben ein Gatter* (die Mühle ganz rechts)*. Aus unseren Abbildungen ist nicht immer zu ersehen, ob die Flügel mit der Drehungsebene einen Winkel bilden oder sogar eine Wölbung aufweisen. Einen Winkel beobachten wir auf den Abb. 237, 240 und 241. Aus dem Stand der einzelnen Flügel kann man schließen, daß sich einige Bockmühlen in der Uhrzeiger-Richtung drehen*. Diese Mühlen werden von außen gegen den Wind gerichtet mit Hilfe eines Stakens oder eines Holzgestelles. Das Verbreitungsgebiet der Bockmühle erstreckt sich über Estland (2, S. 265, 266), Lettland (2, S. 266), Weiß-Rußland (8, S. 69; 2 S, 266), die Ukraine (19, gegenüber S. 160; 8, S. 69; 7, S. 92), Archangelsk ( ?) (2, S. 268) und West-Sibirien (16, S. 63). Wieviele solcher Mühlen es gegeben hat und wie stark die Verbreitungsdichte war, ist mir nicht bekannt. Wohl hat es offenbar noch 1933 auf den Inseln Hiiumaa, Mahu und Kihuu und auf dem Festland von Estland und Läänemaa Bockmühlen gegeben (2, S. 265). Nach MANNINEN (2, S. 265, 266) berichtet HUPEL (11, S. 157), daß die schwedischen Bauern auf der Insel Vormsi ,,in den dasigen nahen Gegenden" Bockmühlen errichtet
236-240
241, 244 242 243
236, 240 237-239
237, 239 241 242 244 236, 239, 241 237, 240
236, 239
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haben. HTJPEL hält es für möglich, daß diese Schweden bei der Einführung der Bockmühle in Estland eine Rolle gespielt haben, da die eetländische Windmühle mit denjenigen in Schweden und in Finnland übereinstimmt, außerdem sind die Bockmühlen in Estland auf den Inseln und im Nordwesten des Festlandes gelegen. Andererseits meint HUPEL, daß man noch damit rechnen soll, daß die Bockmühle auch in den angrenzenden Gebieten vorkommt. b. Die Wippmühle. Die Wippmühle war in Bußland bekannt*. Sie scheint in Estland seltener zu sein als die Bockmühle. MANNINEN (2, S. 266) bemerkt dazu: „Er hat einen gemauerten und mit einem Kegeldach versehenen Unterbau, in dem die Mühlensteine liegen und aus dessen Mitte der hohle Mühlenfuß herausragt, der den auffallend kleinen, viereckigen Oberbau trägt. Im Innern des Fußes liegt die Mühlspindel, die oben von der Flügelachse mittels einer Zahnradkonstruktion angetrieben wird und unten in die Haue des Läufersteins eingreift". MANNXNEN (2, S. 266, 267, 268) schreibt ferner noch: ,,Eine solche Mühle hat Hupel im Auge, wenn er sagt, daß in Ingermanland, auf Petersburg zu, Windmühlen mit einem von Balken pyramideformig ins Viereck aufgehauenen Fuß xind einem kleinen viereckigen Kasten darauf vorkommen". Auch tiefer nach Nord-Rußland hinein soll es diesen Typ gegeben haben (2, S. 268) Ob diese Mühle eine noch größere Verbreitung in Rußland gehabt hat, ist mir nicht bekannt. Auch in bezug auf die Verbreitungsdichte waren keine Daten zu ermitteln. Wann dieser Mühlentyp in dieses Land Eingang gefunden hat, habe ich nicht erfahren können. Auch weiß ich nicht, ob diese Mühle außer dem Mahlen von Getreide noch andere Funktionen erfüllt hat. Spuren von anderen Mühlentypen, deren ganzer Körper gedreht werden muß, um die Flügel gegen den Wind zu richten, habe ich nicht entdecken können. III. Mühlen mit drehbarer Haube a. Die zylindrische Turmmühle. Es ist mir nicht bekannt, ob es in Rußland zylindrische Turmmühlen gegeben hat. b. Die leicht-konische Turmmühle. J. S. (9, S. 232) hatte während des Krimkrieges Gelegenheit, in der Nähe der Stadt Eupatoria eine leicht-konische Turmmühle zu besichtigen. Der Turm dieser Mühle war aus Backstein aufgeführt. Er hatte einen Durchmesser von 18 feet an der Basis und 15 feet oben. Die Höhe betrug ungefähr 11 feet. Die vier Flügel waren rechteckig und 15 feet lang und 5 feet breit. Sie trugen offenbar ein Gatterwerk, denn der Verfasser bemerkt, daß man sie mit Segeln bespannen konnte. Oberhalb der Mühlentür standen die Wörter Moulin français. In bezug auf die Haube der Mühle ist mir nichts bekannt. Dennoch habe ich den Eindruck, daß es sich hier um eine Windmühle handelt, die durch ihre Form zum Mittelmeertyp gehört. Aus dem Bericht von J. S. ist nicht zu ersehen, ob die übrigen Mühlen aus der Zahl der 200 (mit Ausnahme der schon erwähnten horizontalen Mühle) alle zum leicht-konischen Typ behören. Ob es in anderen Gebieten Rußlands noch mehr Mühlen dieser Art gegeben hat, ist mir nicht bekannt. Auch weiß ich nichts von der Verbreitungsdichte. Wann die erste Mühle dieses Typs hier Eingang gefunden hat, ist mir ebenfalls nicht bekannt. c. Die konische Turmmühle. Es ist oft schwierig, in der Mühlenliteratur die konischen Turmmühlen und die eckigen Turmmühlen voneinander zu unterscheiden. Beide
A. Europa: Russland
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Typen werden nämlich als „holländische Mühlen" bezeichnet. So kann man ζ. B. bei Ek (8, S. 70) nicht feststellen, ob in Rußland konische Turmmühlen oder eckige Turmmühlen oder etwa beide Typen vorkommen. Wohl erklärt Ek, daß die „holländische Mühle" in Rußland „nicht allgemein ist", während sie allerdings in einzelnen Gebieten, wie Estland und Lettland, häufig vorkommt. Auch ZELENXN (7, S. 92) bemerkt, daß die „holländische Mühle" weniger häufig vorkommt. Nach MANNENEN (2, S. 2 6 5 ) hat sich HUPEL (11, S. 157) über die „holländische Mühle" weniger günstig geäußert. HTJPEL findet diese Mühle zu teuer und ist der Ansicht, daß sie viel unter Stürmen zu leiden hat. MANNINEN (2, S. 270) selber schreibt dagegen 1933: „Allgemeiner scheinen heute die gemauerten runden holländischen Mühlen zu sein". Auch HUECK (13, S. 2 4 7 ) bemerkte schon 1 8 4 5 in bezug auf Estland, Livland und Kurland: „Man sieht häufiger als sonst große holländische Windmühlen mit beweglichem Dache, statt der früheren Bockmühle". Höchstwahrscheinlich hat die konische Turmmühle nach 1697 bzw. nach 1717 in Rußland Eingang gefunden, und zwar als Folge der Reisen von Zar Peter in die Niederlande. In diesem Fall würde dieser Mühlentyp in Rußland vom Norden aus eingeführt worden sein. Wie weit sich dieser Mühlentyp verbreitet hat, ist mir nicht bekannt. In jedem Fall kam er auch in Litauen vor*. d. Die eckige Turmmühle. In einigen Fällen steht es unumstößlich fest, daß wir es in Rußland, innerhalb der Gruppe der holländischen Mühlen, mit der eckigen Turmmühle zu tun haben. Da Zar Peter während seines Aufenthaltes in den Niederlanden beim Bau einer eckigen Turmmühle mitgearbeitet hat, dürfen wir annehmen, daß er von den Arbeitern, die er aus den Niederlanden entboten hatte, zweifellos diesen Mühlentyp hat bauen lassen. Dann würde auch dieser Mühlentyp vom Norden aus seinen Einzug in Rußland gehalten haben. Mit Sicherheit wissen wir, daß dieser Typ in Estland vorkam*. Wie die Abbildung zeigt, war diese Mühle achteckig und aus Holz aufgeführt. Sie wurde von außen mit Hilfe eines Stakens in den Wind gedreht. VISSER (3, S. 199) zitiert aus der Fachzeitschrift Die Mühle den Bericht eines deutschen Müllers über einen Mühlentyp in einer Gegend der Ukraine, in der sich dieser Müller aufhielt. In diesem Bericht werden u. a. folgende Einzelheiten angeführt: der Unterbau ist ζ. B. zwölfeckig; çs ist eine Art Schuppen, aus Flechtwerk oder aus zerspaltenen Eichenästen zurechtgezimmert. Darauf stehe ein spitzes Strohdach. Der Durchmesser dieses Gehäuses beträgt 10 bis 15 m., die Höhe bis zur Spitze etwa 4 m. Durch das Strohdach hindurch ragt ein sechsseitiger Turm empor, der aus starken Eichenstämmen gebaut ist und dessen Höhe 10 bis 12 m beträgt. Bei einigen Mühlen dieser Art ist der Turm mit zerspaltenen Eichenästen oder-Stämmen bekleidet; bei den meisten ist er aber offen. Oben ist ein hölzerner Kranz angebracht, der dem Turm Festigkeit verleiht. Auf diesem Kranz liegt ein zweiter Ring, auf dem das Gebälk ruht, das die Haube darstellt, aber kein Dach trägt. Um zu verhindern, daß diese Haube oder der obere Ring vom Gestell verrutscht, hat der feste Kranz einen tieferen Rand. Die Flügel sind erstaunlich einfach. Die schwere hölzerne Flügelwelle ist an ihrem Kopfende an drei Stellen durchbohrt. In jeder der Öffnungen ist eine Tragstange angebracht, an der mit eisernen Ringen ein Verlängerungsstück befestigt ist. Dieses Verlängerungsstück trägt einen Rahmen, auf den man einfach Blechteile genagelt hat. Es sind also keine Segel da, die man reffen müßte. Am Haubenring ist ein aus drei (vielleicht hölzernen) Stangen zusammengesetztes Gestell befestigt, das den Sterz bildet. Die Mühle
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180 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde wird von außen gegen den Wind gerichtet. Obwohl wir nicht wissen, von welchem Teil der Ukraine in diesem Bericht die Rede ist, ißt dies aber kein Typ, den man selten nennen dürfte. Dem Bericht zufolge waren in jedem Dorf 2, 3 Mühlen dieser Art vorhanden. Trotz dieser einigermaßen ausführlichen Beschreibung ist von dieser Mühle in Wirklichkeit nur wenig bekannt. So wird ζ. B. nicht gesagt, ob die Seitenwände des Turmes eine Neigung aufweisen. Bekannt ist nur, daß die Mühle sechs Flügel und jeder Flügel einen mit Blech verschlagenen Rahmen hat, und daß die Mühle von außen mit Hilfe eines Sterzes gegen den Wind gerichtet wird.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE
244, 246
236 239
247, 248
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Bei dieser Betrachtung der Flügelformen bin ich mir durchaus dessen bewußt, daß ich nur über ein relativ geringes Material verfüge und daß das auf Rußland bezügliche Bildmaterial von schlechter Qualität ist. Auf Grund dieses Bildmaterials unterscheide ich nun folgende Flügelformen: 1. Vier Flügel, die alle aus einer halben Rute bestehen, über welcher Querlatten angebracht sind. Soweit man der Sache nachgehen kann, sind an diesem Rahmen dünne Brettchen befestigt, die ihn ganz oder nur teilweise bedecken. Die Flügel haben die Form eines Trapezes und bilden mit der Drehungsebene einen Winkel. Diese Flügelform kommt bei der Bockmühle und der Wippmühle vor*. 2. Vier Flügel, die alle aus einer halben Rute bestehen. An der einen Seite der halben Rute ist ein Rahmen angebracht, der teilweise mit dünnen Brettchen bedeckt ist. Der Flügel hat die Form eines Trapezes. Es ist nicht ersichtlich, ob die Flügel mit der Drehungsebene einen Winkel bilden, oder ob sie eine Wölbung aufweisen. Diese Flügelform kommt bei der Bockmühle vor*. 3. Wie die unter 2 beschriebenene Flügel, aber rechteckig und ganz mit dünnen Brettchen bedeckt. Diese Form kommt bei der Bockmühle vor*. 4. Vier Flügel, die alle aus einer halben Rute bestehen. An der einen Seite der halben Rute befindet sich ein Gatter, das aus drei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten besteht. An der anderen Seite der halben Rute befinden sich Windbretter. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Die Gatter können mit einem rechteckigen Segel bespannt werden. Diese Flügelform kommt bei der konischen Turmmühle und der eckigen Turmmühle vor*. Auf der Abb. 236 ist bei der Mühle ganz rechts nicht ersichtlich, ob diese Flügel auch ganz zu diesem Typ gehören. Vermutlich gehörten die Flügel der leichtkonischen Turmmühle auf der Krim ebenfalls zu diesem Typ. 5. Sechs Flügel, die alle aus einer halben Rute bestehen. Über dieser halben Rute ist ein Rahmen angebracht, der mit dünne Holzbrettchen bedeckt ist. Der Flügel hat die Form eines Trapezes und bildet mit der Drehungsebene einen Winkel. Diese Flügelform kommt bei der Bockmühle vor*. Vermutlich sind die Flügel der eckigen Turmmühle in der Ukraine auch diesem Typ zuzurechnen, mögen sie auch mit Blech bedeckt sein. 6. Sechs Flügel, die alle aus einer halben Rute bestehen. An der einen Seite dieser halben Rute ist ein Rahmen angebracht, der mit dünnen Holzbrettchen bedeckt ist. Der Flügel ist rechteckig und bildet mit der Drehungsebene einen Winkel. Diese Flügelform kommt bei der Bockmühle vor*. 7. Sieben Flügel, die alle aus einer Stange bestehen. An beiden Seiten dieser Stange ist ein rechteckiges Gatter angebracht, das an beiden Seiten aus zwei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten besteht. Uber diese rechteckigen Gatter können
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Segel gespannt werden. Zwischen je zwei Flügeln ist eine Stange angebracht, und über die Spitzen dieser Stangen sind zu den sieben Flügeln Verbindungen gelegt, so daß das Ganze ein Rad bildet, in das die Flügel eingefaßt sind. Die Flügel selbst bilden mit der Drehungsebene einen Winkel. Ich habe den Eindruck, daß das Ganze durch Spannseile zwischen dem Kopf der Flügelwelle und dem Topp der einzelnen Stangen zusammengehalten wird*. Nach ZELENIN (7, S. 92) gibt es gewöhnlich zwischen vier und sechs Flügel, selten acht, und die Flügel sind mit Brettchen versehen. Ich habe den Eindruck, daß die gängige Form das Flügelkreuz ist. Eine Mühle mit acht Flügeln ist mir nicht begegnet; dagegen kennen wir wohl Mühlen mit sieben Flügeln. MANNINEN (2, S . 2 6 5 ) bemerkt in der Tat: „Flügel sind gewöhnlich vier, seltener sechs vorhanden". Er erklärt, daß er in Estland keine anderen Mühlen mehr kannte, die sieben Flügel haben (2, S. 265).
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Nach den Darstellungen in unserem Bildmaterial gibt es offenbar folgende Haubenformen: 1. Die Sattelform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle und bei der Wippmühle vor. 2. Die Bootform. Diese Konstruktion kommt bei der konischen Turmmühle und bei der eckigen Turmmühle vor.
QUELLEN 1. Paul Johansen: „Siedlung und Agrarwesen der Esten im Mittelalter", in: Verhandlungen der Gelehrten Estnischen Gesellschaft, Bd. X X I I I , Dorpat, 1926. 2. Manninen: Die Sachkultur Estlands II. Sonderabhandlungen der Gelehrten Gesellschaft II, Tartu, 1933. 3. H. A. Visser: Zwaaiende wieken. Over de geschiedenis en het bedrijf van de windmolens in Nederland, Amsterdam, 1946. 4. Alfred Ronse: De windmolens, Brugge, 1934. 5. Kriegskarte: Sveriges Krig, Pernau 1609 Nr. 1. 6. Kriegskarte: Handritade lcartverk nr 28 sheet 3, 1634-1639. 7. Dmitrij Zelenin: Russische (ostslavische) Volkskunde, Berlin und Leipzig, 1927. 8. Sven B. Ek: Väderkoarnar och vattenmöllor, Stockholm, 1962. 9. J. S.: „Power of wind as applied to flour mills", in: The practical mechanic's journal, Vol. VIIIsecond series, April 1863-March 1864, London. 10. C. P. Skilton: British windmills and watermüls, London, 1947. 11. August Wilhelm Hupel: Oekonomisches Handbuch für Lief- und Ehstländische Guthaherren, H , 1796. 12. Fr. van Schwartz: Turkestan, Freiburg i/B, 1900. 13. V. Hueck: Darstellung der landwirtschaftlichen Verhältnisse in Esth-, Liv- und Curland, Leipzig, 1846. 14. Est- und Livländische Brieflade. Eine Sammlung von Urkunden zur Adels- und Gütergeschichte Est- und Livlands, I. Theil, herausgegeben von Dr. F. G. von Bunge und Baron R . v. Toll: I. Band, Reval 1856; II. Band, Reval 1857; Π . Theil, herausgegeben von E . Pabst und Baron R . v. Toll: I. Band, Reval 1861; II. Band, Reval 1864. 16. Greville Bathe: Horizontal windmills, draft mills and similar air-flow engines, Philadelphia, 1948. 16. Dr.-Ing. Werner Lindner: Die Ingenieurbauten in ihrer guten Gestaltung, Berlin, 1923.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
17. Hugo Tb. Horwitz: „Entstehung und Verbreitung der Windräder", in: C. Matschoss: Technikgeschichte, Berlin, 1933. 18. Prof. Dr. R. Karutz: Atlas der Völkerkunde. Die Völker Nord- und Mittel-Asiens, Bd. I, Stuttgart, 1925; Die Völker Europas, Bd. II, Stuttgart, 1926. 19. A. L. Mongait: Archaeology in the U.S.S.R., London, 1961. 20. Rex Wailee: The english windmill, London, 1959.
Schottland Schottland ist ein in der Hauptsache hügeliges Land. Durch seine zahllosen sanft geschwungenen Hänge verfügt es über viel Wasserkraft. Die Tiefebenen sind nur schmal Man kann also erwarten, daß die Windmühle in diesem Land niemals eine vorherrschende Stellung eingenommen hat (1, S. 14; 2, S. 231). In der Mühlenliteratur wird behauptet, daß keine frühen Berichte über Windmühlen in diesem Lande vorhanden sind (1, S. 12). Ob diese Aussage tatsächlich stimmt, habe ich nicht feststellen können. FATRNBAIRN (3, S. 289) teilt mit, daß eine der ersten in Schottland verwendeten Windmühlen die bei Dunbar war, die 1720 errichtet wurde. Nach diesem Autor war es die Kopie einer Graupenmühle aus den Niederlanden. MCLABEN (1, S. 7) errechnet seinerseits auf indirekte Weise eine Datierung der Windmühle in Dunbarney um 1697. SLEZER (4, Β 6) gibt in seinem Werk aus dem Jahre 1693 ein Stadtbild von Montrose, auf dem eine Windmühle vorkommt. SLEZER, ein Niederländer, war 1669 nach Schottland gekommen (2, S. 12; 6). Diese Mühle hat also zwischen 1669 und 1693 existiert. Der älteste, mir bekannte Bericht stammt aber aus dem Jahre 1600. In diesem Jahr schenkte König James VI das Recht, in der „burgh" ,,more milns as well wind as water milns for the common and public utility and profit of the burgh" zu bauen. Aus der Literatur kann man entnehmen, daß in den folgenden Ortschaften Windmühlen vorhanden waren: Withorn (5, S. 144), Dunbarney (1, S. 6, 7), Dunfries, Myrehead, Monckton, Dysart, Balgone, Dunbar (1, S. 12), Montrose (4, Β 6), Dunkeid (1, Plate II) und Aberdeen (1, S. 10). So viel ich weiß, sind alle diese Ortschaften in den sogenannten Lowlands und in den Ebenen an der östlichen und der südwestlichen Küste Schottlands gelegen. Es gab außerdem noch Windmühlen auf den Orkney-Inseln (6). Von all diesen Mühlen ist nur noch höchstens der Mühlenkörper erhalten geblieben, und diese Ruinen sind also die einzigen Überbleibsel des ursprünglichen Mühlenbestandes in Schottland. Es ist nirgends davon die Rede, daß man je Maßnahmen getroffen hat, um einen Teil der Überreste für die Zukunft zu retten. Dieser Verfall hat offenbar schon früh eingesetzt, denn nach MCLAREN wurde die Windmühle in Balgone, die jetzt als Taubenschlag verwendet wird, schon auf der 1799 von Forrester herausgegebenen Karte von Haddingtonshire als „pigeon cot" verzeichnet. Als Abschluß dieses allgemeinen Teils sei hier noch ein Bericht über eine Mühle in Fife aus dem Jahre 1760 angeführt (9, S. 224). Der Text soll hier nicht übersetzt werden, da aus den Ausführungen nicht deutlich genug hervorgeht, um welchen Mühlentyp es sich in diesem Fall handelt. Der Bericht lautet wie folgt: „To the west of the town, Mr Robertson of Fife has in conjunction with a Company, built a most extraordinary Windmill of his own invention, the appearance of which I observed was so extraordinary under those particular circumstances which may rarely happen. The Diameter of the room is 30 feet, the wall is six feet thick and I believe about twenty high, on this by
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triangular Machinery is fixed a wheel with three radii 56 feet and 8 inches in Diameter. There are 24 radii more which are strengthened by a piece of timber fixed at one end and to the axle of the Wheel, forty-eight in all, according as the Wind requires; so that if the wind is high they are fixed more upright to the wind, that they may take less of it : The grand wheel is moved round properly to the wind by a cogwheel, which turns in a hoop of iron fixed horizontally all round the top of the tower: on which the whole machinery belonging to the wheel turns and moves the wheel with it: The Machinery of the wheel itself is most like the wheel of a Ventilator: It turns four Mille, for barley, oats, wheat, and is of power to move a much greater number: As the Machine must be turnes to the wind that it may pass through the vanes, set with the edges opposite to the wind; the question is how it will stand stormy nights when the wind often veers about, and may take it every way in a very short time". Diese Beschreibung reicht m. E. nicht aus, um von der Beschaffenheit dieser besonderen Mühle eine deutliche Vorstellung zu geben.
MÜHLENTYPEN
A. D I E HORIZONTALE WINDMÜHLE
Nach B A T H E (7, S. 16, 37) soll Prof. Blyth aus Glasgow um 1890 eine horizontale Windmühle erfunden haben, deren Beschreibung 1905 in Bankin Kennedy's Modem Engines and Power Generators, Vol. I, S. 13 und 14* veröffentlicht wurde. BATHE ist jedoch der Ansicht, daß sie keine neue Erfindung war, da sie eigentlich auf der Anwendung eines Windmessers beruhte, den Dr. Thomas R. Robinson 1843 erfunden hatte, als er im Armagh Observatory in Irland tätig war. Es gibt aber keine Belege dafür, daß die horizontale Windmühle dieses Entwurfes je gebaut worden ist.
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B. D I E VERTIKALE WINDMÜHLE.
I. Die nicht-drehbare Mühle Es sind keine Daten vorhanden, aus denen hervorgeht, daß es in Schottland je eine nicht-drehbare Mühle gegeben hat. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse Der einzige Mühlentyp dieser Klasse, über den einige Berichte zu uns gelangt sind, ist: a. Die Bockmühle. McLaren (1,S. 12) erklärt: "The earliest form of windmill was of the 'post mill' type". Der Verfasser erwähnt aber nicht, worauf seine Aussage gestützt ist. Dennoch erweist es sich, daß es wenigstens in Pechole (North Ronaldshay) auf den Orkney-Inseln eine Bockmühle gegeben hat*. Bei dieser Bockmühle sehen wir, daß das Fußstück in einen gemauerten abgestumpften Kegel eingebaut iet. Der Mühlenkörper hat die Form eines Kubus, wie wir sie aus Rußland und Rumänien kennen. Die Flügel des Flügelkreuzes sind sehr primitiv. Das Gatter erstreckt sich an beiden Seiten der halben Rute mit einer Längslatte an jeder Seite. Die Flügelwelle ist nach außen hin verlängert, und vom Kopf dieser verlängerten Flügelwelle laufen Spannseile zu den Flügeln. Der Mühlenkörper wird mit
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Hilfe eines Stakens gegen den Wind gerichtet. Am Ende dieses Stakens ist ein Rad befestigt, das der Mühle einen besonderen Stützpunkt gibt. Es ist mir nicht bekannt, wann diese Mühle in Schottland oder wenigstens auf den Orkney-Inseln Eingang gefunden hat. Auch welche Verbreitung sie gehabt haben und welches die Verbreitungsdichte war, ist nicht bekannt. Von der hier abgebildeten Mühle weiß man, daß sie bis ungefähr 1960 in Betrieb war (6). III. Mühlen mit drehbarer Haube
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a. Die Zylindrische Turmmühle. In Schottland kamen zylindrische Turmmühlen vor. Die Flügel scheinen die Form eines Trapezes zu haben. Auf Abb. 252 ist der eine Teil eines Aquarellbildes von Whithorn dargestellt. Dieses wurde 1825 gemalt und wird im Whithorn Priory Museum aufbewahrt (5, S. 144). Es handelt sich hier offenbar um eine zylindrische Turmmühle. Die Haubenform ist konisch. Die Flügel sind undeutlich, aber sie bilden ein Flügelkreuz, und ich glaube sogar, ein Gatter an der einen Seite der halben Rute unterscheiden zu können. Die Ruine dieser Mühle war 1948 noch vorhanden. Die Mühle hatte offenbar zwei Stockwerke. Sie war aus rotem Sandstein und Backstein gebaut und ungefähr 22 Fuß hoch. An der Westseite des Mühlenkörpers, und zwar draußen, führte eine Steintreppe zum oberen Stockwerk. Wann dieser Mühlentyp in Schottland Eingang gefunden hat, ist mir nicht bekannt. Auch in bezug auf Verbreitung und Verbreitungsdichte ist nichts bekannt. Vermutlich wurden diese Mühlen von innen her gegen den Wind gerichtet*. b. Die leicht-konische Turmmühle. Die Turmmühlen in Dunkeid*, in Dunbarney* und in Dysart* möchte ich in der Gruppe der leichtkonischen Turmmühlen unterbringen. Soweit ich aus Abb. 253 glaube ersehen zu können, trägt diese Mühle in Dunkeid eine konische Haube. Die Flügel des Flügelkreuzes haben höchstwahrscheinlich ein Gatter an der einen Seite der halben Rute. Aus der Abbildung ist nicht ersichtlich, wie die Haube gegen den Wind gerichtet wurde. Der Rumpf der Mühle in Dunbarney hat zweifellos die leicht-konische Form*. M C L A B E N gibt von diesem Rumpfeine ausführliche Beschreibung ( 1 , S. 6). Bei diesem Turmmühlentyp in Schottland fällt es auf, daß der Mühlenkörper mit einem unter dem Erdboden gelegenen Raum verbunden ist, der die Form einer überwölbten Kammer aufweist. Dieser Raum reicht außerhalb des eigentlichen Mühlenkörpers noch etwas tiefer in den Erdboden hinunter*. Es war dies die Stelle, wo das Mehl aufgefangen wurde, und möglicherweise diente sie noch als Lagerraum (1, S. 6). Die Mühle in Dysart ist jetzt als Taubenschlag eingerichtet worden*. Auch diese Mühle hatte einen unterirdisehen Raum*. Wann dieser Mühlentyp zum ersten Mal gebaut wurde, ist mir unbekannt. M C L A B E N (1, S. 12) erklärt, daß die Mühle um 1697 errichtet wurde. Welche Verbreitung dieser Mühlentyp gehabt hat, ist mir nicht bekannt. Bevor wir diesen Abschnitt über die leicht-konische Turmmühle abschließen, möchte ich noch einiges über die Rekonstruktion der Mühle in Dunbarney* anführen. Die leicht-konische Turmmühle gehört mit der zylindrischen Turmmühle zur Gruppe der Mühlen des sogenannten Mittelmeertyps. M C L A R E N rechnet aber die Mühle in Dunbarney zu den holländischen Mühlen. Er hat denn auch seine Rekonstruktionszeichnungen auf Grund der Angaben im Moolenboek, Amsterdam 1736 (10) entworfen. Dieses Mühlenbuch gibt verständlicherweise Daten über die Beschaffenheit von Mühlen,
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die zur Gruppe der holländischen Mühlen gehören. Es scheint mir aber ein sehr anfechtbares Unterfangen zu sein, die Rekonstruktionszeichnung einer Mühle in Schottland auf Grund von Angaben über holländische Mühlen entwerfen zu wollen. Es ist m. E. sehr fraglich, ob die ursprüngliche Windmühle in Dunbarney eine Haube in der Form eines Bootes hatte. Es ist ebenfalls zweifelhaft, ob diese Mühle ursprünglich von außen gegen den Wind gerichtet wurde. Auch eine Rekonstruktion der Flügelform ohne Kenntnis der Merkmale der ursprünglichen Windmühle hat etwas von einem Hasardspiel. MCLABEN'S ausführliche Beschreibung (1, S . 6) beruht höchstwahrscheinlich nur auf einer nach dieser Methode entworfenen Zeichnung und ist also als solche sehr fragwürdig. In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine Aussage des schottischen Mühlenbauers Gray (11) hinweisen, der in seinem 1804 erschienenen Werk für die Verbesserungen, die er vorschlägt, zweifellos von den am häufigsten vorkommenden Mühlen ausgegangen ist. In der Widmung dieses Buches schreibt er nämlich: „To the right honourable and honourable The Highland Society of Scotland. Your attention having been uniformly directed to the improvement of the internal resources of the country . . . the following Work, which is intended to give a view of the improved state of some very important Machines, now employed to facilitate and abridge manual labour . . .". Aus der Zeichnung der Plate XV dieses Werkes ist nicht ersichtlich, ob es sich um eine konische Turmmühle oder um eine leicht-konische Turmmühle handelt. Die Haube ist jedoch konisch, und vom Kopf der verlängerten Flügelwelle laufen Spannseile zum Topp der einzelnen Flügel. Diese Haube und diese Spannseile sind beide typische Merkmale für die Gruppe der Mühlen im Mittelmeergebiet. Aus der Beschreibung ergibt sich außerdem, daß die Mühle von innen her gegen den Wind gerichtet wurde (11, S. 40). GRAY erwähnt übrigens auch eine Mühle mit fünf Flügeln (11, S. 41). Zuletzt wird noch vermerkt, daß man für den Betrieb der Windmühle auch Pferde einspannen konnte (11, S. 40). c. Die konische Turmmühle. Es ist nicht ersichtlich, wie der mißgestaltete Mühlenstumpf einzuordnen ist, der von der Windmühle in Myrehead übrig geblieben ist*. Seine Höhe beträgt ungefähr 40 Fuß. Dies ist schon ein Kennzeichen dafür, daß die Mühle zum nördlichen Typ gehört, also zur Gruppe der holländischen Mühlen. Außerdem ist es deutlich, daß die Mühle einen Laufsteg gehabt hat. Bei dieser Mühle ist von einem unterirdischen Raum nicht die Rede. Die Mühle soll aus dem Ende des 18. oder dem Anfang des 19. Jahrhunderts datieren. Es ist möglich, daß die Mühle von Dunbar, die schon in unserem allgemeinen Teil erwähnt wurde, auch zu diesem Typ gehörte. Sie wurde 1720 errichtet. Wann die erste Mühle dieses Typs nach Schottland kam, ist mir unbekannt. Auch über Verbreitung und Verbreitungsdichte ist mir nichts bekannt. Ob diese Mühle von innen her oder von außen in den Wind gedreht wurde, entzieht sich ebenfalls meiner Kenntnis. d. Die eckige Turmmühle. Ich habe keine Daten vorgefunden, die darauf hinweisen könnten, daß dieser Mühlentyp jemals in diesem Land existiert hat.
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FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN" MÜHLE Das einzige, was hier mit Sicherheit gesagt werden kann, betrifft das Flügelkreuz der Bockmühle auf den Orkney-Inseln*. Es besteht aus vier Flügeln mit einem Gatter an beiden Seiten der halben Rute. Dieses Gatter hat eine Längslatte zu beiden Seiten
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186 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde der halben Rute. Ob darüber ein Segel gespannt wird, ist mir nicht bekannt. Es ist nicht ersichtlich, ob die Flügel mit der Drehungsebene einen Winkel bilden oder eine Wölbung aufweisen. Von der verlängerten Flügel welle laufen Spannseile zu den Enden der Flügel. Übrigens haben, soweit man der Sache nachgehen kann, die anderen Mühlentypen stets vier Flügel.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE In Schottland kommen die folgenden Haubenformen vor: 1. Die Sattelform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. 2. Die konische Form. Diese Konstruktion kommt bei der zylindrischen Turmmühle und der leicht-konischen Turmmühle vor.
QUELLEN
1. Thomas McLaren: „Old windmills in Scotland", in: Proceeding of the Society of Antiquaries of Scotland, Vol. 79 (1944-46), Edinburgh, 1946. 2. J. S.: „Power of wind as applied to flour mills", in: The practical mechanics journal, Vol. VIIIsecond series, April, 1863-March, 1864, London. 3. William Fairnbairn: Treatise on mills and millwork, London, 1864. 4. John Siezer: Theatrum Scotiae, London, 1694. 5. F. A. Greenhill: „Old windmill at Whithorn, Wigtownshire", in: Proceeding of the Society of Antiquaries of Scotland. Session 1945-1946, Vol. 80, seventh series-Vol. I l l , Edinburgh, 1948. 6. Brief des Assistant Keeper of the National Museum of Antiquities of Scotland, Edinburgh, vom 3. 7. 1963. 7. Greville Bathe: Horizontal windmills, draft mills and similar air-flow engines, Philadelphia, 1948. 8. Stirlingshire: An inventory of the ancient monuments, Vol. II. The Royal Commission on the ancient and historical monuments of Scotland, 1963. 9. Richard Pococke's tour in Scotland 1747, 1760, 1760, in: Scottish History Society, Edinburgh, 1887. 10. Groot Volkomen Moolenboek: of naukeurig ontwerp van Moolens, door Leendert van Natrus, Moolemaker te Amsterdam, Cornells van Nuuren en Jacob Polly, moolmakers te Saardam, Vol. II, Amsterdam, 1736. 11. Andrew Gray: The experienced millwright or, a treatise on the construction of the most use fid machines with the latest improvements, Edinburgh, 1804.
Schweden Die Literatur über Schweden kennt Windmühlen in diesem Land aus der Zeit um 1300. Dies erwähnt E R I X O N (1, S. 44) auf Grund der Ausführungen Wadströms zu dieser Frage (2). Das Verbreitungsgebiet der Windmühlen muß im südlichen Teil Schwedens gesucht werden. Man findet die Windmühlen vor allem in den ziemlich ebenen Gebieten wie Skâne, Västergötland in den Ebenen in Mittelschweden und auf den Ostsee-Inseln öland und Gotland (3, S. 4).
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Wieviel Windmühlen diese Gebiete im Laufe der Zeit besessen haben, ist mir unbekannt. Wohl erwähnt BOONENBTTRG (3, S. 5), daß Stockholm 1 5 3 5 zwei Windmühlen hatte. Auf Stichen aus dem 17. Jahrhundert mit dem Stadtbild von Stockholm stehen die Windmühlen in Reihen von fünf und sechs hintereinander auf Felsenrücken im Hintergrund. Der Mühlenbau hat hier anscheinend nach der Rückkehr des Zaren Peter aus den Niederlanden (s. dort ab S. 126) einen neuen Antrieb erhalten. Dieser Zar hat ja an den windreichen Küsten, u. a. in Schweden, Holzsägemühlen nach holländischem Modell bauen lassen. Dies muß also nach 1697 bzw. 1717 geschehen sein (4, S. 69). Aus EK'B Untersuchungen (5) geht deutlich hervor, daß die Gesetzgebung auf die Verbreitung u. a. auch von Windmühlen von Einfluß sein kann. Dieser Autor hat seine Untersuchungen besonders auf Skáne gerichtet. Er hat festgestellt, daß die Gemeindemühle nicht gebräuchlich war, daß selten von Hausbedarfvermahlung die Rede war und daß „Zwangsmühlen" (Mühlen, die die Herumwohnenden zu benutzen gezwungen waren) vorherrschten (5, S. 297). Es hat sich ferner gezeigt, daß es in bezug auf die Errichtung von Zwangsmühlen Rechtssätze gab, deren Zweck es war, die Zwangsmühlen zu schützen und damit auch die Erträge aus diesen Mühlen zugunsten der Besitzer (außer der Krone Herren und Kirchenbehörden) sicherzustellen (5, S. 297, 298). Das bedeutete, daß alle anderen Mühlen (Waeserradmühlen und Windmühlen) im Gebiet einer Zwangsmühle verboten waren. In dieser Hinsicht unterschied sich der Zustand in Schweden nicht von dem in vielen anderen Ländern West-Europas. Der erste Unterschied zu diesen Ländern war in jenen Gebieten Schwedens spürbar, in denen keine Zwangsmühlen vorhanden waren. Hier galten also auch keine der Rechtssätze zum Schutz der Zwangsmühlen. Es gab daher für die Bauern kein einziges Hindernis, für ihren eigenen Bedarf zu mahlen (5, S. 297). Dies geschah nun mit Hilfe jener Mühlen, die sich besonders für diese Hausbedarfvermahliing eigneten, nämlich der vertikalen Wasserradmühle, der Bockmühle und der Wippmühle. In solchen Gebieten nahm die Zahl der Wasser- und Windmühlen in demselben Maße zu, wie sich der Bedarf erhöhte. In anderen Ländern West-Europas war diese Entwicklung nicht möglich, da die Herrenrechte bezüglich der Benutzung von Wasser und Wind für den Bau jeder einzelnen Wasserradmühle und Windmühle die Zustimmung des Herrn voraussetzten. Ein zweiter Unterschied mit anderen Ländern West-Europas lag möglicherweise in dem Umstand, daß die Zahl der Zwangsmühlen in einem bestimmten Gebiet nicht mit dem steigenden Bedarf an solchen Mühlen Schritt hielt. Die Leistung der bestehenden Zwangsmühlen reichte also nicht aus, um den Vermahlungsbedarf der unter dem Zwang dieser Mühlen stehenden Bevölkerung zu befriedigen. Dies war gerade der Fall in den volkreichen, getreideerzeugenden Gebieten (5, S. 297). Diese Rechtssätze haben in Schweden von der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein das Wirtschaftsleben beherrscht. Sie sind während dieser ganzen Zeit angewandt worden. Wenn im Gebiet einer Zwangsmühle eine andere Mühle ohne Erlaubnis erbaut worden war, mußte sie auf Befehl der Behörden niedergerissen werden (5, S. 297). Aus diesen Ausführungen geht hervor, daß für jene Zeit in Schweden in bezug auf die Vermahlungsbedürfnisse zweierlei Gebiete zu unterscheiden sind. In Gebieten, in denen keine Zwangsmühlen vorhanden waren, konnten sich die Wasser- und Windmühlen den steigenden Bedürfnissen entsprechend auf eine natürliche Weise verbreiten. Dagegen wurde in Gebieten mit Zwangsmühlen diese natürliche Verbreitung verhindert .
188 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde Einerseits können wir dann ζ. B. feststellen, daß im 18. Jahrhundert auf der Insel öland für die Hausbedarfvermahlung eine große Anzahl von Bockmühlen errichtet worden ist. Das war auf dieser Insel möglich, weil Zwangsmühlen hier praktisch fehlten (5, S. 298). Andererseits ist Εκ der Ansicht, daß die Windmühlen holländischen Typs in Skâne erst so spät (gegen das Ende des 18. Jahrhunderts) Eingang gefunden haben, weil die Rechtssätze zum Schutz der hier vorhandenen Zwangsmühlen es so lange verhindert hatten (5, S. 301). Außer diesen Rechtssätzen haben in Schweden noch andere Faktoren die Verbreitung der Windmühle beeinflußt. Einer dieser Faktoren bewegt sich auf kultur-geographischem Gebiet. Die Urbarmachung von wüstem Boden und die Entwässerung haben Änderungen in der Wasserbewirtschaftung hervorgerufen. Diese hatten gewöhnlich zur Folge, daß die Zahl der vertikalen und horizontalen Wasserradmühlen zurückging. So mußte die Aufgabe dieser Mühlen von Windmühlen übernommen werden. Dies geschah im 19. Jahrhundert (5, S. 302). Ein anderer Faktor war die Bevölkerungszunahme, vor allem im 19. Jahrhundert. Dies bedeutete also eine Zunahme des Mehlbedarfs. Die Aufhebung der hinderlichen Rechtssätze brachte sofort eine Vermehrung der Windmühlen (5, S. 302). Die Urbarmachung von wüstem Boden und die Bevölkerungszunahme riefen indessen einen größeren Wohlstand hervor. Dies ergab wiederum einen besonderen Antrieb zur Errichtung von kostspieligeren Mühlen mit größerem Leistungsvermögen und verhalf u. a. dem holländischen Windmühlentyp zu einer größeren Verbreitung. Ihrerseits war dann die größere Leistung dieser Mühlen Ursache einer stärkeren Konkurrenz hinsichtlich der Mühlen mit geringerem Vermögen. Dadurch geriet die Bockmühle in arge Bedrängnis und viele Bauern gaben die Hausbedarfvermahlung auf und ließen ihr Getreide gegen Entgelt in den Mühlen mit größerem Leistungsvermögen vermählen. So ging dann letztlich die Zahl der Mühlen zurück, die für die Hausbedarfvermahlung besonders geeignet waren, nämlich die vertikale Wasserradmühle, die primitive horizontale Wasserradmühle, von den Windmühlen die Bockmühle und die Wippmühle (5, S. 302). Εκ behandelt aber nicht die Frage, ob bei diesem Übergang auch die Qualität des auf den großen Mühlen gemahlenen Mehls möglicherweise von Einfluß gewesen ist. Wieweit der Verfall der Windmühlen in Schweden fortgeschritten ist, ist mir nicht bekannt. Wohl weist B O O N E N B U R G (3, S. 5) daraufhin, daß in Stockholm von den vielen Windmühlen aus früheren Jahrhunderten nur noch fünf übergeblieben sind. Schweden hat sich aber bemüht, eine Anzahl Windmühlen in Freiluftmuseen für die Nachkommenschaft aufzubewahren. Die Funktion der Windmühle in Schweden war hauptsächlich das Mahlen von Getreide. Daneben gab es Mühlen für das Zersägen von Holz und eine einzige Ölmühle.
MÜHLENTYPEN A . D I E HORIZONTALE W I N D M Ü H L E
In Schweden ist die horizontale Windmühle bekannt. Εκ (5, S. 18) sagt aber dazu, daß diese Mühle ein Sonderfall ist. Die Flügel drehen sich offenbar oberhalb des Standes der Mühlensteine. Εκ bemerkt außerdem, daß diese Mühle es mit der vertikalen Mühle nicht aufnehmen konnte. Er gibt von der betreffenden Mühle weder eine Abbildung noch eine genaue Beschreibung.
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Β. D I E VERTIKALE WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Es sind mir keine Daten, begegnet, aus denen hervorgeht, daß Schweden eine nichtdrehbare Mühle gekannt hat. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse a. Die Bockmühle. Die älteste Mühle in Schweden ist die Bockmühle (1, S. 44). Der früheste überlieferte Bericht, der sich auf diesen Mühlentyp bezieht stammt aus der Zeit gegen 1300. Die erste Abbildung einer Mühle dieser Art in Schweden stammt aus dem 16. Jahrhundert. Diese Mühle wird in Schweden als stolpkvarn oder auch als Stubbakvarn bezeichnet (3, S. 5). Als Verbreitungsgebiet dieses Mühlentyps kann man das ganze südliche Gebiet von Schweden sowie die Inseln öland und Gotland betrachten. Die Mühlen von öland scheinen primitiv geblieben zu sein. Die Gatter befinden sich an beiden Seiten der Rute (3, S. 100; 4, S. 199; 6, S. 14; 7, S. 116)*. Von Skâne werden aber „großartige" Bockmühlen gemeldet (7, S. 116), wie diese des öfteren auf dem Festland vorkommen*. Wie groß die Zahl der Mühlen gewesen ist, ist mir nicht bekannt. Aus einem Diagramm des Kreises Scytt geht hervor, daß sie dort 1850 ihren Höhepunkt erreichten, während nach 1900 ein anhaltender starker Bückgang erfolgte (5, S. 201). In der allgemeinen Einleitung dieses Abschnitte über Schweden wurde schon festgestellt, inwieweit Verbreitung und Größe des Mühlenbestandes von den herrschenden Rechtssätzen abhängig waren im Hinblick auf die Zwangemühlen. Wir können bei den Bockmühlen in Schweden offene und geschlossene Bockmühlen unterscheiden. Abb. 260 gibt uns ein Beispiel der offenen Bockmühle auf öland. Auf derselben Insel finden wir auch die geschlossene Variante*. Das Fußstück wird durch einen Wall von aufeinander geschichteten Steinen umschlossen. Geschlossene Bockmühlen finden wir ferner auf der Insel Gotland*. Der Fuß ist auch hier mit Steinen bedeckt. Auf dem Festland kommt dagegen eine geschlossene Bockmühle vor, bei der die bis ganz unten verlängerten Seiten wände des Mühlenkörpers den Fuß abschirmen*. b. Die Wippmühle. Diese Mühle, die in Schweden als „holkkvarn" bezeichnet wird, besteht hier wie in anderen Ländern aus einem unteren und einem oberen Gehäuse. Im oberen Gehäuse ist das Triebwerk untergebracht und im unteren sind die Werkzeuge aufgestellt. Das obere Gehäuse dreht sich auf einem Gleitring, der auf dem Dach des unteren Gehäuses angebracht ist. Dieser Gleitring umfaßt den Köcher, um den das obere Gehäuse gebaut ist und durch den dieses im Gleichgewicht gehalten wird*. Die Wippmühle in Schweden unterscheidet sich z. B. von der Wippmühle in den Niederlanden, in Deutschland und in Polen durch den breiteren und prismaförmigen Unterbau. Hierin stimmt sie mit den Wippmühlen in Finnland und einigermaßen mit denen in Frankreich überein. Nach Εκ (5, S. 16) gibt es zwischen den Wippmühlen in Ost- und West-Schweden einen Unterschied in den Dimensionen*. Diesen Mühlentyp bauten die Bauern in Schweden für die Hausbedarfvermahlung. Er konnte sich seit dem 17. Jahrhundert in Västergötland durchsetzen, weil es dort kaum Zwangsmühlen gab (5, S. 296, 301).
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in den einzelnen Ländern der Erde
Die Zahl dieser Windmühlen soll in diesem Gebiet besonders groß gewesen sein. Vom Verfall dieser Mühlen infolge der Inbetriebsetzung von Mühlen mit einem größeren Leistungsvermögen war schon im allgemeinen Teil dieses Kapitels die Rede. e. Die Paltrockmühle. Ein Mühlentvp, der in Schweden in einem beschränkten Maße Verbreitung gefunden hat, ist die Paltrockmühle oder „skenkvarn", wie sie auf schwedisch genannt wird. Es wurde diese Mühle vom Bauern für seinen eigenen Bedarf benutzt (5, S. 19). Ich habe aber nicht erfahren können, welche besondere Funktion dieser Mühlentyp in dieser Hinsicht erfüllte. Der Mühlenkörper, der aus Holz gebaut ist, hat die Form einer vierseitigen Pyramide und trägt ein Satteldach*. Müssen wir in dieser Mühle die ursprüngliche Form der Paltrockmühle sehen? Es ist mir nicht bekannt, wo dieser Mühlentyp in Schweden vorkam. Εκ (δ, S. 20) kennt diesen Typ aus Uppland und bemerkt dazu, daß es nur wenige Mühlen dieser Art gibt. Wann diese Mühle zum ersten Mal in Schweden erschienen ist, entzieht sich ebenfalls meiner Kenntnis. d. Der Tjasker. Nach dem mir zur Verfügung stehenden Material kommt diese Mühle in Schweden nicht vor. III. Mühlen mit drehbarer Haube
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a. Die zylindrische Turmmühle. Ich habe keine einzige Spur auffinden können, die darauf hinweisen dürfte, daß es diesen Mühlentyp je in Schweden gegeben hat. b. Die leicht-konische Turmmühle. In dem mir zur Verfügung stehenden Bildmaterial kommt die Abbildung einer Mühle vor, die, der Form ihres Rumpfes nach, zu den leicht konischen Turmmühlen zu rechnen ist*. Diese kommt auf der Insel Gotland vor. Es ist mir nicht bekannt, ob auf dieser Insel oder im übrigen Teil Schwedens noch andere Mühlen dieses Typs vorkommen (Abb. 270 zeigt den Querschnitt einer leicht-konischen Turmmühle aus Schweden). Diese Mühle weist das Flügelkreuz auf und trägt eine sattelförmige Haube. Die Flügel werden von außen gegen den Wind gerichtet mit Hilfe eines Sterzgestells, das amunteren Ende mit einem Rad versehen ist, mit welchem sich dieses Sterzgestell auf den Boden stützt. c. Die konische Turmmühle. Ich habe nicht erfahren können, ob Schweden die konische Turmmühle gekannt hat. Auch Εκ (5) bringt keine einzige Abbildung eines solchen Mühlen typs. d. Die eckige Turmmühle. Diese Mühle, die man in Schweden wohl auch als holländische Mühle bezeichnet, wird von Εκ (5, S. 17) in die Gruppe der hättkvarnen untergebracht, also der Mühlen, bei denen der einem Turm ähnliche untere Teil nicht-drehbar ist und die einen kleinen, drehbaren Oberteil haben. In dieser Hinsicht folgt Εκ der von WADSTRÖM gegebenen Definition (2, S. 137). Nach ERIXON (1, S. 45) soll dieser Typ im 17. Jahrhundert Schweden erreicht haben. BOONENBXJRG (3, S. 5) gibt an, daß die erste „holländische Mühle" 1666 in Stockholm gebaut wurde. Erst nach 1700 wurde diese Mühle allgemein gebraucht. Die Zeit ihrer größten Verbreitung war aber die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts (5, S. 297). Wie es im allgemeinen Teil dieses Kapitels besprochen wurde, besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der späten Einführung dieses Mühlentyps in Schweden und den in diesem Land seinerzeit geltenden Rechtssätzen.
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Diese Mühlen wurden sowohl aus Holz* oder aus Holz mit Span* als auch aus Stein* aufgeführt. Das Verbreitungsgebiet dieses Mühlentyps erstreckt sich über Skâne, Bohuslän, Hailand, Västergotland, Uppland, Södermanland, den südlichen Teil von Smâland und den östlichen Teil von Blekinge. Die meisten Mühlen in diesen Gebieten weisen örtliche Unterschiede auf (5, S. 297), wie dies zum Teil aus den Abb. 271, 272 und 273 ersichtlich ist.
271, 272, 273
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Auf Grund des Bildmaterials kann man in Schweden die folgenden Flügelformen unterscheiden: 1. Vier Flügel mit dem Gatter an beiden Seiten der halben Rute in der Form eines Trapezes. Auf jeder Seite der halben Rute läuft eine Längslatte mit einer Anzahl von Querlatten. Zwischen diesen Latten werden hölzerne Brettchen angebracht. Die Flügel bilden mit der Drehungsebene einen Winkel oder weisen sogar eine leichte Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle, der Wippmühle und der leicht-konischen Turmmühle vor. 2. Vier Flügel in der Form eines Rechteckes mit einem Gatter an der einen Seite der halben Rute. An der anderen Seite der halben Rute befinden sich keine Windbretter. Das Gatter besteht aus drei Längslatten und vielen Querlatten. Über das Gatter kann ein Segel gespannt werden. Das Gatter ist an der Seite der Flügelwelle zum Teil mit Holz bedeckt. Ob die Flügel mit der Drehungsebene einen Winkel bilden oder ob sie irgendeine Wölbung aufweisen, ist mir nicht bekannt. Die halben Ruten sind von ihrer Mitte aus durch Spannseile miteinander verbunden. Diese Konstruktion kommt bei der eckigen Turmmühle vor. 3. Vier Flügel in rechteckiger Form mit einem Gatter an der einen Seite der halben Rute und Windbrettern an der anderen Seite. Das Gatter besteht aus drei Längslatten und vielen Querlatten. Über das Gatter kann ein Segel gespannt werden. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle und der eckigen Turmmühle vor. 4. Sechs Flügel, ähnlich denen, die unter 1 beschrieben werden, doch sorgen zwei Ringe — ein innerer, der nur die Ruten hält, und ein über die inneren Flügelenden verlaufender — für größere Stabilität*. Außerdem sind die Flügel an der Seite der Flügelwelle durch kurze Spannseile miteinander verbunden (auf dem vorliegenden Foto jedoch nicht sichtbar, vgl. 5, S. 20). Diese Konstruktion kommt bei der Paltrockmühle vor. 5. Sechs Flügel, ähnlich denen, die unter 2 beschrieben werden. Zwischen den aufeinander folgenden halben Ruten sind Spannseile angebracht. Diese Konstruktion kommt bei der eckigen Turmmühle vor.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Nach dem Bildmaterial zu urteilen, gibt es die folgenden Haubenformen: 1. Die Sattelform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle, der Paltrockmühle und der leicht-konischen Turmmühle vor.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
2. Die gebrochene Sattelform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. 3. Die Spitzbogenform. Diese Konstruktion kommt bei der Wippmühle vor. 4. Die Pyramidenform. Diese Konstruktion kommt bei der eckigen Turmmühle vor und ist hier achtseitig. 5. Die Bootform. Diese Konstruktion kommt bei der eckigen Turmmühle vor. 6. Die Zwiebelform. Diese Konstruktion kommt bei der eckigen Turmmühle vor.
QUELLEN
1. Sigurd Erixon: „Quelques contributions nordiques à l'histoire dee moulins à vent", in: Laos, tome Π, Stockholm, 1962. 2. Roger Wadström: Svenska kvarrUermer. Studier Over levamene och malningens terminologi i svenska dialekter, Uppsala, 1952. 3. Κ. Boonenburg: Windmolens in het buitenland (Sonderdruck ohne Nennung der Zeitschrift), o. J. 4. H. A. Visser: Zwaaiende wieken. Over de geechiedenie en het bedrijf van de windmolens in Nederland, Amsterdam, 1946. 6. Sven B. Ek: Väderkvarnar och vaUenmöllor, Stockholm, 1962. 6. C. Visser en J. Pieterse: Hollandach Molenboek, Amsterdam, 1941. 7. C. Visser, A. ten Bruggencate en J. Schregardus: Onze Hollandsche molens, Reeks II, 1929.
Schweiz Die Schweiz muß zu jenen Ländern gerechnet werden, in denen die Windmühle anscheinend nicht hat Boden gewinnen können. Einige Windmühlen hat es hier dennoch gegeben, wie aus den vorhandenen Quellen hervorgeht. Ich kenne zwei Berichte, die in eine Urkunde vorkommen, nämlich in dem ,,Berner Ratsmanual". Unter dem Datum vom 12. Februar 1543 ist darin aufgenommen: „Wilhelm Cüntzi, noch 12 Eichen zu der Windmühle in Erlach". Unter demselben Datum wird eine Windmühle in Steffisburg genannt. Erlach liegt am Bielersee, und Steffisburg ist ein Dorf bei Thun im Berner Oberland (1; 2, S. 14). In bezug auf die Mühle in Erlach dürfen wir auf Grund der erwähnten zwölf Eichen vielleicht den Schluß ziehen, daß es sich hier um eine aus Holz aufgeführte Mühle handelte. Es liegt aber kein einziger Hinweis vor der darauf hindeuten könnte zu welchem Typ diese Mühlen in Erlach und Steffisburg gehört haben. Auch ist mir über die Verbreitung der Windmühlen in der Schweiz nichts bekannt. Obwohl K E L L E R (3, S. 51) bemerkt: „Windmühlen gab es jedenfalls ganz wenige, und sie gelangten in der Schweiz nie zu der Bedeutung, wie in anderen Ländern". Nach einem Bericht von B Ü H L M A N N (2, S. 14) sollte es noch in unserer Zeit Windmühlen im Wallis geben. Doch hat eine Untersuchung erwiesen, daß diese Mitteilung nicht stimmt (4). Bei V I E L I (5) und S T Ä H E L I (6) ist vom Vorkommen von Windmühlen in der Schweiz überhaupt nicht die Rede.
QUELLEN
1. Brief der Schweizerischen Landesbibliothek, P. Esch./Bq, vom 28. 12. 1961. 2. Fritz Bühlmann: Die Mühle zu Landehut, Bern, 1932.
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3. Robert Keller: Die imrtschaftliche Entwicklung des Schweiz. Mühlengewerbes aus ältester Zeit bis ca. 1830, Bern, 1912 (Diss.). 4. Brief der Bibliothèque et Archives cantonales in Sion, vom 26. 12. 1962. 5. R. Vieli: Die Terminologie der Mühle in Romanisch-Bünden, Chur, 1927. 6. Emile W . Stäheli: Die Terminologie der Bauernmühle im Wallis und Savoy en. Eine Sach- und Wortstudie, Paris, 1951 (Dias.).
Spanien LÉVI-PROVENÇAL (1, S. 163) bemerkt 1932 in einem Bericht über das 10. Jahrhundert: „Lee moulins étaient nombreux dans la campagne, moulins à vent et surtout moulins à eau, . . Für diese Aussage gibt er aber keine Belege an. In einem anderen Werk (2, S. 153) schreibt er noch: „L'une des curiosités de Tarragone consiste dans des mouline qui furent établis par les Anciens; ils marchent quand le vent souffle et s'arrêtent avec lui". BABOJA (3, S. 288) ist der Ansicht, daß der Verfasser der von LÉVI-PROVENÇAX
benutzten Schrift (2), Ibn 'Abd al-Mun'im, im 7. oder 8. Jahrhundert der muselmanischen Zeitrechnung gelebt hat, d. h. zwischen 1203 und 1396 (4, S. 44, 45) der christlichen Zeitrechnung. Ein Nachfolger von Ibn 'Abd al-Mun'im hat diese Schrift im 9. Jahrhundert Heg. fortgesetzt, also zwischen den Jahren 1397 und 1493 (4. S. 45) der christlichen Zeitrechnung (2, S. X I I I , X I V ) . Hieraus glaube ich folgern zu dürfen, daß LÉVI-PROVENCAI/S Aussage, Spanien hätte schon im 10. Jahrhundert unserer Zeitrechnung die Windmühle gekannt, nicht ausreichend zuverlässig ist. Höchstens könnte man für möglich halten, daß es in Tarragona zwischen 1203 und 1493 Windmühlen gegeben hat. BABOJA (3, S. 288) gelangt zu dem Ergebnis, daß in jedem Fall das Vorkommen von Windmühlen in Tarragona im 13. und 14. Jahrhundert gesichert ist. Persönlich neige ich zu der Ansicht, daß man hier noch das 15. Jahrhundert hinzunehmen muß. Ein etwas genauer zu datierender Hinweis stammt aus der Zeit um 1330. Es handelt sich hier um einige Verszeilen des kastilianischen Dichters Juan Ruiz, Erzpriester von Hita. CEJADOR (5) zitiert im ersten Teil seines Werkes (S. 246, Vers 700 ff.): Como lo an de uso estas tales buhonas, Andan de casa en casa vendiendo muchas donas; Non se rreguardan délias; están con las personas, Ffazen con mucho viento ander las atahonas. Im zweiten Teil (S. 23, Vers. 938 ff.) führt CEJADOR noch an: Otrosí ya vos dixe qu'estas tales buhonas Andan de casa en casa vendiendo muchas donas, Non se rreguardan délias, están con las personas Fazen con el su viento andar las tahonas. BAROJA (6, S. 38) erwähnt, daß Ibn Hawqal die Windmühlen mit dem Wort riha bezeichnet, während Muqqadasi für sie das Wort tahuna gebraucht. Die Sache ist nicht eindeutig. Nach ELIAS (7, S. 401) entspricht die Bezeichnung tahuna unserem Wort „Mühle". Er nennt die Windmühle tahuna al-riha oder tahuna al-hawa, weil beide Wörter, riha und hawa, „Wind" bedeuten. Gegenwärtig bezeichnet man in Spanien als atahona (Portugiesisch: atafona) eine Mühle, die von Tierkraft bewegt wird (6, S. 40).
194 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde Im Gedicht ist also davon die Rede, daß die Mühlen vom Winde gedreht werden. Hieraus könnte man daher folgern, daß die Windmühle um 1330 in Kastilien bekannt war. Ich glaube aber, an dieser Stelle hervorheben zu müssen, daß dieser zuverlässige Bericht aus einem Gebiet stammt, das nicht von den Arabern besetzt war. Der nachstehend zitierte Bericht trägt das Datum vom 15. Juni 1441 und kommt in der Chronik von Juan I I von Kastilien (1406-1454) vor. Er bezieht sich auf einen Zwist, der bei den Windmühlen in der Ebene von Castilla de Vieja stattgefunden hatte. Die Stelle lautet in Übersetzung: „Deshalb erhob sich am anderen Tag, dem Tag nach Fronleichnam, am 15. Juni des Jahres 41, ein Streit in den Windmühlen am Weg nach Tordesillas . . ." (8, S. 414). Dieser Aussage widerspricht aber eine Mitteilung von JUANELO (um 1500-1585), der eine Handschrift über Mechanik hinterlassen hat. In einer Abschrift dieses Werkes, die in der Nationalbibliothek in Madrid aufbewahrt wird, kann man die Bemerkung lesen, daß Spanien keine Windmühlen kannte, da der Wind zu wenig beständig war (3, S. 264). Doch glaube ich auf Grund der oben erwähnten Hinweise annehmen zu dürfen, daß die älteste bekannte Windmühle in diesem Gebiet aus der Zeit um 1330 datiert. Wenn man auf einer Karte Spaniens die uns bekannte Verbreitung der Windmühlen einzeichnet, kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, daß es in diesem Land große Gebiete gibt, in denen man Windmühlen hätte erwarten dürfen und indenen sie anscheinend dennoch nicht aufgetreten sind. Im Norden des Landes sind Windmühlen in Bilbao (3, S. 301) und ferner noch im westlichen Teil dieser nördlichen Küstengegend, nämlich in Galicien (2, S. 302; 6, S. 41), bekannt gewesen. BABOJA meldet, daß über Santander und Asturias nichts bekannt ist, doch hält er es nicht für ausgeschlossen, daß es auch dort Windmühlen gegeben hat (3, S. 302). Ein weiteres Mühlengebiet finden wir im Südosten von Spanien. Ich glaube, dem einen von BABOJA's Werken (3, S. 303) entnehmen zu dürfen, daß er das Vorkommen von Windmühlen in Estramadura in Zweifel zieht. Nichtsdestoweniger spricht er in einem anderen Werk (6, S. 41) über das Vorkommen von Windmühlen in diesem Gebiet. An Estramadura schließt sich im Süden das Mühlengebiet von Andalusien an. Hier stehen besonders die Provinzen Huelva und Cadiz im Vordergrund. Sowohl das Mühlengebiet von Galicien als auch diejenigen von Estramadura und Andalusien schließen sich dem Mühlengebiet von Portugal an. Außerhalb des Raumes der sich an das portugiesische Mühlengebiet anschließenden Mühlengebiete Spaniens liegt das nächste Mühlengebiet auf der Hochebene von Madrid (3, S. 303, 309; 6, S. 41). Man bezeichnet dieses Gebiet gewöhnlich als La Mancha. Hier war es, daß die von Cervantes geschaffene Rittergestalt Don Quichote in Begleitung seines Dieners zum Angriff auf die Windmühlen überging. Ein weiteres Kern-Gebiet für Windmühlen bildet dasjenige von Cartagena, und auch Tarragona hat sie gekannt (3, S. 331; 6, S. 41). Es ist auffallend, daß sich die Windmühlen in den Ebenen an der östlichen Küste nicht sehr stark verbreitet haben und daß es im Norden einen Anschluß an die südfranzösischen Mühlengebiete eigentlich nicht gibt. Der Schwerpunkt in der Verbreitung der Windmühlen auf der iberischen Halbinsel liegt augenscheinlich in Portugal (s. dort ab S. 319). Die Mühlen in Spanien befinden sich im Zustand starken Verfalls. Bilbao kennt keine Mühlen mehr (3, S. 301). Wie sich die Lage in Galicien darstellt, ist mir nicht
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bekannt. In Andalusien sind beinahe alle Windmühlen zu Ruinen verfallen (6, S. 41) In der Provinz Toledo, in Ciudad Real und Cuenca (dem alten Bezirk La Mancha) soll es im 19. Jahrhundert noch mehr als 150 Windmühlen gegeben haben. Beinahe alle sind zu Ruinen verfallen. B A B O J A (6, S. 41) berichtet, daß er 1951 oder 1952 nur noch drei Windmühlen in Betrieb fand. In Tarragona sind alle Windmühlen verschwunden (6, S. 41). Wie es in Cartagena aussieht, ist mir nicht bekannt. Aus diesen Daten geht also hervor, daß in Spanien die Windmühle im Begriff ist, vollständig zu verschwinden. Ob man für den Schutz der womöglich übriggebliebenen Windmühlen etwas unternommen hat, ist mir nicht bekannt. Soweit man der Sache nachgehen kann, war die Hauptfunktion der Windmühle in Spanien das Mahlen von Getreide. In Cartagena wurden die Mühlen anscheinend für das Heben von Meereswasser im Rahmen der Salzgewinnung benutzt (3, S. 283; 9, S. 10). Soweit ich feststellen konnte, werden die Flügel der Windmühle von außen gegen den Wind gerichtet mit Hilfe eines Stakens.
MÜHLENTYPEN A. D I E HORIZONTALE
WINDMÜHLE
In Verbindung mit der horizontalen Windmühle in Portugal (S. 167 dieser Arbeit) weist B A B O J A (3, S. 360) darauf hin, daß die Konstruktion = Bautype der Windmühlen in Tarragona im Mittelalter nicht bekannt war. Er stellt sich die Frage, ob die horizontalen Windmühlen in Portugal und in den spanischen Kolonien in Süd-Amerika etwa Nachkommen der arabischen Windmühlen sind, wie diejenigen in Tarragona es waren. Man darf hieraus also schließen, daß B A B O J A mit der Möglichkeit rechnet, daß die Windmühlen in Tarragona horizontale Windmühlen waren. Meiner Ansicht nach ist dies aber eine ziemlich spekulative Annahme, umsomehr als nicht erwiesen ist, daß es je in Spanien horizontale Windmühlen gegeben hat. Nach einer Mitteilung von B A T H E (11, S. 11) hat Dr. David Brewster in der New Edinburgh Encyclopedia (1820) dargestellt, daß für den Betrieb der horizontalen Windmühlen die Verwendung eines Windschirmes die beste Methode ist und daß sie u. a. in einzelnen Provinzen Spaniens angewandt wurde. Mir ist aber nicht ersichtlich, auf welcher Quelle bzw. welchen Quellen diese Mitteilung beruht. Dies alles bietet uns also keine festen Anhaltspunkt, der uns erlaubte anzunehmen, daß Spanien die horizontale Windmühle wirklich gekannt hat. B. DIE VERTIKALE
WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Vom Vorkommen nicht-drehbarer Mühlen habe ich nirgends eine Spur gefunden. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse Auch in bezug auf das Vorkommen von Mühlen dieser Klasse in Spanien habe ich keinen einzigen Nachweis oder Hinweis finden können. Zwar habe ich eine Stadt-
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
ansieht von Sevilla aus dem 16. Jahrhundert (12, I, zwischen den Seiten 160 und 161) vor Augen gehabt, die einem Werk von B R A U N C. S. (13) entliehen ist. Auf diesem Bild kommt eine Mühle vor, die einer Bockmühle oder eine Wippmühle einigermaßen ähnlich sieht. Da mir über die Anfertigung dieser Stadtansicht nichts bekannt ist, glaube ich, diese in meine Betrachtungen nicht einbeziehen zu dürfen (vgl. für den dokumentarischen Wert von Stadtansichten den Abschnitt über Deutschland S. 64). III. Mühlen mit drehbarer Haube 274, 275, 276, 277
a. Die zylindrische Turmmühle. Die zylindrische Turmmühle trifft man in Spanien im Gebiet von Finistère*, bei Ortigueira*, in Bujaraloz* und in La Mancha* an. Auffallend ist der Unterschied zwischen der Mühle von Finistère und derjenigen von Ortigueira. Im Verhältnis zu ihrem Durchmesser ist die Mühle in Ortigueira gar nicht hoch. Im übrigen könnte man sagen, daß die Mühle in Ortigueira mehr Merkmale dee Mittelmeertyps aufweist als die von Finistère und auch mehr als die anderen abgebildeten Mühlen. Alle haben eine konische Haube, doch allein die von Ortigueira hat Segelstangen, an denen die dreieckigen Segel gespannt werden können. Diese Mühle hat auch die nach außen verlängerte Flügelwelle, von deren Kopf aus die Spannseile zu den Segelstangen laufen. Die anderen Mühlen dagegen haben alle das Flügelkreuz, während die Flügel mit einem Gatter versehen sind. Dieses Gatter befindet sich auffallenderweise an beiden Seiten der halben Rute. Nach meiner Ansicht ist der Flügel der Mühle von Finistère der primitivste. Zu welcher Zeit die erste zylindrische Turmmühle in Spanien erbaut worden ist, ist mir nicht bekannt. Die Mühlen von La Mancha sind dadurch berühmt, daß sie im achten Kapitel des „Don Quichote" von Miguel de Cervantes Saavedra (15) eine Rolle spielen. Der Verfasser erzählt bekanntlich, wie Don Quichote dreißig bis vierzig Windmühlen entdeckte. La Mancha bildete bis 1691 eine Provinz für sich. Sie umfaßte das Gebiet, das die heutige Provinz Ciudad Real, einen Teil der Provinz Toledo und außerdem Cuenca und Albacete einschloß. Einige Verfasser sind der Ansicht, daß die Mühlen von La Mancha nicht sehr alt sind. In diesem Zusammenhang wird z. B. das Jahr 1575 erwähnt (3, S. 289). Der Erzähler von Don Quichote's Abenteuern hat von 1547 bis 1616 gelebt. Die Jahreszahl 1575 käme also möglicherweise in Betracht. In Wirklichkeit ist es mir aber nicht gelungen, in dieser Datierungsfrage Sicherheit zu erlangen, obwohl man, wie mir aus Spanien berichtet wurde, dort allgemein annimmt, daß das Auftreten der Windmühlen in La Mancha mit einer großen Dürre zusammenhängen dürfte, die dieses Gebiet von 1505 bis 1545 heimgesucht haben soll (16). In diesem Zusammenhang ist wohl die folgende Inschrift erwähnenswert, die auf einem Grabstein in der St. Bartholomäuskirche in Schoonhoven (Niederlande) zu lesen ist. Sie lautet: „Hier legt begraven Klaas Louwerenze Blom Schipper van Gorkom, Toen hij was oudt vijf en twintig jaaren, Is hij met een Want-Schip naar Spanje gevaaren, En hij bragt uyt Hollandt aldaar Den eersten molen, in het vijftien-honderd negen-en-veertigste jaar. Sterft Anno 1615".
A. Europa: Spanien
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Ins Deutsche übersetzt: („Hier ruht Klaas Louwerenze Blom, Schiffer aus Gorkom, im Alter von fünfundzwanzig Jahren ist er mit einem Wantschiff nach Spanien gefahren und brachte aus Holland dorthin die erste Mühle im Jahre 1549. Gestorben anno 1615".) (17, S. 7) In jenem Jahr, als diese Mühle angeblich nach Spanien gebracht wurde, standen Spanien und die Niederlande in einer sehr nahen Beziehung zueinander, indem beide Länder von Karl V. regiert wurden. Dieser Monarch war 1517 mit so viel niederländischen Adligen nach Spanien gekommen, daß es den Ärger der spanischen Adligen erweckt hatte (18, S. 759). Daß die 1549 nach Spanien verfrachtete Mühle in diesem Land die erst© Mühle gewesen sein soll, glaube ich mit Recht bezweifeln zu dürfen, da die Windmühlen zumindest seit ungefähr 1330 in Spanien bekannt waren. Es wäre immerhin interessant zu erfahren, welcher Mühlentyp aus den Niederlanden nach Spanien gebracht worden ist. In den Niederlanden kannte man um 1549 die Bockmühle, die Wippmühle, die zylindrische Turmmühle, die konische Turmmühle ( ?) und die eckige Turmmühle. Falls wirklich eine vollständige Mühle nach Spanien exportiert wurde, so müßte dies wohl eine der aus Holz gebauten Mühlen gewesen sein. Vermutlich war aber die Leistung der spanischen Mühlen zu gering, und so haben vielleicht die niederländischen Berater Karls V. den Vorschlag gemacht, aus Holland ein leistungsfähigeres Triebwerk, eventuell mit dem dazugehörigen Mahlgetriebe, einzuführen. Ob dies in der Tat der Fall gewesen ist und auf welche Mühlen etwa ein holländischer Einfluß nachzuweisen wäre, könnte möglicherweise eine ins einzelne gehende Sonderuntersuchung in Spanien ans Licht bringen. Sind es vielleicht die Mühlen in La Mancha gewesen, und könnte dann durch diesen Umstand erklärt werden, daß gerade in jenem Gebiet das uns so bekannte Flügelkreuz mit dem rechteckigen Segel und einer Art Wölbung am Flügel vorkommt? Wir finden hier noch das Gatter an beiden Seiten der Rute. Im Jahre 1549 war dies auch noch die übliche Bauart in den Niederlanden. Erst um die Mitte des 17. Jahrhunderts ist man hier dazu übergegangen, das Gatter nur an einer Seite der Rute anzubringen. Nach BAKOJA (6, S. 42) hat es in jedem Fall zwischen den Mühlen von La Mancha und denen von Andalusien einen großen Unterschied gegeben. Er weist daraufhin, daß in den Mühlen von La Mancha das Rad auf der Flügelwelle vor dem Steigrad steht, wie in den Bockmühlen in Flandern*. In Andalusien stand dieses Rad hinter dem Steigrad. In Andalusien dreht sich die Haube auf Walzen, in La Mancha tut sie es nicht. In der Mühle von La Mancha fällt das Mehl in ein unteres Stockwerk, was in Andalusien nicht geschieht. BAKOJA schließt den Vergleich mit der Bemerkung, daß die Mühle in La Mancha mehr perfektioniert ist und mehr dem nördlichen Typ ähnlich sieht. b. Die leicht-konische Turmmühle. Auch die leicht-konische Turmmühle kommt in Spanien vor. Wie weit sich dieser Turmmühlentyp verbreitet hat, habe ich nicht feststellen können. Er kommt aber in Huelva* vor und wird außerdem in Cartagena für das Aufpumpen von Meereswasser angewandt*. Wann dieser Mühlentyp zum ersten Mal in Spanien auftrat, ist mir nicht bekannt.
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198 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde Wir dürfen jedoch annehmen, daß sich die frühesten Berichte über das Vorkommen von Windmühlen, nämlich um dae Jahr 1330, auf zylindrische oder auch leicht-konische Turmmühlen bezogen haben. Bezüglich der übrigen Mühlentypen, bei denen die Haube mit den Flügeln in den Wind zu drehen ist, wurde in Spanien keine einzige Spur gefunden, aus der zu schließen wäre, daß sie je hier vorhanden gewesen wären.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE
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Bei den spanischen Windmühlen treffen wir zweierlei Arten von Windfangeinrichtungen an: einerseits Segelstangen mit dreieckigen Segeln und andererseits das Flügelkreuz. Bei den Mühlen mit Segelstangen treffen wir auf folgende unterschiedliche Konstruktionen : 1. Acht Segelstangen. Dazwischen befinden sich vier dreieckige Segel. Die Basis jedes einzelnen Segels ist an einer der Segelstangen befestigt, und sein Topp ist mittels einer Leine niit der folgenden Segelstange verbunden, die ihrerseits kein Segel trägt. Vom Kopf der verlängerten Flügelwelle laufen Spannseile zu den Segelstangen*. Höchstwahrscheinlich sind die Toppe der Segelstangen auch miteinander verbunden. Nach der Abb. 280 bewegen sich die Segel in der Uhrzeiger-Richtung. 2. Acht Segelstangen. Dazwischen befinden sich acht dreieckige Segel. Die Basis eines jeden Segels ist an einer der Segelstangen befestigt, und sein Topp ist mittels einer Leine mit der folgenden Segelstange verbunden. Diese trägt wiederum die Basis des folgenden Segels. Vom Kopf der verlängerten Flügelwelle laufen Spannseile zu den Toppen der Segelstangen, während diese Toppe auch untereinander durch Spannseile verbunden sind*. Die Segel bewegen sich entgegen dem Uhrzeiger. Beim Flügelkreuz gibt es folgende Unterschiede: 3. In beide Seiten der halben Rute sind Stäbchen eingesetzt. An beiden Seiten wird ein langes schmales Segel gespannt. Die Flügel bilden mit der Drehungsebene einen Winkel*. 4. An beiden Seiten der halben Rute erstreckt sich das Gatter. Dieses hat zu beiden Seiten der halben Rute je zwei Längslatten. Über diese beiden Gatter wird ein rechteckiges Segel gespannt (3, S. 326)*.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Die einzige Haubenform, die ich in dem mir zur Verfügung stehenden Bildmaterial vorgefunden habe, ist 1. die konische Form. Diese Konstruktion kommt also an der zylindrischen Turmmühle und an der leicht-konischen Turmmühle vor. QUELLEN
1. E. Levi-Provençal: L'Espagne musulmane au Xième siècle. Institutions et vie sociale, Paris, 1932. 2. E. Lévi-Provençal: La péninsule ibérique au moyen age d'après le kitab ar-rawd al-mi'târ fi habar al-aktâr d'Ibn'Abd al-Mun'im al-Himyari . . ., Leyden, 1938.
A. Europa:
Spanien/Tsechoslowakei
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3. Julio Caro Baroja: „Dissertación sobre los molinos de viento", in: Revista de Dialectología y Tradiciones populares. Tomo VIII, Cuad. 2, Madrid, 1952. 4. Harry W. Hazzard: Atlas of Islamic History, Princeton, 1952. 5. Julio Cejador: Arcipreste de Hita. Libro de buen amor, 2 Bde, Madrid, 1913. 6. Julio Caro Baroja: „Le moulin à vent en Espagne", in Laos, tome Π , Stockholm, 1962. 7. Elias a Elias: Elias' Modem Dictionary Arabic-English, Cairo, 1952. 8. Juan de Matta: Cronica des halconere de Juan II, Pedro Carillo de Huete, Madrid, 1946. 9. K. Boonenburg: Windmolens in het buiienland (Sonderdruck ohne Erwähnung der Zeitschrift), 10. Louis Cobbett: „Mediterranean Windmills", in: Antiquity, Vol. Χ Ι Π , 1939. 11. G. Bathe : Horizontal ivindmills, draft mills and similar air-flow engines, Philadelphia, 1948. 12. Julio González: Repartimiento de Sevilla, 2 Bde. Madrid, 1951. 13. G. Braun und F. Hogenberg: Civitatis orbis terrarum, liber primus, ed. Colonia, 1599. 14. Telesforo de Aranzadi: Aperos de labranza y sus aledaños textiles y pastoriles, folldore y costumbres de España, I, Barcelona, 1931. 15. Miguel de Cervantes Saavedra: De aventuren van Don Quichote, opnieuw bewerkt door Dr. N. van Haamstede, Amsterdam, 1962. 16. Brief des Servicio Nacional de Información Documental y Bibliografica der National-Bibliothek in Madrid vom 19. 12. 1961. 17. H. A. Visser: Zwaaiende toieken. Over de geschiedenis en het bedrijf van de windmolens in Nederland, Amsterdam, 1946. 18. WinJder Prins Encyclopaedic, deel 2, Amsterdam-Brüssel, 1951.
Tschechoslowakei In der Mühlenliteratur wird ein Bericht erwähnt, nach welchem die Windmühle im westlichen Teil der Tschechoslowakei, nämlich in Böhmen, angeblich schon 718 bekannt war (1, S. 3; 2, S. 193; 3, S. 32, Anm. 5). Dieser Bericht ist der Böhmischen Chronik entliehen, die 1541 von Václav Hájek aus Liboöany geschrieben wurde. In diesem Werk wird die Landesgeschichte von den ältesten Zeiten bis in das 16. Jahrhundert hinein dargestellt. Im 18. Jahrhundert hat der Gelehrte Jan Gelasiue Dobner zum ersten Mal diese Chronik wissenschaftlich untersucht. Dabei erwies sich, daß Personen, die in dieser Chronik genannt ware, manchmal von Hájek erfunden waren und daß er Ereignisse entstellt hat. Dieses Werk wird z. Z. in der Tschechoslowakei als eine sehr unzuverlässige Informationsquelle betrachtet (4; 5, S. 416). Der anfangs erwähnte Bericht ist aus dieser Chronik höchstwahrscheinlich über den Weg einer deutschen Übersetzung (6) aus 1697 in die europäische Literatur gelangt. Im deutschen Text lautet er wie folgt: „Zu der selbigen Zeit (718) bauete einer, mit Namen Halek, des Wladi söhn, dem Schwach, daselbst unter der Stadt eine meisterliche Mühl, die vom Wasser getrieben wurde. Daselbst kamen viel Böhmen hin, und verwunderten sich darüber, nahmen auch aida das Muster, baueten ihnen, an den Wasserflüssen hin und her dergleichen Mühlen: denne vor diesem alle Böhmische Mühlen auf den Bergen und an Winden gewesen"- (6, S. 13). Wir wissen also, daß jener Bericht nicht ernst zu nehmen ist. Wenn die Windmühlen in der Tschechoslowakei näher untersucht werden sollen, werden in diesem Land am besten folgende Mühlengebiete unterschieden: 1. Böhmen. Dieses umfaßt den westlichen Teil des Landes. 2. Das Zentralgebiet mit Mähren im Süden und Schlesien im Norden. 3. Die Slowakei, die den östlichen Teil des Landes umfaßt. Mähren und Schlesien bildeten das reichste Windmühlengebiet; an zweiter Stelle
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kam Böhmen mit einer viel geringeren Anzahl Mühlen, während die Slowakei an Windmühlen arm war. Der älteste authentische Bericht über das Vorkommen einer Windmühle stammt aus Böhmen und datiert aus 1277. Er lautet: „Anno domini 1277 . . . Eodemque anno molendinum ventosum est erectum in orto Strahoviensi". (7, S. 329 f.). Der nächstfolgende Bericht stammt aus dem Jahre 1281 und lautet: „Anno domini 1281 . . . Molendinum in Strahow ventosum vi ventorum funditus corruit et eodem anno reaedificatum est". (7, S. 341, 343). Die älteste Mühle in Mähren datiert aus dem Jahre 1340 und wird in einer Urkunde des Heiligen Ordens der Dominikanerinnen (4) erwähnt: ,, . . . cum molendinis ad ventum vel aquam expositis". (8). Diese Mühle war in der Umgebung des heutigen Opava (4) gelegen. In bezug auf die älteste Mühle in der Slowakei sind keine Daten bekannt (4). Die früheste Erwähnung einer Windmühle in der Tschechoslowakei darf also vorläufig mit der Jahreszahl 1277 verbunden werden. Böhmen hatte relativ wenig Windmühlen. Die meisten waren aus Holz. Dr. P O K O R N Y (4), der selber feine Untersuchung über die Mühlen in Böhmen vorgenommen hat, schrieb mir, daß Nachforschungen auf diesem Gebiet über die Zeit vor der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dadurch unmöglich werden, daß die Archive kaum zugänglich eind. Seine eigenen Untersuchungen betrafen also nur die folgende Periode. Es ist ihm immerhin gelungen, 174 alte Windmühlen zu trassieren. Keine einzige dieser Windmühlen ist noch im Betrieb. Wohl stehen mehrere steinerne Mühlen und eine aus Holz unter Denkmalsschutz. In der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren noch 54 Windmühlen in Betrieb neben 6634 Wasserradmühlen, 4 Schiffsmühlen, 5 Dampfmühlen und 9 kombinierten Dampf-Wasserradmühlen. Mähren und Schlesien sind im Vergleich zu Böhmen reicher an Windmühlen. In Archivstücken aus dem 19. Jahrhundert werden 600 bis 800 Mühlen erwähnt. Die meisten sind nicht mehr in Betrieb. Nur einige werden noch für das Anfertigen von Grütze benützt (4). Die Slowakei ist besonders arm an Mühlen. Ich verfüge aber für dieses Gebiet nicht über nähere Daten. Es ist mir nicht bekannt, ob die Windmühlen in diesem Land noch eine andere Funktion als das Zermahlen von Getreide erfüllt haben.
MÜHLENTYPEN A. D I E HORIZONTALE
WINDMÜHLE
Es gibt keine Daten, aus denen man schließen könnte, daß es in diesem Land je horizontale Windmühle gegeben hat. B. D I E V E R T I K A L E
WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Ich habe nicht die geringste Spur vom Vorkommen einer nicht-drehbaren Mühle auffinden können.
A. Europa: Tschechoslowakei
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II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse Soweit ich der Sache nachgehen konnte, ist von dieser Klasse nur bekannt: a. Die Bockmühle. In Böhmen kam am meisten die Bockmühle vor*. Nach Εκ. (9, S. 69) ist sie in diesem westlichen Gebiet eine ziemlich gewöhnliche Erscheinung, Wie die Verhältnisse im Zentralgebiet waren, ist mir nicht bekannt*. Alle diese Bockmühlen gehören zur geschlossenen Variante. Der Mühlenkörper ist aus Holz oder auch aus Holzschindeln. Die stehenden Wände reichen bis über das Fußstück hinunter. Zwar stammt der Bericht über die früheste Mühle aus 1277, doch weiß man nicht, ob er sich auf die Bockmühle bezieht, obwohl dies sehr wahrscheinlich sein dürfte. Über die Anzahl der Mühlen dieses Typs und deren Verbreitungsdichte ist mir nichts bekannt. Es ist auch nicht bekannt, ob die Bockmühle in der Slowakei vorkam. Alle diese Bockmühlen werden mit Hilfe eines Stakens gegen den Wind gerichtet.
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III. Mühlen mit drehbarer Haube a. Die zylindrische Turmmühle. Die zylindrische Turmmühle kommt sowohl in Böhmen* als auch im Zentralgebiet* vor. Ich weiß aber nicht, ob man sie auch in der Slowakei vorfindet. Daß der offene Typ der Abb. 286 vielfach vorkam, glaube ich nicht, aber Bestimmtes kann ich zu dieser Frage nicht aussagen. Wann diese Mühle zum ersten Mal in die Tschechoslowakei eingeführt wurde, ist mir nicht bekannt. Ebensowenig wurden von mir Angaben über Verbreitungsdichte ausfindig gemacht. Wie diese Mühlen gegen den Wind gerichtet wurden, ist mir ebenfalls unbekannt. Dieser Mühlentyp wird in der Tschechoslowakei als holandskeho typu bezeichnet. Aus den Abbildungen kann man aber ersehen, daß er viel näher beim Mittelmeertyp steht. Auch die Haubenform deutet darauf hin. b. Die leicht-konische Turmmühle. Die leicht-konische Turmmühle kommt sowohl in Böhmen* als auch im Zentralgebiet* vor. Ob sie auch in der Slowakei vorkommt, ist mir unbekannt. Wann dieser Mühlentyp zum ersten Mal in der Tschechoslowakei auftrat, ist mir nicht bekannt. Desgleichen ist mir über die Verbreitungsdichte und über die Art und Weise, wie diese Mühlen gegen den Wind gerichtet wurden, nichts bekannt. Auch diese Mühlen werden als holländische Mühlen bezeichnet. Aus den Abbildungen geht noch hervor, daß diese Mühlen dichter beim Mittelmeertyp als beim holländischen Typ stehen. Auch die Haubenform deutet darauf hin. Über das Vorkommen von anderen Typen dieser Windmühlenklasse ist mir nichts bekannt.
FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Soweit ich an Hand des Bildmaterials der Sache nachgehen kann, sind in der Tschecho. Slowakei die folgenden Flügelformen bekannt: 1. Vier Flügel mit einem Gatter an beiden Seiten der halben Rute. Das Gatter ist aber an der einen Seite schmäler als an der anderen Seite. Zu beiden Seiten der halben Rute verlaufen je eine Längslatte und viele Querlatten. In einem Teil dieses Gatters sind Brettchen angebracht. Ob auch im übrigen Teil dieses Gatters Brettchen ange-
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bracht werden können, ist mir nicht bekannt. Ebensowenig ist mir bekannt, ob die Flügel eine Wölbung aufweisen. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor*. 2. Wie Nr. 1, doch befindet sich das Gatter gleichmäßig an beiden Seiten der halben Rute und es hat die Form eines Trapezes. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle und der leicht-konischen Turmmühle vor*. 3. Fünf Flügel mit einem Gatter an beiden Seiten der halben Rute. Das Gatter ist aber an der einen Seite schmäler als an der anderen Seite. Zu beiden Seiten der halben Rute verläuft je eine Längslatte und viele Querlatten. Anscheinend werden in diesem Gatter Brettchen angebracht. Nach der Abb. 288 wäre ich geneigt, an die Trapezform zu denken. Ob die Flügel eine Wölbung aufweisen, ist mir nicht bekannt. Diese Konstruktion kommt bei der leicht-konischen Turmmühle vor*.
HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Nach dem mir zur Verfügung stehenden Bildmaterial zu urteilen, gibt es folgende Haubenformen : 1. Die Sattelform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle vor. 2. Die konische Form. Diese Konstruktion kommt bei der zylindrischen Turmmühle und der leicht-konischen Turmmühle vor.
QUELLEN
1. H . A. Visser: Zwaaiende wieken. Over de geschiedenis en het bedrijf van de loindmolens in Nederland, A m s t e r d a m , 1946. 2. Antonie Mongez: „ m o u l i n s " in: Encyclopédie méthodique, antiquités, mythologie, diplomatique des Chartres et chronologie, IV, Paris, 1792. 3. J o h a n n B e c k m a n n : Beyträge zur Geschichte der Erfindungen, B d . 2, Leipzig, 1788. 4. Brief von D r . O t a P o k o r n y , Dozent der historischen Geographie in P r a g , vom 28. 6. 1963. 5. C. E . Maurice: The story of Bohemia, 1908. 6. J o a n n Sandel: Wenceslai Hagezii Böhmische Chronik, Nürnberg, 1697. 7. D r . J o s E m i e r : Fontes rerum bohemicarum, torn. I I , Gosmae Chronicon Boemorum cum continuatoribus, P r a h a , 1874. 8. V. P r a s e k : ¿ema-mlyny, Selsky archiv, J h r . 2, Olomouc, 1903. 9. Sven B . E k : Vöderkvarnar och vattenmöUor, Stockholm, 1962. 10. Vaclav B u r i a n : Vétrné mlyny na Moravi a ve Slezsku, Olomouc, 1966. 11. Josef Vareka: Vétrné mlyny na Moravé a ve Slezsku, P r a h a , 1967.
Türkei
(Europäische)
Das Material über die in der europäischen Türkei vorkommenden Windmühlen ist ungemein spärlich. Daß es hier Windmühlen gegeben hat, steht außer Frage. C O B B E T T (1, S. 458 f.) bemerkt zunächst, daß die Ägäischen Inseln übersät sind mit Windmühlen, deren Typ sich von denen in England und Nord-Europa unterscheidet. Es handelt sich also offenbar um den Mittelmeertyp. Ferner erwähnt er, daß er Mühlen gesehen hat, die in Betrieb waren und keine Verfallszeichen aufwiesen. Als Beispile
A.
Europa:
TürkeijUngarn
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dafür führt er Mühlen aus Santorin, Kos, Kea, Rhodos und Chios an. Darauf folgt die Mitteilung: ,,'There is one at Gallipoli, near Cape Hellas". Da COBBETT sein Werk 1939 veröffentlichte, ist dieser Bericht von ziemlich rezentem Datum. J. S. (2, S. 232) erwähnt, daß er während des Krimkrieges die Gelegenheit hatte, in Europa und in der Türkei mehrere Mühlen zu untersuchen. Leider hat er es versäumt, nähere Einzelheiten mitzuteilen. Ζ. Ζ. des Krimkrieges umfaßte die europäische Türkei nahezu den ganzen Balkan mit Griechenland, Bulgarien und einen ganzen Teil des heutigen Rumäniens (3, Karte 41, 42). Εκ (4, S. 72) führt zwar an, daß die Turmmühle in der Türkei vorkommt, doch ohne zu erwähnen, ob sich diese Aussage auf die europäische oder auf die asiatische Türkei oder gar auf beide bezieht. Bei SINOBB c. s. (5, S. 625) treffen wir eine Abbildung mit folgender Unterschrift an: „Byzantine tower-mills at Gallipoli. Pen-drawing from a traveller's account. 1420". Diese Federzeichnung suggeriert den Gedanken, daß es sich in diesem Fall um zylindrische Turmmühlen mit Flügelkreuz handelt*. Aus dem vorliegenden Material glaube ich den Schluß ziehen zu dürfen, daß im Jahre 1420 der Mittelmeertyp der Windmühle in der europäischen Türkei vorkam. Wann die erste Windmühle in die Türkei eingeführt wurde, ist mir nicht bekannt. In bezug auf Verbreitung und die Verbreitungsdichte, Flügelformen und Haubenformen stehen mir keine Daten zur Verfügung.
QUELLEN 1. Louis Cobbett: „Mediterranean Windmills", in: Antiquity, Vol. Χ Ι Π , 1939. 2. J. S.: „Power of wind as applied to flour mills", in: The practical mechanic's journal, Vol. V I I I aecond series, April, 1863-March, 1864, London. 3. Elseviers Historische Atlas, Amsterdam-Brüssel, 1963. 4. Sven Β. Ek: Väderlcvarnar och vattenmöllor, Stockholm, 1962. 6. Charles Singer, E. J. Holmyard, A. R. Hall and Trevor I. Williame: A history of technology. Vol. II, Oxford, 1966.
Ungarn K Á L M Á N (1, S. 26—28) ist der Ansicht, daß die Windmühle im 16. Jahrhundert in Ungarn bekannt war. Um diese Aussage zu begründen, verweist er auf das Lexikon von Kolozsvári. Nach diesem aus dem Jahre 1577 datierenden Lexikon war das Wort zelmalom (Windmühle) = verUimoîa schon bekannt, und zwar nicht als Übersetzung einer fremdsprachlichen Bezeichnung, sondern als einheimisches Wort in der lebendigen Volkssprache. K Á L M Á N (1, S. 28) ist der Meinung, daß die erste Windmühle aus den Niederlanden nach Ungarn eingeführt wurde. Er weist darauf hin, daß es schon vor 1577 zwischen den Niederlanden und Ungarn enge Beziehungen gab, sowohl im wirtschaftlichen Bereich als auch auf anderen Gebieten. Es zeigt sich, daß Ungarn an den niederländischen Universitäten Leiden und Utrecht zu Theologen ausgebildet wurden. Hierzu möchte ich aber bemerken, daß die Universität in Leiden erst 1575 als erste Hochschule in den nördlichen Niederlanden gegründet wurde. Utrecht folgte erst 1636.
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Wohl waren zwischen 1585 und 1600 die Universitäten in Franeker (1585) und in Harderwijk (1600) errichtet worden. Von Universitätsgründung zu Windmühlen fehlt hier der Übergang. Daher möchte ich denn doch annehmen, daß auf andere Weise als durch den Besuch niederländischer Universitäten durch ungarische Studenten die Windmühlen vor 1577 Eingang nach Ungarn gefunden haben. Es ist zu vermuten, daß die ersten Windmühlen in Ungarn Bockmühlen waren, da allgemein von der Annahme ausgegangen wird, daß die aus Stein gebauten Mühlen frühestens im 17. Jahrhundert in diesem Land aufgetreten sind. Die Bockmühle wird hier als „bakos" bezeichnet. KÁLMÁN bezeichnet sie aber auch als „deutsche" Mühle. Dieser Mühlentyp soll ursprünglich eine große Verbreitung gekannt haben. BOONENBURG (2, S. 11) gibt in bezug auf das Auftreten der ersten Windmühle in Ungarn eine ganz andere Version. Er erwähnt nämlich, daß die Heere, die seinerzeit das Land von der türkischen Oberherrschaft befreiten, zum großen Teil aus Söldnern zusammengesetzt waren und daß sich unter diesen viele Niederländer befanden. Eben diese sollen, nach BOONENBURG, der ungarischen Bevölkerung in der Tiefebene den Bau und die Verwendung der Windmühlen beigebracht haben. Worauf BOONENBURG diese Mitteilung stützt, ist mir nicht bekannt. Die Befreiung von der Türkenherrschaft fand erst 1683 statt, und nach Κ Ar,M ANS Bericht, der hier oben angeführt wurde, soll die Windmühle in Ungarn schon früher bekannt gewesen sein. KÁLMÁN (1, S. 28) ist übrigens davon überzeugt, daß auch die steinerne Mühle aus den Niederlanden eingeführt worden ist. Er fügt dem noch hinzu, daß es in Deutschland nur wenig Mühlen aus Stein gab. Er vermutet, daß die Kenntnis dieses Mühlentyps von einem ungarischen Studenten aus den Niederlanden in seine Heimat gebracht wurde oder möglicherweise vom Typographen Miskolczi Ferencz, der 1717 für den Druck einer Bibelübersetzung nach Leiden geschickt wurde. Die Geschichte der Konfessionen in Ungarn lehrt uns in der Tat (3, S. 774), daß es mit den Universitäten in den Niederlanden enge Verbindungen gab. Diejenigen mit der Universität Utrecht haben beispielsweise bis zum Jahr 1957 gewährt, und noch heute ist in Utrecht für ungarischen Studenten ein Studienfonds vorhanden, das sog. Stipendium Bernardinum (4). Das hat alles seine Richtigkeit; doch bin ich der Meinung, daß die Geschichte der ersten Windmühlen in Ungarn noch zu wenig durch effektive Beweisstücke fundiert ist und sich sehr im Bereich der bloßen Vermutungen bewegt, um auf eine der zitierten Literaturangaben basiert zu werden. Vorläufig möchte ich für das Auftreten der ersten Windmühle die Bestimmung „vor 1577" festhalten, doch gibt uns diese Zeitbestimmung - wie gesagt - nur eine sehr ungenaue Auskunft über das wirkliche Datum des ersten Auftretens. Es sind uns eine Anzahl statistischer Daten bekannt. Nach einer Mitteilung des K g l . Kommissariats gab es 1863 im ganzen 475 Windmühlen. Zählungen des Kgl. Statistischen Zentralamtes ergaben folgendes Bild: 1873 854 1885 650 1894 712 1906 691. Nach KÁLMÁN ist die Zahl für 1885 nicht richtig; nach seiner Ansicht müßten stattdessen 700 erwähnt werden (1, Kap. I V ) . Bei diesen statistischen Daten darf aber nicht übersehen werden, daß sie sich auf ein Gebiet beziehen, das seinerzeit eine größere Ausdehnung hatte als das heutige Ungarn. Dazu gehörten nämlich damals die Länder
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und Bezirke, die 1918 an Polen, an die Tschechoslowakei, an die UdSSR, an Rumänien, Jugoslawien, Italien und Österreich abgetreten wurden (3, S. 775). Da Ungarn zum überwiegenden Teil aus einer Tiefebene besteht, haben sich die Windmühlen vermutlich über deren ganze Weite verbreitet. Der Schwerpunkt scheint aber in Süd-Ungarn gelegen zu haben, und zwar im besonderen zwischen Donau und Theiss. In diesem südlichen Gebiet befanden sich 28 Windmühlen westlich der Donau, 129 zwischen der Donau und der Theiss und 113 zwischen der Theiss und dem Maros. Soweit ich der Sache nachgehen konnte, gelten diese Zahlen für das Jahr 1894. Dazu gehören anscheinend noch 9 Windmühlen im heutigen Jugoslawien und möglicherweise eine Anzahl Mühlen im heutigen Rumänien. R I E D L ( 5 ) gibt an, daß das Mühlengebiet im Burgenland (Österreich) sich über dasjenige um Sopron (Odenburg) an das Mühlengebiet in der ungarischen Tiefebene anschloß. Für das zwischen Donau und Theiss gelegene Gebiet von Kiskunfélegyháza sind mir noch zwei Vergleichszahlen bekannt. Im Jahre 1855 waren dort noch 62 Windmühlen vorhanden; 1906 waren davon noch 19 übriggeblieben. Daraus geht hervor, daß auch in Ungarn die Mühlen stark in Verfall geraten sind. Auch die oben angeführten statistischen Angaben für das alte Ungarn sprechen in demselben Sinn. Ob man sich hier bestrebt hat, Windmühlen als Denkmäler für die Nachkommenschaft zu bewahren, ist mir nicht bekannt. K Á L M Á N ( 1 , Kap. IV) weist darauf hin, daß in Ungarn die Müller zugleich Mühlenbauer sein mußten. In seinem Werk (1, S. 215) führt er die Bedingungen an, die 1671 für die Aufnahme in die Zunft der Müller gestellt wurden, sowie auch örtliche Verordnungen über die Aufnahme von Gesellen zur Meisterschaftsprüfung seit 1698 (1, S. 216). Um zur Meisterschaft befördert zu werden, mußte der Prüfling imstande sein, Zahnräder, Balken und Flügel für die Mühle zu zimmern und Steine zu billen (1, Kap. IV). Einige Müller bauten sogar die Wandmauern der steinernen Mühlen. Man bemühte sich auch, das Innere der Mühlen durch Schmuckstücke zu verzieren*. In Widerspruch mit K Á L M Á N S Bericht gibt B O O N E N B U R G ( 2 , S. 1 1 ) an, daß die bekanntesten Mühlenbauer in Szabadka wohnten. Von diesem Ort aus zogen sie in die verschiedenen Landesteile. Hieraus kann man also folgern, daß es neben den Müller-Mühlenbauern doch auch berufsmäßige Mühlenbauer gab. K Á L M Á N (1, S. 215) erwähnt noch eine eigentümliche Erscheinung im Bereich des Windmühlenrechts. Am 30. Januar 1849 beschloß der Rat von Kiskunfélegyháza zwei Mühlenrichter anzustellen, nämlich einen für den östlichen und einen für den westlichen Teil dieses Gebiets. Dies geschah im Hinblick auf gewisse widerrechtliche Handlungen in bezug auf das Mahlen. Die beiden Richter sollten dafür sorgen, daß die bestehenden Bezirksverordnungen nicht übertreten wurden. In Ungarn ist die Kombination von Wasserradmühle und Windmühle anscheinend bekannt gewesen. Außerdem verstand man dort auch die Kunst, bei Windstille Tiere anzuspannen, um die Mühle in Bewegung zu bringen (1, Kap. XVIII). MÜHLENTYPEN A . D I E HORIZONTALE
WINDMÜHLE
Es ist mir, als einziger Fall in Ungarn, eine horizontale Windmühle bekannt, die 1803 in Betrieb war. Es handelt sich um die Kombination einer horizontalen Windmühle
291, 292
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
mit einer Wasserradmühle. Diese Windmühle war, wie übrigens jede horizontale Windmühle, nicht drehbar. Um die Flügel herum war aber eine bewegliche Schirmwand aufgestellt, mit deren Hilfe der Wind auf die Flügel gerichtet werden konnte. Dieser Schirm war so konstruiert, daß der Wind an einer Seite durch eine Öffnung Zugang zu den Mühlenflügeln hatte und sie an der entgegengesetzten Seite des Schirmes durch eine andere Öffnung wieder verlassen konnte. Die Mühle hatte sechs Segel. Wann dieser Mühlentyp zum ersten Mal in diesem Land errichtet wurde, ist mir unbekannt. Es ist mir auch nicht bekannt, ob es noch mehr Mühlen dieses Typs gegeben hat. B. D I E V E R T I K A L E
WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Ich habe keine Spur vom Vorkommen einer nicht-drehbaren Mühle in Ungarn entdecken können. II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse a. Die Bockmühle. Die Bockmühle wird im allgemeinen als der älteste Mühlentyp in Ungarn betrachtet. Sie soll vor 1577 in dieses Land eingeführt worden sein. K Á L M Á N (1, Kap. IV) ist der Meinung, daß die Bockmühle ursprünglich eine große Verbreitung gehabt hat. Die Abb. 293 und 294 zeigen uns eine Bockmühle vom Prisma-Typ. Die Mühle ist offen. Sie trägt ein Flügelkreuz. c. Die Paltrockmühle. Es ist möglich, daß, außer der Bockmühle, auch die Paltrockmühle in Ungarn bekannt war. Εκ (6, S. 70, Anm. 39) erwähnt, daß es in Ungarn kleinere Mühlen auf Gleisen gibt: man kann m. E. dabei an die Paltrockmühle denken. K Á L M Á N spricht aber nicht von solchen Mühlen. Anderweitige Daten über diesen Typ sind mir nicht bekannt. III. Mühlen mit drehbarer Haube
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a. Die zylindrische Turmmühle. K Á L M Á N ( 1 ) zeigt sich in seinem Werk wohl sehr stark geneigt, alle Mühlen als direkte Einfuhr aus den Niederlanden zu betrachten. Indessen bringt er selber die Abbildung einer zylindrischen Turmmühle (1, S. 98)*. Diese Mühle befand sich in Kunszentmiklós, einem Ort südlich von Budapest. Es ist mir nicht bekannt, ob es noch mehr Mühlen dieses Typs gegeben hat. Es wäre interessant zu erfahren, ob hier an einen Anschluß an das Mühlengebiet der Tschechoslowakei gedacht werden kann, wo nämlich die zylindrische Turmmühle ebenfalls vorkommt. Es ist mir nicht bekannt, zu welcher Zeit dieser Typ zum ersten Mal nach Ungarn gekommen ist. Die Mühle hat die übliche konische Haube und trägt sechs Flügel, zwischen denen sich Spannseile befinden. Dies sind also Merkmale des Mittelmeertyps. Wie die Flügel gegen den Wind gerichtet werden, kann man aus der Abbildung nicht ablesen. b. Die leicht-konische Turmmühle. An Hand der Abb. 296 und 297 glaube ich fest, stellen zu können, daß auch die leicht-konische Turmmühle in Ungarn bekannt war. Diese Abbildungen stellen Mühlen in Kiskunfélegyháza dar. Auch hier ist die Haube
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konisch. Die Mühle trägt aber das Flügelkreuz ohne Spannseile. Die Flügel werden gegen den Wind gerichtet mit Hülfe eines Sterzwerkes. Auch bei diesem Typ wäre es interessant zu erfahren, ob das ungarische Gebiet der leicht-konischen Turmmühle sich an das des gleichen Mühlentyps in Tschechoslowakei anschließt. Wieviel Mühlen dieses Typs es gegeben hat und wann sie zum ersten Mal erbaut wurden, ist mir nicht bekannt. c. Die konische Turmmühle. Die konische Turmmühle ist in Ungarn bekannt*. Der Schwerpunkt in der Verbreitung dieses Mühlentyps scheint im Donau-Theissgebiet (2, S. 11) zu hegen, im Süden der ungarischen Tiefebene und im Anschluß an das Vojvodina-Gebiet in Serbien (Jugoslawien). Auffallenderweise ist die Haube dieses Mühlentyps in dem mir zur Verfügung stehenden Bildmaterial der konischen Form sehr ähnlich. Die umgekehrte Bootform habe ich nicht entdecken können. K Á L M Á N ( 1 , S. 28) nimmt an, daß dieser Typ im 17. oder 18. Jahrhundert ins Land gekommen ist. Εκ (6. S. 74) ist der Meinung, daß dieser Typ im 17. Jahrhundert in den südlichen Teil der ungarischen tiefebene eingeführt und im 18. Jahrhundert allgemein verwendet wurde. Aus dem Bildmaterial geht hervor, daß die Flügel mit Hilfe eines Sterzwerkes gegen den Wind gerichtet wurden. Dieser Typ kommt hier mit und ohne Laufsteg vor. Alle Abbildungen zeigen das Flügelkreuz. Wieviel Mühlen dieser Art es gegeben hat, ist mir nicht bekannt. Ich habe den Eindruck, daß diese Mühle hier für das Mahlen von Getreide benutzt wurde. Andere Funktionen sind mir nicht bekannt. d. Die eckige Turmmühle. Ich habe keine Spur vom Vorkommen eckiger Turmmühlen entdecken können.
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FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE Kap. V ) erwähnt u. a. Windmühlen mit acht Flügeln. Solche Mühlen sind aber in dem Bildmaterial, über das ich verfüge, nicht zu entdecken. Wohl erscheinen die folgenden Flügelformen: 1. Vier Flügel. Das Gatter befindet sich an der einen Seite der halben Rute. Er ist aus drei Längslatten und einer großen Anzahl von Querlatten gebildet. An der anderen Seite der halben Rute befinden sich keine Windbretter. Das Gatter ist rechteckig. Über das Gatter kann ein Segel gespannt werden. Die Flügel weisen eine Wölbung auf. Diese Konstruktion kommt bei der konischen Turmmühle* vor. 2. Vier Flügel wie im Fall 1, jedoch mit Windbrettern an der anderen Seite der halben Rute. Diese Konstruktion kommt bei der leicht-konischen Turmmühle* und bei der konischen Turmmühle vor. 3. Sechs Flügel. Das Gatter befindet sich zu beiden Seiten der halben Rute und hat die Form eines Trapezes. Es hat an jeder Seite der halben Rute eine Längslatte und eine Anzahl Querlatten. Von der Flügelwelle an sind die Flügel mit dünnen Holzbrettchen beschlagen, wobei das letzte Viertel der Flügel ausgespart bleibt. Zwischen den Flügeln sind Stangen gespannt. Diese Konstruktion kommt bei der zylindrischen Turmmühle* und der leicht-konischen Turmmühle* vor. Aus der Abb. 297 kann man ersehen, daß die Flügelwelle nicht verlängert ist und daß zu den Toppen der Flügel keine Spannseile laufen. Ob die Flügel eine Wölbung aufweisen oder mit der Drehungsebene einen Winkel bilden, ist aus dem Bildmaterial nicht zu ersehen. KÁLMÁN (1,
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HAUBENFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE
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Im Bildmaterial über Ungarn finden sich folgende Haubenformen: 1. Die Sattelform. Diese Konstruktion kommt bei der Bockmühle* vor. 2. Die konische Form. Diese Konstruktion kommt bei der zylindrischen Turmmühle*, der leicht-konischen Turmmühle* und der konischen Turmmühle* vor.
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QUELLEN 1. Lambrecht Kálmán: „A Magyar Szélm alora", in: Ethnographia, X X I I . Évfolyam, Budapest, 1911. 2. K. Boonenburg: Windmolene in het buüenland (Sonderdruck ohne Erwähnung der Zeitschrift), o. J. 3. Winkler Print Encyclopaedic, dl. 10, Amsterdam-Brüssel, 1961.
4. Eisernere Weekblad vom 30. 3. 1963. 6. Brief von Dr. Adalbert Riedl, Direktor des Landeamuseums, Eisenstadt, vom 19. 8. 1963.
6. Sven B. Ek: Väderkvarnar och VattenmöUor, Stockholm, 1962. 7. Nagy Czirok László: Száraz- és azélmolnárok ¿lete a Kiakuneágon, Budapest, 1959. 8. Pongrácz Pài: A mezógazdasági jellegú ipari épüéezet múemlékei. A malmok, Budapest, 1957.
Zypern S. 3, 4) bemerkt, daß man die Windmühlen, die sich noch jetzt auf einigen Inseln des antiken Weltmeeres vorfinden, nämlich auf Kreta, Zypern und Mallorca, wohl als die ältesten Form wird betrachten müssen. Bei meinen Wanderungen durch die Insel Zypern vor einigen Jahren habe ich aber keine Spur vom Vorkommen von Windmühlen entdecken können. Später beschloß ich, die Abteilung für Altertümer im Verkehrsministerium in Nicosia um einschlägige Auskunft zu ersuchen. Von dieser Abteilung erhielt ich durch ein Schreiben vom 31. 10. 1 9 6 3 (Nr. 195/36/4) u. a. folgende Mitteilung: ,, . . . I wish to inform you that there are no windmills in Cyprus nor are there any records of their existence at an earlier date".
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Β. Asien
Aden Golding gibt gegenüber S. 78 seiner Arbeit eine Abbildung einer Windmühle mit der Erwähnung: „One of the brine-pumping wind-mills at the Aden saltworks*". Die Abbildung stellt eine leicht-konische Turmmühle dar mit einer konischen Kappe, die sehr scharfspitzig ist. Die Mühle hat acht Flügel. Diese bestehen aus einem Gatter, dae sich gleichmässig zu beiden Seiten der halben Rute befindet. Auf jeder Seite gibt es zwei Längslatten mit einer großen Anzahl Querlatten. Die Flügelwelle ist nach außen hin verlängert. Vom Kopf dieser Verlängerung laufen Spannseile zum Topp der Flügel. Die Flügel sind ebenfalls miteinander durch Spannseile verbunden. Es stellt sich klar heraus, daß diese Mühle zum Mittelmeertyp gehört. Laut einer mündlichen Mitteilung Rex Wailes' im zweiten Symposion für Molinologie (1969) sind in Aden vier solcher Mühlen gebaut worden von einer italienischen Kompanie. In welcher Zeit die Mühlen dorthin gekommen sind, ist mir nicht bekannt.
QUELLE
1. E. W. Golding: The generation of electricity by wind power, London, 1956.
Afghanistan In der Windmühlengeschichte Asiens spielt das Gebiet, das man als Seistan bezeichnet, eine bedeutende Rolle. Wir verfügen nämlich über Berichte, aus denen hervorgeht, daß in dieser Gegend Windmühlen schon im 10. Jahrhundert vorkamen. Zu jener Zeit umfaßte Seistan ein Gebiet, das sich über den östlichen Teil des heutigen Persiens, einen großen Teil des heutigen Afghanistans und den westlich des Indus gelegenen Teil des heutigen Pakistans ausdehnte (1, S. 324). Der bedeutendste Teil dieses Gebiets war und ist heute noch die Gegend, die von dem Helmand-Fluß durchflossen wird. Außerhalb dieses Flußgebiets dehnt sich die Wüste.
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210 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde Der Helmand-Fluß führt selbst noch in der Trockenzeit Wasser vom Hindukusch über eine Entfernung von 512 km in einen Hamoun Helm and genannten See heran, dessen Waseerstand von der Jahreszeit abhängig und sehr unbeständig ist, so daß seine Grenzen nicht genau angegeben werden können. Wenn es genügend Wasser gibt, wird dieses durch den Chelag in den südlich gelegenen God-i-Zirreh-See abgeführt (2, S. 163). Vom Helmand-Fluß wird das Wasser durch kleine Kanäle zu dem nachbarlichen Ackerbauland geleitet. Dieses Gebiet ist sehr fruchtbar, und überall, wo das Wasser hinkommt, sprießt das Getreide aus dem Boden. Im Sommer weht hier von Anfang Mai bis Ende September pausenlos aus dem Nordwesten der berüchtigte „Wind von hundert und zwanzig Tagen" mit einer Geschwindigkeit von 200 km in der Stunde, so daß die Bäume selbst im fruchtbaren Gebiet nicht gedeihen können (2, S. 164). Für dieses Gebiet ist schon ganz früh das Vorkommen von Windmühlen erwähnt worden. Aus allen Mitteilungen geht jedoch hervor, daß der Teil Seistans, der zu Afghanistan gehört, nur einen Mühlentyp gekannt hat: A. D I E HORIZONTALE WINDMÜHLE
Der früheste Bericht, ausdem sich erweisen könnte, daß die Windmühle hier bekannt war, kommt in arabischen Quellen vor und stammt aus dem Jahr 644. Abu Lulu, ein persischer Sklave, von dem erzählt wird, daß er in Nehavend geboren und schon früh zum Christentum übergetreten war, beklagte sich eines Tages beim Kalifen Omar (634-644), daß er verpflichtet sei, seinem Herrn jeden Tag zwei Dirhams zu zahlen. Dieser Sklave war offenbar ein tüchtiger Handwerker. Der Kalif war denn auch der Ansicht, daß diese Abgabe für den Sklaven nicht beschwerlich sein konnte. Omar fragte ihn darauf: „Man hat mir erzählt, daß du eine Mühle entwerfen kannst, die vom Winde in Bewegung gebracht wird. Ist das wahr?" (3, S. 195). Diese Frage dürfte am 2. November 644 gestellt worden sein,'da laut dieser Erzählung derselbe Sklave den Kalifen Omar am folgenden Tag ermordete und diese Untat am 3. November 644 verübt wurde (4, S. 717). In der Mühlenliteratur wird diese Geschichte von mehreren Autoren angeführt (5, S. 4 3 9 ; 6 , S. 7 ; 7 , S. 6 0 ) . Von den meisten wird sie nicht ernst genommen. BAROJA (8, S. 228) dagegen folgert daraus, daß die Windmühle im 6. und im 7. Jahrhundert in Seistan bekannt war (8, S. 130). Die ältesten, wirklich zuverlässigen Berichte über das Vorkommen von Windmühlen in Seistan stammen, wie es hiernach noch gezeigt werden wird, aus der Zeit um 950. Für den Bericht aus dem Jahre 644 geht es an erster Stelle um die Frage, ob Omar und auch Abu Lulu wohl Kenntnis von Windmühlen erhalten haben könnten, falls es in diesen Tagen Windmühlen gegeben hätte. Wir werden noch feststellen, daß keines der arabischen Länder die Windmühle gekannt hat. Von diesen Gebieten aus konnte also der Araber Omar keine Kenntnis von der Windmühle bekommen. Im Jahr 641/642 aber hatten die Araber u. a. auch Seistan erobert (3, S. 181; 9, Karte 3). Wären zu jener Zeit in Seistan Windmühlen bekannt gewesen, dann würde es nicht unmöglich sein, daß Omar als Kalif des arabischen Reiches darüber Bescheid erlangt hätte. Von Abu Lulu wird erzählt, daß er in Nehavend geboren war. Falls es in jeden Tagen in Seistan Windmühlen gegeben hat, dann ist es ebenfalls möglich, daß auch Abu Lulu darüber Bescheid wußte.
Β. Asien: Afghanistan 211 Daraus ist zu folgern, daß der Bericht von 644 nicht ohne weiteres außer Acht gelassen werden kann ; ein Beweis aber, daß die Windmühlen schon 644 in Seistan vorhanden waren, ist damit noch nicht erbracht. Zunächst erhebt sich die Frage, warum aus der Zeit zwischen 644 und etwa 950 kein einziger Bericht über das Vorkommen von Windmühlen in diesem Gebiet mehr zu uns gelangt ist. Wie wir später noch feststellen werden, stehen uns andererseits aus der Zeit zwischen etwa 1412 und 1872 ebensowenig Mitteilungen über Windmühlen zur Verfügung, und dennoch haben wir guten Grund anzunehmen, daß es in dieser Zeit Windmühlen wirklich in diesem Gebiet gegeben hat. Die ersten zuverlässigen Berichte finden wir bei al-Mae'udi und al-Istakhri. Abü-l-Hasan 'All ibn al-Husain ibn 'Al! al-Mae'udi wurde vor dem Jahr 912 in Bagdad geboren. Er war ein bekannter Geograph und Historiker, der viel gereist war. Die letzten zehn Jahre seines Lebens wohnte er nacheinander in Syrien und Ägypten. Er starb in Kairo (Al-Fustat) um 957 und wurde dort begraben. Das Hauptwerk, das er hinterließ, war eine historisch-geographische Enzyklopädie. Sie trug den Titel: Murüj ai-dhahab toa ma'ädin ai-juwähir, was in wörtlicher Übersetzung: „Wiesen aus Gold und Bergwerke mit Edelsteinen" bedeutet. Dieses Werk wurde um 947 geschrieben und 956/957 revidiert (10, S. 637, 638). R E N A N (11, S. 253-275) ist jedoch der Ansicht, daß es 944 verfaßt wurde. Der größte Teil von al-Mas'udi's Werk ist verloren gegangen. Was davon übriggeblieben ist, haben die Orientalisten Barbier und Pavet de Courteille (12, S. 80) ins Französische übersetzt. Inbezug auf Seistan findet sich in ihrem Werk der Satz: „Le Sedjestân est, par excellence, le pays des vents et des sables; il est renommé pour l'industrie avec laquelle on emploie le vent à faire tourner des meules". Ausdrücklich wird hier also die Verwendung von Windmühlen in Seistan erwähnt. Abü Içhâq Ibrahim ibn Muhammed al-Färisi al-Istakhri lebte um 950 und war in Persepolis geboren. Wie al-Mas'udi war auch al-Istakhri Geograph. Er schrieb ein geographisches Werk mit dem Titel: Masälik al-mamälik. In diesem Buch erwähnt er wie al-Mas'udi das Vorkommen von Windmühlen in Seistan (10, S. 674). Nach einer Mitteilung von BABOJA (8, S. 220, 221) kann man bei Abu'l-Kasim ibn Hawkal nachlesen, daß die Winde in Seistan so stark sind und so lange anhalten, daß die Einwohner dieses Gebietes Mühlen errichtet haben, die sich durch Windantrieb bewegen (13, S. 417). BABOJA fügt hinzu, daß Ibn Hawkal sich dabei auf Istakhri beruft. Nach SABTON (10, S. 674) hat Ibn Hawkal das Werk von Ißtakhri revidiert. BABOJA (8, S. 221) zitiert ferner noch eine arabische Schrift von Shamso'd-din abü Abdullah Mohammed ibn Ahmed ibn Abi Bekr al-Bannä al-Basschäri al-Mokkaddassi. Dieser Autor lebte am Ende des 10. Jahrhunderts. Er erwähnt ebenfalls die Windmühlen von Seistan und außerdem diejenigen eines Gebietes Busany, das ich aber nicht habe identifizieren können. Zakarija ibn Mohammed al-Kazwini war ein arabischer Kosmograph und Geograph. Er wurde 1203 in Kazwin geboren und starb im Irak. Er spricht auch von Seistan und von den Seistanis: „Dort kommt der Wind nie zur Ruhe, und die Leute bauen ihre Mühlen, um davon Gebrauch zu machen. Sie mahlen ihr Getreide nur mit Hilfe dieser Mühlen." Hamd-allah al-Mustawfi al-Kazwini war ein persischer Historiker und Geograph. Er wurde um 1280 geboren und starb nach 1340 (14, S. 835). Er beschreibt Fushanj, einen Ort südwestlich von Herat, nicht sehr weit vom Herat-Fluß. Er bezeichnet es
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als eine Besonderheit dieses Ortes, daß er eine große Zahl von Windmühlen besaß, deren Erfindung man allgemein einem ägyptischen Pharao aus Moses' Zeit zuschrieb. Dieser Pharao soll während eines Feldzuges in dieser Stadt verweilt haben (15, S. 411). Aus all diesen verschiedenen Berichten zwischen +950 und +1340 wissen wir also, daß in Seistan Windmühlen vorhanden waren. Aus keinem dieser Berichte geht aber hervor, wie diese Mühlen konstruiert waren. Die erste Beschreibung finden wir bei alDimashqi (17, S. 246, 247; 18, S. 616). Shems-ed-Din Abu-'abdallah Moh'ammed Dimashqi lebte von 1256/7 bis 1326/7. Er war ein syrischer Kosmograph und schrieb ein Werk mit dem Titel: Nokhbet ed-dahr fi'adjaib-il-birr wal-bahr. Seiner Beschreibung gab er eine Abbildung bei. Ich gebe hier zunächst die Abbildung*, wie sie in einem Werk mit arabischen Text vorkommt, das von Fraehn begonnen und von Mehren abgeschlossen wurde. Dieser Text geht auf die Handschriften zurück, die in Leningrad, Paris, Leiden und Kopenhagen aufbewahrt werden (16). GLEISBERG (19, S . 4 4 ) bringt eine Abbildung*, die einigermaßen von der vorigen abweicht, und erwähnt dabei die Handschriften in Leiden und Berlin. BATHE (20, Fig. 33) gibt eine deutlichere Zeichnung, die er von ANTON FLETTNER (21) übernommen hat*. Die zu dieser Abbildung gehörende Beschreibung von al-Dimashqi kann man in der Hauptsache wie folgt wiedergeben: Wenn die Seistanis Mühlen erbauen, die vom Winde bewegt werden, dann gehen sie folgendermaßen zu Werke. Sie errichten ein hohes Gebäude in der Art eines Minarets oder bauen es auf einem hohen Berg oder Hügel oder auf dem Turm einer Burg. Sie führen dann eine Konstruktion auf, die aus zwei Stockwerken besteht. Im oberen Stockwerk sind die Mühlensteine, die sich drehen und mahlen. Im unteren Stockwerk befindet sich ein Rad, daß vom hereingelassenen Wind gedreht wird. Wenn dieses unten liegende Rad sich dreht, dreht sich auch der oben befindliche Mühlenstein. Nachdem der zwei Stockwerke hohe Bau fertig ist, bringen die Seistanis in den Mauern vier Schlitze in der Art von Schießscharten an. Diese sind an der Außenseite breiter und an der Innenseite schmäler. Diese Schlitze lassen den Wind derart herein, daß er mit Kraft hineinströmt, wie aus dem Blasebalg eines Goldschmiedes. Sobald der Wind hineingedrungen ist, stößt er auf seinem Weg auf ein Rad, das jenem Rad ähnlich ist, um welches die Weber ihre Fäden aufwickeln. Die Zahl der Flügel variiert zwischen sechs und zwölf. An diesen Flügel ist Baumwollgewebe befestigt wie die Hülle einer Laterne. Dieses Baumwollgewebe ist über die verschiedenen Flügel verteilt, so daß jeder von ihnen einzeln damit überdeckt ist. Jedes Stück Baumwolle hat soviel Spielraum, daß es sich bauscht und mit Luft füllt, durch welche die Flügel in eine rotierende Bewegung gebracht werden. Das Rad wird seinerseits dadurch gedreht und bringt so die zum Mahlen des Getreides dienenden Steine in Bewegung. Diese Mühlen sind eine gewöhnliche Erscheinung auf den höher gelegenen Stellen, die dem Wind ausgesetzt sind und wo das Wasser fehlt (17, S. 247; 18, S. 616). Einige Punkte in dieser Beschreibung glaube ich noch besonders hervorheben zu müssen. 1. Die von al-Dimashqi beschriebene Mühle besteht aus einem nicht-drehbaren Gehäuse mit zwei Stockwerken. Im oberen Teil drehen sich die Mühlsteine, im unteren die Flügel. 2. Sie hat vier Windöffnungen, durch die der Wind auf die Flügel geführt wird. 3. Es ist eine Getreidemühle.
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Ein weiterer Bericht über Windmühlen in Afghanistan stammt aus der zweiten Hälfte des 14. oder dem Anfang des 15. Jahrhunderts. Dieser Bericht ist durch ein Werk von Guziili, der 1412 gestorben ist, zu uns gekommen. Mez (δ, S. 439) zitiert aus dem Werk Guzüli, Maiali el-budür, Cairo, 1299, I, S. 50 folgendes: „In Afghanistan werden alle Mühlen und Schöpfräder durch den Nordwind getrieben und sind nur ihm entgegen gerichtet. Dieser Wind weht dort beständig, Sommer und Winter, stärker und beständiger im Sommer. Manchmal setzt er ein oder ein paar Male am Tage oder in der Nacht aus, dann steht in diesem Landstrich jede Mühle und jedes Schöpfrad still. Dann geht er wieder, und sie gehen auch. An den Mühlen haben sie Luken (manäfis), die geschlossen und geöffnet werden, damit wenig oder viel Wind hineinkommt. Denn wenn er zu stark weht, verbrennt das Mehl und kommt schwarz heraus, manchmal wird auch der Mühlstein glühend und zerfällt". Auch bei dieser Mitteilung von Guzüli glaube ich noch besondere unterstreichen zu müssen, daß: 1. von „Mühlen" und von „Schöpfrädern" die Rede ist. Ich glaube dies so verstehen zu können, daß es Windmühlen für das Mahlen von Getreide und andere für das Heben von Wasser gab; 2. die Windmühlen „nur dem Nordwind entgegengerichtet sind", woraus ich folgern zu dürfen glaube, daß diese Windmühlen nur eine nach Norden gerichtete Windöffnung hatten; 3. diese Windöffhung mit Schirmen versehen war, mit deren Hilfe der jeweils erforderliche Windstrom reguliert werden konnte. Die nächsten Berichte, die uns im Hinblick auf die in Afghanistan vorkommenden Windmühlen zur Verfügung stehen, stammen aus dem Jahre 1872. In jenem Jahr unternahm Beilew eine Expedition vom Indus zum Tigris. Auf dieser Fahrt kam er durch Afghanistan, u. a. über die Orte Kandahar, Rudbar, Nasirabad und Khyrabad. Am 7. März 1872 war er in Nasirabad. Über seine Beobachtungen schreibt er: „In der Nähe der Nordwestecke der Zitadelle (von Nasirabad) am Rande eines Grabens und auf einer geringen Entfernung von unserem Lager steht eine dieser Windmühlen, die hier so häufig vorkommen und diesem Land so eigen sind. Man hatte sie sichtlich nicht gut imstande gehalten, und das wehklagende Kreischen der Flügel, als die mitternächtliche Brise sie in Bewegung brachte, raubte uns dementsprechend den Schlaf während der Stunden der Dunkelheit. Diese Art Mühle oder äsyäe bäb, wie sie genannt wird, ist zwar in technischer Hinsicht sehr grob konstruiert, aber dennoch dem in diesen Gegenden herrschenden Wind vorzüglich angepaßt. Sie besteht aus zwei in nord-südlicher Richtung parallel laufenden Wänden aus ungebranntem Ton. Eine dieser Wände, gewöhnlich die östliche, rundet sich an der Nördseite zu einem Bogen, der diese Seite beinahe ganz abschließt, so daß hier zwischen beiden Wänden nur noch eine drei oder vier Fuß breite Spalte (A)* offen bleibt. Die Südseite dagegen ist ganz offen gelassen. In der Mitte des Bodens zwischen beiden Wänden sind die Mühlsteine aufgestellt. Der obere Mühlstein dreht sich um eine Welle, die in der Mitte des unteren angebracht ist. An der oberen Fläche des oberen Steines ist ein vertikaler Pfahl befestigt. Dieser dreht sich durch ein Loch in einem dicken Balken, der horizontal auf dem oberen Rand der beiden Wände ruht. Dieser vertikale Pfahl ist mit Flügeln versehen, die aus einem leichten Holzrahmen bestehen und vertikal angebracht sind. Die von der Mitte am meisten entfernte Hälfte dieser Flügel ist mit Streifen Rohrmatte oder mit sonstigem Geflecht überdeckt. Mit Hilfe dieser Flügel wird der Wind aufgefangen, der die Mühlensteine zum Drehen bringt.
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Der Wind dringt durch die Öffnung herein und bringt den gegenüberstehenden Flügel in Bewegung. Dadurch tritt der folgende Flügel vor die Öffnung usw. Der Wind entströmt an der Südseite der Mühle. In einigen Teilen des Landes sind diese Mühlen auf das Heben von Wasser eingestellt. Solche Mühlen aber hat der Verfasser selber nicht gesehen (22, S. 234, 235)". Am 15. März 1872 befand sich Bellew in Khyrabad. Dort sah er eine Anzahl von Windmühlenruinen, die er folgendermaßen beschreibt: „Jede der Ruinen besteht aus zwei hohen Mauern, die mit Pfeilern gestützt sind. Sie stehen parallel in nord-südlicher Richtung mit einem Zwischenraum von ungefähr zwanzig Fuß. Die Vorderseite der Mühle ist nach Süden gekehrt und offen, die Rückseite ist nach Norden gerichtet und wird von einer hohen Mauer abgeschlossen, die beide Parallelwände miteinander verbindet. An der Westseite hat diese hohe Mauer in ihrem oberen Teil eine vertikale Öffnung, die zwei Fuß breit ist und von der oberen Kante bis zur unteren ungefähr acht Fuß mißt*. Die offene, nach Süden gekehrte Vorderseite zeigt uns zwei Stockwerke, die durch ein Bogengewölbe zwischen den beiden Seiten wänden gebildet werden, und zwar über die ganze Tiefe hin, die von Süd nach Nord ungefähr dreißig Fuß beträgt. Der innere Teil unter dem Gewölbe, der den Wohnraum der Insassen darstellt, war mit mehreren kleinen Nischen in den Wänden versehen. Diese dienten offenbar als Schränke und Fächer für Haushaltsgegenstände und Vorräte. Die Decke des Gewölbes war im allgemeinen mit Ruß bezogen, was darauf deutet, daß auf dem Fußboden Feuer gebrannt hatten. Es gab anscheinend keine andere Ventilation als durch die offene Vorderseite. Das Stockwerk über dem Gewölbe hatte kein Dach. Als diese Gebäude bewohnt waren, befand sich in diesem oberen Raum die dem Lande eigne Windmühle, wie wir sie schon beschrieben haben (Nasirabad). Dies erklärt das Vorhandensein der schmalen Öffnung im oberen Teil der Rückwand. Diese Gebäude sind sämtlich aus ungebranntem Ton gebaut und sind in vielen Fällen in dem Verfallszustand, in welchem sie verlassen worden sind, auffallend gut konserviert (22, S. 274)". M A R S H (24, S. 129) beschreibt 1877 eine Reise von Maahad nach Herat. Als er sich Herat bis auf 24 Meilen genähert hatte, schrieb er (hier ins Deutsche übersetzt): „Wir zogen an dem Fort von Rozanäk vorbei und sahen in der Ferne Ghorïàn, ein großes Dorf auf einem Abstand von ungefähr einem farsak (4 Meilen) auf dem linken Ufer des Flusses . . . Wir machten halt in Rozanäk, um die eigentümlichen, auf einer der Bastionen des Forts gebauten Windmühlen zu betrachten. In der windigen Jahreszeit, sagten die Eingeborenen, kommt der Wind vom Norden und weht regelmäßig. Darum sind Windmühlen hier allgemeiner verbreitet als Wasserradmühlen. Sie arbeiten horizontal und haben sechs Arme, an denen Matten oder Segel befestigt sind. Als ich dort vorbeikam, waren sie nicht in Betrieb, und sonst ist mir nirgends, gleich in welch anderem Teil Asiens noch ein zweites Exemplar einer Mühle dieser Art begegnet". Um noch einmal unseren Bestand an Berichten über Windmühlen zu überblicken, wir verfügen zunächst über eine Überlieferung aus 644, deren Wert wir vorläufig nicht bestimmen können. Dann sind uns eine Anzahl zuverlässige Mitteilungen über das Vorkommen von Windmühlen zwischen +947 und +1412 bekannt. Während ungefähr 560 Jahren vernehmen wir nichts mehr über diese Mühlen. Die folgenden Daten stammen aus den Jahren 1872 und 1877. Die Berichte aus der Zeit zwischen +947 und +1326/7 geben keine Auskunft über die Funktion der Windmühle (al-Istakhrï, ibn Hawkal, al-Mokkaddassi, al-Mustawfi) oder sprechen vom Mahlen von Getreide (al-Mas'udi, al-Kazwini, al-Dimashqi). Zum
Β. Ásien: Afghanistan
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ersten Mal wird um 1412 neben der Getreidemühle auch die Windmühle zum Heben von Waaser erwähnt (Guzüli). Wir verfügen auch über eine Anzahl von Abbildungen. Sie stammen aus den Jahren 1256/7 und 1326/7* und 1872*. Es gibt auffallende Unterschiede zwischen diesen Abbildungen. Am eigentümlichsten eind wohl die Abbildungen 300, 301, 302, die eine horizontale Mühle darstellen, in der die Mühlsteine oberhalb der Flügel gelegen sind. Aus den Abb. 303 und 304 und den dazu gehörenden Beschreibungen geht hervor, daß hier die Steine unterhalb der Flügel liegen. Die älteste Abbildung* stimmt mit der Konstruktion der in diesem Gebiet bekannten vertikalen Wasserradmühle vollkommen überein. Es ist, als ob eine solche Wasserradmühle aus dem Wasser gehoben worden wäre und jetzt nicht länger mehr das Wasser über die Schaufelbretter geführt wird, sondern der Wind. Leider wissen wir nicht, ob in der Zeit al-Dimashqi's und vorher alle Windmühlen auf dieselbe Weise eingerichtet waren. Sollte dies aber der Fall gewesen sein, so dürfte man darin einen Beweis sehen, daß die horizontale Windmühle unmittelbar aus der vertikalen Waeserradmühle entwickelt worden ist. In diesem selben Fall wären dann die in den Abb 303 und 304 dargestellten Windmühlen durch eine Umkehrung der ursprünglichen horizontalen Windmühle entstanden. Ferner ist es auffallend, daß die älteste bekannte Abbildung einer horizontalen Windmühle vier Windöfthungen zeigt. Vor 1412 sprach aber schon Guzüli von einer Windöfinung, die durch Luken abgeschlossen werden konnte. Die Abb. 303 und 304 zeigen ebenfalls nur eine Windöflhung, bei der offenbar die Luken weggefallen sind. Es ist natürlich eine rein spekulative Vorstellung anzunehmen, daß die erste horizontale Windmühle keine Windöffhungen aufwies und daß man später nach einem Stadium mit vier Windöffhungen zu der einen Windöffnung gelangt ist. Sicheres Wissen in dieser Frage ist uns nicht gegeben. Es ist mir übrigens nicht gelungen, eine Darstellung einer zum Heben von Wasser verwendeten Windmühle in meinen Besitz zu bekommen. So kann ich mir keine Vorstellung davon machen, wie die Drehbewegung der Flügelwelle auf das Werkzeug, das das Wasser heben mußte, übertragen wurde. Gab es hier auch irgendeine Form von Transmission? (Vgl. hierzu den Abschnitt über China.) Sollen wir weiter annehmen, daß es ursprünglich nur Getreidemühlen gegeben hat und daß man die Windmühle erst später zum Heben von Wasser hat benutzen können? Ist diese Neuerung etwa zwischen den Jahren 1256/7-1326/7 und 1412 erfolgt? Inwieweit in unserer Zeit noch Windmühlen in Betrieb sind, ist mir nicht bekannt.
QUELLEN
1. Philip K. Hitti: History of the Arabs from the earliest times to the present, London, 1951. 2. R. Blanchard: „Asie Occidentale", in: Géographie Universelle, Tome V i l i , Paris, 1929. 3. Sir William Muir: The Caliphate (newly revised edition by T. H. Weir), Edinburgh, 1915 (repr. 1924). 4. WinMer Prins Encyclopaedic, dl. 14, Amsterdam-Brüssel, 1952. 5. A. Mez: Die Renaissance des Islams (ed. H. Rechendorf), Heidelberg, 1922. 6. Clément Huart: La Perse antique et la civilisation iranniene, Paris, 1925. 7. Georg Jacob: Der Einfluß des Morgenlands auf das Abendland vornehmlich während des Mittelalters, Hannover, 1924. 8. Julio Caro Baroja: „Dissertación sobre los molinos de viento", in: Revista de Dialectología y Tradiciones populares, Tomo VIH, Cuad. 2, Madrid, 1952. 9. Historical Atlas of the Moslim People. Amsterdam, 1957.
300-302, 303, 304
300, 302
216
Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
10. George Sarton: Introduction to the history of science, Vol. I, Baltimore, 1927. 11. Ernest Renan: Mélanges d'histoire et de voyages, Paris, 1878. 12. C. Barbier et Pavet de Courteille: Maçoudi. Les prairies d'or. Tome 2nd, Paris, 1863. 13. H. P. Vowles: „ E a r l y evolution of power engineering", in: Isis, April 1932, no 51, Vol. X V I I (2). 14. Winkler Prins Encyclopaedic, dl. 11, Amsterdam-Brüssel, 1951. 15. Guy de Strange: Lands of the Eastern Caliphate. Mesopotamia, Persia, and Central Asia from the Moslim conquest to the time of Timur, Cambridge, 1905. 16. M. A . F. Mehren: Cosmographie de Chems-ed-Din Abu Abdallah Mohammed Dimichqui. Texte Arabe publié d'après l'édition commencée par M. Fraehn et d'après les manuscripts de St Pétersbourg, de Paris, de Leyde et de Copenhague, Saint-Pétersbourg, 1866. 17. M. A . F. Mehren: Manuel de la Cosmographie du moyen age traduit de l'Arabe „Nokhbet ed-dahr fi'adjaib-il-birr ιval bahr" de Shems ed-Dïn Abou-'abdallah Moh'ammed de Damas et accompagné d'éclaircissements, Copenhague, 1874. 18. Charles Singer, E. J. Homyard, A . R . Hall and Trevor I . Williams: A history of technology, Vol. I I , Oxford, 1956. 19. Hermann Gleisberg: Technikgeschichte der Getreidemühle, München, 1966. 20. Greville Bathe: Horizontal windmills, draft mills and similar air-flow engines, Philadelphia, 1948. 21. Anton Flettner: Mein Weg zum Rotor, 1926. 22. Henry Walter Bellew: From the Indus to the Tigris. A narrative of a journey through the countries of Balochistan, Afghanistan, Khorassan and Iran in 1872, London, 1874. 23. Col. G. B. Malleson: Herat: the granary and garden of Central Asia, London, 1880. 24. Hippisley Cunliffe Marsh: A ride through Islam: being a journey through Persia and Afghanistan to India via Meshed, Herat and Kandahar, London, 1877. 25. Abbot Payson Usher: A history of mechanical inventions, New York, 1929. 26. Baron Cara de Vaux: Les penseurs de l'Islam. Les géographes, les sciences mathématique et naturelles, I I , Paris, 1921. 27. Julius Hann: Handbuch der Klimatologie, I I I . 2, Stuttgart, 1911.
China In China gibt es Windmühlen oder hat es jedenfalls früher solche gegeben. GLEISBERG (1, S. 45), der sich dabei auf Needham beruft, erwähnt, daß die Windmühle horizontaler Form in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in China eingeführt wurde. Ich habe Needhams Werk nicht vor Augen gehabt, so daß mir nicht bekannt ist, auf welchen Quellen jene Mitteilung beruht. GLEISBERG gibt darüber keine Auskunft. In der Encyclopedia Britannica (14, S. 657) kommt folgende Stelle vor: „Persian millwrights, taken prisoner by Jenghis Khan, were sent to China to instruct in the building of windmills, their use for irrigation has lasted ever since, but the mills are freestanding, with feathering sails". Dschingis Khan eroberte einen Teil Persiens um 1220. Der Verfasser der betreffenden Notiz gibt aber seine Quellen nicht an. Die erste zuverlässige Nachricht stammt von NIEUHOFF. Hiernach handelt es sich um: A. DIE HORIZONTALE WINDMÜHLE
NIEUHOFF nahm 1655 als boltelier teil an einer Gesandtschaft der „Vereinigten Ostindischen Kompagnie" der Vereinigten Niederlande. Diese Gesandtschaft war, wie so viele andere, aus Kaufleuten gebildet, die vom Kaiser von China Vergünstigungen für ihren Handel zu erlangen suchten. Die Niederländer reisten von Kanton nach Peking,
Β. Asien: China
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und unterwegs machte N I E U H O F F ausführliche Aufzeichnungen über alles Gesehene. Nach seiner Rückkehr schrieb er ein Buch über seine Beobachtungen. Er erwähnt in bezug auf Kao-Yu, wie die Leute dort auf ihre Windmühlen stolz waren, deren Flügel sie aus Matten anfertigten. Diese Mühlen wurden dazu verwendet, aus den Reisfeldern alles Wasser wegzupumpen, das hinderlich zu werden drohte, oder auch Wasser für die Bewässerung heraufzupumpen, wenn die Felder zu trocken wurden. Nach N I E U H O F F war dieses Gebiet „voller Windmühlen" (2, S. 84, 85)*. Soweit aus der Abbildung zu ersehen ist, bestehen diese Mühlen aus zwei in den Boden gepflanzten Pfählen, die durch einen horizontalen Balken miteinander verbunden sind. Vermutlich ist das Ganze aus Bambusrohr aufgeführt, denn darauf deutet die Konstruktion mit den herausragenden Enden hin. Die vertikalen Pfähle sind gestützt und vermutlich mit Bindematerial (Rotang?) getaut. In dem horizontalen Balken dreht sich eine vertikale Welle. An dieser ist ein vermutlich ebenfalls aus Bambusrohr angefertigter Rahmen angebracht, an dem Matten befestigt sind. Vermutlich können sich diese Matten frei drehen, da sie in ihrer Mitte oder ungefähr in ihrer Mitte am Rahmen befestigt sind. Wie das waseerhebende Werkzeug die Bewegung der vertikalen Welle übernimmt, ist aus der Zeichnung nicht zu ersehen. Es ist aber deutlich, daß die Flügel sich oberhalb des Werkzeuges befinden. In China ist 1726 eine große Enzyklopädie mit dem Titel T'u-shu-chi-ch'eng erschienen. Darin sind eine Anzahl aus europäischen Werken herstammende Abbildungen von vertikalen Mühlen aufgenommen*. Die Jesuiten, die an der Ausgabe dieser Enzyklopädie beteiligt waren, sollen sich Mühe gegeben haben, um die Einfuhr von europäischen Maschinen in China zu ermöglichen. Die Chinesen haben ihr Vorhaben offenbar abgelehnt, und so ist denn auch die vertikale Windmühle in China niemals eingeführt worden (4, S. 101). B A T H E zitiert aus dem Book of Trades (London, 1837), eine dort auf Seite 194 vorkommende Notiz, nach welcher die Chinesen die Windmühlen noch zu einem anderen Zweck verwendet haben. Sie benutzten diese nämlich im Großen Kanal, um die Schiffe mit Hilfe von „rollenden Brücken" von einem Waeserstand zu dem anderen zu bringen. Es ist mir nicht gelungen, dieses Book of Trades in die Hände zu bekommen, und so habe ich von diesem Werkzeug auch keine genaue Vorstellung. B A T H E schreibt (hier übersetzt ins Deutsche) darüber: „Diese rollenden Brücken bestehen aus einer Anzahl von zylindrischen Walzen, die sich leicht um eine Achse (oder Spindel) drehen und die bisweilen von einer Windmühle in Bewegung gebracht werden". Hier geht m. E. das Zitat aus dem Book of Trades zu Ende. B A T H E selber fügt dem noch folgendes hinzu (wiederum hier in deutscher Übersetzung): „Dies konnte auf bequeme Art geschehen, indem man das Schlepptau nur einige Male um die vertikale Welle der Windmühle wand. Auf diese Weise konnte ein einzelner Mann die Arbeit von zehn leisten, indem er am Ende des Schlepptaues eine leichte Spannung aufrechterhielt, wie man das auch am Schiffsgangspil handhabt". Zu welcher Zeit diese „rollende Brücke" in Betrieb war, ist mir nicht bekannt. In Ritters Beschreibung vom Großen Kanal (5) ist von dieser Vorrichtung nirgends die Rede. Wohl wissen wir, daß der Große Kanal schon 1290 fertig gebaut war (7, S. 88). King unternahm 1911 oder kurz vorher eine Fahrt in das Mündungsgebiet des Peiho-Flusses, wo die Salzfelder des Takugebiets lagen. Er beobachtete dort eine große Anzahl von horizontalen Windmühlen, durch deren Drehbewegung Meerwasser in die großen Verdampfungsbecken gehoben wurden. Aus seiner Beschreibung dieser Wind-
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
miihlen und der beigefügten Abbildung* geht hervor, daß eie aus vier vertikalen Bambusstangen bestehen, an deren Toppen diagonal horizontale Bambusstangen befestigt sind. In deren Kreuzung dreht sich eine vertikale Welle. Wo diese Welle an ihrem unteren Ende ihren Stützpunkt findet, ist mir nicht bekannt. An dieser vertikalen Welle sind acht Rahmen aus Bambus angebracht. Die vertikalen Bambusstangen dieser Rahmen (gegenüber der zentralen Welle) kann man als ebenso viele Schiffsmaste betrachten, an denen Segel befestigt sind, wie sie auf den chinesischen Dschunken geführt werden. Diese Segel, sechs auf zehn Fuß groß, sind außerhalb ihrer vertikalen Mittellinie an den Masten befestigt. An diesen Segeln sind Taue festgemacht, die den Segeln ein gewisses Maß von Drehungsmöglichkeit um den Mast geben. Dies hat den Vorteil, daß die Segel während der ganzen Drehung Wind auffangen und sich im kritischen Augenblick automatisch wenden. Die Mühle hat einen Durchmesser von dreißig Fuß. Nahe am Boden ist an der vertikalen Welle ein horizontales Triebrad mit einem Durchmesser von zehn Fuß angebracht. An diesem Triebrad befinden sich 88 hölzerne Radzähne. K I N G (6, S. 293, 294) bemerkt dazu: ,, . . . which engaged a pinion with fifteen leaves. There were nine arms on the reel at the other end of the shaft which drove the chain". Die Übersetzung dieser Beschreibung ist ohne die Hilfe einer Zeichnung gar nicht so einfach. Ich bin geneigt, dies so zu verstehen, daß die 88 Radzähne am horizontalen Rad in ein vertikal aufgestelltes Steigrad mit 15 Brettchen (statt der uns bekannten Zacken) greifen und daß sich am unteren Ende des Steigrades eine Haspel mit neun Armen befindet, welche Arme dann auf irgendeine Weise immer wieder in die Kette der Pumpe greifen und diese weiter stoßen. Eine Mühle dieser Art kann eine oder zwei Kettenpumpen in Bewegung bringen. An der Kette sind kleine Kästchen befestigt, die das Wasser in die Höhe führen. Diese Kästchen sind sechs auf zwölf inches groß. Zwischen den einzelnen Kästchen liegt jeweils ein Zwischenraum von neun inches. In bezug auf die Windverhältnisse in China, empfiehlt es sich noch zu erwähnen, daß dieses Land unter dem Einfluß des Monsuns zwei Windrichtungen kennt. WEGENER (7, S. 61) bemerkt dazu: „Im Winter fließt deshalb die Luft von Innerasien zum Pazifik. Es herrschen in China aus Westnordwest, Nordwest und Nordnordwest wehende Winde vor" und: ,,Im Sommer dagegen kehren sich all diese Verhältnisse um . . . Südsüdost, Südost und Ostsüdost sind im Sommer die normalen Windrichtungen" (7, S. 62). Man ersieht daraus, daß die Art und Weise, auf welche die Segel der Windmühle arbeiten, ein kontinuierliches Mahlen ermöglicht. Dies würde unter den chinesischen Windverhältnissen mit der Mühle aus Afghanistan und Persien nicht möglich sein. Es ist schwierig zu untersuchen, welche Verbreitung die horizontale Windmühle in China gekannt hat, und es ist also ebensowenig möglich, über den Verfall dieser Mühlen viel auszusagen. BATHE (3, S. 4) berichtet 1948, daß er mit einem Dutzend Ärzten, Missionaren und anderen Reisenden im modernen China, die alle in den letzten fünfzig Jahren durch ganz China gewandert sind, Kontakt aufgenommen hat. Sie erklärten alle nachdrücklich, daß sie nie eine einheimische Windmühle gesehen hätten. Zu diesem Gegenstand schreibt er noch: „The Tartar dynasty founded in 1644 did nothing to encourage the mechanical arts of the Chinese and the majority of the windmills in use at that period were not renewed after they have fallen into decay". Es ist zunächst die Frage, ob diese Bemerkung auf Informationen aus China beruht, oder ob es sich nur um eine Hypothese von BATHE selber handelt.
Β. Asien: China
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Eine zweite Frage wäre die, warum diese Erklärung wohl in bezug auf die Windmühlen und nicht etwa im Hinblick auf die Wasserradmühlen gelten soll. Außerdem ist zu diesem Thema weiter zu bemerken, daß in den letzten fünfzig Jahren im Gebiet von Taku noch Windmühlen zu sehen waren. Es ist übrigens auffallend, daß die Chinesen, die wohl die Kunst verstanden, den Wind nicht nur in der Schiffahrt, sondern auch durch Segel an Wagen und Pflügen nützlich anzuwenden, nicht noch in einem viel größeren Umfang von der Windmühle Gebrauch gemacht haben (4, S. 101). Wenn wir nun die Gesamtheit der Funktionen überblicken, die von den Windmühlen in China erfüllt worden sind, so stellen wir fest, daß deren Tätigkeit sich auf das Heben von Wasser und das Vorbringen von Schiffen auf einen anderen Waeserstand beschränkt hat. Zum Mahlen von Getreide sind diese Mühlen nie verwendet worden. Diese Tätigkeit blieb der Wasserradmühle vorbehalten (3, S. 4). Bei FORBES (8, S. 94) begegnete mir die Mitteilung, daß die Chinesen u. a. die horizontalen Windmühlen benutzt haben, um Zuckerrohr auszupressen. Doch hat dieser Autor versäumt, seine Quellen anzugeben. Ich selber habe nirgends irgendwelche Hinweise in diesem Sinn auffinden können. Einige Autoren sind der Ansicht, daß die chinesische Windmühle aus Persien gekommen (9, S. 230) oder dem persischen Typ nachgebildet worden ist (10, S. 617). VOWLES dagegen hält es für möglich, daß diese Mühlen mit ihren Segeln, wie das bei der Dschunke der Fall ist, direkt auf die erste Ausnutzung des Windes als Kraftquelle zurückgehen. Andererseits läßt er aber auch die Möglichkeit offen, daß die Mühle von einem anderen Land hier eingeführt wurde (11, S. 418). Es scheint mir schwierig zu sein, anhand der vorhandenen Daten schon jetzt über die Verbreitung der horizontalen Windmühle über Asien Endgültiges auszusagen. Wohl bin ich der Ansicht, daß bei der chinesischen Windmühle die Segeltechnik im Vergleich zu der in Afghanistan und Persien mehr entwickelt ist, doch sagt dies m. E. noch nichts über die Richtung der Verbreitung aus. Die bessere Verwendung der Segel ist meiner Meinung nach eine Folge von deren Anpassung an die verschiedenen Richtungen, aus denen die Winde in China auf die Segel einwirken. In Afghanistan und Persien mußten sich dagegen die Flügel (mit der Schirmwand) gerade an den aus einer einzigen Richtung wehenden Wind anpassen. Bevor wir diesen Abschnitt über die Windmühlen in China abschließen, glaube ich die Aufmerksamkeit noch auf eine besondere Art „Windmühle" lenken zu müssen, die u. a. auch in China vorkommt. Ich meine hier die buddhistische Gebetsmühle oder Tchu-kor, d. h. „das sich drehende Gebet". Neben der Tchu-Kor, die mit der Hand und durch Wasser bewegt wird, treffen wir in China auch die Gebetsmühle an, die vom Wind oder, so man will, durch Luftströme in Bewegung gebracht wird. Htrc (12, S. 254), der 1844 eine Reise durch China und Tibet unternahm, erzählt, daß die Tataren in Rachetchurin in Sonei-Yuan über ihren Feuerstellen Gebetsmühlen aufgehängt hatten, die von den durch die Zeltöffhung hereindringenden Luftströmen zum Drehen gebracht wurden. ROCKHILL berichtet 1891, daß in der Ortschaft Shang in Tsing-Hai beinahe in jedem Haus auf dem Dach ein Stock steht, an dem ein paar kleine Gebetsmühlen befestigt sind, die der Wind in Bewegung hält. Die Form dieser Gebetsmühlen stimmt mit der unserer Windmesser stark überein (13, S. 147, 148). Schließlich möchte ich hier auf meine Ausführungen über die Gebetsmühlen im Abschnitt über Tibet (siehe dort) verweisen.
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Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
QUELLEN
1. H e r m a n n Gleieberg: Technikgeschichte der Getreidemühle, München, 19δ6. 2. An Embassy from the East India Company of the United Provinces to the Grand Tartar Cham Emperor of China . . . ingeniously describ'd by John Nieuhoff, Vol. I, London, 1673. 3. Greville B a t h e : Horizontal windmills, draft mills and similar air-flow engines, Philadelphia, 1948. 4. Hugo T h . Horwitz: „ E n t s t e h u n g und Verbreitung der W i n d r ä d e r " , in: C. Matschoss: Technikgeschichte, Berlin, 1933. 5. K . R i t t e r : Die Erdkunde von Asien, Bd. Π Ι , Berlin, 1834. 6. F . H . King: Farmers of forty centuries or permanent agriculture in China, Korea and Japan, Madison, 1911. 7. Dr. Georg Wegener: China, eine Landes· und Volkskunde, Leipzig-Berlin, 1930. 8. R . J . Forbes: Man the maker. A history of technology and engineering, London, 1950. 9. J u l i o Caro B a r o j a : ,,Dissertación sobre los molinos de viento", in: Revista de Dialectología y Tradiciones populares, Tomo V I I I , Cuad. 2, Madrid, 1952. 10. Charles Singer, E . J . Holmyard, A. R. Hall and Trevor I. Williams: A history of technology, Vol. I I , Oxford, 1956. 11. H . P . Vowles: „ E a r l y evolution of power engineering", in: Isis, April 1932, no 51, Vol. X V I I (2). 12. R . P. H u e : Souvenirs d'un voyage dans la Tartarie, le Thibet et la Chine. Dans la Tartarie. Nouvelle edition publiée et préfacée par D. d'Ardenne de Tizac, Paris, 1925. 13. William Woodville Rockhill: The land of the Lamas. Notes of a journey through China, Mongolia and Tibet, London, 1891. 14. Encyclopedia Britannica, Vol. 23, 1961.
Formosa Jason J. S. Sun (1) schrieb mir, daß es auf Formosa nur wenig Windmühle gibt. Einige werden von den Bauern in Lu-Chiao, in der Tainan-Präfektur, verwendet. Da die Niederländer diese Insel von 1624 bis 1662 in ihrem Besitz gehabt haben, meinte nun Sun, daß der Ursprung dieser Windmühlen vielleicht dem Einfluß der Niederländer zuzuschreiben sei. Dann besorgte mir Sun auf meine Bitte hin einige Photobilder der von ihm erwähnten Windmühlen. Aus diesen Bildern war zu ersehen, daß es sich auf Formosa um die auch aus anderen Gebieten bekannten modernen Mühlen handelt, die auf einem Fußstück aus Metall stehen und kleine metallische Flügel besitzen. Professor Takasaka war der Ansicht, daß die Winde auf Formosa sehr veränderlich sind und daß vor allem die Taifunwinde, die von Mai bis Oktober dort wehen, eine Verwendung von Mühlen, wie sie in meiner Arbeit gemeint werden, ausschließen.
QUELLE
1. Briefwechsel m i t J a s o n J . S. Sun, Chief of Division of Reference National Taiwan University Library, vom 29. 5. 1962 und 27. 6. 1962 u n d die durch diesen Briefwechsel erhaltenen I n f o r m a tionen von Professor Takasaka, Irrigation and Reclamation a t t h e D e p a r t m e n t of Agriculture Engineering and Professor in Agriculture, National Taiwan University.
Β. Asien: Indien
221
Indien Einige Berichte lassen vermuten, daß es in früherer Zeit in Indien Windmühlen gegeben hat. Der berühmte Ibn Batuta schreibt aus Indien in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, daß Sultan Hosran Hän Näsir ed-Din sein Lager in der Bannmeile von Dehli aufgeschlagen hatte, und zwar an einer Stelle, die Asiya-i Bad genannt wurde, d. h. „Windmühle". Dieser Sultan regierte 1320/21 (1, S. 102). Wir wissen natürlich nicht, um welche Art Windmühle es sich hier handelte. S I N G E R c. s. (2, S . 617) erwähnt in einem Abschnitt über die horizontalen Windmühlen in Afghanistan und Persien: „After having been confined to Persia and Afghanistan the invention subsequently spread throughout Islam, and beyond it to the Far East in the twelfth century. In Islam, India and China the primitive windmill became an important primemover, used to grind corn, to pump water, to crush sugarcane, and so on". S I N G E R c. S. teilt aber nicht die Quellen mit, auf Grund der er diese Angaben machen kann. Einen weiteren Bericht traf ich bei J. S. an (3, S. 231). Dieser Bericht bezieht sich auf A. D I E HORIZONTALE
WINDMÜHLE
J. S. schreibt darüber 1863: „Several mills on the horizontal constructure were in use at the town Eli, in the litigious kongdom of Fife, at the end of the last century, and were employed in grinding indigo, but they long since been removed". In Wirklichkeit ist es mir nicht gelungen, ausfindig zu machen, ob sich dieser Bericht tatsächlich auf Indien bezieht. Vorläufig habe ich ihn aber hier untergebracht, weil der Verfasser sich anscheinend in Indien aufgehalten hat, und da in dieser Mitteilung vom Zerreiben von Indigo, einem tropischen Produkt, die Rede ist. Wie diese Mühlen arbeiteten, ist mir nicht bekannt. Die von mir aus Indien erhaltenen Auskünfte haben in bezug auf diese Fragen keine Klärung gebracht, selbst nicht in dem einen Punkt, ob es in Indien tatsächlich je Windmühlen gegeben hat. Eine weitere Mitteilung stammt ebenfalls von J. S. (3, S. 231). Sie betrifft B. DIE VERTIKALE
WINDMÜHLE
In bezug auf die vertikale Windmühle schreibt J. S. 1863, daß diese im Orient selten oder nie vorkommt. „There are none of them in Persia, Palestina or Arabia, and the writer has seen only one in India, which was recently erected". Aus diesem Bericht ist aber nicht zu ersehen, um welchem Typ vertikaler Windmühle es sich hier handelt.
QUELLE»
1. Hugo Th. Horwitz: „Entstehung und Verbreitung der Windräder", in: C. Matsch ose: Technikgeschichte, Berlin, 1933. 2. Charles Singer, E. J. Holmyard, A. R. Hall and Trevor I. Williams: A history of technology, Vol. Π, Oxford, 1966. 3. J. S.: „Power of wind as applied to flour mills", in: The practical mechanic's journal, Vol. V 111second series, April, 1863-March, 1864, London.
222
Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Irak Aus der Literatur, die sich auf den Irak bezieht , geht nicht hervor, daß die Windmühle dort in irgendeiner Form je bekannt gewesen ist. Auch als ich selber mich vor Jahren in diesem Land aufhielt, ist mir auf meine Erkundigungen keine einzige positive Antwort gegeben worden. Meine Gewährsleute waren der Ansicht, daß der Irak die Windmühle nie gekannt hat.
Israel Der älteste Bericht über das Vorkommen einer Windmühle in dem Gebiet des heutigen Staates Israel stammt aus 1190. PERNOUD (2, S. 363) führt den Bericht eines gewissen Ambroise an, der am dritten Kreuzzug und wahrscheinlich an der Expedition von Richard Löwenherz teilnahm (3, Vol. II, S. 478, 479). PERNOUD schreibt darüber: „Jeder strengte seinen Scharfsinn an. Um den Schwierigkeiten der Verpflegung zu begegnen, konstruierten die Kreuzfahrer an Ort und Stelle eine Windmühle, die erste, die in Syrien gebaut wurde; daher der Name „türkische Windmühle", der in der Folge diesen neuen Mühlen gegeben wurde, die die Kraft des Windes ausnutzten. Ambroise erzählt von dem Schrecken der Araber vor dieser „Maschine": „Sie stellten her erstmalig da Die erste Windmühl, die man sah Jemals in Syrien erbaut Befremdet hat sie angeschaut Das Volk, das Gott verdammen mag, in großer Furcht davor und zag". Nach der einzigen Handschrift lautet der Originaltext: ,,E lors fire en eel quaresme, Si com Ambroise dit e esme, Li Alemán premièrement Le premerain molin a vent Que onques fust feiz en Sulie, Veiant la gent qui Deus mandie, Que estrangement esguarderent, E grantment s'en espoenderent". (6, S. 87). Gaston Paris übersetzt diese Verszeilen wie folgt: „Pendantie carême, à ce que raconte Ambroise, les Allemands construsirent le premier moulin à vent qui eût jamais été fait en Syrie, sous les yeux des ennemis de Dieu, qui le regardaient avec étonnement et s'en épouvantaient beaucoup". Gaston Paris nimmt an, daß Ambroise Berufsschreiber war und aus der Normandie stammte (6, S. Χ, X I ) . Höchstwahrscheinlich ist diese erste Windmühle während der Belagerung von Akkon in der Nähe dieser Stadt errichtet worden. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß der Typ dieser Windmühle mit dem der damals in West-Europa bekannten Bockmühle übereinstimmte. Zwar will ich die zylindrische Turmmühle und die leicht-
Β. Asien: Israel
223
konische Turmmühle hier nicht ganz ausschließen. Aber abgesehen von der Frage, ob die letztgenannten Mühlen damals schon existierten, will mir im Verlauf einer Belagerung eine Holzkonstruktion geeigneter erscheinen als eine aus Stein gebaute Mühle. Der nun folgende Bericht über das Vorkommen einer Windmühle in Israel soll aus dem 13. Jahrhundert stammen. D E S C H A M P S (1, S. 152, Anm. 2) teilt mit, daß eine Chronik aus dem 13. Jahrhundert, in der die Kreuzfahrerburg Sophet beschrieben wird, u. a. auch eine Windmühle in dieser Burg erwähnt: „Sunt etiam ili duodecim molendina de aqua extra, et infra plurima de animalibue et de vento . . . " . D E S C H A M P S gibt aber nicht die Quelle an, der er diesen Bericht entnommen hat. Welche Form diese Windmühle gehabt haben kann, ist mir nicht bekannt. Wenn dieser Bericht stimmen sollte, bin ich geneigt anzunehmen, daß auch diese Form dem Bestand in West-Europa entliehen wurde, da im ganzen arabischen Bereich, wie wir es noch feststellen werden, die Windmühle nicht bekannt war. Vom Departement of Antiquities (4) erhielt ich die Mitteilung, daß es in Israel keine Überbleibsel von Windmühlen aus der Zeit der Kreuzfahrer mehr gibt. Der folgende Bericht über das Vorkommen von Windmühlen in diesem Land stammt aus dem 19. Jahrhundert. D A L M A N teilt mit, daß dort in der Zeit des Mohammed 'Ali (11849) mehrere Windmühlen errichtet worden sind. D A T . M A N nennt u. a. deren zwei bei Jerusalem und eine Mühlenruine bei Sophet. Auch il-Blre hatte auf dem Räs-et-tähüne (Mühlenhügel) seine Windmühle. P A L M A N hat jedoch keine einzige Mühle in Betrieb gesehen. Auch in 'En 'Arik soll es eine Windmühle gegeben haben. D A L M A N bemerkt dazu: „Der zu starke und unbeständige Wind hatte ihren Betrieb erschwert". Auch meint er: „Diese Mühlen sind sicherlich nach europäischem Vorbild hergestellt worden. . .". Dieses unbestimmte „europäische Vorbild" hat hier für uns keine große Bedeutung in Anbetracht der verschiedenen Modelle, die Europa in jenem Jahrhundert kannte. Ich glaube aber, daß es nicht zu gewagt ist anzunehmen, daß es sich hier um denselben Typ handelt, der in jenen Tagen auch in Ägypten gebaut wurde, nämlich die zylindrische Turmmühle. Doch fehlt mir in diesem Punkt die erwünschte Gewißheit. Nur in Bezug auf eine Mühle ist mir etwas mehr bekannt. Dies betrifft die Windmühle, die ungefähr 1857 in der Ansiedlung Yemen Moshe gebaut wurde. Diese Ansiedlung wurde ausserhalb Jerusalem gebaut auf Kosten Sir Moses Montefiore's. Für das Bauen der Mühle ließ er einen Mühlenbauer aus England (dem Londoner Gebiet) kommen. Diese Mühle war denn auch eine konische Turmmühle. Wir wissen noch, daß diese Mühle ein Flügelkreuz trug. Die Form der Haube ist nicht bekannt, da diese zerstört ist.
QUELLEN
1. Paul Deschamps: Le Crac des Chevaliers, Paris, 1934. 2. Régine Pernoud: Die Kreuzzüge in Aiigenzeugenberichlen, Düsseldorf, 1961. 3. Steven Runeiman: A history of the Crusades, 3 Vol., Cambridge, 1956. 4. Brief vom Department of Antiquities in Israel vom 4. 6. 1960. 5. Gustaf Dalman: Arbeit und Sitte in Palästina, Vol. III, Gütersloh, 1933. 6. L'Estoire de la Guerre Sainte. Histoire en vers de la troisième croisade (1190-1192) par Ambroise publiée et traduite d'après le manuscrit unique du Vatican par Gaston Paris, Paris, 1897.
224 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Jordanien Vor einigen Jahren habe ich mich eine Zeitlang in Jordanien aufgehalten. Während dieses Aufenthaltes habe ich nicht eine einzige Spur entdecken können, die den Schluß erlaubt hätte, daß es je in diesem Land Windmühlen gegeben hat. Auch in der Mühlenliteratur wird im Hinblick auf diese Frage Jordanien nie genannt.
Kazachstan Nach BATHE (1, S. 11) gibt Dr. David Brewster in der 1820 veröffentlichten New Edinburgh Encyclopedia an, daß bei der Verwendung von horizontalen Windmühlen die Benutzung einer Schirm wand di beste Methode ist. Brewster fügt noch hinzu, daß diese Methode im Gebiet der Tataren und in gewissen Provinzen Spaniens angewandt wird. BATHE bemerkt dazu, daß das Gebiet der Tartaren jetzt im allgemeinen Turkestan genannt wird. Dieses Gebiet fällt also m. E. mit dem heutigen Uzbekistan und dem südlichen Teil von Kazachstan zusammen. BATHE ist der Meinung, es sei unwahrscheinlich, daß diese Windmühlen ein hohes Alter aufweisen. Es ist mir nicht gelungen, diesen allein dastehenden Bericht in irgendeiner Weise nachzuprüfen.
QUELLE 1. Greville Bathe: Horizontal 1948.
windmills,
draft milla and similar
air-flow engines,
Philadelphia
Libanon Im Libanon gibt es zur Zeit keine Windmühlen. Ich habe aber auch keinen einzigen Anhalt dafür finden können, daß hier früher Windmühlen verwendet worden sind. Der „Director of the Department of Antiquities" in der Republik Libanon teilte mir in seinem Brief vom 19. 5. 1960 mit: ,,ΑΙΙ grinding in the past has been done through water power". Es ist aber sehr die Frage, ob Mohammed 'Ali, dem bei seinem Vorgehen gegen die Türkei die volle Mitarbeit der Libanesen zuteil wird (2, S. 692), nicht auch im Libanon Windmühlen hat errichten lassen, wie er dies ζ. B. in den Gegenden tat, die heute zum Staat Israel gehören.
QUELLEN 1. Brief des Direction General of the Department of Antiquities in der Republik Libanon vom 19. 5. 1960. 2. Philip K. Hitti: History of Syria. Including Libanon and Palestine, London, 1951.
Β. Asien: Mongolei/Persien
225
Mongolei Die einzigen in diesem Land bekannten Windmühlen sind die Gebetsmühlen.* Diese bestehen aus zwei horizontal angebrachten Kästchen, die zwischen zwei vertikalen Brettchen eingefaßt sind. Dazwischen drehen sich an vertikalen Achsen vier kleine Flügel. Unten und oben in den Kästchen befinden sich Gebetstrommeln (2, S. 100). Ferner kann hier auf den Abschnitt über Tibet verwiesen werden.
308
QUELLE 1. Hugo Th. Horwitz: „Entstehung und Verbreitung der Windräder", in: C. Matschoss: Technikgeschickte, Berlin, 1933.
Persien Es steht fest, daß es im östlichen Teil Persiens Windmühlen gibt oder gegeben hat. Im übrigen Persien scheinen sie nicht vorgekommen zu sein. Dieses östliche Gebiet Persiens gehörte in früheren Jahrhunderten zu Seistan. Daher gilt nun auch ein größerer Teil meiner Ausführungen über Afghanistan für dieses Windmühlengebiet Persiens ebenfalls. Auch hier handelt es sich ausschließlich um: A. DIE HORIZONTALE WINDMÜHLE
Auch hier sollte die Frage erwähnt werden, die der Kalif Omar am 2. November 644 an den persischen Sklaven Abu Lulu in bezug auf die Windmühle gestellt hat. Desgleichen gelten hier die ältesten zuverlässigen Berichte über das Vorkommen von Windmühlen in den Werken von al-Mas'udi und al-Istakhrî aus den Jahren ± 9 4 7 und 9 5 0 . Die Mitteilungen von Ibn-Hawkal und von al-Mokkaddassi aus dem 10. Jahrhundert sind hier ebenfalls anzuführen. In diese Untersuchung über den östlichen Teil Persiens glaube ich die Konstruktionsskizze von al-Damashqi* mit der dazu gehörenden Beschreibung einbeziehen zu müssen. Wie es sich schon im Abschnitt über Afghanistan erwiesen hat, kann man in bezug auf diese Windmühle feststellen: a. daß sie aus einem nicht-drehbaren Gehäuse mit zwei Stockwerken besteht-im oberen Raum drehen sich die Mühlsteine, im unteren die Flügel; b. daß diese Mühle vier Windöffnungen hat, durch die der Wind auf die Flügel geführt wird, und c. daß es sich um eine Getreidemühle handelt. Diese Daten stammen aus den Jahren 1 2 5 6 / 7 - 1 3 2 6 / 7 . Den chronologisch darauf folgenden Bericht über das Vorkommen von Windmühlen treffen wir bei YATE an (24, S. 126). Er schreibt über den nördlich des Hamoun Helmand gelegenen Ort Tabas: „Tabas, das Hauptquartier des Sumikhana-Distrikts, war ein Dorf mit ungefähr 150 Häusern. Es lag im offenen Feld in der Mitte des Tales, und auf einer kleinen Entfernung standen in einer Reihe dreißig oder vierzig Windmühlen". Einen weiteren Bericht verdanken wir SYKES (27, S . 397). Dieser erwähnt 1 9 0 2 eine
300-302
226 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
309
Reihe von zwanzig oder dreißig Windmühlen in Tabas. Er beschreibt deren Konstruktion wie folgt: „Zwei Wände aus Lehm stehen parallel mit dem vorherrschenden Wind, der aus dem Nordosten weht. Eine dieser Wände biegt sich an ihrem nordöstlichen Ende auf solche Weise um, daß sie den Eingang an dieser Seite beinahe ganz abschließt. Das andere Ende ist offen. Im oberen Mühlstein ist ein starker Pfahl befestigt, der seinerseits die aus Rohr angefertigten Flügel trägt. Der durch die schmale Öffnung hineinströmende Wind wirkt auf die Flügel ein und bringt sie so zum Drehen".* SYKES (27, S. 414) erwähnt noch Windmühlen in dem nordwestlich des Hamoun Helmand gelegenen Ort Neh, der etwa höchstens 5000 Einwohner zählt. Die Zucht von Nährgewächsen genügt für den eigenen Verbrauch, doch da dieses Dorf die aus zwei Richtungen vorbeikommenden Karawanen mit Nahrung versehen muß, führt es aus Seistan große Mengen Getreide ein. Dieser Umstand erklärt das Vorhandensein einer großen Anzahl von Windmühlen an diesem Ort. Der hier nun folgende Bericht stammt von Sven Hedin und betrifft das Dorf Meigon, das nordwestlich der eben genannten Ortschaft Neh oder südwestlich von Lurg-iShutran liegt und aus ungefähr 80 Häusern besteht. Er schreibt darüber: ,, . . . an seinem Rande steht eine Reihe sehr eigentümlicher, origineller Windmühlen. Mitte Juni beginnt der hier vorherrschende Nordost wind, der zwei Monate anhält. Er weht außerordentlich regelmäßig, und die Mühlen sind ausschließlich für diese Windrichtung gebaut. Nachts soll der Wind am stärksten sein. Ursprünglich waren es acht Mühlen, jetzt sind nur noch drei im Betrieb, seitdem die anderen eingestürzt sind. Ihre aus Steinen und an der Sonne getrockneten Ziegeln errichteten Mauern oder Pfeiler sind so gebaut, daß der Wind sich zwischen zwei von ihnen wie ein Keil hineinpresst und mit seiner ganzen Kraft auf drei der acht vertikalen Flügel einwirkt, während die übrigen sich auf der vom Winde abgewandten Seite befinden, die rotierende Bewegung also weder hindern noch stören. Die Flügel sitzen an einem sich drehenden senkrechten Pfahle fest, dessen oberes Ende in einem auf die Mauern gelegten Querbalken läuft, während sein unteres Ende in einem unter dem Fußboden liegenden Mühlenraume einen Mühlstein in Bewegung setzt, der sich auf dem darunter befindlichen festen Mühlstein dreht. Die ganze Einrichtung ist ebenso einfach wie sinnreich, läßt sich natürlich aber nur in einem Land anwenden, wo der Wind so regelmäßig wie die Passatwinde weht" (28, S. 147).
309, 311
Einen letzten Bericht über das Vorkommen von Windmühlen finden wir bei KENNXON, der seinerzeit mit einem der englischen Konsulate in Ost-Persien betraut war. Er spricht von einem viereckigen Turm, in dem ein Schlitz angebracht ist, um den Wind durchzulassen. Drinnen sind Flügel aus Rohr, die eine vertikale Welle zum Drehen bringen (29, S. 7)*. Aus der Abbildung glaube ich zu ersehen, daß sie gleichfalls zu der oben mitgeteilten Beschreibung von Sven Hedin paßt ; die Windöffnung befindet sich anscheinend an der nordwestlichen Seite. Dies würde m. E. eigentlich darauf hindeuten, daß es sich hier um eine Windmühle aus Afghanistan handelt. Bei K E N N I O N (29, gegenüber S. 148) fand ich ein Photo mit der Unterschrift: „Roadside scene in Persia" und darunter „Buildings on right are windmills". Doch selbst mit einer Lupe kann man auf diesem Bild die Mühlen nicht deutlich unterscheiden. Schätzungsweise stehen da etwa fünfzig Mühlen in einer Reihe. Außer der Beschreibung von al-Dimashqi beziehen sich alle anderen Beschreibungen auf eine horizontale Windmühle mit einer einzigen Windöffnung. Zum Schluß möchte ich hier auf den Überblick am Ende des Abschnitts über Afghanistan hinweisen.
Β. Asien: Persien/Saudi Arabien
227
QUELLEN 1. P h i l i p Κ . H i t t i : History
of the Arabs
from the earliest
times to the present,
L o n d o n , 1951.
i. R. Blanchard: „Asie Occidentale", in: Géographie Univereelle, Tome V i l i , Paris, 1929. 3. Sir William Muir: The Caliphate (newly revised edition by T. H. Weir), Edinburgh, 1916 (repr. 1924). 4. Winkler Prins Encyclopaedic, dl. 14, Amsterdam-Brüssel, 1952. 5. A. Mez: Die Renaissance des Islams (ed. H. Rechendorf), Heidelberg, 1922. 6. Clement Huart: La Perse antique et la civilisation irannienne, Paris, 1925. 7. Georg Jacob: Der Einfluß des Morgenlands auf das Abendland vornehmlich während des Mittelalters, Hannover, 1924. 8. Julio Caro Baroja: ,,Dissertación sobre los molinos de viento", in: Revista de Dialectología y Tradiciones populares, Tomo VIII, Cuad. 2, Madrid, 1952. 9. Historical Atlas of the Moslim People, Amsterdam, 1957. 10. George Sarton: Introduction to the history of science, Vol. I, Baltimore, 1927. 11. Ernest Renan: Mélangea d'histoire et de voyages, Paris, 1878. 12. C. Barbier et Pavet de Courteille: Maçoudi. Les prairies d'or, Tome 2nd, Paris, 1863. 13. H. P. Vowles: ,,Early evolution of power engineering", in: Isis, April 1932, no. 51, vol. XVII (2). 14. M. A. F. Mehren: Manuel de la Cosmographie du moyen age traduit de l'Arabe „Nokhbet ed-dahr fi 'adjaib-il-birr wal bahr" de S he ms ed-Din Abou-'abdallah Moh'ammed de Damas et accompagné d'éclaircissments, Copenhague, 1874. 15. Charles Singer, E. J . Holmyard, A. R. Hall and Trevor I. Williams: A history of technology, Vol. I I , Oxford, 1956. 16. M. A. F. Mehren: Cosmographie de Chems-ed-Din Abou Abdallah Mohammed Dimichqui. Texte Arabe publié d'après l'édition commencée par M. Fraehn et d'après les manuscripts de St. Pétersbourg, de Paris, de Leyde et de Copenhague, Saint-Pétersbourg, 1866. 17. Hermann Gleisberg: Technikgeschichte der Getreidemühle, München, 1966. 18. Greville Bathe: Horizontal windmills, draft mills and similar air-flow engines, Philadelphia, 1948. 19. Anton Flettner: Mein Weg zum Rotor, 1926. 20. Hippisley Conliffe Marsh: A ride through Islam: being a journey through Persia and Afghanistan to India via Meshed, Herat and Kandahar, London, 1877. 21. Col. G. B. Malleson: Herat: the granary and garden of Centred Asia, London, 1880. 22. Henry Walter Bellew: From the Indue to the Tigris. A narrative of a journey through the countries of Balochietan, Afghanistan, Khorassan and Iran in 1872, London, 1874. 23. Abbot Payson Usher: A history of mechanical inventions, New York, 1929. 24. C. E . Yate: Khorasän and Sistân, Edinburgh-London, 1900. 25. Baron Cara de Vaux: Les penseurs de l'Islam. Les géographes, les sciences mathématiques et naturelles, Π , Paris, 1921. 25. Julius Hann: Handbuch der Klimatologie, I I I . 2, Stuttgart, 1911. 27. Sir Percy Sykes: Ten thousand miles in Persia, London, 1902. 28. Sven Hedin: Zu Land nach Indien, Bd. II, durch Persien, Seistan, Belutschistan, Leipzig, 1910. 29. R. L. Kennion: Mountain, Lake and Piain, Edinburgh/London, 1911.
Saudi
Arabien
Dieses Land habe ich nie bereist, doch bin ich während meiner Aufenthalte in verschiedenen Ländern des Nahen Ostens mit Gewährsleuten aus Saudi Arabien in Beziehung getreten. Auf meine Fragen hin versicherten sie mir, daß Windmühlen dort stets unbekannt gewesen und noch heute unbekannt sind. Auch Europäer, die vor längerer Zeit dieses Land bewohnt oder bereist haben, wie z. B. Philby und Doughty, erwähnen in ihren Schriften nie eine Windmühle.
228
Einzelheiten über Windmühlen
in den einzelnen Ländern der Erde
Syrien Der „Director General of Antiquities" in Damaskus schreibt, daß Windmühlen in Syrien nicht verwendet werden. Wahrscheinlich sind sie hier auch niemals benutzt worden (1). Dennoch wird in der Literatur eine Windmühle auf der in Nord-Syrien gelegenen Kreuzfahrerburg „Crac des Chevaliers" erwähnt. Der Turm, auf dem diese Windmühle gestanden haben solle, wird auf arabisch bordj et-tahuneh (Windmühlenturm) genannt (2, S. 90, 152, 269). Der „Director General" berichtet darüber (1): „Now, there is nothing known about the forms of those crusaders, because ever their traces are no more". BENNET und ELTON (3, S. 231) behaupten dagegen, daß noch in ihrer Zeit (1899) eine Windmill tower auf der Außenmauer der Burg stand, die 1271 von denKreuzfahrern verlassen wurde. Oben auf dieser Mauer befand sich „the foundation and the lower storey" der Mühle. Der obere Teil dieser Mühle soll aus Holz gewesen sein. Aus einer Abbildung bei BENNET und ELTON sehen wir, wie der französische Architekt Eugène Émanuel Viollet le Duc (1814-1879) die Mühle gezeichnet hat. Es wird aber nirgends deutlich, aus welchen Gründen BENNET und ELTON glaubten den Schluß ziehen zu dürfen, daß es sich hier um die „foundation and lower storey" einer Windmühle handele. Außerdem habe ich keine Erklärung dafür finden können, warum Viollet le Duc die Mühle so gezeichnet hat, wie sie auf der Darstellung zu sehen ist. Nach den Auffassungen, die seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts die Wiederherstellung von verfallenen, verbauten oder unfertigen Gebäuden aus früheren Zeiten beherrscht haben, sind in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts als Folge der Bestrebungen der Restauratoren zahllose Denkmäler verschandelt und gefälscht worden. Viollet le Duc wird der Pionier dieses Systems genannt (4, S. 842; 5, S. 776). Die Kreuzfahrerburg Crac des Chevaliers habe ich selbst 1952 besichtigt. Ich kann mich nun zwar nicht daran erinnern, dort Überbleibsel gesehen zu haben, die von einer Windmühle hätten herkommen können, aber ich kann mich wohl daran erinnern, daß sich im Innern der Burg Überreste von Mühlen befanden, die offenbar mit Hand-oder Tierkraft zu bewegen waren. Es ist mir daher einerseits nicht recht klar, warum eventuelle Gemäuerreste auf dem Turm bordj et-tahouneh von einer Windmühle herkommen sollten, andererseits glaube ich, die Zeichnung von Viollet le Duc als ein Phantasieprodukt betrachten zu müssen. Es ist möglich, daß ihm dafür die zylindrische Turmmühle seiner Heimat Modell gestanden hat. Ich möchte daraus also schließen, daß, auch wenn ich annehmen sollte, daß in der Burg eine Windmühle gestanden hat, wir dennoch nicht wissen, zu welchem Typ sie gehört hat.
QUELLEN 1. 2. 3. 4. 6. 6.
Brief dee Director General of Antiquities in Damaskus vom 10. 5. 1960. Paul Deschamps: Le Crac des Chevaliers, Paris, 1934. Richard Bennet and John Elton: History of committing, Vol. II, Liverpool, 1899. Winkler Prins Encyclopaedic, dl. 13, Amsterdam-Brüssel, 1952. Winkler Prins Encyclopaedie, dl. 8, Amsterdam-Brüssel, 1960. M. I. Batten: English windmills, Westminster, 1930.
Β. Asien:
ThailandITibet
229
Thailand Die Windmühle ist anscheinend in Thailand bekannt gewesen. GRAHAM (1, S. 36) schreibt darüber: „In some districts a very primitive form of windmill is used to raise water by turning a paddle-wheel set in a narrow channel, but this is a very inadequate machine and modern windmill pump that have been tried have so far proved useless, the typical winds being found too capricious for the maintenance of a flow of water large enough and regular enough to constitute a dependable supply for the fields". Zu welcher Art oder welchem Typ man diese primitiven Windmühlen rechnen solle, ist aus diesem Bericht nicht zu ersehen.
QUELLE 1. W. A. Graham: Siam, Π , London, 1924.
Tibet Wenn von Windmühlen die Rede ist, denken wir durchaus nur an die vom Wind in Bewegung gebrachten Werkzeuge zum Mahlen von Getreide, zum Heben von Wasser u. dgl. In Tibet dagegen handelt es sich um einen ganz fremdartigen Windmühlenbetrieb, den der Gebetsmühlen, die wir schon im Abschnitt über Bußland und China erwähnt haben. Während die Tartaren in China von den Luftströmungen in ihren Zelten Gebrauch machen, um die Gebetsmühlen in Bewegung zu halten, stellen die Tibetaner ihre Gebetsmühlen auf den Dächern ihrer Häuser auf (1, S. 141, 143). Die Gebetsmühlen haben verschiedene Formen* und sind aus verschiedenartigem Material angefertigt. Es gibt Gebetemühlen aus Papier-mâché, die mit Farbe bestrichen und dann mit beabsichtigten Unebenheiten an ihrer Oberfläche lackiert werden, so daß der Wind sich daran reiben kann und sie in einer Richtung zum Drehen bringt (2, S. 17). Andere sind ganz oder teilweise aus Holz angefertigt. Die Mühle auf Abb. 316 ist aus Blech. Die Flügel dieser Gebetsmühlen haben gewöhnlich die Form von Schalen. Selten sind sie flach (3, S. 99). Diese Flügel bewegen sich in der horizontalen Ebene. Diese Gebetsmühlen müssen sich in einer bestimmten Richtung drehen. Nach BATHE (2, S. 17) wird der Drehrichtung eine religiöse Bedeutung gegeben. Sie müssen sich nämlich entgegen der Bewegung der Sonne drehen. In Übereinstimmung mit BATHE teilt ROCKHILL mit (4, S. 3 3 4 ) , daß die Gebetsmühlen sich von rechts nach links drehen müssen. Dagegen will es mir scheinen, daß die Gebetsmühlen auf den Abb. 315 und 316 sich im Sinne der Bewegung der Sonne drehen. Über die religiöse Bedeutung dieser andersartigen Drehrichtung habe ich jedoch nirgends nähere Auskunft bekommen können. Jede Gebetsmühle besteht in der Hauptsache aus einem Zylinder. An diesem Zylinder
312-316
230
Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
sind Papierstreifen angebracht, auf denen tausende Male der Spruch Om mani padmê hum gedruckt ist. Dieser Spruch ist ein Anruf zu Avalôkiteçvaras, dessen Name gewöhnlich mit der Umschreibung „herabschauender H e r r " übersetzt wird. Den Spruch selber übersetzt man gewöhnlich mit den Worten ,,0, Du Kleinod im Lotus" (5,S. 62). Der tiefere Sinn, der diesen Gebetsmühlen inneliegt, beruht auf der Anschauung, daß das geschriebene Wort die gleiche Macht wie das gesprochene Wort besitzt, in religiöser Hinsicht sogar eine größere Macht, da die geschriebenen Male als heilige Zeichen betrachtet werden. Es kommt daher auch nicht vor, daß der Tibetaner Papier oder einen Gegenstand, auf dem geschriebene Zeichen stehen, absichtlich vernichtet. Die Schrift kann auch in den Zylinder eingeschlossen werden, da sie nach der herrschenden Auffassung nach außen nicht sichtbar zu sein braucht. Bei den Gebetemühlen unterscheidet man, wie bei den anderen Mühlen, Handgebetsmühlen, Gebetemühlen, die vom Wasser angetrieben werden und vom Winde bewegte Gebetsmühlen. Durch das Drehen dieser Gebetsmühlen wird die Invokation in das Weltall übertragen und wirkt auf diese Weise zum Vorteil der Familie oder des Mannes, der die Mühle zum Drehen bringt oder sie errichtet hat (6, S. 142, 149). Wie bei den anderen Mühlen sehen wir auch in Tibet, daß die Gebetsmühle die „Arbeit" des Menschen übernimmt. Nach der dort zu Lande herrschenden Auffassung muß die Verwendung dieser „Maschinen", um das Wort wirken zu lassen und es immer wieder zu wiederholen, zuletzt viel günstigere Ergebnisse zeitigen als der Mensch es auf eine andere Weise selbst mit dem besten Willen erreichen könnte. SINGER und seine Mitarbeiter (7, S. 615) stellen die Hypothese auf, daß die vom Wind bewegte Gebetsmühle möglicherweise die Vorläuferin der horizontalen Windmühle sein könnte. Solange wir aber in bezug auf den Bau der ersten horizontalen Windmühlen in den verschiedenen asiatischen Ländern nur über unzureichende und nicht genaue geschichtliche Daten verfügen, werden wir nicht in der Lage sein, über diese Hypothese etwas Bestimmteres auszusagen. Aus der Geschichte Tibets geht hervor, daß der Buddhismus in dieses Land von Srong-Tsan Gam-Po eingeführt worden ist. Dieser König herrschte von etwa 623 (oder 613?) bis ungefähr 650. Er erließ Gesetze und förderte die buddhistische Religion. Missionare aus Nepal, Kashmir und dem Osten verweilten an seinem Hof und führen Kunst und Gebräuche aus Indien und China ein (8, S. 466). Die Missionare aus China führten in Tibet Butter, Käse, Gerstenbier, Keramik und Wassermühlen ein. Der Buddhismus hat sich in Tibet mit den alten einheimischen religiösen Auffassungen verschmolzen. Das Ergebnis dieses Synkretismus ist der sogenannte Lamaismus (9, S. 409). Eine relativ kurze Zeit nach der Entstehung des Lamaismus erreichte Tibet den Gipfel seiner Macht. Dies geschah unter König Thi-Srong De-Tsan, der von etwa 745 bis 786 regierte. Tibet erstreckte sich damals nach Westen bis zum Pamir und nach Süden bis zum Golf von Bengalen. In jener Zeit faßte der vom Guru Padmasambhava verbreitete Lamaismus in den verschiedenen Teilen des Reiches festen Fuß. Gegen Ende des 9. Jahrhunderts zerfiel Tibet aber in verschiedene kleine Staaten. Dies hatte zur Folge, daß die Autorität der buddhistischen Priester ansehnlich zunahm. Schließlich wurde die Macht gänzlich in ihren Händen konzentriert (10, S. 478). Wir können uns jetzt fragen, welche Hinweise diese geschichtlichen Daten uns im Hinblick auf die Erfindung der vom Winde bewegten Gebetsmühle geben können. Wenn der Bericht, daß die Wassermühle von China aus zwischen etwa 613 und ungefähr 650 eingeführt wurde, stimmen sollte, und wir annehmen dürfen, daß auch in Tibet die Wassermühle der Windmühle vorangegangen ist, wie dies überall in den Wind-
Β. Aaien:
Tibet
231
mühlenländern der Fall zu sein scheint, dann würde dies bedeuten, daß die Windmühle in der Zeit von etwa 613 bis um 650 in Tibet nicht bekannt war. Die Gebetsmühle scheint schon früher in der Gestalt der Handgebetsmühle bekannt gewesen zu sein. Die früheste Nachricht in bezug auf eine solche Gebetemühle finden wir in einer Relation des chinesischen Pilgers Fa-Hian aus dem Jahr 400. Er sah dieses Instrument bei den Srámanas von Kie-chha (Ladák), also in einem Teil des heutigen Kashmir. Es soll dort ungefähr am Anfang unserer Zeitrechnung von den indoskytischen Fürsten eingeführt worden sein ( 1 1 , S. 375). R E M U S A T (12, S. 29) ist der Ansicht, daß man dieses Gebiet in Baltistan suchen muß „qui est le petit ou premier Tibet". Auf Grund dieser Daten dürfen wir annehmen, daß die Handgebetsmühle in der Zeit von etwa 613 bis um 650 bekannt gewesen ist. Beschwerlich ist aber der Umstand, daß wir über die frühesten, vom Wasser bewegten Gebetsmühlen gar nichts wissen. Nach unseren geschichtlichen Daten wissen wir noch, daß die Macht des Königtums im 9. Jahrhundert vor jener der Priesterschaft Platz machte. Dies wirkte sich dahin aus, daß jeder Fortschritt in der Richtung der Mechanisierung gehemmt wurde. Ich glaube aber annehmen zu dürfen, daß die Windmühle zum Mahlen von Getreide sich vermutlich auch in Tibet verbreitet hätte, wenn sie dort vor dem 9. Jahrhundert Eingang gefunden hätte, wie dies vorher auch mit den Waeserradmühlen der Fall gewesen ist. Alles weist also darauf hin, daß die Windmühle erst nach dem 9. Jahrhundert entwickelt oder übernommen wurde, aber dann ausschließlich in der Gestalt der Gebetemühle. Hiermit kommen wir schon ganz in die Nähe der ältestenNachrichten über die Windmühlen in Seistan (siehe die Abschnitte über Afghanistan [ab S. 209] und Persien [ab S. 225]).
QUELLEN
1. Gabriel Bonvalot: Aerose Thibet, being a translation of „De Paris au Tonkin à travera le Tibet inconnu", 2 Bde, London-Paris-Melbourne, 1891. 2. Greville Bathe: Horizontal ivindmills, draft mills and similar air-flow engines, Philadelphia, 1948. 3. Hugo Th. Horwitz: „Entstehung und Verbreitung der Windräder", in: C. Matschoss: Technikgeschickte, Berlin, 1933. 4. William Woodville Rockhill: The land of the lamas. Notes of a journey through China, Mongolia and Tibet, London, 1891. 5. Prof. Dr. R. Karutz: Atlas der Völkerkunde, Bd. I. Die Völker Nord- und Mittel-Asiens, Stuttgart, 1925. 6. L. A. Waddel: The Buddhism of Tibet, London, 1896. 7. Charles Singer, E. J. Holmyard, A. R. Hall and Trevor I. Williams: A history of technology, Vol. II, Oxford, 1956. 8. George Sarton: Introduction to the history of science, Vol. I, Baltimore, 1927. 9. Winkler Prins Encyclopaedia, dl. 4, Amsterdam-Brüssel, 1949. 10. Winkler Prins Encyclopaedic, dl. 17, Amsterdam-Brüssel, 1953. 11. Alex Cunningham: Ladak (vòòr 1891). 12. Abel Remusat: Foê kou êki ou relation des royaumes Bvddhiques: voyage dans la Tartaric, dans l'Afghanistan et dans l'Inde, exécvté à la fin du IVe siècle par Ghy Fà Hian, Paris, 1886.
232 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
Türkei
(Asiatisch)
Die asiatische Türkei besteht im wesentlichen aus den Hochebenen von Anatolien und derjenigen von Armenien. Erstere ist ungefähr 2000-2500 m hoch, baumlos und wüstenartig und wird im Norden und im Süden von hohen Randgebirgsketten begrenzt, östlich von ihr liegt die ungefähr 1650 m hohe Hochebene von Armenien, die ebenfalls von hohen Randgebirgsketten umgeben ist. An der ganzen anatolischen Küste entlang erstreckt sich eine Tiefebene, die nur an einzelnen Stellen eine größere Breite aufweist. In einigen Teilen dieses Küstensaumes lebt eine relativ dichte Bevölkerung: zunächst in der Ebene von Adame an der syrischen Grenze, dann im Süden und im Norden der Stadt Ismir, ferner südlich und östlich von Istanbul und schließlich an der Küste des Schwarzen Meeres östlich von Samoun (1, S. 694, 695 und Karte zur Bevölkerungsdichte). Die übliche Mühle in der asiatischen Türkei ist die Waeserradmühle (2). Windmühlen kommen oder kamen daneben nur in den Ebenen an der Westküste Anatoliens vor. Nach Εκ (3, S. 78) soll schon in Sebastian Munsters Panorama von Konstantinopel (15. Jahrhundert) eine Windmühle abgebildet worden sein. Zwei andere Autoren, die unabhängig voneinander die Türkei besucht haben, C O B B E T T ( 4 , S. 4 6 0 ) und J. S. (5, S. 231), erwähnen beide Windmühlen auf der asiatischen Küste der Dardanellen. J. S. (5, S. 231) verzeichnet außerdem das Vorkommen von Windmühlen in der Umgebung der Stadt Ismir. Prof. N A U M A N N (2) nennt Windmühlen in der Nähe von Didyma und Bodrum. Es ist auffallend, daß entlang der Küste des Schwarzen Meeres östlich von Istanbul keine einzige Windmühle vorkommt. Es sind mir auch keine Berichte über das Vorhandensein von Windmühlen an der Südküste östlich von Bodrum begegnet. Die Verbreitung der Windmühlen hat sich demnach offenbar auf jene Gebiete an der Westküste der asiatischen Türkei beschränkt, wo Griechen gewohnt haben. Man kann hier natürlich die Frage nach der Herkunft dieser Windmühlen aufwerfen. Es ist nämlich verlockend, die Blicke nach dem Osten zu richten und zu versuchen, zwischen dem ältesten Windmühlengebiet im Osten und dem jüngeren Windmühlengebiet in Europa eine Brücke zu schlagen. Das am nächsten liegende Windmühlengebiet im Osten ist Seistan. Die Entfernung von den Windmühlengebieten in der Türkei zu demjenigen in Seistan beträgt ungefähr 3200 km. Dies bedeutet, daß zwischen der Westküste von Anatolien und dem alten Seistan ein von Windmühlen freies Gebiet von einer Ausdehnung von ungefähr 3200 km liegt. Diese Tatsache genügt m. E. um von vornherein den Gedanken auszuschließen, daß die Windmühle vom Osten aus zur Westküste von Anatolien gelangt sein könnte. Außerdem ist die horizontale Windmühle meines Wissens in der Türkei nie bekannt gewesen. Und noch ein anderer Grund zwingt, wie ich meine, dazu, die Zusammenhänge um die asiatisch-türkische Windmühle im Westen zu suchen. Wie unten noch festgestellt werden soll, stimmen die Formen der asiatisch-türkischen Windmühlen mit denen aus der griechischen Welt überein. Zudem sind die Windmühlen in der asiatischen Türkei auf die Wohngebiete der Griechen beschränkt geblieben. Ich glaube daher ohne irgendeinen Zweifel annehmen zu dürfen, daß die asiatisch-türkischen Windmühlen aus dem Westen gekommen und von den Griechen eingeführt worden sind. Prof. N A U M A N N (2) ist ebenfalls dieser Ansicht: „Die wenigen Windmühlen an der hiesigen Westküste können nur als Ausstrahlungen von den Griechischen Inseln aufgefaßt werden". Auch B A R O J A (6, S. 28) bringt seinerseits die asiatisch-türkischen
Β. Asien: Türkei
233
Windmühlen zusammen in eine Gruppe mit den westlich von diesem Gebiet gelegenen Mühlen. G L E I S B E R G (7, S . 43) führt an, daß auch R U B E N sich darüber klar war, daß nicht die Türken selber diese Windmühlen entwickelt haben. Es ist mir nicht gelungen zu erfahren, wann die erste Windmühle in diesem Gebiet errichtet wurde (2). Nach einer der oben erwähnten Quellen soll die Windmühle schon im 15. Jahrhundert in der Türkei bekannt gewesen sein. Prof. N A U M A N N (2) teilte mir noch mit, daß die Windmühlen nicht mehr in Betrieb sind, seit die Griechen das Land verlassen haben. Es ist mir nicht gelungen, irgendeiner Abbildung von Windmühlen aus diesem Gebiet habhaft zu werden.
MÜHLENTYPEN Die in der asiatischen Türkei vorkommenden Windmühlen gehören zur Hauptklasse der vertikalen Windmühlen: B. DIB VERTIKALE
WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Εκ (3, S. 78) gibt an, daß die Abbildung in Sebastian Munsters Panorama von Konstantinopel aus dem 15. Jahrhundert ein quadratisches Mühlengehäuse mit zehn Flügeln darstellt. Εκ (3, S. 79) stellt die nicht-drehbare Mühle auf Kreta auf eine Stufe mit dieser türkischen nicht-drehbaren Mühle. Aus EKS Beschreibung glaube ich aber entnehmen zu müssen, daß die türkische Mühle ein Satteldach hatte, während die auf Kreta ein schräges Dach besitzt*. Es entzieht sich meinem Urteil, inwieweit die Darstellung der Windmühle im Panorama als zuverlässig gelten kann. Auf jeden Fall ist mir kein anderes Exemplar einer nicht-drehbaren Mühle der asiatischen Türkei bekannt. III. Mühlen mit drehbarer Haube Der einzige Windmühlentyp dieser Klasse, der in der asiatischen Türkei vorkommt, ist b. Die leicht-konische Turmmühle. Prof. N A U M A N N (2) beschreibt diesen Typ folgendermaßen: „Ein konisch runder Turm mit ihnen in die Mauer eingelassenen Steintreppen, Windräder aus Stangen und Segel aus Leinwand, die um die Stangen je nach Windstärke aufgerollt werden". C O B B E T ( 4 , S . 4 6 0 ) bemerkt in bezug auf die Windmühle vom Mittelmeertyp: , , Ο Η the Asiatic coast of the Dardanelles I have seen similar towers".
QUELLEN
1. Winkler Prina Encyclopaedic, dl. 17, Amsterdam-Brüssel, 1963. 2. Brief von Prof. R. Naumann, Direktor des deutschen archäologischen Institutes zu Istanbul, Nr. 544/64 vom 6. 8. 1964.
234
Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
3. Sven B. E k : Väderkvamar och vattenmöllor, Stockholm, 1962. 4. Louie Cobbet: „Mediterranean Windmills", in: Antiquity, Vol. Χ Ι Π , 1939. 5. J . S.: „Power of wind as applied t o Hour mills", in: The practical mechanic's journal, Vol. VIIIsecond series, April, 1863-March, 1864, London. 6. Julio Caro Baroja: „Dissertación sobre los molinos de viento", in: Revista de Dialectología y Tradiciones populares. Tomo V I I I , Cuad. 2, Madrid, 1952. 7. Hermann Gleisberg: Technikgeschichte der Getreidemühle, München, 1956.
Uzbekistan Siehe den Abschnitt über Kazachstan ab S. 224.
G. Afrika: Ägypten 235
C. Afrika
Ägypten Dieses Land scheint - in bezug auf die Windmühlen - der Phantasie gewisser Autoren manchen Streich gespielt zu haben. BREDT (1, S. 203) schrieb 1912: „Als die ältesten noch vorhandenen gelten jene in der Nähe der Stadt Alessandria, deren Bestand auf viele Jahrhunderte geschätzt wird". Er fügt dieser Bemerkung noch hinzu: „Wir haben sie uns als runde, nicht allzu hohe, aus starken Quadern erbaute Türme vorzustellen, die mit sechs oder acht Flügeln ausgerüstet sind". Nach GLEISBERG schätzte PETZHOLD (2) das Alter dieser „Windmühlen" auf 3000 Jahre und legte sogar eine Abbildung solch einer alten Mühle vor. Das Werk von PETZHOLD habe ich leider nicht einsehen können. Soweit mir bekannt ist, gibt er als Beleg zu seinem Bericht keine Quellen an, und ich nehme daher auch an, daß seine Mitteilung nur ein Spiel der Phantasie ist. FORBES (3, S. 94) geht von der Vorstellung aus, daß die persische Windmühle die ganze arabische Welt erobert hat, und findet es eigentümlich, daß die Windmühle jetzt (1950) aus dem Nahen Osten und aus Ägypten praktisch verschwunden ist: „This may be due to the inroads of the Turks and the Mongols". Während dies für FORBES noch eine Hypothese war, haben offenbar SINGER C. S. (4, S. 617) seitdem (1956) in dieser Hinsicht Sicherheit erlangt. Sie berichten nämlich: „Owing to the devastation of irrigation-works by Mongols and Turks the windmill has now practically disappeared from Egypt and the Near East. . .". Wir haben inzwischen schon festgestellt, daß die arabische Welt die Windmühle nicht gekannt hat. RÜHLMANN (5, I, S. 456, Anm. 4) schreibt: „In Ägypten fanden die Franzosen noch 1798 keine einzige Windmühle zum Getreidemahlen vor, wie solches bestimmt im Napoleon'sehen Werke Description de l'Egypte, Tome II, Artikel „Arts et Métiers" ausgesprochen wird, . . .". SEETZEN (6, S. 177) verweilte in Kairo vom 24. Mai 1807 bis zum 23. März 1809. Im Rahmen seiner Ausführungen über die Franzosen, die 1801 das Land hatten verlassen müssen, schreibt er: „Auf einem Hügel zwischen Bulák und Kahira (Cairo Verf.) erbauten sie eine gute steinerne Windmühle, welche aber gleich nach dem Abzüge der Franzosen zerstört wurde, und man sieht jetzt das Mauerwerk bloß davon". Er fügt dem noch hinzu: „Eine andere Windmühle erbauten die Franzosen bei Gizeh; aber auch diese wurde gleich nach ihrem Abzüge vernichtet". Aus diesen Abbaumaßnahmen nach dem Abzug der Franzosen geht deutlich hervor,
236 Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde daß die Windmühle als ein fremdes Kulturelement empfunden wurde, auf dessen Erhaltung man keinen Wert legte. Die nächstfolgende Nachricht über das Vorkommen von Windmühlen in Ägypten stammt aus der Zeit des Mohammed Ali, des Schöpfers des modernen Ägypten. Er wurde in seinen Reformen von europäischen Beratern unterstützt. Er war 1806 türkischer Gouverneur des Landes geworden und verstand es, eine sehr selbständige Stellung zu erobern. Er starb 1849 (7, S. 837, 838). Im Zuge seiner Agrarpolitik hat Mohammed Ah an mehreren Stellen Windmühlen errichten lassen. Um auf das Wirtschaftsleben seines Landes eine Kontrolle ausüben zu können, führte er verschiedene Staatsmonopole auf wirtschaftlichem, kommerziellem und industriellem Gebiet ein. So kaufte der Staat von den Bauern das Getreide ein und ließ es in den staatlichen Windmühlen mahlen, um dann das Mehl durch Händler auf den Markt zu bringen (8). Von den in Mohammed Ali's Auftrag errichteten Windmühlen sind noch vier übriggeblieben, nämlich drei in Istable 'Antar (Alt-Kairo) und eine in Edku. Aus diesen kann man ersehen, daß die Windmühlen in Ägypten vom Staat gebaut worden sind. Bei der Aufhebung des Staatsmonopols konnten dann nur die Großgrundbesitzer an diesen Windmühlen interessiert sein. Denn die Bauern oder Fellachen, wie sie heißen, erzeugten ihr eigenes Mehl auf dem Bauernhof mit Hilfe von Handgeräten. W I N K L E R ( 9 , S . 9 9 ) und SEETZEN (6, S . 1 7 7 ) befassen sich mit diesem Arbeitsgang, doch war ich selber in der Lage, ihn des öfteren während eines einjährigen Aufenthaltes im Nildelta beobachten zu können, da meine Tätigkeit alldort mich in' nahe Beziehungen zu den Fellachen brachte. In der von der Einfuhr moderner Mahlwerkzeuge abgeschnürten ägyptischen Gesellschaft gab es übrigens für die Windmühlen nur geringe Aussichten. Es ist denn auch begreiflich, daß der größte Teil dieser Windmühlen bald in Verfall geriet. Glücklicherweise hat die Regierung die noch vier vorhandenen Mühlen durch Kauf erworben und unter den Schutz der Islamic and Coptic Administration of the Antiquities Department gestellt. MÜHLENTYPEN A. DIE HORIZONTALE WINDMÜHLE
Es ist mir kein einziger Hinweis begegnet, aus dem man schließen könnte, daß Ägypten die horizontale Windmühle je gekannt hat. Wie vorhin erwähnt wurde, ist die Windmühle in Ägypten eine sehr späte Erscheinung, und sie hat im Volkskörper niemals eine wirklich vitale Funktion erfüllt. B. DIE VERTIKALE WINDMÜHLE
Die einzigen vertikalen Windmühlen, über die mir etwas bekannt ist, gehören zur Klasse der: III. Mühlen mit drehbarer Haube 317
a. Die zylindrische Turmmühle. Zu meinem Bildmaterial gehört das Photo einer Windmühle in Edku*, das mir vom Directeur Général du Service des Antiquités aus
G. Afrika:
Ägypten
237
Kairo zugesandt wurde. Vorher hatte mir dieselbe Behörde schon über diese Mühle Auskunft erteilt (8). Diese Mühle steht unter Denkmalsschutz. Edku war in früheren Zeiten ein wichtiges Zentrum für das Mahlen von Getreide, und damals waren mehrere Windmühlen im Besitz der Einwohner. Das Photo zeigt uns das Bild einer zylindrischen Turmmühle. Der eben erwähnte Directeur Général führt noch an, daß diese Mühle aus dem 19. Jahrhundert stammt und daß die Regierung sie von ihrem letzten Eigentümer Al-Haj 'Ali Kassim übernommen hat. Auf dem Bild ist aber nur ein Flügel sichtbar, woraus geschlossen werden muß, daß das Photo vor der Restaurierung aufgenommen wurde, denn der Directeur Général berichtet, daß die Mühle komplett und unversehrt ist. Wohl glaube ich aus dem Photo ersehen zu können, daß die Haube an ihrer unteren Seite durch einen hölzernen Ring abgeschlossen wird, und daß dieser Ring seinerseits auf einem anderen Ring aus Holz ruht, der die obere Seite des Mühlenkörpers abschließt. Ich möchte vermutungsweise daraus schließen, daß diese Haube drehbar ist. Außerdem herrschen in Ägypten derartige Windverhältnisse, daß eine nicht-drehbare Mühle hier an einer nicht geeigneten Stelle stehen würde (10, S. 28-40). Nach der geringen Abschleifung der Außenwand des Mühlenkörpers zu urteilen, kann man annehmen, daß diese Mühle aus Backstein und nicht aus in der Sonne getrocknetem Ton aufgeführt ist. b. Die leicht-konische Turmmühle. Außer dem oben erwähnten Photo der zylindrischen Turmmühle in Edku habe ich von derselben Stelle ein Photo einer Windmühle in Istable Antar (Alt-Kairo) erhalten*. Dieses Photo zeigt deutlich den leicht-konischen 318 Mühlentyp. Auch diese Mühle und noch zwei andere im selben Ort stehen unter dem Schutz der Regierung. Die Windmühlen sind aber in diesem Teil von Kairo zahlreicher gewesen. Es ist mir jedoch nicht bekannt, ob sie alle zum selben Typ gehörten. Auch die dargestellte Mühle ist während der Amtszeit Mohammed Ali's errichtet worden (8). Aus dem Bild ist zu ersehen, daß diese Mühle aus Haustein aufgeführt ist. FLÜGELFORMEN DER V E R T I K A L E N MÜHLE Aus den mir zur Verfügung stehenden Photobildern konnte ich in bezug auf die Zahl der Flügel nichts erfahren. Der auf dem Bild der Mühle in Edku dargestellte Flügel hat das Gatter an beiden Seiten der halben Rute. Es besteht aus zwei Längslatten und neun Querlatten und ist rechteckig. Ferner ist ebenfalls nicht zu ersehen, ob die Flügelwelle schräg gestellt ist, noch ob die Flügel eine Wölbung aufweisen. HAUBENFORMEN DER V E R T I K A L E N MÜHLE Die einzige mir bekannte Haubenform ist die konische Form mit hochgestelltem Rand*. Diese Konstruktion kommt hier also bei der zylindrischen Turmmühle vor.
QUELLEN 1. Prof. Dr. F. W . Bredt: „Windmühlen", in: Jahrgang VI der Mitteilungen des rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz, Düsseldorf, 1912. 2. Oswald Petzold: Kleiner Ratgeber für Müller, Leipzig, 1913.
317
238
Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
3. R. J. Forbes, Man the maker. A history of technology and engineering, London, 1960. 4. Charles Singer, E. J. Holmyard, A. R. Hall and Trevor I. Williams: A history of technology, Vol. II, Oxford, 1956. 5. Moritz Rühlmann: Allgemeine Maschinenlehre, 2 Bde, Braunschweig, 1865. 6. U. J. Seetzen: Seetzens Reisen durch Syrien, Palestina, Phönicien, Transjordanländer, Arabien, Petraca und Unter-Ägypten, Berlin, 1855. 7. Winkler Prins Encyclopaedic, dl. 7, Amsterdam-Brüssel, 1950. 8. Brief des Directeur Général du Service des Antiquités in Kairo, Nr. 29-2/60, vom 4. 2. 1961. 9. Hans Alexander Winkler: Bauern zwischen Wasser und Wüste. Volkskundliches aus dem Dorfe Kimäu in Oberägypten, Stuttgart, 1934. 10. W. B. Fisher: The Middle East. A physical, social and regional geography, London, 1950.
Algerien Die Berichte über das Vorkommen von Windmühlen im heutigen Algerien sind sehr spärlich. Der einzige Bericht, der mir in dieser Hinsicht begegnet ist, stammt von BAROJA (1, S. 281). Er erwähnt wenigstens eine Windmühle in Oran in der Mitte des 19. Jahrhunderts, von der er ein Photo gesehen haben soll. Er bemerkt noch, daß das Gebiet damals spanisch war, und vermutet, daß die genannte Mühle von der spanischen Verwaltung, nach dem Beispiel der Windmühlen im Mutterland, erbaut worden ist. Es kann sich hier also nur um den Mittelmeertyp handeln. BAROJA'8 Angabe aber, daß Spanien in der Mitte des 19. Jahrhunderts Oran noch besetzt hielt, dürfte m. E. nicht stimmen. Die Spanier haben hier von 1509 bis in das 18. Jahrhundert gewaltet. Seit 1847 hatten die Franzosen die Oberhand (2, S. 544, 545). Ich glaube aber wohl annehmen zu dürfen, daß die Windmühle den Algeriern selber unbekannt war. Im Magasin Pittoresque traf ich die Bemerkung an, daß die Algerier als Mahlwerkzeug kein besseres Instrument kennen als die ägyptische Handmühle (3, S. 51).
QUELLEN 1. Julio Caro Baroja: „Dissertación sobre los molinos de viento", in: Revista de Dialectología Tradiciones populares, Tomo VIII, Cuad. 2, Madrid, 1952. 2. Winkler Prins Encyclopaedic, dl. 1, Amsterdam-Brüssel, 1947. 3. Le Magasin Pittoresque: Les moulina et leurs origines, février, 1852.
Ascension Auf der Insel Ascension sind keine Windmühlen bekannt.
QUELLE 1. Brief des Government Secretary of St. Helena, vom 16. 2. 1963, Nr. 9901/13/2.
y
C. Afrika:
Kanarische Inseln
Kanarische
239
Inseln
Obwohl die Kanarischen Inseln den Römern schon seit 40 vor Chr. bekannt waren und sie bestimmt im 12. Jahrhundert von maurischen Kaufleuten besucht wurden, ist die eigentliche Entdeckung 1334 von einem aus dem Kurs geschlagenen französischen Schiff gemacht worden. Erst 1402 wurden diese Inseln für die Krone Kastiliens erobert. Darauf folgte ein Jahrhundert des Streits zwischen Portugal und Kastilien um ihren Besitz; die Auseinandersetzung endete 1484 mit der endgültigen Anerkennung der Kastilianischen Herrschaft. Erat 1495 wurde Tenerife besetzt (1, S. 460). Vor dem Erscheinen der Europäer wurden diese Inseln hauptsächlich von Guanchen bewohnt, einer weißen Rasse, die aus dem nächstliegenden Küstenland Afrika's stammte. Sie bauten Gerste an, die sie zu rösten pflegten, um sie dann mit Hilfe von kleinen Handmühlen aus Stein zu zermahlen. Es ist denn auch undenkbar, daß sie schon Windmühlen besessen haben sollten (2). Wenn wir von dieser Ansicht ausgehen, dann liegt es gleichfalls auf der Hand anzunehmen, daß Windmühlen erst nach 1402 auf diese Inseln eingeführt worden sind. Ich denke dabei an erster Stelle an Portugal und (oder) Spanien. Man hat wohl einmal die Vermutung ausgesprochen, daß die Windmühlen aus England oder aus den Niederlanden eingeführt worden sind, weil beide Länder mit den Kanarischen Inseln rege Handelsbeziehungen unterhielten. Die Zuckerrohrkultur hat auf diese Inseln sogar viele Flamen gezogen, die sich dort für die Dauer niedergelassen haben und deren Namen noch heute in den Namen Vanderwalle, Van den Heede, Van Eick Verwe, Van Dalen usw. fortleben (2). Die auf diesen Inseln vorkommenden Windmühlen zeigen aber m. E. im allgemeinen keine Spuren einer Beeinflussung aus England, den Niederlanden oder insbesondere aus Flandern. Und trotz der großen Unterschiede, die man zwischen den Windmühlen in Portugal und Spanien und denen auf den Kanarischen Inseln feststellen kann, gehören doch die letztgenannten zweifellos auch zum Mittelmeertyp. K R Ü G E R (3, S. 159) bezeichnet als das Verbreitungsgebiet der Windmühlen in diesem Archipel die Inseln Lanzarote, Fuerte ventura, Gran Canaria und Tenerife. Auch in bezug auf die Windmühlen sind diese Inseln dem Eingriff der modernen Maschinentechnik nicht entkommen. Keine der Windmühlen ist mehr in Betrieb, und nur wenige sind heute noch vorhanden (2). Ob dort für ihre Erhaltung Maßnahmen getroffen worden sind, ist mir nicht bekannt. MÜHLENTYPEN A. D I E HORIZONTALE WINDMÜHLE
Es ist mir kein einziger Nachweis bekannt geworden, daß es auf den Kanarischen Inseln je horizontale Windmühlen gegeben hat. B. DIE VERTIKALE WINDMÜHLE
I. Die nicht-drehbare Mühle Ich habe keinen einzigen Nachweis vom Vorkommen von nicht-drehbaren Mühlen auf diesen Inseln entdecken können.
240
Einzelheiten über Windmühlen in den einzelnen Ländern der Erde
II. Mühlen mit drehbarem Gehäuse
319-321
In dieser Klasse kommt auf den Kanarischen Inseln nur ein Mühlentyp vor: b. Die Wippmühle. Unter den Abbildungen von Windmühlen auf den Kanarischen Inseln, die mir vor Augen kamen, befand sich die Darstellung eines Typs, der auf einigen Inseln als „molina" bezeichnet wird. Er läßt sich aber nur schwerlich mit einem der bekannten Typen vergleichen. Die betreffende Mühle ist auf dem Dach eines aus Hausteinen gemauerten Gebäudes aufgebaut. Auf diesem Dach befindet sich nämlich ein Turm, der aus vier Pfählen mit Querverbindungen besteht und auf dessen Querbalken das Getriebe eingebaut ist. Von diesem Triebwerk aus geht durch das Dach eine vertikale Welle, die im Gehäuse das Mahlwerk in Bewegung bringt. Soweit ich der Sache nachzugehen vermag, kann sich dieses hölzerne Gestell als Ganzes auf einer Scheibe drehen, deren konische Erhöhung das Dach abschließt. Sehen kann ich diese Vorrichtung nicht. Diesen Typ möchte ich den Wippmühlen zuordnen, obwohl ihm der eigentliche Köcher fehlt*. Dieser Mühlentyp kommt jedenfalls auf den Inseln Fuerteventura und Gran Canaria vor. Auf Fuerteventura wird dieser Typ mit der Femininform des Wortes molino (des üblichen Wortes für Mühle) bezeichnet, nämlich als „molina". Auf Gran Canaria dagegen nennt man diesen Typ „molino". Welche tiefere Bedeutung der weiblichen Namensform inneliegt, habe ich nicht erfahren können. Da dieser Mühlentyp dem Mittelmeergebiet fremd ist, soll man es nicht für ausgeschlossen halten, daß er unter dem Einfluß von mehr nördlich wohnenden Völkern, zum Beispiel von Engländern oder Niederländern, entstanden ist. Die auf der Abb. 321 dargestellte Mühle richtet sich selbsttätig gegen den Wind mittels eines Sterzes. Wie die Mühlen der Abbildungen 319 und 320 gegen den Wind gerichtet werden, ist mir nicht bekannt. III. Mühlen mit drehbarer Haube
322, 323 324, 325
Soweit ich der Sache mit Hilfe des mir zur Verfügung stehenden Materials nachgehen konnte, kommt nur ein einziger Typ dieser Windmühlenklasse vor: b. Die leicht-konische Turmmühle. Diesen Typ gibt es auf den Inseln Fuerteventura* und Tenerife*. Es ist mir nicht bekannt, ob er sich auch auf den anderen Inseln vorfindet. Die Mühle auf Fuerteventura ist aus Haustein aufgeführt. Über die Mühle auf Tenerife kann ich aber nichts Näheres aussagen, da sie mit Gips überzogen ist. Alle diese Mühlen werden von außen mit Hilfe eines Stakens gegen den Wind gerichtet. FLÜGELFORMEN DER VERTIKALEN MÜHLE
322
Aus dem Bildmaterial ergibt sich das Vorkommen folgender Flügelformen: l.Vier Flügel. Das Gatter befindet sich an beiden Seiten der halben Rute. Es hat zwei Längslatten an jeder Seite der halben Rute und neun Querlatten. In der Nähe der Flügelwelle ist das Gatter bis zur dritten Querlatte mit dünnen Brettchen bedeckt. Das Gatter hat die Form eines Trapezes. Der offene Teil des Gatterwerks kann mit einem Segel bespannt werden. Die Flügel bilden mit der Drehungsebene einen Winkel. Diese Konstruktion kommt bei der leicht-konischen Turmmühle auf Fuerteventura vor*.
30ό
306
307 China,
Mongolei 308.
Gebetmühle
.l'crsien 309. Horizontale
Mühle
305. Horizontale 306. Horizontale 307. Mühle
Mühle Mühle
Tibet
31·')-316.
Gebelmühlen
Ägypten
317. Zylindrische 318. Leicht-konische
Turmmühle Turmmühle
317
318
Kanarische
Inseln
31',) -
321. 322.
M'i/i/miMilc» fji'irhl-koH Idnnin'tihlr
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Madeira
Südafrika
327. l'ullrucktiiiilile 32S. Leirht-konisrtte 32'J, 330. Koniarhe
Tunntnühlc Turmmühlcn
Südafrika
331 — 333.
Konische
Turinmuhlen
Antillen
331. Ά:','). 33H. 33!'.
Konische Horizontale Konische Horizontale
Turmtnühl·· Mühle TurmmühliMühte
Kanada 338.
Leicht-konische Turmmühle 33'J. Konische Turmmühh
Vereinigten 310.
Stauten
Bockmühlr
Vereinigten S t a a t e n
352
341. Bockmühle 342. Nicht-drehbare Mühle 343. Wippmühlei 344. Zylindrische Turmmühle 34Ô — 34S. Leicht-konische Turinmühlen ? 349. Konische Turmmühle 3Ö0 — 3H2. Eckige Turmmühle
Australien
353
355.
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357.
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Typen
Die geographische Verbreitung der Hauptklassen,
Klassen, Typen
279
auch der Fall mit der Gruppe der zylindrischen Turmmühlen in Deutschland und in den Niederlanden. Sogar Frankreich bildet mit Spanien und Portugal für diesen Mühlen typ kein zusammenhängendes Gebiet. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß eine unzureichende Information hier der Forschung einen Streich spielt. Im Westen Europas ergibt sich demnach ein Bild recht unzusammenhängender Verbreitung der zylindrischen Turmmühle. Das östliche Verbreitungsgebiet desselben Typs stellt sich schon mehr als ein geschlossenes Ganzes dar, das sich von der Küste der Adria über die Griechischen Inseln, das Vardar-Tal und das Morava-Tal bis nach Ungarn und der Tschechoslowakei ausdehnt. Die Karte zeigt uns, daß das Verbreitungsgebiet der leichtkonischen Turmmühle in räumlicher Hinsicht weniger umfangreich als das Verbreitungsgebiet der zylindrischen Turmmühle ist. Die leicht-konische Turmmühle tritt in der Hauptsache im westlichen Teil Europas auf. Dennoch vermissen wir auch hier den Anschluß, sei es auch in einem etwas geringeren Maße als dies bei der zylindrischen Turmmühle der Fall ist. In Rumänien, Bulgarien und Albanien habe ich Fragezeichen gemacht, weil dort höchstwahrscheinlich der Mittelmeertyp vorkam.
KARTE 5
Beim Betrachten der Karte 5 fällt uns sofort auf, daß die konische Turmmühle zum nordeuropäischen Raum gehört und ein ziemlich zusammenhängendes Verbreitungsgebiet bildet, das sich von England über Belgien, die Niederlande, Nordwest- und NordDeutschland, Dänemark und Süd-Norwegen bis Polen und Litauen erstreckt. Davon abgesondert ist dann wiederum das Gebiet, das Österreich, Ungarn, Jugoslawien und möglicherweise auch Rumänien umfaßt. Diese Verhältnisse fordern natürlich eine Erklärung, für die man aber umfangreichere Informationen als bisher zur Verfügung haben müßte. Auch bei der eckigen Turmmühle liegt der Schwerpunkt in Nord-Europa. Er bildet dort ein mehr oder weniger in sich geschlossenes Gebiet, das sich von England aus über Belgien, die Niederlande, Nordwest- und Nord-Deutschland, Dänemark bis Polen, Schweden, Finnland und Estland erstreckt. In Finnland sowie auch in der Ukraine ist mir das Verbreitungsgebiet nicht genügend bekannt. Darüberhinaus kommt er auch in der Dobrudscha vor. Es erhebt sich natürlich die Frage, ob das Vorkommen der eckigen Turmmühle in der Ukraine ein abgesondertes Gebiet darstellt, oder ob es da einen Anschluß nach Norden gibt. Vor allem in Rußland ist mir die Verbreitung ungenügend bekannt. Bei diesen Mühlen mit ihrem im allgemeinen größeren Leistungsvermögen ist es übrigens die Frage, welche Forderungen wir an die Windkraft stellen müssen und welche Rolle diese also bei der Verbreitung dieses holländischen Typs gespielt hat.
KARTE 4 UND 5
Wenn wir die Verbreitungskarte des Mittelmeertyps mit derjenigen des holländischen Typs vergleichen, so stellt sich m. E. deutlich die Tatsache heraus, daß der Schwerpunkt für den Mittelmeertyp in Süd-Europa liegt, jedoch mit einer Anzahl Ausläufern, die weit nach Norden reichen. Der holländische Typ dagegen hat seinen Schwerpunkt in NordEuropa und hat einen oder mehrere Ausläufer nach Süden.
280 Die geographische Verbreitung der Hauptklassen,
Klassen,
Typen
In Kapitel 2 habe ich einige Male feststellen müssen, daß zwischen dem Mittelmeertyp und dem holländischen Typ unverkennbar Mischformen auftreten. In Irland treffen wir leichtkonische Turmmühlen mit einer Anzahl von Merkmalen des holländischen Typs an. Umgekehrt zeigt uns Österreich die konische Turmmühle mit einer Anzahl von Merkmalen des Mittelmeertyps. Eine eigens auf diese Mischung von mediterranen und holländischen Elementen gerichtete Untersuchung würde vermutlich auf dieses Gebiet mehr Licht werfen können, vor allem, wenn sie auch die technischen Aspekte berücksichtigen würde.
IV BETRACHTUNG DER W I C H T I G S T E N THEORIEN ÜBER URSPRUNG UND VERBREITUNG DER W I N D M Ü H L E
In der Mühlenliteratur sind mir verschiedene Theorien, Hypothesen, Vermutungen und mitunter auch nur beiläufige Bemerkungen in bezug auf den Ursprung und die Verbreitung der Windmühlen begegnet. Diese Anschauungen sind im Rahmen meines Themas nicht alle gleich bedeutsam. Ich halte es aber für angemessen, in diesem Kapitel eine Anzahl dieser Theorien einer Betrachtimg zu unterwerfen.
SUMERER
stellt die Vermutung auf, daß alte Kulturen, wie ζ. B . die im Reiche Hammurabis, die Windmühle vielleicht schon gekannt haben. In diesem Zusammenhang sagt er noch: ,, . . . the true origine of windmill can never be determined, for the subject becomes an impasse because of lack of evidence, the domestic use of wind power can at least theoritically be considered as of considerable antiquity". V O W L E S ( 2 , S. 4 1 3 ) ist der Ansicht, daß mit Ausnahme des Segelschiffs, erst das Rad erfunden werden mußte, bevor der Mensch externe Kräfte zu seinem Nutzen anwenden konnte. Das Rad war in der Gestalt der Töpferscheibe bereits in Ur bekannt. V O W L E S fügt hinzu, daß man nur schwerlich sagen kann, welcher der nächste Schritt bei der Anwendung externer Kräfte gewesen ist. Er nimmt jedoch an, daß dieser mit den fundamentalsten Bedürfnissen des Menschen in Zusammenhang hat stehen müssen, nämlich im Hinblick auf die Bewässerung des Kulturbodens und die Herstellung von Mehl für das tägliche Brot. Inschriften weisen auf Bewässerungsmaschinen hin. Über deren Konstruktion und Arbeitsweise werden aber keine Einzelheiten mitgeteilt. Der Autor ist denn auch der Ansicht, daß es keine Gewissheit darüber gibt, daß diese Bewässerungsvorrichtungen durch die Strömung der Flüsse angetrieben worden sind. Auch F E L D H A U S ( 3 , S. 8 4 ) bemerkt in bezug auf „Wasserräder", daß in Hammurabis Gesetzen die Bestimmung vorkommt: „Wer ein Wasserrad vom Feld stiehlt, soll eine Geldstrafe zahlen". F E L D H A U S stellt indes auch die Frage, „ob das aber ein Wasserrad in unserem Sinne war?" und schließlich bemerkt er noch: „An einer anderen Stelle las ich die Übersetzung 'Windrad'. Was war es nun" ? F E L D H A U S stellt diese Frage mit Recht. Ich bin jedoch nicht in der Lage, in bezug auf die Richtigkeit der Übersetzung einen Standpunkt zu vertreten. Nur kann ich mir B A T H E (1, S. 2, 3)
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Betrachtung der wichtigsten Theorien Uber Ursprung und Verbreitung
schwerlich vorstellen, daß es zu Hammurabis Zeiten schon „Windräder" gegeben haben soll, die in irgendeinem Zusammenhang mit den späteren, entweder horizontalen oder vertikalen, Windmühlen standen. In diesem Fall würde man die merkwürdige Tatsache feststellen müssen, daß Windräder etwas weniger als 2000 Jahre vor Christus schon erwähnt werden, um dann erst wieder im 10. Jahrhundert nach Christus in den ersten Berichten über Windmühlen in Erscheinung zu treten. Einstweilen erlaube ich mir daher, die Richtigkeit der Übersetzung „Windrad" zu bezweifeln.
PHÖNIZIER
BOONENBURG (4, S. 103) schreibt bezüglich des im Mittelmeergebiet vorherrschenden Mühlentyps, daß dieser sich am ehesten der Form der holländischen Turmmühle nähert. Er sagt weiter noch: „Diese massiven Turmmühlen treffen wir in Portugal, Spanien, Griechenland (Kreta) und Ägypten an. Eine nähere Untersuchung dieser für das Auge ziemlich fremdartigen Bauten betrachten wir als besonders wichtig für die Kulturgeschichte dieser Gegenden. Man ordnet diese Mühlen wohl dem „phönizischenTyp" zu". W o BOONENBURG die Bezeichnung „phönizischer T y p " hergenommen hat, ist mir nicht bekannt. Ich glaube aber annehmen zu müssen, daß sie irgendwie im Zusammenhang mit Phönizien oder mit den Phöniziern stehen muß. Phönizien stellte keine staatliche Einheit dar. Es bestand aus einer Anzahl von Küstenstädten, die auf einem schmalen Küstenstreifen östlich des Mittelmeeres gelegen und ziemlich unabhängig voneinander waren. Dieses Gebiet hatte in der Hauptsache ungefähr die gleiche Ausdehnung wie das heutige Libanon. Jahrhundertelang vor Christi Geburt haben die Phönizier die Rolle von Kaufleuten durchgeführt, die an den Mittelmeerküsten ihre Kolonien gründeten. Der Vermittlung der Phönizier verdanken die Griechen die Einführung von einigen bedeutenden Erfindungen wie die Buchstabenschrift, den Purpurfarbstoff und die Anfertigung von Glas. Die Rolle der Phönizier war aber schon 332 v. Chr. ausgespielt und 64 vor Chr. wurde ihr Stammland von den Römern der Provinz Syrien einverleibt (5, S. 1 ff; 6, S. 380 ff.) Die Frage ist jetzt, ob die Phönizier die Windmühle gekannt haben. Dies ist m. E. höchst unwahrscheinlich. Das ganze Gebiet zwischen Ost-Persien und dem Mittelmeer hat, soviel man weiß, nie eine eigene Windmühle besessen. Die einzigen Windmühlen, die es westlich dieses mühlenlosen Gebiets gegeben hat, sind von Kreuzfahrern aus dem Westen errichtet worden (s. später im Abschnitt über die Kreuzfahrer). Aus den obigen Ausführungen geht also hervor, daß es nicht einen einzigen Anlaß gibt, den Namen der Phönizier mit einem bestimmten Mühlentyp in Verbindung zu bringen.
GRIECHEN
Der Grieche Heron war zu seiner Zeit ein bekannter Gelehrter, der sich mit angewandter Mathematik und mit Mechanik befaßte (7, S. 208; 8, S. 19; 9, S. 624). Er hat über diese Gegenstände Abhandlungen geschrieben. In den wichtigsten Bibliotheken Europas befinden sich etwa 25 Handschriften, die nach VOWLE'S Meinung (10, S. 2) sich nur wenig von den fünf unterscheiden, die er selber untersucht hat. Außerdem gibt es noch
Betrachtung der wichtigsten Theorien über Ursprung und Verbreitung 283 gedruckte griechische Texte und Übersetzungen in mehreren Sprachen, Latein, Französisch, Deutsch, Englisch und Italienisch. In diesen Schriften wird eine Vorrichtung beschrieben, die imstande war, durch Windkraft Töne zu erzeugen, und die Heron mit dem Namen anemourion bezeichnet. V O W L E S ( 1 0 , S . 2) hat außer den fünf ausgewählten griechischen Handschriften in seine Untersuchung noch zwei gedruckte griechische Texte, zwei lateinische Übersetzungen und außerdem Übersetzungen ins Französische, ins Deutsche und ins Englische einbezogen. Viele haben versucht, das Wort anemourion zu übersetzen. V O W L E S (10, S. 3) bemerkt dazu: „This word translated as 'sail of a windmill', is so far as I can trace quite unknown elsewhere with this meaning at so early a date". V O W L E S führt dabei einige Autoren an, die Übersetzungen wie „Segel einer Windmühle" oder einfach „Windfahne" vorschlagen, aber selber ausdrücklich die Richtigkeit dieser Übersetzungen bezweifeln. B A T H E ( 1 5 , S. 6 ) meinte, daß anemourion nur auf den Raum hindeutete, durch den der Wind hereinkam. Dies läuft also darauf hinaus, daß die Bezeichnung „anemourion" wohl in irgendeinem Zusammenhang mit dem Wind steht, durch den das Instrument Töne erzeugt, daß man jedoch eine richtige Übersetzung dieses Wortes nicht geben kann. Von der Bedeutung des Wortes anemourion her dürfen wir also keinesfalls darauf schließen, daß es sich hier um eine Windmühle handelt. Zur Verdeutlichung der Kenntnisse, über die Heron seinerzeit verfügte, möchte ich hier in bezug auf die Mechanik an die sogenannten fünf Potenzen erinnern: den Hebebaum, die Winde, das Takel, den Keil und die Schraube, und was man durch deren Kombination erreichen konnte (11, S. 446). Heron hat auch das Zahnradpaar beschrieben (12, S. 318). Mit etwas gutem Willen dürften wir vielleicht annehmen, daß die Bestandteile, mit denen eine Windmühle gebaut werden kann, Heron bekannt waren. Dies bedeutet aber noch nicht, daß die Windmühle damals bekannt war. Soviel ich weiß, gibt es außer dem erwähnten „anemourion" kein anderes Beispiel dafür, daß Heron für das Verrichten einer Arbeit die Windkraft angewandt hat. Es läßt sich eher annehmen, daß bei Heron vorzüglich die menschliche Hand und schwere Gewichte als Kraftquelle Dienst taten. B A R O J A (14, S. 216) will vor allem die beschriebenen Einzelheiten im Mechanismus des „anemourion" hervorheben. Ich möchte dazu aber fragen, welchen Wert diese Beschreibung hat? In den vorhandenen Handschriften findet man eine Anzahl von Abbildungen, die auf Grund von Herons Beschreibung angefertigt worden sind. Wer bürgt dafür, daß nicht irgendwann zwischen der Entstehung von Herons Text und den heute noch vorhandenen Handschriften ein interpretierender Kopist den Text und die Abbildung aufeinander abgestimmt hat? Es ist auffallend, daß alle mir bekannten Abbildungen des „anemourion" etwas darstellen, was einer vertikalen Windmühle ähnlich sieht*. Alle diese Abbildungen stammen höchstwahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert. Es ist sehr die Frage, ob diese Abbildungen nicht ganz anders ausgesehen hätten, wenn sie von Menschen angefertigt worden wären, denen nur die horizontale Windmühle bekannt war. Vielleicht wären die Abbildungen in diesem Fall mehr den Darstellungen von horizontalen Windmühlen ähnlich gewesen, und möglicherweise wäre auch die textliche Beschreibung damit in Einklang gebracht worden. Ich möchte daraus folgern, daß wir weder aus der Deutung des Wortes anemourion noch aus der gegebenen Beschreibung noch aus den Abbildungen einen Schluß ziehen dürfen, daß zu Herons Zeit die Windmühle bekannt war.
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Betrachtung der wichtigsten Theorien über Ursprung und
Verbreitung
V O W L E S (10, S. 5) meint aber, ohne solche Einwände zu berücksichtigen, daß der griechische Text auf irgendein Instrument hinweist, das der Wind zum Drehen brachte. Daraus folgert er, daß wir die Möglichkeit einer griechischen Windmühle anerkennen müssen. Selbst wenn ich mich in diesem Punkt V O W L E ' S Auffassung anschließen möchte, dann müßte ich doch die Frage stellen, welche Bedeutung eine griechische Mühle für die Entwicklung der Windmühlen hätte haben können, wie wir diese später in den verschiedenen Erdteilen kennengelernt haben. Vor allem müssen wir uns der Tatsache bewußt sein, daß die griechischen Gelehrten manuelle Arbeit verabscheuten. Blickten sie doch auf das Handwerk und die Handwerker herab. Schon von Aristoteles und Plato wurde mit dem größten Nachdruck die praktische Anwendung der Wissenschaft als Aufgabe der Gelehrten abgelehnt. Dies hatte zur Folge, daß aus dem Kreis der Gelehrten keine einzige Initiative darauf ausging, ihre Erfindungen praktisch auszuwerten. Die Gelehrten begnügten sich mit der Theorie (16, S. 62). Falls Heron in der Tat zu der Vorstellung einer Windmühle gelangt wäre, hätte sie bestimmt keine praktische Verwendung gefunden. Es ist übrigens auffallend, daß es in der Sprache der Griechen und der Römer keine einzige Vokabel gibt, die daraufhindeuten könnten, daß diesen Völkern die Windmühle bekannt war (10, S. 5). Außerdem haben in der Antike die Gelehrten nie danach gestrebt, die Natur zu beherrschen, um die Lebensverhältnisse zu verbessern. Ihr Ziel war durchaus auf harmonische Gedanken und auf das Erlangen einer größeren Weisheit gerichtet (16, S. 64).
Mehrere Autoren erinnern daran, daß bei Vitruv, der unter anderen bewegenden Kräften natürlich auch den Wind behandelt, nirgends von einer Windmühle die Rede ist (17, S. 31; 15, S. 6; 18, S. 43). Vitruvius Pollio war ein römischer Architekt und Ingenieur. Caesar hatte ihn mit der Instandhaltung der Artillerie beauftragt. Er hat ein Werk „De Architectura" in zehn Büchern verfaßt, das unversehrt zu uns gelangt ist (19, S. 171; 20, S. 31). Wir stellen also fest, daß Vitruv sich in seinem ausführlichen Werk über Windmühlen nicht geäußert hat. Man führt dies an, um zu beweisen, daß das anemourion keine Windmühle gewesen ist. Doch sollte man m. E. hier zunächts die Frage stellen müssen, ob Vitruvius auch von einer eventuellen Heron'sehen Windmühle hat Kenntnis bekommen können. Dies wäre nur möglich, wenn Vitruvius ein Zeitgenosse Herons gewesen wäre oder nach Heron gelebt hätte. Aber gerade über diesen Punkt herrscht Zweifel. Soviel ich weiß, weisen alle bekannten Daten bezüglich der Lebenszeit Vitruvs auf das erste Jahrhundert vor Christus (19, S. 171; 21, S. 123; 20, S. 31; 22, S. 8). Die Zeit, in der Heron gelebt haben soll, erstreckt sich über eine längere Periode. Der meines Wissens am weitesten zurückgehende Bericht erwähnt das Jahr 120 vor Chr. (9, S. 602). Andere Berichte beziehen sich auf das erste Jahrhundert vor Chr. (8, S. 19), auf den Anfang dieses ersten Jahrhunderts oder später (7, S. 208), auf die Zeit um 50 nach Chr. (13, S. 733), auf ungefähr 100 nach Chr. (3, S. 191) und auf das erste oder zweite Jahrhundert nach Chr. (15, S. 4). S C H M I D T (24, S. IX) spricht sogar von einem Unterschied von vier Jahrhunderten zwischen den äußersten Jahreszahlen. Es ist also erwiesen, daß es keineswegs feststeht, daß Heron ein Zeitgenosse Vitruvs war oder vor diesem gelebt hat. Aus dem Umstand, daß Vitruv in seinem Werk das „anemourion" Herons nicht erwähnt, dürfen also in bezug auf die Existenz oder Nicht existens einer Heron'schen Windmühle keine Schlüsse gezogen werden. V O W L E S nimmt für „the purposes of our inquiry" an, daß irgendeine Art Windmühle Heron bekannt war. Er hat sich die Frage vorgelegt, wie das Prinzip dieser Mühle in Persien bekannt werden konnte, und stellt dann ausführlich dar, wie die griechische
Betrachtung der wichtigsten Theorien über Ursprung und Verbreitung 285 Kultur über die vorhandenen Handelswege Persien erreicht hat. Er nimmt ferner an, daß die Windmühle von Persien aus über den Handelsweg durch Rußland nach WestEuropa gelangt ist (10, S. 5 ff.)· VOWLES stellt dies alles als eine „inquiry" dar. Der einzige Punkt aber, den man in dieser ganzen Hypothese als feststehend ansehen darf, ist die Tatsache, daß im 10. Jahrhundert in Seistan Windmühlen vorhanden waren. Im Hinblick auf die Geschichte der Windmühlenentwicklung bleibt also das anemourion ein Fragezeichen. Es steht außerdem nicht einmal fest, daß die Windmühle in Seistan entstanden ist. Ich bin daher der Ansicht, daß die von VOWLES vorgelegte Theorie uns in bezug auf die Entwicklungsgeschichte der Windmühle keinen Schritt weiterbringt. Wie ich im folgenden Abschnitt noch näher ausführen werde, war bei den Römern die Windmühle nicht bekannt. Die Tatsache, daß die Römer die Windmühlen nicht kannten und daß wir wissen, daß sie ihre Kenntnisse auf dem Gebiet der Technik von den Griechen übernommen haben, erlaubt daraus zu schließen, daß auch die Griechen die Windmühle nicht gekannt haben. Wäre sie bei diesem Volk wirklich bekannt gewesen, dann hätten die Römer dies zweifellos in ihren Schriften bezeugt.
RÖMER
Wie es im vorigen Abschnitt schon dargestellt wurde, hat Vitruvius Pollio, von dem man annimmt, daß er im ersten Jahrhundert vor Chr. gelebt hat, in seinem Werk ,,De Architectura" die Windmühlen mit keinem Wort erwähnt. Wir dürfen annehmen, daß Vitruv sie bestimmt in seiner Abhandlung berücksichtigt hätte, wenn sie ihm bekannt gewesen wären. Am 24. August 79 wurden die Ortschaften Herculaneum und Pompeji durch einen Ausbruch des Vesuvs verwüstet. Herculaneum wurde von einem Schlammstrom überdeckt, während in derselben Zeit Pompeji unter Schutt und Asche begraben wurde. Das Leben in beiden Ortschaften wurde jäh stillgelegt. Die Ausgrabungen haben dieses Leben wieder ans Tageslicht gebracht. Es stellte sich heraus, daß beide Städte keine Windmühlen kannten. Die Mühlen, die zum Vorschein kamen, waren Hand- und Tiermühlen (25, S. 3; 26, S. 3). Bei einer Besichtigung der Ausgrabungen in beiden Städten stellte ich fest, daß der Bäcker seine eigene Hand- oder Tiermühle besaß. Die Tätigkeiten von Bäcker und Müller waren also noch nicht voneinander getrennt. In diesem Zusammenhang muß noch bemerkt werden, daß Plinius, der von 23/24 bis 79 nach Chr. lebte, die Wasserradmühle als eine ganz neue Vorrichtung behandelt hat (27, S. 192). Dürften wir auch hier, wie anderswo in Europa, annehmen, daß die Wasserradmühle der Windmühle voranging, dann könnte dies darauf hinweisen, daß in jener Zeit bei den Römern die Windmühlen nicht bekannt waren. Gebräuchlich waren nur die Hand- und Tiermühlen (28, S. 192), während die Wasserradmühlen erst als Neuerimg eingeführt wurden. Auch der bereiste Philosoph Seneca, der im April des Jahres 65 verstarb, hat in seinem Werk „Naturales quaestiones" Windmühlen nicht erwähnt. In ähnlicher Weise ist beim Patriarchen Chrysostomus, der im 4. Jahrhundert lebte, von Windmühlen nirgends die Rede, obwohl er an einer bestimmten Stelle ausdrücklich auf die Kraft des Windes hinweist.
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Betrachtung der wichtigsten Theorien über Ursprung und
Verbreitung
In Anbetracht der geringen Bedeutung der Römer für die Entwicklung der Technik glaube ich mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit annehmen zu dürfen, daß die Römer die Windmühle nie gekannt haben. Die Römer haben nämlich zur Entwicklung der Technik nichts beigetragen. Ihre Kenntnisse auf diesem Gebiet haben sie den Griechen entliehen.
ARABER
Es gibt eine Anzahl Autoren, die annehmen, daß die Windmühlen von den Arabern erfunden worden sind. Ihrer Ansicht nach läge dies wohl auf der Hand, da das Fehlen von Wasserkraft die Araber gleichsam dazu zwang, ihre Zuflucht zur Windkraft zu nehmen (25, S. 3; 26, S. 4). Andere Forscher haben die Erfindung der Windmühlen den Sarazenen zugeschrieben (28, S. 230). Auch hier sollten die wasserlosen Gebiete Persiens und Arabiens dazu den Anlaß gegeben haben. SARTON (7, S . 674) schreibt die Erfindung den Moslem oder einem anderen orientalischen Volk zu. B A R O J A (14, S. 354) meint dagegen, daß die Windmühle weder von den Arabern noch von einem islamitischen Volk erfunden wurde. B A T T E N (15, S. 10) bemerkt, daß sich für den Gedanken, die Sarazenen hätten die Windmühle verwendet, kaum eine Stütze finden läßt. Seiner Meinung nach könnte man dafür nur die Windmühle auf der Rreuzfahrerburg Crac des Chevaliers anführen (s. den Abschnitt über die Kreuzfahrer). K R O E B E R (29, S. 3) meint, daß man schwerlich eine bedeutende Technik oder Maschine nennen könnte, die oline Zweifel von den Moslem erfunden worden wäre. Dieser Äußerung fügt er aber noch (S. 12, Anm. 5) die Bemerkung hinzu, daß die Windmühlen möglicherweise eine Ausnahme bilden. D E W E R T (8, S. 19) ist der Ansicht, daß die Windmühle infolge des Wassermangels schon früh im Orient vorgekommen ist. F O R B E S (16, S. 94) bemerkt, daß die Windmühlen bis zum 10. Jahrhundert vor allem in Persien und Afghanistan verwendet wurden. S I N G E R c. s. (30, S. 616) bezeichnen Tibet als das Ursprungsland der Windmühle in der Gestalt der Gebetsmühle, aber sie fügen noch hinzu, daß die echten Windmühlen in Seistan entstanden sind, und zwar in der früh-moslemischen Periode oder schon vorher. K R O E B E R (31, S. 450) lokalisiert die Entstehung der Windmühle in West-Asien in der islamischen Zeit. In den angeführten Daten werden also als Ursprungsgebiet der Orient, Persien, Afghanistan, Tibet und West-Asien erwähnt. Auch treffen wir noch Hinweise auf Völker an, wie die Araber, die Sarazenen und ein ungenanntes orientalisches Volk. Schließlich wird die Religion der Erfinder herangezogen, indem man von den Moslem spricht. Ich glaube, daß die Bezeichnung „Moslem" zu umfassend und daher zu unbestimmt ist, um dabei behilflich zu sein, dem Ursprung der Windmühle nachzuspüren. Vor allem in den ersten Jahrhunderten des Islams hat sich das Gebiet der Anhänger dieser Religion ständig ausgebreitet (32, S. 7, 9, 12; 33, S. 4 bis einschl. 11). F O R B E S (16, S. 8 9 ) schreibt denn auch: „This world of Islam was a melting pot of peoples. When we speak of Arabian science in the course of this story we include the Persian, Syrian, Egyptian, Moorish, and Spanish scientists and technologists who
Betrachtung der wichtigsten Theorien über Ursprung und Verbreitung 287 contributed to Arabian technology". Außerdem hat die Erfindung der Windmühle mit dem Islam als Religion nichts zu tun. In bezug auf die Gebietsteile, in denen der Ursprung der Windmühle gesucht wird, möchte ich auf Kapitel 2 und Kapitel 5 der vorliegenden Arbeit hinweisen. Von den in diesem Abschnitt erwähnten Autoren ist also die Erfindung der Windmühle den Arabern, den Sarazenen und „einem orientalischen Volk" zugeschrieben worden. Die Kennzeichnung „ein orientalisches Volk" finde ich ebenfalls zu unbestimmt , um in einer Untersuchung nach dem Ursprung der Windmühle angewandt zu werden. Doch glaube ich hier wohl auf die Annahme eingehen zu müssen, daß es die Araber oder Sarazenen sind, die die Windmühle erfunden haben. Wir können dabei zunächst erwägen, was man unter den Bezeichnungen „Araber" und „Sarazenen" zu verstehen hat. HITTI'S Auffassung (34, S. 43) soll die Bezeichnung „Sarazene" begrifflich umfassender sein als die Bezeichnung „Araber". Nach Ansicht dieses Autors steht der Name „Sarazene" in Zusammenhang mit dem arabischen Wort „sharq", das „Osten" bedeutet. Insbesondere weist es auf das Land und die Beduinen östlich von Palestina hin. HITTI fügt dem noch hinzu: „ . . ., in general Arabia and the Arabians". H r m meint, daß es ein altenglisches Wort ist, das im 9. Jahrhundert gebräuchlich wurde. LEWIS nimmt aber an, daß die Bezeichnung „Sarazene" schon bei den Klassikern vorkam. Es scheint der Name eines Wüstenstammes im Sinai-Gebiet gewesen zu sein (36, S. 12). AMEER ALI (35) dagegen gebraucht in seinem Werk die Bezeichnung „Sarazenen" auch für Gebiete westlich von Palestina, nämlich für Afrika und Spanien. Der Untertitel seines Werkes lautet: „Being a concise account of the rise and decline of the Saracenic power". Ich bin daher geneigt, die „saracenic power" hier mit der Macht der Araber und der von ihnen assimilierten Völker gleichzusetzen. AMEER ALI bringt das Wort „Sarazene" in Zusammenhang mit Sahara = „Wüste" und nashîn = „Bewohner" oder mit Sharkiin = „orientalisch" und Shark = „Orient" (35, S. 4). Er bemerkt ferner noch, daß besonders die Menschen, die durch die Wüste westlich des Euphrats herumstreiften, von den Griechen und Römern als „Saraceni" bezeichnet wurden „and this is the name by which they issued from their homes to conquer the world" (35, S. 4). Wenn von den Arabern in Verbindung mit der Erfindung der Windmühle die Rede ist, dann müssen wir der Geschichte der Araber bis zum 10. Jahrhundert nachgehen, dem Jahrhundert, in dem Windmühlen in Seistan bekannt waren. Der Name „Araber" kommt zum ersten Mal in einer assyrischen Inschrift aus dem Jahre 855 vor Chr. vor. In diesem Jahr läßt König Shalmaneser I I I berichten, daß das assyrische Heer eine Verschwörung von aufständischen Häuptern niedergeschlagen hat. Einer von diesen war „Gindibu de Arabi". Von jener Zeit an bis zum 6. Jahrhundert vor Chr. werden die Namensformen „Aribi", „Arabu" und „Urbi" in assyrischen und babylonischen Inschriften wiederholt erwähnt. In den Inschriften wird der Empfang des von diesem Volk gezahlten Tributs gemeldet . Dieser Tribut erinnert an die besondere Art des Lebens in der Wüste. Es waren Nomaden im nördlichen Teil Arabiens, vermutlich in der syrischarabischen Wüste. Die seßhafte Bevölkerung in Südwest-Arabien gehörte nicht dazu, denn sie wird in den assyrischen Inschriften eigens und für sich genannt. Um 530 vor Chr. erscheint in der persischen Keilschrift die Bezeichnung „Arabaya" (36, S. 11). Den ältesten Hinweis in der klassischen Dichtung finden wir bei Äschylus, der im „Prometheus" Arabien als ein abgelegenes Land kennzeichnet, aus dem die Krieger mit
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Verbreitung
scharfgeBpitzten Speeren kommen. Bei Herodot und anderen griechischen und lateinischen Autoren werden die Namen Araber und Arabien auf alle Einwohner der arabischen Halbinsel und der Wüste zwischen dem Roten Meer und dem Nil übertragen (36, S. 11, 12). Diese Namen blieben im Gebrauch bis nach dem Tode Mohammeds, als die arabischen Eroberer über einen Teil Asiens, über Nord-Afrika und einen Teil Europas ausschwärmten. In bezug auf die Frage des eventuellen Ursprungs der Windmühle bei den Arabern oder den Sarazenen möchte ich das ganze Gebiet überschauen, das zu irgendeiner Zeit von den Arabern erobert worden ist, d. h. also den Raum von Persien und Afghanistan im Osten bis Nord-Afrika, Portugal und Süd-Frankreich im Westen. Bis zu Mohammeds Tod lebten die Araber auf der arabischen Halbinsel sozusagen in der Abgeschlossenheit. Nun hat man niemals die Spur eines Nachweises entdecken können, daß es auf der arabischen Halbinsel je Windmühlen gegeben hat. Das Argument, das mehrere Autoren anführen, um die Erfindung einer Windmühle bei den Arabern wahrscheinlich zu machen, ist der Mangel an Wasser, der dort herrscht und die ganze Geschichte hindurch geherrscht hat. Dieser Umstand soll die Araber gezwungen haben, die Windkraft anzuwenden (25, S. 3; 26, S. 4; 8, S. 19; 28, S. 230). Man vergißt dabei, daß noch heute auf dieser Halbinsel die Sklaverei existiert. Auch ohne Wasser- und Windkraft kann man Mühlen mit Hilfe von Sklaven oder von Zugtieren antreiben. Jedenfalls gibt es, wie gesagt, keinen einzigen Beleg dafür, daß es auf dieser Halbinsel je Windmühlen gegeben hat. Wenn wir nun das Gebiet betrachten, über das die Araber im Laufe der Zeit geherrscht haben, dann müssen wir uns vollauf dessen bewußt sein, daß diese Eroberungen von Arabern mit nomadischer Gesittung zustande gebracht wurden. In diesen Rahmen paßte die Windmühle gewiß nicht hinein. Die unterworfenen Völker waren oft im Besitz einer viel reicheren Kultur, wie ζ. B. die Perser. Wir treffen denn auch bei diesen Persern und Afghanen die älteste bekannte Windmühle an. Es geht m. E. nicht an, diese von den Persern und Afghanen oder von noch mehr östlich wohnenden Völkern gema cht e Erfindung auf das Konto der Araber zu schreiben. Es fällt noch besonders auf, daß in zwei der drei Schwerpunktgebiete der arabischen Welt, nämlich Damaskus und Bagdad, kein einziger Beleg dafür zu finden ist, daß es dort je Windmühlen gegeben hat. Im dritten Schwerpunktgebiet, nämlich in Spanien, ist es sehr zweifelhaft, ob die Araber je die Windmühlen gekannt haben (vgl. in Kapitel 2 die Abschnitte über Spanien und Portugal). Soweit man der Sache nachgehen kann, hat es im Westen des östlichen Teiles Persiens bis zur Mittelmeerküste niemals Windmühlen gegeben — mit Ausnahme von einigen Windmühlen in der Nähe des Mittelmeeres, die dort von Kreuzfahrern errichtet und also offenbar aus dem Westen mitgebracht worden sind (vgl. später im Abschnitt über die Kreuzfahrer). Außerdem stammen, soweit man der Sache nachgehen kann, die Windmühlen in Nord-Afrika ausnahmslos aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Aus den eben angeführten Daten glaube ich mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit folgern zu dürfen, daß die Araber weder mit der Erfindung noch mit der Verbreitung der Windmühle etwas zu tun haben.
KREUZFAHRER
Wann die Behauptung, daß die Windmühle von den Kreuzfahrern aus dem Orient mitgebracht worden sein, zum ersten Mal aufgestellt wurde, ist unbekannt. Es steht aber
Betrachtung der mehligsten Theorien über Ursprung und Verbreitung 289 fest, daß im Laufe der Jahre Anhänger und Gegner dieser Theorie dazu Stellung genommen haben. Die Argumente der Anhänger dieser Kreuzfahrertheorie sind bestimmt nicht überzeugend. DELISLE (37, S. 405, 406) schreibt 1850: „Our modern authorities are generally in accordance that our knowledge of windmills was brought from the east by crusaders. This opinion is sufficiently probable. Even at present the Normans give the name of 'turquos' to a species of windmills, answering in our ancient dialect* sufficiently to oriental". Er bemerkt dazu noch: „The expression 'Moulin turquois à vent', is found already in an acknowledgement made in 1408 by the Seigneur de Torigny". Für diese Angabe verweist der Autor auf ein Stück im Nationalarchiv in Paris, Register 306, Nr. XIII.
Ich glaube aber bezweifeln zu müssen, daß „turquois" mit „oriental" übereinstimmt. Das Adjektiv „türkisch" hat, meiner Ansicht nach, vielmehr die Bedeutung von „fremdartig" und dieses Fremdartige wurde nämlich den Türken zugeschrieben, über die im Mittelalter höchstwahrscheinlich infolge der Kreuzzüge viele fremdartige Erzählungen im Umlauf waren. In diesem Zusammenhang möchte ich auf das englische Wort „turkey" für „Truthahn" hinweisen, während es doch feststeht, daß dieser Vogel aus Amerika stammt. CAUMONT (38, S. 346), der sich auf die Auffassung DELISLE'S beruft, schreibt 1859: ,, . . . rien ne s'oppose à ce que l'on admette que les Croisés rapportèrent de l'Orient l'idée de ces moulins". In seiner 1910 erschienen Dissertation sagt PRATE (39, S. L X X I X ) wörtlich: „Les moulins à vent nous viennent d'Orient ou l'on manquait d'eau; ils portaient le nom de Turquois. Ils furent importés chez nous à la suite des Croisades". Der Wassermangel in vielen Gebieten des Orients soll hier also das Vorkommen von Windmühlen an der Stelle von Wasserradmühlen erklären. Bei einem anderen Autor (40, S. 5) finden sich die folgenden Ausführungen aus dem Jahre 1927, die hier ins Deutsche übersetzt sind: „Soviel man weiß, wurde die Windmühle in einer fernen Vergangenheit, die selbst nicht annäherungsweise zubestimmen ist, vermutlich im Orient erfunden und von dort haben sie die Kreuzfahrer (nach dem Westen) mitgebracht. Sie hatten ihre nutzbringende Tätigkeit schätzen gelernt, und da diese Mühlen aus Holz waren, wurden sie dort einfach abgebrochen und hier wieder aufgebaut". Obwohl dieser Autor so vorsichtig ist, die Vermittlerrolle der Kreuzfahrer nur vermutungsweise anzunehmen, drückt er sich im übrigen doch sehr positiv in der Bemerkung aus, daß die Kreuzfahrer die nutzbringende Tätigkeit der Mühle schätzen gelernt hatten. Auch nimmt er an, daß die erste Windmühle in Europa aus dem Orient eingeführt wurde. Er setzt voraus, daß die Windmühlen im Orient aus Holz gebaut waren, einem Material, das in diesen Gebieten zur Zeit der Kreuzzüge bereits sehr selten war (41, Vol. I I I , S. 374). PESCHKE (42, S. 16) vertritt in dieser Frage eine nicht weniger entschiedene Auffassung: „Durch die Kreuzfahrer sind sie aus dem Orient, wo sie damals schon bekannt waren, nach Europa verpflanzt worden". Er erwähnt aber nicht, auf welchem Weg er zu dieser Schlußfolgerung gelangt ist.
* Leopold D E L I S L E stammte aus der Normandie. Sein Werk wurde auf französisch geschrieben und ist später von William Bell (1) ins Englische übersetzt worden.
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VERHEIJX (43, S. 21, 22) drückt sich in dieser Beziehung etwas vorsichtiger aus. Die betreffende Stelle lautet auf Deutsch: „Bei verschiedenen Autoren herrscht in bezug auf die holländischen Windmühlen ziemlich allgemein die Meinung, daß diese aus dem Orient stammen. Vermutlich sollen die Kreuzfahrer sie auf ihren fernen Zügen kennengelernt haben . . .". Die Reihe der genannten Anhänger der Kreuzfahrertheorie könnte man noch mit den Namen vieler anderer Antoren verlängern, doch auch bei diesen fehlt eine sichere Grundlage für die Vertretbarkeit einer solchen Auffassung. Den Anhängern dieser Theorie gegenüber stehen die Autoren, die sie in Zweifel ziehen. Ihre Argumente sind in den meisten Fällen nicht weniger unzulänglich. BECKMANN (17, S. 32 ff.) behauptet 1788: „Man hat oft behauptet, daß diese Mühlen zuerst im Orient erfunden, und durch die Kreuzzüge in Europa bekannt geworden waren; allein auch dieses ist unwahrscheinlich. Denn erstlich findet man diese Art noch jetzt entweder gar nicht, oder höchst selten im Orient, nicht in Persien, nicht in Palästina, nicht in Arabien . . . Zweytens findet man Windmühlen schon vor den Kreuzzügen, oder gleich beym ersten Anfange derselben". Offenbar wußte BECKMANN also nicht, daß Windmühlen in Persien (Seistan) vorkommen, und zwar schon vor dem Beginn der Kreuzzüge. Er bemerkt weiter noch (17, S. 34): „Es kann seyn, daß einige Theile von Europa, vornehmlich Frankreich und England, diese Gebäude durch diejenigen kennen gelernt haben, die von Kreuzzügen züruck kamen, aber es folgt daraus nicht, daß diese sie im Orient gefunden haben; vielleicht hatten sie solche auf ihrer Reise innerhalb Europa, vielleicht in Deutschland, dem Vaterlande der meisten großen Maschinen, gesehen". DELVIN (44, S. 4) sagt 1929: „Les historiens ne sont pas d'accord pour dire que les premiers moulins à vent sont d'origine orientale. On croit communément qu'ils furent importés en Europe par les Croisés ; c'est à tort, car il reconnu que leur introduction est beaucoup plus ancienne et qu'elle eut lieu non par la Méditerranée, mais par la Russie, la Pologne et la Hongrie". Er erklärt jedoch nicht, wie er zu diesem letzten Schluß gelangt ist. USHER (21, S. 129) schreibt in seinem 1929 veröffentlichten Buch: ,,It is, however, fairly certain that windmills appeared in Europe prior to the Crusades". Dennoch nimmt dieser Autor an, daß die angeführten Quellen belege für das Vorkommen einer Windmühle in West-Europa vor 1180 nicht stimmen (S. 129). Womit er seine Auffassung dann begründen will, erwähnt er aber nicht. In einer Besprechung der 1952 von Roger Wadström (46) an der Stockholmer Universität verfaßten Dissertation bemerkt ERIXON (45, S. 44) in bezug auf Wadström: „II objecte aussi à la thèse présentée souvent déjà que les moulins à vent furent connus et introduits en Occident à la suite des contacts établis avec les Saracénes, pendant les Croisades. Il souligne qu'on ne sait pas exactement ou a été inventé le moulin à vent, et non plus comment il a été ensuite transmis. Il semble cependant penser qu'il fut connu dans l'Europe occidentale relativement tôt". VISSER und PIETERSE (47, S. 13) sagen u. a. (hier in deutscher Übersetzung): „Manche suchen deren Ursprung im Fernen Osten und meinen, daß die Kreuzfahrer die Idee der Windmühle von ihren fernen Zügen mitgebracht haben. Aber die Herren von 'Maelstede", einer seit Jahrhunderten vergangenen und vergessenen Burg, die in unmittelbarer Nähe der Festung Hülst in Seeländisch-Flandern stand, besaßen schon um das Jahr 1000 das „Mühlenrecht" in Hülst". Ich glaube, im Kapitel 2 im Abschnitt über die Niederlande schon dargestellt zu haben, daß die genannten Autoren keineswegs
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berechtigt sind, das Vorkommen einer Windmühle bei Hülst um das Jahr 1000 anzunehmen. B E N N E T und E L T O N (28, S. 230) haben eine Abhandlung verfaßt, die man noch heute als ein Standardwerk auf dem Gebiet des Getreidemahlens seit den ältesten Zeiten betrachten kann. Obwohl es am Ende des vorigen Jahrhunderts geschrieben wurde, ist es für jeden, der der historischen Entwicklung des Getreidemahlens nachgehen will, noch immer ein unmißbares Werk, wenn auch die neuesten Funde auf archäologischem Gebiet zu manchen Korrekturen Anlaß geben, und die Abschnitte über die moderne Zeit noch mancher Ergänzung bedürfen. In diesem Werk bemerken die Autoren: „Populär opinion has decreed that the Saracens invented the mill; and so it is not indeed improbable that the waterless regions of Persia or Arabia may have witnessed the first attempt to compensate the absence of water by utilising the wind, yet there is no evidence that the Saracens ever saw such a mill, or that the Crusaders derived a knowledge of the contrivance from that part of the world". Für den guten Gang der Untersuchung glaube ich hier noch die schon vor dem ersten Kreuzzug unternommenen Wallfahrten zum Heiligen Land erwähnen zu müssen. Diese Wallfahrten sollen schon um die Mitte des 10. Jahrhunderts eingesetzt haben und bereits am Anfang des 11. Jahrhunderts soll es einen wachsenden Strom von Pilgern gegeben haben (48, S. 51 ff.). Vor 975 waren diese Wallfahrer gezwungen, den Seeweg zu wählen, da der Weg über Land allzu unsicher war. Dennoch zogen die meisten skandinavischen Pilger, die auf dem Hinweg übers Meer durch die Straße von Gibraltar fuhren, auf dem Rückweg von Jerusalem aus über Land durch Rußland. Nachdem sich 975 die Machthaber in Ungarn zum Christentum bekehrt hatten, gab es durch ihr Land eine ungefährdete Straße (41, S. 47, 48), wenn auch der Balkan erst 1019 sicher wurde, als Byzanz ihn unter seine Kontrolle brachte. Hieraus geht also ferner hervor, daß schon zwischen etwa 950 und dem ersten Kreuzzug 1096 rege Beziehungen mit dem Heiligen Land unterhalten wurden, und daß bereits zwischen 975 und 1096 die Pilger der Überlandstraße folgten, der später auch die Kreuzfahrer gefolgt sind. Offenbar waren diese Pilger ebensogut in der Lage, die Idee einer Windmühle nach Westen herüberzubringen als später die Kreuzfahrer. Soviel ich weiß, ist in der Vergangenheit noch niemand auf den Gedanken gekommen, die Übermittlung der Windmühle diesen Pilgern zuzuschreiben. Selbstverständlich sollen wir nicht die viel intensiveren Beziehungen, die die Kreuzfahrer mit dem Orient unterhalten haben, aus den Augen verlieren. Doch sollen wir ebenfalls berücksichtigen, daß die Pilger nicht weniger gut als die Kreuzfahrer in der Lage waren, im Heiligen Land oder auf dem Hinweg Windmühlen zu sehen, falls es diese gegeben hätte. Es wird aber nirgends und niemals berichtet, daß diese während anderthalb Jahrhunderten vor den Kreuzzügen wallfahrenden Pilger auf ihren Reisen zum Heiligen Land oder auf dem Rückweg je eine Windmühle gesehen haben. Die älteste Nachricht vom Vorkommen einer Windmühle in West-Europa datiert von etwa 1180. In bezug auf das übrige Europa ist die Forschung noch so wenig fortgeschritten, daß es nicht möglich ist nachzuprüfen, ob auch für das Auftreten der Windmühle in ganz Europa das genannte Datum das früheste ist. Was die aus Holz gebauten Mühlen im nördlichen Raum Europas betrifft, so wird jenes Datum nach der Verbreitungsgeschichte in den verschiedenen europäischen Ländern höchstwahrscheinlich wohl das früheste sein. Die verfügbaren historischen Ergebnisse in bezug auf die Turmmühle im Mittelmeergebiet erschweren es, zu dieser Frage Bestimmtes auszusagen, obwohl sich mir auch hier die Vermutung aufdrängt, daß die Verbreitung vom südwest-
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liehen Raum West-Europas aus stattgefunden hat. Aber dabei darf man nicht aus den Augen lassen, daß auch bei der Turmmühle im Mittelmeergebiet für das erste Auftreten kein früheres Datum als etwa 1180 in Betracht kommt. Der westliche Teil des Mittelmeeres war bei Beginn der Kreuzzüge oder relativ kurz vorher noch feindliches Gebiet. Ein Teil Spaniens sowie auch die Nordküste Afrikas und die Inseln Mallorca, Corsica, Sardinien, Malta und Sizilien befanden sich nocli in Händen der Moslem (15, S. 28). In der Kreuzfahrertheorie handelt es sich aber um die Vorstellung, daß die Windmühle von den Kreuzfahrern naoh Europa gebracht worden ist. Für „Europa" glaube ich, nur „den westlichen Teil Europas" setzen zu dürfen, da die Kreuzfahrer aus dem Gebiet Europas herstammten, das im Westen einer östlich der skandinavischen Länder bis zum Jonischen Meer verlaufenden Linie liegt. Ich glaube, daß wir als frühesten Zeitpunkt für das Vorkommen einer Windmühle in diesem Gebiet das Datum um 1180 annehmen dürfen. Gehen wir somit von diesem Befund aus, dann erhebt sich die Frage, ob es zwischen dem Beginn der Kreuzzüge 1096 und der ältesten Windmühle für die Kreuzfahrer eine Möglichkeit gegeben hat, die Windmühle aus eigener Anschauung kennen zu lernen oder auf eine andere Weise Kenntnis von den Windmühlen zu bekommen. Wir unterscheiden gewöhnlich einen ersten Kreuzzug (1096-1099), einen zweiten Kreuzzug (1147-1149) usw. Das sind aber die großen Ströme von Kreuzfahrern, die sich mehr oder weniger auf Veranlassung von besonderen Aufrufen des Papstes bildeten. In Wirklichkeit „strömten" Kreuzfahrer und Pilger ununterbrochen (49, S. 137). Wir können daher auch nur einen Unterschied machen zwischen jenen Kreuzfahrern, die für längere Zeit oder für immer im Heiligen Lande blieben, und den Pilgern, die nur für zwei oder drei Jahreszeiten bereit waren, für die heilige Sache zu kämpfen (41, Vol. II, S. 249, 312). Zwischen 1096 und 1180 kamen die meisten Kreuzfahrer aus Frankreich. Andere kamen aus Belgien, Italien, Großbritannien, den skandinavischen Ländern, den Niederlanden, Böhmen und Polen. Eine geringere Anzahl kam aus Spanien, da die Spanier selber im eigenen Land die Aufgabe hatten, dieses Gebiet von dem Moslem zurückzuerobern (41, Vol. II, S. 249, 250). Die Deutschen spielten im ersten Kreuzzug nur eine wenig auffällige Rolle. Sie hielten die Bekehrung der heidnischen Slawen an ihren östlichen Grenzen für viel wichtiger als den Kampf gegen den Islam im Heiligen Land (41, Vol. II, S. 255). Doch haben die Deutschen am zweiten Kreuzzug einen bedeutenden Anteil genommen. Die Hauptroute der beiden ersten Kreuzzüge lief durch das Rheintal und weiter am Neckar und an der Donau entlang. Von Belgrad aus zogen die Scharen über Nisch, Sofia, Edirne nach Istanbul (41, Vol. I, S. 115-149; Vol. II, S. 12-27; S. 259; 17, Karte 22). Weitere Ströme von Pilgern zogen durch Nord-Italien, durch Jugoslawien nach Durazzo und dann über Thessaloniki nach Istanbul (41, Vol. I, S. 160; 17, Karte 22), Wieder andere Wallfahrer wanderten durch Italien über Rom nach Bari und Brindisi, wo sie sich nach Durazzo einschifften, um von hier über Thessaloniki den Weg nach Istanbul zurückzulegen (41, Vol. I, S. 167, 168; Vol. II, S. 26; 17, Karte 22). Schließlich ist noch eine Gruppe von Italienern zu erwähnen, die Raubzüge nach den griechischen Inseln Heptamese, Korfu, Leukas, Kephalonia und Zante organisierten (41, Vol. I, S. 299), und zuletzt eine Streitmacht von Engländern, Flamen und Friesen, die 1147 durch ein Unwetter gezwungen wurden, mit ihren Schiffen einen Unterschlupf an der Mündung des Douro zu suchen, und von dort aus dem späteren König von Portugal geholfen
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haben, Lissabon von den Moslem zurückzuerobern (41, Vol. I I , S. 258). Damit ist in großen Linien der Raum umrissen, in dem sich die Kreuzfahrer zwischen 1096 und der Zeit um 1180 nach Istanbul bewegt haben. Den Bereich im Osten und Süd-Osten von Istanbul, in dem die Kreuzfahrer ihre Eroberungen machten und Streifzüge unternahmen, kann man ungefähr durch eine Linie abgrenzen, die von Jezirah über Baalbek, Damaskus, Bosra, Petra, Akaba, Kairo bis Alexandrien verläuft (41, Vol. I I , Karten S. 109, 145, 189, 363, 438). In den obigen Ausführungen habe ich also versucht, die Zeiten und den Raum zu bestimmen, in denen sich die Kreuzzüge, die man eventuell für das Überbringen der Windmühle nach West-Europa verantwortlich machen könnte, vollzogen haben. Eine erste Frage ist nun, ob die Kreuzfahrer in ihrem Aktionsgebiet im Orient die Windmühle aus eigener Anschauung kennenlernen konnten. Ihr Aktionsgebiet lag damals in den Ländern, die heutzutage als die Türkei, Syrien, Libanon, Jordanien, Israel und Ägypten bezeichnet werden. Auf Grund der diesen Ländern im Kapitel 2 gewidmeten Ausführungen glaube ich annehmen zu dürfen, daß die Windmühle bis auf den heutigen Tag im Libanon und in Jordanien nicht verwendet worden ist ; in Ägypten ist sie erst im 19. Jahrhundert aufgetreten; in bezug auf die Türkei ist das mir erreichbare Material ungenügend; aus Syrien und Israel dagegen sind uns Angaben über das Vorkommen von Windmühlen überliefert. Es handelt sich hier um eine Windmühle auf der Kreuzfahrerburg Crac des Chevaliers und um eine zweite, die zur Kreuzfahrerburg Sophet gehörte. In einem Aufsatz von VOWLES (10) steht eine Abbildung der zuerst genannten Mühle mit der Unterschrift „Templar mill near Antioch". Diese Zeichnung muß aber der Erfindungskunst eines phantasiereichen Geistes zugeschrieben werden. Der Director General of Antiquities in Damaskus schrieb mir in einem Brief vom 10. Mai 1960 u. a.: ,,Now, there is nothing known about the forms of those crusaders windmills because ever there traces are no more". DESCHAMPS (51, S. 152) zitiert Rey und bemerkt bezüglich eines Turmes der ersten Umwallung dieser Burg: „Rey a supposé que la tour 1 (Pl. X X X ) portant encore en arabe le nom de tour du moulin (Bordj-et-Tahouneh) avait dû, dès l'époque des Croisades, être surmontée d'un moulin à vent, et il la trouva surmontée d'une construction en ruines de 4 mètres de hauteur dont il ne reste aujourd' hui presque rien. Cette hypothèse d'un moulin à vent dans un chateau doit être acceptée . . .". In einer Anmerkung (51, S. 152, Anm. 1) verweist DESCHAMPS auf Pl. X X X I I I und sagt: ,,Οη distingue encore un élément de maçonnerie sur la plate-form de la tour". Aus dem Photobild kann ich dies aber nicht ablesen, und dies ist mir auch vor einigen Jahren nicht aufgefallen, als ich die Burg selbst besichtigt habe. In bezug auf die Kreuzfahrerburg von Sophet erwähnt DESCHAMPS (51, S. 152, Anm. 2) noch folgendes: „Une chronique du X H I e siècle qui décrit le château de Saphet en Palestine mentionne l'existence de moulins à vent à l'intérieur de ce chateau: 'Sunt etiam ibi duodecim molendina de acqua extra, et infra plurima de animalibus et de vento . . .'". Ich habe aber nicht entdecken können, welcher Chronik DESCHAMPS diesen Bericht entnommen hat. Auf Grund dieser Berichte könnte man also geneigt sein anzunehmen, daß es zur Zeit der Kreuzfahrer auf den Burgen Crac des Chevaliers und Sophet Windmühlen gegeben hat. Hinsichtlich des Crac des Chevaliers ist diese Vorstellung aber nur eine Hypothese, und was Sophet betrifft, so müßten wir erst die Chronik kennen, aus der dieser Bericht herstammen soll. Wir verfügen aber noch über den Bericht eines gewissen Ambroise, der am dritten Kreuzzug teilnahm, und zwar wahrscheinlich an der Expedition von Richard Löwen-
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herz (49, S. 363; 41, Vol. I I , S. 478, 479). P E R N O U D (49, S. 231) schreibt darüber: „Jeder strengte seinen Scharfsinn an. Um den Schwierigkeiten der Verpflegung zu begegnen, konstruierten die Kreuzfahrer an Ort und Stelle eine Windmühle, die erste, die in Syrien gebaut wurde; daher der Name 'türkische Windmühle', der in der Folge diesen neuen Mühlen gegeben wurde, die die Kraft des Windes ausnutzten. Ambroise erzählt von dem Schrecken der Araber vor dieser 'Maschine': Sie stellten her erstmalig da Die erste Windmühl, die man sah Jemals in Syrien erbaut, Befremdet hat sie angeschaut Das Volk, das Gott verdammen mag, in großer Furcht davor und zag". Aus diesem Zitat von Ambroise könnte man folgern, daß die Kreuzfahrer in Syrien (nämlich im heutigen Syrien, Libanon, Israel und Jordanien) die erste Windmühle errichteten, und daß die einheimische Bevölkerung eine solche Mühle nicht kannte. Selbstverständlich erhebt sich jetzt die Frage, woher diese Mühle stammte. Eine Schwierigkeit ergibt sich aus der Tatsache, daß vom Bau dieser ersten Windmühle in diesem Gebiet nichts bekannt ist. Wenn angenommen wird, daß diese Mühle um 1190 errichtet wurde, dann ist zu bedenken, daß damals nicht nur die Windmühle in Seistan bekannt war, sondern auch in der Normandie, dem Gebiet, aus dem viele Kreuzfahrer herstammten. Es muß also als nicht ausgeschlossen gelten, daß es unter den Technikern, die den Kreuzzug begleiteten, Leute gab, die die erste Windmühle in diesem Gebiet von der Normandie oder einem anderen Teil Europas aus in das Aktionsgebiet der Kreuzfahrer gebracht haben. An sich braucht dies gar noch nicht zu bedeuten, daß die erste Windmühle in West-Europa nicht eine Folge der Kreuzzüge hätte sein können. Da jedoch in dem Aktionsgebiet der Kreuzfahrer während des ersten und des zweiten Kreuzzuges keine Windmühlen vorkamen, muß man es als ausgeschlossen betrachten, daß aus dem Orient zurückkehrende Kreuzfahrer von dort eine Mühle hätten mitbringen können. Es sei hier beiläufig noch vermerkt, daß auch Ibn Jubayr, ein spanischer Moslim, der von 1183 bis 1185 über Ägypten eine Reise nach Mekka unternahm und von dort nach Bagdad, Mossul, Harran, Aleppo, Damaskus uns schließlich in den gegenwärtigen Libanon zog und der in seiner Reisebeschreibung eine sehr lebendige Darstellung alles dessen gibt, was er unterwegs sah und erlebte, mit keinem Wort Windmühlen erwähnt (52). Soll dennoch die Einführung der ersten Windmühle in West-Europa den Kreuzfahrern zugeschrieben werden, dann könnte diese Annahme nur so formuliert werden, daß die Kreuzfahrer im Orient die Nachricht vom Vorkommen von Windmühlen in einem viel weiter nach Osten gelegenen Gebiet erhalten und diese Vorstellung nach Europa herübergebracht haben. Man muß sich aber des Umstandes bewußt sein, daß zwischen dem Aktionsgebiet der Kreuzfahrer und Seistan, dem nächstgelegenen Gebiet mit Windmühlen eine Entfernung von mehr als 2000 km bestand. Diese Entfernung konnte von den Kreuzfahrern nicht überbrückt werden. Auf der Ebene des geistigen Verkehrs war dies aber möglich durch Beziehungen der Kreuzfahrer zu Menschen, die aus Persien stammten. Bei Runciman kann man lesen, wie die Kreuzfahrer, die im Heiligen Land blieben, mit den Moslem sehr intensive Beziehungen unterhielten (41, Vol. I, S. 257, 267 ; Vol. I I , S. 183, 227, 291-294, 319), und unter diesen Moslem befanden sich viele Perser. Selbst die Assassinen, unter denen es viele Perser gab, sind eine Zeitlang von den Kreuzfahrern beschützt worden. Es soll sogar geschehen sein, daß Kreuz-
Betrachtung der wichtigsten Theorien über Ursprung und Verbreitung 295 fahrer in Persien in Gefangenschaft gehalten wurden (41, Vol. II, S. 165, Anm. 1). Es gab also bestimmt die Möglichkeit, auf dem Weg dieser Beziehungen Kenntnis vom Vorkommen von Windmühlen in Seistan zu erhalten. Die nach dem ersten Kreuzzug im Heiligen Land verbliebenen Kreuzfahrer bildeten dort eine Minderheit und paßten eich ganz dem orientalischen Leben an. Manche sprachen nicht nur Arabisch, sondern befaßten sich auch mit der arabischen Literatur und machten sich mit arabischen Schriften vertraut. Es ist die Frage, ob eine Abhandlung wie die von Al-Mas'udi nicht auf diese Weise in die Hände solcher Kreuzfahrer gelangt ist. Hier hört aber die Reihe der tatsächlichen Gegebenheiten auf. Dennoch könnten wir uns fragen, aufweiche Art eventuelle Berichte über die seistanische Windmühle zu den Kreuzfahrern hätten gelangen können. Hiermit wird natürlich das Gebiet der reinen Spekulation betreten. Sofort stehen wir dann vor der Schwierigkeit, daß die seistanische Windmühle eine nicht-drehbare Mühle ist, die aus Stein oder getrocknetem Ton gebaut war und deren Flügel sich in der horizontalen Ebene drehten. Die erste Windmühle in West-Europa aber war aus Holz angefertigt, und ihre Flügel drehten sich in der vertikalen Ebene. Gerne lasse ich es hier noch dahingestellt sein, ob die letztgenannte Mühle nicht-drehbar oder drehbar war, da dies in diesem Zusammenhang kaum eine Rolle spielt. In ihrem inneren Getriebe hat die seistanische Mühle eine vertikale Welle. Auf der ältesten bekannten Zeichnung befinden sich an dieser vertikalen Welle unten die Flügel und oben die Mühlsteine. Diese Konstruktion der Windmühle war somit dem Bau der vertikalen Wasserradmühle ähnlich, wie diese in Seistan bekannt war. Es hat demnach den Anschein, als ob die Mühle der ältesten Zeichnung eine vertikale Waeserradmühle sei, die man aus dem Wasser gehoben hätte und die jetzt nicht mehr vom Wasser, sondern vom Wind in Bewegung gebracht werde. Es bleibt also die Möglichkeit bestehen, daß Techniker unter den Kreuzfahrern nach West-Europa die Idee gebracht haben, eine Konstruktion wie die der Waeserradmühle „in der Luft" zu errichten und diese Mühle durch den Wind bewegen zu lassen. Dies würde für West-Europa bedeuten, daß man hier „in der Luft" eine horizontale Wasserradmühle errichtet, so daß nimmehr daraus zwangsläufig eine vertikale Windmühle entstand. Es muß jedoch noch einmal wiederholt werden, daß meine Darstellung von der Überbringung der Idee einer Windmühle durch die Kreuzfahrer rein spekulativ ist, wie auch die Vorstellung der Form, in der dies hätte geschehen können. Dies wäre aber die einzige Möglichkeit, um die Kreuzfahrertheorie noch aufrechtzuerhalten. Sollte man diese Lösung ablehnen, dann müßte man wohl annehmen, daß die vertikale Windmühle sich in Europa selbständig entwickelt hat. In Anbetracht der vielen Lücken in unseren Kenntnissen, vor allem auf historischem Gebiet, möchte ich meinen, daß es noch verfrüht ist, über dieses Problem ein endgültiges Urteil aussprechen zu wollen. QUELLEN
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Betrachtung
der wichtigsten
Theorien über Ursprung
und
Verbreitung
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Y B E T R A C H T U N G E N ÜBER U R S P R U N G UND VERBREITUNG D E R W I N D M Ü H L E AUF G R U N D D E R V O R L I E G E N D E N UNTERSUCHUNG
In der Zeit um 947, als die älteste bekannte Windmühle erwähnt wird, waren schon Mühlen vorhanden, die von Menschen oder Tieren oder durch Wasserkraft angetrieben wurden. Die am frühesten bekannten Handmühlen in Süd-Europa stammen wenigstens aus dem 2. Jahrhundert vor Chr. (1, S. 132). Die von Tieren zum Drehen gebrachte Mühle datiert schon vom 5. Jahrhundert vor Chr. (1, S. 128). Die beiden Typen der Wasserradmühle werden zum ersten Mal im ersten Jahrhundert vor Chr. erwähnt (1, S. 134). Die Mühlen, die durch Handkraft oder mit Hilfe tierischer Kraft angetrieben wurden, waren nicht an eine bestimmte örtlichheit gebunden. Überall in der Welt, wo Menschen und die zu dieser Arbeit geeigneten Tiere lebten, konnten Mühlen dieser Art verwendet werden. Dies war nicht der Fall mit den Wasserradmühlen. Diese wurden ja durch Wasserläufe mit einem bestimmten Gefalle in Bewegung gebracht. Sie konnten also ihre Funktion nur in der Nähe solcher Gewässer und sonst nirgends erfüllen. Diese Mühlen waren infolgedessen an bestimmte Orte gebunden. Dieser Umstand wirkte sich dahin aus, daß man sich an allen Stellen, wo es solche Gewässer nicht gab, mit Mühlen begnügen mußte, die von Menschen oder von Tieren angetrieben wurden. Ich glaube ohne weiteres annehmen zu dürfen, daß das Mahlen mit Hilfe von Wasserkraft viel einfacher war, als wenn man dafür Menschen oder Tiere beanspruchen mußte. Daher ist es auch nicht erstaunlich, daß eine sich abseits von den Stellen mit Wasserkraft bietende Möglichkeit, Menschen- und Tiermühlen auf eine andere Weise zu ersetzen, als es durch die Wasserradmühlen geschah, mit beiden Händen ergriffen worden ist. Der Ersatz für die Menschen- und Tiermühlen an örtlichkeiten ohne Wasserkraft hat sich dann in der Form der Windmühle dargeboten. Es war nicht an erster Stelle das Volk, daß diese Gelegenheit mit beiden Händen ergriff. Es wurde schon erwähnt, daß in manchen Gebieten die Fürsten die Wasserradmühlen als einen ergiebigen Quell von Einkünften betrachteten, das Wasserrecht an sich rissen und die Bevölkerung in der Umgebung der Mühle verpflichteten, ihr Getreide auf dieser Mühle mahlen zu lassen. Sobald die Windmühle in einem Gebiet auftrat, wo keine Wasserkraft vorhanden war, nahm der Herr auch das Windrecht für sich in Anspruch und verbot gewöhnlich die weitere Verwendung von Menschen- undTiermühlen. In diesem Fall ergriff also der Herr mit beiden Händen die gebotene Gelegenheit, um auch auf diese Weise das Gebiet der Zwangsmühlen auszuweiten und dadurch seine Einkünfte zu erhöhen.
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Ursprung und Verbreitung der Windmühle auf Grund der Untersuchung
Dieses Interesse der Herren für die Erträge aus der Benutzung von Windmühlen in Gebieten, die außerhalb des Bereichs der Wasserradmühlen lagen, könnte wohl bei den Kreuzfahrern die treibende Kraft gewesen sein, die sie schon früh dazu veranlaßte, das Prinzip der Windmühle aus dem Orient nach West-Europa herüberzubringen. Die Windmühle war in einem viel geringeren Maße an eine bestimmte örtlichkeit gebunden als die Wasserradmühle. Überall, wo genügend Wind vorhanden war und wo Menschen wohnten, konnte eine Windmühle errichtet werden. Es muß hier aber der Nachdruck auf das Wort „konnte" gelegt werden. Der Bau einer Mühle hing nämlich davon ab, ob sich der Herr von deren Ertrag einen ausreichenden Vorteil versprechen konnte (vgl. Kapitel 2 den Abschnitt über Schweden). Mitunter spielten noch andere Faktoren eine Rolle, wie ζ. B. in Rom die ablehnende Haltung der Zunft in bezug auf die Einführung der Wasserradmühle (1, S. 136). Ich habe nirgends beobachten können, daß die Windmühlen die Chance hatten, Wasserradmühlen zu verdrängen. Soweit man diesem Punkt nachgehen kann, pflegte man überall die Wasserkraft zu bevorzugen. Den bemerkenswertesten Fall in dieser Hinsicht legt uns wohl die Schweiz vor. Dieses Land war stets reichlich mit Wasserkraft versehen. Es ist daher auch nicht erstaunlich, daß gerade die Schweiz die Windmühle kaum gekannt hat. Die wenigen Windmühlen, die dort errichtet wurden, haben sich nicht behaupten können. In Frankreich (Anjou), wo man Windmühlen in der Nähe von Wasserradmühlen errichtet hatte, gab man der Wasserkraft deutlich den Vorzug. In Portugal wurde unter den gleichen Verhältnissen der Betrieb der Windmühlen eingestellt, sobald es wieder genügend Wasser gab, um die Wasserradmühlen in Bewegung zu bringen. Auch auf den Azoren ist deutlich zu beobachten, daß man an den Stellen, wo eine genügende Wasserkraft vorhanden war, nicht auf die Windmühle zurückgriff. Dasselbe war in Persien und Afghanistan, glaube ich, die Regel. Bei gleichzeitigem Vorhandensein von Wind- und Wasserkraft wird deutlich diese letzte bevorzugt. Für die Leser, die daraus entnehmen möchten, daß es also ganz einfach sein muß, dem nachzugehen, wo in der Vergangenheit Windmühlen zu erwarten waren, glaube ich hier ein warnendes Wort einschalten zu sollen. Wenn wir von der Erfahrung ausgehen, daß die Wasserkraft bevorzugt wird, dann könnte man Windmühlen in allen Gebieten erwarten, wo die Wasserkraft ungenügend oder gar nicht vorhanden war und wo der Wind als Kraftquelle wohl ausreichte. Soweit ist alles in Ordnung. Sobald wir aber versuchen möchten, diese Gebiete auf Grund des gegenwärtigen Zustandes zu bestimmen, würden wir zweifellos auf eine falsche Spur geraten. Ein gutes Beispiel dafür finden wir in England, wo um 1823 eine bessere Dränierung des Bodens zur Folge hatte, daß die potentielle Wasserkraft im Lande um 50% zurückging. In Schweden hatte die Urbarmachung von Waldboden durch die damit verbundene Abholzung zur Folge, daß zugleich mit der Abnahme der Wasserkraft auch die Anzahl der Wasserradmühlen zurückgehen mußte. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß im Lauf der Zeit durch Entwaldung, Urbarmachung des Bodens, Abdämmen von Wasserläufen und Verbesserung der Dränierung zuguterletzt in der Wasserwirtschaft vieler Länder eingreifende Änderungen erfolgt sind, die die vorher vorhanden gewesene Wasserkraft stark eingeschränkt haben. In solchen Gebieten mußte nunmehr die vorher von Wasserradmühlen erfüllte Aufgabe von Windmühlen übernommen werden. Auch in Asien kennt man ähnliche Beispiele von Veränderungen in der Wasserwirtschaft, wie ζ. B. im Gebiet von Lob Noor. Hier aber war ein natürliches Ereignis die Ursache. Die Beispiele in Europa gehen dagegen zurück auf das Eingreifen der Menschen in die Natur. Ob und inwiefern es in Asien
Ursprung und Verbreitung der Windmühle auf Orund der Untersuchung 299 Beispiele davon gibt, daß sich derartige Eingriffe von Menschenhand auf die Verwendung von Windmühlen auswirkten, ist mir aber nicht bekannt. Auch der Wind blieb im Lauf der Jahrhunderte nicht konstant. Für dieses Moment möchte ich auf Kapitel 6 verweisen. Im Kapitel 2 hat sich herausgestellt, daß der älteste zuverlässige Bericht in bezug auf das Vorkommen von Windmühlen aus der Zeit um 947 datiert. Diese Windmühlen kamen im alten Seistan vor. Wie vorhin schon dargestellt wurde, glaube ich annehmen zu können, daß diese älteste Mühle zur Hauptklasse der horizontalen Windmühlen gehörte. Der älteste zuverlässige Nachweis vom Vorkommen einer vertikalen Windmühle stammt etwa aus dem Jahre 1180. Diese Mühle kam in der Normandie (Frankreich) vor. Wir nehmen wenigstens an, daß es sich um eine vertikale Windmühle handelte. Es ist nun wohl begreiflich, daß man nachträglich versucht hat, zwischen den Windmühlen in Seistan und denen in der Normandie einen Zusammenhang herzustellen. Aus Kapitel 4 ist bekannt, daß man vor allem die Kreuzfahrer und auch die Araber als die Verbreiter dieses Kulturelementes betrachtet hat. Soweit dieser Frage nachgegangen werden kann anhand der sehr spärlichen historischen Daten, hat es allem Anschein nach um das Jahr 1180 zwischen Seistan und der Normandie ein Gebiet ohne Windmühlen gegeben. An der Ostseite dieses möhlenlosen Gebietes kam die horizontale Windmühle vor, während an der Westseite dieses Gebiets die vertikale Windmühle bekannt war. Zwischen beiden Punkten bewegten sich die Kreuzfahrer und parallel mit der Richtung ihrer Züge bewegten sich die Araber bis nach Süd-Europa. Die Kreuzfahrer gelangten aber in östlicher Richtung nicht weiter als bis zur Ostküste des Mittelmeeres. An ihrer Ostflanke fanden sie auch dort wieder Araber vor. In Kapitel 4 wurde schon festgestellt, daß die Araber die Windmühle niemals als ein ihnen eigenes Kulturelement besessen haben. Es bleiben also als mögliche Verbreiter der Windmühle nur die Kreuzfahrer übrig. Falls sie die Windmühle ζ. B. durch Zeichnungen und Beschreibungen aus dem Orient nach Europa gebracht hätten, dann wären die ersten Windmühlen in Europa zweifellos auch horizontale Windmühlen gewesen. Dies ist offenbar nicht der Fall gewesen. Wae ist nun damals wirklich geschehen? Wir wissen es nicht. Soll dennoch zu dieser Frage etwas ausgesagt werden, so wird damit der Boden der Vermutungen betreten. Bevor ich mich daran wage, glaube ich, erst der Fragen nachgehen zu müssen, aufweiche Weise die erste Windmühle möglicherweise entstanden ist. Es ist bereits bekannt, daß sowohl die vertikale als auch die horizontale Wasserradmühle schon bekannt waren, bevor die erste Windmühle erfunden wurde. Betrachten wir nun auf den auf der nächsten Seite stehenden Skizzen zunächst die mit A bezeichnete Wasserradmühle, die auch in Asien bekannt war. Die schematische Darstellung Β der horizontalen Windmühle entspricht derjenigen, die wir auf der ältesten Zeichnung einer solchen Mühle bei Dimashqi vorfinden*. Die schematische Darstellung Β ist im wesentlichen gleichsam ein Duplikat der schematischen Darstellung A. Wie ich in Kapitel 2 im Abschnitt über Afghanistan schon bemerkte, hat es den Anschein, als ob man die vertikale Wasserradmühle (A) aus dem Wasser gehoben hätte, so daß nun nicht mehr das Wasser, sondern der Wind die Schöfbretter in Bewegung bringen mußte (B). Diese Zeichnung der Windmühle wurde zwischen 1256/7 und 1326/7 angefertigt. Man könnte darin einen Beweis erblicken, daß die horizontale Windmühle unmittelbar aus der vertikalen Wasserradmühle entstanden ist.
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Es ist nicht bekannt , ob alle horizontalen Windmühlen vor 1326/7 auf diese Weise konstruiert waren. Wohl aber darf angenommen werden, daß es wenigstens bis zu dieser Zeit solche Windmühlen gegeben hat. Ferner ist es nicht ausgeschlossen, daß das Prinzip, eine ähnlich wie die Wasserradmühle konstruierte Mühle „in der L u f t " zu bauen, um sie vom Wind bewegen zu lassen, aus dem Orient nach dem Westen herübergebracht wurde. Für einen Techniker muß es m. E. nicht schwer gewesen sein, ein Prinzip, wie das gegebene — sobald es ihm bekannt wurde —, in der Praxis auszuarbeiten. Es ist ganz gut möglich, daß es dieses Prinzip war, das ζ. B. von den Kreuzfahrern nach Europa herübergebracht wurde. Obwohl die vertikale Wasserradmühle (A) Spanien erreicht hat, ist sie doch in Frankreich nicht volkstümlich geworden. Hier kannte man, wie es scheint, die horizontale Wasserradmühle (D) schon seit dem 4. Jahrhundert. Es ist denn auch durchaus folgerichtig, daß in Frankreich die Anwendung des Prinzips der Wasserrad m ü hie in einem in der L u f t errichteten Bau zu jener Windmühle hätte führen müssen, die auf der Zeichnung E schematisch dargestellt ist. D und E sind nun auch wieder identisch. Es liegt hier aber die Schwierigkeit vor, daß uns dieser Typ E in West-Europa nicht bekannt ist. W A I L E S (2, S. 151) berichtet wohl etwas Ähnliches in bezug auf eine Bockmühle in Rußland (s. S. 177). Falls es diesen Typ E in der Tat in West-Europa unter den ersten Bockmühlen (oder den nicht-drehbaren Mühlen?) gegeben hat, darin war er im 13. Jahrhundert offenbar in West-Europa bereits verschwunden, da die ältesten Miniaturen schon zeigen, daß sich die Flügelwelle oberhalb der Mühlsteine befand. Es fällt zudem auf, daß der Typ C durch eine Drehung des Typs Β um 180° entstanden ist. Auch der Typ F weist im Vergleich zum Typ E eine Drehung um 180° auf. An sich scheint mir diese Drehung sowohl bei der horizontalen Windmühle wie auch bei der vertikalen Windmühle ein natürlicher Ausfluß der Tätigkeit des Müllers zu sein. Diese Tätigkeit spielte sich in der Hauptsache doch in der Nähe der Mühlsteine ab. Es ist
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denn auch durchaus begreiflich, daß der Müller versucht hat, diese Mühlsteine dem Erdboden möglichst nahe anzuordnen. Es will scheinen, daß auf die vertikale Windmühle außerdem noch Faktoren bautechnischer Art eingewirkt haben. Wollte man beim Typ E Flügel von einer ausreichenden Größe haben, um die Steine in Drehung versetzen zu können, dann mußte die Mühle sehr hoch gebaut werden, wodurch aber die Gefahr zunahm, daß die Mühle bei starkem Wind umgeworfen wurde. Wenn es vor der Zeit Dimashqis (1326/7) vielleicht auch schon Mühlen vom Typ C im Orient gegeben haben soll, dann scheint es mir auch ganz gut möglich zu sein, daß der Gedanke, eine „Wasserradmühle" in der Luft zu bauen, durch die Drehung um 180° noch weiter entwickelt wurde. In diesem Fall brauchte der Typ E nicht als Zwischenglied zu dienen. Daneben aber dürfen wir die Erwähnung des Typs E in Rußland nicht ohne weiteres unberücksichtigt lassen. Die horizontale Windmühle war aus der Natur der Sache eine nicht-drehbare Mühle, obwohl für einige Mühlen dieser Art der um einen Teil der Flügel versetzbare Schirm ein drehbares Element bedeutete. Welche Bewandtnis hat es eigentlich mit der vertikalen Windmühle? Die Tatsache, daß man aus dem Typ D die Typen E und (oder) F entwickelt, bietet noch keine Lösung für die Aufgabe, die vertikale Mühle gegen den Wind zu richten. Obwohl nicht-drehbare Mühlen existieren, ist es doch schwierig, in diesen Mühlen einen Prototyp für die Bockmühle zu erblicken. Ob es als Prototyp für die Bockmühle wohl eine nicht-drehbare Mühle gegeben hat oder nicht, liegt vollkommen im Dunkeln. Es ist also auch nicht bekannt, ob die vertikale Windmühle in West-Europa von Anfang an ihre drehbare Form gehabt hat. Im Vorstehenden wurde im Anschluß an E. Cicil Curwen „The Problem of early watermills", in Antiquity XVIII, 1944, S. 131, die Wasserradmühle Typ A in der Abbildung auf Seite 294 angegeben als „vertikale Wasserradmühle". Dies ist entgegengesetzt der Angaben für die Windmühlen Typ Β und Typ C. In bezug auf die geographische Verbreitung der horizontalen Windmühle verweise ich auf Kapitel 3 und Karte 1. Welche geschichtlichen Daten sind aber über diese Verbreitung vorhanden? Für eine Anzahl von Ländern, in denen die horizontale Windmühle vorkam, verfüge ich nicht über entsprechende historische Daten. Einige bekannte Jahreszahlen seien hier noch in chronologischer Folge angeführt: Asien: Europa:
Seistan China älteste Abb. (Deutschland) Deutschland Dänemark (Bornholm (Christiansen) England Ungarn Rußland (Krim) die Niederlande
um 947 um 1220 oder vor 1655 1545 1641 vor 1754 1799 1803 vor 1830 1857.
Wer hier auch die tibetanischen Wind-Gebetsmühlen einbeziehen möchte, würde feststellen, daß direkte geschichtliche Befunde fehlen. Auf indirekte Weise glaube ich schließen zu können, daß die Wind-Gebetsmühlen nach dem 9. Jahrhundert aufgetreten sind; wie lange nach dem 9. Jahrhundert, ist mir nicht bekannt. Es hängt aber gerade von dieser Zeitbestimmung ab, ob Tibet als Ursprungsland der horizontalen Windmühle in
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Anmerkung genommen werden kann oder nicht. Es ist natürlich vorstellbar, daß man zum ersten Mal in Tibet die Wassergebetsmühlen aus dem Wasser gehoben und Luftströmen ausgesetzt hat. In bezug auf diesen Punkt herrscht aber Dunkel. Solange in dieser Hinsicht genauere historische Daten nicht verfügbar sind, wird vorläufig angenommen werden, daß Seistan das Gebiet ist, wo die horizontale Windmühle entstanden ist, und daß sie sich von dorther jedenfalls als Windmühle für den Antrieb von Werkzeugen über verschiedene Länder verbreitet hat. In historischer Sicht könnte man auf Grund der spärlichen Nachweise die Verbreitung der Windmühle darstellen wie folgt: Von Seistan aus hat sie sich nach China (1220 oder vor 1655) und nach Europa verbreitet. In diesem Zusammenhang wird Dschingis-Khan als der Mann genannt, der als erster die Windmühle von persischen Mühlenbauern in China hat errichten lassen. Dabei muß man jedoch bedenken, daß Marco Polo (1254-1324), der 17 Jahre in China tätig war und herumreiste, nirgends von Windmühlen spricht. Jedenfalls kamen diese schon vor 1655 in China for. Die älteste Abbildung in Europa stammt aus dem Jahre 1545. (9, S. 29 ff.). In einer Veröffentlichung von W. H. Ryff, Nürnberg 1547, findet sich eine Abbildung einer ähnlichen Mühle. In Europa selber kann man die Verbreitung nicht genau verfolgen. Die älteste Abbildung einer wirklich erbauten horizontalen Windmühle datiert vom Jahre 1641 und bezieht sich auf eine Mühle in Deutschland. Von hier kam die Windmühle nacheinander nach Dänemark (vor 1754), England (1799), Ungarn (1803), Rußland (vor 1830) und nach den Niederlanden (1857). Sollten wir neben diesen wirklich erbauten Mühlen auch die Verbreitung der Vorstellung einer solchen Mühle in der Gestalt von Entwürfen, Anträgen auf Patentgewährung und Modellen in unsere Betrachtung aufnehmen wollen, dann hat deren Verbreitung von Deutschland aus nacheinander Italien (1563), Frankreich (1699), England (1724), die Niederlande (kurz nach 1724 von England aus), Dänemark (vor 1754), Ungarn (1803), Rußland (vor 1830) und Irland (1843) erreicht. Die erste Bedingung, um eine horizontale Windmühle in Bewegung zu bringen, ist ein sehr starker Wind. Diese Bedingung erfüllten die Verhältnisse in Seistan mit seinem berüchtigten Wind von 120 Tagen. Es wäre wohl möglich, daß die stärkste der vertikalen Windmühlen beim Drehen „durchgehen" würde, wenn sie einer solchen Windkraft ausgesetzt wäre. In China war ein möglicherweise etwas weniger starker Wind erforderlich als in Seistan, und zwar dank dem leichten Bambusmaterial, aus dem die Windmühlen gebaut, und dank der sinnvollen Art, wie ihre Segel angebracht waren. In Europa machten die horizontalen Windmühlen und die vertikalen Windmühlen einander Konkurrenz. Dabei stellte es sich heraus, daß die horizontale Windmühle ein geringeres Leistungsvermögen aufwies als die vertikale Windmühle oder bei gleicher Leistung eine viel höhere Investierung erforderte, und daß außerdem die Betriebskosten höher lagen. Dies wirkte bestimmt nicht als Ansporn zur Errichtung von horizontalen Windmühlen. Wohl haben sich eine Anzahl von Erfindern im 17., 18., aber vor allem im 19. Jahrhundert mit Entwürfen zu solchen Mühlen und mit dem Bau von entsprechenden Modellen befaßt. Die meisten aber gelangten nicht weiter. Diese Beschäftigung mit Entwürfen und Modellen macht auf mich den Eindruck einer intellektuellen Spielerei von Technikern. Es ist die Frage berechtigt, warum die vertikale Windmühle, wenn man von einer Ausstrahlung in die asiatische Türkei und West-Sibirien und dem inzidentellen Vorkommen einer Mühle in Indien absieht, sich nicht über Asien verbreitet hat. Nur was China betrifft, ist bekannt, daß dort 1726 eine Enzyklopädie erschien, in der u. a. vertikale
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Windmühlen aus Europa behandelt wurden. Die Jesuiten, die bei dieser Ausgabe mitwirkten, haben sich viel Mühe gegeben, um europäische Maschinen in China einzuführen, doch dies ist offenbar von den Chinesen (lies: vom chinesischen Kaiser) abgelehnt worden. Ich kann mir vorstellen, daß in Seistan der Wind für vertikale Mühlen zu stark war. Der Hauptgrund wird aber der gewesen sein, daß die vertikalen Windmühlen zu viel Arbeit verursachten. Tag und Nacht muß man, um die Flügel gegen den Wind gerichtet zu halten, auf die Windrichtung achten. Tag und Nacht muß man auf die Stärke des Windes aufmerksam sein, um die Segel zur richtigen Zeit zu reffen. Auch das innere Getriebe mit seinen Zahnrädern und Steigrädern erfordert eine fortwährende Aufmerksamkeit und große technische Kenntnisse in bezug auf die richtige Instandhaltung und die erforderlichen Reparaturen. Die horizontale Windmühle war im Betrieb und in bezug auf die Instandhaltung viel einfacher und entsprach dadurch besser den örtlichen Voraussetzungen in Asien. Vermutlich war die erste Funktion der horizontalen Windmühle das Mahlen von Getreide. Von der Zeit um 947 bis 1412 wird niemals eine andere Funktion als die des Mahlens von Getreide genannt. Erst 1412 wird das Heben von Wasser erwähnt (Afghanistan). In Europa wurde die horizontale Windmühle 1714 noch für das Sägen von Holz eingerichtet (Deutschland). Es ist mir nicht bekannt, ob diese Windmühle noch mehr Funktionen erfüllt hat. In Kapitel 3 wurde schon die Verbreitung der verschiedenen Klassen und Typen der horizontalen Windmühle erörtert. Der beinahe vollständige Mangel an geschichtlichen Daten macht es mir unmöglich, über die Verbreitungsrichtung dieser Klassen etwas Näheres auszusagen. Man muß sich aber vor der Aufstellung einer Entwicklungsreihe hüten, die von Mühlen ohne Windöffnungen zu solchen mit festen Windöffnungen und schließlich zu denen mit regulierbaren Windöffnungen führen soll. Man müßte in diesem Fall davon ausgehen, daß die Mühle ohne Windöffnungen die primitivste Form der horizontalen Windmühle ist. Ich bin jedoch der Ansicht, daß in den verschiedenen Ländern, in denen diese Hauptklasse von Windmühlen vorkam, eine weniger gelungene oder eine mehr gelungene Art der Anpassung an die lokalen Windverhältnisse erfolgt ist. Möglicherweise könnte eine gewissenhafte Untersuchung ergeben, daß die Windmühle ohne Windöffnungen in China mit ihren zu einem gewissen Grad drehbaren Segeln eine sehr gelungene Anpassung an das örtliche Windsystem gewesen ist, während die Mühle, wie sie in Dänemark vorkam (Bornholm und Christiansen) eine weniger gelungene Anpassung darstellte. Wir müßten in diesem Fall die Mühle in Dänemark im Vergleich zur Mühle derselben Klasse, die in China vorkommt, primitiv nennen. Auch die Mühle mit den nicht-drehbaren Windöffnungen in Afghanistan und Persien glaube ich als gelungene Anpassung an das örtliche Windsystem betrachten zu müssen. Das gleiche trifft ebenfalls auf die Klasse mit regulierbaren Windöffnungen zu. In bezug auf die geographische Verbreitung der Hauptklasse der vertikalen Windmühle verweise ich auf Kapitel 3 und die Karten 1 und 2 (ab. S. 269). In dieser Hauptklasse habe ich drei Klassen unterschieden, nämlich die Klasse der nicht-drehbaren Mühlen, die Klasse der Mühlen, deren ganzer Körper gedreht werden muß, um die Flügel gegen den Wind zu richten, und die Klasse der Mühlen, bei denen dies mit Hilfe einer drehbaren Haube geschieht. Mit den nicht-drehbaren Mühlen hat es eine eigentümliche Bewandtnis. Wären die nicht-drehbaren Mühlen Prototypen der Mühlen der Klasse, in der der ganze Mühlenkörper gedreht werden muß bzw. der Mühlen in der Klasse mit drehbarer Haube gewesen,
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auf Grund der
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dann ergäben sich selbstredend daraus bestimmte Folgen für die Aufstellung einer Typologie der Windmühlen. In diesem Fall hätte icli die Prototypen jeweils in die betreffenden Klassen aufgenommen. Sollte es außer diesen Prototypen noch andere nicht-drehbare Mühlen gegeben haben, dann müßte die Systematik im folgenden Sinn umgeändert werden (vgl. Kapitel 1).
HAUPTKLASSE Β
Klasse Klasse
I: II:
Klasse I I I :
128, 129 206; 166, 167; 150, 151
die nicht-drehbare Mühle die Mühle mit drehbarem Gehäuse: Prototyp Typ a Typ b Typ c Typ d die Mühle mit drehbarer Haube: Prototyp Typ a" Typ b Typ c Typ d.
Die geographische Verbreitung der nicht-drehbaren Mühlen u m f a ß t Frankreich* Österreich*, Jugoslawien* und Kreta*. Ich möchte aber deutlich zum Ausdruck bringen, daß für die Annahme, daß beiden Klassen von Windmühlen oder einer von beiden ein P r o t o t y p vorangegangen ist, kein einziger direkter Beleg anzuführen ist. Umgekehrt hat es m. E. wenig Sinn, anhand von Abbildungen von nicht-drehbaren Mühlen zu untersuchen, ob diese vielleicht Prototypen gewesen sein können. Dazu steht mir nur eine viel zu geringe Sammlung von Daten zur Verfügung. Von keiner einzigen dieser nicht-drehbaren Mühlen ist mir ζ. B. das Innenwerk bekannt. Hinsichtlich der Stellung dieser nicht-drehbaren Mühlen tappen wir also im Dunkeln. Das einzige, was ich hier noch glaube feststellen zu können, ist der Umstand, daß, falls eine nicht-drehbare Mühle der Prototyp war, für die Klasse der vertikalen Windmühlen mit drehbarem Gehäuse dieser Prototyp schon im 13. J a h r h u n d e r t durch die drehbare Bockmühle ersetzt worden ist. Dies geht nämlich aus den Miniaturen hervor (vgl. in Kapitel 2 den Abschnitt über England, S. 84 ff.). Solange uns in bezug auf die erwähnten Punkte eine befriedigende Auskunft noch fehlt, halte ich es für richtig, in einer Typologie alle nicht-drehbaren Mühlen einer eigenen Klasse zuzuordnen. Außerdem gibt es in bezug auf die nicht-drehbaren Mühlen keinen einzigen historischen Beleg. Für die geographische Verbreitung der Klasse der Mühlen mit drehbarem Gehäuse verweise ich auf Kapitel 3 (ab. S. 269) und die Karten 2 und 3. Diese Klasse gehört offenbar zum nordeuropäischen Raum. Der älteste Typ dieser Klasse ist die Bockmühle. Für die geographische Verbreitung verweise ich auf Kapitel 3 und Karte 3. Die Form dieses Mühlentyps und das Material, aus dem er gebaut ist, stempeln ihn zu einem charakteristischen Erzeugnis der mittelalterlichen Bautechnik in Nord-Europa.
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Betrachten wir die Karte 6, auf der die ältesten Daten in bezug auf das erste Auftreten der Bockmühle in verschiedenen Ländern verzeichnet sind, dann ersehen wir, daß es in den Verbreitungswegen keine Diskrepanzen gibt. Im wesentlichen werden wir uns also in historischer Hinsicht die Verbreitung so vorstellen können, wie sie auf dieser Karte dargestellt ist. Es ist aber auffallend, daß die Verbreitung von der Normandie aus sich an der Mündung der Loire totgelaufen hat. Dieser Punkt ist wichtig genug, um in diesem Kapitel bei der Erörterung des Mittelmeertyps noch einmal besprochen zu werden. In den Niederlanden wird ziemlich allgemein angenommen, daß sich die Bockmühle von Flandern aus nach den Niederlanden verbreitet hat. Dies entspricht der von mir gezeichneten Verbreitungslinie. In einer detaillierten Abhandlung sollte es sich aber empfehlen, auf Grund von Archivstudien im Gebiet zwischen Flandern und Haarlem (dem Standort der ersten Windmühle in den Niederlanden) zu untersuchen, ob nicht weitere Daten ans Licht gebracht werden können, um unser Wissen in dieser Hinsicht zu vertiefen. Dies trifft übrigens für jede Verbreitungslinie zu, nicht nur für die Bockmühle, sondern auch für alle anderen Mühlentypen. Wir wissen z. B. noch, daß in Finnland die Bockmühle 1585 im Südwesten des Landes vorkam und daß sich dieser Typ von dort aus nach Osten und Norden verbreitet hat. In einigen Ländern zeigt der Bockmühlentyp eine Abweichung von der gängigen Form und Struktur. In Jugoslawien haben wir ein sechsseitiges Prisma als Mühlengehäuse angetroffen (Abb. 168). Außerdem keimt dieses Land die Bockmühle, deren Flügel welle aus der Schnittlinie von zwei Flächen des Mühlengehäuses hinausragt*. Der folgende Typ in der Klasse der Mühlen, deren Körper gedreht wird, ist die Wippmühle oder Köchermühle. Für die geographische Verbreitung verweise ich auf Kapitel 3 und Karte 3. Daraus ersehen wir, daß das Verbreitungsgebiet dieses Mühlentyps von geringerer Ausdehnung als das der Bockmühle ist. Ich glaube, die Wippmühle als der Ergebnis einer folgerichtigen Entwicklung aus der Bockmühle betrachten zu müssen. Mit der Bockmühle wurde Getreide gemahlen. Hieraus entwickelte man eine Mühle für das Wegpumpen von überflüssigem Wasser, die als Wippmühle bezeichnet wird. In bezug auf die Wippmühle sind nur einige wenige historische Daten bekannt. Der älteste Bericht datiert aus dem Jahre 1414 und stammt aus den Niederlanden. Allem Anschein nach ist dieser Mühlentyp hier entwickelt worden, und dies ist in Zusammenhang mit den geographischen Verhältnissen in diesem Land nicht erstaunlich. Weitere historische Daten in dieser Hinsicht beziehen sich auf Belgien (17. Jahrhundert) Polen (1460-1487) und Schweden (vor dem 17. Jahrhundert). Es ist schwierig, anhand dieser wenigen Daten Verbreitungslinien anzugeben. Möglicherweise ist diese Armut an geschichtlichen Belegen zum Teil der Tatsache zuzuschreiben, daß man in der Forschung des öfteren zwischen diesem Mühlentyp und der Bockmühle keinen Unterschied macht. Ursprünglich war die Wippmühle für das Wegpumpen von überflüssigem Wasser bestimmt. Erst später wurde sie auf das Mahlen von Getreide und noch auf einige andere Funktionen umgestellt. Die Wippmühlen in den Niederlanden, Deutschland und Polen weisen in ihrer äußeren Erscheinungsform eine große Ähnlichkeit auf. Das obere Mühlengehäuse sieht wie eine kleine Bockmühle aus, während der Unterbau eine vierseitige Pyramide oder einen abgestumpften Kegel darstellt*. Die Wippmühlen in Schweden und Finnland haben eine eigene Form in dem Sinn, daß der Unterbau ein Prisma ist*. Frankreich
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(Noirmoutier ausgenommen) schließt sich einigermaßen dieser letzten Gruppe an, doch zeigt es andererseits auch wieder einen eigenen Charakter*. Die Wippmühlen in Belgien und in England scheinen ursprünglich (bis auf wenige Ausnahmen) Bockmühlen gewesen zu sein, die durch Anordnung auf einem zylinderförmigen Unterbau und durch eine Veränderung der Transmission die Merkmale einer Wippmühle erhielten*. Sie stellen demnach so etwas wie ein „Mittelding zwischen Bock- und Holländermühle" dar, wie GLEISBERG (5, S. 52) es ausdrückt. GLEISBEKG machte jedoch diese Bemerkung im Hinblick auf die holländische Form der Wippmühle. In dieser Hinsicht aber finde ich die Formulierung GLEISBERGS unbegründet. In Wirklichkeit müßte man von einem „Mittelding zwischen Bock- und zylindrischer Turmmühle" reden. Auch die Wippmühle in Russland hat ein zylinderförmiger Unterbau*. Der nächste Typ in der Klasse jener Mühlen, deren Gehäuse gedreht wird, ist die Paltrockmühle. Für deren geographische Verbreitung verweise ich auf Kapitel 3 und Karte 3. Wie daraus zu ersehen ist, hat dieser Typ nur eine sehr geringe Verbreitung gehabt. Der einzige mir bekannte historische Nachweis stammt aus den Niederlanden und ist mit zwei Gesuchen um die Gewährung einer Lizenz, einem aus 1592 und einem aus 1593, verbunden. Diese Gesuche bezogen sich eigentlich auf gewisse mit Windantrieb zu verwendende Werkzeuge zum Zersägen von Holz. Der Mühlentyp, der diese Triebkraft liefern sollte, war in Wirklichkeit sekundärer Bedeutung (vgl. Kapitel 2 in Abschnitt über die Niederlande, S. 135 ff.). Demgegenüber steht aber der Fall, daß sich in den Niederlanden neben den schon vorhandenen Mühlentypen ein neuer Typ entwickelt hat, der für das Sägen von Holz besondere Vorzüge aufwies. Diese Entwicklung erfolgte am Ende des 16. oder am Anfang des 17. Jahrhunderts. Die schwedische Paltrockmühle nähert sich in ihrer Hauptform noch am ehesten der niederländischen Paltrockmühle, nur fehlt der erstgenannten der geräumige Arbeitsboden. Die deutsche Paltrockmühle hat eher die Form einer Bockmühle, während die portugiesische Form und die Form auf den Azoren mit ihrem sechsseitigen Prisma erheblich von den anderen Formen abweicht. Außerdem kennen die Azoren auch die runde Form. Da in bezug auf diesen Typ nur ein annähernder geschichtlicher Beleg bekannt ist, ist es mir nicht möglich, in dem geringen Umfang dieses Gebiets ein Bild der historischen Verbreitung zu geben. Die Funktion der Paltrock-Mühle in den Niederlanden war das Sägen von Holz und in Portugal, auf den Azoren und Madeira das Mahlen von Getreide. Welche Funktionen diese Mühle in den übrigen Gebieten erfüllte, ist mir nicht bekannt. Wie im Kapitel 2 im Abschnitt über die Niederlande erörtert wurde, sind die ersten durch Windkraft angetriebenen Holzsägemühlen 1594 und 1598 auf einem Floß errichtet worden. Diese Vorrichtung scheint aber den Erwartungen nicht genügt zu haben, so daß späterhin in den Niederlanden niemals mehr von einer Floßmühle die Rede war. Auch sonstwo in der Welt werden solche Mühlen nie erwähnt. Der folgende Typ in der Klasse der Mühlen mit drehbarem Körper ist der Tjasker. Wie aus Kapitel 3 und Karte 3 ersichtlich ist, hat diese Mühle nur eine sehr geringe Verbreitung gekannt. Die einzige bekannte historische Tatsache, die hiermit in Zusammenhang steht, ist die 1598 erfolgte Erfindung der Schraubenköcher-Mühle. Da ohne die letztgenannte Mühle der Tjasker nur schwerlich denkbar ist, möchte ich aus diesem Umstand folgern, daß der Tjasker erst nach 1598 entwickelt worden ist. Er hat nur eine einzige Funktion gekannt, nämlich die WassTförderung über sehr geringe Pegelunterschiede.
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Die Verbreitungsdichte in den nördlichen und östlichen Niederlanden und die Tatsache, daß der Tjaeker außerhalb der Niederlande nur einmal, nämlich in Deutschland, erwähnt wird, dürften daraufhindeuten, daß auch diese Mühle eine niederländische Erfindung ist. Die weitere Klaase innerhalb der Hauptklasse der vertikalen Mühlen umfaßt die Mühlen mit drehbarer Haube. Wir könnten hier zwei Unterklassen unterscheiden, nämlich die der Mittelmeermühle und die der holländischen Mühle. Zur Unterklasse der Mittelmeermühlen gehören die zylindrische Turmmühle und die leicht-konische Turmmühle. In der Mühlenliteratur wird zwischen diesen Typen kein genügend scharfer Unterschied gemacht. In Erwartung von näheren Untersuchungen auf diesem Gebiet dürfte man m. E. diese beiden Typen vorläufig am besten als eine große Gruppe behandeln. Möglicherweise ist die zylindrische Turmmühle älter als die leichtkonische Turmmühle. Soweit man dieser Frage jetzt nachgehen kann, liegt der Schwerpunkt der leicht-konischen Turmmühle in West-Europa. Für die geographische Verbreitung der Unterklasse der Mittelmeermühle verweise ich auf Kapitel 3 (S. 269) und Karte 4. In bezug auf die Mittelmeermühle sind die mir zur Verfügung stehenden historischen Daten nur wenig zuverlässig. Der einzige Hinweis, den ich für zuverlässig halte, ergibt die Jahreszahl 1444 für das erste Auftreten der Mittelmeermühle im östlichen Teil der Niederlande. In Frankreich wird sie schon im 13. Jahrhundert erwähnt, doch ist es fraglich, ob der Beleg als zuverlässig gelten kann. Die Darstellung der Verbreitung der Bockmühle von der Normandie aus nach dem Süden hat gezeigt, daß diese Mühle sich an der Mündung der Loire totgelaufen hat. Dies muß schon relativ früh nach 1180 geschehen sein. Augenscheinlich gibt es keinen einzigen Grund dafür, daß die Verbreitung der Bockmühle an der Mündung der Loire aufhören sollte. Südlich dieser Mündung erstreckt sich weit nach Süden eine Küstenebene, auf der es im 12. Jahrhundert oder wenigstens relativ kurze Zeit nach 1180 den gleichen Bedarf an Windmühlen gegeben hat wie nördlich dieses Flusses. Es könnte aber möglich sein, daß die Bockmühle in dieser Gegend auf einen anderen Windmühlentyp gestoßen ist, der ihre im Rahmen der geltenden Herrenrechte schon festgelegt war und den Anforderungen völlig genügte. Wie gesagt, könnte sich dies relativ kurze Zeit nach 1180 zugetragen haben. In Spanien soll es um 1330 in dem damals christlichen Kastilien Windmühlen gegeben haben. Für Gallipoli in der europäischen Türkei kennen wir eine Federzeichnung mit Windmühlen aus dem Jahre 1420. Für Griechenland (Rhodos) stammt der erste zuverlässige Bericht aus dem Jahre 1389. Von diesen wenigen Daten ausgehend könnte man vielleicht annehmen, daß die Mittelmeermühle sich vom Westen Europas aus über Spanien nach dem nordöstlichen Becken des Mittelmeeres verbreitet hat. Dies ist aber höchstens eine Hypothese, die einer näheren Untersuchung und Fundierung bedarf. DIAS und seine Mitarbeiter (4), denen wir die bis jetzt umfangreichste Untersuchung über das Mühlenwesen in Portugal verdanken, sind der Meinung, daß eine genaue Zeitangabe für das erste Auftreten der Windmühle in diesem Land unbekannt ist, doch daß im Volksglauben Hinweise gefunden werden können dafür, daß die erste Windmühle in der Zeit zwischen 1261 und 1325 erschien. BARO J A nimmt an - doch nicht ohne zugleich in bezug auf diese Datierung zur Vorsicht zu mahnen - , daß diese
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