Wie aus der Kunstgeschichte eine Bildwissenschaft wurde: Aby Warburgs Graphien 9783050057880, 9783050045573

Mit Aby Warburg widmet sich der vorliegende Band dem Spiritus Rector einer Kunstgeschichte, die sich als Bildwissenschaf

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German Pages 297 [300] Year 2011

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Wie aus der Kunstgeschichte eine Bildwissenschaft wurde: Aby Warburgs Graphien
 9783050057880, 9783050045573

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Thomas Hensel Wie aus der Kunstgeschichte eine Bildwissenschaft wurde ABY

WARBURGS

GRAPHIEN

Thomas Hensel

Wie aus der Kunstgeschichte eine Bildwissenschaft wurde ABY

WARBURGS

aAkademie Verlag

GRAPHIEN

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. Abbildung auf dem Einband: Aby Warburg: Liste unterschiedlicher Reproduktionsmedien und der Häufigkeit ihres Vorkommens auf mehreren, für einen Vortrag zusammengestellten Bildertafeln, © The Warburg Institute, London.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-05-004557-3 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2011 www.akademie-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Mischka Dammaschke Einbandgestaltung: Petra Florath, Berlin Gesamtherstellung: Druckhaus »Th. Müntzer«, Bad Langensalza Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706.

Inhalt I.

E »von der Kunstgeschichte zur Wissenschaft vom Bilde«

II. I 1. Wissenschaftstheorie 19 2. Medienhistoriographie 26 3. Die Medialität der Kunstwissenschaft III. B 1. Prometheus und Francofurtia 2. »Telegraphierte Bilder« 78 3. Hertz’ Dipol 95

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IV. K 1. »Himmelskibet« 103 2. Ausdrucksbewegung und Bewegungsbild 118 3. Die Protokinematographie des Bilderatlas 127 V.

R 1. Archäologie des vergleichenden Sehens 143 2. Unter der Oberfläche des Bildes 149 3. »Dorchläuchting« 155

VI. A 1. Verzettelungen 163 2. Exstatische und epistemische Grapheme 3. Elektrisierende Metaphern 195

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VII. A »man lerne, taste sich weiter und kontrolliere« 215

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I A Dokumente 225 Abbildungsverzeichnis 249 Literaturverzeichnis 256 Filmverzeichnis 292 Personenregister 293 Dank 298

I. Einleitung

»von der Kunstgeschichte zur Wissenschaft vom Bilde«

In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich nicht nur in der Kunstwissenschaft ein veritabler Paradigmenwechsel vollzogen. Die von ihr und verwandten Disziplinen geprägten Termini »imagic turn«, »pictorial turn«, »iconic turn«, »optical turn«, »visual turn« und »visualistic turn« beschwören allesamt jene Wende in den Geisteswissenschaften, die eine Hinwendung von der mit dem »linguistic turn« einhergehenden Leitvorstellung der ›Kultur als Text‹ zu derjenigen einer ›Kultur als Bild‹ bezeichnet.1 Lassen sich die steten Neu- und Umformu1

Siehe zu den sechs Begriffen: F, Ferdinand: Symbolischer Pragmatismus. Hermeneutik nach Dilthey, Reinbek bei Hamburg 1991, S. 26; M, William J. T.: The Pictorial Turn, in: Artforum, March 1992, S. 89–94; B, Gottfried: Die Wiederkehr der Bilder, in: D. (Hrsg.), Was ist ein Bild?, München 1994, S. 11–38, hier: S. 13; A, Ingo: Wo bleibt das Positive? Komplexes Mischmasch. In Berlin stritt man um die Frage: Was ist linke Kunstkritik?, in: Kunstforum International 140, 1998, S. 470–472, hier: S. 472; R, Bernd: Visual Turn? Kulturgeschichte und die Bilder, in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für historische Sozialwissenschaft 29, 2003, S. 294–315; und D V, Angela (Hrsg.): The Visual Turn. Classical Film Theory and Art History, New Brunswick (New Jersey)/London 2003; S-H, Klaus: Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln 2003, S. 10; sowie . (Hrsg.): Bildtheorien. Anthropologische und kulturelle Grundlagen des Visualistic Turn, Frankfurt a. M. 2009. In der Kunstwissenschaft haben sich nur die Termini »iconic turn« und »pictorial turn« durchgesetzt. Deren semantische Differenzen betonen S, Sigrid: Vom Wunsch der Kunstgeschichte, Leitwissenschaft zu sein. Pirouetten im sogenannten »pictorial turn«, in: A, Juerg/I, Kornelia (Hrsg.): Horizonte – Beiträge zu Kunst und Kunstwissenschaft. 50 Jahre Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Ostfildern-Ruit 2001, S. 369–378, insbesondere: S. 372–376; sowie W, Gabriele: Nicht jede Wende zum Bildlichen meint das Gleiche. Zu den Konzepten von Gottfried Boehm und W. J. T. Mitchell – und eine unvermutete Begegnung mit der Medientheorie Friedrich Kittlers auf dem Feld (k)einer Bildtheorie, in: D, Bernhard J. (Hrsg.): Bild/Kritik, Berlin 2010, S. 13–43. Siehe auch B, Gottfried: Iconic Turn. Ein Brief, in: B, Hans (Hrsg.): Bilderfragen. Die Bildwissenschaften im Aufbruch (Bild und Text), München 2007, S. 27–36; sowie M, William J. T.: Pictorial Turn. Eine Antwort, in: B, Hans (Hrsg.): Bilderfragen. Die Bildwissenschaften im Aufbruch (Bild und Text), München 2007, S. 37–46. – Siehe hierzu H, Thomas/K, Andreas: Kunstwissenschaft exemplarisch: Die Berliner Museumsinsel, in: D. (Hrsg.): Einführung in die Kunstwissenschaft, Berlin 2005, S. 9–21, insbesondere: S. 9 f.; sowie zu einigen wissenschaftstheoretischen wie -politischen Implikationen jener Proklamationen mannigfaltigster »turns« B, Markus:

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I. E lierungen mehr oder minder ähnlicher Sachverhalte als Versuche diverser Fächer verstehen, für die je eigene Disziplin eine Leitrolle im Verstehen kulturprägender Bildwelten zu beanspruchen, sieht sich insbesondere die Kunstwissenschaft mit einer erstarkenden Konkurrenz jüngerer Fächer wie Visual Studies, Kultur- oder Medienwissenschaften konfrontiert, die ebenfalls auf ihrer bildwissenschaftlichen Kompetenz als einer maßgeblichen insistieren. So erstaunt es wenig, dass die Kunstwissenschaft nicht nur den ihr angestammten Gegenstandsbereich der Kunstbilder kontinuierlich erweitert, sondern sich auch so genannter nicht-künstlerischer Bilder wie technischer Zeichnungen oder wissenschaftlicher Diagramme anzunehmen begonnen hat. Konsequenterweise hat sich daraus eine Diskussion ergeben, inwieweit sich die Kunstwissenschaft als Kerndisziplin einer allgemeinen historischen Bildwissenschaft verstehen dürfe. Ohne die nicht zuletzt politisch motivierte Rede von einer »Leitrolle« oder »Kerndisziplin« überstrapazieren zu wollen, dürfte doch unbestreitbar sein, dass die Kunstwissenschaft auch und gerade eine Bildwissenschaft ist.2 Umstritten indes sind die jenem Diktum zugrunde liegenden konkreten Überlegungen, was genau ein Bild sei, welche Klassen von Bildern es gebe und welcher dieser Klassen sich die Kunstwissenschaft als Disziplin annehmen sollte.3 Mit Blick auf die Heterogenität des Bildbegriffs, der nicht nur Gattungs- und Mediengrenzen übersteigt, verwundert es nicht, dass es kaum eine wissenschaftliche Disziplin gibt, die nicht eine spezifische Kompetenz im Umgang mit ›Bild‹ für sich reklamiert. So adressiert die Kognitionswissenschaft mit der anschaulichen Vorstellung ein mentales Bild, die Linguistik mit der Metapher ein sprachliches Bild und die Philosophie mit dem Menschenbild ein ethisch-normatives Bild, um nur einige der Wissenschaften zu nennen, die sich verschiedenen Bildphänomenen widmen. Bezeichnet man schließlich materielle Bilder als Bilder im engeren Sinn, ragt unter den mannigfachen Bildwissenschaften in ihrer Bedeutung und Kompetenz die Kunstwissenschaft heraus, was ihr freimütig auch von anderen Bildwissenschaften konzediert wird: Neben der Philosophie besitze sie »die älteste und

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»I turned around and it was gone«. Ein Laborbericht aus immer wieder revolutionären Zeiten, in: H, Thomas/R, Hans Ulrich/R, Saskia/Z, Siegfried (Hrsg.): »immer wieder weiter«. Jahrbuch 2005/2006 für Künste und Apparate, Köln 2006, S. 72–85. Auch wenn vereinzelt noch versucht wird, nicht-künstlerische Bilder aus dem Kanon der Kunstwissenschaft auszuklammern, lassen starke Indizien doch auf ein weithinniges Verständnis von Kunstwissenschaft als Bildwissenschaft schließen. Davon zeugen die Stabilisierung eines dementsprechenden Kommunikationsnetzes mittels periodisch erscheinender sich explizit dem Bild zuwendender Fachzeitschriften, die Kanonisierung des Wissensgebietes durch Handbücher, Sondernummern in kunst- und kulturwissenschaftlichen Zeitschriften oder Ausstellungen, die Selbstrekrutierung in entsprechenden Forschungsverbünden und Netzwerken, an einschlägig (um)benannten Instituten und Seminaren oder die Einrichtung von Curricula und Professuren mit einer Denomination auch für Bildwissenschaft. Siehe dazu grundlegend B (Hrsg.): Was ist ein Bild?; S-H: Das Bild als kommunikatives Medium; sowie W, Lambert: Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes, Frankfurt a. M. 2005. Vgl. auch H, Thomas: Kunstwissenschaft als Bildwissenschaft, in: D./K: Einführung in die Kunstwissenschaft, S. 73–94.

I. E differenzierteste Tradition bildtheoretischen Nachdenkens«4. Selbige beruht im Wesentlichen auf dem historischen Tiefenwissen des Faches sowie auf einem speziell an Bildern und für Bilder entwickelten methodisch-analytischen Instrumentarium zur Deutung von Form und Inhalt. Gleichwohl muss eingeräumt werden, dass dieses Instrumentarium für ein Verständnis von Bildern und ihrer Wirkungsweise zwar notwendig, nicht aber hinreichend ist. Wenn gilt, dass die Voraussetzung für eine kohärente Analyse etwa eines Gemäldes seine visuelle Erfassung als bildliche Entität ist, dann wäre dieser optische Eindruck, als ein Resultat apperzeptiver, psychophysiologischer Prozesse, ohne die Erkenntnisse von Wahrnehmungspsychologie oder Neurobiologie nicht zu begreifen.5 Fragt man nach den Ursachen, die das Augenmerk der Kunstwissenschaft auch auf nicht-künstlerische – so genannte epistemische, wissenschaftliche, technische oder kulturfreie – Bildphänomene lenken,6 ist zum einen ein Visualisierungsschub innerhalb der exak4 5

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S-H: Das Bild als kommunikatives Medium, S. 17 f. Unter dieser Rücksicht kritisiert etwa R, Hans Ulrich: Singularität und Sittlichkeit. Die Kunst Aldo Walkers in bildrhetorischer und medienphilosophischer Perspektive, Würzburg 2004, S. 76 f., die gelegentlich proklamierte Zuständigkeit der Kunstwissenschaft für jedwedes Gebiet der Bildproduktion. Diese Bildphänomene stehen im Zentrum zahlreicher jüngerer Publikationen: Siehe L, Michael/W, Steve (Hrsg.): Representation in Scientific Practice, Cambridge (Mass.) 1988; B, Brian S. (Hrsg.): Picturing Knowledge. Historical and Philosophical Problems Concerning the Use of Art in Science, Toronto/Buffalo/London 1996; S, Jakob/W, Ulrich (Hrsg.): Bilder in der Philosophie & in anderen Künsten & Wissenschaften, Paderborn/München/ Wien/Zürich 1997; R, Hans-Jörg/H, Michael/W-S, Bettina (Hrsg.): Räume des Wissens. Repräsentation, Codierung, Spur, Berlin 1997; J, Caroline A./G, Peter (Hrsg.): Picturing Science – Producing Art, New York/London 1998; E, James: The Domain of Images, Ithaca/London 1999; H, Hans (Hrsg.): Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion. Studien zur Bildgeschichte von Naturwissenschaften und Technik vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Berlin 2000; H, Bettina/H, Jörg (Hrsg.): Mit dem Auge denken. Strategien der Sichtbarmachung in wissenschaftlichen und virtuellen Welten (Theorie : Gestaltung, Bd. 1), Zürich/Wien/New York 2001; F, Felice: Envisioning Science. The Design and Craft of the Science Image, Cambridge (Mass.)/London 2002; G, David/O, Barbara (Hrsg.): Ganz normale Bilder. Historische Beiträge zur visuellen Herstellung von Selbstverständlichkeiten (Interferenzen. Studien zur Kulturgeschichte der Technik, Bd. 2), Zürich 2002; G, Peter (Hrsg.): Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie, Frankfurt a. M. 2002; K, Martin: Bilderwissen. Die Anschaulichkeit naturwissenschaftlicher Phänomene (2000), Köln 2003; I, Stefan/S, Thomas (Hrsg.): science + fiction. Zwischen Nanowelt und globaler Kultur. Bilder und Texte, Berlin 2003; B, Horst/B, Matthias/W, Gabriele (Hrsg.): Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik, 2003 ff.; B, Hans Jürgen/B, Jörg/M, Helmut (Hrsg.): Neue Rundschau 114 (3), 2003 (»Bildkompetenzen«); M, Christa/B, Hubert (Hrsg.): Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder, Köln 2004; Z, Anja (Hrsg.): Sichtbarkeit und Medium. Austausch, Verknüpfung und Differenz naturwissenschaftlicher und ästhetischer Bildstrategien, Hamburg 2005; P, Gyula (Hrsg.): Bilder der Wissenschaft – Wissenschaft der Bilder, Rostock 2005; S-H, Klaus (Hrsg.): Bildwissenschaft zwischen Reflexion und Anwendung, Köln 2005; S-H, Klaus (Hrsg.): Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden, Frankfurt a. M. 2005; M, Stefan (Hrsg.): Bild-Zeichen. Perspektiven einer Wissenschaft vom Bild, München 2005; S, Martin:

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I. E ten Wissenschaften zu nennen. Zwar waren Bilder immer schon ein integraler Bestandteil naturwissenschaftlicher Forschung – man denke nur an Galileo Galileis Mondzeichnungen oder das zusammengesteckte Modell der DNA-Doppelhelix –, doch prägen neue Techniken der Sichtbarmachung verstärkt den wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Diskurs und zeugen von der gesteigerten gesellschaftlichen Relevanz jeglicher Visualisierungsleistung. Galten vor kurzer Zeit noch jene technischen Bilder im Unterschied zu künstlerischen als Werkzeuge oder Instrumente, die ihren Zweck außer sich selbst hätten und idealiter in einer »objektivierte[n] Relation zwischen Ursachen und Wirkungen als selbst-bestimmendes Merkmal«7 aufgingen, erscheinen solche Bestimmungen zunehmend als zumindest

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Ordnungen der Bilder. Eine Einführung in die Bildwissenschaft, München 2005; B, Andreas/ L, Markus (Hrsg.): Bild und Erkenntnis. Formen und Funktionen des Bildes in Wissenschaft und Technik, Aachen/München/Berlin 2005; M, Christa/B, Hubert (Hrsg.): Iconic Worlds. Neue Bilderwelten und Wissensräume, Köln 2006; Hß, Martina (Hrsg.): Konstruierte Sichtbarkeiten. Wissenschafts- und Technikbilder seit der Frühen Neuzeit, München 2006; H, Torsten/R, Gabriele (Hrsg.): Bilder. Ein (neues) Leitmedium?, Göttingen 2006; S, Willibald: Kunstgeschichte und Bildwissenschaft, in: F, Josef/M-G, Maria (Hrsg.): Ästhetik in metaphysikkritischen Zeiten. 100 Jahre ›Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft‹, Hamburg 2007, S. 93–108; W, Martin: Kunstgeschichte oder Bildwissenschaft?, in: F, Josef/M-G, Maria (Hrsg.): Ästhetik in metaphysikkritischen Zeiten. 100 Jahre ›Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft‹, Hamburg 2007, S. 109–116; B, Hans (Hrsg.): Bilderfragen. Die Bildwissenschaften im Aufbruch (Bild und Text), München 2007; M, Dieter/O, Michaela (Hrsg.): Kunst und Wissenschaft, München 2007; R, Ingeborg/S, Steffen/S, Achim (Hrsg.): Verwandte Bilder. Die Fragen der Bildwissenschaft, Berlin 2007; G, Alexander (Hrsg.): Konstruieren, Kommunizieren, Präsentieren. Bilder von Wissenschaft und Technik (Deutsches Museum, Abhandlungen und Berichte – Neue Folge, Bd. 23), Göttingen 2007; B, Horst/S, Birgit/D, Vera (Hrsg.): Das Technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder, Berlin 2008; B, Matthias: Das Bild. Theorie – Geschichte – Praxis (Akademie Studienbücher Kulturwissenschaften), Berlin 2009; A, Ralf/F, Jan/Hß, Martina/H, Jochen: Datenbilder. Zur digitalen Bildpraxis in den Naturwissenschaften, Bielefeld 2009; Hß, Martina/M, Dieter (Hrsg.): Logik des Bildlichen. Zur Kritik der ikonischen Vernunft (Metabasis, Bd. 2), Bielefeld 2009; Z, Anja: Ästhetik der Objektivität. Genese und Funktion eines wissenschaftlichen und künstlerischen Stils im 19. Jahrhundert (Studien zur visuellen Kultur, Bd. 10), Bielefeld 2009; G, Petra/L, Dirk (Hrsg.): Dopplereffekt. Bilder in Kunst und Wissenschaft, Köln 2010; B, Elize: Die Überwindung des Ikonischen. Kulturwissenschaftliche Perspektiven der Bildwissenschaft, Bielefeld 2010; N, Ulrich/W, Christoph (Hrsg.): In Bildern denken? Kognitive Potentiale von Visualisierung in Kunst und Wissenschaft (evidentia, Bd. 1), Paderborn 2010; sowie F, Gustav/L, Barbara: Einführung in die Bildwissenschaft. Bilder in der visuellen Kultur, Darmstadt 2010. R, Werner: Die Form der Technik und die Differenz der Medien. Auf dem Weg zu einer pragmatistischen Techniktheorie, in: D. (Hrsg.): Technik und Sozialtheorie (Theorie und Gesellschaft, Bd. 42), Frankfurt am Main/New York 1998, S. 293–326, hier: S. 307. Zum technischen Bild siehe W, Gabriele: Das technische Bild – aus ästhetischer Sicht betrachtet, in: H/H: Mit dem Auge denken, S. 367–382; S-H, Klaus: Bilder, technische, in: R, Alexander/S, Bernd (Hrsg.): Grundbegriffe der Medientheorie, Paderborn 2005, S. 37–44; B/S/D (Hrsg.): Das Technische Bild; sowie H,

I. E fragwürdig.8 Schon bei einem flüchtigen Blick auf einen gezeichneten Schädelschnitt von Leonardo da Vinci drängt sich die Frage auf, ob es sich hierbei um ein wissenschaftliches oder um ein künstlerisches Bild handelt. Selbst bei einem technischen Bild wie einem Schädelscan mittels Magnetresonanztomographie ist die Trennung von nicht-künstlerischem und Kunstbild unscharf in Anbetracht von nicht zuletzt ästhetischen Prinzipien gehorchenden Übersetzungsprozessen, die unanschauliche, digitalisierte Rohdaten mithilfe entsprechender Bildbearbeitungssoftware in dreidimensionale und farbcodierte Bilder transformieren. Insofern ist gerade die Kunstwissenschaft für ein Verstehen auch nicht-künstlerischer Bilder prädestiniert, als diese das Ideal wissenschaftlicher Objektivität nur näherungsweise erreichen und ausnahmslos auch ästhetisch codiert sind, sich mithin durch ein ästhetisches Surplus, einen jenseits bloßer Referentialität zu denkenden ikonischen Eigenwert auszeichnen.9 Neben dem Bilddruck der exakten Wissenschaften liegt ein anderer Beweggrund für die forcierte Erweiterung des Gegenstandsbereichs der Kunstwissenschaft in dem Wunsch begründet, bildwissenschaftliche Überlegungen aus der Frühzeit des Faches fortzuführen und anzureichern.10 Die Kunstwissenschaft – welche immer schon eine Bildwissenschaft gewesen ist11 – hat im Laufe ihrer Geschichte ein kritisches Methodenrepertoire zur Bestimmung und Deutung von Bildern entwickelt, das keineswegs nur auf das Verständnis historischer Phänomene der so genannten Hochkunst beschränkt ist. Zu Recht wird im-

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Thomas: Das Bild im Spannrahmen. In: Gegenworte. Hefte für den Disput über Wissen 20 (»Visualisierung oder Vision? Bilder (in) der Wissenschaft«), Herbst 2008, S. 36–39. Apostrophierte seitens der Kunstwissenschaft etwa Gottfried Boehm 2001 das wissenschaftliche Bild noch als ein »schwaches Bild«, bei dem ästhetische Kriterien wie Anspielungsreichtum, Metaphorizität, visuelle Dichte oder Selbstreferenz kaum im Spiel seien, verzichtet er in einem Wiederabdruck seines Beitrages aus dem Jahr 2007 auf ebendiese Kennzeichnung. Siehe B, Gottfried: Zwischen Auge und Hand. Bilder als Instrumente der Erkenntnis (1999), in: D.: Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens, 2. Aufl., Berlin 2008, S. 94–113; und .: Zwischen Auge und Hand. Bilder als Instrumente der Erkenntnis, in: H/H: Mit dem Auge denken, S. 43–54, hier: S. 52–54. Daraus folgt nicht, dass jegliche Unterscheidung zwischen Gebrauchs- und Kunstbildern, epistemischen und ästhetischen Praktiken hinfällig wäre. Eine solche Unterscheidung scheint aber markant unscharf zu sein und weniger auf ästhetischer, mehr auf funktionaler Ebene zu greifen. Zur Nicht-/Unterscheidbarkeit künstlerischer und nicht-künstlerischer Bilder siehe H, Thomas: Ratten im Paradies. Von ›Gebrauchsbildern‹ und ›Kunstbildern‹, in: kritische berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften 37 (4), 2009 (»Nicht-Künstlerische Bilder«), S. 15–24. Siehe unter anderem D, Michael: Schlagbilder. Zur politischen Ikonographie der Gegenwart, Frankfurt a. M. 1997; W, Martin: Beschreibung von Dienstverhältnissen. Nach der Legende vom Avantgarde-Künstler: Über die politischen Aufgaben der Kunstwissenschaft, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.07.1998, S. N6; B, Hans: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001; B, Horst: Bildwissenschaft, in: P, Ulrich (Hrsg.): Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Ideen, Methoden, Begriffe, Stuttgart/Weimar 2003; sowie K, Christiane: Positionen der Kunstwissenschaft als historische Bildwissenschaft, in: K, Jan/D, Mechthild/R, Jörg/H, Andreas (Hrsg.): Historische Kulturwissenschaften. Positionen, Praktiken und Perspektiven, Bielefeld 2010, S. 81–104. So gesehen bedarf es auch keiner Umbenennung von »Kunstwissenschaft« in »Bildwissenschaft«, über die gelegentlich diskutiert wird.

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I. E mer wieder betont, dass sich seit seinen Anfängen führende Vertreter des Faches wie Alois Riegl, Erwin Panofsky und insbesondere Aby Warburg auch und gerade mit Bildwerken beschäftigt haben, die zu ihrer Zeit als Erzeugnisse der Alltagskultur massenhaft produziert worden sind – eine Tradition, die in Deutschland infolge von Emigration um 1933 und das darauf folgende intellektuelle Vakuum zeitweilig in Vergessenheit geraten ist.12 Als spiritus rector einer historischen Bildwissenschaft, die den Hiatus zwischen ›High-‹ und ›Low-Art‹ zu überbrücken trachtete, reklamierte Warburg selbst für sich, »Bildhistoriker, kein Kunsthistoriker«13, zu sein, und in seiner kapitalen Abhandlung »Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten« aus dem Jahr 1920 konstatierte er für die Kunstgeschichte, »alles Bildschaffen [sei] in ihr Studiengebiet einbegriffen«14. Mit Aplomb sprach Warburg 1925 in einem Brief explizit von »unseren methodologischen Versuchen, von der Kunstgeschichte zur Wissenschaft vom Bilde fortzuschreiten«15. Und nur wenig später pries er »unsere Bemühungen auf dem Wege zur Bildwissenschaft«16. Vermutlich 12 Vgl. B, Horst: A Neglected Tradition? Art History as Bildwissenschaft, in: Critical Inquiry 29 (3), 2003, S. 418–428. 13 Tagebucheintragung Warburgs vom 12. Februar 1917, zitiert nach D, Michael: Warburg aus Briefen. Kommentare zu den Briefkopierbüchern der Jahre 1905–1918 (Schriften des Warburg-Archivs im Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg, Bd. 2), Weinheim 1991, S. 230 Anm. 142. 14 W, Aby: Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten (1920), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 2), Berlin 1998, S. 487–558 und 647–656, hier: S. 490. 15 Warburg Institute Archive (WIA), General Correspondence (GC), Aby Warburg an Moritz von Geiger, 17. November 1925. Warburg bittet in diesem Brief seinen Göttinger Kollegen Moritz von Geiger um die Einschätzung eines dort promovierten Wissenschaftlers, der Warburg um Erlaubnis gebeten hatte, an dessen Übungen teilnehmen zu dürfen – die Warburg wie zitiert charakterisiert. 16 WIA, GC, Aby Warburg an Hans Tietze, 4. Dezember 1925. Warburg bedankt sich in diesem Brief für die freundliche Vortragseinladung seines Mitarbeiters Fritz Saxl nach Wien und spricht eine Gegeneinladung aus. Zuvor hatte Tietze mit Saxl über Modalitäten von dessen Vortrag korrespondiert. So äußert er sich über Saxls Titelvorschlag »Die Bibliothek Warburg« positiv – »Als Thema würde ›Die Bibliothek Warburg‹ schon interessieren« –, wünscht sich aber aus Rücksichtnahme auf ein Laienpublikum, dass Saxl den Titel etwas popularisieren oder einen Untertitel hinzufügen möge, der den Inhalt des Vortrags ausdeute. WIA, GC, Hans Tietze an Fritz Saxl, 10. November 1925. Neun Tage später bedankt sich Tietze bei Saxl für die Bestätigung des Vortragstermins und repliziert den (Unter-)Titel (?), den Saxl ihm zwischenzeitlich genannt haben muss: »Ich freue mich sehr, dass Sie unsere Einladung angenommen haben und erwarte, dass Sie am 1. Dezember über Kunstgeschichte und Bildwissenschaft (mit Lichtbildern) sprechen werden«. WIA, GC, Hans Tietze an Fritz Saxl, 19. November 1925. – Der Umstand, dass innerhalb von nur drei Wochen aus Anlass zweier voneinander unabhängiger Ereignisse die Rede von einer »Wissenschaft vom Bilde« respektive einer »Bildwissenschaft« aufkommt, deutet darauf hin, dass Ende 1925, wenige Monate vor Einweihung der K.B.W. und im Zuge der intensiver werdenden

I. E das erste Mal fällt jener programmatische Begriff in seiner Sammlung »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (monistischen Kunstpsychologie)«; hier formulierte der erst Dreiundzwanzigjährige am 18. März 1890 die Idee einer »Wissenschaft von den Bildern«17. So nimmt es nicht wunder, dass Warburg auf einer Tafel seines Hauptwerks, dem »Bilderatlas Mnemosyne«, sein Denken in Bildern gar um die Umverpackung eines Abortpapiers18 herum komponierte. Mit der Weitsicht eines frühen Bildwissenschaftlers leitete er das sie schmückende Motiv einer geflügelten »Hausfee«, einen wehenden Streifen abgerollten Toilettenpapiers in ihren Händen haltend, typologisch und ikonographisch unter anderem von einer beflügelten, einen Kranz darreichenden Nike auf einem antiken Dekadrachmon aus Syrakus her (Abb. 1 und 2). In diesem Horizont sucht die vorliegende Studie jene Entwicklung zur Bildwissenschaft zu historisieren19 und widmet sich mit Aby Warburg einem exemplarischen Kunstund Bildwissenschaftler. Warburgs Kunstwissenschaft wurde zu einer Bildwissenschaft nicht nur durch die Ausweitung ihres Gegenstandsbereichs auf nicht-künstlerische Bilder, auf »Bild- und Wortquellen aller qualitativen Grade und medialen Formen«20, auf Lebensstile, Rituale oder habituelle Muster. Zu diesem Zweck sezierten Warburg und sein Umfeld in ständigen Papieroperationen alle erdenklichen Medien, um den Pathosformeln, jenem Warburg’schen Konstrukt, das die elementaren gestischen Ausdruckskonfigurationen menschlicher Existenzbewältigung zu fassen versuchte,21 ein Nachleben in den Datenban-

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Arbeit am Bilderatlas als der Summe seines Schaffens, Warburg und seine Mitarbeiter sich programmatisch Rechenschaft über die Fortentwicklung der Kunstgeschichte hin zu einer Bildwissenschaft ablegten. WIA, III.43.1.1. »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (monistischen Kunstpsychologie)«, Bd. 1: 1888–1895, S. 28 (Eintrag vom 18. März 1890). Als Titel der »Grundlegenden Bruchstücke« wird Warburg zwei Wochen vor seinem Tod vorschlagen: »Denkraumschöpfung als Kulturfunktion. Versuch einer Psychologie der menschlichen Orientierung auf universell bildgeschichtlicher Grundlage« [Hervorhebung T. H.]. W, Aby: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, mit Einträgen von Gertrud Bing und Fritz Saxl, hrsg. von M, Karen/S-G, Charlotte (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/ S, Salvatore/W, Martin, Siebte Abteilung, Bd. VII), Berlin 2001, S. 547 (Eintrag vom 11. Oktober 1929). WIA, III.131.6. »Astrology, etc., Modern Survivals. 39 newspaper cuttings and offprints«, no 23: Toilettenpapierbanderole. Ein erster Versuch liegt mit P, Jörg/K, Jost Philipp (Hrsg.): Ideengeschichte der Bildwissenschaft. Siebzehn Porträts, Frankfurt a. M. 2009, vor. B, Hartmut: Aby M. Warburg (1866–1929), in: M, Axel (Hrsg.): Klassiker der Religionswissenschaft. Von Friedrich Schleiermacher bis Mircea Eliade, München 1997, S. 133–156, hier: S. 140. Warburg prägte den Begriff der Pathosformel in seiner Schrift über »Dürer und die italienische Antike« aus dem Jahr 1905. Siehe W, Aby: Dürer und die italienische Antike (1905), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F,

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I. E

Abb. 1: Toilettenpapierbanderole

Abb. 2: Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »77«

I. E Abb. 3: Venus à la Giorgione mit »Ohropax-Geräuschschützern«

ken der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg (K.B.W.) zu sichern. Schlaglichtartig erhellt jene Operationen eine Zeitungsseite, auf der Gertrud Bing handschriftlich annotiert hat »cf. Giorgione Venus, Dresden« – Bezug nehmend auf das eine »OhropaxGeräuschschützer«-Werbung zierende Bild einer schlafenden Frau (Abb. 3).22 Vielmehr wurde die Kunstwissenschaft zu einer Bildwissenschaft, so die These, weil sie in ihrer Struktur wesentlich durch bildgebende Technologien geprägt wurde und infolgedessen grundlegende kunst- respektive bildwissenschaftliche Methoden hervorgebracht hat. Insofern gilt es Warburgs Formierung historischen Wissens auf technische Medien am Beginn des 20. Jahrhunderts zurückzuführen und einen Nachweis dafür Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 2), Berlin 1998, S. 443–449 und 623–625. Siehe auch W, Martin: Vier Stichworte: Ikonologie – Pathosformel – Polarität und Ausgleich – Schlagbilder und Bilderfahrzeuge, in: H, Werner/ S, Georg/W, Martin: Die Menschenrechte des Auges. Über Aby Warburg (Europäische Bibliothek, Bd. 1), Frankfurt a. M. 1980, S. 53–83, insbesondere: S. 61–68; R, Hanns Henning: Pathosformel, in: R, Joachim/G, Karlfried (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Völlig neubearbeitete Ausgabe des ›Wörterbuchs der philosophischen Begriffe‹ von Rudolf Eisler. Bd. 7: P–Q, Darmstadt 1989, Sp. 201–203; P, Ulrich: »Katharsis des Leidens«. Aby Warburgs »Pathosformeln« und ihre konzeptionellen Hintergründe in Rhetorik, Poetik und Tragödientheorie, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, Sonderheft 1999, hrsg. von G, Gerhart von (»Wege deutsch-jüdischen Denkens im 20. Jahrhundert«), S. 5–42; D.: »Pathosformeln« 1906–1933: Zur Theatralität starker Affekte nach Aby Warburg, in: F-L, Erika (Hrsg.): Theatralität und die Krisen der Repräsentation (Germanistische Symposien. Berichtsbände, Bd. XXII), Stuttgart/Weimar 2001, S. 226–251; D-H, Georges: L’image survivante. Histoire de l’art et temps des fantômes selon Aby Warburg, Paris 2002, S. 115–270; sowie P, Ulrich: Pathosformeln. Die Tragödie und die Geschichte exaltierter Affekte (1755–1888), Paderborn 2005. 22 WIA, III.131.6. »Astrology, etc., Modern Survivals. 39 newspaper cuttings and offprints«, no 33: S. 683 aus der Berliner Illustrierte Zeitung, Nr. 21 vom 29. Mai 1932 (?), mit handschriftlicher Notiz von Gertrud Bing.

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I. E zu erbringen, dass das methodologische Rückgrat und die geschichtstheoretische Reflexion der modernen Kunst- und Bildwissenschaft – wie sie unter anderem im vergleichenden Betrachten, analytischen Zerlegen oder in der Konstruktion historischer und genealogischer Narrative manifest werden – nicht zuletzt durch Medientechnologien formatiert worden sind. Spätestens seit Beginn der Neuedition seiner Gesammelten Schriften einschließlich des »Bilderatlas Mnemosyne« sowie der Tagebücher der K.B.W. hat die Beschäftigung mit der Bildtheorie Warburgs Konjunktur. Noch immer aber sind es primär die wenigen zur Veröffentlichung gebrachten Schriften Warburgs, die auch noch die allerjüngsten Forschungen bestimmen. Das ungleich größere Konvolut hingegen machen nicht publizierte Vorstudien, Entwürfe und Notate sowie die persönlichen Tagebücher und die oftmals programmatische, umfangreiche Korrespondenz aus. Auch ist die Bibliothek Warburgs – in London erhalten, bislang aber noch nicht durch ein Bestandsverzeichnis erschlossen – bis heute nur sporadisch in den Blick genommen worden. Wurde in jüngerer Vergangenheit bereits der Stellenwert erkannt, den Warburg Medien als Objekten seiner Historiographie beimaß, und jene bezeichnende Studie über »Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten« gar als »Beginn einer kritischen Mediengeschichte«23 apostrophiert, wird erst in jüngster Zeit die Signifikanz bemerkt, die Warburg Medien als Möglichkeitsbedingungen, zugespitzt formuliert: als Subjekten jener Historiographie selbst zuschrieb. Sind Warburg und seine Ikonologie in der Vergangenheit, maßgeblich infolge der intellektuellen Biographie Ernst Gombrichs,24 vor allem als logozentriert charakterisiert worden, zeichnet sich auf dieser Folie gegenwärtig eine Neubewertung seiner Erkenntnisleistungen ab.25 Dieser ist es um einen Warburg zu tun, der Bilder und deren Geschichte nicht nur in Begriffen analysierte, sondern auch in Bildern selbst; für den das Bild mithin nicht nur als ein Objekt der Erkenntnis fungierte, sondern auch als ein Medium derselben: »Es handelt sich um ein Denken in Bildern […] – nicht durch Metaphern oder sprachliche Äquivalenzen wohlgemerkt, sondern durch den Einsatz des Mediums selbst.«26 23 B, Horst/D, Michael: Vorwort zur Studienausgabe, in: W, Aby: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 1), Berlin 1998, S. 5–27, hier: S. 6. 24 Siehe G, Ernst H.: Aby Warburg. Eine intellektuelle Biographie (Europäische Bibliothek, Bd. 12) (1970), Hamburg 1992. 25 Siehe R, Hans Ulrich: Von Warburg ausgehend: Bildmysterien und Diskursordnung, in: Kunstforum International 114, 1991, S. 198–213; D-H: L’image survivante; sowie Z, Cornelia: Wissenschaft in Bildern. Symbol und dialektisches Bild in Aby Warburgs Mnemosyne-Atlas und Walter Benjamins Passagen-Werk (Studien aus dem Warburg-Haus, Bd. 8), Berlin 2004. 26 B, Andreas: Sprechen. Schreiben. Zeigen, in: Kunstforum International 139, 1997/98, S. 63– 68, hier: S. 67. Siehe auch R, Ulrich: In Bildern denken. Zu Ernst H. Gombrich, »Aby Warburg. Eine intellektuelle Biographie«. Frankfurt 1981, in: Freibeuter 12, 1982, S. 146–150.

I. E Vor diesem Hintergrund sucht die Arbeit konkret eine Antwort auf folgende Fragen: Wie hat sich Warburgs historischer Gegenstand über die Medien seiner Darstellung konstituiert? Welche Medien haben auf welche Weise Warburgs Datenraum und die Syntagmen seiner historiographischen Konstrukte organisiert und codiert? Wie also hat sich Warburgs Perzeption und Konstruktion historischer Prozesse in Wechselwirkung mit technischen Speicher-, Übertragungs- und Darstellungsmedien formiert und transformiert? Erkenntnisleitende Hypothese der Untersuchung ist es, dass Warburgs Konzept- und Begriffsbildung, sein Geschichtsbild und sein ›Denken in Bildern‹ in ihrer Struktur unter anderem durch die technischen Bildgebungs- und -übertragungsverfahren Bildtelegraphie, Kinematographie und Röntgenographie modelliert wurden und die Materialität dieser unterschiedlichen Aufzeichnungsmedien oder ›Graphien‹ tief in seine historiographischen und epistemologischen Entwürfe hineinreicht. Mit Bildtelegraphie, Kinematographie und Röntgenographie bieten sich kardinale und zur Zeit Warburgs intensiv diskutierte Technologien des Bildes als Untersuchungsgegenstände an. Es gilt zu zeigen, dass Warburg nicht nur in seiner Metaphorik einem zeitgenössischen Energiediskurs folgte, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch die Geistes- und Kulturwissenschaften erobert hat; vielmehr installierten um 1900 technische Bildgebungsund -übertragungsverfahren und deren apparative Dimensionen ein Dispositiv27, an dem entlang Natur- und Geisteswissenschaften ihre Fragen an Natur und Kultur neu entwickelten, und Warburgs Konstruktionen des Historischen scheinen sich maßgeblich an deren Schaltungen und Apparaturen orientiert zu haben. Die Bildtelegraphie, die elektrische Übertragung eines Bildes über einen Draht- oder Funkkanal, findet in Aufzeichnungen Warburgs mehrfach Erwähnung. Gerade sie weist strukturelle Gemeinsamkeiten mit Warburgs Theoremen einer Bildübertragung auf, wie sie sich mustergültig vor allem in seinen Bilderatlas eingeschrieben finden (Kap. III). Dessen Disposition dachte Warburg wesentlich als eine protokinematographische. Aus dem Nachweis synthetischer und analytischer Gestaltungspraktiken, um nicht zu sagen: filmischer Montage- und Schnitttechniken, resultiert ein Verständnis des Bilderatlas als ein protokinematographisches Arrangement, das zentrale Strukturmerkmale und Gestaltungsmittel des Mediums Film adaptiert (Kap. IV). Die Röntgenographie war eine weitere für Warburg relevante Bildpraxis, die ihn an die Tätigkeit eines ausgrabenden Archäologen erinnerte, als den sich Warburg zeit seines Lebens verstand. Unaufhörlich verschiedene Strata der Kultur- und Psychohistorie freilegend, war ihm die Archäologie zu einer wichtigen Methode und einem maßgeblichen Modell seines Bilderdenkens geworden (Kap. V). An der Seite dieser drei technischen Graphien, deren epistemologische Anverwandlungen Hand in Hand mit einem besonderen Interesse Warburgs an zeitgenössischen Technologien oder an konkreten Filmen gingen, steht eine vierte, im weiteren Wortsinn ›technische‹ Graphie: Warburgs Autographie. Auch diese, manifest 27 Unter »Dispositiv« soll im Folgenden ein Ensemble gesellschaftlicher Diskurse, Praktiken und Apparaturen verstanden werden, welches das Erkenntnis- und Kommunikationsraster einer Epoche prägt. Verschiedene Theorien des Dispositivs führt A, Giorgio: Was ist ein Dispositiv? (2006), Zürich/Berlin 2008, zusammen.

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I. E etwa in der Reflexion ausgesuchter Bleistiftqualitäten oder der Idiosynkrasie von Verzettelungs- und Notationsgesten, strukturierte das Kontinuum historischer Erfahrung in distinkte, handhabbare Einheiten und richtete die Datenkonvolute des Kunst- und Bildwissenschaftlers erst eigentlich zu einer Historiographie zu (Kap. VI). Ziel der Untersuchung ist der Nachweis, dass die genannten Medien, am Beispiel Warburgs verhandelt, kunst- und bildwissenschaftliches Denken strukturell formiert haben – wobei weniger explizite Einflüsse denn aufschlussreiche Korrespondenzen im Sinne einer »›Vertikalisierung‹ der Wissenschaftsgeschichte«28 freigelegt werden sollen, einer Wissenschaftsgeschichte also, der es um Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Disziplinen, um die Wanderung von Fragestellungen und Methoden durch Disziplinenfelder oder die Emigration von Theorien in andere kulturelle Kontexte hinein zu tun ist, ohne gegebene Unterschiede durch überzogene Analogisierungen verwischen zu wollen. Jenem Untersuchungsziel sekundieren Überlegungen der Wissenschaftstheorie und der Medienhistoriographie. Erstgenannte richtet in jüngster Zeit ihr Augenmerk verstärkt auf die materielle, das heißt experimentelle und apparative Seite des Forschungsprozesses und wendet sich damit den komplexen Bedingungen der Konstruktion seiner Gegenstände und Phänomene zu. Unter ähnlichen Vorzeichen und inspiriert durch die Akteur-Netzwerk-Theorie diskutiert zweitgenannte, inwieweit soziokulturelle Praktiken auch durch technische Apparaturen determiniert sind – ohne dabei indessen in einen harten Technikdeterminismus zu verfallen (Kap. II). Somit steht am Anfang dieser Studie der Versuch, der Kunstwissenschaft Impulse aus benachbarten Wissensgebieten zu geben – damit mag sie, über das genannte Ziel hinaus, auch als ein Kommentar zu jenen wissenschaftsphilosophischen und medientheoretischen Grundsatzfragen gelesen werden können. Demgegenüber findet sich an ihrem Schluss nur der bescheidene Wunsch, jene Denkanstöße weiträumiger zu verfolgen, als dies in der Beschränkung der vorliegenden Untersuchung gelingen kann (Kap. VII). Mit Andeutungen auch magischer, nicht-mathematischer Aspekte der verhandelten Graphien soll schließlich dafür sensibilisiert werden, dass die vorliegende Arbeit nur einige wenige Winkel in Warburgs »Laboratorium« auszuleuchten vermag, und etliche weitere Funde noch zu bergen sind.

28 L, Wolf: Vergangenheit und Zukunft der Wissenschaftsgeschichte – Das Werk Gaston Bachelards, in: B, Gaston: Die Bildung des wissenschaftlichen Geistes – Beitrag zu einer Psychoanalyse der objektiven Erkenntnis (1938), Frankfurt am Main 1987, S. 7–34, hier: S. 30.

II. Innervationen 1. Wissenschaftstheorie Mit Blick auf ihr Verhandeln von Theoriebildung und experimenteller Praxis vor allem in den Naturwissenschaften hat die Wissenschaftstheorie in den letzten Jahren eine grundsätzliche Neuorientierung erfahren, die mit einflussreichen Büchern wie »Laboratory Life« und »Science in Action«1 ihre Losung und Programmatik gefunden hat. Der Tradition galt das Experiment als das bloß ausführende Organ der Theorie bei der Prüfung und Rechtfertigung ihrer auf anderen Wegen gewonnenen Einsichten und in diesem Kontext etwa der Instrumentenbau als eine Art nachgeordnete Bastlertätigkeit ohne jedwede philosophische oder epistemologische Relevanz.2 Dem hielt der Wissenschaftstheoretiker Ian Hacking seine berühmt gewordene Maxime »Experimentation has a life of its own«3 entgegen, die zu einer angemesseneren Würdigung der faktischen Bedeutung und Eigendynamik von Experimentalprozessen in der Wissenschaftspraxis anhalten sollte. Dieser Ansatz, der unter den Schlagwörtern »new experimentalism« und »procedural turn« firmiert,4 zeichnet sich durch eine stärkere Betonung der prozeduralen, handlungsbe1 2

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Siehe L, Bruno/W, Steve: Laboratory Life. The Construction of Scientific Facts (1979), 2. Aufl., Princeton 1986; L, Bruno: Science in Action. How to follow Scientists and Engineers through Society, Cambridge (Mass.) 1987. Eine Skizze jener theoriefokussierten Modelle der Wissenschaftsentwicklung und der Gründe für das Abgehen von ihnen gibt L, Timothy: Practice, Reason, Context: The Dialogue between Theory and Experiment, in: D./E, Yehuda (Hrsg.): Science in Context 2 (1), 1988 (»Practice, Context, and the Dialogue between Theory and Experiment«), S. 3–22. Siehe auch G, Peter: History, Philosophy, and the Central Metaphor, in: L/E (Hrsg.): Science in Context, S. 197–212, hier: S. 207 f.; und die übrigen Aufsätze in L/E (Hrsg.): Science in Context; sowie den Überblick von H, Klaus: Historiographische Anmerkungen zum Verhältnis von Experiment, Instrumentation und Theorie, in: M, Christoph (Hrsg.): Instrument – Experiment. Historische Studien, Berlin/Diepholz 2000, S. 13–51. H, Ian: Representing and Intervening. Introductory Topics in the Philosophy of Natural Science, Cambridge/New York/Oakleigh 1983, S. 150 sowie S. xiii, wo die Maxime ergänzt wird: »interacting with speculation, calculation, model building, invention and technology in numerous ways«. Siehe A, Robert: The New Experimentalism, in: The British Journal for the Philosophy of Science 40, 1989, S. 185–190; und G, David: The Procedural Turn; or, Why Do Thought

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II. I zogenen Aspekte des Experimentierens aus, die an die Stelle einer Rede von der Theoriebeladenheit der Praxis die These einer Praxisbeladenheit der Theorie treten lässt.5 Im Zuge dieser »›praktische[n] Wende‹«6 wird der epistemologische Status des Experiments, vor allem hinsichtlich der Frage, wie in einem Experiment Daten und Fakten produziert werden, reflektiert. Das Experiment(ieren) wird als ein vielschichtiger, offener Prozess begriffen, der Phänomene im Labor präpariert und erst eigentlich generiert. Indem es Daten erhebe, so Hacking, erzeuge das Experiment allererst jene Realitäten, auf welche die Diskurse, die sich seiner bedienen, referierten: »To experiment is to create, produce, refine, and stabilize phenomena.«7 Demgemäß gilt es, das Augenmerk verstärkt auf die experimentelle und apparative Seite des Forschungsprozesses zu richten und sich damit den materiellen Bedingungen der Wissensproduktion zuzuwenden.8 Zu diesen zählen auch weitgreifende kulturelle Kompetenzen wie das für die Instrumentenherstellung benötigte handwerkliche Können9 oder die Buchhaltungstechniken bei der Verwaltung einer Naturaliensammlung. Tatsächlich sind diese ›skills‹ und Praktiken der Aufmerksamkeit nur in Ansätzen erforscht, und da sie in der Regel zu tief internalisiert sind, um überhaupt einen Kommentar zu zeitigen, können Fragen nach ihnen nur tentativ beantwortet werden. In diesem Sinne betreibt die Wissenschaftssoziologie seit Ende der 1970er Jahre im Rahmen der Mikrosoziologie intensiv so genannte Laborstudien, in denen mit Notizblock, Kamera und Aufnahmegerät ausgerüstete

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Experiments Work?, in: G, Ronald N.: Cognitive Models of Science (Minnesota Studies in the Philosophy of Science, Bd. XV), Minneapolis (Minn.) 1992, S. 45–76. Zur »practice-ladenness of theory« siehe G, David: Experiment and the Making of Meaning. Human Agency in Scientific Observation and Experiment (Science and Philosophy, Bd. 5), Dordrecht/Boston/London 1990, S. 13. – Zu Recht weist Hentschel darauf hin, dass jedes Modell eines Wechselspiels von ›Theorie‹ und ›Praxis‹ an Parametern wie Labortraditionen oder dem sozialen Kontext der Forschergemeinschaft entlang ausdifferenziert werden muss. Siehe H: Historiographische Anmerkungen zum Verhältnis von Experiment, Instrumentation und Theorie, S. 21–24. R, Hans-Jörg/H, Michael: Experimentalsysteme, in: D. (Hrsg.), Die Experimentalisierung des Lebens. Experimentalsysteme in den biologischen Wissenschaften 1850/1950, Berlin 1993, S. 7–27, hier: S. 7. H: Representing and Intervening, S. 230. Die jüngste Akzentuierung der Materialität der Forschung äußert sich hauptsächlich in Untersuchungen zum wissenschaftlichen Instrument(gebrauch). Siehe beispielsweise H, Albert van/H, Thomas L. (Hrsg.): Osiris. A Research Journal devoted to the History of Science and its Cultural Influence 9, 1994 (»Instruments«); H, Thomas L./S, Robert J. (Hrsg.): Instruments and the Imagination, Princeton 1995; M, Christoph (Hrsg.): Instrument – Experiment. Historische Studien, Berlin/Diepholz 2000; B, Davis: Thing Knowledge. A Philosophy of Scientific Instruments, Berkeley/Los Angeles/London 2004; sowie S, Helmar/S, Ludger/L, Jan (Hrsg.): Instrumente in Kunst und Wissenschaft. Zur Architektonik kultureller Grenzen im 17. Jahrhundert (Theatrum Scientiarum, Bd. 2), Berlin/New York 2006. Siehe S, Richard: Handwerk (2008), Berlin 2008.

. W Beobachter über Monate hinweg ethnologisch die Alltagsarbeit in Forschungslaboratorien zum Beispiel der Molekularbiologie oder Hochenergiephysik aufzeichnen.10 Mit dem wissenschaftlichen Labor widmen sich diese Studien nicht nur dem physischen Ort, an dem Experimente durchgeführt werden. Laboratorien können im Weiteren mit der Idee einer »Rekonfiguration natürlicher und sozialer Ordnungen und ihrer Relation zueinander«11 verbunden werden, aus der epistemischer Gewinn gezogen werden kann. Dieser Gewinn resultiert aus einer Modellierbarkeit der Untersuchungsobjekte, ihres Zeichens in der Regel Naturobjekte – oder, wie in unserem Zusammenhang versuchsweise zu denken wäre, kulturelle Artefakte. Laboratorien haben ihr Fundament in der Vorstellung, dass Objekte keine festen Entitäten darstellen, die entweder so, wie sie sind, genommen werden oder sich selbst überlassen bleiben müssen. De facto wird in Laboratorien nur sehr selten mit naturbelassenen Objekten experimentiert; man arbeitet vielmehr »mit Objektzeichen, mit ihren physiologischen, chemischen, elektrischen u. a. Komponenten, mit ihren Extrakten und ›gereinigten‹ Versionen«12. Karin Knorr Cetina unterscheidet mindestens drei Aspekte von Naturobjekten, mit denen sich eine Laborwissenschaft nicht abfinden muss: »Erstens muss sie die Objekte nicht so nehmen, wie sie sind, sondern kann für diese eine Vielzahl partieller und transformierter Versionen substituieren. Zweitens muss eine Laborwissenschaft einem Naturobjekt nicht dort entgegentreten, wo es ist – verankert in seiner natürlichen Umwelt. Laborwissenschaften transferieren Objekte ›ins Haus‹ und manipulieren sie unter ihren eigenen Bedingungen im Labor. Drittens muss eine Laborwissenschaft sich mit einem Ereignis nicht dann beschäftigen, wann es passiert. Sie kann sich über natürliche Zyklen des Auftretens hinwegsetzen und Ereignisse in ausreichender Häufigkeit für kontinuierliche Untersuchungen hervorbringen.«13 Zur Veranschaulichung ihrer Überlegungen führt Knorr Cetina die Astronomie an.14 In herkömmlichen Definitionen firmiert diese als eine klassische »Feld«-Wissenschaft, der es nicht möglich sei, ihre planetaren und interstellaren Untersuchungsobjekte aus ihrer ursprünglichen Umwelt zu lösen. In der Tat hat sich die Astronomie lange Zeit auf die Beobachtung des Nachthimmels, seit Galilei mit dem Teleskop, beschränkt. Seit mehr als einhundert Jahren allerdings bedient sie sich zusätzlich eines Aufzeichnungsinstruments, 10 Siehe beispielsweise L/W: Laboratory Life; L, Bruno: Der »Pedologen-Faden« von Boa Vista – eine photo-philosophische Montage, in: D.: Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers der Wissenschaften (1993), Berlin 1996, S. 191–248; sowie K C, Karin: Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie der Naturwissenschaft (1981), 2., erweiterte Aufl., Frankfurt a. M. 2002. Mittlerweile ebenfalls als klassisch geltende Untersuchungen, die sich zum einen der Proteinbiosynthese, zum anderen dem genetischen Code widmen, sind R, Hans-Jörg: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. Eine Geschichte der Proteinsynthese im Reagenzglas (Wissenschaftsgeschichte) (1997), 2. Aufl., Göttingen 2002; und K, Lily E.: Das Buch des Lebens. Wer schrieb den genetischen Code? (2000), Frankfurt a. M. 2005. 11 K C, Karin: Wissenskulturen. Ein Vergleich naturwissenschaftlicher Wissensformen (1999), Frankfurt a. M. 2002, S. 45. 12 K C: Wissenskulturen, S. 45 f. 13 K C: Wissenskulturen, S. 46. 14 Siehe K C: Wissenskulturen, S. 46 f.

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II. I der photographischen Platte, mit deren Hilfe sie Photonen registriert und analysiert. Die Astronomie wurde damit »von einer Wissenschaft, die Naturphänomene beobachtet, zu einer Wissenschaft, die Bildaufzeichnungen dieser Phänomene verarbeitet«.15 Durch diesen Transformationsprozess wurden diverse Rekonfigurationen des Phänomenbereichs der Astronomie erzielt: Zum einen werden durch die Bildtechnologie die Untersuchungsobjekte aus ihrer ›natürlichen‹ Umgebung herausgelöst und im Handlungskontext des Labors kontinuierlich präsent gehalten. Zum anderen erscheinen die interessierenden Prozesse durch den Übergang zu einer Zeichen- und Bildtechnologie miniaturisiert und dadurch handhabbar. Und schließlich treten an die Stelle planetarer und stellarer Zeitabläufe die Zeitskalen sozialer Ordnungen. Astronomen weltweit können die entsprechenden Signale simultan und kontinuierlich analysieren und diskutieren. Die am Beispiel der Astronomie gewonnenen Einsichten gelten auch für das Labor im Allgemeinen, in dem Untersuchungsobjekte inszeniert werden, indem sie räumlichen und zeitlichen Regimes unterworfen werden. Im Labor werden von der Größe solcher Objekte über ihre interne Konstitution bis hin zu ihren natürlichen Rhythmen im Prinzip alle Eigenschaften neu verhandelt und neu definiert: »Laboratorien generieren also neue Objektkonfigurationen, die sie mit entsprechend veränderten sozialen Ordnungen in Einklang bringen.«16 Selbiges kann auch für die K.B.W. Geltung beanspruchen, die Warburg selbst wiederholt als »Laboratorium« charakterisierte.17 Wie ein Labor verschrieb sich die K.B.W. der Idee einer »Rekonfiguration natürlicher und sozialer Ordnungen und ihrer Relation zueinander« und machte Warburgs Kunst- und Bildwissenschaft als eine Laborwissenschaft begreifbar. Auch Warburgs Kunstwissenschaft transferierte Objekte ›ins Haus‹, wo sie neuen räumlichen und zeitlichen Parametern unterworfen wurden. Sie isolierte diese Objekte, miniaturisierte sie und machte sie dadurch handhabbar, was einen ständigen wissenschaftlichen Austausch ermöglichte. Auch Warburg arbeitete nicht mit ›naturbelassenen‹ Objekten, sondern mit »Objektzeichen« – in seinem Fall hauptsächlich Pathosformeln. »Extrakte« und »›gereinigte‹ Versionen« der zu untersuchenden Bilder wurden mit Hilfe von Reproduktionen gewonnen, die wesentliche Details freizupräparieren oder mitunter störende Farbwerte zu tilgen halfen. Warburgs Laborwissenschaft kulminierte schließlich in seinem Bilderatlas, der die Untersuchungsgegenstände durch eine vielfache mediale Brechung modellierte und zurichtete: Die bereits in Leinwand, Teppich oder Sarkophag eingeschriebenen Pathosformeln materialisierten sich in photographischen Reproduktionen auf Schautafeln, die sich ihrerseits wiederum in photographischen Reproduktionen objektivierten, die sich erneut in Vorträgen oder in Publikationen zu vergegenständlichen hatten. Warburgs Forschungen zum »Schlangenritual« können in dieser Hinsicht als beispielhaft verstanden werden, vollzieht sich hier doch mit Hilfe der Photographie mustergültig die Transformation »einer beobachtenden Feldwissenschaft in eine bildprozessierende Laborwissenschaft«18. 15 16 17 18

K C: Wissenskulturen, S. 46. K C: Wissenskulturen, S. 65. Siehe Abschnitt »Hertz’ Dipol«, Anm. 106. K C: Wissenskulturen, S. 47.

. W Vor diesem Hintergrund lässt sich Warburgs »Laboratorium« K.B.W. einschließlich seiner Instrumente, Notationsgesten, Archivierungstechniken, Displays oder Benutzerströme mit Hans-Jörg Rheinberger als ein »Experimentalsystem«19 beschreiben. Als »die kleinsten vollständigen Arbeitseinheiten der Forschung«20 umfassen Experimentalsysteme in einer ständig variierenden und fluktuierenden Weise »das, was Historiker und Philosophen der Wissenschaft oft gerne säuberlich getrennt haben möchten im Rahmen einer Reinheitsvorstellung, die im Prozess des Machens von Wissenschaft keine Entsprechung hat«21: nämlich das Forschungsobjekt genauso wie die Theorie, die Experimentalanordnung oder das Instrument samt seiner Handhabung. So eingerichtet, »daß sie noch unbekannte Antworten auf Fragen geben, die der Experimentator […] noch gar nicht klar zu stellen in der Lage ist«22, sind Experimentalsysteme treibende Momente der Entwicklung der modernen Laborwissenschaften. Keineswegs seien sie, so Rheinberger, »Anordnungen zur Überprüfung und bestenfalls zur Erteilung von Antworten, sondern insbesondere zur Materialisierung von Fragen«23. Fragt man nach der Rolle des forschenden Subjekts in dieser Anordnung, muss konzediert werden, dass dieses durch ein Experimentalsystem zwar nicht dominiert wird, letzteres aber eine epistemologisch maßgebliche Rolle spielt, denn: »Je mehr er [der praktisch arbeitende Wissenschaftler, T. H.] lernt, mit seiner Experimentalanordnung umzugehen, desto stärker spielt sie ihre eigenen inhärenten Möglichkeiten aus. In einem gewissen Sinn macht sie sich von den Wünschen des Forschers unabhängig, gerade weil dieser sie mit all der ihm zur Verfügung stehenden Kunstfertigkeit entworfen und eingerichtet hat.«24 Die Konstellation von Experimentator und Experimentalsystem pointiert Rheinberger schließlich mit einer Formulierung Jacques Lacans: »Das Subjekt ist, wenn man so sagen kann, in innerem Ausschluß seinem Objekt eingeschlossen.«25

19 Siehe R, Hans-Jörg: Experiment, Differenz, Schrift. Zur Geschichte epistemischer Dinge, Marburg 1992, insbesondere: S. 24 f.; D./H: Experimentalsysteme; sowie R: Experimentalsysteme und epistemische Dinge, insbesondere: S. 18–34. Zur Fortführung und Modifikation dieses Konzepts siehe etwa H, Klaus: Feinstruktur und Dynamik von Experimentalsystemen, in: H, Michael/S, Friedrich (Hrsg.): Experimental Essays – Versuche zum Experiment (ZiF. Interdisziplinäre Studien, Bd. 3), Baden-Baden 1998, S. 325–354. – Siehe auch H, Thomas: Kunstwissenschaft als Experimentalsystem, in: KUNSTGESCHICHTE. Open peer reviewed journal (Forum »Wissenschaftsgeschichte der Kunstgeschichte«. Beiträge zum Diskussionsforum im Rahmen des 30. Deutschen Kunsthistorikertages (Marburg, 25.–29. März 2009), URL: http://www.kunstgeschichte-ejournal.net/discussion/2009/hensel; sowie zur Nähe von Kunstwissenschaft und Wissenschaftstheorie .: Das Bild im Spannrahmen. 20 R: Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 22. 21 R/H: Experimentalsysteme, S. 9. 22 R: Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 22. 23 R: Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 22. 24 R: Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 18. 25 Zitiert nach R: Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 18.

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II. I Einen verwandten und nicht zuletzt durch dieselben Werke26 grundgelegten Standpunkt vertritt auch die Akteur-Netzwerk-Theorie, wenn sie die Akteure oder Aktanten eines Netzwerks zugleich als Subjekte und Objekte des Netzwerkbildens begreift. Die Akteur-Netzwerk-Theorie sucht Wissenschaftsentwicklung als Resultat der Verknüpfung heterogener Komponenten zu Netzwerken zu erklären, wobei technische, soziale und natürliche Faktoren gleichermaßen als abhängige Variablen behandelt werden.27 Tatsächlich gelten ihr sämtliche Entitäten, denen ein Handlungspotential oder eine »agency« zugeschrieben werden kann, als Aktanten – »An actant can literally be anything provided it is granted to be the source of an action«28 –, so dass jedes nur erdenkliche Phänomen zu einem solchen geraten kann: eine Kammmuschel geradeso wie ein Schlüsselanhänger, ein Pedokomparator genauso wie eine Eiszeit, Aby Warburg ebenso wie seine Verzettelungsroutinen. Wenn die vorliegende Untersuchung versucht, die Akteur-Netzwerk-Theorie für die Kunstwissenschaft fruchtbar zu machen,29 versteht sie jene nicht als elaborierte Handlungstheorie, sondern als eine Matrize für die Beschreibung epistemischer Prozesse. Diese Behutsamkeit ist weniger einer Infragestellung der epistemologischen Tragkraft der Akteur-Netzwerk-Theorie geschuldet, etwa ihrer »programmatisch antireduktionistische[n] Heuristik«30, die jede Untersuchung der alles mit allem verknüpfenden, sich stets verändernden, prinzipiell grenzenlosen Netzwerke zu einem regressus ad infinitum nötigt,31 oder ihrer ontologischen wie auch logischen Provokationen, die unter anderem Explanans und Explanandum kategorial zusammenfallen lassen.32 Vielmehr resultiert jene Zurückhaltung aus der heuristischen Unzulänglichkeit der nachstehenden Überlegungen, welche die seitens der Akteur-NetzwerkTheorie propagierte teilnehmende Beobachtung und dichte Beschreibung nicht einzuholen vermögen, sind doch die in Rede stehenden sozialen, technischen und natürlichen Aktanten nicht mehr befragbar und nur eingeschränkt rekonstruierbar. Insofern können im 26 Siehe Anm. 1. 27 Zur Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie siehe die Quellensammlung von B, Andréa/K, David J. (Hrsg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-NetzwerkTheorie, Bielefeld 2006; und K, Georg/S, Markus/S, Erhard (Hrsg.): Bruno Latours Kollektive. Kontroversen zur Entgrenzung des Sozialen, Frankfurt a. M. 2008; sowie prägnant und kritisch S-S, Ingo: Akteur-Netzwerk-Theorie. Zur Koevolution von Gesellschaft, Natur und Technik, in: W, Johannes (Hrsg.): Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung, München 2000, S. 187–209. 28 L, Bruno: On actor-network theory. A few clarifications, in: Soziale Welt. Zeitschrift für sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis 47, 1996, S. 369–381, hier: S. 373. 29 Siehe auch H, Thomas: Von Graphit, Graphemen und Gestellen. Aby Warburg und die Aktanten der Kunstwissenschaft, in: T, Tristan/S, Erhard (Hrsg.): AkteurMedien-Theorie, Bielefeld 2011 (im Erscheinen). 30 S, Erhard: Der Punkt des Archimedes. Einige Schwierigkeiten des Denkens in Operationsketten, in: K/S/S (Hrsg.): Bruno Latours Kollektive, S. 234–258, hier: S. 249. 31 Siehe K, Georg: Hybridizität, zirkulierende Referenz, Amoderne? Eine Kritik an Bruno Latours Soziologie der Assoziationen, in: K/S/S (Hrsg.): Bruno Latours Kollektive, S. 261–305, insbesondere: S. 285 f. 32 Siehe S: Der Punkt des Archimedes, S. 235 und 239.

. W Folgenden keine Transformationskaskaden oder Operationsketten, sondern mit Warburgs Graphien lediglich einzelne Übersetzungsschritte oder Binnenverknüpfungen aus einem Netzwerk freipräpariert werden; und es liegt in der Natur der Sache, dass diese im Moment ihrer Heraustrennung bereits wieder in einzelne Fasern zerfallen müssen und den programmatischen Leitfaden der Akteur-Netzwerk-Theorie in praxi reißen zu lassen drohen. Die Beantwortung der Fragen nach dem Status experimenteller Praktiken sowie ihrer theoretischen Konsequenzen ist demzufolge auf eine Rekonstruierbarkeit der je spezifischen, meist sehr komplexen experimentellen Tätigkeit angewiesen. Im Hinblick auf diese Rekonstruktion begnügt sich die Wissenschaftshistoriographie nicht mehr nur mit den veröffentlichten Daten, sondern richtet ihr Augenmerk zunehmend auch auf unpublizierte Quellen wie Labortagebücher, Briefe, Forschungsanträge oder -berichte –33 worin ihr die vorliegende Studie mit Blick auf Warburgs Aufzeichnungskonvolute folgt. Eine der wichtigsten Quellen von Wissenschaftstheorie und -historiographie aber sind Bilder – betrachtet als »cornerstone of scientific progress throughout history«34. Oftmals inspiriert durch die Kunstwissenschaft,35 hat die jüngere Wissenschaftstheorie begonnen, den epistemischen Wert bildgebender Verfahren und der von ihnen erzeugten technischen Bilder intensiv zu reflektieren.36 Demnach seien Bilder und Visualisierungstechniken dem Erkenntnisprozess mitnichten nachgelagert, als bloße Dokumentations- und Vermittlungsinstrumente; vielmehr trügen sie zur Strukturierung und mehr noch, zur Konstruktion von Wissen bei. Im Zuge dieser Ausrichtung einer ganzen Disziplin auf visuelle Artefakte oder »Viskurse«37 ist zu Recht die Unschärfe des Repräsentationsbegriffs neuerlich herausgestellt worden: Repräsentation nämlich sei weniger ein Widerspiegeln, sondern »immer auch Intervention, Invention und Kreation«38. Wenn sich in diesem Horizont jede Darstellung von tatsächlich 33 Siehe etwa H, Frederic L./R, Jürgen/R, Hans-Jörg (Hrsg.): Reworking the Bench. Research Notebooks in the History of Science (Archimedes. New Studies in the History and Philosophy of Science and Technology, Bd. 7), Dordrecht/Boston/London 2003; und R, Hans-Jörg: Zettelwirtschaft, in: D.: Epistemologie des Konkreten. Studien zur Geschichte der modernen Biologie, Frankfurt a. M. 2006, S. 350–361. 34 E, Rae A./W, Norman: An Introductory Guide to Scientific Visualization, Berlin/ Heidelberg/New York u. a. 1992, S. V. 35 Siehe beispielsweise R: Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 84; K C: Wissenskulturen, S. 56; und R, Hans-Jörg: Wissenschaftsgeschichte mit George Kubler, in: Texte zur Kunst 19, Heft 76, Dezember 2009 (»Geschichte«), S. 46–51. 36 Einen guten Überblick gibt Hß, Martina, in Zusammenarbeit mit H, Jochen und M, Dieter: Explorationsstudie im Rahmen der BMBF-Förderinitiative »Wissen für Entscheidungsprozesse« zum Thema Visualisierungen in der Wissenskommunikation, 2004, URL: http:// www. sciencepolicystudies.de/dok/explorationsstudie-hessler.pdf ( Januar 2011); sowie .: Einleitung. Annäherung an Wissenschaftsbilder, in: D. (Hrsg.): Konstruierte Sichtbarkeiten, S. 11–37. 37 K C, Karin: »Viskurse« der Physik. Wie visuelle Darstellungen ein Wissenschaftsgebiet ordnen, in: H, Jörg/H, Martin (Hrsg.): Konstruktionen Sichtbarkeiten (Interventionen, Bd. 8), Zürich/Wien/New York 1999, S. 245–263. 38 R: Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 115. Rheinberger bezieht sich hier auf G, Nelson: Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie (1968), Frankfurt a. M.

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II. I als eine Darstellung als entpuppt, gilt es im Folgenden die Struktur dieser »umgestaltenden Spiegelung«39 zu verstehen. Dies kann nur gelingen durch eine Analyse ihrer spezifischen medialen Beschaffenheit als einer wichtigen Möglichkeitsbedingung ihrer Wirkmächtigkeit.

2. Medienhistoriographie Innerhalb der Medienwissenschaft hat stets eine theoretische Grundsatzfrage eine zentrale Rolle gespielt, die in den Diskussionen um digitale Medien virulenter denn je geworden ist: die Frage nämlich nach den bestimmenden Faktoren der Medienentwicklung. Traditionell sind im Wesentlichen zwei Auffassungen gegeneinander in Stellung gebracht worden: Die eine Antwort betrachtet Technik als den wesentlichen gesellschaftliche Prozesse formierenden Faktor, der nicht nur Formen, Codes oder Institutionen, sondern auch die menschliche Sinnes- und Wahrnehmungsorganisation prägt, ohne Technik selbst als gesellschaftlich bedingt anzusehen. Bekannt ist diese Spielart eines einseitigen Materialismus als Technik- oder technologischer Determinismus. Wird für den technologischen Determinismus Technikgeschichte zur Geschichte schlechthin und Technik zum historischen »Letztbeweger«40, geht die alternative Antwort davon aus, dass die Entwicklung der Technik als sozialer und kultureller Prozess aufzufassen sei, umgekehrt also Technik sich abhängig von sozialen Faktoren entwickele. Demnach produziere und instrumentalisiere eine Gesellschaft Technik, um sich mit ihrer Hilfe selbst zu transformieren. Diese Position wird gemeinhin als Sozialkonstruktivismus oder kultureller Determinismus bezeichnet. Während sich unter dem Schlagwort ›Technik‹ so unterschiedliche Phänomene wie Maschinen und Apparate als auch Handlungsvermögen und Kulturtechniken wie Bild, Schrift und Zahl subsumiert finden,41 werden unter dem Begriff ›Kultur‹ so verschiedene Faktoren 1997. Zur Problematik der Repräsentation aus Sicht der Wissenschaftstheorie siehe unter anderem L, Michael/W, Steve (Hrsg.): Representation in Scientific Practice, Cambridge (Mass.) 1988; H, Michael: Zwei Anmerkungen zur Repräsentation in der Wissenschaftsgeschichte, in: R, Hans-Jörg/H, Michael/W-S, Bettina (Hrsg.): Räume des Wissens. Repräsentation, Codierung, Spur, Berlin 1997, S. 339–355; sowie R, Hans-Jörg: Objekt und Repräsentation, in: H/H (Hrsg.): Mit dem Auge denken, S. 55–61. 39 Zu diesem Begriff siehe Abschnitt »Elektrisierende Metaphern«. 40 R, Jens: Licht und Wahrheit. Eine Mediumgeschichte der fotografischen Projektion, München 2003, S. 24. Dabei ist einschränkend zu bemerken, dass die sozial und kulturell vollkommen unvermittelte technische Determination ein Idealtypus ist, der in historischen Fallstudien selten konsequent durchgehalten wird. 41 Die Verschleifung so ungleicher Phänomene wird dadurch erleichtert, dass im Deutschen anders als etwa im Englischen die Aspekte ›Maschine/Apparat‹ (engl.: »technology«) und ›Handlungsvermögen/Kulturtechnik‹ (engl.: »technique«) sprachlich nicht unterschieden werden. Vgl. A, Rick: Toward a Theory of the History of Representational Technologies, in: Iris 2 (2), 1984, S. 111–124, insbesondere: S. 111–115; R, Werner: Technik aus soziologischer Perspek-

. M wie psychologische, ökonomische oder ideologische zusammengefasst.42 Vereint werden die unter einem Schlagwort versammelten Aspekte jeweils allein durch die ihnen zugewiesene Opposition zur je anderen Auffassung. Der technologische Determinismus, dem in diesem Abschnitt das Hauptaugenmerk gelten soll, wird vor allem an die Position des kanadischen Medientheoretikers Marshall McLuhan geknüpft. Schien dieser bereits in den 1960er Jahren als Zeiterscheinung überlebt, erfahren McLuhans Gedanken insbesondere infolge der Durchsetzung digitaler, überkommene Formen von Wissen, Arbeiten oder Zusammenleben herausfordernder Medien seit den 1990er Jahren eine Konjunktur, die sogar deren ursprüngliche Rezeption in den Schatten stellt.43 Sein Nachdenken über Medien war ursprünglich auf die in den USA institutionell etablierte Medienwirkungsforschung gemünzt, der McLuhan eine ganz andere Form von Wirkungsforschung entgegensetzen wollte, die nicht mehr so genannte Medientexte inhaltlich zu analysieren unternahm, sondern als deren Möglichkeitsbedingung die Technizität der Apparate ausdeutete. Besonders provokant und nachhaltig wirkte seine These, dass über den eigentlichen Inhalt einer vermittelten Botschaft bereits auf der Ebene ihrer meditive. Forschungsstand, Theorieansätze, Fallbeispiele. Ein Überblick, Opladen 1993, S. 9–13; sowie R: Licht und Wahrheit, S. 25. 42 Über die Figur der Gegenüberstellung von ›Technik‹ und ›Kultur‹ wäre eigens zu handeln; im Rahmen der vorliegenden Arbeit mögen wenige Andeutungen genügen: Selbige Opposition ist tatsächlich relativ jungen Datums. Im Zuge der westlichen Geschichtsschreibung nämlich wurde die längste Zeit Technik als Wirken des Menschen von der Natur abgegrenzt – und damit der Sphäre der Kultur zugerechnet. Heute scheint Technik hingegen zu einer Art zweiter Natur geworden zu sein, die den Menschen, je nach Blickwinkel, unterwirft oder befreit. Zur Begriffsgeschichte des Technischen siehe R, Friedrich: Die Dynamik der modernen Welt. Eine Einführung in die Technikphilosophie, Hamburg 1994, S. 35–46. 43 Eine gute Einführung in das Denken McLuhans gibt S, Angela: Magische Kanäle. Marshall McLuhan, in: K, Daniela/S, Angela (Hrsg.): Medientheorien. Eine Einführung, 2., korrigierte und erweiterte Aufl., München 2000, S. 39–76. Als Neuerung allerdings kann das Modell eines technischen Determinismus keineswegs gelten. Kulturhistorisch betrachtet hat die Erfahrung des technischen ›Fortschritts‹ seit den Anfängen der so genannten industriellen ›Revolution‹ die Ansicht gefördert, Technik sei – im positiven wie im negativen Sinn – das wesentliche Agens kulturellen Wandels. Siehe S, Merritt Roe: Technological Determinism in American Culture, in: D./M, Leo (Hrsg.): Does Technology Drive History? The Dilemma of Technological Determinism, Cambridge (Mass.)/London 1994, S. 1–35; sowie R: Licht und Wahrheit, S. 28. Darüber hinaus lassen sich zahlreiche ältere Reflexionen über die Auswirkungen technischer Innovationen anführen. So ließ, um nur ein Beispiel zu nennen, bereits im Jahr 1620 der englische Philosoph Francis Bacon verlauten: »Wir sollten unser Augenmerk auf die Kraft, die Auswirkungen und die Folgen von Erfindungen richten, die nirgends auffälliger waren als im Fall jener drei den Alten unbekannten Errungenschaften, nämlich dem Buchdruck, dem Schießpulver und dem Kompaß. Diese drei Erfindungen haben das Erscheinungsbild und den Zustand der ganzen Welt verändert.« Zitiert nach E, Elizabeth L.: Die Druckerpresse. Kulturrevolutionen im frühen modernen Europa (1983), Berlin/Heidelberg/New York u. a. 1997, S. 12. Eine Bestandsaufnahme von Theorien, die Technik als Determinante setzen, gibt P, Johan Hendrik Jacob van der: Die Bewertung technischen Fortschritts. Eine systematische Übersicht der Theorien, 2 Bde., Assen/Maastricht 1985.

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II. I alen Disposition entschieden werde, dass Erkenntnis also nie unmittelbar gegeben, sondern stets von Medientechnologien abhängig sei, welche die Normen, Standards und Muster der Wahrnehmung und Erfahrung vorgäben. Dies bedeutete nicht zuletzt einen Affront gegen die in der Regel idealistischen und technikskeptischen Geisteswissenschaften, die, in langer platonischer Tradition stehend, in der bloßen Technik einen handwerklich gebundenen Gegenbegriff gegenüber der im Eigentlichen immateriell und metaphysisch bestimmten Erkenntnis sahen. Seine These hat McLuhan in dem so programmatisch wie populär gewordenen Credo, das Medium sei die Botschaft,44 zugespitzt und damit einem Verständnis den Boden entzogen, das eine ›Botschaft‹ als über die Modalitäten ihrer Speicherung oder Übertragung erhaben denkt. Zu ihren vielen Epiphänomenen kann bekanntlich ein veränderter, medientechnologischer sowie explizit antihumanistischer und antihermeneutischer Blickwinkel auf die Kulturgeschichte gezählt werden, wie er in der deutschen Theorielandschaft der 1980er Jahre etwa von dem Literaturwissenschaftler Friedrich Kittler eingenommen worden ist.45 Eine von dessen wesentlichen Ambitionen besteht darin, vergleichbar den vorangegangenen kritischen Befragungen von »Geist«, »Geschichte«, »Subjekt« und »Mensch«, die humanistische, idealistische, metaphysisch fundierte und insofern als hoffnungslos veraltet verworfene Geisteswissenschaft in eine dem logisch-mathematischen Kalkül der Maschine verpflichtete Medienwissenschaft zu überführen, mithin in eine Wissenschaft, welche die »Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften«46 vollendet. An die poststrukturalistische Überzeugung anknüpfend, dass der Mensch keineswegs das Subjekt seiner Geschichte sei, machten sich McLuhan, Kittler und andere daran, die überlieferten metaphysischen Bestimmungen von Geist und Erkenntnistheorie durch die physische Faktizität ihrer Medien zu ersetzen. Der Mensch sei nicht mehr das Maß aller Dinge; Maß müsse vielmehr an der Technik einer komplexen Medienwelt genommen werden, die den Menschen spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend skaliere, normiere und diszipliniere.47 44 Siehe ML, Marshall: Die magischen Kanäle (»Understanding Media«) (1964), 2. Aufl., Düsseldorf/Wien 1970, S. 13. 45 So lauten schon die berühmt gewordenen ersten Worte in Friedrich Kittlers medientheoretischer Programmschrift »Grammophon, Film, Typewriter«: »Medien bestimmen unsere Lage«. K, Friedrich: Grammophon, Film, Typewriter, Berlin 1986, S. 3. Kittler selbst bestimmt seine Position im Verhältnis zu derjenigen McLuhans in K, Friedrich: Optische Medien. Berliner Vorlesung 1999, Berlin 2002, S. 21–27. 46 Siehe K, Friedrich A. (Hrsg.): Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften. Programme des Poststrukturalismus, Paderborn/München/Wien/Zürich 1980. Kittler beschreibt nicht zuletzt auch die Geschichte der Kulturwissenschaft als die Geschichte ihrer technischen Medien. Siehe K, Friedrich A.: Eine Kulturgeschichte der Kulturwissenschaft (2000), 2., verb. Aufl., München 2001. 47 So gestimmte Thesen finden sich zum Beispiel auch bei Norbert Bolz oder Stefan Rieger: »In der technischen Wirklichkeit der neuen Medien ist der Mensch nicht mehr Herr der Daten, sondern wird selbst in Rückkopplungs-Schleifen eingebaut.« B, Norbert: Am Ende der GutenbergGalaxis. Die neuen Kommunikationsverhältnisse, München 1993, S. 114; sowie R, Stefan: Die Individualität der Medien. Eine Geschichte der Wissenschaften vom Menschen, Frankfurt a. M.

. M Zu Recht ist an einem technologischen Determinismus, dem der Mensch nur noch als ein »Appendix im Apriori der Medientechnik« gilt, Kritik geübt worden.48 Indem technikzentrierte Ansätze nämlich grundsätzlich von schon konstituierten Medientechnologien ausgehen und lediglich nach deren Folgen fragen – in extremis gar dem Medium den Rang eines nicht weiter zu begründenden Transzendentals zuweisen –, reflektieren sie weder die Genese einer jeweiligen Technik noch ihre Diffusion,49 die beide als sozial gesteuert zu denken sind. Ein anderes Argument führt die nachweisbaren interkulturellen Differenzen und Ungleichzeitigkeiten im Medieneinsatz ins Feld, welche die Möglichkeit, eine kohärente, kulturell nicht differenzierte Mediengeschichte zu verfassen, grundsätzlich in Frage stellen. Indessen relativiert eine Kritik, die an die sozialen und kulturellen Kontexte erinnert, welche Medien allererst etablieren, zwar die »Prägekraft des Medialen«50, verneint sie aber nicht grundsätzlich. Ein dementsprechend abgefedertes Konzept, das Technikwirkung nicht mehr voraussetzungslos setzt, sondern die für ihre Entfaltung relevanten Zeithorizonte und sozialen Bedingungen berücksichtigt, wird allgemein als ›weicher Determinismus‹ tituliert, wenn auch fraglich ist, inwieweit hier überhaupt noch von ›Determinismus‹ gesprochen werden kann.51 Wohl auch weil der ›harte‹, bedingungslose Technikdeterminismus sich mit historischer Beobachtung schwerlich vereinbaren lässt, findet er sich in der Medienhistoriographie fast nur in einer solchen – explizit oder implizit – relativierten Variante. So konterkariert Lorenz Engell das von Kittler eingebrachte Zitat Nietzsches

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2000, hier: S. 174: »Was Mensch ist, […] sind Techniken, Medien und Apparaturen«. Kritisch gegenüber Rieger argumentiert etwa M, Dieter: Technikapriori und Begründungsdefizit. Medienphilosophien zwischen uneingelöstem Anspruch und theoretischer Neufundierung, in: Philosophische Rundschau 50, 2003, S. 193–219. S: Ordnungen der Bilder, S. 111. Siehe grundsätzlich beispielsweise S/M (Hrsg.): Does Technology Drive History?; R, Hans Ulrich: »Inszenierte Imagination« – Zu Programmatik und Perspektiven einer historischen Anthropologie der Medien, in: M-F, Wolfgang/ R, Hans Ulrich (Hrsg.): Inszenierte Imagination. Beiträge zu einer historischen Anthropologie der Medien (Medienkultur), Wien/New York 1996, S. 231–244; K, Sybille: Erfüllen Medien eine Konstitutionsleistung? Thesen über die Rolle medientheoretischer Erwägungen beim Philosophieren, in: M, Stefan/R, Alexander/S, Mike (Hrsg.): Medienphilosophie. Beiträge zur Klärung eines Begriffs, Frankfurt a. M. 2003, S. 78–90; vgl. auch R: Licht und Wahrheit, S. 35–40. So ruft die sozialkonstruktivistische Technikforschung in Erinnerung: »The success of an artifact is precisely what needs to be explained. For a sociological theory of technology it should be the explanandum not the explanans.« P, Trevor J./B, Wiebe E.: The Social Construction of Facts and Artifacts: Or How the Sociology of Science and the Sociology of Technology Might Benefit Each Other, in: B, Wiebe E./H, Thomas P./P, Trevor (Hrsg.): The Social Construction of Technological Systems. New Directions in the Sociology and History of Technology, Cambridge (Mass.)/London 1987, S. 17–50, hier: S. 24. K: Erfüllen Medien eine Konstitutionsleistung?, S. 79. Vgl. F, Patrice: L’innovation technique. Récents développements en sciences socials. Vers une nouvelle théorie de l’innovation, Paris 1995, S. 49 und 70; M, Leo/S, Merritt Roe: Introduction, in: S/M (Hrsg.): Does Technology Drive History?, S. ix–xv, insbesondere: S. xii–xiv; sowie B, Bruce: Three Faces of Technological Determinism, in: S/M (Hrsg.): Does Technology Drive History?, S. 79–100, insbesondere: S. 80–89.

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II. I »Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken« mit der Gegenthese, dass unsere Gedanken an unserem Schreibwerkzeug mitarbeiteten;52 und Jens Ruchatz schlägt vor, Determinierung durch »Possibilisierung« zu ersetzen.53 Zwecks Beilegung der geschilderten Kontroverse innerhalb der Medientheorie hat schließlich Hartmut Winkler empfohlen, sie als »Henne/Ei-Frage«54 zu betrachten, um so die Problemstellung, was zuerst da gewesen sei, Technik oder Kultur, als müßig zu entlarven. Wenn man also zugesteht, dass die technikzentrierten Ansätze eher nach den Wirkungen, die kulturzentrierten eher nach den Voraussetzungen von Technik fragen, ist davon auszugehen, dass beide Ansätze nur in wechselseitiger Ergänzung sinnvoll sind, ein Medium nur in der Spannung beider Momente seine Pointe hat: »Einschreibung der Praxen in die Technik und Zurückschreiben der Technik in die Praxen«55. Wie schon der Akteur-Netzwerk-Theorie als einem Konzept zur Überwindung des Antagonismus zwischen Technik- und Sozialdeterminismus56 lässt sich damit auch Régis Debray zustimmen, der jene Spannung als eine systemische Ordnung im Gegensatz zu einer mechanistischen charakterisiert. Während bei letzterer in einer unilinearen Relation eine Wirkung auf eine Ursache folge, handele es sich bei erstgenannter um einen zirkularen Zusammenhang: Eine Wirkung folge auf eine Ursache und werde selbst wieder zu einer solchen. Auf dieser Folie konstatiert Debray mit Bezug auf Daniel Bougnoux, dass die systemischen Kausalitäten sich durch eine Negativität auszeichneten: »A erzeugt nicht B, aber wenn es A nicht gibt, gibt es auch B nicht.«57 Diese Feststellung kann für die Argumentation in den folgenden Kapiteln als Leitlinie dienen. Wenn Warburg etwa die Pho52 Siehe E, Lorenz: Bewegen beschreiben. Zur Theorie der Filmgeschichte, Weimar 1995, S. 28, unter Bezugnahme auf K: Grammophon, Film, Typewriter, S. 293. 53 Siehe R: Licht und Wahrheit, S. 45–50. 54 W, Hartmut: Die prekäre Rolle der Technik. Technikzentrierte versus ›anthropologische‹ Mediengeschichtsschreibung, in: H, Heinz-B./K, Matthias/M, Thomas/P, Karl/W, Hartmut (Hrsg.): Über Bilder Sprechen. Positionen und Perspektiven der Medienwissenschaft (Schriftenreihe der Gesellschaft für Film- und Fernsehwissenschaft (GFF), Bd. 8), Marburg 2000, S. 9–22, hier: S. 9. 55 W: Die prekäre Rolle der Technik, S. 14. 56 Zum Zusammenhang von Akteur-Netzwerk-Theorie und Medientheorie respektive -historiographie siehe C, Nick: Actor Network Theory and Media: Do they connect and on what Terms?, in: H, Andreas/K, Friedrich/M, Shaun/W, Carsten (Hrsg.): Connectivity, Networks and Flows. Conceptualizing Contemporary Communications, Creskill (N. J.) 2008, S. 93–108. Die »Überlagerung des Medialen mit dem Agentischen« (E, Lorenz/S, Bernhard/V, Joseph: Editorial, in: Archiv für Mediengeschichte. Bd. 8: Agenten und Agenturen, 2008, hrsg. von ., S. 5–8, hier: S. 6) aus der Perspektive der Medienhistoriographie thematisieren E, Lorenz/S, Bernhard/V, Joseph: Archiv für Mediengeschichte. Bd. 8: Agenten und Agenturen, 2008. Letztgenanntes Sammelwerk bespricht mit Blick auf Tertia zwischen Medienwissenschaft und Akteur-Netzwerk-Theorie S, Andrea: Kollektive, Agenturen, Unmengen: Medienwissenschaftliche Anschlüsse an die Actor-Network-Theory, in: ZfM. Zeitschrift für Medienwissenschaft 1, 2009 (»Motive«), S. 132–135. 57 D, Régis: Einführung in die Mediologie (Facetten der Medienkultur, Bd. 3) (2000), Bern/ Stuttgart/Wien 2003, S. 108.

. M tographie für seine Theoriebildung als essentiell erachtete – »Ohne den Photographen im Hause würde die Entfaltung der ›neuen Methode‹ nicht möglich sein.«58 –, dann genau in dem Sinne, dass das Medium Photographie zwar nicht ausschließlich Warburgs ›Denken in Bildern‹ erzeugte, diese Methode aber ohne die Photographie nicht existiert hätte. Wurde bislang so operiert, als wäre offensichtlich, was ein »Medium« sei, muss diese Gewissheit irritiert werden. Nicht von ungefähr bezeichnet Dieter Mersch Medientheorie als ein immer noch »ungedecktes Programm«, dessen Fundamente sich als »rhapsodisch« erwiesen.59 Die Antworten auf die Frage, was überhaupt ein »Medium« oder was »Medien« seien, füllen mittlerweile Bibliotheken.60 Der Begriff »Medium« hat seit der Antike eine schillernde Geschichte, mit zuweilen unscharfen Konturen, vergessenen Referenzen und Dehnungen, so in der antiken Aisthesislehre, der mittelalterlichen Optik, in der romantischen Ästhetik wie in Physik, Theologie, Psychologie und insbesondere in der Parapsychologie.61 All das, was schon mit einer gewissen Berechtigung als »Medium« bezeichnet worden ist, weil es, abgeleitet vom griechischen Wort »méson«, in irgendeinem Sinn den etymologischen Bedeutungsgehalt »Mitte«, »Mittel« oder »Mittler« umspielt, lässt sich kaum auf eine einheitliche Bedeutung festlegen. Um eine Vorstellung vom hochdifferenzierten Pluralismus historischer und gegenwärtiger Medientheorien zu geben, seien nur die Kapitel eines einschlägigen Sammelbandes jüngeren Datums aufgezählt, der das gesamte Spektrum in technische, ökonomische, kritische, semiotische, kulturwissenschaftliche, konstruktivistische, systemlogische, feministische, psychoanalytische, poststrukturalistische und schließlich philosophische Medientheorien unterteilt.62 So bleibt einzig das medientheoretische Axiom, »daß es keine Medien gibt, keine Medien jedenfalls in einem substanziellen und historisch dauerhaften Sinn«63. Was Medien sind, wie sie funktionieren und welche Effekte sie hervorbringen wie auch der Begriff des Mediums selbst lassen sich nicht auf eine elementare Definition zurückführen. »Medien sind nicht auf eine bestimmte Technologie (etwa Buchdruck oder Elektrizität), nicht auf bestimmte Geräte oder Maschinen (wie etwa Teleskop, Telegraf oder Telefon), nicht auf symbolische Formen (etwa Perspektive in der Malerei), nicht auf Gattungen in weitesten [sic!] Sinn (Literatur oder Film), nicht auf eine Institution (Theater), nicht auf eine soziale Funktion 58 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 186 (Eintrag vom 24. Januar 1928). Siehe Abschnitt »Die Medialität der Kunstwissenschaft«. 59 M: Technikapriori und Begründungsdefizit, S. 193. 60 Zur Einführung, jeweils mit umfangreichen Literaturangaben, siehe S-S, Jochen: »Medien/medial«, in: B, Karlheinz/F, Martin/S, Dieter/S, Burkhart/W, Friedrich (Hrsg.): Ästhetische Grundbegriffe. Bd. 4, Stuttgart/Weimar 2000, S. 1–28; sowie T, Georg Christoph: »Medium/Medien«, in: R, Alexander/ S, Bernd (Hrsg.): Grundbegriffe der Medientheorie, Paderborn 2005, S. 150–172. 61 Siehe H, Stefan: Geschichte des Medienbegriffs (Archiv für Begriffsgeschichte, Sonderheft, Jg. 2002), Hamburg 2002. 62 Siehe W, Stefan (Hrsg.): Theorien der Medien. Von der Kulturkritik bis zum Konstruktivismus, Konstanz 2003. 63 V, Joseph: Medien-Werden: Galileis Fernrohr, in: Archiv für Mediengeschichte. Bd. 1: Mediale Historiographien, 2001, hrsg. von E, Lorenz/V, Joseph, S. 115–123, hier: S. 121.

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II. I (etwa Massenmedien) oder bestimmte Symboliken (alphanumerischer Code) reduzierbar und doch in all dem virulent. Alle diese Momente spielen in den Medienbegriff hinein, reichen aber nicht hin, jeweils Funktion und Begriff von Medien selbst zu definieren.«64 Somit lassen sich selbige nur als ein fallweise spezifisches Zusammentreten jener heterogenen Momente begreifen, und dieses Zusammentreffen entscheidet über die jeweilige Ausprägung einer Medienfunktion, die sich eher in historischen Einzelanalysen als unter der Voraussetzung von Dauerhaftigkeit und Allgemeingültigkeit beschreiben lässt.65 Dementsprechend sollen in den folgenden Kapiteln am Beispiel Warburgs einige solcher historisch singulären Konstellationen zumindest in Ansätzen freizupräparieren versucht werden. Dabei teilt die vorliegende Arbeit die Einschätzung, dass Medien ›stark‹ sind – nicht also auf eine lediglich instrumentelle Dimension im Rahmen einer Mittel-Zweck-Relation verweisen und keinesfalls gegenüber dem zu Übertragenden bloß neutral, sinnindifferent und passive Werkzeuge oder Vehikel sind. Während ein Instrument oder Werkzeug66 nach seinem Gebrauch zurückgelassen wird und der zu bearbeitenden Sache äußerlich bleibt, ist eine Botschaft von einem Medium so durchdrungen, dass sie außerhalb desselben überhaupt nicht zu existieren vermag: »Auf ein Instrument findet man sich verwiesen, seiner bedient man sich; und was mit ihm bearbeitet wird, hat eine vom Werkzeug durchaus ablösbare Existenz. An ein Medium dagegen ist man gebunden, in ihm bewegt man sich; und was in einem Medium vorliegt, kann vielleicht in einem anderen Medium, nicht aber gänzlich ohne Medium gegeben sein. So gibt es keine Sprache jenseits der Rede, der Schrift oder der gestischen Artikulation. Alle Theorien, welche Medien als äußerliche Vehikel und Träger ihrer Botschaften begreifen, verfehlen gerade diese ihre nicht-instrumentelle Dimension: Sie behandeln Medien so, als ob sie Instrumente seien.«67 Medien, so die Grundannah64 V: Medien-Werden, S. 121 f. 65 Siehe V: Medien-Werden, S. 121–123. Zur Unmöglichkeit, die Medienwissenschaft über ihren Zentralbegriff fachlich konsolidieren zu können, siehe H, Knut: Das ›Medium‹, die ›Medien‹ und die Medienwissenschaft, in: B, Rainer/M, Eggo/R, Rainer (Hrsg.): Ansichten einer künftigen Medienwissenschaft (Sigma-Medienwissenschaft, Bd. 1), Berlin 1988, S. 51–74. Auch Debray kommt zu diesem Schluss: »Sagen wir es ohne Umschweife: ›Das‹ Medium existiert nicht per se, einzigartig und an sich sichtbar. Medium ist ein tückisches Wort. Es bezeichnet in Wirklichkeit mehrere Realitäten unterschiedlicher Natur. Sie widersprechen sich nicht, überlappen sich häufig, lassen sich aber keineswegs in eins setzen. Ein Medium kann bezeichnen: 1. einen allgemeinen Symbolisierungsprozess (gesprochenes Wort, grafisches Zeichen, analoges Bild); 2. einen sozialen Kommunikationscode (die vom Sprecher oder Schreibenden benutzte Sprache); 3. einen physischen Schrift- und Aufbewahrungsträger (Stein, Papyrus, Magnetträger, Mikrofilm, CD-ROM) und 4. ein Verbreitungsdispositiv mit dem entsprechenden Zirkulationsmodus (Manuskript, Buchdruck, Digitalisierung).« D: Einführung in die Mediologie, S. 47. 66 Die Begriffe »Instrument« und »Werkzeug« werden hier synonym verwendet, in einer umfangreichen Bestimmung: Sie umfassen physische wie auch symbolische technische Artefakte, also sowohl Werkzeuge und Maschinen im herkömmlichen Sinne als auch Denkzeuge wie Algorithmen, Kalküle und formale Sprachen. 67 K, Sybille: Das Medium als Spur und als Apparat, in: D. (Hrsg.): Medien – Computer – Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien, Frankfurt a. M. 1998, S. 73–94, hier:

. M me, zeichnen sich durch eine eigene, eigensinnige und eigendynamische Dimension aus, durch die sie das zu Übertragende nicht nur transportieren, sondern auch konfigurieren und partiell konstituieren: »Nicht Leistungssteigerung [wie durch Instrumente, T. H.], sondern Welterzeugung ist der produktive Sinn von Medientechnologien.«68 Von dieser Annahme ausgehend verfolgt die vorliegende Studie primär einen technikzentrierten Ansatz, der wiederum Technik als Medium, nicht als Instrument denkt, – ohne indessen die Wichtigkeit einer eher auf kulturelle und soziale Faktoren konzentrierten komplementären Untersu-

S. 83 f. – Dabei kommt dem Medium eine bedingende eigene Mittelbarkeit zu, die von Form oder Inhalt des zu Übertragenden, seiner ›Botschaft‹, unterschieden und zugleich auf diese bezogen werden muss. So geht ein Medium nicht gänzlich in seinen drei grundständigen Funktionen der Speicherung, Übertragung und Verarbeitung von Daten jedweder Art auf, sondern bleibt als eine oft unbewusst wahrgenommene Spur präsent. Siehe K: Das Medium als Spur und als Apparat; sowie D.: Das Medium zwischen Zeichen und Spur, in: F, Gisela/L, Erika/E-J, Cornelia (Hrsg.): Spuren Lektüren. Praktiken des Symbolischen. Festschrift für Ludwig Jäger zum 60. Geburtstag, München 2005, S. 153–166. 68 K: Das Medium als Spur und als Apparat, S. 85. – Die Unterscheidung zwischen einem instrumentalen und einem medialen Aspekt von Technik darf indessen nicht als eine ontologische missverstanden werden, mit deren Hilfe die Menge technischer Artefakte sortiert werden könnte in solche, die zur Werkzeuggruppe, und solche, die zur Mediengruppe zählen. Vielmehr kommen beide Aspekte – und zwar bei jedem technischen Artefakt – zusammen, allerdings mit je unterschiedlicher Gewichtung. – Für die im Folgenden verhandelten Zusammenhänge ist von Bedeutung, dass die Vorstellung ›starker‹ Medien unter anderem in der Philosophie der symbolischen Formen Ernst Cassirers wurzelt, den Warburg bewunderte und dessen Expertise er wiederholt suchte. Siehe zum Beispiel C, Ernst: Der Begriff der symbolischen Form im Aufbau der Geisteswissenschaften (Vorträge der Bibliothek Warburg, 1921–22), in: D.: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 8., unveränderte Aufl., Darmstadt 1994, S. 169–200, insbesondere: S. 175 f.: »Unter einer ›symbolischen Form‹ soll jede Energie des Geistes verstanden werden, durch welche ein geistiger Bedeutungsgehalt an ein konkretes sinnliches Zeichen geknüpft und diesem Zeichen innerlich zugeeignet wird. In diesem Sinne tritt uns die Sprache, tritt uns die mythisch-religiöse Welt und die Kunst als je eine besondere symbolische Form [zu denen der Hamburger Philosoph im Weiteren auch die Technik zählen sollte, T. H.] entgegen. Denn in ihnen allen prägt sich das Grundphänomen aus, daß unser Bewußtsein sich nicht damit begnügt, den Eindruck des Äußeren zu empfangen, sondern daß es jeden Eindruck mit einer freien Tätigkeit des Ausdrucks verknüpft und durchdringt. Eine Welt selbstgeschaffener Zeichen und Bilder tritt dem, was wir die objektive Wirklichkeit der Dinge nennen, gegenüber und behauptet sich gegen sie in selbständiger Fülle und ursprünglicher Kraft.« So bedeute etwa der Akt des Sprechens »niemals ein bloßes Empfangen der Objekte, eine Aufnahme der bestehenden Gegenstandsform in das Ich […], sondern […] einen echten Akt der Weltschöpfung, der Erhebung der Welt zur Form in sich schließt.« C, Ernst: Form und Technik (1930), in: D.: Symbol, Technik, Sprache. Aufsätze aus den Jahren 1927–1933 (Philosophische Bibliothek, Bd. 372), hrsg. von O, Ernst Wolfgang/K, John Michael unter Mitwirkung von W, Josef M., 2. Aufl., Hamburg 1995, S. 39–91, hier: S. 52. Zum Verhältnis von symbolischer Form und modernem Medienbegriff siehe L, Rainer: Medien und Formen. Eine Morphologie der Medien, Konstanz 2010. Zu Cassirer und Warburg siehe beispielsweise L, Karen Ann: Chaos and Cosmos. On the Image in Aesthetics and Art History, Ithaca (N. Y.) 2006; sowie R, Guilio (Hrsg.): Philosophy and Iconology (Cassirer Studies 1, 2008), Neapel 2009. Siehe auch Abschnitt »Hertz’ Dipol«, Anm. 103.

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II. I chung im Sinne der Akteur-Netzwerk-Theorie in Frage zu stellen; diese sei vielmehr als ein Desiderat weiterer Forschungen markiert.

3. Die Medialität der Kunstwissenschaft Auch die Kunstwissenschaft kennt und mehr noch: verdankt sich in einem nicht geringen Maß starken Medien. Technische bildgebende Verfahren haben zusammen mit den von ihnen generierten Bildern die Methodik der Disziplin in ihrer Struktur wesentlich geprägt. Darauf hat für das Fach zuerst Heinrich Dilly am Beispiel des Zusammenspiels von photographischer Reproduktion und vergleichendem Sehen hingewiesen.69 Hinter der These einer strukturellen Formierung kunstwissenschaftlichen Denkens durch Medientechnologie steht die Überzeugung, dass mediale Dispositive diskursive Formationen, mithin neue Medien neue Methoden bedingen können. Aufbauend vor allem auf den initialen Forschungen Dillys wird diese Denkfigur an den »Bildmedien der Kunstgeschichte«70 und deren diskursformatierender Potenz zu erproben begonnen, wobei bisher fast ausschließlich die Photographie und die Lichtbildprojektion in den Blick genommen worden sind, mit gelegentlichen Ausblicken auf elektronische Medien und einigen wenigen Einlassungen zum Film.71 69 Siehe D, Heinrich: Lichtbildprojektion – Prothese der Kunstbetrachtung, in: B, Irene (Hrsg.): Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung (Kunstwissenschaftliche Untersuchungen des Ulmer Vereins, Bd. 5), Gießen 1975, S. 153–172; sowie .: Kunstgeschichte als Institution. Studien zur Geschichte einer Disziplin, Frankfurt a. M. 1979, insbesondere: S. 149–160. – Insofern kunstwissenschaftliches Arbeiten in historischer und methodologischer Hinsicht nicht unwesentlich auf technischen Apparaturen basiert, und insofern es Aufgabe der Kunstwissenschaft qua Wissenschaft ist, selbstreflexiv auch ihre eigene Genese in den Blick zu nehmen, ist die Beschäftigung mit nicht-künstlerischen Bildern und den sie konstruierenden bildgebenden Technologien keine Option, sondern eine conditio sine qua non. Genau jene Reflexionsarbeit, welche Medien als Aktanten kunstwissenschaftlichen Arbeitens zu begreifen sucht, muss ein Kernanliegen einer Kunstwissenschaft sein, die sich auch als Bildwissenschaft versteht. Vgl. H: Kunstwissenschaft als Bildwissenschaft; sowie .: Rezension von: B, Horst/W, Gabriele (Hrsg.): Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik, Berlin 2003 ff., in: KUNSTFORM 7 (1 [15.01.2006]), 2006, URL: http://www.kunstform.historicum.net/2006/01/10087.html. 70 Siehe Die Bildmedien der Kunstgeschichte (Kritische Berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften 30 (1), 2002). 71 Siehe F, Wolfgang M.: Early Uses of Photography in the History of Art, in: Art Journal 39, 1979–1980, S. 20–119; D, Heinrich: Das Auge der Kamera und der kunsthistorische Blick, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 20, 1981, S. 81–89; F, Trevor: Visual Facts and the Nineteenth-Century Art Lecture, in: Art History 4, 1983, S. 442–460; L, Howard B.: The Lantern Slide and Art History, in: History of Photography 8 (2), 1984, S. 107–118; P, Donald: Rethinking Art History. Meditations on a Coy Science, New Haven/London 1991; S, Barbara E.: Looking at Art Through Photographs, in: Journal of Aesthetics and Art Criticism 51 (3), 1993, S. 455–462; P, Donald: Seeing through Art History, in: M-D, Ellen/S, David R./S, David J. (Hrsg.): Knowledges. Historical and Critical Studies in Disciplinarity, Charlottesville/London 1993, S. 215–231; R, Helene E. (Hrsg.): Art History

. D M  K Medien als notwendige, wenn auch nicht hinreichende Möglichkeitsbedingungen72 kunstwissenschaftlichen Arbeitens zu reflektieren, ist keinesfalls eine Leistung erst der jüngeren Kunstwissenschaft, sondern war bereits ein herausforderndes Anliegen in der Frühzeit des Faches. So räumt Herman Grimm gleich zu Beginn eines oftmals als Referenzthrough the Camera’s Lens, Amsterdam 1995; D, Heinrich: Die Bildwerfer: 121 Jahre kunstwissenschaftliche Dia-Projektion (1995), in: H, Kai-Uwe (Hrsg.): Im Banne der Medien. Texte zur virtuellen Ästhetik in Kultur und Kunst, Weimar 1997, S. 134–164; R, Wiebke: Die Anfänge der Photographie und Lichtbildprojektion in ihrem Verhältnis zur Kunstgeschichte, unveröffentlichte Magisterarbeit, Berlin 1998; E, Wolfgang/H, Stefan: Digitale Bildarchivierung: der Wölfflin-Kalkül, in: S, Sigrid/T, Georg Christoph (Hrsg.): Konfigurationen. Zwischen Kunst und Medien, München 1999, S. 306–320; W, Silke: Zeigen und Schweigen. Der kunsthistorische Diskurs und die Diaprojektion, in: S/T (Hrsg.): Konfigurationen, S. 292–305; T, Annette: Die Fotografie – eine bescheidene Dienerin der Wissenschaft und Künste? Die Kunstwissenschaft und ihre mediale Abhängigkeit, in: D.: Das Kunstwerk als Geschichtsdokument. Festschrift für Hans-Ernst Mittig, München 1999, S. 61–80; N, Robert S.: The Slide Lecture, or The Work of Art History in the Age of Mechanical Reproduction, in: Critical Inquiry 26 (3), 2000, S. 414–434; B, Matthias (Hrsg.): Darstellung und Deutung. Abbilder der Kunstgeschichte, Weimar 2000; Die Bildmedien der Kunstgeschichte; D, Heinrich: Kann es nicht etwas schärfer sein? Ein paar Einwürfe in die aktuelle Debatte über die Geschichte der Lichtbildprojektion, in: Frauen Kunst Wissenschaft. Zeitschrift für feministische Kunst 34, 2002, S. 11–16; R: Licht und Wahrheit; N, Susanne: Sehen im Dunkeln – Diaprojektion und Kunstgeschichte, in: Georges-Bloch-Jahrbuch des Kunsthistorischen Instituts der Universität Zürich 9/10 (2002/2003), 2004, S. 177–189; R, Ingeborg: Fotografie und Lichtbild: Die ›unsichtbaren‹ Bildmedien der Kunstgeschichte, in: Z, Anja (Hrsg.): Sichtbarkeit und Medien. Austausch, Verknüpfung und Differenz von naturwissenschaftlichen und ästhetischen Bildstrategien, Hamburg 2004, S. 169–181; D.: Kunst-Bild-Wissenschaft. Überlegungen zu einer visuellen Epistemologie der Kunstgeschichte, in: D./S/S (Hrsg.): Verwandte Bilder, S. 169–189; K, Barbara: Skulptur im Bild. Visuelle Dokumentation und deren Beitrag zur Entwicklung der archäologischen Wissenschaft, in: R/S/ S (Hrsg.): Verwandte Bilder, S. 149–167; C, Costanza (Hrsg.): Fotografie als Instrument und Medium der Kunstgeschichte (Italienische Forschungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz – Max-Planck-Institut. I Mandorli, Bd. 9), Berlin/München 2009; M, Angela: Kunstgeschichte als fotografische Praxis. Richard Hamann und Foto Marburg (humboldt-schriften zur kunst- und bildgeschichte, Bd. VII), Berlin 2009; sowie D, Heinrich: Weder Grimm, noch Schmarsow, geschweige denn Wölfflin …. Zur jüngsten Diskussion über die Diaprojektion um 1900, in: C (Hrsg.): Fotografie als Instrument und Medium der Kunstgeschichte, S. 91–116; mit Bezug auf das Medium Film S, Barbara: »Man sieht, es ist im Grunde die alte Klage, daß die Massen Zerstreuung suchen, die Kunst aber vom Betrachter Sammlung verlangt.« Walter Benjamin, der Film und die Kunstgeschichte, in: Gestaltung – Geschichte – Geschlecht. Designdiskurse in der Kommunikationsgesellschaft, URL: http://www.gendernet.udk-berlin.de/downl/ gzine3_ schroedl.pdf (März 2006); und .: Die Kunstgeschichte und ihre Bildmedien. Der Einsatz von Fotografie und Film zur Repräsentation von Kunst und die Etablierung einer jungen akademischen Disziplin, in: Z (Hrsg.): Sichtbarkeit und Medien, S. 151–168; sowie mit Rekurs auf Wissenschaftstheorie M, Angela: »Entdecker« und »Erfinder«. Über die fotografische Wissensproduktion der Kunstgeschichte und die Probleme der Reproduktion von Kunstwerken, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 28 (2005), S. 227–235. 72 Vgl. D: Einführung in die Mediologie, S. 109.

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II. I werk zitierten Aufsatzes über »Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons« die produktive Eigendynamik dieses Projektionsapparates ein, der künstliches Licht verwendete und das Projizieren von Diapositiven und damit die ersten Lichtbildvorträge erlaubte: »Es haben sich bei der durch das Eingreifen des Skioptikons herbeigeführten Umformung des öffentlichen Unterrichts Vortheile ergeben, die sich nicht voraussehen ließen und die ich für wichtig genug halte, um mich über sie öffentlich auszusprechen.«73 Grimms Argumente sind so plastisch und wegweisend, dass es sich lohnt, sie genauer in den Blick zu nehmen. Die Projektion von Fresken in Originalgröße etwa gewähre, so Grimm, neue Erkenntnisse und die dadurch bedingte Konzentration des Auditoriums auf den Gegenstand eine gesteigerte Auffassungs- und Vermittlungsgabe des Dozierenden: »Ich hatte Cimabue’s Gemälde in Assisi öfter gesehen, ich besaß die Photographien seit vielen Jahren: jetzt aber, wo sie in ihren ächten Größenverhältnissen wieder vor mir standen und mit meinen Augen zugleich die so vieler junger Leute darauf ruhten, welche Belehrung enthielt dieser Anblick nun auch für mich! Sie zeigten sich mir wie zum ersten Male und es war, als ob die Theilnahme meiner Zuhörer die Schärfe meiner Auffassung erhöhte. Genöthigt, mich auszusprechen, fand ich inhaltsreichere Worte als mir ohne diese Umgebung zu Gebote gestanden hätten.«74 Den Studierenden ermögliche die Lichtbildprojektion eine besonders einprägsame Verknüpfung des Geschauten: »Ich kann im Laufe einer einzigen Stunde bei vollkommener Stille des Auditoriums diesem eine Reihe von Anschauungen gewähren, die sich tief in das Gedächtnis einnisten und die bei der Gleichmäßigkeit der Anschauungen festen organischen Zusammenhang gewinnen.«75 Ferner befördere das Projektionsverfahren – eo ipso und gänzlich überraschend – die Einsicht in Entwicklungszusammenhänge, bei Grimm linear teleologisch gedacht: »Noch eindrucksreicher aber werden diese Anblicke, wenn nicht nur einzelne Werke, sondern Serien vorgeführt werden, aus denen die Entwickelungsgeschichte eines Künstlers klargelegt wird, das heißt im Hinweise auf eine Folge zusammengehöriger Arbeiten desselben Künstlers gezeigt wird, wie er zu größerer Vollkommenheit sich steigert. Hier leistet das Skioptikon heute Dienste, die sich nicht voraussehen ließen, da bei den bisherigen Hilfsmitteln an die Darlegung solcher innerer Entfaltungen nicht gedacht werden konnte. Ich war eben so überrascht wie meine Zuhörer.«76 Und schließlich sei es das gleichsam maieutische Verdienst des Lichtbildes, einem im Original kleiner dimensionierten Kunstwerk durch die Projektion zu seiner eigentlichen Größe und wahren Schönheit zu verhelfen: »Und endlich 73 G, Herman: Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons (1892/1893), in: D.: Beiträge zur Deutschen Culturgeschichte, Berlin 1897, S. 276–395, hier: S. 280. 74 G: Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons, S. 290. 75 G: Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons, S. 282. 76 G: Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons, S. 285 f.

. D M  K erschienen zwei Ansichten des Kopfes der Statue [Michelangelos ›David‹, T. H.] allein: einmal von vorn, das anderemal in Profil, beide in herrlicher Beleuchtung und in ungeheurer Größe, zugleich nun aber so in ihrem eigentlichen Formate gleichsam. Denn es schien, so groß das Werk ist, als habe es dem Geiste des Künstlers colossaler noch vorgeschwebt. Die wunderbare Schönheit des Kopfes trat jetzt erst völlig hervor.«77 Grimm war seinerzeit nicht der einzige Protagonist des Faches, der die Medialität der Kunstwissenschaft zu denken unternahm. Bruno Meyer, Professor für Kunstgeschichte in Karlsruhe und einer der »größten Medienoptimisten seiner Zeit«78, hatte wenige Jahre zuvor einen ähnlich argumentierenden Aufsatz publiziert,79 und ebensolches sollte 1906 auch der Altphilologe Karl Krumbacher tun. Krumbachers prägnante Abhandlung »Die Photographie im Dienste der Geisteswissenschaften«80 gehörte zum Bestand der K.B.W. und liest sich tatsächlich wie ein Vademekum für den Ausbau von Warburgs Arbeitsinstrumentarium, das hier in einigen signifikanten Passagen zitiert sei. Krumbacher wird nicht müde, die Bedeutung der Photographie hervorzuheben, als »Basis […] für eines der wichtigsten Lehrmittel der Neuzeit, den Lichtbildapparat«81, aber auch als Voraussetzung für »eine Art kunstgeschichtlichen Zettelkatalogs«: »Ein Buch könnte man schreiben über die Bedeutung der Photographie für die Herstellung der mannigfaltigen Lehrmittel der Kunstgeschichte. […] Eine ganz unberechenbare Wirkung für die Verbreitung kunstgeschichtlicher Kenntnisse und Interessen haben die photographischen oder nach Photographien hergestellten Einzelblätter, wie sie heute in allen Kunststädten und in den meisten Museen verkauft und als ›Andenken‹ oft auch von Leuten mitgenommen werden, die sonst keinen Pfennig für Kunst ausgeben. Auch der kleinste Typus des Einzelblattes, die Ansichtskarte, darf nicht unterschätzt werden. Tausende erhalten ihre erste Kenntnis bedeutender Kunstwerke durch eine von Freundeshand zugesandte illustrierte Karte, und es ist ein wahres Glück, daß die oft geschmacklosen oder gar scabrösen Postkartenbilder allmählich durch Darstellung schöner Landschaften, Gebäude, Skulpturen und Bilder verdrängt werden. Für Gemälde wird neben dem Schwarzdruck jetzt auch Drei- und Vierfarbendruck mit großem Erfolg angewendet. In Mailand sah ich jüngst einige geradezu ideale Dreifarbenkarten nach Bildern des Breramuseums und der Ambrosiana. Selbst dem Kunstgelehrten oder dem produktiv tätigen Künstler, der sich eine bestimmte Gruppe von Denkmälern sammeln will, sind die überall verkäuflichen billigen Ansichtskarten zur Unterstützung des Gedächtnisses von Nutzen. Man kann mit ihnen eine Art kunstgeschichtlichen Zettelkatalog herstellen, der eine rasche Orientierung über das Rohmaterial ermöglicht.« Und weiter, noch eine Lanze für das Medium Zettelkatalog 77 G: Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons, S. 284. 78 Matyssek: »Entdecker« und »Finder«, S. 231. 79 Siehe M, Bruno: Die Photographie im Dienste der Kunstwissenschaft und des Kunstunterrichtes, in: Westermanns Illustrierte Deutsche Monatshefte 47 (1879/1880), S. 196–209 und 307– 318. – Zu Grimm und Meyer siehe auch Abschnitt »Archäologie des vergleichenden Sehens«. 80 Siehe K, Karl: Die Photographie im Dienste der Geisteswissenschaften, Leipzig 1906. 81 K: Die Photographie im Dienste der Geisteswissenschaften, S. 6.

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II. I brechend: »Über die kunstgeschichtlichen oder sonstigen Kenntnisse, die einem weiteren Publikum durch so bescheidene Mittel wie Einzelblätter und Ansichtskarten vermittelt werden, wird mancher Richter vielleicht die Nase rümpfen. Mit Unrecht. Jede Bildung und jede Teilnahme wächst allmählich aus kleinen Samenkörnern zusammen; ob ein Samenkorn Früchte erzeugt oder nicht, hängt von der Anlage des Individuums und äußeren Umständen ab; je mehr Samenkörner aber ausgestreut werden, desto mehr Früchte werden sie zeitigen.«82 Gewissermaßen als ein Samenkorn könnte Warburg auch die folgende Passage betrachtet haben, mit der bereits ein Strukturmerkmal der späteren K.B.W. artikuliert ist: »Von größter Wichtigkeit ist die systematische Sammlung photographischer Einzelblätter von Denkmälern aller Art, Handschriftenproben, Urkunden usw. für den Unterricht und das Studium in den geisteswissenschaftlichen Instituten unserer Hochschulen. In jedem kunstgeschichtlichen, philologischen und historischen Seminar sollte zur Ergänzung der gedruckten Hilfsbücher ein Archiv einzelner Photographien und Reproduktionen angelegt werden.«83 Nicht zuletzt weiß Krumbacher auch die Vorzüge speziell der kleinformatigen Photographie in rationeller und ökonomischer Hinsicht herauszustellen, die Warburg bereits auf seiner Amerikareise zu schätzen gelernt hatte. Krumbacher bedient sich dazu diverser Tafelwerke, die auch Warburg besaß und an denen er Krumbachers Plädoyer nachvollziehen konnte – ein Plädoyer nicht nur für eine adäquate Werkwiedergabe, sondern darüber hinaus für eine materiale und mediale Eigenart auch von Warburgs Bilderatlas, nämlich überwiegend aus verhältnismäßig kleinformatigen photographischen Reproduktionen montiert zu sein: »Welche materiellen Schwierigkeiten bei kunsthistorischen Studien und Bildausgaben mit Hilfe der Photographie sich überwinden lassen, soll nun an der Hand einer neueren deutschen Publikation gezeigt werden: Dr. Richard Stettiner hat sich vor etwa zwei Jahrzehnten die Aufgabe gestellt, die illustrierten Handschriften des im ganzen Mittelalter ungemein beliebten christlichen Dichters Prudentius († um 410) wissenschaftlich herauszugeben. Es handelte sich nicht darum, etwa eine Handschrift musterhaft zu veröffentlichen, sondern um das weit schwierigere Problem, die Illustrationen aus einer Menge von Handschriften, die in nicht weniger als dreizehn Städten verschiedener Länder zerstreut sind, möglichst lückenlos darzubieten, wozu natürlich eine genaue Vergleichung aller überhaupt vorhandenen Bilder unerläßlich war. Er begann damit, eine Reihe von Aufnahmen durch Fachphotographen machen zu lassen; bald aber zeigte sich, daß so nicht zum Ziele zu kommen sei. Von Freunden beraten, fand Stettiner den richtigen Weg. Mit Hilfe einer Stägemannschen Camera [einer besonders kompakten und leistungsfähigen Kamera, T. H.] und eines guten Steinheilschen Applanats machte er alle Aufnahmen in dem kleinen Formate von 9 × 12 cm. So gelang es mit den verfügbaren beschränkten Mitteln, das ganze Material photographisch zusammenzubringen, zu sichten und für die Wiedergabe in Lichtdruck vorzubereiten. Ohne diese Verkleinerung des 82 K: Die Photographie im Dienste der Geisteswissenschaften, S. 5 f. 83 K: Die Photographie im Dienste der Geisteswissenschaften, S. 6.

. D M  K Formats und ohne die Befreiung von der kostspieligen Hilfe der Fachphotographen wäre das interessante und wissenschaftlich so wertvolle Werk schon an den finanziellen Schwierigkeiten gescheitert. Der Nachteil, daß ein kleiner Teil der Bilder in der natürlichen Größe, alle übrigen in der erwähnten starken Reduktion wiedergegeben sind, wird leicht ertragen; denn auch die kleinen Bilder, von denen acht auf eine einzige Tafel gebracht werden konnten, sind sehr deutlich, und selbst die Schrift ist ohne Lupe lesbar [Abb. 4, T. H.].«84 Neben der Publikation von Krumbacher sammelte Warburg Literatur zu verschiedenen Aspekten der Photographie, von praktischen Ratgebern85 über historische Abhandlungen86 bis zu Kunstbänden87. Und in seinen Zettelkästen88 wie auch in seiner Korrespondenz finden sich schon früh diverse Spuren seines Fasziniertseins von diesem Medium: »Gestern habe ich zum ersten Mal die Produkte der neuen Erfindung der Buntphotographie gesehen; das ist wirklich bewundernswert.«89 Wie schon bemerkt, erachtete Warburg die Photographie für seine Theoriebildung als essentiell: »Ohne den Photographen im Hause würde die

84 K: Die Photographie im Dienste der Geisteswissenschaften, S. 11 f. Bei der vorgestellten und auch in Warburgs Besitz befindlichen Publikation handelt es sich um: S, Richard: Die illustrierten Prudentiushandschriften. Tafelband, Berlin 1905. De facto finden sich hier bis zu vierzehn Bilder auf einer einzigen Tafel. – Krumbacher führt noch weitere Werke auf, die Warburg ebenfalls besaß, so zum Beispiel H, Wilhelm Ritter von/W, Franz (Hrsg.): Die Wiener Genesis (Separatausgabe der Beilage zum XV. und XVI. Bande des Jahrbuches der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses), Wien/Prag/Leipzig 1895; und A, Karl von (Hrsg.): Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels. Auf Veranlassung und mit Unterstützung der Kgl. Sächsischen Kommission für Geschichte, sowie mit Unterstützung der SavignyStiftung. Erster Band: Facsimile der Handschrift, in 184 Lichtdrucktafeln nebst 6 Tafeln in Farbendruck und 3 Ergänzungstafeln in Autotypie sowie einer Einleitung vom Herausgeber, Leipzig 1902. 85 Siehe beispielsweise J, Robert: A complete treatise on the art of retouching photographic negatives and clear directions how to finish & colour photographs, London 1889; sowie K, P. Raphael: Die Photographie historischer Dokumente nebst den Grundzügen der Reproduktionsverfahren. Wissenschaftlich und praktisch dargestellt von P. Raphael Kögel (Zentralblatt für Bibliothekswesen, Beiheft 44), Leipzig 1914. 86 Siehe beispielsweise Gesellschaft zur Förderung der Amateur-Photographie in Hamburg/S, L./S, E. (Hrsg.): Dilettantismus und Amateurphotographie. Eine Sammlung von Aufsätzen, Studien und Skizzen, Hamburg 1907; sowie W, Wilhelm: Die Daguerreotypie in Hamburg 1839–1860. Ein Beitrag zur Geschichte der Photographie (1. Beiheft zum Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen Anstalten XXXII, 1914), Hamburg 1915. 87 Siehe beispielsweise Offizieller Katalog der Internationalen Photographischen Ausstellung Dresden 1909, Dresden 1909; sowie G, Hanns: Technische Schönheit. 64 Bilder, eingeleitet und erläutert von Hanns Günther (Schaubücher, Bd. 3), Zürich/Leipzig 1929. 88 So zum Beispiel unter dem sprechenden Lemma »Reproduktion Kunst« ein Zeitungsausschnitt vom 19. Januar 1911 über einen Vortrag die Geschichte der Daguerreotypie in Hamburg betreffend. Siehe Zettelkasten Nr. 50 (»Reproduktion Kunst«): WIA, III.2.50/028076–7no1: »Die Daguerreotypie in Hamburg«. 89 Warburg Institute Archive (WIA), Family Correspondence (FC), Aby Warburg an Charlotte und Moritz Warburg, 3. Juni 1892.

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Abb. 4: »das ganze Material photographisch zusammenzubringen«

Entfaltung der ›neuen Methode‹ nicht möglich sein.«90 Von deren Wichtigkeit für Warburg zeugen zweierlei Bilder: zum einen diverse Photographien, die er von seiner Amerikareise mitbrachte – darunter acht gerahmte handkolorierte Photographien, 22 Cyanotypien und 17 stereoskopische Photographien –, die sich im Archiv des Warburg Institute erhalten haben (Abb. 5–7); zum anderen die zahlreichen Aufnahmen, die er während dieser Reise machte.91 Im Februar 1896 photographierte Warburg in der Nähe von Santa Fe, Neu-Mexiko, einen anderen Photographen beim Photographieren von Felszeichnungen (Abb. 8), und es ist zumindest bemerkenswert – auch wenn womöglich durch Verlust bedingt –, dass sich keine Photographie der Felszeichnungen selbst erhalten hat, die zu photographieren für einen Bildhistoriker doch eine vornehmliche Aufgabe gewesen wäre, sondern lediglich diejenige eines Photographen, der jene reproduziert. Selbst wenn der Schnappschuss bloß 90 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 186 (Eintrag vom 24. Januar 1928). 91 Siehe C G, Benedetta/M, Nicholas (Hrsg.): Grenzerweiterungen. Aby Warburg in Amerika 1895–1896 (1998), Hamburg/München 1999; sowie J, Ian: Aby Warburg as Photograph, in: C G/M (Hrsg.): Grenzerweiterungen, S. 48–52.

. D M  K

Abb. 5: Handkolorierte Photographie von Colorado Springs

Abb. 6: Cyanotypie mit dem Titel »634 – Juanico, A Councillor of ACOMA. Copyright 1892 BY C. F. LUMMIS«

einer Laune gehorcht haben mag, so lässt sich hier doch bereits ein Gespür für die Bedeutsamkeit des Mediums erahnen. Warburg betrachtete die mediale Transformation etwa von Malerei in Photographie keinesfalls nur als eine Option, sondern vielmehr als eine Notwendigkeit, die sogar noch vor der nahsichtigen Betrachtung des Originals firmiere. So schreibt er 1902 in »Bildniskunst und florentinisches Bürgertum«, es sei »die nächstliegende einfache Pflicht, eine größere Detailaufnahme anfertigen zu lassen, oder das Bild wenigstens einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen«.92 Und im Tagebuch der K.B.W. findet sich noch fast dreißig Jahre 92 W, Aby: Bildniskunst und florentinisches Bürgertum (1902), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 1), Berlin 1998, S. 89–126 und 340–352, hier: S. 101. Vgl. auch S, Karl: Eye-Memory und mimische Entladung. Der War-

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Abb. 7: Stereoskopische Photographie mit dem Titel »The Indian Pueblo of Cochiti and Vicinity. No. 140. Statues of Mountain Lions. Photographed & Published at Santa Fe, N. M., by Henry Brown«. Die Bildlegende auf der Rückseite lautet: »Enclosed by a rude quadrangular stone wall. Each of them is about 6 feet long, and represents a Puma in the act of crouching for a spring. They are idols of the God of the chase, and as such are still worshipped by the Indians of Cochiti, who annoint the heads of the statues with a reddish ointment, when about to start on a hunting expedition. They occupy the highest point of the great Potrero de las Vacas, and are about ½ mile from the ruins of an ancient pueblo. A splendid view of the Sierra de Santa Fe, is enjoyed from the site of the statues.«

später die Notiz: »Im Kultraum am Viale Manzoni. In den Photographien mehr zu sehen als in Wirklichkeit.«93 In einem Brief an Ludwig Binswanger vom 6. Oktober 1926, in dem Warburg sich auf eine Bilderreihe zum »Wanderzug« astrologischer Bildmotive bezieht, die er auf dem Orientalistenkongress von 1926 vorgestellt hatte, hebt er den Gewinn raumzeitlicher Komprimierung von historischen Entwicklungslinien durch die moderne Reproduktionstechnik hervor: »Als grosse Hilfe kam bei diesem Versuch hinzu, dass unsere Photographiermaschine – ein ›Photoclark‹ von Dr. Jantsch in Ueberlingen – es erlaubt, in ganz kurzer Zeit eine gewaltige Anzahl von Abbildungen ohne Glasnegativ zu produzieren. So

burg-Kreis und die Darstellung des Gesichts im bewegten Bild, in: montage/av. Zeitschrift für Theorie & Geschichte audiovisueller Kommunikation 13 (1), 2004, S. 72–89, hier: S. 79. 93 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 425 (Eintrag vom 25. März 1929).

. D M  K Abb. 8: Aby Warburg, Mann beim Photographieren von Felszeichnungen bei den Ruinen von San Cristobal in der Nähe von Santa Fe, Neu-Mexiko, Februar 1896 (Originalabzug in schlechtem Erhaltungszustand)

zeigten wir etwa 130 Bilder, die, einen Zeitraum von etwa 4000 Jahren umfassend, die Etappen des Wanderzuges andeuteten.«94 Es darf nicht verschwiegen werden, dass Warburgs Einstellungen gegenüber technischen Reproduktionsverfahren, insbesondere der Photographie und auch der Lichtbildprojektion, die Warburg mittels eines speziellen Projektors im Lesesaal seiner Bibliothek forcierte (Abb. 9),95 durchaus ambivalent gewesen sind. Anlässlich einer geplanten Rembrandt-Ausstellung im Hamburger Volksheim96 propagierte er das Studium der Originale und meldete Bedenken an, »durch Surrogate die Volksseele ästhetisch anzuregen«: Es »[…] verbieten sich zwei Arten der von uns für eine Ausstellung geplanten Surrogate durch deren Stil: die Photographie und das Lichtbild. Gerade indem Rembrandt im Dunkel 94 Zitiert nach R, Ulrich: Zur Korrespondenz Ludwig Binswanger – Aby Warburg im Universitätsarchiv Tübingen, in: B/D/S-G (Hrsg.): Aby Warburg, S. 55–70, hier: S. 63. 95 Siehe Abschnitt »Archäologie des vergleichenden Sehens«. Im Tagebuch der K.B.W. ist wiederholt die Rede von einem umfangreichen »Diapositiv-Katalog«, an dem offenbar intensiv gearbeitet worden ist: »Arnolds wird einige Tage an der B.W. arbeiten und den Diapositiv-Katalog fertig stellen.« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 10 (Eintrag vom 7. September 1926). Siehe auch W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 8 f. (Eintrag vom 1. September 1926). 96 Das Hamburger Volksheim wurde 1901 nach dem Vorbild der englischen Settlement-Bewegung gegründet. Grundgedanke der settlers war der Wunsch sozial engagierter Akademiker, zusammen mit Bedürftigen zu leben und mit ihnen gemeinsam deren Leben zu verbessern. Dementsprechend war es erklärtes Ziel der Einrichtung in Hamburg, sozial segregierte Schichten, insbesondere Gebildete und Arbeiter, jenseits ideologischer Vereinnahmungen oder parteipolitischer Bindungen gesellig zu verbinden. Zu den ersten Angeboten des Volksheims gehörten neben der intensiven Jugendarbeit ein Lesezimmer, kostenlose Kurse in Deutsch und Literatur, Sonntagskonzerte und weitere kulturelle Darbietungen in vielen Hamburger Stadtteilen. Auch verdanken sich Einrichtungen wie die Bücherhallen oder die Öffentliche Rechtsauskunft einer Initiative des Volksheims. – Zu Warburgs Verhältnis zum Volksheim siehe B, Christiane: Kunst als Denkraum. Zum Bildungsbegriff von Aby Warburg (Kunstgeschichte, Bd. 3), Pfaffenweiler 1997, S. 135–148.

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II. I Abb. 9: K.B.W., »Großes Epidiaskop für Vergleichsbilder« auf der Empore des Lesesaals

das Farbige sah, hat er ein neues Instrument des farbigen Ausdrucks durch Mitteltöne gefunden, die die Photographie eben auffrißt, und ebenso sind seine Radierungen dazu bestimmt und geschaffen, in der Hand als Kleinbildwerke des schwarz-weißen Ausdrucks ein innerlich großes Bild wiederzugeben – ein Prozeß, der durch die plumpe mechanische Vergrößerung also geradezu in sein Gegenteil verkehrt wird: das Publikum soll gewissermaßen aus einem Wasserkopf die monumentalste Kleinskulptur menschlicher Bildniskunst herausfühlen. […] wir dürfen das befriedigende Gefühl der beseitigten Leere durch verfälschte Nahrungsmittel nicht als Symptom einer wirklich gesunden geistigen Ernährung ansehen.«97 So subtil und harsch zugleich Warburgs Kritik auch ausfällt, sie muss auf den besonderen Kontext, nämlich Fragen der Volksbildung, bezogen werden. Verallgemeinerbar in Hinblick auf das Arbeiten eines Wissenschaftlers ist sie nicht. Warburg, für den die verkleinernde photographische Reproduktion in Schwarz-Weiß auch als ein Medium der »Denkraumschöpfung«98 und der apotropäischen Bannung einer

97 W, Aby: Die Bilderausstellungen des Volksheims (1907), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 2), Berlin 1998, S. 589–592 und 658, hier: S. 591 f. – Warburgs dialektische Argumentation, dass gerade durch die Anschauung auch kleinstformatiger Originale ein Bewusstsein für deren ästhetische und ideelle Größe freigesetzt werde, konterkariert die von Grimm vertretene schlichtere Ansicht, dass erst die Vergrößerung durch das Skioptikon einem Kunstwerk zu seiner wahren Größe verhelfe: »Aber erst wer es [Dürers Blatt »Ritter, Tod und Teufel«, T. H.] in der colossalen Größe, die das Skioptikon ihm verleiht, gesehen hat, wird den Stich von nun an nur für die verkleinerte Wiederholung eines in Dürer’s Phantasie ursprünglich colossal hausenden Gemäldes betrachten, welchem die wahre Größe zu verleihen zufällige Verhältnisse den Meister verhinderten.« G: Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons, S. 357, differenzierter: S. 281 f. 98 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 547 (Eintrag vom 11. November 1929).

. D M  K so empfundenen übermächtigen Bildgewalt willkommen gewesen sein mag,99 begriff aber nicht nur die Medialität der Photographie, sondern ebenso diejenige seines Denkgebäudes, im buchstäblichen Sinn des Wortes. Bereits in den Augen der Zeitgenossen wurde Warburgs »machine à penser«100, die K.B.W., wertgeschätzt als außergewöhnliche Manifestation »eines einheitlich-ganzheitlichen, eigensinnigen und selbsttätig eingreifenden Mediums«101. So würdigte Carl Georg Heise, ein Schüler Warburgs, sie als »ein immer feiner geschliffenes Instrument«102, und 1917 schrieb Rudolf Hoecker im »Zentralblatt für die deutsche Kunst« über selbige: »Hier hat die Bibliothek überhaupt ihr ideales Ziel erreicht / sie ist die Hüterin der geistigen Taten vergangener Epochen nicht nur / sondern ihr Material ist er- und verarbeitet worden zu neuen Erkenntnissen. […] Von ihr kann schlechterdings nicht gesprochen werden / ohne die leitenden Ideen / nach denen sie geformt wurde / zu kennen / deren sinnfällige Objektivation sie ist.«103 Warburg selbst pointiert die Medialität der K.B.W., indem er eigens darauf verweist, dass sie ganz selbstverständlich Wissen nicht nur archiviere und distribuiere, sondern auch generiere: »Sie hat […] einen autonomen Kreislauf einer geschlossenen Eigenlebendigkeit dem Buche gegenüber, das sie«, so Warburg, nicht nur sammelt und ausleiht, sondern auch »produziert – als Problembearbeitung«. Damit obliege

99 Siehe P, Ulrich: »Transformatio energetica«. Aby Warburgs Bild-Text-Atlas Mnemosyne, in: A, Stefan/D, Bernhard J. (Hrsg.): 1929. Beiträge zur Archäologie der Medien, Frankfurt a. M. 2002, S. 9–30, insbesondere: S. 27–29. Port zieht diesbezüglich überzeugend eine Verbindung zwischen der photographischen Reproduktion in Schwarz-Weiß und der Grisaille, die Warburg als eine kritisch-antiillusionistische Technik bedenkt, die »das Schattenreich der vorgeprägten Revenants in metaphorischer Distanz« zu halten vermöge. W, Aby: Grisaille, Notizbuch 1929, zitiert nach G: Aby Warburg, S. 334. Siehe auch .: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 462 (Eintrag vom 4. Juni 1929): Hier apostrophiert Warburg die Grisaille als »metaphorischen Kühlraum«. Zu Warburgs Reflexionen über Grisaille siehe S-G, Charlotte: Warburg über Grisaille. Ein Splitter über einen Splitter, in: B/D/S-G (Hrsg.): Aby Warburg, S. 199–212. 100 T, Martin: Warburgs Nachleben. Ein Gelehrter und (s)eine Denkfigur, in: D./W, Daniel (Hrsg.): Nachleben der Religionen. Kulturwissenschaftliche Untersuchungen zur Dialektik der Säkularisierung (Trajekte. Eine Reihe des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin), München 2007, S. 25–40, hier: S. 27. 101 J-L, Martin: Die Suche nach der symbolischen Form. Der Kreis um die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Mit einem Geleitwort von Gert Mattenklott (Saecula spiritalia, Bd. 13), Baden-Baden 1985, S. 198. 102 H, Carl Georg: Persönliche Erinnerungen an Aby Warburg (1947/1959) (Gratia. Bamberger Schriften zur Renaissanceforschung, Bd. 43), hrsg. und kommentiert von B, Björn/S, Hans-Michael, Wiesbaden 2005, S. 21. Heises Schrift wurde erstmals 1947 als Privatdruck publiziert und zunächst nur an Mitglieder der Familie Warburg, Bekannte und befreundete Gelehrte verteilt. 1959 erschien eine leicht veränderte Fassung für Eric M. Warburg und für die Mitglieder der »Gesellschaft für Bücherfreunde zu Hamburg«. Siehe B, Björn/S, Hans-Michael: Nachwort der Herausgeber, in: H: Persönliche Erinnerungen an Aby Warburg, S. 75–120. 103 Zitiert nach J-L: Die Suche nach der symbolischen Form, S. 198.

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II. I der K.B.W. der »ganze Prozeß der Buchschöpfung: Von der Sprache – zur Schrift (Druck)«, und zwar »als normales Erlebnis des Tages«.104 Wie sehr Warburg seine Bildkonvolute nicht nur nach inhaltlichen Gesichtspunkten strukturierte, sondern auch bezüglich ihrer medialen Potenz reflektierte, demonstriert unter anderem ein wegen seiner Kürze zunächst marginal erscheinender, wiewohl paradigmatischer Aufsatz über »Arbeitende Bauern auf burgundischen Teppichen« von 1907. Gleich zu Beginn des Textes, in einer komplexen Verschränkung funktionsanalytischer, soziologischer sowie medienarchäologischer Argumente, denkt er nicht nur die Bilder selbst, sondern auch die Medien ihrer technischen Reproduktion: »denn das Wesen des gewebten Teppichs, des Arazzo, beruhte nicht auf einmaliger origineller Schöpfung, da der Weber als anonymer Bildvermittler denselben Gegenstand technisch so oft wiederholen konnte, wie der Besteller es verlangte; ferner war der Teppich nicht wie das Fresko dauernd an die Wand gefesselt, sondern ein bewegliches Bildervehikel; dadurch wurde er in der Entwicklung der reproduzierenden Bildverbreiter gleichsam der Ahne der Druckkunst, deren wohlfeileres Erzeugnis, die bedruckte Papiertapete, die Stellung des Wandteppichs folgerichtig im bürgerlichen Hause völlig usurpiert hat.«105 Während Warburg Medien hier bereits nicht mehr nur als Objekte historischer Darstellung würdigt, artikuliert er sein Wissen um die medientechnische Bedingtheit der Formation von Kultur und deren Geschichte vor allem in der Einleitung zu seinem Bilderatlas. Hier räsoniert Warburg in einer programmatischen Passage über den Prozess der Stilbildung und die Faktoren, welche diesen steuern. Mit Blick auf Tapisserie, Kupferstich und Holzschnitt erkennt er klar die frühmoderne Reproduktionstechnologie samt ihren flexiblen und dynamischen Bildträgern als mediale Möglichkeitsbedingung für die Variabilität einer kulturellen Größe wie Stil: »Faßt man demgemäß Stilbildung als ein Problem 104 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 498 (Eintrag vom 4. August 1929). Für Warburg machte »gerade die Anschaffung des Buches durch seine körperliche Gegenwart und im Nachbarschaftskonzern die Besonderheit der encyclopaedischen Ganzheit und Wachstums-Fähigkeit« aus, »die auf dem [kosmischen] latent einheitlichen System dieser sich schneidenden oder umkreisenden oder tangential berührenden Gedankenträgerconcerne beruht, das eben nur in einer solchen Problembibliothek sich als plastisches Element offenbare.« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 130 (Eintrag vom 21. August 1927). In diesem Sinne bezeichnet auch Fritz Saxl die Aufstellung der Bücher daselbst als »Problemstellung[ ] und Wegweiser zu deren Lösung«. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 34 (Eintrag vom 3. Dezember 1926). Siehe auch Abschnitt »Verzettelungen«. 105 W, Aby: Arbeitende Bauern auf burgundischen Teppichen (1907), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 1), Berlin 1998, S. 221–230 und 383, hier: S. 223. Siehe auch W: Vier Stichworte: Ikonologie – Pathosformel – Polarität und Ausgleich – Schlagbilder und Bilderfahrzeuge, S. 75–83.

. D M  K des Austausches solcher Ausdruckswerte auf, so stellt sich die unerläßliche Forderung ein, die Dynamik dieses Prozesses in Bezug auf die Technik seiner Verkehrsmittel zu untersuchen. Die Zeit zwischen Piero della Francesca und der Raffael-Schule ist eine Epoche der beginnenden intensiven internationalen Bilderwanderung zwischen Norden und Süden, deren elementare Gewalt, sowohl was die Wucht des Einschlags wie den Umfang ihres Wandergebietes angeht, dem europäischen Stil-Historiker verdeckt wird durch den offiziellen ›Sieg‹ der römischen Hochrenaissance. Der flandrische Teppich ist der erste noch kolossalische Typus des automobilen Bilderfahrzeugs, der, von der Wand losgelöst, nicht nur in seiner Beweglichkeit, sondern auch in seiner auf vervielfältigende Reproduktion des Bildinhaltes angelegten Technik ein Vorläufer ist des bildbedruckten Papierblättchens, d. h. des Kupferstiches und des Holzschnittes, die den Austausch der Ausdruckswerte zwischen Norden und Süden erst zu einem vitalen Vorgang im Kreislaufprozeß der europäischen Stilbildung machten.«106 Neben der Relektüre bekannter Werke räumen Notizen Warburgs aus den Jahren 1905 bis 1911 letzte Zweifel an seiner Fokussierung auch und gerade medialer Aspekte des Bildes aus. In einem gebundenen großen Folionotizbuch, das laut Titel Gedanken zum »Schematismus der Pathosformeln« versammelt, findet sich einleitend eine ebenso betitelte groß angelegte Tabelle, deren Zeilen verschiedenen Motiven – »Lauf«, »Kampf« oder »Auferstehung« – und deren Spalten unterschiedlichen Medien – »Gerät«, »Tafelbild« oder »Poesie« – vorbehalten sind (Abb. 10).107 Die Bestimmung einzelner in die Tabelle einzutragender Kunstwerke nicht nur durch Motivik, sondern auch durch deren Medialität wird im hinteren Teil des 92 Folioblätter umfassenden Bandes noch zugespitzt. Hier nämlich findet sich in einer Ideenskizze eine der frühesten Erwähnungen des Konzeptes Bilderatlas: »Ein[en] Bilderatlas vorlegen: / der Reproduktionen enthalte / v. Handschriftenillustrat[ionen] / 106 W, Aby: MNEMOSYNE. Einleitung, in: D.: Der Bilderatlas MNEMOSYNE, hrsg. von W, Martin unter Mitarbeit von B, Claudia (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Zweite Abteilung, Bd. II. 1) (2000), 2., ergänzte Aufl., Berlin 2003, S. 3–6, hier: S. 5. Bereits in seinem Aufsatz über »Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten« zeigt sich Warburg, der Bedeutung der massenhaft verbreiteten, tagesaktuellen Prodigienliteratur nachspürend, sensibel für die Medien der bildhistorischen Migrations- und Transformationsprozesse und findet starke Metaphern für jene »automobilen Bilderfahrzeuge«: »War schon durch den Druck mit beweglichen Lettern der gelehrte Gedanke aviatisch geworden, so gewann jetzt durch die Bilderdruckkunst auch die bildliche Vorstellung, deren Sprache noch dazu international verständlich war, Schwingen, und zwischen Norden und Süden jagten nun diese aufregenden ominösen Sturmvögel hin und her, während jede Partei versuchte, diese ›Schlagbilder‹ (wie man sagen könnte) der kosmologischen Sensation in den Dienst ihrer Sache zu stellen.« W: Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten (1920), S. 513. Vgl. auch W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 309 f. (Eintrag vom 20. Juli 1928): »Die Bildträger führen eben eine eigene souveräne der Zeitgeschichte nicht unterworfene Existenz insofern [sic!] sie Präger von maximalen Ausdruckswerten (positiv oder negativ, statisch oder dynamisch) sind.« 107 WIA, III.71. »Schematismus der Pathosformeln«, 1905–1911, Fols. 3–5. Vgl. auch W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 395 (Eintrag vom 14. Januar 1929).

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II. I

Abb. 10: Aby Warburg, Tabelle »Schematismus der Pathosformeln«

Skulpturen / Kupferstichen Büchern Einzelblätter[n] / Wandgemälden / Holzschnittbüchern / Leinwandbildern«.108 Signifikanterweise liegt der Fokus hier allein auf den Reproduktionsmedien, die zu sammelnden Bilder werden ausschließlich nach ihrer Medienzugehörigkeit gruppiert; eine Kategorisierung nach Motiven oder Pathosformeln findet nicht statt. Bislang unbekannt ist schließlich ein Notizblatt Warburgs,das als ein Schlüsseldokument seiner Sensibilität für Fragen der Medialität betrachtet werden darf (Abb. 11). Ein Konvolut mit vorbereitenden Notaten für einen im Jahr 1928 in der Hamburger Handelskammer gehaltenen Vortrag über »Bilder aus dem Festwesen der Renaissance« birgt neben Bleistiftskizzen, welche die Anordnung einzelner Bilder auf diversen Bildtafeln festhalten, auch eine Statistik, die als solche aufschlussreich ist. Auf einem Blatt nämlich legt Warburg offenkundig eine Liste an, die unterschiedliche Reproduktionsmedien aufführt – »Miniatur108 WIA, III.71. »Schematismus der Pathosformeln«, 1905–1911, Fol. 79r. Siehe auch W, Claudia: Ideengeographie. Ein Versuch zu Aby Warburgs »Wanderstraßen der Kultur«, in: M, Helga/S, Katharina (Hrsg.): Ent-grenzte Räume. Kulturelle Transfers um 1900 und in der Gegenwart (Studien zur Moderne, Bd. 22), Wien 2005, S. 227–254, insbesondere: S. 232 f.

. D M  K

Abb. 11: Aby Warburg, Liste unterschiedlicher Reproduktionsmedien und der Häufigkeit ihres Vorkommens auf mehreren, für einen Vortrag zusammengestellten Bildertafeln

Abb. 12: Aby Warburg, Liste unterschiedlicher Reproduktionsmedien und der Häufigkeit ihres Vorkommens auf mehreren, für einen Vortrag zusammengestellten Bildertafeln

porträt / Tafelbilder / Fresko / Kupferstich / Druckbild (Wertpapier) / Skizze / Figurine [Festwesen] / Affiche / Bildteppich / Plastik / Gefäße / Truhe / (Buch-) Text-Bild« – und die Häufigkeit ihres Vorkommens auf den für den Vortrag zusammengestellten Bildtafeln aufaddiert.109 Ein ähnliches Notizblatt findet sich bereits in einer mit »Diapositive Vorträge 1909« beschrifteten Kladde; auch hier sind »Tafelbilder«, »Fresken«, »Architektur« oder »Architekturplastik« ausgezählt (Abb. 12).110 Und es liegt nahe, diese Aufzeichnungen als einen Akt der Selbstvergewisserung des Kunstwissenschaftlers hinsichtlich der medialen Bandbreite seines Denkens mit Bildern zu interpretieren, mithin eines bildwissenschaftlichen Denkens, für das die Medialität der Bilder von substantieller Relevanz ist.

109 WIA, III.108.12. »Festivals. 1927–28«, Fols. 1–13: »Bilder aus dem Festwesen der Renaissance. Vortrag in der Hamburger Handelskammer am 14. April 1928«, Fol. 13. 110 Zettelkasten Nr. 4 (»Diapositive Vorträge 1909«): WIA, III.2.4/001763.

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III. Bildtelegraphie 1. Prometheus und Francofurtia Im Folgenden soll danach gefragt werden, inwieweit Warburg auf zeitgenössische Medientechnologien Bezug genommen hat, auf medientechnische Aktanten mithin, dem seine Ansätze und Methoden in struktureller Hinsicht verpflichtet zu sein scheinen. Konkret gilt das Augenmerk möglichen Strukturanalogien zwischen der Ausprägung jener singulären Modellbildungen Warburgs und dem Bildgebungs- und -übertragungsmedium Bildtelegraphie, einem Medium, dessen konstitutive Funktion für Warburgs Bilddenken bis dato nicht gewürdigt worden ist.1 Kein Text wäre für eine solche Relektüre Warburgs geeigneter als der Epilog zum »Schlangenritual«: »Ich konnte Ihnen heute abend nur an einem wirklichen Überbleibsel des magischen Schlangen-Kultes, leider nur allzu flüchtig, den Urzustand zeigen, an dessen Verfeinerung und Aufhebung und Ersatz die moderne Kultur arbeitet. Den Überwinder des Schlangenkultes und der Blitzfurcht, den Erben der Ureinwohner und goldsuchenden Verdränger des Indianers, konnte ich auf der Straße in San Francisco im Augenblicksbilde einfangen. Es ist Onkel Sam mit dem Zylinder, der voll Stolz vor einem nachgeahmten antiken Rundbau die Straße entlang geht. Über seinem Zylinder zieht sich der elektrische Draht. In dieser Kupferschlange Edisons hat er der Natur den Blitz entwunden [Abb. 13, T. H.]. Dem heutigen Amerikaner erregt die Klapperschlange keine Furcht mehr. Sie wird getötet, jedenfalls nicht göttlich verehrt. Was ihr entgegengesetzt wird, ist Ausrottung. Der im Draht eingefangene Blitz, die gefangene Elektrizität, hat eine Kultur erzeugt, die mit dem Heidentum aufräumt. Was setzt sie an dessen Stelle? Die Naturgewalten werden nicht mehr im anthropomorphen oder biomorphen Umgang gesehen, 1

Siehe auch H, Thomas: »Von der Kunstgeschichte zur Wissenschaft vom Bilde« (Aby Warburg) oder von der Geburt der Bildwissenschaft aus Sendetrommeln, Karoluszellen und Stromschwankungen, in: W, Silke (Hrsg.): Carte Blanche. Mediale Formate in der Kunst der Moderne, Berlin 2007, S. 131–167; sowie .: Kupferschlangen, unendliche Wellen und telegraphierte Bilder. Aby Warburg und das technische Bild, in: B, Cora/H, Thomas/ S, Erhard (Hrsg.): Schlangenritual. Der Transfer der Wissensformen vom Tsu’ti’kive der Hopi bis zu Aby Warburgs Kreuzlinger Vortrag (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, Bd. 16), Berlin 2007, S. 297–360. – Bei diesen Texten handelt es sich um frühere und rudimentärere Fassungen des folgenden Abschnitts.

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III. B Abb. 13: Aby Warburg, »Onkel Sam« unter »elektrischem Draht« vor »nachgeahmtem antiken Rundbau«, Februar 1896

sondern als unendliche Wellen, die unter dem Handdruck dem Menschen gehorchen. Durch sie zerstört die Kultur des Maschinenzeitalters das, was sich die aus dem Mythos erwachsene Naturwissenschaft mühsam errang, den Andachtsraum, der sich in den Denkraum verwandelte. Der moderne Prometheus und der moderne Ikarus, Franklin und die Gebrüder Wright, die das lenkbare Luftschiff erfunden haben, sind eben jene verhängnisvollen Ferngefühl-Zerstörer, die den Erdball wieder ins Chaos zurückzuführen drohen. Telegramm und Telephon zerstören den Kosmos. Das mythische und das symbolische Denken schaffen im Kampf um die vergeistigte Anknüpfung zwischen Mensch und Umwelt den Raum als Andachtsraum oder Denkraum, den die elektrische Augenblicksverknüpfung mordet.«2 2

W, Aby: Schlangenritual. Ein Reisebericht. Mit einem Nachwort von Ulrich Raulff (Kleine Kulturwissenschaftliche Bibliothek, Bd. 7) (1988), Berlin 1992, S. 58 f. Mit ähnlichem Zungenschlag schreibt Warburg in einem Brief an Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff am 23. April 1924 von der »täglichen Untat der Raum-Zerstörung in dem über uns hereingebrochenen Zeitalter der Transformation der Kräfte, wo es jedem hantierenden Frevler freisteht, den Radio-Schröpfkopf am ätherischen Leib des ewigen Zeus anzusetzen«. W, Aby M.: Brief an Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, 23. April 1924, in: D.: »Per monstra ad sphaeram«. Sternglaube und Bilddeutung. Vortrag in Gedenken an Franz Boll und andere Schriften 1923 bis 1925 (Kleine Schriften des Warburg Institute London und des Warburg Archivs im Warburg Haus Hamburg, Bd. 3), hrsg. von S, Davide unter Mitarbeit von W, Claudia, München/Hamburg 2008, S. 53–57, hier: S. 56. Siehe auch W, Aby M.: Schicksalsmächte im Spiegel antikisierender Symbolik, April 1924, in: D.: »Per monstra ad sphaeram«. Sternglaube und Bilddeutung. Vortrag in Gedenken an Franz Boll und andere Schriften 1923 bis 1925 (Kleine Schriften des Warburg Institute London und des Warburg Archivs im Warburg Haus Hamburg, Bd. 3), hrsg. von S, Davide unter Mitarbeit von W, Claudia, München/Hamburg 2008, S. 41–50, hier: S. 42 f.: »Solange der durchquerte Raum ihm [dem Menschen, T. H.] ein Zeitbewusstsein einprägt, ist er noch nicht ganz unselig. Aber jetzt, wo die Hand des Tasters von Nauen [gemeint ist eine 1906 erbaute berühmte Großfunkstelle in der Nähe von Berlin, T. H.] frevelhaft den Äther zum Sklaven menschlichen Geschwätzes macht, ist er auch durch seine Wissenschaft vom kosmischen Pneuma zum Prometheus geworden, dem jeden Tag die Zeitung, das Telegramm, [sic!] die Seele aus dem Leibe reisst.« Dem stehen Würdigungen der gleichen technischen Errungenschaften gegenüber, die positiv ausfallen: »Bei Ihnen kommt hinzu, dass mir unterdessen Ihr Arbeitsfeld auch von der Seite meiner Studien her vertrauter geworden ist, und Sie daher auch ganz anders wie der normale Besucher verstehen werden, dass ich ohne Ueberhebung sagen kann, dass das Zusammenwerken der verschiedenartigsten Gelehrten hier in meinem bescheidenen Bau die Meldestation gefunden hat, deren Antennen Wellen aus der vorzeitlichen Tiefe in ungewöhnlicher Schwingungsweite

. P  F Es verwundert, dass ein Mann, der in seinem Bibliotheksgebäude fast dreißig Telephonapparate anschließen ließ, vom »Kairos der Fernmündlichkeit«3 sprach und mittels Rohrpostanlage, Transportbandsystem und Bücheraufzug in dem Denkraum seiner Arbeitsstätte der elektrischen Augenblicksverknüpfung so nahe als möglich zu kommen trachtete (Abb. 14–17),4 moderne Technik verteufelt zu haben scheint. Werfen wir zum besseren Verständnis einen Blick auf die Zeitsignaturen, genauer: auf ein historisches Datum, das bisher nicht mit Warburg assoziiert worden ist. Als Warburg 25 Jahre alt war, fand in Frankfurt am Main die Internationale Elektrotechnische Ausstellung statt. Als eine Weltausstellung der Elektrotechnik band sie Kulturgeschichte an Technikgenese, insbesondere an die Dienst-

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und Schwingungsempfindlichkeit auffangen.« WIA, GC, Aby Warburg an Cyrus Adler, 23. Juli 1926. – Siehe zum »Schlangenritual« wie zur Reise Warburgs nach Arizona und Neu-Mexiko N, Claudia: Pompeji in Neu-Mexiko. Aby Warburgs amerikanische Reise, in: Thema 38, 1988, S. 88–97; F, Kurt W.: Die Hamburg-Amerika-Linie, oder: Warburgs Kulturwissenschaft zwischen den Kontinenten, in: B, Horst/D, Michael/S-G, Charlotte (Hrsg.): Aby Warburg. Akten des internationalen Symposions Hamburg 1990 (Schriften des Warburg-Archivs im Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg, Bd. 1), Weinheim 1991, S. 11–37; S, Salvatore: Kunstgeschichte als vergleichende Kulturwissenschaft: Aby Warburg, die Pueblo-Indianer und das Nachleben der Antike, in: G, Thomas W. (Hrsg.): Künstlerischer Austausch – Artistic Exchange. Akten des XXVIII. Internationalen Kongresses für Kunstgeschichte, Berlin, 15.–20. Juli 1992, Bd. 1, Berlin 1993, S. 139–158; W, Sigrid: Aby Warburg’s Schlangenritual: Reading Culture and Reading Written Texts, in: New German Critique. An Interdisciplinary Journal of German Studies, Nr. 65, 1995, S. 135–153; S, Michael P.: Aby Warburg’s Kreuzlingen Lecture: A Reading, in: W, Aby M.: Images from the Region of the Pueblo Indians of North America, Ithaca/London 1995, S. 59–114; C G/M (Hrsg.): Grenzerweiterungen; S, Thomas: Zwischen Empfinden und Denken. Aspekte zur Kulturpsychologie von Aby Warburg (Kunstgeschichte, Bd. 65), Münster/Hamburg/London 2000, S. 143–158; K, Joseph Leo: Introduction, in: W, Aby: Le Rituel du serpent. Récit d’un voyage en pays pueblo. Introduction par Joseph Leo Koerner. Textes de Fritz Saxl (1930) et de Benedetta Cestelli Guidi (La littérature artistique), Paris 2003, S. 9–54; ME, Dorothea: »Wanderstrassen der Kultur«. Die Aby Warburg – Fritz Saxl Korrespondenz 1920 bis 1929 (Kleine Schriften des Warburg Institute London und des Warburg Archivs im Warburg Haus Hamburg, Bd. 2), München/Hamburg 2004, S. 26–29; S, Erhard: Die Moderne im Spiegel des Primitiven. Weltliteratur und Ethnologie (1870–1960), München 2005, S. 137–169; sowie B, Cora/ H, Thomas/S, Erhard (Hrsg.): »Schlangenritual«. Der Transfer der Wissensformen vom Tsu’ti’kive der Hopi bis zu Aby Warburgs Kreuzlinger Vortrag, Berlin 2007. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 116 (Eintrag vom 10. Juli 1927). Zur Technisierung und Rationalisierung des Betriebs in der K.B.W., der einer der modernsten seiner Zeit war, siehe S, Tilmann von: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Architektur, Einrichtung und Organisation, Hamburg 1992, S. 90–101; sowie W, Martin: »Ich bin wissenschaftlicher Privatbankier, dessen Credit so gut ist wie der der Reichsbank.« Aby Warburg und die Warburg-Bank, in: M, Karin: Aby Warburg. Im Bannkreis der Ideen, hrsg. von O, Christian, München 2007, S. 10–19, insbesondere: S. 13. Von einem »Intranet avant la lettre« spricht mit Blick auf die vernetzten Kommunikationsmedien und die Transportlogistik innerhalb der K.B.W. E, Wolfgang: Das Gesetz des Gedächtnisses. Medien und Archive am Ende (des 20. Jahrhunderts), Berlin 2007, S. 91.

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III. B

Abb. 14: K.B.W., Nische des Lesesaals mit Hebetisch und Rohrpostanlage

Abb. 15: K.B.W., Kommunikationsstation im Magazin

barmachung der Elektrizität, welche als die universell verwendbare Energie schlechthin im Begriff war, zur Signatur der Moderne zu werden (Abb. 18).5 Die Ausstellung zeitigte zwischen Mai und Oktober 1891 den immensen Zuspruch von 1,2 Millionen Besuchern, was etwa dem Sechsfachen der Einwohnerzahl Frankfurts entsprach. Faktisch war um die Jahrhundertwende Strom in aller Köpfen. Elektrizität wurde zu der universell verwendba5

Siehe S, Jürgen (Hrsg.): »Eine neue Zeit ..!«. Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891, Frankfurt a. M. 1991; B, Kenneth G.: Exhibiting Electricity (IEE History of Technology Series, Bd. 21), London 1997; S, Rolf (Hrsg.): Unbedingt modern sein. Elektrizität und Zeitgeist um 1900, Osnabrück 2001; sowie S, Jürgen: Die »fée électricité« trifft Prometheus – Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891 und die »Neue Zeit«, in: S (Hrsg.): Unbedingt modern sein, S. 34–49. Zu den politischen, sozialen und ökonomischen Implikationen der Frankfurter Ausstellung siehe S, Jürgen: »Neue Zeit«-Vorstellungen als Kritik der Industriellen Revolution. Zu Bedeutung und Rolle von Elektrizität und Elektrotechnik in Modernisierungsstrategien des 19. Jahrhunderts, in: P, Klaus/H, Mary Ann/L, Helmut/L, Günther/M, Juliane/S, Gerhard (Hrsg.): Elektrizität in der Geistesgeschichte, Bassum 1998, S. 169–182. Zu Inszenierungen der Elektrizität auf Weltausstellungen um 1900 siehe F, Ulrike: »La fée électricité«. Visionen einer Technik, in: P/H/L/L/M/S (Hrsg.): Elektrizität in der Geistesgeschichte, S. 105–121.

. P  F Abb. 16: K.B.W., Laufband unter der Erdgeschoßdecke zur Nische des Lesesaals

ren Energie schlechthin, mit ihr wurden Lampen gespeist, Maschinen angetrieben und Informationen übertragen, sie wurde als Düngemittel, zur Elektrotherapie und für Hinrichtungen verwendet.6 Die Inszenierung der elektrischen Kraft war omnipräsent und erklomm mythische Höhen. So verlautbart eine zeitgenössische Schilderung anlässlich der Elektrotechnischen Ausstellung: »Die heutige Zeit steht unter dem Zeichen der großen Centralen, welche die Kraft gewaltiger Wasserfälle oder großer tausendpferdiger Dampfmaschinen in elektrischen Strom umsetzen und diesen auf weite Distrikte über viele Meilen hinweg verteilen. Von solchen Centralen kommend tritt der Strom auf Legionen von dünnen Drähten in Häuser und Fabriken ein und wechselt hier, gehorsam dem Wunsche seines Herrn, sein Reisekleid. Als strahlender Gott sehen wir ihn Licht und Glanz verbreiten, im elektrolytischen Bade die Elemente nach seinem Willen zu Haß und Liebe zwingen oder als bescheidener Knecht die Maschinen in Bewegung halten.«7 Auf der Ausstellung konnte der Zeitgenosse erleben, wie etwa die »HELIOS Actien-Gesellschaft für elektrisches Licht« Strom als denjenigen Gott, nach dem sie sich benannt hatte, gleichsam auf dem ›Altarblatt‹ ihres Ausstellungsstandes personifizierte und auch materialiter Licht und Glanz verbreiten ließ (Abb. 19). Im Epilog des »Schlangenritual« schreibt Warburg über den »im Draht eingefangene[n] Blitz, die gefangene Elektrizität« – selbige ein Abkömmling der Forschungen Benjamin Franklins. Franklin, der zuvor

Abb. 17: K.B.W., Generator für den Bücheraufzug 6 7

Siehe A, Christoph: Ströme und Strahlen. Das langsame Verschwinden der Materie um 1900 (Werkbund-Archiv, Bd. 18), Gießen 1989, S. 64. Zitiert nach Z, Siegfried: Audiovisionen. Kino und Fernsehen als Zwischenspiele in der Geschichte (1989), Reinbek bei Hamburg 1994, S. 24.

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III. B

Abb. 18: Karl C. Schwalbach, Internationale Electrotechnische Ausstellung Frankfurt a. M., Mai–October 1891, Entwurfszeichnung, Tusche auf Pergament, 1891

Abb. 19: Helios Actien-Gesellschaft für elektrisches Licht, Köln-Ehrenfeld. Internationale Elektrotechnische Ausstellung, Frankfurt a. M. 1891, Lichtdruck, 1891

. P  F als Zeitungsverleger gearbeitet hatte und später zu einer der Gründerfiguren der Vereinigten Staaten wurde, konnte Mitte des 18. Jahrhunderts nachweisen, dass es sich bei Blitzen um sich entladende Elektrizität handelt. Mit diesem Nachweis ging unter anderem die Erfindung des Blitzableiters einher als eines Apparates zur Codierung, Aufzeichnung und Übertragung des Naturphänomens Blitz, an dessen Wesen die Geister sich lange schieden: Galt der Blitz vor der Aufklärung noch als eine numinose Strafe oder Prophezeiung des Göttlichen und gab die Zündfläche religiös-theologischer Diskurse ab, wurde er nicht zuletzt durch die Forschungen Franklins zu einem wissenschaftlich analysierbaren, prozessierbaren und damit beherrschbaren Datum der Natur. So ist es wenig erstaunlich, dass sich an Franklin, der in Europa als einer der bedeutendsten Kenner der neu entdeckten Kraft der Elektrizität bekannt war, der Ruf des Magiers heftete, der noch in der Marmorbüste zum Ausdruck kommt, die Jean-Antoine Houdon im Jahr 1778 von ihm geschaffen hat und die mit einem lateinischen Epigramm versehen ist: »Eripuit caelo fulmen sceptrumque tyrannis« – »Er entriß dem Himmel den Blitz und das Zepter den Tyrannen«.8 Warum Warburg Franklin in besagtem Epilog als den »modernen Prometheus« apostrophieren konnte, macht ein Plakat deutlich, das in einer enormen Auflage von 12.000 Exemplaren in West- und Mitteleuropa sowie in Nordamerika für die Frankfurter Ausstellung warb (Abb. 20). Hier nämlich ist es Prometheus, der dem Himmel den Blitz entrissen hat. Eine über ihm stehende halbnackte Frauengestalt hat den Titanen losgekettet, die Kette wohlweislich aber nicht losgelassen, um ihn noch kontrollieren zu können. Das Bündel Blitze, das er mit seiner rechten Faust umschlossen hält, wird von ihr buchstäblich angezapft, verschmilzt doch ihr Zeigefinger mit einem der Blitzstrahlen. Eine die nachtdunkle Welt hell erleuchtende Lichtkugel den Mächten des Himmels trotzig entgegenstreckend, beschirmt das Paar als Allegorie der Elektrizität die Frankfurter Ausstellung.9 Es bedürfte weiter ausholender Forschungen, um die letzten Absätze in Warburgs »Schlangenritual« auch nur in Ansätzen würdigen zu können. Natürlich ist es nicht nur Franklin alias Prometheus, in dem sich der von Warburg als so herausfordernd empfundene »Pendelgang zwischen mythischer und wissenschaftlicher Auffassung«10 spiegelt. Auch zu den Gebrüdern Wright, ihres Zeichens die modernen Wiedergänger des antiken Ikarus, 8 Zitiert nach B, Ernst: Theologie der Elektrizität. Zur Begegnung und Auseinandersetzung von Theologie und Naturwissenschaft im 17. und 18. Jahrhundert (Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse, Jg. 1970, Nr. 12), Mainz 1971, S. 20. Siehe auch S, Andreas: Gewitter und Blitzableiter. Historische Deutungsmuster von Gewitter und deren Umschlag in Technik, in: S, Rolf Peter/B, Helga (Hrsg.): Natur-Bilder. Wahrnehmungen von Natur und Umwelt in der Geschichte, Frankfurt a. M. 1999, S. 279–296. 9 Zur zeitgenössischen Symbolisierung von Elektrizität siehe B, Beate: Elektrifizierung als Vision. Zur Symbolgeschichte einer Technik im Alltag (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen, Bd. 89), Tübingen 1999. 10 W, Aby M.: Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Vor dem Kuratorium (1929), in: D.: Ausgewählte Schriften und Würdigungen (Saecula spiritalia, Bd. 1), hrsg. von W, Dieter, 3., durchgesehene und durch ein Nachwort ergänzte Aufl., Baden-Baden 1992, S. 307– 309, hier: S. 307.

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III. B Abb. 20: Frank Kirchbach, Internationale ElektroTechnische Ausstellung zu Frankfurt am Main, Mai–October 1891, Plakat, Lithographie und Druck von J. C. Metz, 1891

könnte Ähnliches ausgeführt werden. Doch bevor wir uns von den zitierten Zeilen lösen, soll noch ein Gedanke auf den erwähnten pessimistisch-fatalistischen Zungenschlag von Warburgs Epilog verwendet werden. Worin manifestierte sich jene »verhängnisvolle Ferngefühl-Zerstörung«, die Warburg beklagt? Tatsächlich war zur Zeit Warburgs die apparative Um- und Aufrüstung telekommunikativer Übertragungstechnik so weit vollzogen, dass die Organisation und Koordination der Moderne in Regelungs- und Steuerungstechnik übergehen konnte.11 Deren Geschwindigkeiten und Logistiken allerdings vermochte der Mensch selbst nur noch quasi automatisch oder gar nicht mehr zu folgen.12 Auf einer zeitgleich zu dem 11 Siehe etwa H, Frank: Die Revolution der Telekommunikation. Die Theorie des telekommunikativen Aprioris (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. Schriftenreihe, Bd. 2), BadenBaden 1996. 12 In seinem bereits 1897 erschienen Aufsatz über amerikanische Chap-Books reproduziert Warburg eine kleine Vignette aus der Feder des jungen kalifornischen Künstlers Gelett Burgess, »in der sich Schnellzug, Telegraphenstangen und Rauchwolken zu einem launigen Ornament zusammenfügen« (Abb. 48). W, Aby: Amerikanische Chap-Books (1897), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 2), Berlin 1998, S. 569–577 und 658, hier: S. 573. De facto lässt sich dieses Bild wie eine Illustration des »Schlangenritual«-Epilogs betrachten, ist hier doch anschaulich und unmittelbar die Zerstörung von (Denk-)Raum abzulesen: Während die sich schlangenförmig fortbewegenden Schnellzüge bereits auf Grund ihrer Geschwindigkeit eine »Ferngefühl-Zerstörung« bewirken, »mordet« die als eine das Bild durchschießende Horizontale gegebene »Augenblicksverknüpfung« des »elektrische[n] Draht[s]« den noch zwischen den Windungen der Zugverläufe verbliebenen Restraum. Dieser Eindruck wird verstärkt durch eine von demselben Burgess stammende 1896 publizierte literarische »Eisenbahnhumoreske« mit dem Titel »The Pitfalls of Mysticism«, die Warburg ebenfalls reproduziert. Hier zeigt sich eine junge Dame als den irreal erscheinenden flüchtigen Eindrücken der Eisenbahnreise hoffnungslos ausgeliefert: »But it has seemed so strange to me, – these flying glimpses of people; – like images seen in a flash-light picture, and then fading away into nothing. I could n’t stand it. It seemed as if I must speak to some one, and say something real,

. P  F

Abb. 21: Ein Traum nach dem Besuche der Frankfurter Elektrotechnischen Ausstellung

gezeigten Plakat entstandenen Karikatur mit dem Titel »Ein Traum nach dem Besuche der Frankfurter Elektrotechnischen Ausstellung« ist ein Schlafender dargestellt, dessen Träumen Ungeheuer gebiert (Abb. 21).13 Allseitig verdrahtet und verkabelt, scheint er mit elektrischen Leitungen gleichsam innerviert zu sein. Wie eine Marionette gegängelt und vom Drahtgewerke gefangengenommen, ist er umgeben von teuflischen, schrillen und grellen Ausgeburten seiner Phantasie. Aus Prometheus ist Pandora geworden; jetzt offenbart sich, welch hohen Preis das Lösen seiner Fesseln hatte: Die entfesselte elektrische Kraft hat sich zu einer ungeheuren Plage ausgewachsen. In signifikanter Form hat der Strom, wie in der zitierten zeitgenössischen Schilderung beschrieben, sein Reisekleid gewechselt. Wenn der Strom »auf Legionen von dünnen Drähten« nicht mehr nur in Häuser und Fabriken and then be swept apart.« Zitiert nach W: Amerikanische Chap-Books (1897), S. 575 f. Zur Veränderung des subjektiven Raum- und Zeitgefühls durch die Eisenbahnreise siehe S, Wolfgang: Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert (1977), 2. Aufl., Frankfurt a. M. 2002. 13 Siehe auch B: Elektrifizierung als Vision, S. 118 f., die auf die politische Konnotation der Karikatur hinweist und in der Figur des Träumenden, »Biedermaier« genannt, auch den politisch rückständigen Bürger kritisiert sieht, der sich technischem und gesellschaftlichem Fortschritt verweigert.

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III. B eintritt, sondern auch in den Menschen, häutet er sich zu einem Angst einflößenden Lindwurm oder einer Schlange, die zwar nicht aus Kupfer, so doch aus Papier ist, und als dämonische Personifizierung eines Telegraphenauswurfs gleichsam in ihrem Verdauungstrakt die Namen und Bezeichnungen ihrer Nährquellen mit sich trägt – zu lesen sind »Edison« oder »Grubenbahn«.14 Das Bild einer Innervation des Menschen durch metallene Leitungsbahnen wird verständlicher vor dem Hintergrund zeitgenössischer Konzeptionen der psychischen Dynamik als einer elektrisch-telegraphischen und vice versa.15 Es ist kein Zufall, dass der bedeutendste Geschichtstheoretiker des 19. Jahrhunderts, Johann Gustav Droysen, Ende der 1850er Jahre in seinen »Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte« einleitend in erkenntnistheoretischem Zusammenhang mehrfach die Metapher der elektrischen Telegraphie gebraucht und damit den intrikaten Prozess der Vermittlung und Mediation in der Arbeit des Historikers bezeichnet.16 Auch in Eduard von Hartmanns 1869 erstmals erschienener »Philosophie des Unbewußten«, die den sprechenden Untertitel »Speculative Resultate nach inductiv-naturwissenschaftlicher Methode« trägt und ein viel diskutiertes 14 Der innere Monolog des Schlafenden ist wiedergegeben als Biedermaiers Klage über die Frankfurter Elektrotechnische-Ausstellung. (Zu unserem Bilde.), in: Kleine Presse. Stadt-Anzeiger und Fremdenblatt 224, 24.09.1891, Erstes Blatt, S. 3. Siehe »Anhang«, S. 225–227. – Es erstaunt kaum, dass das Bild der Schlange später auch den Film charakterisieren sollte: »Wunder vernahm ich vom Riesenwurm / Von der Schlange, die ganze Welten verschlang. / Zum Reifen geringelt in hundert Windungen, / Wand sie sich satt zum trägen Schlaf. // Des glatten Leibes schlüpfrichter Gallert / Formt sich als Folge von tausend Gliedern, / Durchscheinend entschimmert dem blassen Gekröse / Zerkauter Welten verkleinerter Fraß. // Straßen und Städte, Türme und Tore, / Leben und Treiben mit Kind und Kegel, / Was weinte und lachte, was lebend war, / Das drängt sich in endloser Reihe im Darm. // Des fließenden Werdens flüchtiges Wesen / Im Raum ist durch Zauber entrückt der Zeit. / Des lebendigen Stromes erstarrte Tropfen / Behütet der Wurm bis zum hellenden Strahl. // Dann bäumt er sich auf und windet sich los. / Er würgt das Gewölle, ausbricht er die Brocken. / Im sehrenden Schein erstehen die Trümmer: / Sie leben – sie schweben – durch Raum und Zeit.« Otto Foulon, zitiert nach H, Rudolf: Philosophie des Films. Seine ästhetischen und metaphysischen Grundlagen, Leipzig 1926, S. 3 f. 15 Siehe grundlegend O, Laura: Networking. Communicating with Bodies and Machines in the Nineteenth Century, Ann Arbor (Mich.) 2001; .: Das Spinnennetz. Körperliche und technische Kommunikationssysteme des 19. Jahrhunderts, in: D, Bernhard J./W, Sigrid (Hrsg.): »fülle der combination«. Literaturforschung und Wissenschaftsgeschichte (Trajekte. Eine Reihe des Zentrums für Literaturforschung Berlin), München 2005, S. 35–49; sowie H, Christoph: Nervensystemtelegraphie. Organismus und Apparatur, in: S, Dietmar (Hrsg.): KörperTopoi. Sagbarkeit – Sichtbarkeit – Wissen, Weimar 2002, S. 39–66. 16 Droysen spricht zu Beginn seiner Einleitung von der Beschaffenheit sinnlicher Wahrnehmung: Die Sinne tasteten die Wirklichkeit ab und formten die daraus resultierenden Eindrücke zu nicht-abbildhaften, aber der Wirklichkeit entsprechenden Zeichen um, die der jeweilige Sinn »in das Gehirn hinauftelegraphiert« respektive »in die Seele telegraphiert«. D, Johann Gustav: Historik. Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte, hrsg. von H, Rudolf (1937), 3. Aufl., Darmstadt 1958, S. 6 und 7. Vgl. auch Graduiertenkolleg »Mediale Historiographien«, Bauhaus-Universität Weimar, Forschungsprogramm, URL: http://www. mediale-historiographien.de/FORSCH2.html ( Januar 2011).

. P  F Werk war, von dem Warburg ein Exemplar aus der elften Auflage besaß, wird die Übertragung eines Bewegungswillens auf ein Körperglied ganz im Bild der Telegraphie imaginiert: die Rede ist von »Nervenleitungen«, »ausgehenden Strömen« oder von »Willensimpulsen«, die »empfangen« werden. Ausgehend von dem »am nächsten mit den Nervenströmen verwandten elektrischen Strom« denkt Hartmann die Übertragung der psychischen Willensenergie im Bild der elektrischen Apparatur.17 Ähnlich argumentiert die anthropozentrischeTechnikphilosophie des Geographielehrers Ernst Kapp. Dessen Buch »Grundlinien einer Philosophie der Technik«18, von dem auch Warburg ein Exemplar besaß, ist die erste Monographie überhaupt, die ausschließlich diesem Thema gewidmet ist. Hier begreift Kapp Technik als eine »Organprojektion« – so wirkmächtig, dass beispielsweise Raphael Eduard Liesegang seine im selben Jahr wie die Karikatur erschienene einschlägige elektrotechnische Schrift über »Das Phototel. Beiträge zum Problem des electrischen Fernsehens« mit einem Verweis auf Kapps Philosophie eröffnet, nach der »fast alle Werkzeuge, Maschinen u. s. w. unbewusste Nachbildungen von Theilen des Menschen sind«19. Und zu diesen Nachbildungen zählte für Kapp auch eben jener elektrische Draht, in dem die menschliche Nervenfaser ihr morphologisches und funktionales Pendant findet, um nicht zu sagen: in dem selbige ›nachlebt‹ (Abb. 22 und 23).20 Bei Warburg finden jene Überlegungen ein Echo, wenn er hervorhebt, dass es sich 17 Siehe H, Eduard von: Philosophie des Unbewußten. Speculative Resultate nach inductiv-naturwissenschaftlicher Methode (1869), 11., erweiterte Aufl., Leipzig 1904. Zitiert nach A, Christoph: Batterien der Lebenskraft. Zur Geschichte der Dinge und ihrer Wahrnehmung im 19. Jahrhundert (Re:fresh, Bd. 1) (1984), Weimar 2002, S. 119. Siehe auch etwa A. K. Fiala, der noch 1925 dafür plädiert, »das menschliche Nervensystem im Körper und Gehirn einer eingehenderen Prüfung auf seine – – – Schaltung in funktechnischer Beziehung zu unterziehen!«, und das Gedächtnis als »telegraphonisch« bezeichnet. F, A. K.: Elektrophysiologische Zukunftsprobleme (1925), in: K, Albert/L, Petra (Hrsg.): Medientheorie 1888–1933. Texte und Kommentare, Frankfurt a. M. 2002, S. 177–209, hier: S. 187 und 202. 18 Siehe K, Ernst: Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten, Braunschweig 1877. Siehe auch S, Hans-Martin: Einleitung, in: K, Ernst: Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten. Photomechanischer Neudruck der 1. Auflage Braunschweig 1877. Mit einer Einleitung von Hans-Martin Sass, Düsseldorf 1978, S. V–XXXXII; sowie H, Alois: Ernst Kapp: Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten, 1877, in: H, Christoph/H, Alois/R, Günter (Hrsg.): Nachdenken über Technik. Die Klassiker der Technikphilosophie (Technik – Gesellschaft – Natur, Bd. 2), Berlin 2000, S. 205–208. 19 L, Raphael Eduard: Das Phototel. Beiträge zum Problem des electrischen Fernsehens, Düsseldorf 1891, S. III. Kapps Modell der Organprojektion lebt noch in McLuhans Medientheorie fort, insbesondere in dessen berühmter Definition eines Mediums als ›extension of man‹. 20 Unter Bezugnahme auf Rudolf Virchow schreibt Kapp: »Die Nerven sind Kabeleinrichtungen des thierischen Körpers, die Telegraphenkabel sind Nerven der Menschheit!« K: Grundlinien einer Philosophie der Technik, S. 141. Kapp hebt diese Analogie besonders hervor, indem er ihr jene zwei Abbildungen in seinem ansonsten nur spärlich illustrierten Buch widmet: die eines Querschnitts einer technischen und einer organischen Leitungsbahn (Abb. 22 und 23). Bereits 1853 schreibt der Maler und Naturwissenschaftler Carl Gustav Carus: »Der Hammer ist der verlängerte Arm

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III. B

Abb. 22: Querschnitt eines Tiefsee-Kabels im Kapitel »Der elektromagnetische Telegraph«

Abb. 23: Querschnitt eines Nerven im Kapitel »Der elektromagnetische Telegraph«

bei der K.B.W. »nicht nur um eine humanitäre und wissenschaftlich fördersame Institution handelt sondern [sic!] um die ›Ausstülpung‹ eines neuen Organs, das bisher dem ›guten Europäer‹ (Amerika included) gefehlt hat«,21 oder mit Bezug auf »eine allgemeine Betrachtung über Voraussetzungen der kultmäßigen Bildbetrachtung« notiert: »Verlust des IchGrenzBewußtsein durch das Gerät und das tragen und getragen werdens [sic!]: Das Instrument

mit der Faust. […] Die achromatische Linse ist eine Nachbildung der Linse des Auges […] Die Telegraphenströme sind analog den Nervenströmen«. Zitiert nach L: Das Phototel, S. III. Siehe auch, ohne Bezug auf Kapp, A: Ströme und Strahlen, S. 58–64; sowie B, Peter: Kabel im Denkraum, in: E, Arthur/H, Manja (Hrsg.): Updates. Visuelle Medienkompetenz, Würzburg 2002, S. 17–43, der diskursanalytisch Warburg und den Mathematiker Oliver Heaviside umspielt. 21 WIA, GC, Aby Warburg an Cyrus Adler, 23. Juli 1926 [Hervorhebung T. H.].

. P  F als normale, das heißt nicht schmerzende Extremität: das Uebermacht Bewußtsein als unorganisch gestreckte erweiterte Cheirokratie.«22 Es fällt auf, dass die Figur eines nach der Philosophie Ernst Kapps modellierten ›Nachlebens‹, das für Warburg zum ideellen Rückgrat seiner kulturhistorischen Forschung werden sollte, innerhalb der elektrotechnischen Literatur der Zeit weit verbreitet ist. So beschreibt etwa Fritz Lux die Apparatur zum Fern-Sehen als eine technische Projektion magischer Prozesse: »Bei sehr vielen Erfindungen, die in den letzten Jahren gemacht wurden, erblickt man die Verwirklichung von Gedanken und Ideen, die oft schon vor langer Zeit dem Menschen vorgeschwebt haben. Im Phonograph sehen wir das Posthorn Münchhausens, aus dem die schönen Melodien und Lieder wieder erklingen, nachdem sie lange zuvor hineingeblasen worden sind. Ebenso sehen wir in dem Fernseher den Zauberspiegel im Märchen, der das Geschenk einer gütigen Fee ist, in welchem man sehen kann, was gerade entfernte Personen tun.«23 Warburg wird zehn Jahre später ähnlich argumentieren; so gilt für ihn die technische Beherrschung des Luftraums als ein Abkömmling althergebrachter Versuche, sich mit magischen Mitteln im Weltraum zu orientieren: »Mir scheint es gar nicht so ›lögenhaft to vertellen‹, wenn man dem modernen Aviatiker, der das ›aktuelle‹ Problem des Motorkühlers studiert, verrät, daß sein geistiger Stammbaum über Karl den Kühnen, der mit feuchten Schwämmen die glühenden Füße seiner himmelstürmenden Greifen zu kühlen versuchte, in direkter Luftlinie hinaufreicht bis zum ›grand Alixandre‹.«24 Die in jener Karikatur des träumenden Ausstellungsbesuchers auf die Spitze getriebene Ambivalenz der Elektrizität visualisiert aufs trefflichste eine zeitgenössische Statuettengruppe, die unter dem Titel »L’Électricité« den Siegeszug der Telephonie allegorisieren soll (Abb. 24).25 Hier bäumt sich das Telephonkabel, unter starke Spannung gesetzt, so imposant auf, dass es durch die mythologische Figurenstaffage, Athena und den sinnigerweise eine Batterie tragenden Boten Hermes, kaum noch gebändigt zu werden vermag. Als Ausweis der Potenz der neuen Kraft zu verstehen, verhehlt die Allegorie doch nicht ihre Schatten22 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 119 (Eintrag vom 14. Juli 1927). 23 L,Fritz: Der elektrische Fernseher,Ludwigshafen a.Rh.1903,S. 3.Das »Vorbild« des »Zauberspiegels« bestimmt weithin die kulturelle Rezeption des neuen Mediums um 1900 und taucht in nahezu allen frühen Schriften über das elektrische Fernsehen auf. Siehe A, Stefan: Okkulte und technische Television, in: D./D, Bernhard J. (Hrsg.): 1929. Beiträge zur Archäologie der Medien, Frankfurt a. M. 2002, S. 31–53, insbesondere: S. 47 f. 24 W, Aby: Luftschiff und Tauchboot in der mittelalterlichen Vorstellungswelt (1913), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 1), Berlin 1998, S. 241–249 und 386–388, hier: S. 249. 25 Siehe H, Jan-Otmar: Telegraphie, Telephon, Funk – die Vernetzung der deutschen Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert, in: S (Hrsg.): Unbedingt modern sein, S. 50–61, insbesondere: S. 53.

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III. B Abb. 24: L’Électricité, Siegeszug der Telephonie, Statuette, Zinn mit Bronzebemalung, Wurzelholzimitat, Draht (stoffumwickelt), o. J.

seite. Tatsächlich fehlt nicht viel, dass sich die s-förmige Telephonleitung, wie eine Schlange um den Laokoon, um ihre Nutzer windet. Warburg selbst könnte nicht nur einige der vielen zeitgenössischen Darstellungen nach Art der hier gezeigten gekannt haben, sondern hatte selbst, wohl unwillentlich, eine Ferngefühl-Zerstörung induziert. Offensichtlich hatte während seiner Reise im April 1896 eine Pueblo-Frau beim Anblick seines Photoapparates vor selbigem reißaus genommen, weil sie vielleicht die technische Macht als eine Art von Dämon fürchtete (Abb. 25).26 Warburg selbst vermochte jene in ihrer Wirkungsmächtigkeit begründete Ambivalenz der neuen Medien, jenen Drahtseilakt, den die modernen Übertragungstechniken von ihren Nutzern abverlangten, zumindest zeitweise auszuhalten. So erachtete er, daran sei noch einmal erinnert, insbesondere die Photographie für seine Theoriebildung als essentiell. Im »Schlangenritual« bekundet Warburg, dass die elektrische »Augenblicksverknüpfung«, indem sie den Denkraum vernichte, den Menschen wieder in ein Chaos zurücksinken lasse. Der Denkraum war für Warburg bekanntlich die Folge eines Schaffens von Distanz zu den Phänomenen, mit denen es sich auseinanderzusetzen galt. Ursachen zu isolieren, Abstand zu nehmen, um ganze Ketten von Ereignissen zu überschauen, ist als »[b]ewußtes Distanzschaffen zwischen sich und der Außenwelt […] [der] Grundakt menschlicher Zivilisation«, so Warburg gleich zu Beginn der Einleitung zu seinem Bilderatlas.27 Nur so nämlich könne sich der Mensch von zwanghaften phobischen Reaktionen befreien und zu einem Individuum emanzipieren, das souveräne Entscheidungen zu treffen im Stande ist. Doch bedeuten Warburgs Äußerungen im Epilog des »Schlangenritual« mitnichten eine Technikfeindlichkeit, die Warburg fremd war; er wäre der erste gewesen, wie schon Horst Bredekamp und Michael Diers treffend bemerkt haben, der seine Bibliothek digitalisiert hätte.28 Vielmehr bezeugen sie, dass die den Denkraum sichernde Symbolpraxis keine Frage der Technik ist, sondern eine der Distanz zu selbiger.29 Und nicht nur zu ihr: Denn nicht nur würde der Denkraum, wenn jene Dis-

26 Siehe C G/M (Hrsg.): Grenzerweiterungen, S. 102. 27 W, Aby: MNEMOSYNE. Einleitung, S. 3. 28 Siehe B/D: Vorwort zur Studienausgabe, S. 9; sowie R, Ulrich: Wilde Energien. Vier Versuche zu Aby Warburg (Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft, Bd. 19), Göttingen 2003, S. 72–116. – In der Tat ließ sich in der K.B.W. zu fast jedem zeitgenössischen Gebiet der Technik einschlägige Literatur finden. 29 In diesem Sinne beklagt sich Warburg auch über die Omnipräsenz und Allverfügbarkeit des Rundfunks: »Unheimlich war mir der Rundfunksprecher bei dem Friseur: wo soll das hinaus, wenn jeder Lümmel den Äther zu seinem Pläsier melken kann, wo er will von [sic!] Budapest,

. P  F Abb. 25: Aby Warburg, Pueblo-Frau, die vermutlich beim Anblick der Kamera in ein Haus flieht, April 1896

tanz fehlte, von einer als bedrohlich empfundenen Technik bedrängt, sondern genauso auch von einer als überbordend erlebten Natur. De facto kann der Epilog vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs begriffen werden. Dieser Weltkrieg, zu dessen Folgen bekanntlich Warburgs Aufenthalt in Kreuzlingen zu rechnen ist,30 war es, dem der pessimistisch-fatalistische Zungenschlag der letzten Sätze geschuldet ist. War er es doch, der, in den Worten Warburgs, den Erdball wieder ins Chaos zurückgeführt und nahezu den Kosmos zerstört hatte – und dies vor allem als ein Krieg, der wie nie zuvor als ein Kampf um technologische Vormacht ausgetragen wurde, genauer: als ein Kampf, der darauf abzielte, mit der Befehlsform des Gegners, namentlich der Telegraphie, auch seine Kriegsfähigkeit zu zerstören. Dass Warburg mitnichten technikfeindlich war und sich gegen das Trauma des Krieges zu stemmen versuchte, illustriert nicht zuletzt ein von ihm selbst als vertraulich deklarierter Brief an den Physiker und Physiologen René Du Bois-Reymond, der auf den 21. September 1916 datiert ist, also in die Zeit des Ersten Weltkriegs fällt. In dem Brief schlägt Warburg vor, Elektrizität als Waffe einzusetzen, um den Kriegsgegner zu vernichten. »Warum«, so fragt er an, »kann man eigentlich nicht elektrisch schießen, d. h. an einem bestimmten Punkt eine elektrische Funkenentladung hervorrufen? Ich denke daran«, so Warburg, »daß man so z. B. die verruchten englischen Fesselballons zum Explodieren bringen könnte?«31 – dies übrigens keine neue Stockholm oder Rom. Mutet mich [sic!] wie nächtlicher Baumfrevel an«. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 531 (Eintrag vom 23. September 1929). 30 Zu Warburgs Aufenthalt in Kreuzlingen siehe D, Michael: Kreuzlinger Passion, in: Kritische Berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften 7 (4/5), 1979, S. 5–14; K, Karl: Aby Warburg im »Bellevue«, in: G, Robert/R, Brita (Hrsg.): Aby M. Warburg. »Ekstatische Nymphe … trauernder Flußgott«. Portrait eines Gelehrten (Schriftenreihe der Hamburgischen Kulturstiftung, Bd. 2), Hamburg 1995, S. 74–98; B, Ludwig/W, Aby: Die unendliche Heilung. Aby Warburgs Krankengeschichte (2005), hrsg. von M, Chantal/S, Davide, Zürich/Berlin 2007; sowie G, Bettina: Krieg – Krankheit – Kulturwissenschaft. Warburgs Schizophrenie als Forschungsinstrument und das Ideal moderner Primitivität, in: K, Gottfried (Hrsg.): Kasten 117. Aby Warburg und der Aberglaube im Ersten Weltkrieg, Tübingen 2007, S. 117–134. 31 WIA, GC, Aby Warburg an René Du Bois-Reymond, 21. September 1916.

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III. B Idee, dachte man doch bereits Ende des 18. Jahrhunderts die Französische Revolution als ein telekommunikatives Ereignis und ließ in Karikaturen Jakobiner mittels Reibungselektrizität den ersten und zweiten Stand in die Luft sprengen.32 Warburg scheint sich nachhaltig mit jener Funkenentladung, einer der wesentlichen Voraussetzungen der drahtlosen Telegraphie, beschäftigt zu haben. Schon 1891 berichtete ihm seine Mutter in Briefen – und zwar wiederholt, was auf Warburgs Interesse an der Materie schließen lässt – von Physikstunden, in denen die Elektrizität, die Phänomene Blitz und Donner wie auch die Telegraphie verhandelt worden seien.33 Auch Warburg besuchte die Internationale Elektrotechnische Ausstellung, wie er in einem Brief an seine Großmutter bekundete.34 Es ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, wie er durch seine Mutter auf die Schau aufmerksam gemacht worden war. In einem Brief Charlotte Warburgs an Aby vom 15. Juli 1891 weist diese ihn auf die dort eingerichtete Kunstausstellung hin, wobei sie explizit von einer »Bildersammlung« spricht, die dort zu sehen sei.35 Offenbar muss bei Warburg bereits ein entsprechendes Interesse an »Bildersammlungen« angelegt gewesen sein, was sich vielleicht als der früheste Hinweis auf die Idee eines Bilderatlas verstehen lässt. Tatsächlich ließ sich auf dem Frankfurter Gelände zwischen einer telephonischen Opernübertragung, einer elektrisch illuminierten Bierhalle oder einem elektromotorisch angetriebenen Wasserfall auch eine Kunstausstellung bestaunen, eine, wie es im zeitgenössischen Katalog heißt: »Ausstellung moderner Bilder aus Frankfurter Privatbesitz – elektrisch beleuchtet«.36 In Warburgs Bibliothek hat sich ein Ex32 Siehe H: Die Revolution der Telekommunikation, S. 18 f.; sowie H, Wolfgang: Zur medialen Genealogie der Elektrizität, in: M, Rudolf/W, Niels (Hrsg.): Kommunikation, Medien, Macht, Frankfurt a. M. 1999, S. 133–173, insbesondere: S. 160 f. 33 Siehe beispielsweise WIA, FC, Charlotte Warburg an Aby Warburg, 20. November 1891; WIA, FC, Charlotte Warburg an Aby Warburg, 23. November 1891; WIA, FC, Charlotte Warburg an Aby Warburg, 9. Januar 1892; WIA, FC, Charlotte Warburg an Aby Warburg, 17. Januar 1892; sowie WIA, FC, Charlotte Warburg an Aby Warburg, 26. Februar 1892. 34 »Die elektrische Ausstellung ist sehr hübsch.« Siehe WIA, FC, Aby Warburg an Regine Oppenheim, 16. Juli 1891. 35 »Gehst Du abends nicht meist in die elektrische? – Es muß doch sehr interessant sein, dort ist ja auch eine Bildersammlung, wie ich las.« WIA, FC, Charlotte Warburg an Aby Warburg, 15. Juli 1891. Im Juni hatte bereits eine Bekannte Warburg auf die Ausstellung hingewiesen. Siehe WIA, GC, Resi Reichenberger an Aby Warburg, 11. Juni 1891. 36 Siehe Allgemeiner Bericht über die Internationale Elektrotechnische Ausstellung in Frankfurt am Main 1891. 1. Band: Allgemeiner Bericht, hrsg. vom Vorstand der Ausstellung, Frankfurt a. M. 1893, S. 60–62, 314 f. und 541; Elektrizität. Offizielle Zeitung der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 7, S. 176 f.; Elektrizität. Offizielle Zeitung der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 14, S. 420; Elektrizität. Offizielle Zeitung der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 15, S. 460; sowie S (Hrsg.): »Eine neue Zeit ..!«, S. 239 f.; und H, Theo: »Die Elektrische Ausstellung wollte der Mitwirkung der Künste nicht entrathen«: Kunst und Kunstgewerbe auf der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 1891 in Frankfurt, in: W, Horst A. (Hrsg.): Moderne Energie für eine neue Zeit. Siebtes VDE-Kolloquium am 3. und 4. September 1991 anläßlich der VDE-Jubiläumsveranstaltung »100 Jahre Drehstrom« in Frankfurt am Main, Berlin/ Offenbach 1991, S. 113–138, insbesondere: S. 122–127.

. P  F emplar dieses Katalogs erhalten.37 Die Hängung der Bilder, besorgt durch den Direktor des Historischen Museums, Otto Cornill, entsprach bemerkenswerterweise nicht dem damaligen Zeitgeist (Abb. 26). Während in den zeitgenössischen Kunstmuseen die Einzelhängung als Ausdruck eines ›modernen‹ Kunstverständnisses Raum zu greifen begann, hängte Cornill noch übereinander und wandfüllend.38 Auch die Auswahl der Motive der insgesamt 230 Ölbilder, vier Pastelle und vier Zeichnungen war auffällig. Das bestimmende Motiv der Kunstausstellung war die Landschaft, nur wenige Porträts wurden gezeigt, und, was im Vergleich zur damaligen Kunstpraxis besonders ins Auge fallen musste, Historienmalerei fehlte nahezu vollständig, vertreten nur durch ein einziges »Kriegsstück«, eine Schlachtenszene der Jahre 1870/71. Nicht zuletzt diente die Kunstausstellung dem technischen Aussteller zur Demonstration einer gelungenen Verschaltung der ausgestellten Kunst und Kultur mit seiner Technik. Die beiden bespielten Säle konnten mittels Bogenlicht unter Verwendung patentierter Lamellenscheinwerfer und einer über den gesamten Raum gespannten Blende aus Stoff indirekt und variabel beleuchtet werden (Abb. 26 und 27) – letztlich eine so effektvolle wie ideologisch aufgeladene Inszenierung des elektrischen Lichtes durch eine Kunst, deren bukolisch-utopischer Gehalt nichts Geringeres als die Versöhnung von Natur und Gesellschaft beschwor. Die flächendeckende Hängung Bild an Bild, die motivliche Konzentration auf wenige Formeln und die Zurschaustellung, oder pointierter: das Entbergen kultureller Artefakte mit Hilfe innovativer Apparaturen wird später auch in Warburgs kulturwissenschaftlichem Dispositiv, wie es sich in den Tafeln seines Bilderatlas und im Gebäude der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg manifestiert, wiederbegegnen (Abb. 28). Indes erinnert nicht nur das Display der Kunstausstellung an Warburg’sche Kulturtechniken. Auch die Umschlagillustration der Offiziellen Ausstellungszeitung, die ebenfalls auf dem Ausstellungsführer prangte, scheint einige Aspekte des Bilddenkens Warburgs präfiguriert zu haben (Abb. 29).39 Hier wird der Betrachter der Verlebendigung einer Personifikation gewahr, namentlich Francofurtias, die, zum Leben erweckt und ausdrucksvoll aus ihrer Nische heraus nach vorn und auf den Betrachter zu schreitend, nicht mehr nur den vergangenen Ruhm Frankfurts verkörpert, sondern auch die Bedeutung der Stadt in der Gegenwart und für die Zukunft – das heißt, in einem literalen wie figuralen Sinn Fortschritt repräsentiert. Während ihr Putti vorauseilen, Telephonie und elektrisches Glühlicht zur Schau stellend, wird sie rechts und links von zwei Durchblicken flankiert, die Frankfurter Dom und Große Maschinenhalle auf der Elektrotechnischen Ausstellung einander 37 Siehe Ausstellung moderner Bilder aus Frankfurter Privatbesitz – elektrisch beleuchtet, Frankfurt a. M. 1891. 38 »Mit Ausnahme grosser historischer Darstellungen ist in der Ausstellung jedes Fach vertreten, ohne dass das eine oder das andere sich hervordrängt. Es hat dies auch zur glücklichen Folge, dass uns beim Beschauen keinerlei Ermüdung überkommt; die ›Hängekommission‹ scheint offenbar bei dem Arrangement diesem Gefühle Rechnung getragen zu haben.« Elektrizität. Offizielle Zeitung der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 14, S. 420. Zu einer gänzlich anderen Bewertung der Kunstausstellung, die lediglich 25.761 Besucher anzog, siehe »Anhang«, S. 237–239. 39 Siehe S (Hrsg.): »Eine neue Zeit ..!«, S. 314 f.

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III. B

Abb. 26: Schematische Darstellung der Gemäldehängung sowie der Blende und der Scheinwerfer in der Kunstausstellung im Rahmen der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung, Frankfurt a. M. 1891, Holzstich, 1891

Abb. 27: Schematische Darstellung der Blende und der Scheinwerfer in der Kunstausstellung im Rahmen der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung, Frankfurt a. M. 1891, Holzstich, 1891

Abb. 28: K.B.W., Verdunklungseinrichtung für das Oberlicht des Lesesaals

gegenüberstellen. Beide Gebäude symbolisieren nicht nur Vergangenheit und Zukunft, sondern auch das, so könnte man in Anlehnung an eine spätere Formulierung Warburgs sagen, kulturhistorische Nachleben der älteren ›Kathedrale‹, derjenigen der Religion, in der jüngeren, derjenigen der Technik. Zwei, für das Bilddenken Warburgs zentrale Figuren scheinen hier auf: Nicht nur scheint Francofurtia geradewegs zu ihren ›Schwestern im Geiste »äußerlich bewegten Beiwerks«40‹ in Warburgs Dissertation aufschließen zu wollen, an der er zu diesem Zeitpunkt noch ge40 W, Aby: Sandro Botticellis »Geburt der Venus« und »Frühling«. Eine Untersuchung über die Vorstellungen von der Antike in der italienischen Frührenaissance (1893), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Ni-

. P  F Abb. 29: Ferdinand Luthmer, Werbekarton für die Offizielle Zeitung der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung, Frankfurt a. M. 1891, Lichtdruck von C. F. Fay, 1891

arbeitet hat. Markant auch begegnet hier, in einer »modernen Allianz zwischen Mythologie und technischem Fortschritt«41, bereits die Denk- und Anschauungsfigur einer Bipolarität, die in der Folgezeit für Warburgs Denken von Kultur konstitutiv werden und durch seinen Sohn Max Adolf Ende der 1920er Jahre noch einmal monumental visualisiert werden sollte. Im Frühjahr 1927 hatte die Planung für eine Ausstellung zur Geschichte der Astrologie im Deutschen Museum in München eingesetzt, welche der dort neu installierten Abteilung zur neuzeitlichen Astronomie vorangestellt werden sollte. In einem Brief an das Museum warb Warburg mit klaren Worten für eine Konjunktion der »Welt der Technik« und der »Welt des Geistes«: »so können wir […] für ein Museum der Technik gleichsam als Parallelerscheinung die Grundlinien für ein Museum des Geistes liefern. Daß man so die Welt der Technik und die Welt des Geistes an der Funktion der kosmischen Orientierung als innerlich einheitliche Werkzeuge des Menschengeistes zeigen kann, ist die Hoffnung, aus der heraus wir mithelfen wollen, damit das Gerede vom Konflikt zwischen technischer und geisteswissenschaftlicher Weltanschauung ad absurdum geführt wird.«42 Nachdem die Ausstellung in München nicht zu realisieren war,43 konnte sie später unter dem Titel »Bildersammlung zur Geschichte von Sternglaube und Sternkunde« in einem zum Planetarium umgebauten ehemaligen Wasserturm in Hamburg verwirklicht werden; allerdings zog sich

cholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 1), Berlin 1998, S. 1–59 und 307–328, hier: S. 5 41 G, David: Modernität – Elektrotechnik – Fortschritt. Zur soziotechnischen Semantik moderner Erwartungshorizonte in der Schweiz, in: P/H/L/L/ M/S (Hrsg.): Elektrizität in der Geistesgeschichte, S. 51–63, hier: S. 54, bezogen auf die Frankfurter Ausstellung. 42 WIA, GC, Aby Warburg an das Deutsche Museum in München, 25. Juli 1927. Zitiert nach F, Uwe/G, Robert/N, Claudia/N, Herwart (Hrsg.): Aby M. Warburg. Bildersammlung zur Geschichte von Sternglaube und Sternkunde im Hamburger Planetarium, Hamburg 1993, S. 38. 43 Zu den möglichen Gründen für das Scheitern des Ausstellungsprojektes in München siehe S-G, Charlotte/M, Karen: Einführung, in: W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. IX–XXXVII, hier: S. XXI f.

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III. B die Einrichtung der Ausstellung bis 1930 hin.44 Dabei ist bemerkenswert, dass die letzte Phase von Warburgs Arbeit wieder an deren Beginn zurückführt: festzumachen nicht nur an der Person des Ingenieurs Oskar von Miller, Gründer des Deutschen Museums und vormals Technischer Leiter der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung,45 sondern auch und vor allem am Begriff und Konzept einer »Bildersammlung« – in Hamburg realisiert als erste für ein breiteres Publikum konzipierte öffentliche Zurschaustellung wesentlicher Teile von Warburgs Tafelwerk und in Frankfurt präsent als womöglich initiale Inspiration für dasselbe. Das Deutsche Museum war noch in anderer Hinsicht inspirierend für Warburg, insofern er hier nicht nur Motive, sondern auch ästhetische und epistemologische Muster für seinen Bilderatlas fand. Diesbezüglich besonders aufschlussreich ist ein kleinformatiger Museumsführer, den Warburg 1927 erwarb und bei seinen Erkundungszügen durch die Sammlungen häufig mit sich geführt zu haben scheint.46 Die letzten, Werbeanzeigen vorbehaltenen Seiten wimmeln von Bleistiftnotizen, die Orte und Bezeichnungen von Exponaten zusammentragen, welche Warburg seiner Ausstellung zur Geschichte der Astrologie vermutlich gerne einverleibt hätte – »Vorhanden:« (Abb. 30 und 31). In Ermangelung ausreichender Schreibfläche klebte er in das Büchlein noch ein Notizblatt ein (Abb. 32), auf dem er wie ein Kurator mit Blick auf den zur Verfügung stehenden Raum (»Gang«) Ausstellungsstücke auflistet (»Tierkreiszeichenmann, 7 Plan. und Sonne und Mond i. Kreis der 12 Zeichen aus Hamburg«), bemisst (»Foto v. Bianchini (8 × 24)«) und auf ihre Verwendungsmöglichkeit und Sinnfälligkeit hin bewertet (»Planisphaerium Bianchini Original Abklatsch seitenverkehrt (wenig brauchbar, Zshg wäre besser)«) sowie auf Grundlage der gesammelten Daten die geplante Ausstellung im Geiste disponiert und vervollständigt (»Platz für 4 Wandmodelle«). Besonders interessant ist ein Abschnitt des Museumsführers, der ausgewählte Objekte im Bild dokumentiert. Hier finden sich auf Buchseiten ganz ähnlich wie auf den späteren Atlastafeln mehrere Photographien komponiert, die jeweils einen gemeinsamen Nenner erkennen und das Nachleben einer Pathosformel assoziieren lassen. So muten auf einer Seite das Modell einer dem »Theatrum sacrum« gewidmeten frühneuzeitlichen Perspektivbühne in der Abteilung »Mathematik«, eine Versammlung unterschiedliche Töne erzeugender Pfeifen auf einem Demonstrationstisch mit Blasebalg in einem der Physikalischen Akustik 44 Siehe F, Uwe: »… von kultischer Praktik zur mathematischen Kontemplation – und zurück.« Aby Warburgs Bildersammlung zur Geschichte von Sternglaube und Sternkunde im Hamburger Planetarium, in: B/D/S-G (Hrsg.): Aby Warburg, S. 313– 334; sowie F/G/N/N (Hrsg.): Aby M. Warburg. 45 Siehe F, Wilhelm: Oskar von Miller 1855–1934. Eine Biographie, München 2005, insbesondere: S. 105–140 und 247–346. Warburg kolportiert selbigen als einen »höchst vitale[n] Ichthyosaurier des naturwissenschaftlich technischen Zeitalters«. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 146 (Eintrag vom 14. September 1927). 46 Siehe G, Hans: Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München. Rundgang durch die Sammlungen. Amtliche Ausgabe mit 46 Abbildungen, sämtlichen Plänen und Führungslinien, München 1925.

. P  F

Abb. 30: Museumsführer Deutsches Museum mit handschriftlichen Notizen Warburgs

Abb. 31: Museumsführer Deutsches Museum mit handschriftlichen Notizen Warburgs

vorbehaltenen Raum und der von einem Orgelprospekt überhöhte, die Entwicklung der Tasteninstrumente vergegenwärtigende Musiksaal im Deutschen Museum wie verschiedene Ausprägungen von ›Hierarchie‹ in Form achsensymmetrisch organisierter hieratisch anmutender Prospekte an (Abb. 33). Und eine zweite, den Nachbau einer Alchemistenküche sowie den einer Apotheke dokumentierende Buchseite verklammert historische Varianten von ›Laboratorium‹ (Abb. 34). Dass diese Displays für Warburg außerordentlich anregend waren, belegt ein weiterer Archivfund. In einem anderen Sammlungsführer47 stecken in einer eingeklebten Papiertasche neben Plänen acht von Warburg wohl hinzu gekaufte und hier verstaute Bildpostkarten des Deutschen Museums, die deswegen von großem Wert sind, weil sie Warburgs Augenmerk für bestimmte Artefakte bezeugen.48 Neben einer Außenansicht des Museums, 47 Siehe L, Benno/H, Gustav/B, Joh. Bernhard (Hrsg.): Deutsches Museum. Von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik. Amtlicher Führer durch die Sammlungen. Mit 128 Abbildungen und 7 Plänen, München 1925. 48 Diese bislang der Forschung verborgen gebliebenen Materialien sind nur ein weiteres Indiz dafür, wie dringlich notwendig die Fortführung der Erschließung des noch viele solche Funde verheißenden Nachlasses Warburgs ist. Dessen Bandbreite ist bisher bestenfalls annähernd erfasst.

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III. B

Abb. 32: Museumsführer Deutsches Museum mit eingeklebtem Notizblatt Warburgs

Abb. 33: Achsensymmetrisch organisierte hieratisch anmutende Prospekte als Beispiele für die Pathosformel ›Hierarchie‹

einer Ansicht von dessen Luftschiffhalle sowie der Westkuppel mit einem Refraktor umfasst das Konvolut bezeichnenderweise auch je eine Postkarte jener beiden ›Laboratorien‹, welche ebenfalls besagter Museumsführer exponiert (Abb. 34)49. Noch schlagender indessen sind drei Motive, die auf den ersten Blick nichts miteinander gemein zu haben scheinen: das allegorische, von den Tierkreiszeichen umkränzte Deckengemälde des Ehrensaals,50 das bewegliche raumfüllende Kopernikanische Planetarium51 und der so genannte Stammbaum 49 Zur Relevanz des »Laboratoriums« für Warburg siehe Anm. 106. 50 Bei G: Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München, S. 35, findet sich folgende Beschreibung: »Raum 156. Ehrensaal: Die Decke, gemalt von Julius Diez, zeigt ein allegorisches Mittelstück, von einem plastischen Tierkreis umgeben: Wissenschaft und Technik entzünden an Fakeln [sic!] ein Feuer und werden vom Fortschritt geführt. Die Rosse hinter dem Regenbogenmotiv stellen die fortschreitende Zeit dar.« 51 Dazu heißt es bei G: Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München, S. 58 f.: »Raum 282. Kopernikanisches Planetarium: In einem zylindrischen Raume von 12 m Durchmesser sind an einer Eisenkonstruktion oberhalb des Raumes die Bahnen der

. P  F

Abb. 34: Historische Varianten von ›Laboratorium‹

Abb. 35: Bildpostkarten des Deutschen Museums im Besitz Warburgs

Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn exzentrisch zum Mittelpunkt der Sonne befestigt. Durch peinlichste Justierung dieser Bahnen in ihren Durchmessern (Saturn 11,215 m, Jupiter 9,300 m, Mars 6,238 m, Erde 4,392 m, Venus 2,836 m, Merkur 1,764 m Durchmesser) war es möglich, den Planeten die genauesten Umlaufzeiten zu geben. Das Erdjahr dauert hier nicht 365 Tage, sondern nur 12 Minuten; in dieser Zeit wird die Erde ihren Lauf um die Sonne zurücklegen. Die Umlaufzeiten aller Planeten sind: Merkur 2 Min. 56 Sek., Venus 7 Min. 29,5 Sek., Erde 12 Min. 10,5 Sek., Mars 22 Min. 53 Sek., Jupiter 2 Std. 24 Min. 26 Sek., Saturn 5 Std. 58 Min. 38 Sek. Jede Planetenbahn hat ihre eigene Stromzuführung und Steigung zur scheinbaren Sonnenbahn. Jeder Planet hat außer seiner Bahnbewegung im Inneren ein besonderes Zahnräderwerk mit Kugellagern (Saturn mit über 100 Zahnrädern), das mittels Elektromotor zum Vor- oder Rücklauf gebracht werden kann. Die Regulierung und Schaltung betätigt ein Apparat, der sog. Umlaufregler (das Herz des ganzen Planetarismus). Er ist ein durch Elektromotor angetriebenes Räderwerk von höchster Genauigkeit. An Gradeinteilungen der sechs Planetenwalzen läßt sich jede Planetenkonstellation einstellen, ein Druck auf einen Knopf genügt, um das Räderwerk des betr. Planeten in Bewegung zu setzen. Automatisch lassen sich sämtl. Planeten z. B. auf die Äquinoktialachse einstellen und auch zusammen in Lauf bringen, so daß sie in ihren Bewegun-

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III. B Abb. 36: Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »A«

der Steinkohlen-Produkte (Abb. 35). Betrachtet man dieses Konvolut jedoch im Licht des späteren Bilderatlas, insbesondere dessen programmatischer Tafel »A« (Abb. 36), wird erkennbar, dass Warburg hier bereits »[v]erschiedene Systeme von Relationen«52 studiert. Arrangiert man jene drei Bildpostkarten versuchsweise untereinander, lässt sich leicht eine Anordnung finden, die der von Tafel »A« verblüffend ähnelt und sich im Rückblick wie eine Matrize für jene Bilderatlas-Tafel betrachten lässt: Die Himmelsdarstellung aus dem Jahr 1684 mit ihren anthropomorphen und zoomorphen Sternbildern auf Tafel »A« erinnert an das Deckengemälde im Deutschen Museum, die Landkarte mit Markierungen von Orten, welche die Wandergen durch das Weltall beobachtet werden können. Ein für 5 Personen eingerichteter und mit drehbarem Periskop versehener Beobachtungswagen durchläuft automatisch in 12 Minuten das Weltall und macht genau den Lauf unserer Erde mit; er kann aber auch schneller oder langsamer vorwärts oder rückwärts laufen, um die Schleifen der Planeten beobachten zu können. Über dem Wagen ist eine Glasscheibe mit der Orientierung für Morgen, Mittag, Abend und Mitternacht. Auf dem Fußboden des Planetariums sind die 12 Monate mit dem Frühlingsanfang ersichtlich, so daß der Besucher auf dem Erdwagen Jahreszeit und Monat im Augenblick seiner Eilfahrt durch das Weltall feststellen kann. An der Grenze der Raumes sind die 12 Tierkreisbilder: Widder, Fische, Wassermann, Steinbock, Schütze, Skorpion, Wage [sic!], Jungfrau, Löwe, Krebs, Zwilling und Stier eingebaut, Hunderte von kleinen Glühlämpchen stellen die Sterne von 1. bis 5. Größe dar; Sterne 1. Größe tragen echte Goldschrift, die im Dunkeln gut lesbar ist. – Die Sonne ist eine große leuchtende Glaskugel, von welcher die Planeten ihr Licht erhalten. – Das Planetarium zeigt mit großer Genauigkeit die Planetenbewegungen mit den verschiedenen Monden, die Sterndurchgänge mit den dadurch erzeugten Finsternissen auf den einzelnen Planeten selbst, den Mars in Erdnähe usw. Eine Licht- und Kraftanlage mit über 200 Leitungen versorgt den ganzen Mechanismus, ein Druck auf einen Knopf gibt die Möglichkeit, Jahrhunderte des Weltkreislaufes demonstrativ vorzuführen.« 52 Mit dieser Formulierung charakterisiert Bing Tafel »A«. Der Kommentar lautet in Gänze: »Verschiedene Systeme von Relationen, in die der Mensch eingestellt ist, kosmisch, irdisch, genealogisch. Ineinssetzung aller dieser Relationen im magischen Denken, denn Sonderung von Abstammung, Geburtsort und kosmischer Situation setzt schon eine Denkleistung voraus. 1) Orientierung; 2) Austausch; 3) soziale Einordnung«. Zitiert nach W, Aby: Der Bilderatlas MNEMOSYNE, hrsg. von W, Martin unter Mitarbeit von B, Claudia (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Zweite Abteilung, Bd. II. 1) (2000), 2., ergänzte Aufl., Berlin 2003, S. 8.

. P  F Abb. 37: Bildersammlung zur Geschichte von Sternglaube und Sternkunde, Blick in die Ausstellung mit dem Gemälde Max Adolf Warburgs, 1930

straßen eines Kulturaustauschs zwischen Norden und Süden, Osten und Westen säumen, an das gebahnte, weltumspannende Planetarium und der Stammbaum der Familien Medici/Tornabuoni an denjenigen der organischen Chemie. Sowohl innerhalb des montierten Postkartenkonvoluts wie auch auf Tafel »A«53 schlägt sich ein Abstraktionsprozess »vom Bild zum Zeichen«54 nieder, der von ikonischer Mythologie über kartographische Topologie bis hin zu diagrammatischer Genealogie reicht und historisch-diachrone mit systematischen Aspekten verzurrt.55 Tatsächlich also scheint Warburg mit dem Deutschen Museum eine epistemologische Blaupause für seinen Bilderatlas gefunden zu haben: be-greifbar geworden einerseits mit jenem Museumsführer und seinen Atlastafeln en miniature – den Blick 53 Zu den zeichentheoretischen Kollisionen und Korrespondenzen, die sich aus den unterschiedlichen Visualisierungsregistern ergeben, die gerade die ersten Tafeln des Bilderatlas zusammenklammern, siehe W, Sigrid: Aby Warburgs »Göttin im Exil«. Das »Nymphenfragment« zwischen Brief und Taxonomie, gelesen mit Heinrich Heine, in: K, Wolfgang/M, Gert/ W, Monika/W, Martin (Hrsg.): Vorträge aus dem Warburg-Haus, Bd. 4, Berlin 2000, S. 65–103, insbesondere: S. 77–80. 54 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 489 (Eintrag vom 7. August 1929). 55 Dieser für Warburg die Kulturbildung begleitende Abstraktionsprozess spiegelt sich etwa auch in dessen komplexer Beschreibung der Symbolmächtigkeit der »Sphaera barbarica«, der nicht-griechischen Gestirnkonstellationen und ihrer medialen Niederschläge, wider, in einer Beschreibung, die Zeichenklassen genauso wie räumliche Dimensionen und Funktionen adressiert: »Indem sie [die »Sphaera«, T. H.] durch Ueberbefruchtung des Globus mit bildhaft wucherndem Sternenklein diesen als stereometrisch zureichendes Versuchsinstrument zerstört, und ihn in einen hieroglyphisch illustrierten Wahrsage-Kalender-Streifen verflächt, schafft sie den unendlichen Raum als Tummelplatz atomistischer gesetzlicher Eigendynamik um.« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 488 (Eintrag vom 5. August 1929). Und wenig später »›von der Sphaera barbarica zur Wetterkarte‹« blickend, fasst Warburg diesen Prozess noch einmal zusammen: »Vom Zwang, den Ursächler ins übergroß (monströse) zu übertreiben, um ihn frontal anpacken zu können zur [sic!] Fähigkeit aus [sic!] dem Bewirkten die kleinste unsichtbare causa (Atom) in seiner systematisch dynamischen Verlagerung zu begreifen. A[chtung] T[iefsinn]«. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 530 (Eintrag vom 19. September 1929).

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III. B Abb. 38: Max Adolf Warburg, Der kontemplative Mensch, sich in ruhiger Anschauung in das mathematische System planetarischer Umlaufbahnen versenkend, Öl auf Leinwand, circa 1930

für morphologische Korrespondenzen von Pathosformeln schärfend, die das Gros von Warburgs Atlastafeln analysiert, – und andererseits mit jenem Konvolut von Bildpostkarten – den Blick für Bewegungsmöglichkeiten zwischen Bild und Zeichen schärfend, welche die wegweisende Tafel »A« synthetisiert.56 Diese Blaupause lässt sich konsequenterweise auch mit dem Arrangement der »Bildersammlung zur Geschichte von Sternglaube und Sternkunde« assoziieren; auch hier operierte Warburg zwischen den Polen »concrete[s] Realspiegelbild« und »abstracte[s] Ideal-Symbolon«57: Gleichsam als Motto jener mit volkserzieherischem Impetus in den Räumlichkeiten des Hamburger Wasserturms installierten »Bildersammlung« wurde dem historischen Rundgang ein Gemälde vorangestellt, das Max Adolf Warburg im Auftrag seines Vaters für die Bildersammlung entworfen hatte (Abb. 37). Das zweiteilige Werk zeigte auf der rechten Seite den erschrockenen Menschen, der sich von anthropomorphen Planetengöttern bedroht sieht (Abb. 39), und auf der linken Bildseite den kontemplativen Menschen, der sich in ruhiger Anschauung in das mathematische System planetarischer Kreisbahnen versenkt (Abb. 38). Warburg hat das ohnehin programmatische Werk seines Sohnes durch eine Beischrift ergänzt, in der seine eigentümliche Auffassung von geschichtlichem Fortschritt zum Ausdruck kommt, der hier vielmehr als ein Schwingen zwischen zwei Polen gedacht wird: »Die Geschichte der Himmelskunde zeigt die vielfältigen Formen 56 Von hier ausgehend wäre es interessant zu fragen, inwieweit die in den 1930er Jahren angelegte Bilderkompilation »Technik im Bild« des Deutschen Museums ihrerseits auch von Warburgs Bilderatlas-Konzept inspiriert worden sein mag. Zu den Münchener Bilderreihen siehe W, Heike: Technik im Photoalbum: Die Bilderschau »Technik im Bild« am Deutschen Museum, in: G, Alexander (Hrsg.): Konstruieren, Kommunizieren, Präsentieren. Bilder von Wissenschaft und Technik (Deutsches Museum, Abhandlungen und Berichte – Neue Folge, Bd. 23), Göttingen 2007, S. 397–434; und .: Bilderreihen der Technik. Das Projekt Technik im Bild um 1930 am Deutschen Museum, in: B, Horst/S, Birgit/D, Vera (Hrsg.): Das Technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder, Berlin 2008, S. 100–114. 57 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 536 (Eintrag vom 27. September 1929).

. P  F Abb. 39: Max Adolf Warburg, Der erschrockene Mensch, sich von anthropomorphen Planetengöttern bedroht sehend, Öl auf Leinwand, circa 1930

menschlicher Weltansicht. In Dämonenfurcht und Magie beginnend, muss die Menschheit immer von Neuem den Weg zur abstrakten Logik der wissenschaftlichen Betrachtung durchmessen.«58 Der 58 Zitiert nach F, Uwe: Warburg als Erzieher. Bemerkungen zu einem »Erziehungsmittel für Gebildete und Ungebildete«, in: F/G/N/N (Hrsg.): Aby M. Warburg, S. 316–341, hier: S. 320 [Hervorhebung T. H.]. Deutlicher noch kommt der Gedanke eines zyklischen Geschichtsmodells im »Schlangenritual« zum Ausdruck. Siehe Abschnitt »›Himmelskibet‹«, Anm. 35. Siehe auch W, Aby: Orientalisierende Astrologie (1926), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 2), Berlin 1998, S. 559–565 und 657, hier: S. 565: »Die Hoffnung der K. B. W. ist, daß noch zahlreiche weitere Meilensteine auf der vorerst nur trassierten Wanderstraße Kyzikos – Alexandrien – Oxene – Bagdad – Toledo – Rom – Ferrara – Padua – Augsburg – Erfurt – Wittenberg – Goslar – Lüneburg – Hamburg ausgegraben werden, damit in steigender Unanfechtbarkeit die europäische Kultur als Auseinandersetzungserzeugnis heraustritt, ein Prozeß, bei dem wir, soweit die astrologischen Orientierungsversuche in Betracht kommen, weder nach Freund noch Feind zu suchen haben, sondern vielmehr nach Symptomen einer zwischen weitgespannten Gegenpolen pendelnden, aber in sich einheitlichen Seelenschwingung: von kultischer Praktik zur mathematischen Kontemplation – und zurück.«; sowie W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 145 (Eintrag vom 14. September 1927): »Ausstellung: Devise: Menschengleichnis und von der Concretion zur Abstraction und zurück.«; oder Warburgs Vortrag zum Gedächtnis an Franz Boll von 1925: »Die kosmische, bildhafte Orientierung des europäischen Menschen im 15. Jahrhundert: ein kulturwissenschaftliches Kapitel aus der Epoche der Wiedergeburt der Antike, so dürfte man die Skizze bezeichnen, die heute Abend im schnellsten Umriss vorüberzog. Das Bild stellte sich dabei heraus als Erzeugnis einer Ausdruckswertprägung nach bisher unbekannten Kreislaufgesetzen. In dem Wahlspruch ›per monstra ad sphaeram‹ mag ein solches Gesetz angedeutet sein. Es galt die polare Spannung zwischen bildhafter und zahlenmässiger Ursachensetzung als denknotwendige, humane, psychologische Funktion beim Geschäfte der geistigen Orientierung zu erfassen und im Laufe

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III. B Gedanke eines »Weg[es] […] von der bildhaft-religiösen Ursachensetzung bis zur begriffsmäßig-mathematischen«59, so heißt es an anderer Stelle, findet eine Prägung bereits in jener Anordnung von Dom, Maschinenhalle und Francofurtia auf dem Umschlagbild von Ausstellungszeitung und -führer, die auch Warburg bei seinem Besuch in Frankfurt in Händen gehabt haben dürfte. Es waren allerdings nicht nur Erhellungen von Kunst durch Technik, Ausstellungsdispositionen oder Ikonographien, die Warburg in München und insbesondere in Frankfurt inspiriert haben könnten, sondern mehr noch und unterschwelliger auch die durch die Internationale Elektrotechnische Ausstellung aufgenötigte Wahrnehmung von Elektrizität im Besonderen und Kultur im Allgemeinen. Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass gerade für die Präsentationsformen der Frankfurter Ausstellung von 1891 ein zweifacher Umgang mit Elektrizität und Elektrotechnik kennzeichnend gewesen sei. Während auf der einen Seite ein fasziniertes Staunen evoziert werden sollte und konnte,60 wurde auf der anderen Seite mittels Vorträgen, Führungen und ausstellungsbegleitenden Publikationen die rationale Auseinandersetzung mit jenen Phänomenen befördert.61 Dieser Gespanntheit zwischen Gebanntsein und Apperzeption dürfte sich auch Warburg kaum entzogen haben können, und der Ausgleich zwischen genau diesen beiden Extremen sollte für ihn später zum erstrebenswertesten »Grundakt menschlicher Zivilisation« werden.

2. »Telegraphierte Bilder« Auf der Elektrotechnischen Ausstellung ließ sich in statu nascendi auch eine Technologie kennenlernen, die Warburgs Reflexionen über Bildwanderung und -übertragung einen wichtigen Impuls geben sollte: die Bildtelegraphie. Ein erster und aufschlussreicher Hinweis auf Warburgs Interesse gerade an der Telegraphie62 findet sich in seinem Bilderatlas. Der spätesten Version von 1929 sind, gleichsam als deren Quintessenz, drei einleitende

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61 62

der historischen Entwicklung zu verfolgen.« Zitiert nach H, Peter van: De Mnemosyne Beeldatlas von Aby M. Warburg – een laboratorium voor beeldgeschiednis. Bd. 1: Teksten, Masch.-schr. Diss., Leiden 1992, S. 101–116, hier: S. 115 [Hervorhebung T. H.]. WIA, GC, Aby Warburg an Karl Umlauf, 13. Oktober 1928. Dokumente von Überwältigung sind Legion. So nennt Conrad Wüest im »Programm der städtischen Schule in Aarau« von 1892 die Frankfurter Ausstellung »ein Spektakel, dass man den Eindruck bekommt, die Mächte der Unterwelt hätten hier eine Filiale errichtet für die gröberen Verrichtungen ihres Ateliers«, und beschreibt die elektrisch illuminierten Ausstellungsgebäude als »Nachts wie mit einem feurigen Stift auf eine dunkle Bildfläche gezeichnet«. Zitiert nach G: Modernität – Elektrotechnik – Fortschritt, S. 51. Daneben sei an »Biedermaiers Klage« erinnert. Siehe »Anhang«, S. 225–227. Zu den Erwartungen an und durch das Publikum der Frankfurter Ausstellung siehe B: Elektrifizierung als Vision, S. 114–122. Warburg las intensiv über Telekommunikation. Siehe beispielsweise, verhältnismäßig reich annotiert, sein Exemplar von H, Ferdinand: Das Reichs-Postmuseum, 2., durchgesehene und vermehrte Aufl., Berlin 1889.

. »T B« Tafeln »zur Erkenntnistheorie und Praxis der Symbolsetzung«63 mitgegeben, die unter den Buchstaben A–C die »universale Grundlegung für das ganze Projekt«64 liefern sollten. Schon die Positionierung des Hinweises auf der letzten der einleitenden Tafeln, Tafel »C« – als deren Thema Monica Centanni und Katia Mazzucco bezeichnenderweise »la diffusione e la veicolazione delle immagini, specie dal punto di vista delle possibilità di riproducibilità offerte dalla tecnica« erkannt haben –65, unterstreicht seine Wichtigkeit; tatsächlich mag er als ein clavis interpretandi für den Atlas gedacht gewesen sein. Hier nämlich findet sich wiederum an exponierter letzter Stelle, der naheliegenderweise die Funktion einer Summa der Exposition oder eines Ausrufezeichens hinter derselben zugekommen sein könnte, die Titelseite einer Ausgabe der »Hamburger Illustrierte« vom 7. September 1929 (Abb. 40). In der Nachbarschaft zweier Bilder von Zeppelinen findet sich ein drittes, das diesen Akzent markant verschiebt, prangt doch auf der Titelseite, dick unterstrichen, der Schriftzug »Telegraphierte Bilder«, begleitet von dem Untertitel »H. I. [»Hamburger Illustrierte«, T. H.] eröffnet Station für Bildtelegraphie« und der Bildunterschrift »Graf Zeppelin über Neuyork. Das Bild wurde drahtlos bis Paris und dann telegraphisch bis Hamburg gegeben. Aufnahmezeit in der Bildtelegraphie der Hamburger Illustrierten. 18 Minuten. System Siemens-Karolus« (Abb. 41).66 Auf den Seiten 3 bis 4 der »Hamburger Illustrierte« findet sich unter der Überschrift »Bilder kommen telegraphisch« folgender Text: »Unser Zeitalter der Technik hat uns in unerhört raschem Tempo Erfindungen beschert, die das äußere Weltbild radikal umgestaltet haben. Nach dem Fernsprechweitverkehr der Rundfunk, der Tonfilm und als höchstes Wunder die Bildtelegraphie. Sie hat das schwere Problem gelöst, das von einem Bild zurückgeworfene oder durchgelassene Licht in elektrischen Strom umzuwandeln.« Es folgt die Beschreibung des technischen Dispositivs: »Wie bei 63 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 551 (Eintrag vom 20. Oktober 1929). 64 W, Martin: Editorische Vorbemerkungen, in: W, Aby: Der Bilderatlas MNEMOSYNE, hrsg. von W, Martin unter Mitarbeit von B, Claudia (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./ M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Zweite Abteilung, Bd. II. 1) (2000), 2., ergänzte Aufl., Berlin 2003, S. VII–X, hier: S. VIII. 65 F, Kurt W./M, Katia: Introduzione ad Aby Warburg e all’Atlante della Memoria. A cura di Monica Centanni, Milano 2002, S. 184. – Quellentexte und Zitate aus der Forschungsliteratur, welche die Abbildungen der Tafel »C« (wie auch der anderen Atlastafeln) ausschnittweise erläutern, versammeln B, Dorothée: »Gespenstergeschichten für ganz Erwachsene«. Ein Kommentar zu Aby Warburgs Bilderatlas Mnemosyne (Kunstgeschichte. Form und Interesse, Bd. 15), Münster 1988, insbesondere: S. 73–77; K, Marianne/P, Wolfram/R, Werner/ S, Gudrun (Hrsg.): Begleitmaterial zur Ausstellung »Aby M. Warburg. Mnemosyne«, Hamburg 1994; sowie, basierend auf letztgenannter Publikation, W, Aby M.: »Mnemosyne« Materialien, hrsg. von R, Werner/S, Gudrun/P, Wolfram/K, Marianne, Hamburg 2006. 66 Typischerweise waren gerade Zeppelinfahrten bevorzugte Motive bildtelegraphischer Sendungen, nicht nur wegen ihres Nachrichtenwertes, sondern auch auf Grund ihrer symbolischen Ausstrahlung, potenzierten sich doch die Effekte beider Modi einer ›Übertragung‹, vermittels Luftschiff und vermittels Bildtelegraphie, gegenseitig.

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III. B Abb. 40: Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »C«

allen bekannt gewordenen Systemen zur elektrischen Fernübertragung wird auch bei dem neuen Siemens-Apparat der Hamburger Illustrierten das zu sendende Original auf eine Trommel oder Walze aufgespannt. Diese Trommel wird durch das Sendeorgan, eine Photozelle, welche die Umwandlungen der Bildtönungen in elektrische Stromschwankungen bewirkt, in einer feinen Schraubenlinie abgetastet, in der Weise etwa, daß die Sendetrommel mit bestimmter, gleichbleibender Geschwindigkeit um ihre Achse rotiert und neben das Sendeorgan längs dieser Achse in gleichförmiger Geschwindigkeit am Bilde vorbeigeführt wird. Aus dem räumlichen Nebeneinander der Bildpunkte wird hierdurch ein zeitliches Nacheinander von Telegraphierzeichen, so daß für jedes Bildelement ein bestimmter elektrischer Stromstoß über den Sendeverstärker und die Fernleitung übertragen werden kann. Auf der Empfangsseite rotiert ebenfalls eine Trommel, die aber statt des Bildes einen lichtempfindlichen Film oder ein photographisches Papier trägt. Dieser Film wird Punkt für Punkt beleuchtet von einer Lichtquelle, deren Helligkeit im Takte der ankommenden Stromstöße schwankt. Die Steuerung der Lichtquelle geschieht durch die Kerr- oder Karoluszelle, zu der die verstärkten Leitungsströme geführt werden. Hierdurch wird das ferne Sendebild in einzelnen Elementen auf der Empfangsstation photographiert, und aus dem zeitlichen Nacheinander wird jetzt wieder ein räumliches Nebeneinander.«67 (Abb. 42 und 50). Fragen wir nach den strukturellen Gemeinsamkeiten der Bildtelegraphie, also der elektrischen Übertragung eines Bildes über einen Draht- oder Funkkanal, mit Warburgs Theoremen einer Bildübertragung, wie sie sich mustergültig in seinem Bilderatlas ausgefaltet finden, fällt zuerst das gleichsam energetisch aufgeladene, technizistische Vokabular ins 67 Bilder kommen telegraphisch. Eigene Bildtelegraphenanlage im Hause Broschek & Co. der Hamburger Illustrierten und des Hamburger Fremdenblattes, in: Hamburger Illustrierte 11 (36), 07.09.1929, S. 3 f.

. »T B«

Abb. 41: Hamburger Illustrierte 11 (36), 07.09.1929, Titelseite

Abb. 42: Hamburger Illustrierte 11 (36), 07.09.1929, S. 3

Ohr, mit dem Warburg diese charakterisiert.68 So wird das »Mnemosyne«-Projekt als »Physik des Denkraums«69 betitelt und das Forschungsfeld wie auch die Funktion der K.B.W. als »Transformatio energetica«70 bezeichnet. Der Speichermodus der archaisch-primären

68 Zur Metaphorik Warburgs siehe A: Ströme und Strahlen, S. 162 f.; P: »Transformatio energetica«, S. 18 f.; R: Wilde Energien, S. 109 Anm. 67; sowie Z: Wissenschaft in Bildern, S. 230 f. Siehe Abschnitt »Elektrisierende Metaphern«. Eine Abhandlung über Warburgs Sprache hatte schon Gertrud Bing der Akademie der Wissenschaften in Heidelberg zugesagt; selbige gedieh aber über einen Entwurf nicht hinaus, den Bing gemäß Gombrich zudem noch zerrissen habe. Siehe G: Aby Warburg, S. 17. 69 W, Aby: Notizbücher zum Bilderatlas Mnemosyne 1927–1929, zitiert nach B F, Ilsebill: »Vom Triumph zum Seelendrama. Suchen und Finden oder Die Abentheuer eines Denklustigen.« Anmerkungen zu den gebärdensprachlichen Bilderreihen Aby Warburgs, in: D./G, Christoph (Hrsg.): Die Beredsamkeit des Leibes. Zur Körpersprache in der Kunst (Veröffentlichung der Albertina, Nr. 31), Salzburg/Wien 1992, S. 165–170, hier: S. 170. 70 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 505 (Eintrag vom 16. August 1929). Siehe auch W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 285 (Eintrag vom 25. Juni 1928).

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III. B Affektformeln wird als »Leydener Flasche«71 gekennzeichnet, und mit Blick auf die Bildüberlieferung ist vom »Energiekonserve-Symbol«72 die Rede; letzteres, das Symbol, wird als »energetischer«73 oder »polarisierender Umschalter zwischen ›Eignen‹ und ›Fernen‹«74 gedeutet, die »Funktion eines + energetischen Transformators«75 erfüllend. Rembrandt gilt Warburg gar als »der energetische Transformator von der leidenschaftlichen Entladungsgeste zum Accumulator der Leidschaft: Problem der ›Leydener Flasche‹.«76 Jacob Burckhardt und Friedrich Nietzsche werden als »Auffänger der mnemischen Wellen« und als »sehr empfindliche Seismographen«77 adressiert, genauso wie auch die K.B.W.,78 während Warburg selbst sich als »kleine[r] Antennerich[ ]«79 stilisiert. Schließlich verdichtet sich 71 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 543 (Eintrag vom 6. November 1929). 72 W, Aby: Grundbegriffe II, Notizbuch 1929, zitiert nach G: Aby Warburg, S. 327. 73 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 452 (Eintrag vom 10. Mai 1929). Siehe auch .: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 457 (Eintrag vom 19. Mai 1929) 74 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 338 (Eintrag vom 30. August 1928). 75 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 344 (Eintrag vom 23. September 1928). 76 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 286 (Eintrag vom 25. Juni 1928). 77 W, Aby: Burckhardt-Übungen, Notizbuch 1927, zitiert nach G: Aby Warburg, S. 344. – Selbstverständlich sind Phänomene der Elektrizität ihrerseits metaphorisch modelliert worden: etwa Elektrizität als Flüssigkeit (»Strom«, »Welle«, »Fließen«) oder Elektrizität als Körper (»Widerstand«, »Entladung«). Siehe G, Dedre/G, Donald R.: Flowing Water or Teeming Crowds: Mental Models of Electricity, in: G, Dedre/S, Albert L. (Hrsg.): Mental models (Cognitive science), Hillsdale (New Jersey) 1983, S. 99–129; sowie U, Christiane: Zur Entwicklungsgeschichte der elektrotechnischen Fachbezeichnung ›Strom‹, in: Fachsprache. Internationale Zeitschrift für Fachsprachenforschung, -didaktik und Terminologie 2, 1983, S. 163–168. 78 Siehe W: Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg, S. 307. In einem Brief an Gustav Pauli aus dem Jahr 1929 bezeichnet Warburg seine Arbeit und mit dieser auch sich selbst als einen »psychischen Seismographen«. W, Aby: »… ein phaenomenaler Scheinwerfer«. Ein Brief an Gustav Pauli aus dem Jahr 1929, in: D, Michael (Hrsg.): Porträt aus Büchern. Bibliothek Warburg und Warburg Institute. Hamburg – 1933 – London (Kleine Schriften des Warburg-Archivs im Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg, Heft 1), Hamburg 1993, S. 82–84, hier: S. 83. Vom »Bibliothek Warburg-Seismograph« spricht Warburg in einem auf den 27. Juli 1924 datierten Brief an seinen Bruder Paul. Siehe W, Aby: Briefe und Aufzeichnungen 1921–1924, in: B/W: Die unendliche Heilung, S. 116 f., hier: S. 117. – Zur Seismographie siehe auch D-H: L’image survivante, S. 117–125. In Anlehnung daran nennt Beat Wyss Warburgs Bilderatlas einen »›Ikono-Graph‹«, ein »Instrument, das die Verfrachtung von Formen einer nachbebenden Antike aufzeichnet«. W, Beat: Vom Bild zum Kunstsystem. Text (Kunstwissenschaftliche Bibliothek, Bd. 32), Köln 2006, S. 104. 79 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 300 (Eintrag vom 9. Juli 1928). Mehrfach spricht Warburg in Bezug auf sich und andere wie auch auf die Hände des Homo erectus von »Antenne«. Siehe .: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek War-

. »T B« die Metaphorik des Energetischen in einer Kennzeichnung des Wirkraums von Kulturgeschichte als eines der Elektrizität: »Wir haben in den unheimlichen Hallen der Transformatoren innerster seelischer Ergriffenheiten zu künstlerisch bleibender Gestaltung einen Augenblick verweilen dürfen«.80 Auch mit dieser Metaphorik suchte Warburg das »Gerede vom Konflikt zwischen technischer und geisteswissenschaftlicher Weltanschauung«, von dem sein Brief an das Deutsche Museum kündet, ad absurdum zu führen.81 Darin folgte er einem zeitgenössischen Energiediskurs, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch die Geistes- und Kulturwissenschaften erobert hatte. So schreibt der Chemiker und Monist Wilhelm Ostwald, von dem Warburg – neben vielen anderen Werken der exakten Wissenschaften – zahlreiche Bücher besaß, »[…] daß die geistigen Geschehnisse ebenso sich als energetische auffassen und deuten lassen, wie alle übrigen Geschehnisse auch«82. Konsequenterweise publizierte Ostwald ein Jahr später, 1909, ein Buch, dessen Titel an Deutlichkeit burg, S. 511 (Eintrag vom 29. August 1929), S. 520 (Eintrag vom 5. September 1929) oder S. 548 (Eintrag vom 13. Oktober 1929). Siehe auch Anm. 2. 80 W, Aby: Schlußübung zum Seminar über Jacob Burckhardt, Notizbuch 1927–1928, S. 68 f., zitiert nach G: Aby Warburg, S. 347. 81 Es ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass Warburg zeit seines Lebens gegen diesen Konflikt polemisierte: Schon früh manifestierte sich seine Neigung, geisteswissenschaftliche Entwicklungen im Zusammenhang mit ›exakten‹ naturwissenschaftlichen Befunden zu sehen, befördert etwa durch seinen Lehrer Karl Lamprecht, der die Naturwissenschaften auch methodologisch für historische Analysen fruchtbar zu machen suchte. Siehe R, Bernd: Der junge Aby Warburg, München 1997, S. 26 und 50. Noch in einem Brief aus Kreuzlingen, in dem er die Stationen seiner intellektuellen Biographie zusammenfasst, hebt Warburg als deren initiales Moment hervor: »In Hamburg auf dem Grindelhof geboren […] eröffnete mir die deutsche protestantische Gelehrtenschule den Weg einerseits zur Naturwissenschaft und andererseits zum klassischen Alterthum«. Zitiert nach R: Der junge Aby Warburg, S. 107. Zu Warburg und Lamprecht siehe B, Kathryn: Aby Warburg and the Cultural Historian Karl Lamprecht, in: W, Richard (Hrsg.): Art History as Cultural History. Warburg’s Projects (Critical Voices in Art, Theory and Culture), Amsterdam 2001, S. 65–92; sowie V, Bernd: Aby Warburgs Theorie der Kultur. Detail und Sinnhorizont, Berlin 2002, S. 25–28. 82 O, Wilhelm: Die Energie (Wissen und Können, Bd. 1) (1908), 2. Aufl., Leipzig 1912, S. 144. In diesem Sinn konstatiert etwa auch Fiala emphatisch: »stets wird das liebe, kleine Elektron die Hauptursache sein und bei allen Naturvorgängen ganz gleichgültig, welcher Art – ja selber im Geistes- und Seelenleben des Menschen erste und vornehmste Rolle spielen. Es ist Träger allen Seins – – – und man wird sich angewöhnen müssen, die Welt und alle Vorgänge auf derselben durch eine ›elektrisch gefärbte‹ Brille anzusehen; man muß zwar gleichermaßen Physiologe und Hochfrequenztechniker, Zoologe und Physiker, Botaniker und Psychologe, Mediziner und Techniker, Theosoph und Elektriker sein, um die Natur weitgehendst zu – – – durchschauen, aber doch in der Hauptsache Elektriker, denn das Elektron ist nun einmal […] die Weltseele«. F: Elektrophysiologische Zukunftsprobleme, S. 208. – Die systemhistorische These, dass eine Schulung des analytischen Verstandes gerade an der Elektrotechnik neue Einsichten in gesellschaftliche Funktionszusammenhänge ermöglicht habe, diskutiert am Beispiel Emil Rathenaus, des Gründers der AEG, T, Sven: Vernetztes Denken? Deutungsmuster und Orientierungsfunktionen der Elektrohistoriographie um die Jahrhundertwende in Deutschland am Beispiel der Biographien Emil Rathenaus, in: P/H/L/L/M/ S (Hrsg.): Elektrizität in der Geistesgeschichte, S. 11–29. Gugerli nennt in demselben Kon-

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III. B nichts zu wünschen übrig ließ und auch in Warburgs Bibliothek zu finden war: »Energetische Grundlagen der Kulturwissenschaft«. Hier fällt der Begriff des »Transformators«, und hier wird das Prinzip der Energie anthropologisch geweitet und zu dem Bindemittel einer gesamtheitlichen Kulturwissenschaft erklärt: »Die Entwicklungsgeschichte der Kultur erweist sich im Lichte der energetischen Auffassung als die Entwicklungsgeschichte des Werkzeugs einerseits, und als die Geschichte der Einbeziehung fremder Energien in menschliche Zwecke und die Ausbildung entsprechender Maschinen zu ihrer Umgestaltung andererseits. Ich setze hierbei voraus, daß man mir gestattet, auch von psychischer Energie zu sprechen, so daß auch die Transformatoren dieser höchsten Energieform unter die Definition gebracht werden können. Gerade die erstaunliche Einheitlichkeit, welche die gesamte Kulturwissenschaft hierdurch gewinnt, ist umgekehrt ein wertvoller Grund für die Zweckmäßigkeit der Annahme einer psychischen Energie.«83 Diesen Diskurs vertiefend pointiert Warburg die methodologische Eigenart der K.B.W. als einen »Pendelgang zwischen mythischer und wissenschaftlicher Auffassung« oder eine »seelische Pendelschwingung« zwischen »schöpferischen Kraftfeldern«84 und reichert seine Metaphorik dergestalt mit einem weiteren Bild an, dessen Bedeutung ihm im Zuge seiner naturwissenschaftlichen Studien aufgegangen sein muss – dem des Pendels. Als ein Untersuchungsobjekt brachte selbiges eine zeitgenössische Physik in Bewegung, der es wesentlich nicht mehr um feste Körper oder statische Kräfteverhältnisse zu tun war, nicht mehr um Form, sondern um Transformation. So findet sich auf einem Notizzettel Warburgs ein auf ein Lehrbuch des Mathematikers und Physikers Georg Ferdinand Helm Bezug nehmendes Exzerpt, das an Hand des Pendels die Unterscheidung von kinetischer und potentieller Energie umreißt (Abb. 43).85 Mit dem Pendel trifft Warburg ebenfalls ein apparatives Konstituens der Bildtelegraphie; auch deren Eigenart beruht wesentlich auf einer Pendelschwingung, Paradigma für eine gleichlaufende Bewegung in Zeit und Raum und damit text Rathenau den »Konstrukteur eines soziotechnischen Assoziationsclusters«. G: Modernität – Elektrotechnik – Fortschritt, S. 53. 83 O, Wilhelm: Energetische Grundlagen der Kulturwissenschaft (Philosophisch-soziologische Bücherei, Bd. 16), Leipzig 1909, S. 69 f. Vgl. auch R: Wilde Energien, S. 137 f. 84 W: Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg, S. 307. An anderer Stelle formuliert Warburg als Titel des Bilderatlas »Ikonologie des Zwischenraums. Kunsthistorisches Material zu einer Entwicklungspsychologie des Pendelganges zwischen bildhafter und zeichenmäßiger Ursachensetzung«. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 434 f. (Eintrag vom 11. April 1929). 85 Warburgs Exzerpt liest sich wie folgt: »Brockh[aus] K[onversations] L[exikon] / kinetische Energie (Bewegungsenergie) / potentielle (Energie d. Lage oder d. Anordnung) / ›Ein schwingendes Pendel enthält in seiner größten Ausweichung eine potentielle, in seiner Gleichgewichtslage eine kinetische E[nergie]. In jeder anderen Lage ist potentielle und kinetische E[nergie] vorhanden, deren Summe jedoch immer gleich ist der potentiellen E[nergie] der größten Ausweichung. Bei der schwingenden Bewegung findet eine unausgesetzte Umwandlung von einer Energieart in die andere statt.‹ / Helm, Die Lehre von der Energie, 1887«. Zettelkasten Nr. 4 (»Energetik physikalisch«): WIA, III.2.4/001204. – Siehe zur transdisziplinären Bedeutung des Pendels K, Christian: Das Pendel. Eine Wissensgeschichte, München 2007.

. »T B« Abb. 43: Aby Warburg, Exzerpt: Umwandlung von Energiearten beim Pendel

Möglichkeitsbedingung für eine präzise Synchronisierung von Sender- und Empfangsapparat, die für das Funktionieren einer Bildübertragung entscheidend ist.86 Fast wie eine Beschreibung dieses Dispositivs, das sich in dem 1855 patentierten Pantelegraphen des italienischen Physikers Giovanni Caselli mit seiner rund zwei Meter messenden Pendellänge besonders anschaulich manifestiert (Abb. 44), mutet eine Passage in Warburgs Einleitung zum Bilderatlas an: Um die kritischen Phasen im Verlauf des Prozesses der Bildweitergabe durchschauen zu können, habe man sich »des Hilfsmittels der Erkenntnis von der polaren Funktion […] zwischen einschwingender Phantasie und ausschwingender Vernunft« zu bedienen, der das »hantierende Abtasten des Objekts mit darauf erfolgender […] Spiegelung«87 folge. Genau ein solches Abtasten eines Objekts mit seiner darauf erfolgenden ›Spiegelung‹, sprich Übertragung und Reproduktion, ist konstitutiv für die Technologie der Bildtelegraphie und auf der gezeigten Abbildung dargestellt (im rechten Teil von »Fig. 3«). Warburg hat sich, um seinen Gedankengängen die Unumstößlichkeit physikalischer Gesetze zu verleihen, oftmals einer elaborierten Diagrammatik bedient.88 So findet sich in seiner Sammlung »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (monistischen Kunstpsychologie)« das Diagramm eines zwischen den Polen »Idealismus« und »Realismus« schwingenden Pendels im Zeichen einer »Selection der Materie in d. Technik«89 sowie ein weiteres, das die Entfaltung und Polung seiner Theorie zur Gänze unter das mit den Worten »Verschmelzende Vergleichsform« untertitelte Zeichen eines im 86 Siehe K, Christian/K, Albert: Synchronisationsprobleme, in: K, Albert/ S, Erhard (Hrsg.): Signale der Störung, München 2003, S. 143–166, insbesondere: S. 151–159; K, Christian: Isochronie und Synchronie. Zur apparativen und epistemologischen Genese des Kopiertelegraphen, in: S, Henning (Hrsg.): Lebendige Zeit. Wissenskulturen im Werden, Berlin 2005, S. 195–209; sowie, in weiterer kulturhistorischer Perspektivierung, H, Knut: Synchron. Gleichzeitigkeit, Vertaktung und Synchronisation der Medien, in: F, Werner/S, Christian (Hrsg.): Zeit in den Medien – Medien in der Zeit, München 2002, S. 111–129, insbesondere: S. 121–125. 87 W: MNEMOSYNE. Einleitung, S. 3. 88 Siehe auch den Abschnitt »Exstatische und epistemische Grapheme«. 89 WIA, III.43.1.1. »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (monistischen Kunstpsychologie)«, Bd. 1: 1888–1895, S. 166 (Eintrag vom 2. Januar 1892).

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III. B Abb. 44: Giovanni Caselli, Pantelegraph, 1855

Schwingen begriffenen Pendels stellt (Abb. 45).90 Zu diesen diagrammatischen Aufschreibesystemen gehören auch Graphiken Warburgs, die man als ›mental maps‹ bezeichnen könnte. So skizzierte Warburg 1928 auf einem Notizzettel seine persönliche Kulturgeographie (Abb. 46): Mit fließenden, raumgreifenden Strichen – gleichsam einer »Schlaufe seines Lebensfadens«91 – verbindet er Hauptstationen seines wissenschaftlichen Lebens – Hamburg hier mit »Hbg« und Straßburg mit »Str« bezeichnet – mit einem unbezeichneten Osten und mit einem als »Arizona« identifizierten Westen. Florenz und Arizona sind hier auffälligerweise durch ein geschlängeltes Lineament über einer Geraden miteinander verbunden, was auf eine Korrektur oder aber vielmehr auf ein dem im »Schlangenritual« verhandelten Gegenstand kongeniales Graphem hindeuten könnte, zumal in jenem Essay genau diese Verbindung zwischen Florenz und Arizona aufgezeigt wird. Es verlockt, dieses mapping mit der Karte zu vergleichen, die dem Artikel in der »Hamburger Illustrierte« beigegeben ist und das Netz der damals bestehenden europäischen Bildtelegraphiestationen aufzeigt (Abb. 42 und 47). Nicht nur konnte Warburg hierin eine Bestätigung seiner eigenen ›Schaltungen‹ – Hamburg, Straßburg – finden; auch könnte die Schlangenlinie zwischen Florenz und Arizona als eine Anspielung auf die technizistischen »unendlichen Wellen« betrachtet werden, von denen Warburg im Epilog seines »Schlangenritual«-Textes schreibt.92 90 WIA, III.43.2.1. »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (monistischen Kunstpsychologie)«, Bd. 2: 1896–1903, S. 67 (Eintrag vom 13. April 1900). Siehe auch D-H: L’image survivante, S. 169–190, der noch weitere Beispiele anführt. 91 F, Kurt W.: Warburgs Versunkenheit, in: G/R (Hrsg.): Aby M. Warburg, S. 184–206, hier: S. 185. 92 Womöglich wurde Warburg zu dieser Kartographie, die energiegeladene Wanderungsbewegungen aufzeichnet (vgl. auch Abb. 36), angeregt durch eine Hinweistafel, die auf der Frankfurter Elektrotechnischen Ausstellung an exponierter Stelle deren weltweit beachtete Hauptattraktion visualisierte: die Fernübertragung von elektrischem Strom über die damals sensationelle Distanz von 175 Kilometern zwischen Lauffen am Neckar und dem Ausstellungsgelände in Frankfurt. Zur Demonstration dieser so große Distanzen überwindenden Kraft wurde eigens eine Tafel mit einer Karte installiert, auf der die Trasse der Stromleitung den staunenden Besuchern durch 1.000 brennende Glühbirnchen angezeigt wurde (Abb. 49). Siehe L, Erich (Red.): Moderne Energie für eine neue Zeit. Die Drehstromübertragung Lauffen a. N. – Frankfurt a. M. 1891, Heilbronn 1991. – Daneben findet jenes geschlängelte Lineament über einer Geraden ein sowohl formal als

. »T B«

Abb. 45: Aby Warburg, Zeichen eines im Schwingen begriffenen Pendels als Symbol für Warburgs Theorie und ihre Gegenstände

Blättert man in besagtem Artikel der »Hamburger Illustrierte« weiter, fällt auf Seite 4 ein Bilderpaar ins Auge, mit folgender Bildunterschrift (Abb. 50): »Mehr als alle Worte beweist ein Vergleich zwischen einem Original und einem telegraphierten Bild die Qualität unseres neuen Bildtelegraphen-Apparates. Das Original und das übertragene Bild einer Tanzgruppe im Freien«. Wie diese Tanzgruppenformation wurden in der einschlägigen Literatur über Bildtelegraphie immer wieder Abbildungen regelrechter Pathosformeln als Beispiele erfolgreich übertragener Bilder aufgerufen, so etwa auf einer Tafel des im Jahr 1923 erschienenen Standardwerks »Bildtelegraphie« von Arthur Korn (Abb. 52).93 De facto auch gehaltlich adäquates Vorbild in dem bereits erwähnten »launigen Ornament« von Burgess (Abb. 48). Siehe Anm. 12. – Zu Warburgs »Wanderkarten« allgemein siehe W, Claudia: Ideengeographie. Ein Versuch zu Aby Warburgs »Wanderstraßen der Kultur«, in: M, Helga/S, Katharina (Hrsg.): Ent-grenzte Räume. Kulturelle Transfers um 1900 und in der Gegenwart (Studien zur Moderne, Bd. 22), Wien 2005, S. 227–254; sowie ME, Dorothea: Aby Warburg’s (1866–1929) Dots and Lines. Mapping the Diffusion of Astrological Motifs in Art History, in: German Studies Review 29 (2), 2006, S. 243–268. – Ein Verständnis der Schlangenlinie als Linienakt entwickelt M, Sabine: Experiment Linie. Künste und ihre Wissenschaften um 1900 (Kaleidogramme, Bd. 53), Berlin 2010. 93 Es ist bemerkenswert, dass Korn diese Bildserie im letzten Kapitel seines Buchs unter der Überschrift »Das Problem des elektrischen Fernsehens« verhandelt. Hier führt er aus: »Die telegraphische Übertragung von Photographien ist eine Vorstufe des elektrischen Fernsehens; wir können ja jetzt in der Tat an irgend einem Orte eine photographische Aufnahme machen, dieselbe te-

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III. B

Abb. 46: Warburgs persönliche Kulturgeographie, 1928

Abb. 47: Netz europäischer »Bildstationen«

Abb. 48: Gelett Burgess, Vignette, »in der sich Schnellzug, Telegraphenstangen und Rauchwolken zu einem launigen Ornament zusammenfügen« (Warburg), 1895/96

. »T B«

Abb. 49: Kraftübertragung Lauffen – Frankfurt 175 km. Secundärstation Ausstellung Frankfurt a. M. 100 HP Drehstrommotor mit Centrifugalpumpe. Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft, Berlin. Internationale Elektrotechnische Ausstellung, Frankfurt a. M. 1891, Lichtdruck, 1891

waren dies exakt diejenigen Pathosformeln, denen auch Warburg zeitgleich in seinem Bilderatlas nachging (Abb. 51).94 Darüber hinaus wird mit der für die Bildtelegraphie so maßgeblichen Vergleichung von Original und mitunter gestörtem Empfangsbild eine methodische Grundlage und Kernlegraphisch an einen entfernten Ort senden und dort wieder sichtbar machen, z. B. durch einen Projektionsapparat auf einen Schirm entwerfen, dann ist uns in der Tat das Sehen eines fernen Gegenstandes durch die telegraphische Übertragung ermöglicht worden. […] man kann noch weiter gehen, man kann auch kinematographische Aufnahmen machen und telegraphisch übertragen; ich zeige Tafel VIII (Fig. 56) einen Teil einer Serie kinematographischer Aufnahmen, welche ich telegraphisch übertragen habe, die Geste eines bekannten Berliner Schauspielers; wenn man die übertragenen Aufnahmen im Kinematographen vorüberziehen läßt, wird man tatsächlich einen Vorgang, der sich an einem fernen Orte abgespielt hat, nach einer telegraphischen Übertragung wieder sichtbar machen können.« K: Bildtelegraphie, S. 129. Siehe auch den Abschnitt »Kinematographie«. 94 Siehe auch die Tafeln »2« Abb. 3 und 6C, »4« Abb. 1B, »32« Abb. 19, »39« Abb. 11A sowie »53« Abb. 8 und 9. Die Abbildungsnummern beziehen sich auf die Notation der Edition des Bilderatlas. Siehe W: Der Bilderatlas MNEMOSYNE, S. 16 f., 20 f., 54 f., 68 f. sowie 96 f.

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III. B Abb. 50: Hamburger Illustrierte 11 (36), 07.09.1929, S. 4

kompetenz der Kunstwissenschaft wesentlich untermauert, die des vergleichenden Sehens nämlich. In einem Feld formaler und genealogischer Verweisungen, wie es ebenfalls im Fall des Bilderatlas gegeben ist, wurde das ›Original‹ zu einer Episteme (Abb. 53), die formale und, mit Blick auf den Atlas, auch typologische Zusammenhänge erst eigentlich begreifbar macht. Tatsächlich haben im Dispositiv der telegraphischen Bildübertragung viele im Zuge der Herausbildung von Kunst- respektive Bildwissenschaft aufgeworfene und seitens Dekonstruktivismus und Poststrukturalismus attackierte Fragen wie die nach dem »Original«, dem »Ursprung«, dem »Einfluß«, der »Homogenität« oder »Heterogenität« wirksame Materialität gewonnen. Bildtelegraphie und Bilderatlas weisen weitere strukturelle Analogien auf: Wie in der »Hamburger Illustrierte« beschrieben, zeichnet sich die Bildtelegraphie dadurch aus, dass ein räumliches Nebeneinander einzelner Bildpunkte von einem Sender in eine zeitliche Sequenz zu übertragender Signale, das heißt Stromstösse, transformiert wird, die auf der Empfängerseite wieder in ein einheitliches Bild rückverwandelt wird. Gerade diese Transformation eines »zeitlichen Nacheinander« in ein »räumliches Nebeneinander« könnte die Konstruktion von historischen und genealogischen Narrativen in Form von Warburgs Bilderatlas angeregt haben. Dieses den Bilderatlas kennzeichnende Gestaltungsmerkmal wurde auch von prominenten Zeitgenossen Warburgs bemerkenswerterweise gerade aus dem Strukturprinzip der Bildtelegraphie abgeleitet. In diesem Sinn propagierte etwa kein Geringerer als László Moholy-Nagy in seinem erstmals 1925 erschienenen Bauhausbuch »Malerei, Fotografie, Film« – von dem Warburg ein Exemplar aus der zweiten Auflage von 1927 sein eigen nannte – die Bildtelegraphie als ein Leitmedium moderner Gestaltung und Kommunikation: »Mit der Entwicklung der Bildtelegrafie, die die Beschaffung von Reproduktionen und präzisen Illustrationen im Augenblick ermöglicht, werden wahrscheinlich sogar filosofische

. »T B« Abb. 51: Musenreigen auf dem Parnaß. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »50« und »51«, Detail

Werke mit den gleichen Mitteln arbeiten – wenn auch auf höherer Ebene – wie die jetzigen amerikanischen Magazine. Selbstverständlich werden diese neuen typografischen Werke in ihrer Gestalt typografisch-optisch-synoptisch von den heutigen linear-typografischen durchaus verschieden sein.«95 In seinem Buch bezog sich Moholy-Nagy nicht nur auf Arthur Korn; hier verfocht er inständig die Einheit von Kunst, Wissenschaft, Technik und Maschine,96 und hier inszenierte er im Geist der beschworenen ›optischen Synopse‹ visuelle Assoziationen, die an Warburgs Bilderatlas denken lassen: zum Beispiel wenn er die Photographie einer Flugzeugstaffel der eines fliegenden »Kranichheers« gegenüberstellte, Photogramme mit Röntgenphotographien paarte oder die Nahaufnahme von Rillen einer Grammophonplatte mit den Lichtspuren nächtens fahrender Autos und Straßenbahnen konfrontierte. Daneben präfigurierte die Bildtelegraphie die Kombination und Zusammenschau verschiedener Bildtypen und Aufschreibesysteme analog zu Warburgs Display, was ein Vergleich erster Laboratoriumsversuche, die etwa der Naturforscher-Versammlung in Köln im Jahr 1908 vorgestellt wurden (Abb. 54), mit der einleitenden Tafel »A« des Bilderatlas aufzuzeigen vermag (Abb. 55). Was bei Warburgs Ansichtskartensammlung aus dem Deutschen Museum noch ein ungebundenes Konvolut war, setzt die bildtelegraphische Publikation nun in ein spannungsreiches, epistemisch fruchtbares Verhältnis: Beide Tafeln, die Buchseite 95 M-N, László: Malerei, Fotografie, Film. Mit einer Anmerkung des Herausgebers und einem Nachwort von Otto Stelzer (Neue Bauhausbücher. Neue Folge der von Walter Gropius und Laszlo Moholy-Nagy begründeten »bauhausbücher«, hrsg. von W, Hans M. (FaksimileNachdruck nach der Ausgabe von 1927)) (1986), 3. Aufl., Berlin 2000, S. 37 [erste Hervorhebung L. M.-N., zweite und dritte Hervorhebung T. H.]. 96 Diesbezüglich äußerte sich Lyonel Feininger beklommen über seinen Kollegen am Bauhaus – und man ist geneigt, auch in dieser Schilderung Warburg wiederzuerkennen: »Immer und immer wieder wird von Kino, Optik, Mechanik, Projektion und Fortbewegung geredet und sogar von mechanisch hergestellten optischen Diapositiven, vielfarbig, in den schönsten Spektralfarben, die man sich in der Art wie Grammophonplatten aufbewahren kann«. Zitiert nach S, Otto: Nachwort. Moholy-Nagy und seine Vision, in: M-N: Malerei, Fotografie, Film, S. 143– 148, hier: S. 144.

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III. B Abb. 52: Bildtelegraphisch übertragene ›Pathosformel‹

Abb. 53: Vergleichende Betrachtung von Original und Empfangsbild

. »T B«

Abb. 54: Zusammenstellung verschiedener Bildtypen im Rahmen eines bildtelegraphischen Laboratoriumsversuchs, 1908

Abb. 55: Zusammenstellung verschiedener Bildtypen in Warburgs »Laboratorium« der Bildübertragung, 1929. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »A«

Abb. 56: Schematische Darstellung eines zwecks Fernübertragung in Zeilen und Spalten zerlegten Bildes

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III. B Abb. 57: Übertragung von Bildinformation. Schema der Typotelegraphie gemäß Gaetano Bonelli

und das schwarz bespannte Tableau Warburgs, vereinen jeweils drei verschiedene Klassen von Bildern, von denen wenigstens zwei auf beiden Tafeln zu finden sind: abgesehen von den Schriftbildern ikonische Bilder und symbolische Bilder.97 Ferner stellen beide Apparate, Bildtelegraphie und Bilderatlas, Dispositive einer Übertragung dar, mittels derer weniger Bilder als vielmehr diskrete Bildinformationen prozessiert werden. Auch hierfür ist Tafel »A« des Bilderatlas aufschlussreich. Warburg spricht bezüglich der einleitenden Tafeln explizit von einer »Reduktion […] auf die abstrakte Geometrie«.98 Es ist genau diese Reduktion komplexer Bilder auf abstrakte Geometrie, wenn man so will auf Protopixel, die ein Strukturmerkmal der – »Bildelement für Bildelement«99 übertragenden – Bildtelegraphie ausmacht (Abb. 56), mit der »die eigentliche Geschichte des Informationsbegriffs und der Digitalisierung [beginnt]«100. Zugespitzt for97 Neben der Bildtelegraphie kommt auch die bildende Kunst als Inspirationsquelle für Warburg in Frage. So ist wiederholt auf tatsächliche oder vermeintliche Strukturanalogien des Bilderatlas mit Collage- und Montagepraktiken der Avantgarde der zwanziger Jahre hingewiesen worden, doch wurden diese Korrespondenzen hinsichtlich ihrer Bedeutsamkeit für die Ausprägung der singulären Erkenntnisleistungen Warburgs kaum befragt. Die Erforschung der Bezugnahmen Warburgs auf die Kunst seiner Zeit ist bis dato im Wesentlichen nicht über das hinausgegangen, was schon William Heckscher dargelegt hat. Siehe H, William S.: Die Genesis der Ikonologie (1967), in: K, Ekkehard (Hrsg.): Ikonographie und Ikonologie. Theorien – Entwicklung – Probleme. Bd. 1: Bildende Kunst als Zeichensystem, Köln 1979, S. 112–164, insbesondere: S. 127–135; sowie H, Werner: »Die Menschenrechte des Auges«, in: D./S/ W: Die Menschenrechte des Auges, S. 52–111, insbesondere: S. 92–96 und 102; F: Die Hamburg-Amerika-Linie, S. 29–32; .: Warburgs Versunkenheit, S. 190–196; und B, Benjamin H. D.: Warburgs Vorbild? Das Ende der Collage/Fotomontage im Nachkriegseuropa, in: S, Ingrid/W, Matthias (Hrsg.): Deep Storage – Arsenale der Erinnerung: Sammeln, Speichern, Archivieren in der Kunst, München/New York 1997, S. 50–60. 98 W: Der Bilderatlas MNEMOSYNE, S. 10. 99 L, Peter: Fernbildtechnik und elektrisches Fernsehen (Bücher der Umschau über die Fortschritte in Wissenschaft und Technik), Frankfurt a. M. 1926, S. 53. 100 K/K: Synchronisationsprobleme, S. 154. In der einschlägigen informationstheoretischen und medienarchäologischen Literatur wird im Detail kontrovers darüber diskutiert, wann genau und inwiefern von einem Umschlag analoger in diskrete Codierung gesprochen werden könne. Für den hier verhandelten Zusammenhang genügt der Hinweis auf den

. H’ D muliert codierten und übertrugen beide, Bildtelegraphie (Abb. 57) und Bilderatlas – zumindest die einleitende, programmatische Tafel »A«, deren Zeichensysteme bis auf die nicht mehr analoge Graphik eines Stammbaums reduziert werden –, Bilder in Form diskreter Information.101

3. Hertz’ Dipol Abschließend sei noch auf eine Verbindung Warburgs mit einem berühmten Zeitgenossen hingewiesen, seines Zeichens derjenige Physiker, dem der Nachweis elektromagnetischer Wellen gelungen war und der dadurch zu einem der wichtigsten Wegbereiter der drahtlosen Telegraphie geworden war: Heinrich Hertz. Mit dessen Versuchen verglich Warburg seine eigenen Forschungen in jenem Brief vom 27. Juli 1924 an seinen Bruder Paul, in dem er auch die K.B.W. als einen Seismographen adressierte: »Wir haben in der Bibliothek Warburg eine Station zur Beobachtung der Werte seelischer menschlicher Schwingungen (deren Polarität ich eben in den Bildern und Handlungen entdeckt und abgesteckt habe) zwischen, sagen wir, Virtus und Contemplatio (blutigem Handeln und reiner Schau) errichtet. Es ist ein Versuch, den ich nicht scheue – in meiner verzweifelten Einsamkeit meiner Unzulänglichkeit wohl bewußt –, den Hertz’schen Versuchen, die energetische Einheitlichbeiden Übertragungstechniken gemeinsamen Abstraktionsprozess, der komplexe Bilder, in einer Formulierung Warburgs, »zum mathematischen Zeichen entfärbt«. W: Schlangenritual, S. 50. Jene Diskussion lässt sich verfolgen in S, Birgit/B, Peter: Bildtexturen. Punkte, Zeilen, Spalten, in: F, Sabine/T, Georg Christoph (Hrsg.): Mimetische Differenzen. Der Spielraum der Medien zwischen Abbildung und Nachbildung (Intervalle. Schriften zur Kulturforschung, Bd. 5), Kassel 2002, S. 181–219; K/K: Synchronisationsprobleme; dazu B, Peter: Kommentar zu Kassung/Kümmel: Synchronisationsprobleme, in: K/ S (Hrsg.): Signale der Störung, S. 167–171; K, Albert: Ferne Bilder, so nah (Deutschland 1926), in: S, Jens/B, Alexander (Hrsg.): Analog/Digital – Opposition oder Kontinuum? Zur Theorie und Geschichte einer Unterscheidung (Medienumbrüche, Bd. 2), Bielefeld 2004, S. 269–294; sowie K: Isochronie und Synchronie. 101 Abbildung 57 zeigt schematisch die auf Alexander Bain fußende »typotelegraphische« Anordnung Gaetano Bonellis, die jene Zerlegung komplexer Bilder in diskrete Bildinformation mustergültig vorführt. Ein Rechen tastet mit fünf Zinken einen Bleisatz mit Druckbuchstaben Zeile für Zeile ab. Über fünf Leitungen sendet er scharfe oder plötzliche Übergänge von Metall/ Nicht-Metall als Leiten/Nicht-Leiten und damit elektrische Signale, die im Empfänger durch die elektrische Steuerung eines Schreibstifts zu Schreiben/Nicht-Schreiben, also zu Schwarz/ Weiß-Übergängen werden. Siehe K: Bildtelegraphie, S. 8. Vgl. auch eine ähnliche Abbildung in H, Edmund: Geschichte der Elektrizität, Leipzig 1884, S. 595. Von letzterem Buch, das sich in seinem abschließenden Kapitel ausführlich der historischen Entwicklung der Telegraphie widmet, besaß auch Warburg ein Exemplar. – An dieser Stelle mag eine prinzipielle Bemerkung zu einer Argumentation, die sich auf Warburgs oder der K.B.W. bloßen Buchbesitz stützt, angeraten sein: Ein Buchbesitz verbürgt zwar noch keine Buchlektüre; bei einem Bildhistoriker mit dem Wissensdurst eines Warburg darf es aber als zumindest sehr wahrscheinlich gelten, dass dieser jedes angeschaffte Buch in die Hand nimmt, in ihm blättert und anregende Abbildungen in sich aufnimmt. Der Leser möge sich diesbezüglich selbst befragen …

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III. B

Abb. 58: Gerhard Langmaack, Entwurf des Lesesaals der K.B.W., circa 1925

Abb. 59: Schematische Darstellung der Versuchsanordnung zum Nachweis elektromagnetischer Wellen von Heinrich Hertz, ausgestellt auf der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung, Frankfurt a. M. 1891

Abb. 60: Schematische Darstellung eines Dipols mit offenem Schwingkreis

keit von Licht und Elektrizität nachzuweisen, an die Seite zu stellen.«102 Und noch fünf Jahre später würdigte Warburg Hertz explizit in einem Brief aus dem Jahr 1929, in dem er von »jener grandiosen theoretischen Vereinheitlichung des Weltbildes« spricht, deren Produkt unter anderem die drahtlose Telegraphie gewesen sei.103 102 W: Briefe und Aufzeichnungen 1921–1924, S. 116. 103 WIA, GC, Aby Warburg in Florenz an Wilhelm Ax in Hamburg, 31. Mai 1929. Siehe auch WIA, GC, Aby Warburg an Erich von Hornbostel, 18. August 1915. Im Tagebuch der K.B.W. erwähnt Warburg die »Hertz Wellen« und ergänzt: »Oh. Schwindelnde Größe des heutigen

. H’ D Abb. 61: Heinrich Hertz, Skizze der Feldstärken der elektromagnetischen Wellen, 29. Dezember 1887. Der Grundriss des Hörsaals zeigt sechs Stützen und die Sitzreihen (oben: »Hörsaal in 1/100 natürl. Größe. Die Linien bedeuten die Richtung der Kraft.«, links: Dipol)

weltlichen Roms!« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 291 (Eintrag vom 1. Juli 1928). Zum Bestand der K.B.W. gehörte Literatur von und über Hertz, so beispielsweise: H, Heinrich: Erinnerungen, Briefe, Tagebücher. Zusammengestellt von Dr. Johanna Hertz, Leipzig 1927. – Warburg könnte auf Hertz außerdem über dessen Bild-Konzeption der Erkenntnis, konkret über dessen berühmtes Symbol- oder Scheinbildtheorem aufmerksam geworden sein, das von Ernst Cassirer an exponierter Stelle in der Einleitung seiner »Philosophie der symbolischen Formen« verhandelt wird. Gemessen an der Bedeutung, die der Symbolbegriff für Warburg hatte, wäre es erstaunlich, wenn Warburg die Relevanz von Hertz nicht wahrgenommen hätte. Cassirer stellt diesbezüglich fest, dass Hertz in den Überlegungen, mit denen er seine »Prinzipien der Mechanik« einleitet, der naiven Abbildtheorie der Erkenntnis endgültig den Boden entzogen habe. An die Stelle eines gegebenen Seins seien laut Hertz »innere Scheinbilder oder Symbole der äußeren Gegenstände« getreten, die als Modelle wissenschaftlicher Erkenntnis fungierten. Ihre Bedeutung liege nicht mehr in der »Abspiegelung eines gegebenen Daseins, sondern in dem, was sie als Mittel der Erkenntnis leisten, in der Einheit der Erscheinungen, die sie selbst aus sich heraus erst herstellen« (C, Ernst: Philosophie der symbolischen Formen. Erster Teil: Die Sprache (1923),Text und Anmerkungen bearbeitet von Claus Rosenkranz (C, Ernst: Gesammelte Werke. Hamburger Ausgabe, hrsg. von R, Birgit, Bd. 11), Hamburg 2001, S. 3 und 4). Wie eine frühe Formulierung der zentralen Annahmen der jüngeren Wissenschaftstheorie und auch als eine Vorwegnahme dessen, was später McLuhan konstatieren wird, können die – später von ihm auch auf die Technik (!) übertragenen – Folgerungen Cassirers aus Hertz’ Zeichentheorie gelesen werden: »Mit dieser kritischen Einsicht gibt die Wissenschaft freilich die Hoffnung und den Anspruch auf eine ›unmittelbare‹ Erfassung und Wiedergabe des Wirklichen auf. Sie begreift, daß alle Objektivierung, die sie zu vollziehen vermag, in Wahrheit Vermittlung ist und Vermittlung bleiben muß. Und in dieser Einsicht liegt nun eine weitere und folgenreiche idealistische Konsequenz beschlossen. Wenn die Definition, die Bestimmung des Erkenntnisgegenstandes immer nur durch das Medium einer eigentümlichen logischen Begriffsstruktur erfolgen kann, so ist die Folgerung nicht abzuweisen, daß einer Verschiedenheit dieser Medien auch eine verschiedene Fügung des Objekts, ein verschiedener Sinn ›gegenständlicher‹ Zusammenhänge entsprechen muß. Selbst innerhalb des Umkreises der

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III. B Sein schon in den 1880er Jahren berühmt gewordener Dipol samt den durch ihn induzierten offenen Schwingkreisen ist es (Abb. 60), der als Vorbild für die elliptische Gestaltung des Lesesaals der K.B.W. angeführt werden soll (Abb. 58).104 Als Heinrich Hertz sich ›Natur‹ fällt sodann der physikalische Gegenstand nicht schlechthin mit dem chemischen, der chemische nicht schlechthin mit dem biologischen zusammen – weil die physikalische, die chemische, die biologische Erkenntnis je einen besonderen Gesichtspunkt der Fragestellung in sich schließen und die Erscheinungen gemäß diesem Gesichtspunkt einer spezifischen Deutung und Formung unterwerfen.« (C: Philosophie der symbolischen Formen, S. 4 f.) Mithin wohne jenen Scheinbildern oder Symbolen »eine ursprünglich-bildende, nicht bloß eine nachbildende Kraft« inne (C: Philosophie der symbolischen Formen, S. 7), deren Funktion es sei, »die Welt der sinnlichen Erfahrung zu beherrschen und als gesetzlich geordnete Welt zu übersehen« (C: Philosophie der symbolischen Formen, S. 15). Siehe auch Abschnitt »Medienhistoriographie«, Anm. 68. – Zu Hertz’ ›Denken in Bildern‹ siehe unter anderem C, Catherine: Physics as an Art: The German Tradition and the Symbolic Turn in Philosophy, History of Art and Natural Science in the 1920s, in: T, Alfred I. (Hrsg.): The Elusive Synthesis: Aesthetics and Science (Boston Studies in the Philosophy of Science, Bd. 182), Dordrecht/Boston/London 1997, S. 227–249; H, Michael: From Helmholtz’s Philosophy of Science to Hertz’s Picture-Theory, in: B, Davis/H, R. I. G./N, Alfred (Hrsg.): Heinrich Hertz: Classical Physicist, Modern Philosopher (Boston Studies in the Philosophy of Science, Bd. 198), Dordrecht/Boston/London 1998, S. 9–24; S, Gregor: The Loss of World in the Image: Origin and Development of the Concept of Image in the Thought of Hermann von Helmholtz and Heinrich Hertz, in: B/H/N (Hrsg.): Heinrich Hertz, S. 25–38; sowie G, Daniel: Innere Scheinbilder. Von der Ästhetik der Elektrizität zur Bild-Konzeption der Erkenntnis, in: N, Rolf F. (Hrsg.): Evidenz – »… Das sieht man doch!« (Medien’Welten. Braunschweiger Schriften zur Medienkultur, Bd. 1), Münster/Hamburg/Berlin/London 2004, S. 125–161, insbesondere: S. 149–154. 104 Überzeugend – nicht zuletzt unter Verweis auf einschlägige Äußerungen Warburgs – ist die elliptische Gestaltung immer wieder auch als Reverenz an Johannes Kepler und dessen Entdeckung der elliptischen Form der Planetenumlaufbahnen gedeutet worden. Siehe grundlegend J-L: Die Suche nach der symbolischen Form, S. 206–224. JesinghausenLauster deutet die Ellipse forciert und überzeugend als ein Metasymbol und Metamedium des Warburg’schen Denkens und Symbolisierens selbst, denn sie sei schematischer »Ausdruck einer schwierigen Kräfteharmonie und komplizierten Formeinheit, die ›Widerstrebendes vermittelt‹, das in Pole Auseinandergetretene ›umspannt‹ und die Differenz des sich Wiederholenden im immergleichen Kreislauf der Zeichen integriert. Die Ellipse ist die Figur, die Dualismus, Polarität und Differenz konstruktivistisch umschließt und positiviert, die Figur einer durch und durch künstlichen, in sich reflektierten Harmonie der Widerstände, in der sich Gegenüberstehendes nicht aufhebt, sondern vermittelt.« J-L: Die Suche nach der symbolischen Form, S. 213 f. sowie 101 f. Mit Jesinghausen-Lauster setzt sich S: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg, S. 37–42, auseinander. Vgl. auch B, Horst: Gazing Hands and Blind Spots: Galileo as Draftsman, in: Science in Context 13 (3–4), 2000, S. 423–462, insbesondere: S. 454. – Daneben ist auf eine Altarform der Hopi, auf deren Kiwas – unterirdische heilige Ritualräume – und auf die Warte eines Umspannwerks als Vorbild für die Gestaltung des Lesesaals hingewiesen worden. Siehe F: Die Hamburg-Amerika-Linie, S. 21 Abb. 8 und S. 35 Abb. 17 und 16. Die vielgesichtigen Deutungsversuche können sämtlich, mit unterschiedlicher Tragweite, Geltung beanspruchen, untermauern sie doch in ihrer polysemen Gesamtheit jene der Ellipse zugesprochene komplizierte Formeinheit, die Widerstrebendes vermittelt und

. H’ D zusammen mit seinem Sender in der vorlesungsfreien Zeit am 29. Dezember 1887 in seinen Hörsaal einschloss, um die Ausbreitungsbedingungen und Feldstärken seiner Wellen zu untersuchen, und seine Beobachtungen in einer Skizze festhielt (Abb. 61),105 mag er auch den Entwurf eines anderen Hör- und Lesesaals antizipiert haben, den sein Erbauer Warburg stets als ein Energiefeld und ein »Laboratorium« charakterisierte, in dem der Strom

das in Pole Auseinandergetretene umspannt, auch bezogen auf die Architektonik der K.B.W. Gegenüber den aufgeführten Vorschlägen, die vor allem morphologisch und funktionalistisch argumentieren, hat der Rekurs auf den Hertz’schen Dipol den Vorzug, dass er nicht nur eine Form und eine Funktion benennt, sondern mehr noch – in Übereinstimmung mit Warburg und auch mit Jesinghausen-Lausters Interpretation der Ellipse – ein strukturierendes Prinzip oder, in literalem wie figuralem Sinn, ein Kraftfeld bezeichnet, welches das Fundament von Warburgs Denkgebäude, Dualismus und Polarität, umschließt und positiviert. Siehe darüber hinaus, mit Blick auf jene, durch den Hertz’schen Dipol induzierten offenen Schwingkreise, auch W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 329 (Eintrag vom 13. August 1928): »Endlich alle Tafeln zusammen im Lesezimmer aufgestellt, wagerecht in der Linie der Hauptachse der Ellipse) [sic!]. […] Habe Luft für die Emancipation der Motive! […] Weiß schon lange, dass die Perspektive der Decke einbezogen werden muß. Die Eroberung der Unendlichkeit in der Vertikalen.«; sowie, inhaltlich gewendet, W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 350 (Eintrag vom 14. Oktober 1928): »Hauptaufgabe: Wie sich aus dem stereometrisch gestaffelt gedachten Aufsteigsraum [sic!] der Seele doch der unendliche Raum (mathematischer und psychotechnischer Denkraum) entwickelt? Der Durchbruch nach oben durch die architektonische Kuppel – eine Phase / Die Auffahrt durch Vergottung (Apotheose) als Triumphzug der Seele bedeutet die Inversion des im Profil vorbeischreitenden Zuges – (Trionfo).« – Abgesehen davon hat man in der K.B.W. zu Recht Anspielungen auf Bankhäuser wie auch auf Synagogen erkannt. Siehe H, Hermann: Strebende und tragende Kräfte – Die Fassade der K.B.W., in: D (Hrsg.): Porträt aus Büchern, S. 43–70, insbesondere: S. 56–58; sowie S: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg, S. 108–112. Schließlich sind andere Bibliotheksgebäude wie die Anfang des 18. Jahrhunderts errichtete Bibliotheca Augusta zu Wolfenbüttel als Modelle betrachtet worden. Siehe S: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg, S. 101–108; sowie S, Salvatore: Warburg continuatus. Description d’une bibliothèque, in: B, Marc/J, Christian (Hrsg.): Le pouvoir des bibliothèques. La mémoire des livres en Occident, Paris 1996, S. 122–169, insbesondere: S. 152. – Die Frage, wie die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen Architektur, Design und Kunst verändert hat, erörtert mit anderen Bezügen T, Stephan (Hrsg.): Hertzianismus. Elektromagnetismus in Architektur, Design und Kunst (Schriftenreihe der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe – Neue Folge, Bd. 4), München 2009. 105 Ein Faksimile samt Transkription des Notizbuchs, in dem sich auch die in Rede stehende Skizze befindet, ist abgedruckt in H, H. G./D, Manuel G.: Heinrich Hertz’s Laboratory Notes of 1887, in: Archive for History of Exact Sciences 49, 1995, S. 197–270, insbesondere: S. 222 und 266 f. Grundlegend für ein Verständnis von Hertz sind B, Jed Z.: The Creation of Scientific Effects: Heinrich Hertz and Electric Waves, Chicago/London 1994; sowie B/ H/N (Hrsg.): Heinrich Hertz. Letztgenannter Sammelband beinhaltet auch eine umfangreiche und präzise systematisierte Bibliographie. Siehe auch H, Wolfgang: Funken und Scheinbilder. Skizzen zu einer Genealogie der Elektrizität, in: VVS S (Hrsg.): Mehr Licht, Berlin 1999, S. 69–117.

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III. B des Denkens zu fließen beginne.106 Hier mag sich der Kreis schließen, denn tatsächlich war es genau jene Hertz’sche Versuchsanordnung, die auch auf der Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt am Main überaus prominent präsentiert worden war (Abb. 59).107 Laut Warburg, so Fritz Schumacher in seinen 1949 erschienenen Erinnerungen an »Aby Warburg und seine Bibliothek«, war die K.B.W. vor allem auch eine Objektivation der Elektrizität: »Der Gedanke Warburgs, daß er dies Denkmal seiner Gesundung, als das er den Bibliotheksbau auffaßte, nur mit einer großen Ellipse als Herzstück ausführen dürfe, hing – wie ich allmählich herausbekam – so zusammen: Als die Familie und der Arzt noch nicht recht zu unterscheiden wußten, ob Warburgs Geist schon genügend gesund sei, besuchte ihn der Philosoph der Hamburger Universität, Professor Cassirer, in Konstanz, und im Verlauf des Gesprächs entwickelte ihm der Kranke, daß die Entdeckung der Ellipse ein Wendepunkt in der Auffassung unseres Daseins sei. Für Plato sei der Kreis das Symbol der Vollkommenheit gewesen, sozusagen die schöpferische Figur für den Begriff 106 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 111 (Eintrag vom 1. Juli 1927); und W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 540 (Eintrag vom 1. Oktober 1929). An anderer Stelle spricht Warburg von einem »Laboratorium kulturwissenschaftlicher Bildgeschichte«. W: Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten (1920), S. 535. Siehe auch S: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg, S. 109. Warburg könnte während seiner Studienzeit in Straßburg die positivistischen Auffassungen des dort lehrenden Historikers Julius Weizsäcker kennengelernt haben, der die Ziele und Methoden seines Seminars ebenfalls mit denen eines wissenschaftlichen Laboratoriums verglich. Siehe R: Der junge Aby Warburg, S. 67. – Philipp Felsch weist darauf hin, dass das Laboratorium um 1900 als eine Schnittstelle von künstlicher Intensivierung und prozessualer Offenheit weithin zu einer einflussreichen Projektionsfläche für Vorstellungen der Moderne geworden ist. Siehe F, Philipp: Das Laboratorium, in: G, Alexa/ K, Habbo (Hrsg.): Orte der Moderne. Erfahrungswelten des 19. und 20. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 2005, S. 27–36, insbesondere: S. 30 f. Zu Wechselbeziehungen zwischen der Architektur von Laboratorien und der wissenschaftlichen Arbeit in ihnen siehe die Sammelbände von J, Frank A. J. L. (Hrsg.): The Development of the Laboratory. Essays on the Place of Experiment in Industrial Civilization, New York 1989; und S, Crosbie/A, Jon (Hrsg.): Making Space for Science. Territorial Themes in the Shaping of Knowledge (Science, Technology and Medicine in Modern History), Basingstoke/London/New York 1998. Zur Ablesbarkeit verschiedener Wissenschaftskonzeptionen an Gebäudestrukturen und der relativen Lage verschiedener Abteilungen zueinander siehe G, Peter: Image and Logic. A Material Culture of Microphysics, Chicago 1997, insbesondere: S. 684, 785 f., 818 f. und 830 f. Einen einzelnen Komplex analysiert M, Angela: Rudolf Virchow. Das Pathologische Museum. Geschichte einer wissenschaftlichen Sammlung um 1900 (Schriften aus dem Berliner Medizinhistorischen Museum, Bd. 1), Darmstadt 2002, insbesondere: S. 3–16. Bezogen auf die K.B.W. ist über das bereits Aufgeführte hinaus die Analyse von Hipp hervorzuheben, der die Fassade des Bibliotheksgebäudes als ein elaboriertes »Aushängeschild für den geistigen Inhalt« versteht. H: Strebende und tragende Kräfte, S. 47. 107 Siehe Elektrizität. Offizielle Zeitung der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 15, S. 451 f. Warburg konnte die Originalapparate von Hertz auch im Deutschen Museum gesehen haben; und mindestens eine zum Bestand der K.B.W. gehörende Publikation dokumentiert den in München ausgestellten Hertz’schen Dipol: Siehe M, Conrad: Das Deutsche Museum. Geschichte, Aufgaben, Ziele, Berlin/München 1925, S. 229.

. H’ D Abb. 62: Aby Warburg, Strommast in Pasadena, Kalifornien, Februar 1896

des Weltalls. In Wahrheit sei die Ellipse diese schöpferische Figur, denn die doppelten Pole dieser Figur seien charakteristisch für das Weltall: sie beherrschten die Bewegungen im Kosmos, und sie seien das Symbol des Menschen mit seiner polaren Struktur von Geist und Seele. Überall, wo Leben sei, zeige sich die Zweiheit der Pole: nicht nur in der Elektrizität, sondern in Tag und Nacht, in Sommer und Winter, in Mann und Weib.«108 Und eben dieser Elektrizität hatte Warburg schon rund dreißig Jahre zuvor, während seiner Reise zu den Pueblo-Indianern, besonderes Augenmerk geschenkt – dokumentiert in einer Photographie, die den elektrischen Draht auch ohne »Onkel Sam« würdigt (Abb. 62). Wie gesehen formulierte zur Zeit Warburgs die Bildtelegraphie ein Dispositiv, an dem entlang auch die Geisteswissenschaften ihre Fragen neu entwickelten, und Warburgs Epistemologie hat sich an deren Schaltungen und Apparaturen orientiert. Warburg griff Strukturmerkmale des jungen Raum und Zeit sequenzialisierenden Aufzeichnungs- und Übertragungsmediums auf und formte sie zu Strukturmerkmalen seiner Historiographie und seines Bilddenkens – angefangen bei seinem technizistischen Vokabular, das den Konflikt zwischen Technik und Geist annullierte, bis hin zur raumzeitlichen Zurichtung seiner Narratologie. Das bedeutet, dass die Entstehung der modernen Kunst- und Bildwissenschaft als einer systematischen wie historisch orientierten Disziplin auch durch Medientechnologie bedingt ist, und ihr methodologisches Rückgrat und geschichtstheoretisches Denken – wie es im vergleichenden Betrachten, analytischen Zerlegen oder in der Konstruktion genealogischer Narrative manifest wird – wesentlich durch selbige affiziert und formatiert worden sind. Vor diesem Horizont lässt sich die medientechnische Innovation der Bildtelegraphie als eine konstitutive, methodenbildende Kraft einer von Warburg geprägten Kunst- und Bildwissenschaft begreifen. Mittels des tief in seine historiographischen und epistemologischen Entwürfe hineinreichenden ›Graphems‹ des telegraphierten Bildes, der Materialität seiner Analyse und Synthese, würdigte Warburg auf der einen Seite Medien als Objekte historischer Darstellung und reflektierte auf der anderen Seite selbige als Möglichkeitsbedingungen und Aktanten historiographischer Arbeit selbst. Somit entwickelte Warburg 108 S, Fritz: Aby Warburg und seine Bibliothek (1949), in: F, Stephan (Hrsg.): Mnemosyne. Beiträge von Klaus Berger, Ernst Cassirer, Kenneth Clark, Kurt Karl Eberlein, Erwin Panofsky, Percy Ernst Schramm, Fritz Schumacher und Max M. Warburg zum 50. Todestag von Aby M. Warburg (Gratia. Bamberger Schriften zur Renaissanceforschung, H. 7), Göttingen 1979, S. 42–46, hier: S. 44 [Hervorhebung T. H.].

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III. B seine Bildwissenschaft nicht nur an Bildern und für Bilder, sondern auch durch Bilder, gleichsam intrinsisch, aus den Strukturmerkmalen des Bildes selbst heraus. Dass er damit das technische Bild nicht nur zum Objekt der Kunstwissenschaft gemacht, sondern es ebenfalls als ein Subjekt derselben entdeckt und installiert hat, mögen die folgenden Ausführungen weiter untermauern.109

109 Die Rede von der Subjekthaftigkeit des Bildes soll nicht so verstanden werden, dass sich der Mensch nur noch als ein Objekt oder Appendix desselben zu verstehen habe. Er bleibt treibendes Movens eines jeden bildgebenden Prozesses, ein Movens, neben dem das bildgebende Verfahren aber als ein inspirierendes Agens oder als ein Aktant Geltung beanspruchen darf: »Das Subjekt ist, wenn man so sagen kann, in innerem Ausschluß seinem Objekt eingeschlossen.« Siehe Abschnitt »Wissenschaftstheorie«, Anm. 25.

IV. Kinematographie 1. »Himmelskibet« An diese Befunde anknüpfend soll im Folgenden gefragt werden, inwieweit Warburg auf die zeitgenössische Bildtechnologie Kinematographie Bezug nahm. Versucht man die Ansätze und Methoden des Hamburger Kunstwissenschaftlers auf die medientechnischen Prinzipien des Films zurückzuführen, lässt sich auf nur wenige Forschungsarbeiten zurückgreifen, namentlich die Studien Philippe-Alain Michauds und Karl Siereks, die Warburg und das bewegte Bild zusammendenken.1 Während Sierek vornehmlich Warburgs Überlegungen zum Bildverstehen für die Filmanalyse, aber auch für diejenige der Photographie und digital generierter Bilder fruchtbar macht2 und Michaud in einer umgekehrten Bewegung Warburgs berühmtes Interesse an bewegtem Beiwerk diskursanalytisch auf zeitgenössisch kurrente Bilder der Chronophotographie, des Schleiertanzes oder des Ritus der PuebloIndianer zurückzuführen sucht, soll hier primär die Ausprägung jener singulären Modell-

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Siehe M, Philippe-Alain: Aby Warburg et l’image en mouvement, Paris 1998; sowie die erweiterte englische Ausgabe: M, Philippe-Alain: Aby Warburg and the Image in Motion, New York 2004; Trafic. Revue de Cinéma 45, Printemps 2003; S: Eye-Memory und mimische Entladung; S, Karl: Bedrohliche Idole. Aby Warburg und die Angst im Kino, in: B, Matthias/H, Vinzenz/K, Ursula von/S, Alexandra/T, Margrit (Hrsg.): Kinogefühle. Emotionalität und Film (Zürcher Filmstudien, Bd. 12), Marburg 2005, S. 361–375; sowie .: Foto, Kino und Computer. Aby Warburg als Medientheoretiker, Hamburg 2007. Dass Warburgs Reflexe auf das Medium Film immer noch einen blinden Fleck der einschlägigen Forschung markieren, verdeutlicht das von Björn Biester erstellte annotierte Sach- und Begriffsregister für das Tagebuch der K.B.W. Obwohl Warburg ebenda explizit auf den Besuch eines Kinos in Rom abhebt, selbiges gar eine »zauberhafte Mithilfe des Erlebens« nennt, sucht man den Eintrag »Kino« in dem Register vergeblich. Siehe B: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg 1926–1929. Zu der Textstelle in Warburgs Tagebuch siehe Anm. 68. Zum heuristischen Wert der Warburg’schen Ikonologie für die Analyse von Filmen siehe auch N, Maurizia: L’image paysage. Iconologie et cinéma (Esthétiques hors cadre), Saint-Denis 1996.

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IV. K bildungen Warburgs auf mögliche Strukturanalogien mit dem Bildgebungs- und -übertragungsmedium Film hin befragt werden.3 Warburg bezog sich in mindestens dreierlei Hinsicht auf das Medium Film: erstens mit Blick auf einen konkreten Film, zweitens in Geistesverwandtschaft mit der Filmtheorie seiner Zeit und drittens durch strukturelle Adaption der kinematographischen Bildlogik. In seiner Bibliothek verfügte er über viele einschlägige, Filmtheorie und -praxis reflektierende Handbücher und Periodika.4 Und seine Zettelkästen bergen in einer eigens mit »Kino« betitelten Rubrik zahlreiche Dokumente, die sich mit der Institution Kino befassen: so zum Beispiel eine mit »Aufklärung durch den Film« betitelte Zeitungsnotiz über ein von der »Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten« mitfinanziertes Drama,5 die auf eine Ausgabe vom 2. Oktober 1915 der »Hamburger Nachrichten« sich beziehende Notiz »Kino kann auf dem Gebiete der Astronomie zur Verbreiterung der Volksbildung beitragen.«,6 eine vierseitige »Denkschrift betreffs Errichtung einer erstklassigen Film-Fabrik in Hamburg« vom 27. Juni 19117 oder diverse Eintrittskarten für Lichtspieltheater – beispielsweise für einen Abend, an dem auf einen Vortrag mit dem 3

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Siehe auch, kürzer und weniger umgreifend: H, Thomas: Warburg im Kino – Kunstwissenschaft und Film, in: K, Henry/L, Fabienne/M, Susanne (Hrsg.): FilmKunst, Marburg 2011, S. 14–38. – Einen ähnlichen Ansatz verfolgt aus literaturwissenschaftlicher Perspektive A, Peter-André: Kafka und der Film. Über kinematographisches Erzählen, München 2009, der aufzeigt, wie stark das Werk Franz Kafkas von ästhetischen Prinzipien des Films durchdrungen ist. Zu Kafka als passioniertem Kinogänger siehe auch Z, Hanns: Kafka geht ins Kino, Reinbek bei Hamburg 1996. Darunter Lichtbildbühne, Jg. 1914–1919; A, Wilhelm: Wie schreibe ich einen Film? Ein Lehrund Hilfsbuch für Filmschriftsteller (Hilfsbücher für die Praxis des Schriftstellers, Bd. 1), Weimar 1917; F, Hans: Wie wird man Kinoschauspielerin und Kinoschauspieler?, München/Leipzig 1918; A, Erwin: Das Lichtspiel im Dienste der Bildungspflege. Handbuch für Lichtspielreformer, Berlin 1918; G, Urban: Der Film. Seine Mittel – seine Ziele (1919), Berlin 1921; R, Alfred: Das Jackie Coogan Buch, Berlin 1924; M, René: Le cinéma, Paris 1925; Film-Kurier (Hrsg.): Das große Bilderbuch des Films, Berlin 1925; J, Alexander: Der Film in Ziffern und Zahlen. Die Statistik der Lichtspielhäuser in Deutschland 1895–1925 mit 38 Tabellen und 9 Uebersichten, 7 Karten im Text sowie einer großen Spezialfilmkarte mit alphabetischem Verzeichnis, Berlin 1925; F, Willy: Der Kino-Amateur. Ein Lehr- und Nachschlagebuch (Photofreund Bücherei, Bd. 8), Berlin 1926; M, Kurt/J, Egon: Wie ich zum Film kam. Lexikon des Films, Berlin 1926; S, Fritz: Panzerkreuzer Potemkin. Der Matrosenaufstand vor Odessa 1905 nach authentischen Dokumenten (1926), 2. Aufl., Berlin 1926; H, Hans: 133 Film-Stars. Bilder der beliebtesten deutschen Filmschauspielerinnen und Filmschauspieler, Berlin 1927; H: Philosophie des Films; M, René/W, Pierre: Le Cinéma (L’Art dans la Russie nouvelle), Paris 1927; R, Langford/S, Hetty (Hrsg.): Who’s Who in Filmland 1928. A Biographical Year Book of over 1.450 Men & Women of the Screen, London 1928; sowie B, Guido: Der kommende Film. Eine Abrechnung und eine Hoffnung. Was war? Was ist? Was wird?, Stuttgart/ Berlin/Leipzig 1928. Siehe Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028125–6no2: »Aufklärung durch den Film«. Siehe Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028128: »Kino und Astronomie«. Siehe Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028120: »Denkschrift betreffs Errichtung einer erstklassigen Film-Fabrik in Hamburg«. Siehe »Anhang«, S. 228 f.

. »H« Titel »Das Lichtspiel im Dienste der Bilderpflege« die Vorführung der »Lichtbildbeispiele« »Lebende Kriegskarten. – Blumen, Bazillen, Tiere. – Märchenbilder.« folgte8. Ein von Warburg sorgsam verwahrter Zettel etwa wirbt für das Programm des »K. u. k. Feldkino No 162 Damaskus« vom 23. bis 28. Juli 1918, eines von 900 während des Ersten Weltkriegs in ganz Europa installierten deutschen »Frontkinos«, das ein beredtes Zeugnis von der Militarisierung des Kinos für Propagandazwecke ablegt (Abb. 63). In täglich zwei Vorstellungen wird, wie es heißt, ein »auserwähltes reichhaltiges Programm« gezeigt, und zwar: »1.) Der Besuch des österr.-ungar. Kaiserpaares in Sofia und Konstantinopel im Mai 1918, 2.) Oesterr.-Ungar. Marine (Herrliche Meeraufnahmen in II Akten.), 3.) Charly der Wunderaffe (Grossartiges Lustspiel in III Akten.), 4.) Moderne Tänze. (Aktuell.)«.9 Dass Warburg Filme im Kino tatsächlich auch gesehen hat – und nicht nur deren Programmzettel verwahrte (Abb. 64) –, bezeugen vielerlei Dokumente: Briefe, die in der Hauptsache um den Besuch eines einzigen Films kreisen und von Warburgs Wertschätzung des Kinos zeugen,10 oder 8 Siehe Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028126: »Eintrittskarte Nr. 276 für den Lichtbilderabend am Freitag, dem 1. März 1918, 7½ Uhr pünktlich, im großen Saal des Rosenhauses, Dorotheenstraße 129«. Der Eintrittskarte war ein Einladungsschreiben beigefügt, das sich ebenfalls in Warburgs Nachlass erhalten hat und die Kinematographie als ein breitenwirksames kulturwissenschaftliches Aufklärungsinstrument propagiert. Siehe »Anhang«, S. 230 f. In diesem Kontext findet sich auch ein vorausgegangener, auf das Jahr 1917 zu datierender Brief des Vorstandes des Roosenhauses an Warburg mit der Bitte um eine Spende für den Kauf einer Projektionsanlage. Siehe »Anhang«, S. 232–234. Da sich die dem Brief beigelegte Zahlkarte auch in Zettelkasten Nr. 50 befindet, und Warburg diese weder ausgefüllt noch zurückgeschickt hat, ist es wahrscheinlich, dass Warburg dem Spendenaufruf nicht Folge geleistet hat. Die Filmvorführung am 1. März 1918 legt Zeugnis davon ab, dass die Projektionsanlage schlussendlich finanziert und installiert werden konnte. 9 Siehe Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028129–30no6: »K. u. k. Feldkino No 162 Damaskus. Programm vom 23. Juli bis 28. Juli 1918«. Gedruckter Programmzettel, auf der Rückseite handschriftlicher Vermerk Warburgs: »Eröffnungsvorstellung am 23. VII. 1918«. – Zur Situation der Filmindustrie während des Ersten Weltkriegs siehe K, Klaus: Die Ufa-Story. Geschichte eines Filmkonzerns, München/Wien 1992, S. 7–60. 10 Dokumentiert sind etwa der Besuch einer Filmvorführung über den Zeppelin (WIA, FC, Aby und Mary Warburg an Frede Warburg, 4. November 1924), Warburgs Lamento über die mangelnde Würdigung eines Films über den Pionier der Luftschifffahrt Hugo Eckener und sein missionarischer Eifer, das Kino zu propagieren (»Ich […] habe selbst unter den Leuten, die es anging, nicht ein Prozent gefunden, die instinktiv gefühlt hätten, dass hier unter allen Umständen etwas miterlebt werden muss. Die Mühe, ins Kino zu gehen, schien den meisten schon zu gross. Ich werde also anderweitig in dem Ihnen bekannten Sinne weiter predigen, meinetwegen auch tauben Ohren.« WIA, GC, Aby Warburg an Julius Springer, 4. Juli 1925), sein Wunsch, »ins Kino zu gehen und Chaplin zu sehen« (WIA, FC, Aby Warburg an Mary Warburg, 7. Mai 1926), seine Anerkennung des Films als Speicher althergebrachter Narrateme oder Pathosformeln (»Meine Frau war auch im Bali Film und ganz angethan davon; kein Zweifel, er würde in unseren Dramen Cyclus gehören. Das Selbstopfer des Tänzers ist ja so phrygisch (Kybele Kult) wie es nur sein kann.« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 85 (Eintrag vom 24. April 1927)), in Reaktion auf seiner Frau Lob des Filmzyklus »Schaffende Hände« von Hans Cürlis, der die Arbeitsweise berühmter Maler und Bildhauer dokumentierte, eine sarkastische Bemerkung über seine Kollegen mit Blick auf die analytischen Möglichkeiten des Mediums Film

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IV. K

Abb. 63: Programmzettel für das »K. u. k. Feldkino No 162 Damaskus« vom 23. bis 28. Juli 1918

Abb. 64: Ankündigung von »Mirko Pasqua« auf dem Spiel-Plan des Waterloo-Theater, Hamburg

knappe handschriftliche Inhaltsangaben zu einzelnen Filmen in einem Zettelkasten, die er offenkundig einer Eingliederung in den Gedankenhaushalt seines ›Nachlebens‹ für wert erachtete (Abb. 65). In demselben Zettelkasten-Konvolut finden sich zwei unabhängige Dokumente, die beide auf ein und denselben Film hinweisen und ein starkes Interesse Warburgs an demselben nahelegen. Tatsächlich lässt sich dieser Film wie eine Matrize und ein Katalysator der Kulturhistoriographie Warburgs betrachten, und dies schon alleine auf Grund der Informationen, welche die besagten Dokumente preisgeben.11 Bei dem in Rede stehenden Film handelt es sich um den 97minütigen dänischen Stummfilm »Himmelskibet« (»Das Himmelsschiff«) von Holger Madsen aus dem Jahr 1918.12 Warburg archivierte dazu ein Programmheft der Union-Theater-GmbH, Berlin, für die Spielzeit vom 3. bis 9. Mai 1918, (»[Ich] freue mich, dass Du das Steeplechase der Fingerfertigkeit sahst; ich wollte ich könnte [sic!] auch einmal im Film den flüssigeren Konkurrenten abgucken, wie sie (etwa Schubring) Weihnachtskunstgeschichte expektorieren.« WIA, FC, Aby Warburg an Mary Warburg, 8. Mai 1927) oder Mary Warburgs Emphase ob Sergej Eisensteins »Panzerkreuzer Potemkin«, an der sie ihren Mann teilhaben lassen möchte: »fabelhaft!« (WIA, FC, Mary Warburg an Aby Warburg, 2. August 1928). 11 Dass Warburg den Film gesehen hat, darf als wahrscheinlich gelten, kann aber nicht bewiesen werden. Selbst wenn er nur von dem Programmzettel Notiz genommen haben sollte, täte dies der Argumentation keinen Abbruch, geht es ihr doch weniger um rezeptionsgeschichtliche ›Einflüsse‹ oder ›Aneignungen‹ als um aufschlussreiche diskursive Parallelen. 12 Siehe D, Goswin: Himmelskibet, in: S, Norbert/W, Heinrich (Hrsg.): Enzyklopädie des phantastischen Films, Bd. 4. Teil 1: Filme Gr–Ka, 1. Erg.-Lfg. September 1986, Meitingen 1986; sowie S, Angela/S, Karlheinz: Visionen 1900, 2000, 2100. Eine Chronik der Zukunft, Hamburg 1999, S. 65 f. – Für die freundliche Überlassung einer Kopie

. »H«

Abb. 65: Notiz Warburgs zu »Mirko Pasqua«

Abb. 66: Programmzettel anlässlich der Aufführung von »Das Himmelsschiff« im LessingTheater, Hamburg, 1918

in dem »Das Himmelsschiff« auf Seite eins vorgestellt wird.13 Daneben verwahrte er einen gedruckten Programmzettel für eine Aufführung desselben Films im Hamburger LessingTheater im selben Jahr (Abb. 66). Auf dessen Rückseite ist zu lesen: »Wie ›Das Himmelsschiff‹ entstand: Wohl noch nie hat ein Film ein solch reges Interesse hervorgerufen, wie ›Das Himmelsschiff‹. Dieser gigantische Kunstfilm, der 6 Monate lang allabendlich in den U. T. Lichtspielen in Berlin vor ausverkauftem Hause vorgeführt wurde, macht ja bekanntlich zum ersten Male den Versuch, in der Phantasie eines der großen Zukunftsprobleme zu lösen, die sich früher oder später doch dem menschlichen Geiste aufzwingen werden. Der dänische Dichter Sophus Michaelis, dessen lyrische und dramatische Dichtungen ihm in gleich hohem Grade eine hervorragende Stelle in der Literatur geschaffen haben, hat hier zusammen mit Herrn Ole Olsen, dem Generaldirektor der Nord. Filmkompagnie, ein Filmwerk geschaffen, das selbst dem Verstocktesten eine Ahnung von den Zukunftsmöglichkeiten der weltumspannenden weißen Leinwand vermitteln wird. Es mußten natürlich des mittlerweile auf DVD vorliegenden Films danke ich Franz Isfort und Peter Hoffmann, Kino im Sprengel, Hannover. 13 Siehe Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028126–7no1: »Das Himmelsschiff«, in: »U.-T.-Woche Nr. 18 ::: 3.–9. Mai 1918«, S. 1.

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IV. K große Schwierigkeiten überwunden werden, und wenn man diese glänzende Entfaltung von Massenszenen, die herrlichen Naturaufnahmen (so wurde ein Teil des 6. Aktes während eines grandiosen Gewitters aufgenommen), den Flug und die Lichtsignale durch den Weltenraum sieht, nimmt es nicht wunder, daß die Kosten dieses Riesenfilms, der eine Länge von über 2000 m hat und in dem 600 000 [sic!] Personen mitwirken, 3 000 000 Mark betragen. Auf den Inhalt des Films kann hier leider wegen Raummangels nicht näher eingegangen werden, doch ist derselbe ja bereits von den Hamburger Tageszeitungen genügend erörtert worden. In Gunnar Tolnaes hatten die Verfasser den besten Interpreten ihrer Idee gefunden. So männlich, so stark überzeugt ist sein Spiel, daß das schwierige Gleichgewicht in dieser phantastischen Dichtung zwischen dem Sublimen und Allzunaiven in seinen Händen vom ersten bis zum letzten Bilde gesichert ist. Ja, man möchte fast sagen, dieser Film wirkt mit seinen erhebenden und ethischen Tendenzen wie ein Schönheitsgottesdienst, und ohne daß er als Ganzes mit dem Weltkrieg in Verbindung steht, hat er doch einen friedensagitatorischen Grundgedanken. (All dieses veranlaßte wohl auch die Zensurbehörde, den Film für Jugendliche freizugeben, und sollen [sic!], sobald die Verhandlungen hierüber abgeschlossen sind, Sonder-Jugendvorstellungen veranstaltet werden.) Das ist das Neue an diesem idealen Film. Er wird seine Propaganda in der ganzen Welt entfalten. Keine Sprache bindet ihn. Man wird, wenn man diesen Weg, den man eingeschlagen hat, weitergeht, eine große Mission erfüllen! Als eine ebenso bedeutungsvolle wie interessante Entwicklungsepoche in der Geschichte des Films, und als erster Versuch, den ein Dichter unternommen hat, das Lichtbild den großen Ideen dienstbar zu machen, erhebt Sophus Michaelis’ ›Himmelsschiff‹ Anspruch auf eine außergewöhnliche Aufmerksamkeit.«14 Jene Aufmerksamkeit verdankt sich nicht zuletzt dem Plot des Films: In einer zeitlich unbestimmten Gegenwart unternimmt die Menschheit eine Reise zum Mars. Dort treffen die Entdecker auf ein höherentwickeltes friedliebendes menschliches Geschlecht, das die in einem Krieg zerstörte technifizierte Zivilisation überwunden hat und nun in einem pantheistischen Einklang mit der Natur lebt. Nach diversen Irrungen und Wirrungen – genreüblichen dramaturgischen Volten wie einer Liebesgeschichte und einer ›Saulus-Paulus‹Figur – kehren die Menschen zur Erde zurück, begleitet von einer Marsianerin und willens, die pazifistische Botschaft auf ihrem Heimatplaneten zu verbreiten. Abgesehen von dieser Botschaft,15 der seine ganze Sympathie gegolten haben dürfte, und der durch das Medium bedingten Möglichkeit, »das [B]ild den großen Ideen dienstbar zu machen« und jene Botschaft »in der ganzen Welt« zu verbreiten – denn »keine Sprache bindet« diesen »idealen 14 Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028129–30no7: »Wie ›Das Himmelsschiff‹ entstand«. Gedruckter Programmzettel anlässlich der Aufführung von »Das Himmelsschiff« im Lessing-Theater, Hamburg, 1918, Rückseite, gezeichnet »F. T.«. 15 Filmhistorisch betrachtet gehört »Das Himmelsschiff« zu den wenigen Filmen, die zur Zeit des Ersten Weltkriegs einer pazifistischen Programmatik verpflichtet waren und sich nicht in den Dienst einer säbelrasselnden Propaganda stellten. Darüber hinaus beginnt mit Madsens Film eine Seitenlinie innerhalb des Science-Fiction-Genres, in welcher der Außerirdische den moralisch besseren ›Menschen‹ repräsentiert. Siehe Sß, Georg/J, Fernand: Science Fiction. Geschichte und Mythologie des Science-Fiction-Films, Bd. 1, Marburg 2003, S. 429.

. »H« Film« –,16 mag »Das Himmelsschiff« unter drei Blickwinkeln für Warburg inspirierend, respektive sein Regisseur ihm congenial gewesen sein: zum einen angesichts der ikonographischen Ähnlichkeiten zwischen Motiven im Film und Motivgruppen, die Warburg besonders wichtig waren, zum zweiten im Hinblick auf historiographische wie narratologische Parallelen und schließlich auf Grund einer nicht weniger markanten medientheoretischen Entsprechung. In »Das Himmelsschiff« werden zahlreiche Motive und Motivfamilien aufgefächert, die Warburg immer wieder von verschiedenen Seiten beleuchten und in seinem Werk an zentraler Stelle positionieren sollte. Dazu zählen Himmelsreisen und Luftschifffahrten im Allgemeinen, insbesondere mit Zeppelinen;17 aber auch kosmologische Vorstellungen, die Warburg häufig um den Planeten(gott) Mars kreisen ließ.18 Eine Koppelung genau 16 Wie bereits erwähnt wird sich Warburg wenig später in seinem Aufsatz über »Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten« als sensibel für die Tragweite von Propaganda durch Bildmedien erweisen: »War schon durch den Druck mit beweglichen Lettern der gelehrte Gedanke aviatisch geworden, so gewann jetzt durch die Bilderdruckkunst auch die bildliche Vorstellung, deren Sprache noch dazu international verständlich war, Schwingen, und zwischen Norden und Süden jagten nun diese aufregenden ominösen Sturmvögel hin und her, während jede Partei versuchte, diese ›Schlagbilder‹ (wie man sagen könnte) der kosmologischen Sensation in den Dienst ihrer Sache zu stellen.« W: Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten (1920), S. 513. 17 Siehe auch Abschnitt »›Telegraphierte Bilder‹«, Anm. 66. Warburgs Interesse an jedweder Himmelsreise lässt sich vielfach belegen. Für ihn galt die technische Beherrschung des Luftraums als ein Abkömmling althergebrachter Versuche, sich mit magischen Mitteln im Weltraum zu orientieren, mithin als ein wichtiges Indiz für das Bemühen der Menschheit um Orientierung im geistigen Raum. Siehe W: Luftschiff und Tauchboot in der mittelalterlichen Vorstellungswelt (1913), S. 249: »Mir scheint es gar nicht so ›lögenhaft to vertellen‹, wenn man dem modernen Aviatiker, der das ›aktuelle‹ Problem des Motorkühlers studiert, verrät, daß sein geistiger Stammbaum über Karl den Kühnen, der mit feuchten Schwämmen die glühenden Füße seiner himmelstürmenden Greifen zu kühlen versuchte, in direkter Luftlinie hinaufreicht bis zum ›grand Alixandre‹.« Zu Warburgs Analyse der legendären Himmelfahrten Alexanders des Großen sowie des Sonnengottes Malachbel siehe unten, S. 131. – Entsprechend wünschte Warburg für seine Bibliothek den Aufbau einer Abteilung für Luftschifffahrt und besaß diesbezüglich einschlägige, von ihm nicht selten annotierte Werke, etwa: F, Franz Maria: Luftfahrten einst und jetzt, Berlin 1908; oder P, Friedrich: Das Flugproblem in Mythos, Sage und Dichtung, in: L, Bernhard (Hrsg.): Denkschrift der Ersten Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung zu Frankfurt a. M. 1909, Berlin 1911, S. 118–134. Siehe auch ME, Dorothea: IDEA VINCIT – »Die siegende, fliegende ›Idea‹«. Ein künstlerischer Auftrag von Aby Warburg, in: F, Sabine/M-K, Inge/S, Marianne (Hrsg.): Der Bilderatlas im Wechsel der Künste und Medien (Trajekte. Eine Reihe des Zentrums für Literaturforschung Berlin), München 2005, S. 121–151, insbesondere: S. 123–127. 18 Über den Planeten Mars im Besonderen besaß Warburg ein Bändchen von Robert Henseling, das die seinerzeit sehr populären Hypothesen über den Himmelskörper, die Marskanäle oder die vermeintlich auf ihm beobachteten Leuchtfeuer betreffend, anschaulich diskutiert (Bekannt war Henseling Warburg auch, weil jener die K.B.W. für die Mitwirkung an einer geplanten Ausstellung zum Thema »Weltbild in Sternglaube und Wissenschaft« zu gewinnen suchte. Siehe unter anderem W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 234 (Eintrag vom

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IV. K

Abb. 67: Diagramm der Umlaufbahnen von Erde und Mars. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »C«, Detail

Abb. 68: Diagramm der Umlaufbahnen von Erde und Mars. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still

dieser Motive findet sich auf der programmatischen Tafel »C« des Bilderatlas (Abb. 40) wie auch in »Das Himmelsschiff«. So erinnert das sich auf Johannes Keplers »Astronomia Nova« beziehende Diagramm von Mars- und Erdbahn im Verhältnis zur Sonne auf der Bilderatlas-Tafel (Abb. 67) an ein ebensolches Diagramm, das im Rahmen der Filmhandlung präsentiert wird (Abb. 68); und die photographische Darstellung des »Graf Zeppelin« über der japanischen Küste (Abb. 69) aus dem Jahr 1929 auf derselben Atlas-Tafel an genau das Vehikel, mit dem die Erdbewohner in Madsens Film ihre Reise zum Mars unternehmen (Abb. 70). Bezeichnenderweise trägt Madsens Himmelsschiff als Namen das lateinische Wort für »höher« und »erhabener«, nämlich »excelsior«, für das Warburg die passende Erklärung liefert: »Das Aufsteigen ist das Excelsior des Menschen, der von der Erde zum Himmel hinaufstrebt, der eigentlich symbolische Akt, der dem gehenden Menschen den Adel des aufgerichteten, nach oben gewendeten Kopfes gibt.«19 Und nicht zuletzt ähneln sich auch die didaktischen und epistemischen Arrangements. Wenn Warburg seine AtlasTafeln für Vorträge vor einer wissenschaftlichen Gemeinde einsetzt und zu diesem Zweck 2. April 1928), sowie S. 248 (Eintrag vom 27. April 1928)). Jene Ideen über den Mars werden auch in »Das Himmelsschiff« plakativ vertreten. Siehe H, Robert: Mars. Seine Rätsel und seine Geschichte (Kosmos-Bändchen, Bd. 89), Stuttgart 1925. Siehe dazu S, William: The Planet Mars. A History of Observation & Discovery, Tucson 1996, insbesondere: S. 58–145; S, Jeffrey: Haunted Media. Electronic Presence from Telegraphy to Television (Console-ing Passions. Television and Cultural Power), Durham/London 2000, S. 95–103; K, Albert: Marskanäle, in: L, Claudia/S, Irmela (Hrsg.): Medien in Medien (Mediologie, Bd. 6), Köln 2002, S. 67–88; W, Reinhard: Interpretation und Illusion. Probleme mit teleskopischen Bildern am Beispiel der Marskanäle, in: B/S/D (Hrsg.): Das Technische Bild, S. 120–131; sowie R, Ulf von: Der neunte Kontinent. Die wissenschaftliche Eroberung des Mars, Frankfurt a. M. 2009. 19 W: Schlangenritual, S. 24.

. »H«

Abb. 69: »Graf Zeppelin«. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »C«, Detail

Abb. 70: Zeppelinförmiges Himmelsschiff »Excelsior«. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still

auf neutralem, schwarzem Hintergrund verschiedenartigste Bilder arrangiert und sie sich zu einer evidenten Erzählung reihen lässt, so findet sich dieses Dispositiv auch in »Das Himmelsschiff«. Hier präsentiert der Protagonist vor einem Zirkel erlesener Wissenschaftler sein Vorhaben in abgedunkeltem Raum mit Hilfe einer Lichtbildprojektion, die ebenfalls mannigfaltige Bilder – darunter das kosmologische Diagramm oder Photographien genauso wie Filmaufnahmen des Raumschiffs – aneinanderreiht, um Evidenz zu erzeugen (Abb. 71). Zwei weitere Parallelen zeichnen sich ab, wenn man die historiographischen und narratologischen Grundlinien vergleicht, an denen Warburgs Vorstellungen genauso wie die Visionen des Films sich ausrichten. Wie Warburg in seinem Bilderatlas ist es Madsen um die Inszenierung eines Nachlebens von Pathosformeln zu tun. So findet eine leitmotivische Einstellung, in welcher das gemalte Portrait eines Kapitäns auf der Brücke seines Schiffes vor Augen gestellt wird, mit dem der Protagonist des Films innere Zwiesprache sucht, ihren Widerhall in einer Szene, die eben diesen Protagonisten, nun selbst Kapitän, auf der Brücke des Himmelsschiffes zeigt (Abb. 72 und 73). Beider Kapitäne Habitus eint der in die Ferne gehende Blick als Attribut einer Pose zuversichtlicher Welterschließung, die sich auch als eine Pathosformel betrachten lässt. Ähnlich wird ein weiteres, auf dem Mars nachlebendes Motiv verhandelt: Was den Erdbewohnern Kruzifix und Rosenkranz seien, sei auf dem höherentwickelten Mars einem jeden Marsianer der mit einer lebenden blauen Blume be-

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IV. K Abb. 71: Vortrag mit Projektion einer Aufnahme des Himmelsschiffs »Excelsior«. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still

krönte goldene Lebensstab. In dem 1921 in dänischer Sprache erschienenen und 1926 ins Deutsche übersetzten Roman zum Film von dessen Drehbuchautor Sophus Michaëlis heißt es dazu: »Ohne die Geschichte dieses Stabes zu kennen, konnte man sich ein Seitenstück zu der des Kreuzes denken. […] Die duftende Blume war Gegenstand einer Anbetung wie Kreuz und Rosenkranz auf der Erde.«20 Aussagekräftiger indessen ist die narratologische Korrespondenz zwischen dem ethnologischen Subtext von »Das Himmelsschiff« und Warburgs später niedergeschriebenen Überlegungen zum »Schlangenritual«, die in ihrem Kern als eine Summe seines Denkens gelesen werden können. Mit dieser Schrift und der 1895/96 vorausgegangenen Reise zu den Pueblo-Indianern nach Neu-Mexiko suchte Warburg eine Antwort auf die Frage, wie eine heidnische, archaische Weltanschauung beschaffen gewesen sein mag, eine Anschauung, die er als die Urform des Weltbildes des modernen Menschen verstand. In der durch zivilisatorische Einflüsse noch weitgehend unverfälschten indigenen Kultur hoffte er, »einen Maßstab für die Entwicklung vom primitiven Heiden über den klassich-heidnischen [sic!] Menschen zum modernen Menschen«21 zu finden. Bei der so motivierten Beobachtung von Stammesritualen galt seine besondere Aufmerksamkeit der Schlange als einem Blitzsymbol, derer sich die indianische Magie in einem Wetterzauber bediente; und an ihre ambivalente Bedeutung in fast allen bekannten Kulturen knüpfte Warburg eine grundlegende Reflexion über die conditio humana zwischen irrationaler Angst und rationaler Aufklärung. Charakteristisch für diese conditio ist im Verständnis Warburgs das Pendeln zwischen triebhaft-magischer Einverleibung und vergeistigender Distanzierung: »Dieses Nebeneinander von logischer Zivilisation und fantastisch magischer Verursachung zeigt den eigentümlichen Misch- und Übergangszustand, in dem sich diese Pueblo-Indianer befinden. Sie sind keine wirklich primitiven Greifmenschen mehr, für die eine auf die weitere Zukunft bezogene Tätigkeit nicht existiert, aber sie sind auch noch keine technologisch beruhigten Europäer, die das zukünftige Ergebnis als organisch oder mechanisch gesetzmäßig eintretend abwarten. Sie stehen in der Mitte zwischen Magie und Logos, und ihr Instrument, mit

20 M, Sophus: Das Himmelsschiff (1921), Berlin 1926, S. 140. 21 W: Schlangenritual, S. 12.

. »H« Abb. 72: Pose zuversichtlicher Welterschließung im Tafelbild. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still

Abb. 73: Pose zuversichtlicher Welterschließung im Filmbild. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still

dem sie sich zurecht finden, ist das Symbol.«22 In genau dieser Mitte zwischen »Greifmenschen« und »Denkmenschen«23 befinden sich auch die Menschen, die Michaëlis und Madsen zeichnen. Ihr Protagonist etwa hört im Roman auf den sprechenden Namen Ercole Sabene, seines Zeichens ein »einfacher Mann der Erde, der sowohl ›Herkules‹ heißt, obgleich er kein Riese ist, als ›Weiß-es-gut‹, obgleich er sehr wenig weiß«24. Durch ihn sei im Film, laut zitiertem Programmzettel, »das schwierige Gleichgewicht […] zwischen dem Sublimen und Allzunaiven […] vom ersten bis zum letzten Bilde gesichert«. Wie alle Menschen habe er eine Doppelseele: »abergläubisch und skeptisch […], Gläubiger und Verleugner« – »Mit dieser Doppelseele konnte er wild begeistert für Erfinder wie für Helden schwärmen, während er nicht genug Scheltworte gegen dieselben ›Techniker‹ schleudern konnte, die mit jeder neuen Maschine, die sie ›erfanden‹, nur mehr und mehr Geist und Seele aus dem Dasein jagten.«25 Während Warburg, in die22 23 24 25

W: Schlangenritual, S. 25. W: Schlangenritual, S. 25. M: Das Himmelsschiff, S. 178. M: Das Himmelsschiff, S. 9.

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IV. K ser Hinsicht ein Geistesverwandter jenes Ercole Sabene, im Epilog des »Schlangenritual« fatalistisch konstatieren wird: »Telegramm und Telephon zerstören den Kosmos«26, sind es bei Michaëlis und Madsen die Marsianer, die diese Zerstörung abzuwenden wissen, indem sie sich die Nutzung von Elektrizität bewusst versagen: »Telegraph und Telephon waren unbekannt«27. Genau diese Marsianer finden in den Pueblo-Indianern, so wie Warburg sie beschreibt, gewissermaßen ihr Abziehbild. Seine Würdigung des »Leben[s] dieser sogenannten primitiven Menschen«28 lässt sich exakt auf die Marsbewohner übertragen: »Was mich als Kulturhistoriker interessierte, war, daß inmitten eines Landes, das die technische Kultur zu einer bewundernswerten Präzisionswaffe in der Hand des intellektuellen Menschen gemacht hatte, eine Enklave primitiven heidnischen Menschentums sich erhalten konnte, das – obgleich dabei durchaus nüchtern im Kampf ums Dasein tätig – mit einer unerschütterlichen Festigkeit gerade für landwirtschaftliche und Jagdzwecke magische Praktiken betreibt, die wir nur als Symptom eines ganz zurückgebliebenen Menschentums zu verurteilen gewohnt sind. Hier aber geht sogenannter Aberglaube Hand in Hand mit Lebensaktivität. Er besteht in einer religiösen Verehrung der Naturphänomene, des Tieres und der Pflanze, denen die Indianer aktive Seelen zuschreiben, die sie vor allem durch ihre Maskentänze beeinflussen zu können glauben. Uns erscheint dieses Nebeneinander von fantastischer Magie und nüchternem Zwecktun als Symptom der Zerspaltung; für den Indianer ist es nicht schizoid, im Gegenteil, ein befreiendes Erlebnis der schrankenlosen Beziehungsmöglichkeit zwischen Mensch und Umwelt.«29 Die Übereinstimmungen zwischen Indianern und Marsianern lassen sich gerade an beider »fantastischer Magie« aufzeigen. Ist beim Indianer die »drastischste Form des animistischen, d. h. naturbeseelenden Kults« neben dem Tiertanz ein »Baumkulttanz«30, der die »schrankenlose[ ] Beziehungsmöglichkeit zwischen Mensch und Umwelt« stiftet, entspricht dem bei den Marsianern ein »Kult des großen, schönen, vollkommenen Baumes, der der höchste Ausdruck für die Weltanschauung des Ralvolkes zu sein schien«; »Hier war das Dasein ein ungeheurer Baum, dessen Früchte unerreichbare Sterne waren.«31 Aus der zitierten Würdigung eines »primitiven heidnischen Menschentums« geht hervor, dass Warburg selbiges keineswegs als rückständig verstanden wissen wollte: »Hier 26 27 28 29 30

W: Schlangenritual, S. 59. M: Das Himmelsschiff, S. 154. W: Schlangenritual, S. 27. W: Schlangenritual, S. 10. W: Schlangenritual, S. 12. Warburg bezieht sich an dieser Stelle explizit auf den Germanisten und Mythologen Wilhelm Mannhardt, von dem er mehrere Publikationen besaß, darunter: M, Wilhelm: Wald- und Feldkulte, 2. Aufl., Berlin 1905. Baumkulten mag ein besonderes Augenmerk Warburgs gegolten haben, wie mehrere Bücher in seiner Bibliothek nahelegen, unter anderem: W, Paul Reinhold: Die Eiche in alter und neuer Zeit. Eine mythologisch-kulturhistorische Studie. 1. Teil, Wurzen 1891; P, Isaline: The sacred tree: or, The tree in religion and myth, London/New York 1897; sowie W, Ludwig: Altgriechischer Baumkultus. Untersuchungen, Leipzig 1919. 31 M: Das Himmelsschiff, S. 142 f.

. »H« aber geht sogenannter Aberglaube Hand in Hand mit Lebensaktivität.«32 Auch die vermeintlichen Atavismen der Marsbewohner werden von Michaëlis und Madsen als der einzig zukunftsfähige Lebensentwurf gepriesen. Wie der Indianer einen »Heros frühester Aufklärung«33, personifiziert der Marsianer den »›Fortschritt der lebendigen Vernunft zu größeren und feineren Kulturformen‹«34. So ist der historiographische Tenor des »Schlangenritual« identisch mit demjenigen des Films: Tatsächlich ist es auf der Erde wie auf dem Mars eine zyklische, genauer: spiralförmige Entwicklung, die auf immer höherem Niveau Logos in Magie umschlagen lässt und vice versa – ein »Kreislauf von kultischer Verehrung, von derbster sinnlicher Annäherung bis zur Überwindung«35 – und die allein den Kosmos vor seiner Zerstörung bewahren kann. Die eigentliche narratologische Pointe liegt allerdings in einer anderen Figur, welche die Fiktion der Marsreise auf Warburgs Reisebeschreibung abbildet und umgekehrt. Chronotopologisch entwickelt sich bei Warburg wie bei Michaëlis und Madsen die Reise im Raum – nach Neu-Mexiko respektive zum Mars – zu einer Reise in der Zeit, die schließlich zu einer Gewärtigung der Wurzeln des modernen Menschen und seiner Evolution führt. Bei Warburg heißt es dazu: »Die elementare Entladungsform dieser religiösen Magie der Indianer als Ureigentümlichkeit primitiver Wildheit, von der Europa nichts weiß, anzusehen, liegt dem Unbefangen nahe. Und doch waren vor 2000 Jahren gerade in dem Ursprungsland unserer europäischen Bildung, in Griechenland, Kultgewohnheiten im Schwange, die an verzerrter Kraßheit das, was wir bei den Indianern sehen, noch übertreffen.«36 Und Michaë32 In gleicher Weise lässt sich folgende Passage verstehen: »Der Ersatz der mythologischen Verursachung durch die technologische also nimmt ihr den Schrecken, den der primitive Mensch empfindet. Ob sie durch diese Befreiung von der mythologischen Anschauung ihm auch wirklich hilft, die Rätsel des Daseins ausreichend zu beantworten, das wollen wir nicht ohne weiteres behaupten.« W: Schlangenritual, S. 56. 33 R, Ulrich: Nachwort, in: W: Schlangenritual, S. 61–94, hier: S. 79. 34 M: Das Himmelsschiff, S. 85. 35 W: Schlangenritual, S. 57 [Hervorhebung T. H.]. Siehe auch .: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 480 (Eintrag vom 29. Juli 1929): »Ich fange mit der Astrologie an (wie schon sehr oft) weil [sic!] sich das Problem (des Kreislaufes) von der phantastischen Concretion zur mathematischen Abstraktion nirgends überzeugender in der fatalen Wendigkeit seiner polaren Hantierung zeigen lässt, als am Himmelskörpergleichnis […].«; sowie Warburg in einem Brief an seinen Bruder Max vom 5. September 1928 anlässlich eines Besuchs bei Albert Einstein: »Das allgemein Bedeutsame besteht nun darin, dass ich dadurch Material zur Selbsterkenntnis des denkenden Menschen einliefere, dass ich den Weg von der Konkretion zur Abstraktion nicht als ausschliessende Gegensätzlichkeit sondern [sic!] als organischen Kreislauf im menschlichen Denkvermögen auffasse und nachweise.« WIA, FC, Aby Warburg an Max Warburg, 5. September 1928. Zu diesem Besuch siehe auch B, Horst: »4 Stunden Fahrt. 4 Stunden Rede«. Aby Warburg besucht Albert Einstein, in: H, Michael (Hrsg.): Einstein on the Beach. Der Physiker als Phänomen, Frankfurt a. M. 2005, S. 165–182 und 310–314. Zur Bedeutung dieses Besuchs siehe Abschnitt »Verzettelungen«, Anm. 59, sowie Abschnitt »Elektrisierende Metaphern«, Anm. 146. Zu Warburgs historiographischem Modell siehe ebenfalls Abschnitt »Prometheus und Francofurtia«, Anm. 58. 36 W: Schlangenritual, S. 44 [Hervorhebungen T. H.].

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IV. K lis lässt die Marsianer verlauten – was sich, ersetzt man »in den Weltenraum« durch »nach Neu-Mexiko« und »auf der Erde« durch »in Europa« – wie eine Quintessenz von Warburg liest: »›Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft – sind alles nur Begriffe, die auf Abstand beruhen. Entfernen Sie sich genügend weit hinaus in den Weltenraum, werden Sie das als Aktualität sehen können, was Sie auf der Erde Vergangenheit, Altertum nannten.‹«37 So ist es den Erdbewohnern dann, »als ob es ihre eigene, innerste, lang vergessene Sprache wäre, die sie plötzlich wieder hörten«38. So wie Warburg jene Einsichten nicht nur durch eine Fernreise, sondern ebenfalls durch den Besuch eines Filmtheaters gewonnen haben mag, werden auch die Erdenbewohner Michaëlis’ und Madsens durch Apparaturen jenes ›Fernsehens‹ maßgeblich inspiriert. Im Film wie im Roman »Das Himmelsschiff« wird die Handlung mehrfach explizit auf dem Medium Kinematographie abgestützt. Zum einen sind die Passagiere des Raumschiffes von der Möglichkeit eines Ausblicks ins All, die ihnen eine an Bord eingebaute Sternwarte – ein so apostrophiertes »Theater für astronomische Aufnahmen«39 – gewährt, so überwältigt, dass sie sich anfänglich in einem Lichtspielhaus wähnen und eine Filmsensation vor Augen zu haben glauben: »›Das grandioseste Cinema, das ich bisher gesehen habe. Ein astronomisches Aufnahmetheater – etwas wirklich Neues.‹«40 Später wird sich an die Seite der Metapher des Lebensbuchs diejenige des Films gesellen: »›Das Leben ist nur eine Illusion. Eine Spanne der endlosen Bilderreihe der Ewigkeit, die lebend wird, wenn die Bilder im Lichte hervorrollen und sich in einer sehenden Seele spiegeln. […] ein unveränderlicher Film, den Gott abrollt, wenn es ihm gefällt‹«41. Wichtiger noch ist die Art und Weise, in der auch die Marsianer den Film instrumentalisieren. Sie verfügen ihrerseits über ein einzigartiges vegetabiles und animistisches Kino, das hier – da kein einziger Verweis auf dasselbe in der einschlägigen medienhistorischen Forschungsliteratur zu finden ist – in der ganzen Ausführlichkeit seiner Beschreibung vorgestellt werden soll: »Gewisse Bäume akkumulierten, hebend und treibend, Ströme. Rinden konnten leuchten. Blumen wurden kultiviert, um als Fackeln zu dienen. Die Lichtpflanzen hatten eine sonderbare Fähigkeit, allerlei astrales Licht zu absorbieren, vom weißen Sonnenscheine bis zum fernsten Sternenschimmer. Die sonneeinsaugenden Pflanzen konnten, wenn man sie mit besonderen Flüssigkeiten übergoß, dazu gebracht werden, mit förmlicher Magnesiumstärke zu strahlen. Durch merkwürdige chemische Prozesse war die Lichtempfindlichkeit dieser Pflanzengewebe bis zu einer Art Kameraabspiegelung von Leben und lebenden Farben entwickelt. Auf großen pflanzengewobenen Platten – dem Zelluloidfilm der Erde entsprechend – wurden Spiegelbilder imprägniert, die im Scheine von wechselndem Pflanzenlichte die eigenen Farben der Natur sichtbar machten, als ob es lebende Malereien wären, die über ein und dieselbe Netzhaut glitten. Hier war keine Aufrollung von tausend37 38 39 40 41

M: Das Himmelsschiff, S. 65. M: Das Himmelsschiff, S. 168. M: Das Himmelsschiff, S. 17. M: Das Himmelsschiff, S. 24. M: Das Himmelsschiff, S. 63.

. »H« Abb. 74: Magische Einverleibung und vergeistigende Distanzierung angesichts eines »lebenden Bildergewebes«. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still

Abb. 75: Kinematographische Vorführung der Ureinwohner des Mars. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still

meterlangen Streifen nötig. Die lebenden Licht- und Farbenspiegelungen lösten einander in demselben Tempo ab, in dem die Fläche den photographischen Eindruck aufgesaugt hatte. Dieses lebende Bildergewebe ersetzte Bücher und wurde zu einer Art Anschauungsunterricht gebraucht, der weder Sprache noch Schrift forderte, sondern unmittelbar durch den Anblick sprach. Im Gegensatze zur Erde, deren Filmbilder wie ein phantastisches Spielzeug wirkten, ein lebendes Puppentheater, wo geschminkte Schauspieler Komödie oder Tragödie in Stücken spielten, zur Erbauung für Hottentottengehirne gedichtet, war dieses Bildgewebe ein Naturtheater, wo die Begebenheiten des wirklichen Lebens sich so wahr abspiegelten, als ob sie lebten. Die Erfindung mußte uralt sein, denn mehrere Tempel des Schweigens bewahrten Reihen von Vergangenheitsbildern. An Feiertagen wurden sie unter dem Namen ›Der Wahrheitsspiegel‹ vorgeführt und gaben merkwürdige Vorstellungen von dem Leben in den großen, in Schutt gelegten Städten mit ihrer todbringenden Raubkultur.«42 Ohne dieses Dispositiv in seinen vegetabil-technischen Einzelheiten analysieren zu wollen, kann doch festgehalten werden, dass es als ein veritables Archiv von »Reihen von 42 M: Das Himmelsschiff, S. 154 f.

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IV. K Vergangenheitsbildern« fungiert. Und genau in dieser Funktion, wenn auch simpler in seiner Konstruktion, wird es im Film in Szene gesetzt: In einem Tempel nämlich – auf einer als Projektionsfläche dienenden Wand, auf der eine kreisförmige Blende aufgezogen wird – führen die Marsianer den Besuchern von der Erde ihre eigene Kulturgeschichte vor Augen, anhebend mit kriegerischen Auseinandersetzungen und mündend in eine friedliebende Zivilisation. Es erstaunt nun nicht mehr, dass auch hier ›Indianer‹ als die direkten Vorfahren der in Harmonie von magischer Einverleibung und vergeistigender Distanzierung lebenden, hoch entwickelten Marsianer gelten (Abb. 74 und 75). In »Das Himmelsschiff« also wird die Kinematographie selbstreflexiv inszeniert: als ein Bildervehikel und Garant historischer Überlieferung und damit der Identitätsstiftung. Und Warburg wird diese Wertschätzung einer filmischen Speicherung von Geschichte, einer Historiographie in Form von Kinematographie zu seiner eigenen machen.

2. Ausdrucksbewegung und Bewegungsbild Philippe-Alain Michaud kommt das Verdienst zu,auf die Projektion eines Dokumentarfilms im Lesesaal der K.B.W. im Jahr 1928 hingewiesen zu haben. Im Rahmen eines Vortrags zum Nachleben archaischer Tänze in der baskischen Kultur hatte František Pospíšil, ein tschechischer Ethnologe und Leiter der ethnographischen Abteilung des Regionalmuseums von Mähren, einen Film vorgeführt, der sich modernen Formen des traditionellen Schwerttanzes widmet.43 Im Nachlass hat sich eine Einladungskarte für Pospíšils Vortrag erhalten, die Warburg, seinen Bleistiftnotaten auf selbiger zufolge, als Gedankenstütze entweder bei der Anmoderation des Vortrags oder dessen Diskussion gedient haben könnte (Abb. 76).44 Die Notate bezeugen Warburgs Interesse an einem dergestalten »Nachleben d. Antike« von London bis zum Kaukasus; und das Bildmaterial, das ein Pospíšil, der ähnlich wie Warburg auf Tafel »A« seines Bilderatlas (Abb. 36) eine Karte des Kulturaustauschs entworfen hatte (Abb. 77), in der K.B.W. gezeigt haben könnte, mochte Warburg zur Bestätigung einer Migration und des Nachlebens figurativer Riten und Ausdrucksgebärden gereicht haben – 43 Siehe M, Philippe-Alain: Lettres par Franz Pospišil et Aby Warburg, in: Trafic. Revue de Cinéma 45, Printemps 2003, S. 136–141; sowie ME, Dorothea: Die Pospisil – Warburg Korrespondenz im Warburg Institute / Korespondence Pospíšil – Warburg uložená ve Warburgově institutu, in: D, Hana (Hrsg.): Hanák na Pacifiku. Zapomenutá osobnost Františka Pospíšila. A Man from Haná on the Pacific Coast. The forgotten figure of František Pospíšil, Brno 2008, S. 183–206 und 207–218. Bereits im Jahr 1905 hatte Emil Bibo, ein Spezialist für indianische Tongefäße aus Neu-Mexiko, Warburg zwei Filmrollen mit indianischen Tänzen geschickt, damit der Kulturwissenschaftler einige ihn interessierende Photogramme anfertigen könne. Siehe M: Lettres par Franz Pospišil et Aby Warburg, S. 136. 44 Siehe WIA, I.9.18.7.6. »Einladung zu dem Vortrag von Professor Dr. Pospíšil/Brünn ›Urantike Tänze im heutigen Baskenlande‹ am Sonnabend, den 17. März 1928, 8 Uhr Abends«. Einladungskarte. Unter anderem notierte Warburg auf der Karte: »Kino aufn./mit/Schwert Tänzer«, »Nachleben d. Antike«, »London bis Kaukasus« und »Mithras/Cumont [Belgischer Archäologe, Philologe und Religionshistoriker, T. H.]/Nachtrag«.

. A  B Abb. 76: Einladungskarte für einen Vortrag František Pospíšils in der K.B.W. mit handschriftlichen Notizen Warburgs

wobei ihn gewiss das Motiv des »urantiken«, in der Gegenwart fortlebenden Tanzes inspirierte, vielleicht aber auch der mit einer Kamera bewehrte Historiker im Bild (Abb. 78), den Warburg bereits gut dreißig Jahre zuvor in NeuMexiko gewürdigt hatte (Abb. 8).45 Warburgs Reaktion auf Pospíšils Präsentation hätte eindeutiger nicht ausfallen können. In einem Brief an den Greifswalder Germanisten Wolfgang Stammler, der bei der Filmvorführung zugegen war, lässt Warburg keinen Zweifel an der Relevanz des Mediums Film für seine Forschungen: »Jedenfalls hoffe ich, Dass [sic!] Sie […] sich im lebenschaffenden Kreislauf zwischen rückwärtsgewandtem und gegenwartsempfänglichem Beobachtungswillen fühlten. Ich hege für Dr. Pospisil aufrichtige Bewunderung: Denn mag auch das Hackmesser der Zeit stellenweise schädlich dareinfahren, so muss die Kulturwissenschaftliche Forschung doch ihre Freude daran haben, dass unter Einsatz äusserster Energie und überragender Intelligenz, soziale Ausdrucksbewegungen im Bilde gerettet werden, die zur Psychologie des europäischen Festwesens einzig wertvolle, und leider im Absterben begriffene Prozesse in der Erinnerung lebendig erhalten.«46 Der im Brief zentrale Begriff der »Ausdrucksbewegung« verweist auf die Warburg vertraute psychologische Theorie der Ausdrucksbewegung von Wilhelm Wundt aus den 1870er Jahren.47 Der Gründer des ersten Instituts für experimentelle Psychologie hatte den 45 Relativ gut greifbar ist dieses Bildmaterial dank des 2007 in der Tschechischen Republik produzierten Dokumentarfilms »Dancing for the Camera« über Pospíšils Forschungen. Für den Hinweis auf diesen Film danke ich Claudia Wedepohl, London. 46 WIA, GC, Aby Warburg an Wolfgang Stammler, 2. April 1928. Auch im Tagebuch der K.B.W. findet sich – neben plastischen Schilderungen Stammlers – ein prägnanter Reflex auf Pospíšils Präsentation: »Der Vortrag war energetisch gesättigt und wirkte trotz Dialekt überzeugend.« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 228 (Eintrag vom 18. März 1928). 47 Der Begriff begegnet auch im Kontext der Suche nach einer dem Denkgebäude Warburgs und seines Kreises adäquaten Systematik der K.B.W.: »[Bing:] Erbitte Entscheid: Gehört Physiognomik, (Gesichtsausdruck), Temperamentenlehre, (Ausdrucksbewegung) – Graphologie für uns unter ›Psychologie‹ oder unter ›Symbol.‹ […] (etwa zu Charakterologie und Typenlehre) [Warburg:] Würde vorschlagen als Ueberschrift: ›Ausdruckskunde‹« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 79 (Eintrag vom 6. April 1927). – Siehe zur weitgefächerten Diskussion von »Ausdruck« und »Ausdrucksbewegung« um 1900 mit anderem Fokus Z: Wissenschaft in Bildern, S. 129–184; und umgekehrt zu den Gemeinsamkeiten von

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IV. K

Abb. 77: František Pospíšil, Kartierung von Schwerttänzen und deren Migrationen. Petr Hajn, Dancing for the Camera, 2007, Action Still

Begriff in die Psychologie eingeführt und mit ihm zahlreichen Diskursen von der wissenschaftlichen Ausdruckspsychologie über die Charakterologie und Psychopathologie bis hin zu Ästhetik und Kulturtheorie einen Knotenpunkt gegeben.48 In seiner paradigmatischen Abhandlung »Grundzüge der physiologischen Psychologie«, die erstmals 1873 und 1874 in zwei Bänden erschien, definiert er den Begriff der Ausdrucksbewegung als eine Form der Mitteilung psychischer Regungen: »Indem sich die Gemüthsbewegungen fortwährend in äußeren Bewegungen spiegeln, werden die letzteren zu einem Hülfsmittel, durch das sich verwandte Wesen ihre inneren Zustände mittheilen können. Alle Bewegungen, die einen solchen Verkehr des Bewusstseins mit der Außenwelt herstellen helfen, nennen wir Ausdrucksbewegungen.«49 Wundts Theorie der Ausdrucksbewegung fußt auf der Annahme eines Parallelismus zwischen psychischen und physischen Prozessen, wobei sie mit Gefühlsverlauf und Ausdrucksbewegung auf beiden Seiten eine Verzeitlichung und Dynamisierung verzeichnet. Wundt entwickelte diese Theorie sowohl in einer individualpsychologischen Perspektive Wundt und Warburg, ohne auf die Theorie der Ausdrucksbewegung einzugehen, B: Kunst als Denkraum, S. 125–128. 48 Siehe für die folgenden Ausführungen zu Wundt L, Petra: Affektbilder. Eine Mediengeschichte der Mimik, Bielefeld 2004, S. 159–187 (mit Lit.). 49 W, Wilhelm: Grundzüge der physiologischen Psychologie (1873–1874), Bd. 2, 4., umgearb. Aufl., Leipzig 1893, S. 598 f. Warburg besaß neben anderen Schriften Wundts – etwa seiner »Völkerpsychologie« – auch ein Exemplar dieser Abhandlung aus der 5., völlig umgearbeiteten Auflage von 1902/03.

. A  B

Abb. 78: František Pospíšil, Schwerttanz in San Sebastián, Spanien, 1927 (?), samt dem mit einer Kamera bewehrten Historiker. Petr Hajn, Dancing for the Camera, 2007, Action Still

wie auch, analog argumentierend, als eine Völkerpsychologie, die er als eine umfassende Theorie der Kultur und ihrer Geschichte dachte. Auch in diesem Bezugssystem fasst er die Ausdrucksbewegung als körperlich sichtbares Korrelat der Gemütsbewegung, wenn auch auf einer universellen Ebene: »Die psychophysischen Lebensäußerungen […] bezeichnen wir ihrem allgemeinen Begriffe nach als Ausdrucksbewegungen. Jede Sprache besteht in Lautäußerungen oder in deren sinnlich wahrnehmbaren Zeichen, die, durch Muskelbewegungen hervorgebracht, innere Zustände, Vorstellungen, Gefühle, Affecte, nach außen kundgeben.«50 In dem erweiterten Rahmen der Völkerpsychologie begreift Wundt die Ausdrucksbewegung explizit als eine Sprache, die aus sinnlich wahrnehmbaren Zeichen besteht und innere Zustände kommunizierbar macht. Mit der Ableitung einer Sprachtheorie aus der psychologischen Theorie der Ausdrucksbewegung nahm Wundt nicht nur die im gesamten 18. Jahrhundert umfänglich diskutierte Idee einer universalen Körpersprache wieder auf, sondern schloss auch an die Sprachursprungsdebatten dieser Epoche an. Nachdem eine anfängliche unwillkürliche Triebbewegung, so seine Theorie der Sprache, in eine willkürliche Ausdrucksbewegung übergegangen sei, begründe die oftmalige mimetische Wiederholung einer Gebärde ihren Ursprung als Sprache und bilde zugleich den Modus ihrer 50 W, Wilhelm: Völkerpsychologie. Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache, Mythus und Sitte, Bd. 1: Die Sprache, Leipzig 1900, S. 31. In Warburgs Notizen finden sich mehrfach Hinweise auf Wundts »Völkerpsychologie«. Siehe W, Claudia: »Wort und Bild«: Aby Warburg als Sprachbildner, in: K, Peter (Hrsg.): Ekstatische Kunst – Besonnenes Wort. Aby Warburg und die Denkräume der Ekphrasis (essay & poesie, Bd. 25), Bozen 2009, S. 23–46, hier: S. 26.

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IV. K Konventionalisierung. Durch Nachahmung entstehe daraufhin eine Semantik der Gebärde, die auch losgelöst von einem Affekt auftreten und benutzt werden könne. Wundts Sprachtheorie bindet so den Ursprung der Sprache an den Körperausdruck, der zunächst ein natürliches, unwillkürlich hervorgebrachtes Anzeichen des Affekts darstellt, bevor er unwillentlich reproduziert und schließlich durch willentliche Wiederholung konventionalisiert wird, wobei aus einem solchen konventionalisierten Affektausdruck wieder eine unwillentlich hervorgebrachte Reflexbewegung entspringen kann. Mit dieser kommunikationstheoretischen Wendung richtete Wundt sein Augenmerk auf den Prozess der Symbolisierung und Kodifizierung des individuellen Affekt- zum kollektiv verständlichen Ausdruckszeichen. Aus Ausdrucksbewegungen entstehen so genannte symbolische Gebärden, deren Bedeutungen Metamorphosen durchlaufen, Konfigurationen mithin, die Warburg als Pathosformeln zu verstehen suchte. Um jene Kodifizierungen konstruieren zu können, bedurfte es eines Aufzeichnungssystems. Bereits in den photographischen Atlanten des 19. Jahrhunderts war ein Problem der Visualisierung des Affektausdrucks virulent: seine Flüchtigkeit. Denn erst eine Fixierung des Ausdrucks als gebärdensprachliches Zeichen ermöglichte eine Vergleichbarkeit der Bedeutung der sichtbaren, aber flüchtigen Gebärden untereinander, und nur so auch ließ sich die Annahme ihrer Universalität stützen. Die sichtbare Manifestation nicht nur statischer Ausdruckszeichen, sondern insbesondere auch dynamischer Ausdrucksbewegungen markierte die epistemologische Schwelle, die zu überschreiten es erst geeigneter Medientechnologien bedurfte.Eine systematische Fest-Stellung und Differenzierung flüchtiger Bewegungen musste vor der Erfindung der Photographie ein unerreichbares Ziel jeglicher Ausdruckstheorie bleiben. Mit der Entwicklung der Moment- und Chronophotographie wurden zeitliche Bewegungsabläufe, also mimische und gestische Körperbewegungen, bereits in Sequenzen von Einzelbildern erfassbar, bevor der Film schließlich die Bewegung als solche ausstellte und zeitlich wie räumlich analysierbar machte. Es war die Spezifik gerade der Medialität des Films, welche die unnatürliche Isolation psychischer Momentaufnahmen, wie sie für die Photographie charakteristisch war, zu überwinden vermochte.51 Damit wird verständlich, dass sich eine Zeichenlehre der flüchtigen Bewegungen auf das filmische Bewegungsbild berief und mehr noch gründete. Die mediale Konstitutionsleistung der Kinematographie ließ das visuelle Phänomen der Ausdrucksbewegung als epistemisches Objekt förmlich erst präsent werden. Der Film als ihre Möglichkeitsbedingung brachte mit sich selbst auch die Affektbilder erst eigentlich in Bewegung und machte sichtbar, was sich anders nicht darstellen ließ: Ausdrucks-Bewegungen nämlich, das heißt mimische und ges-

51 »In dem Legato der visuellen Kontinuität spielt die vergangene und die kommende Miene noch und schon in die gegenwärtige hinein und zeigt uns nicht nur die einzelnen Seelenzustände, sondern den geheimnisvollen Prozeß der Entwicklung selbst. Darum gibt der Film etwas ganz Besonderes durch diese Epik der Empfindungen.« B, Béla: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films (1924). Mit einem Nachwort von Helmut H. Diederichs und zeitgenössischen Rezensionen von Robert Musil, Andor Kraszna-Krausz, Siegfried Kracauer und Erich Kästner, Frankfurt a. M. 2001, S. 45.

. A  B tische Affektausdrücke in der ihnen wesentlichen zeitlichen Entfaltung – oder, wie es später Ernst Bloch pointieren sollte: einen »neue[n] Mimus durch die Kamera«52. Dadurch geriet das Medium Film in den Blick wissenschaftlicher Ausdrucksforschung. Diese bediente sich nicht selten des populären Kinofilms und entwickelte an ihm ein psychologisches Problembewusstsein, ja sie entdeckte Fragestellungen wie die nach der Bewegungsdynamik einer Gebärde allererst am bewegten Kinobild. Die Verheißung der Kinematographie wurde insbesondere im Zusammenfall des Erkenntnisgegenstandes ›Leben‹ und seiner Repräsentation im Laufbild gesehen, als deren Tertium und Charakteristikum die Bewegung galt.53 Zudem profitierte der wissenschaftliche Einsatz des Mediums als eines diagnostischen Mittels, etwa in der zeitgenössischen Psychiatrie und Pathophysiologie von Bewegungsanomalien, von dem abbildtheoretischen Phantasma des Films, wonach dieser ein exaktes, objektives Bild einer Welt in Bewegung liefere. Einflussreich wurde Wundts Theorie der Ausdrucksbewegung insbesondere in der Diskussion über den ›stummen‹ Film. Im zeitgenössischen Stummfilm dominierten mimische Ausdrucksmittel, und gerade im Unterhaltungsfilm erfuhr die Gebärdensprache als eine sichtbare Sprache jene Allgemeinheit und kulturelle Wirksamkeit,54 die Wundt in seiner »Völkerpsychologie« zuvörderst sprachhistorisch sichern wollte. Insofern Wundt die Sprache aus der universellen mimischen und gestischen Ausdrucksbewegung ableitete, bildete seine psychologische Theorie eine wichtige diskursive Gelenkstelle zur Debatte über den Film als die neue Universalsprache. Diese Fragen fanden in den Verflechtungen von wissenschaftlicher Ausdrucksforschung und ästhetischer Filmdebatte zu Warburgs Zeit immenses Gehör, und Béla Balázs’ Filmtheorie stellt in dieser Hinsicht den Kulminationspunkt dar.55 Dessen erstes, 1924 erschienenes filmtheoretisches Werk »Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films« machte Balázs im deutschen Sprachraum, aber auch in der Sowjetunion mit gleich zwei Übersetzungen, umgehend als Kapazität bekannt, und auch Warburg konnte um die wesentlichen Züge dieses Werkes wissen, ausführlich vermittelt in der in seinem Besitz befindlichen Abhandlung »Philosophie des Films. Seine ästhetischen und metaphysischen Grundlagen« von Rudolf Harms aus dem Jahr 1926. In »Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films« zeigt Balázs eine tiefe Einsicht in die formierende Potenz des Mediums Kinematographie: »Nun ist eine andere Maschine an der Arbeit, der Kultur eine neue Wendung zum Visuellen und

52 »Auffallend nun, wie die Geste gerade filmhaft so reich werden konnte.« B, Ernst: Das Prinzip Hoffnung. In fünf Teilen. Kapitel 1–32 (1959), Frankfurt a. M. 1985, S. 471. 53 Siehe L: Affektbilder, S. 201; sowie P, Karl: Die beseelte Maschine. Das Organische und das Anorganische in der »Kinodebatte« und in der frühen Filmtheorie, in: E, Hartmut/ S, Erhard/S, Peter (Hrsg.): Faszination des Organischen. Konjunkturen einer Kategorie der Moderne, München 1995, S. 145–172, insbesondere: S. 153–156. 54 Siehe auch P, Hans: Das Gesicht der Weimarer Republik. Menschenbild und Bildkultur 1918–1933, Berlin 2000. 55 Siehe unter Hinweis auch auf die Warburg bekannte psychologische Ästhetik eines Theodor Lipps oder Johannes Volkelt S, Jörg: Film und Stereotyp – Eine Herausforderung für das Kino und die Filmtheorie. Zur Geschichte eines Mediendiskurses, Berlin 2006, S. 139 f.

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IV. K dem Menschen ein neues Gesicht zu geben. Sie heißt Kinematograph.«56 Die vermittels dieser Maschine gefilmte Großaufnahme sei nichts Geringeres als »die technische Bedingung der Kunst des Mienenspiels und mithin der höheren Filmkunst überhaupt«57. Balázs bezieht sich explizit auf Wundt und zitiert dessen Überzeugung, dass der Ursprung der Sprache die Ausdrucksbewegung sei: »Die Bewegungen der Zunge und der Lippen sind zu Anfang geradeso spontane Gebärden wie jede andere Ausdrucksbewegung des Körpers.«58 Gebärden – »Urstoff« und »poetische Substanz«59 des Films – bedeuten ihm das irrationale Selbst des Menschen, seine Seele: »Hier wird der Geist unmittelbar zum Körper, wortelos, sichtbar.«60 Indem Balázs von Lavater und Goethe den Begriff der Physiognomik entlehnt und ihn vom menschlichen Gesicht, dem Gesicht des Filmdarstellers, auch auf Tiere, sogar auf Landschaft, auf Milieu und Dinge im Film überträgt, plädiert er für eine »Wendung unserer begrifflichen Kultur zu einer visuellen Kultur«61, mithin gegen eine Kultur der Worte, die entmaterialisiert, abstrakt und verintellektualisiert sei und den menschlichen Körper zu einem bloßen biologischen Organismus degradiert habe. Vor diesem Hintergrund, so Balázs, sei auch der Gebärdenschatz primitiver Völker reicher als der eines hochgebildeten Europäers, der über den größeren Wortschatz verfüge. Dementsprechend seien bei fremden Rassen noch diverse Urformen der Physiognomie zu studieren, derer der Europäer schon längst verlustig gegangen sei – was Balázs ausgerechnet am Beispiel des Mienenspiels einer indianischen Schauspielerin erläutert.62 Hieraus ergeben sich auffällige Korrespondenzen zu Warburg. Wollte Balázs mit der Gebärdensprache die erste internationale Sprache und »die eigentliche Muttersprache der 56 B: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 16. Zu Balázs und seiner Filmtheorie siehe etwa J, Michail: Die Geburt einer Filmtheorie aus dem Geist der Physiognomik, in: Beiträge zur Film- und Fernsehwissenschaft BFF 2, 1986, S. 79–98; K, Gertrud: Die Physiognomie der Dinge. Zur frühen Filmtheorie von Béla Balázs, in: Frauen und Film 40, 1986, S. 73–82; Z, Joseph: Béla Balázs, The Man and the Artist, Berkeley/Los Angeles/London 1987; S, Heide: Filmsprache als Körpersprache. Zu Béla Balázs’ Ästhetik des Kinos von 1925, in: E, Birgit R./W, Sigrid (Hrsg.): Mimesis, Bild und Schrift. Ähnlichkeit und Entstellung im Verhältnis der Künste (Literatur – Kultur – Geschlecht. Kleine Reihe, Bd. 7), Köln/ Weimar 1996, S. 83–97; L, Massimo: Béla Balázs. Die Physiognomik des Films (Beiträge zur Film- und Fernsehwissenschaft BFF, Bd. 54, Jg. 40), Berlin 1999; sowie S: Film und Stereotyp, S. 138–160. 57 B: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 48. 58 B: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 18. Siehe auch L: Affektbilder, S. 186. 59 B: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 26. 60 B: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 16. – Auch in »Das Himmelsschiff« kommunizieren die Marsianer mittels einer speziellen »Ausdruckssprache«: »Die Gesichter der Marsbewohner hatten einen durchsichtigen Ausdruck, als wären es Glasscheiben für das feine Uhrwerk der Seelen, nicht Masken wie bei den Menschen. Man sah Gefühle sich rühren, Gedanken geboren werden, Vorstellungen und Begriffe sich in Mienen und Gebärden materialisieren.« M: Das Himmelsschiff, S. 113 f. und 134. 61 B: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 104. 62 Siehe B: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 41.

. A  B Abb. 79: »Urworte der Gebärdensprache«: Helden

Menschheit«63 in Szene setzen, suchte auch Warburg in seinen Tafelwerken die »Urworte der Gebärdensprache«64 und deren Universalität65 zu inszenieren – nicht unähnlich den Tafeln in Guido Bagiers filmtheoretischem Werk »Der kommende Film. Eine Abrechnung und eine Hoffnung. Was war? Was ist? Was wird?« aus dem Jahr 1928, von dem Warburg ein Exemplar sein eigen nannte (Abb. 79). Und wenn Balázs die Seele des Menschen nicht nur in Mienen und Gebärden, sondern sogar noch in einer »Physiognomie der Kleidung« fand, deren »jede Falte […] die Bedeutung [bekommt], die eine Falte in seinem Gesicht hat«66, entdeckte auch Warburg in genau diesem »bewegten Beiwerk« einen Schlüssel zum menschlichen Wesen. In dieser Perspektive nimmt es nicht wunder, dass Warburg den seinerzeit bereits berühmten Film »The Jazz Singer« aus dem Jahr 1927 abkanzelte. Als so genannter »part-talkie«, sprich als teilvertonter Film, historisch auf der Schwelle zwischen Stumm- und Tonfilm anzusiedeln, musste dieser ihm als defizitär erscheinen, gerade weil er jenen urförmigen Gebärdenschatz durch die Vertonung verdimmen zu lassen drohte: »Abends den anreißigen Sprechfilm Jazz gehört [!, T. H.]. D. gewinnt nicht bei dieser Prozedur.«67 63 B: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 18. 64 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 99 (Eintrag vom 6. Juni 1927) und S. 253 (Eintrag vom 3. Mai 1928). 65 Vgl. K, John Michael: Die Universalität der Pathosformeln, in: B, Hans/K, Dietmar/S, Martin (Hrsg.): Quel Corps? Eine Frage der Repräsentation, München 2002, S. 295–307. 66 B: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 40 und 39. 67 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 446 (Eintrag vom 27. Mai 1929). Mit »D.« könnten »Darstellung« oder »Darsteller« gemeint sein. Siehe zu »The Jazz Singer«, interpretiert als selbstreflexiver Grenzgänger zwischen Stumm- und Tonfilm, M, Silke: Überlegungen zur hybriden Form des vermeintlich ersten Tonfilms The Jazz Singer (USA 1927, Alan Crosland), in: Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung 3, 2009, S. 57–68, URL: http:// www.filmmusik.uni-kiel.de/kielerbeitraege3/KB3-Martin.pdf ( Januar 2010); sowie G, Lisa:

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IV. K Wie stark Warburg schließlich jene epistemische, die Seele figurierende Macht des Mediums Film gefesselt haben muss, mag eine Episode belegen, die sich in seinem letzten Lebensjahr zugetragen hat: Während seines Romaufenthaltes im Jahr 1929 studierte Warburg aufmerksam einen Propagandafilm, der anlässlich der Unterzeichnung der LateranVerträge die Begegnung Mussolinis mit dem Papst zeigte, unermüdlich auf ikonologische Analyse bedacht und auf der Suche nach der Bedeutung stummer Äußerungen und Gebärden: »Gestern abend waren wir im Kino«, schreibt er seiner Frau Mary, »das nun in diesem Falle ein ganz unheimlich wunderbarer Mithelfer beim Erleben sogenannter grosser Augenblicke ist. Ich rate Euch dringend diesen Film, wenn er nach Hamburg kommen sollte, anzusehen. Eine fabelhaft seelenkundige Regie steckt dahinter.« Und weiter: »Mussolini, in gestraffter Haltung, ohne alle Zwinkerlichkeit im Wesen, ist ganz Aufmerksamkeit. Man sieht, wie sich sein Mund beim Sprechen formt, ich war erstaunt über die schöne caesarische Bosheit seines Lippenspiels.«68 Bis zuletzt zieht sich somit durch Warburgs Denken der Wunsch nach einer Archivierung der zu Pathosformeln geronnenen Gebärden und Mienen – ein Anliegen, das auch Anfang und Ende von Balázs’ Darlegungen markiert und Trans/Formieren. Zum Verhältnis von Bild und Ton in »The Jazz Singer« (Alan Crosland, USA 1927), in: jazzforschung/jazz research 41, 2009, S. 119–134. 68 Der Brief ist in seinem vollständigen Wortlaut im Anhang wiedergegeben. Siehe S. 235 f. – Auch im mitgeführten und zu einem Reisejournal umfunktionierten Bibliothekstagebuch findet sich unter dem Datum ›18. Februar 1929‹ als einziger Eintrag eine Erwähnung des Kinobesuchs: »Im Kino die Conciliazione miterlebt. Eine zauberhafte Mithilfe des Erlebens, trotz allem. Kardinal Gasparri und Mussolini in ihrem Aufstieg aus dem Volk (ärmliche Dörfer erschienen als Geburtsstätten) der Volksseele präsentiert. Man sah vorher den Papst, wie er die Missionare (farbig zum Teil) empfängt, wie er sein neues Auto besteigt. NB: durch Abschaffen der Pferdeställe den Raum für den Bibliotheks Umbau gewonnen. […] – Das Feinste: Mussolini erscheint am ›Versöhnungstage‹ nirgends in der Öffentlichkeit: nur die beiden Flaggen erscheinen nebeneinander auf dem Balkon. Ich war erstaunt über sein Lippenspiel: ein böser schöner caesarischer Mund. Das Kino verhältnismäßig sehr leer, daher auch zum letzten Male. Kardinal Gasparri saß da unabhängig vom Bewußtsein des Beobachtetwerdens, wie ein monumentaler alter gewiegter Dorfschulze.« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 410. Warburg hat die Bilder der »Conciliazione« an viele Korrespondenten geschickt, dem Bibliothekstagebuch beigelegt und dem Bilderatlas einverleibt. Siehe Tafeln »78« und »79«, in: W: Der Bilderatlas MNEMOSYNE, S. 130 f. und 132 f. Den heute verlorenen Film hat K, Jost Philipp: Der Duce ist nicht aus Email. Aby Warburg, politisch?, in: H, Wolfgang (Hrsg.): Ordnungen in der Krise. Zur politischen Kulturgeschichte Deutschlands 1900–1933, München 2007, S. 449–480, hier: S. 453 f., identifiziert. Zu Ikonographie, narratologischer Komposition und zeichentheoretischen Implikationen der genannten Atlastafeln siehe S-G, Charlotte: Aby Warburg’s Late Comments on Symbol and Ritual, in: Science in Context 12 (4), 1999, S. 621–642; .: »Serious Issues«: The Last Plates of Warburg’s Picture Atlas Mnemosyne, in: W (Hrsg.): Art History as Cultural History, S. 183–208; P, Wolfram/S, Gudrun: Gli spazi di Warburg. Topografie storico-culturali, autobiografiche e mediali nell’Atlante Mnemosyne, in: Quaderni Warburg Italia 1, 2003, S. 93–180; sowie T, Felix: Vom Einzelbild zum Hyperimage. Eine neue Herausforderung für die kunstgeschichtliche Hermeneutik, in: N-H, Ada (Hrsg.): Les herméneutiques au seuil du XXIème siècle – évolution et débat actuel, Löwen/Paris 2004, S. 223–247, insbesondere: S. 241–245. Zum Bibliothekstagebuch siehe den Abschnitt »Verzettelungen«.

. D P  B beide Theoretiker der Gebärdensprache den Film als herausragendes Medium begreifen lässt: »Noch einige Jahre guter Filmkunst und die Gelehrten werden vielleicht darauf kommen, daß man mit Hilfe des Kinematographen das Lexikon der Gebärden und der Mienen zusammenstellen müßte wie das Lexikon der Worte.«69

3. Die Protokinematographie des Bilderatlas Warburg adaptierte das technische Medium Kinematographie auch in struktureller Hinsicht. Tatsächlich dachte er, zugespitzt formuliert, das Arrangement seines Bilderatlas wesentlich als ein protokinematographisches70. Nicht nur räsonierte Warburg im Zusammenhang seiner Überlegungen zu einer pragmatischen Ausdruckskunde bereits 1890 darüber, wodurch sich bei der Betrachtung von Einzelbildern ein Eindruck von Bewegung einstelle: »Das Auge vollführt den Figuren gegenüber Nachbewegung, um die Illusion zu erhalten, als ob der Gegenstand sich bewegte.«; und an anderer Stelle: »Verleihung der Bwg. Um einer sich nicht bew. Fig. Bwg. zu verleihen, ist es nötig, selbst eine aufeinander folgende Reihe v. erlebten Bildern wieder zu erwecken – kein einzelnes Bild […].«71 Mehr noch ist Warburgs Hauptwerk, dem Bilderatlas Mnemosyne, eine ästhetische Logik des Kinematographischen eingeschrieben und dies in mindestens zweifacher Hinsicht:72 Zum einen montierte Warburg synthetisch Einzelbilder regelrecht zu quasifilmischen Sequenzen. Auf Tafel »42« etwa reihte er leicht versetzt drei Bilder aneinander, die unmittelbar aufeinanderfolgende Momente der Grablegung Christi zeigen: das Getragen- und Abgelegtwerden sowie das Aufgebahrtsein des Leichnams (Abb. 80 und 81). Und auf Tafel »37« gruppierte er drei Szenen des Kampfes von Herkules mit Antäus so, dass die einzelnen 69 B: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 19, sowie S. 108. Tatsächlich war der Gedanke eines kinematographischen Gebärdenlexikons nicht neu. So hatte bereits 1914 Margit Vészi im »Pester Lloyd« konstatiert, »daß das Kino eine eigene Bewegungssprache, ein Schablonenwörterbuch des Mienen- und Gebärdenausdruckes besitzt, deren Sprachlehre der ältere Kinobesucher unwillkürlich – aber sicher – erlernt«. Margit Vészi, zitiert nach D, Helmut H.: »Ihr müßt erst etwas von guter Filmkunst verstehen«. Béla Balázs als Filmtheoretiker und Medienpädagoge (Nachwort), in: B: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 115– 147 (mit Lit.), hier: S. 141. 70 Zu diesem Begriff siehe unten, S. 134 f. 71 Zitiert nach Michaud: Aby Warburg and the Image in Motion, S. 351. 72 Vgl. auch H, Thomas: Aby Warburgs Bilderatlas »Mnemosyne«. Ein Bildervehikel zwischen Holztafel und Zelluloidstreifen, in: F/M-K/S (Hrsg.): Der Bilderatlas im Wechsel der Künste und Medien, S. 221–250, insbesondere: S. 226–228. Der Aufsatz untersucht strukturelle Adaptionen von Warburgs ›Denken in Bildern‹ in Terry Gilliams Hollywood-Blockbuster »Twelve Monkeys« aus dem Jahr 1995. – Zu Adaptionen Warburgs in anderen Kunstwerken siehe auch H,Thomas: Warburg redivivus oder »Vive l’esprit«. Der Bilderatlas des Andreas M. Kaufmann, in: K, Andreas M./P, Maria Anna (Hrsg.): Your eyes are not pained by what you see. On the occasion of an exhibition of andreas m. kaufmannn at bunkier sztuki kraków, Frankfurt a. M. 2005, o. S.

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IV. K Abb. 80: Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »42«

Abb. 81: Grablegung Christi. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »42«, Detail

. D P  B Abb. 82: Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »37«

sukzessiven Phasen beider Ringens, des Herkules Drehen um die eigene Körperachse, vor dem inneren Auge des Betrachters wie ein Film abzulaufen scheinen (Abb. 82 und 83).73 Nicht zuletzt scheint 73 Auf ein weiteres Beispiel dieser Montage-Technik Warburgs macht Alexandre Métraux aufmerksam: In seiner Studie zu flandrischer Kunst und florentinischer Frührenaissance montiert Warburg imaginär drei räumlich und zeitlich getrennt voneinander entstandene Porträtbilder ein und derselben Person so, dass wir »zur Einordnung einen klar abgegrenzten Spielraum von sechs Jahren [erhalten]; von den drei Bildnissen der Madonna Pontinari [sic!] sind nun die aufeinanderfolgenden Phasen eines Frauenlebens in unerbittlicher, fast symbolischer Klarheit abzulesen.« W, Aby: Flandrische Kunst und florentinische Frührenaissance. Studien (1902), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 1), Berlin 1998, S. 185–206 und 370–380, hier: S. 197 f. Siehe M, Alexandre: Aporien der Bewegungsdarstellung. Zur Genealogie der Bildprogramme von Aby Warburg und Étienne-Jules Marey im Vergleich, in: F/M-K/S (Hrsg.): Der Bilderatlas im Wechsel der Künste und Medien, S. 21–43, hier: S. 34. – Auch Sierek illustriert Warburgs Montage-Prinzip: So habe Warburg zwei Zeichnungen Bernardo Buontalentis auf der einer Aufsatzpublikation beigegeben Abbildungstafel sowie auf einer Bilderatlas-Tafel »in einer Art filmischer Montage« dergestalt angeordnet, dass beide einen integralen narrativen Zusammenhang bilden, den für das Medium Film in vergleichbarer Weise das narrative Editing herzustellen sucht. Die eine Zeich-

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IV. K Abb. 83: Kampf des Herkules mit Antäus. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »37«, Detail

Warburg ein bemerkenswertes Bewusstsein für protokinematographische Medien ausgeprägt zu haben, wenn er auf derselben Tafel ein Fresko Antonio Pollaiuolos zeigt, einen Tanz darstellend, und als Stichwort zur Tafel vermerkt: »Tänzerfries des Pollaiuolo«74 – so, als wolle er mit der Unterstreichung deutlich machen, dass hier ein bewegtes Motiv sein congeniales, das einzelne Bild in ein narratives Kontinuum einbettendes Medium gefunden hat (Abb. 84). In diesem Zusammenhang verwundert es nicht, dass Warburg in seinem Text über Manet die in die Gartenfront der Villa Medici eingemauerten Vorderseiten antiker reliefierter Sarkophage – »in der Frührenaissance die Hauptvehikel […], auf denen sich die heidnische Götterwelt leibhaftig in die Neuzeit gerettet hatte« – expressis verbis mit einem »Laufbildstreifen« vergleicht.75 nung zeigt den fliegenden Apoll, der mit seinem Bogen einen Pfeil abgeschossen hat, die andere einen Drachen, der im Begriff ist, von einem Pfeil getroffen zu werden. S: Foto, Kino und Computer, S. 88–98 sowie 52–55, hier: S. 98. Sierek bezieht sich auf W, Aby: I costumi teatrali per gli intermezzi del 1589. I disegni di Bernardo Buontalenti e il libro di conti di Emilio de’ Cavalieri (1895), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 1), Berlin 1998, S. 259–300 und 394–438, hier: Tafel XLVII; sowie auf Tafel »38« der ersten Fassung des Bilderatlas. Siehe W: Der Bilderatlas MNEMOSYNE, S. XIV. – Darüber hinaus wird Warburgs Montage-Technik mit derjenigen Sergej Eisensteins assoziiert. Siehe DH, Georges: La Ressemblance informe, ou le Gai Savoir visuel selon Georges Bataille, Paris 1995, S. 296 f.; sowie M: Aby Warburg and the Image in Motion, S. 277–291. 74 W: Der Bilderatlas MNEMOSYNE, S. 64. 75 W, Aby M.: Manets ›Déjeuner sur l’herbe‹. Die vorprägende Funktion heidnischer Elementargottheiten für die Entwicklung modernen Naturgefühls, in: W, Dieter (Hrsg.): Kosmopolis der Wissenschaft. E. R. Curtius und das Warburg Institute. Briefe 1928 bis 1953 und andere Dokumente (Saecula spiritalia, Bd. 20), Baden-Baden 1989, S. 258–272, hier: S. 263.

. D P  B Abb. 84: »Tänzerfries des Pollaiuolo«. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »37«, Detail

Zum anderen zerlegte Warburg analytisch kontinuierende Darstellungen – signifikanterweise wenig später seitens der Filmtheorie als »filmisch« bezeichnet76 – in Einzelbilder. Zu den kontinuierenden Darstellungen, die mehrere nacheinander ablaufende Handlungseinheiten, häufig mit denselben Protagonisten, innerhalb einer Bildeinheit wiedergeben, rechnet auch ein Anfang des Cinquecento in Rom entstandenes Fresko Baldassare Peruzzis mit mythologischen Szenen. Warburg räumte ihm fast die Hälfte von Tafel »40« ein (Abb. 85) und schnitt wiederholt einzelne Bilder heraus, die er ohne erkennbare Montageabsicht nebeneinander stellte, etwa den Abschnitt, der die Eberjagd des Meleager zeigt, und denjenigen, der den Tod desselben in Szene setzt. Die Zerlegung eines Bildkontinuums in einzelne besonders mit Pathos aufgeladene Bilder führt schlagbildartig auch ein Teil von Tafel »34« vor Augen. Hier dekomponierte Warburg einen flandrischen Bildteppich aus dem 15. Jahrhundert, dessen linke und rechte Hälfte die legendäre Himmelsreise und die Tauchfahrt Alexanders des Großen zum Motiv haben. Zwischen die beiden separierten Hälften ordnete er eine auf die Himmelfahrt Bezug nehmende spätantike Darstellung des in die Höhe fahrenden Sonnengottes Malachbel, wobei das alle drei Bilder umfassende gemeinsame Passepartout die Zerlegung eines narrativen Kontinuums in zwei Einzelbilder noch deutlicher hervortreten lässt (Abb. 86 und 87). Aus dem Nachweis synthetischer und analytischer Gestaltungspraktiken, um nicht zu sagen filmischer Montage- und Schnitttechniken, resultiert, dass eine Charakterisierung des Bilderatlas als statisch wesentlich zu kurz greift. Das Gegenteil ist der Fall: Warburgs Bilderatlas Mnemosyne lässt sich, pointiert ausgedrückt, als ein protokinematographisches Dispositiv verstehen, das zentrale Strukturmerkmale und Gestaltungsmittel des Mediums 76 E, Sergei M.: The Film Sense, hrsg. und übersetzt von L, Jay, San Diego/New York/ London 1942, S. 190. Eisenstein betrachtete insbesondere die »Wiener Genesis« als »filmisch«, eine frühbyzantinische Miniaturhandschrift, anhand derer Franz Wickhoff schon 1895 erstmals das Kompositionsprinzip der kontinuierenden Darstellung charakterisiert und damit gewissermaßen einen kinematographischen Blick zurück auf die Geschichte der bildenden Kunst projiziert hatte. Vgl. B: A Neglected Tradition?, S. 425.

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IV. K Abb. 85: Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »40«

Film adaptiert und das Einzelbild nicht selten als Element einer Bildsequenz auffasst.77 Das bedeutet indessen, dass die besondere Beziehung des Bilderatlas zum Film ausgerechnet durch einen Bezug auf unbewegte Einzelbilder hergestellt wird, das heißt durch ein Merkmal, das für diejenigen Bilder kennzeichnend ist, von denen man das Phänomen Film gerade abzugrenzen sucht. Dieses Paradox durchzieht die gesamte Filmtheorie und entsteht in erster Linie dadurch, dass die grundlegende Bildauffassung der unterschiedlichen Medien Film und der für diesen elementaren Photographie nicht geklärt ist.78 In der einschlägigen Literatur werden zwei Auffassungen von Film einander gegenübergestellt: diejenige, die Film als Standbild begreift, dem Bewegung lediglich apparativ noch hinzugefügt werden muss, und diejenige, die Film als Laufbild versteht. Die Positionen ›stehendes Bild‹ versus ›bewegtes Bild‹ spiegeln die auf gegenseitige Ausschließung bedachten Theoreme der Konstruktion einerseits und der Repräsentation des filmischen Bildes andererseits wider. Für die erste Auffassung stehen zahlreiche medienarchäologische und kunstwissenschaftliche Untersuchungen, die das Einzelbild als den Film bestimmend denken.79 Die zweite wird pro77 Siehe auch M, Philippe-Alain: Sketches. Histoire de l’art, cinéma, Paris 2006, S. 7, der die Metapher des Storyboard stark macht: »les séries de Pathosformeln que Warburg agence sur les planches de son Atlas sont des objets cinématographiques – les story-boards de sa pensée«; sowie N: L’image paysage, S. 40, die die Atlastafeln gar als »une forme d’écran cinématographique« charakterisiert. 78 Vgl. P, Winfried: Filmstandbilder. Passagen zwischen Kunst und Kino, Frankfurt a. M./Basel 2004, S. 37. Pauleit verhandelt die Gattung des Filmstandbildes als Schnittstelle zwischen bewegtem und stehendem Bild. 79 Siehe zum Beispiel B, Jörg Jochen: Film vor dem Film. Bewegende und bewegliche Bilder als Mittel der Imaginationssteuerung in Mittelalter und Früher Neuzeit, Marburg 2000; oder B-B, Angelika: Bild, Filmbild, Schlüsselbild. Zu einer kunstwissenschaftlichen Methodik der Filmanalyse am Beispiel von Fritz Langs Siegfried (Deutschland 1924) (diskurs film Bibliothek, Bd. 5), München 1992.

. D P  B Abb. 86: Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »34«

pagiert von einer »Phänomenologie aus dem Kinosessel«80, deren prominentester Vertreter Gilles Deleuze ist. Deleuze betrachtet Film als ein »Bewegungs-Bild«, das uns der Film »unmittelbar«81 gebe, und grenzt sich damit von allen filmtheoretischen Standpunkten ab, die sich auf die Beschreibung von Apparaturen gründen und deren Auffassung vom Filmbild die eines vermittelten Bildes ist, das aus Standbildern und einer Apparatur generiert wird, die zusammen die Illusion einer kontinuierlichen Bewegung hervorrufen. Analog dazu lassen sich bezüglich der Wahrnehmung von Film zwei topologisch markierte Positionen unterscheiden: Die erste bezeichnet eine Wahrnehmung von Film außerhalb des Kinosaals: Film existiert nur mittelbar in Form von Einzelbildern auf einem Zelluloidstreifen, der auf Filmspulen aufgewickelt ist, die ihrerseits in Schachteln gelagert werden. Wolfgang Beilenhoff und Martin Heller sprechen hier vom »Schachtel-Körper«82 des Films. Die zweite Position bezeichnet eine Wahrnehmung von Film im Kinosaal. Gemäß dieser Sichtweise ist es die Instanz Kino, die im Zusammenspiel ihrer verschiedenen Bestandteile – Foyer, Saal, Leinwand, Vorführraum, Projektor etc., aber auch Verleiher, Produzent usw. – das Laufbild erst eigentlich erzeugt. In diesem Sinne ist der Film unmittelbar nur im Kino gegeben. Beilenhoff und Heller nennen diese Disposition des Films »Fluß-Körper«83. 80 P: Filmstandbilder, S. 61. 81 D, Gilles: Das Bewegungs-Bild. Kino 1 (1983), Frankfurt a. M. 1989, S. 15. Zu Deleuzes Filmtheorie siehe F, Oliver/E, Lorenz (Hrsg.): Der Film bei Deleuze/Le cinéma selon Deleuze (1997), 3., korrigierte Aufl., Weimar/Paris 1999. 82 B, Wolfgang/H, Martin: Kartografie des Populären. Eine Einführung, in: D. (Hrsg.): Das Filmplakat, Zürich/Berlin/New York 1995, S. 31–58, hier: S. 39. 83 B/H: Kartografie des Populären, S. 39. Andere Autoren sprechen auch vom kinematographischen Ereignis. Siehe N, Sabine: Das Kinematographische als Ereignis, in: N, Britta (Hrsg.): FFK 9. Dokumentation des 9. Film- und Fernsehwissenschaftlichen Kolloquiums an der Bauhaus-Universität Weimar, Oktober 1996, Weimar 1997, S. 186–195.

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IV. K Abb. 87: Himmel- und Tauchfahrt Alexanders des Großen. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »34«, Detail

Aus dieser Perspektive erscheinen alle Analyseverfahren als problematisch, die mit einer zerlegenden Reduzierung des Films auf seine Einzelbilder arbeiten.84 Diese Dichotomie dekonstruierend, hat Winfried Pauleit einen dritten Modus der Filmwahrnehmung herausgestellt, der die beiden anderen verklammert: denjenigen am Schneidetisch. Dieser bedeute einen Ort der Konstruktion sowie der Repräsentation des filmischen Bildes und umfange dessen zwei Zustände: den Schachtel-Körper, das heißt den Filmstreifen mit seinen Einzelbildern, und den Fluß-Körper, mithin den Lauf des Films als Bewegungs-Bild. Der Ort des Schneidetischs vermittele zwischen dem Ganzen und seinen Teilen auf pragmatische Weise, denn hier werde Film zusammengeklebt und geschnitten.85 Dieses Intermedium des Schneidetischs lässt sich – trotz aller Unterschiede – mit Warburgs Bilderatlas vergleichen, insofern auch dieser als ein Medium funktioniert, in dem Bildersequenzen montiert und geschnitten werden. Der Tatsache, dass es sich bei Warburgs Bilderarrangement um kein Lauf- oder Bewegungs-Bild handelt, trägt der Begriff »Protokinematographie«86 Rechnung, durch den zweierlei unterstrichen werden soll: ein ›noch nicht‹ und ein ›nicht mehr‹. Einerseits sind Warburgs Bilder noch keine bewegten; 84 Das Denken von Film als ein Artefakt, das sich wesentlich aus einzelnen Bildern zusammensetzt, ist indessen selbst zeitgenössischen Filmtheoretikern nicht fremd. Tatsächlich sind es oftmals die Filmschaffenden selbst und nicht nur die das Bewegtbildmedium Film vermeintlich ›sezierenden‹ Kunstwissenschaftler, die Filmbilder in Form von Einzelbildern gewürdigt wissen wollen. Siehe beispielsweise die Publikation von M-S, Fritz/W, Wim (Hrsg.): Im Lauf der Zeit. Bild für Bild. Dialogbuch. Materialien, Frankfurt a. M. 1976, deren Untertitel für sich spricht, oder Chris Markers die Assimilation von Film und Einzelbild auf die Spitze treibender, fast ausschließlich aus Stehkadern bestehender und später als Photobuch aufbereiteter Film »La Jetée« aus dem Jahr 1962 – um nur zwei Beispiele herauszugreifen. 85 Siehe P: Filmstandbilder, S. 64. 86 Zu diesem Begriff siehe B, Klaus: Protokinematographische Effekte der Laterna magica in Literatur und Theater des achtzehnten Jahrhunderts, in: S, Harro (Hrsg.): Die Mobilisierung des Sehens. Zur Vor- und Frühgeschichte des Films in Literatur und Kunst (Mediengeschichte des Films, Bd. 1), München 1996, S. 113–147; sowie S, Harro: Von der proto-kinematographischen zur kinematographischen (Stadt-)Wahrnehmung. Texte und Filme im Zeitalter der Jahrhundertwende, in: D. (Hrsg.): Die Mobilisierung des Sehens, S. 327–358. Siehe auch H, Thomas: Mobile Augen. Pfade zu einer Geschichte des sich bewegenden Betrachters, in: D, Bodo von/N, Werner (Hrsg.): »Ich sehe was, was Du nicht siehst!« Sehmaschinen und Bilderwelten. Die Sammlung Werner Nekes, Göttingen 2002, S. 54–63 und 420 f.

. D P  B Abb. 88: »para-cinema«. László MoholyNagy, Skizze zu einem »Dynamik der GroßStadt« betitelten Film, 1921/22

und andererseits interpretiert Warburg im Medium Bilderatlas das einzelne Bild nicht mehr lediglich als ein stehendes, statisches, sondern vielmehr als eine Inkorporation von Bewegungsdynamiken und Ausdrucksenergien. In letzterer Hinsicht bestimmt er auch das Zusammenspielen mehrerer Bilder wie gesehen oftmals als Bildersequenzen, die einen zusammenhängenden Bewegungsablauf aus einzelnen Bildern montieren oder, komplementär dazu, diesen in seine einzelnen Phasen zerlegen.GenaudiesthematisiertWarburg in der eingangs zitierten Bemerkung über die Möglichkeitsbedingung einer Wahrnehmung von Bewegung bei der Betrachtung von Einzelbildern: »Verleihung der Bwg. Um einer sich nicht bew. Fig. Bwg. zu verleihen, ist es nötig, selbst eine aufeinander folgende Reihe v. erlebten Bildern wieder zu erwecken – kein einzelnes Bild […].« Mit seiner (De-)Kompositionstechnik steht Warburg in der so jungen wie folgenreichen Tradition eines »Paper Cinema«87, die in Manifesten der Avantgarde genauso wie in Filmjournalen oder Photonovellen in Einzelbilder zerlegte Filmsequenzen auf Papier reproduzierte. So steht am Ende eines Buches aus Warburgs Bibliothek – László MoholyNagys »Malerei, Fotografie, Film« – die auf das Jahr 1921/22 datierte Skizze zu einem »Dynamik der Groß-Stadt« betitelten Film, die auf einzelnen Tafeln Typographie, Graphikdesign und Photographie zu einem Layout komponiert, das mit den Energien einer modernen Stadt aufgeladen sein will (Abb. 88).88 Typographische Indizes von Bewegung und Geschwindigkeit, Schwindel erregende Perspektiven und punktierende Angaben zu 87 C, David: Photography and Cinema, London 2008, S. 60. 88 Siehe M-N, László: Malerei, Fotografie, Film. Mit einer Anmerkung des Herausgebers und einem Nachwort von Otto Stelzer (Neue Bauhausbücher. Neue Folge der von Walter Gropius und Laszlo Moholy-Nagy begründeten »bauhausbücher«, hrsg. von W, Hans M. (FaksimileNachdruck nach der Ausgabe von 1927)) (1986), 3. Aufl., Berlin 2000, S. 134.

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IV. K Abb. 89: Anschütz’ elektrischer SchnellsehAutomat

Rhythmus und Tempo skandieren Bilder exotischer Tiere, atemberaubender Akrobatik oder sportlicher Höchstleistungen, darunter zwei Actionstills aus dem, so Moholy-Nagy, »kinematographisch illustrierten«89 Sportlehrbuch »Wunder des Schneeschuhs. Ein System des richtigen Skilaufens und seine Anwendung« von Arnold Fanck und Hannes Schneider. Moholy-Nagy vermerkt dazu: »Die Elemente des Visuellen stehen hier nicht unbedingt in logischer Bindung miteinander; trotzdem schließen sie sich durch ihre fotografisch-visuellen Relationen zu einem lebendigen Zusammenhang raumzeitlicher Ereignisse zusammen und schalten den Zuschauer aktiv […] ein.«90 Ebenfalls eine »reinvention of the page as a kind of para-cinema«91 im Sinn, hatte bereits der russische Konstruktivist El Lissitzky wenige Jahre zuvor die Buchseite einer fundamentalen Rekonfiguration unterzogen: Um die dem Film eigene Elastizität von Raum, Zeit und Bewegung auch typographisch umzusetzen, hatte Lissitzky in einem Manifest mit dem wegweisenden Titel »Topographie der Typographie« nichts Geringeres als das »bioskopische Buch«92 propagiert. Gerade in jüngster Zeit hat sich das Wissen um protokinematographische Effekte, wie sie auch der Bilderatlas erzielt, und die so genannten Vorläufermedien des Films – seien es Rosenkranz oder Vitaikone, Thaumatrop oder Chronophotographie – infolge eines zunehmenden Interesses an medienarchäologischen Fragestellungen beträchtlich ausdifferenziert und in Kompendien gebündelt.93 Warburg könnte einen Wegbereiter eines solchen 89 90 91 92 93

M-N: Malerei, Fotografie, Film, S. 116. M-N: Malerei, Fotografie, Film, S. 120. C: Photography and Cinema, S. 65. L, El: Topographie der Typographie, in: Merz 4, Juli 1923, S. 47. Zu den wichtigsten Überblicksdarstellungen jüngeren Datums gehören: M, Laurent/ P C, Donata/R, David (Hrsg.): Light and Movement. Incunabula of the Motion Picture 1420–1896, Gemona 1995; S (Hrsg.): Die Mobilisierung des Sehens; H, Stephen (Hrsg.): A History of Pre-Cinema, 3 Bde., London/New York 2000; sowie D-

. D P  B Abb. 90: Ottomar Anschütz, Der automatische Schnellseher, hergestellt von Siemens & Halske, 1891

so genannten Vorläufermediums wiederum auf der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt kennengelernt haben. Hier wurde mit sensationellem Erfolg ein Apparat vorgeführt, der Reihenphotographien zu animieren vermochte: Ottomar Anschütz’ »Schnellseher« (Abb. 89–91). Anschütz darf nicht nur auf Grund der Qualität und Originalität seiner chronophotographischen Arbeiten, die ihn in eine Reihe mit Eadweard Muybridge und dem Physiologen Étienne-Jules Marey stellen, zu den Pionieren der Kinematographie gezählt werden. Denn, so Deac Rossell: »Definiert man Kinematographie als a) Projektion b) von Bewegung c) mittels photographisch reproduzierter Bilder d) vor zahlendem Publikum, dann ist es beim gegenwärtigen Forschungsstand Ottomar Anschütz, dem dieses Erstlingsrecht gebührt.«94 Mit dem Schnellseher, einem »geeigneten Mittel, die […] Bilderreihen wieder in der ursprünglichen Bewegung erscheinen zu lassen«95, verfolgte Anschütz in erster Linie das Ziel, die Aufzeichnung von Bewegung, die er analytisch in starre Phasenbilder zerlegt hatte, wieder zu synthetisieren und für das menschliche Auge als Bewegungsvorgang zu reproduzieren.96 Anschütz ist auf dem Gebiet der experimentellen analytischen Photographie die Ausprägung einer künstlerischen Ästhetik zugeschrieben worden, indem er nicht wie etwa Marey die Analyse in den Vordergrund stellte, sondern eine »sequenzhaft[ ] narrative[ ] Methode«97 verfolgte, die ihn viele Bildfolgen zu einem erzähltechnisch folgerichtigen, geschlossenen Kreislauf montieren ließ. Trotz ihrer Kürze betrachtete das Publikum der 1890er Jahre diese flüchtigen Bewegungsbilder mit größtem Interesse. Es dürfte unmöglich sein, sich die Aufmerksamkeit und

94

95 96 97

/N (Hrsg.): »Ich sehe was, was Du nicht siehst!«. Grundlegend für Fragen der Medienarchäologie ist Z, Siegfried: Archäologie der Medien. Zur Tiefenzeit des technischen Hörens und Sehens, Reinbek bei Hamburg 2002. R, Deac: Faszination der Bewegung. Ottomar Anschütz zwischen Photographie und Kino (KINtop Schriften. Materialien zur Erforschung des frühen Films, Bd. 6), Basel/Frankfurt a. M. 2001, S. 9 (mit Lit.). Siehe auch J, Uli/L, Martin (Hrsg.): Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland. Band 1: Kaiserreich 1895–1918, Stuttgart 2005, S. 38–40. Anschütz’ elektrischer Schnellseh-Automat, in: Elektrizität. Offizielle Zeitung der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 23, S. 763 f., hier: S. 763. Wie Warburg mit Blick auf Botticellis »Primavera« begann auch Anschütz mit der Beobachtung von Tanzbewegungen. Siehe zu Anschütz’ entsprechenden Serien R: Faszination der Bewegung, S. 55 f. R: Faszination der Bewegung, S. 36.

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IV. K Abb. 91: Ottomar Anschütz, Detail der Schnellseherscheibe mit 23 transparenten Zelluloidbildern, die Phasen eines Pferdsprungs zeigen

Konzentration vorzustellen, die solchen maschinell betriebenen Bewegungsabläufen entgegengebracht wurden.98 Einen Eindruck von den Reaktionen auf den Schnellseher vermag ein »Stimmungs-Bild« zu geben, das im Feuilleton der offiziellen Zeitung der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung zu lesen war. Mit ironisch spitzer Feder kanzelt der Kommentator die im Rahmen der Kunstausstellung gezeigte bildende – stehende – Kunst als »hinter dem Berge« ab und preist die Dynamik des neuen Bewegtbildmediums: »Heutzutage muss Alles viel, viel schneller gehen. Da lob’ ich mir den Ottomar Anschütz mit seinem Schnellseher. Für zehn Pfennige hat er vor unseren Augen wenigstens fünfzigmal einen Hund über den Stock springen, einen Turner über den Bock setzen, oder einen Reiter mit seinem Traber die Barrière nehmen lassen. […] Die moderne Kunst muss beweglich sein – die Erzeugnisse derselben müssen einen Mechanismus hinter sich haben, auf derselben Landschaft muss der Mond auf- und die Sonne untergehen mit kurzen Zwischenpausen; Portraits grosser Männer müssen wenigstens mit dem [sic!] Köpfen wackeln! In der Kunst-Ausstellung aber hängt der Bismarck von Lenbach da, ohne wegen Russland mit der Wimper zu zucken, der Sarasate von Schüler glaubt, dass wir ihn bewundern müssen, auch wenn wir ihn nicht mit der ihm eigenen Schnelligkeit seine Quinten greifen sehen … Ja Friedrich von Kaulbach muthet uns sogar zu, sein ›Sitzendes Mädchen‹ ruhig sitzen zu lassen, ohne dass irgend ein Cavalier mit jugendfrischem Herzen es schnell im feurigen Walzertakt um sich herum dreht. Bewegung, elektromotorische Kraft, Rapidität verlangt das Publikum von heute: die Kunst muss sich danach richten! Wer wie Anschütz den Moment ergreift, ihn photographirt mit elektrischem Blitzlicht beleuchtet [sic!], um eine Walze dreht, vielleicht noch den armen Jonathan dazu spielen lässt, und nur – zehn Pfennige dafür verlangt, das ist der Mann der modernen Kunst.« Und weiter: »Der Schnellseher ist der Kunstbegriff der Zukunft: ›Anschütz als Erzieher‹ heisst das nächste Buch, welches so schnell gelesen werden muss, dass wenn man sämmtliche Auflagen binnen vier Wochen durchgeflogen hat und an die 33te kommt, man nicht mehr wissen darf, was in der ersten steht!«99 98 Bemerkenswerterweise wurde immer wieder die Reproduktionsqualität gepriesen, indem man auf die Wahrnehmbarkeit auch des ›bewegten Beiwerkes‹ hinwies: »Der Eindruck war überraschend. Man sah nicht bloss die Bewegungen der Pferdebeine, sondern das Fliegen des Schweifes, der Mähne, das Wiegen des Reiters.« Zitiert nach R: Faszination der Bewegung, S. 74. 99 M, Fritz: IX. Der Schnellseher, in: Feuilleton. Stimmungs-Bilder, in: Elektrizität. Offizielle Zeitung der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 27, 17. Oktober 1891, S. 918. Der Artikel ist vollständig im Anhang wiedergegeben. Siehe S. 237–239. Der von Murner genannte Buchtitel

. D P  B Es muss wohl ungeklärt bleiben, ob Warburg, dem man durchaus eine »Phobie vor überwältigenden Affektschüben und medialer Beschleunigung«100 attestieren kann, und in dessen Augen eine zu hohe Geschwindigkeit der Informationsübertragung die Möglichkeit der auseinandersetzenden Reflexion vernichten konnte, den Schnellseher als ein Medium goutiert hat. Dass er in späteren Jahren das Kino schätzen sollte, spricht zumindest nicht dagegen. In jedem Fall aber schuf er mit dem Bilderatlas ein Medium, das die Vorteile von stehendem und bewegtem Bild in sich zu vereinen suchte. In der Perspektive einer Protokinematographie des Bilderatlas lässt sich auch ein Disput entscheiden, der sich an der Frage entzündet hat, inwiefern das Konzept der Pathosformel auch auf das filmische Bild anwendbar sei. Während auf der einen Seite der Begriff Pathosformel wiederholt auf das Phänomen Film bezogen wird,101 stellt man auf der anderen Seite das Konzept in seiner Bedeutung für die Analyse des filmischen Bildes grundsätzlich in Frage. Während nämlich, so die Argumentation, das Konzept der Pathosformel an ›statischen‹ Einzelbildern entwickelt worden sei, zeichne sich Film gerade dadurch aus, dass er als Bewegtbildmedium die Möglichkeit einer Konzentration auf das Einzelbild konterkariere: »Warburgs ›Restitutio Eloquentiae‹ befaßt sich bekanntlich gerade nicht mit Körpern in Bewegung, sondern nur mit diskreten Körperzuständen. In ihr geht es gerade nicht um Film, sondern um Stills: Der Affekt ist eben keine Ausdrucksbewegung, sondern eine stillgestellte fleischliche Maske. Der Begriff der Geste müßte also den Begriff der Pathosformel erst einmal in einen konventionalisierten und tradierten Bewegungsablauf bestimmter Länge transformieren.« Bezogen auf das Medium Film sollten an die Stelle von Ikonographie

spielt auf ein zeitgenössisches Buch an, dass schon ein Jahr nach seinem Erscheinen 1890 eine enorme Auflagenhöhe erreicht hatte – im Jahr des Feuilleton-Artikels bereits die 39. – und von seinem Verfasser immer wieder überarbeitet wurde: August Julius Langbehns »Rembrandt als Erzieher«. In seiner kulturkritischen und antisemitischen Betrachtung rief Langbehn zu nationalem Bewusstsein und einer neuen deutschen Kultur auf. Rembrandt gab dafür das Leitbild ab, von Langbehn zu einem »Hauptvertreter des deutschen Geistes« überhöht und verklärt. Siehe L, August Julius: Rembrandt als Erzieher. Von einem Deutschen, Leipzig 1890. Auf der Folie der ungeheuren Popularität dieser der Moderne den Kampf ansagenden Publikation mutet Murners vermeintlich modernistische Pointe umso süffisanter an. 100 P: »Transformatio energetica«, S. 30. 101 Siehe K, Gottfried: »Wenn man darüber reden kann, hat es nichts mit Kino zu tun« (David Lynch). Hitchcocks Doppelgängermotiv und Pathosformeln in den Filmen von David Lynch, in: kritische berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften 27 (1), 1999, S. 4–16; M, Alois Martin: Vorbilder und Nachbilder, in: H, Annemarie/M, Alois Martin (Hrsg.): Film Stills. Emotion Made in Hollywood (1992), 2. Aufl., Ostfildern bei Stuttgart 1993, S. 15–17 (Für diesen Hinweis danke ich Klaus Krüger, Berlin), der den Begriff allerdings nicht auf den Film als solchen, sondern auf Filmstandbilder, genauer: auf kunstvoll nachgestellte photographische Szenenaufnahmen bezieht; N: L’image paysage; S: Film und Stereotyp, S. 231 f.; S, Christian: Kinopathos. Große Gefühle im Gegenwartsfilm (Deep Focus, Bd. 8), Berlin 2009; sowie mit Blick auf Machinimas R, Ramón: Digitale Pathosformeln. Machinimas der Rollenspielsimulation »The Sims«, in: Nach dem Film 11 (»Die kleine Form«), 2010, URL: http://www.nachdemfilm.de/content/digitale-pathosformeln ( Juli 2010).

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IV. K und Ikonologie »Kinegraphie« und »Kinelogie« treten.102 Wie jedoch gesehen, vermag der Begriff der Pathosformel de facto auch filmische Artefakte auszuzeichnen, insofern er gerade nicht nur an ›statischen‹ Einzelbildern gewonnen wurde. Betrachten wir abschließend noch ein weiteres Schlüsseldokument. Wenn Warburg seinen eine moderne Ikonologie grundlegenden Vortrag über »Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara« aus dem Jahr 1912 am Ende mit den Worten zu entschuldigen versucht, er habe nur »kinematographisch scheinwerfen« können, verbirgt sich dahinter mehr als eine Humilitasformel. Und wenn er seine neue Methode zur »Auflösung eines Bilderrätsels«, sein »Plaidoyer […] zugunsten einer methodischen Grenzerweiterung unserer Kunstwissenschaft in stofflicher und räumlicher Beziehung«103 im metaphorischen Gegensatz von ruhiger, das heißt steter Beleuchtung, und jenem kinematographischen Scheinwerfen fasst, dann kann dies so zu verstehen sein, dass es gerade die Wahrnehmungs- und Projektionstechnik der Film-Bilder gewesen ist, die Warburg den nur fragmentarisch sichtbaren kulturgeschichtlichen Zusammenhang des Bilderrätsels zu verstehen lehrte.104 In dieser medientechnischen Perspektivierung liest sich die Summa von Warburgs Ausführungen auch wie eine Beschreibung des technischen Dispositivs: »Ich 102 P, Claus: Ordnen, was nicht zu sehen ist, in: E, Wolfgang/H, Stefan/ H, Ute (Hrsg.): Suchbilder. Visuelle Kultur zwischen Algorithmen und Archiven, Berlin 2003, S. 99–108 und 168 f., hier: S. 106 f. Auch Wolfgang Ernst bezeichnet im Vergleich mit dem aus TV-Seifenopern gespeisten bewegtbildbasierten Archiv filmischer Topoi Julian Rosefeldts, einem »Kine-Mnemosyne-Atlas«, das Arrangement von Warburgs Bilderatlas als »statisch«. E, Wolfgang: Das Archiv in Bewegung, in: R, Julian (Hrsg.): Global Soap. Ein Atlas, Verona 2001, S. 7–26, hier: S. 23 und 19. An einem solchen bewegtbildbasierten Archiv filmischer Visiotypen arbeiteten oder arbeiten neben Balázs auch Matthias Müller oder Harun Farocki (Zu Farocki etwa siehe F, Harun: Bilderschatz (International Flusser Lecture, Bd. 3), Köln 2001; .: »Wie sollte man das nennen, was ich vermisse?«, in: E/H/H (Hrsg.): Suchbilder, S. 17–29; sowie B, Jörg: Der Ausdruck der Hände. Ein filmischer Terminus, in: E/H/H (Hrsg.): Suchbilder, S. 30–45). Siehe auch, bezogen auf den sowjetischen Film, The Factory of Gestures. Body Language in Film. An audiovisual research project written, edited and directed by B, Oksana, in collaboration with H, Dietmar/H, Gregor, D/USA 2008. – Zum Verhältnis von filmischem Wahrnehmen und Erinnerungsprozessen am Beispiel filmischer Bildatlanten siehe H, Ute: »Man erinnert sich nicht, man schreibt das Gedächtnis um!«. Modelle und Montagen filmischer Bildatlanten, in: F/M-K/S (Hrsg.): Der Bilderatlas im Wechsel der Künste und Medien, S. 251–270. 103 W, Aby: Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara (1912), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 2), Berlin 1998, S. 459–481 und 627–644, hier: S. 478. 104 Vgl. W, Sigrid: Zur Archäologie von Aby Warburgs Bilderatlas Mnemosyne, in: E, Knut/A, Stefan (Hrsg.): Die Aktualität des Archäologischen in Wissenschaft, Medien und Künsten, Frankfurt a. M. 2004, S. 185–208, hier: S. 194.

. D P  B hoffe, durch die Methode meines Erklärungsversuches der Fresken im Palazzo Schifanoja zu Ferrara gezeigt zu haben, daß eine ikonologische Analyse, die sich durch grenzpolizeiliche Befangenheit weder davon abschrecken läßt, Antike, Mittelalter und Neuzeit als zusammenhängende Epoche anzusehen, noch davon, die Werke freiester und angewandtester Kunst als gleichberechtigte Dokumente des Ausdrucks zu befragen, daß diese Methode, indem sie sorgfältig sich um die Aufhellung einer einzelnen Dunkelheit bemüht, die großen allgemeinen Entwicklungsvorgänge in ihrem Zusammenhange beleuchtet.«105 Tatsächlich lässt sich für den Gedanken, dass für die Herausbildung der kunstwissenschaftlichen Praktiken analytischer Zerlegung und der Konstruktion historischer und genealogischer Narrative auch kinematographische Technologien eine konstituierende Funktion hatten,106 kaum ein besserer Gewährsmann finden als Aby Warburg. Mit den Möglichkeiten der raumzeitlichen Rhythmisierung durch Montage und Schnitt verfügte die Kinematographie über ein eigenes Zeichenrepertoire. Warburg griff Strukturmerkmale auch dieses jungen Mediums auf und formte sie zu Strukturmerkmalen seiner Historiographie und seines Bilderdenkens. Kein anderes Dispositiv nämlich erlaubte es, Bilder rhythmisch zu einer gewünschten Abfolge zu ordnen und infolgedessen Bilder zu narrativieren; und kein anderes Dispositiv gewährte, sowohl lineare historische und genealogische Kontinuität wie auch ihre Spannungen, Widersprüche und Frakturen abzubilden und ineins zu denken. Damit wurde aus dem Zielobjekt Kinematographie ein Instrument, aus dem Bildobjekt – wie auch im Fall der Bildtelegraphie – ein Subjekt, aus dem Untersuchungsgegenstand Film ein epistemisches Medium.

105 W: Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara (1912), S. 478 f. 106 Vgl. P: Rethinking Art History, S. 72 f.

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V. Röntgenographie 1. Archäologie des vergleichenden Sehens Sucht man nach weiteren epistemischen Medien respektive technischen Aktanten in Warburgs Laboratorium, lässt sich auch die Röntgenographie entdecken. Um die Querverbindung zwischen Warburgs sowie seiner Kollegen Arbeit und derjenigen eines Röntgenologen zu verstehen, gilt es im Folgenden einen Blick auf eine Leidenschaft Warburgs, die Archäologie, sowie auf die für seine Arbeit kardinale Praxis des vergleichenden Sehens zu werfen. Schon in besagtem Aufsatz Herman Grimms über »Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons« fällt das Schlüsselargument – dass nämlich die Doppel- oder Mehrfachprojektion ein für die kunstwissenschaftliche Arbeit unabdingbares vergleichendes Sehen ermögliche: »Das Skioptikon gewährt aber noch mehr. Eine Hauptaufgabe des Lehrers der Neueren Kunstgeschichte ist, Darstellungen derselben Scene seitens verschiedener Meister zu vergleichen: indem die Bilder nun zu gleicher Zeit sichtbar gemacht werden, tritt die vergleichende Betrachtung sofort in Wirksamkeit.«1 Durch die Ermöglichung einer derartigen Zusammenschau erweise sich das Studium der Reproduktion gar als demjenigen des Originals überlegen: »Diese kann aber auch bei ein und demselben Werke durch Vorführung in verschiedenen Ansichten und Beleuchtungen erzielt werden, so daß ich eine Statue zeigen kann, wie sie von Weitem und wie sie aus der Nähe gesehen erscheint, wie sie von vorn, von links und rechts, von hinten betrachtet dasteht, wie sie bei wechselndem Sonnenstande sich darbietet. Die einander rasch folgenden Anblicke fließen in der Erinnerung zusammen und bewirken eine Vertrautheit mit dem Kunstwerke, wie dessen wirkliche Betrachtung sie kaum hervorzubringen vermag.«2 Das »Zusammenfließen« von »einander rasch folgenden Anblicke[n]« in der Erinnerung weist auf eine Projektionsmethode hin, die auch Warburg reflektieren wird und die 1 2

G: Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons, S. 282. G: Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons, S. 282 f. Siehe auch Abschnitt »Die Medialität der Kunstwissenschaft«.

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V. R in der jüngeren Literatur ausschließlich als Verfahren einer Doppelprojektion im Sinne einer parallelen oder paarweisen Projektion zweier nebeneinander stehender Bilder gedeutet worden ist.3 In einem wenige Jahre vor Grimms Beitrag erschienenen Aufsatz lässt Bruno Meyer indessen keinen Zweifel daran, dass jenes Zusammenfließen auch als Doppelprojektion im Sinne einer ›geschichteten‹ Projektion zweier übereinander geblendeter Bilder konzipiert und in Form einer »vervollkommnete[n] Laterna magica«, eines »sogenannte[n] Projections- oder Nebelbilder-Apparat[es]«4 apparativ konstituiert war: Zu diesem Zweck müssen, so Meyer, »die Axen der beiden neben einander wirkenden optischen Apparate […] auf denselben Punkt der das vergrößerte Bild auffangenden Wand gerichtet werden, damit die von beiden ausgestrahlten Lichtkreise sich genau decken, was nöthig ist der Gleichmäßigkeit der Bilder wegen, ferner um zwei Bilder aus den beiden Apparaten sich decken und zu einem bestimmten einheitlichen Effect verschmelzen zu lassen, endlich um das Bild der einen Seite unmerklich in das neue Bild der anderen Seite übergehen zu lassen (dissolving views).«5 Auch Warburg reflektierte die Kulturtechnik des vergleichenden Sehens, bis hin zu jenen »dissolving views«. Anscheinend war er es, der zum ersten Mal ein vermittels einer Laterna magica projiziertes Farbdia, ein eigens für ihn in England hergestelltes »LumièreBild«, in einem kunstwissenschaftlichen Vortrag verwendete6 – und zwar zum Zwecke des Bildvergleichs –, was auch seinen Zeitgenossen Respekt abverlangte: »an Hand eines farbigen Glasbildes – eines damals überraschend neuzeitlichen Hilfsmittels –«, so Heise in seinen Erinnerungen an den Mentor, »zeigte er durch Vergleich mit einer Aquarell-Kopie von Anton Ramboux vor etwa hundert Jahren, wie das heute halb zerstörte Fresko der Konstantinschlacht von Piero della Francesca in Arezzo ursprünglich ausgesehen hatte, und schöpfte daraus eine grundlegend neue Erkenntnis des Wesens dieser Malerei.«7 3 4

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Dieses Missverstehen moniert D: Weder Grimm, noch Schmarsow, geschweige denn Wölfflin, S. 98 f. M: Die Photographie im Dienste der Kunstwissenschaft und des Kunstunterrichtes, S. 310. Siehe auch H, Thomas: Aby Warburg und die »Verschmelzende Vergleichsform«, in: B, Lena/G, Martin/W, Falk (Hrsg.): Vergleichendes Sehen, München 2010, S. 469–490, insbesondere: S. 472, Abb. 1. M: Die Photographie im Dienste der Kunstwissenschaft und des Kunstunterrichtes, S. 314. Im Fortgang seines Textes erläutert Meyer en détail die apparative Bewerkstelligung der »dissolving views«. Selbige finden Erwähnung unter anderem auch in B, Friedrich Wilhelm: Populäres Lehrbuch der Optik, Katoptrik und Dioptrik. Theoretisch-practischer Unterricht über den Bau aller optischen Instrumente (Neuer Schauplatz der Künste und Handwerke. Mit Berücksichtigung der neuesten Erfindungen, Bd. 3), 2., völlig umgearbeitete Aufl., Weimar 1860, S. 315–318. Siehe auch M, Marianne: Film und Projektion auf der Bühne (Quellen und Forschungen zur Theatergeschichte, Bd. 57), Emsdetten (Westf.) 1961, S. 42–44. – Für den Hinweis auf die »dissolving views« samt einschlägiger Literatur danke ich Lena Bader, Paris. Siehe H: Die Genesis der Ikonologie, S. 125 und 154. H: Persönliche Erinnerungen an Aby Warburg, S. 44. – Die Schilderung Heises bezieht sich auf W, Aby: Piero della Francescas Constantinschlacht in der Aquarellkopie des Johann Anton Ramboux (1912), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitar-

. A   S Warburgs Einsicht in die operationale Tragweite der Photographie lässt sich ebenfalls an verstreuten Bemerkungen über jenes Zusammenspiel von photographischer Reproduktion und vergleichendem Sehen ablesen, für das ein dreiviertel Jahrhundert später Dilly wieder sensibilisieren sollte: »Dank der photographischen Hilfsmittel kann die Bildvergleichung jetzt weitergeführt […] werden.«8 Warburg übte ein vergleichendes Sehen, das an Nuancen, Variationen oder auch Inversionen tradierter Pathosformeln interessiert war.9 Daher ist auch sein Interesse für Projektionsmedien erklärbar, die den Bildvergleich erlaubten. So galt seine Aufmerksamkeit dem Skioptikon,10 das schon Grimm so fasziniert hatte, sowie einem »große[n] Epidiaskop für Vergleichsbilder«11, kombiniert mit einem doppelten Strahlengang für zwei Lichtbilder, das im Lesesaal der K.B.W. installiert war, als Möglichkeitsbedingung seines Arbeitens (Abb. 9): »Die neuen Marken [Briefmarken, T. H.] mit alten verglichen im Epidiaskop. Flauer Kitsch.«12 Die wegweisende Formel für

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beit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/ D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 1), Berlin 1998, S. 251–254 und 389–391. Das farbige Glasbild weist Warburg hier als »Lumière-Lichtbild« aus. W: Piero della Francescas Constantinschlacht in der Aquarellkopie des Johann Anton Ramboux (1912), S. 253. – Darüber hinaus spricht Warburg im Tagebuch der K.B.W. von einem (!) »Diapositiv mit den Vergleichen Ghirlandaio und Constantinsbogen«. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 227 (Eintrag vom 15. März 1928). W, Aby: Flandrische und florentinische Kunst im Kreise des Lorenzo Medici um 1480 (1901), in: D.: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hrsg. von B, Horst/D, Michael (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/ F, Kurt W./M, Nicholas/S, Salvatore/W, Martin, Erste Abteilung, Bd. I. 1), Berlin 1998, S. 207–212 und 381, hier: S. 209. In diesem Punkt lassen sich Warburg und Wölfflin keineswegs als Antipoden stilisieren. Zu ihrer Affinität in Bezug auf das vergleichende Sehen siehe W, Martin: Warburg und Wölfflin, in: B/D/S-G (Hrsg.): Aby Warburg, S. 79–86. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 186 (Eintrag vom 24. Januar 1928); und W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 370 (Eintrag vom 18. November 1928). Diese Angabe ist zusammen mit weiteren Eckdaten der K.B.W. veröffentlicht in einem Register, in dem für die Zeitgenossen über die Bautätigkeit in Hamburg während des ersten Jahrhundertdrittels Rechenschaft abgelegt wurde. Zitiert nach J-L: Die Suche nach der symbolischen Form, S. 200. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 25 (Eintrag vom 12. November 1926). Inwieweit jener Bildwerfer auch Doppelprojektionen im Sinne einer Überblendung mehrerer Bilder zu ermöglichen vermochte, lässt sich den bekannten Quellen nicht entnehmen. – Signifikanterweise gibt das Epidiaskop für Warburg auch eine epistemologisch wegweisende Metapher ab: »In mir steckt ja eine Dissertation über: ›Die Bedeutung der Briefmarkenkunst als Epidiaskop für das politische Festwesens [sic!] im 20. Jahrhundert!!‹«. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 25 (Eintrag vom 21. Dezember 1926). Zur Bedeutung der Metapher für Warburg siehe Abschnitt »Elektrisierende Metaphern«.

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V. R seine Methode des vergleichenden Sehens prägte Warburg im Jahr 1900 – mit jenem in seiner Sammlung »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (monistischen Kunstpsychologie)« festgehaltenen Diagramm, das seine Theorie unter das mit den Worten »Verschmelzende Vergleichsform« betitelte Zeichen eines im Schwingen begriffenen Pendels stellt (Abb. 45). Tatsächlich mag dieses Zeichen einerseits als Symbol für eine Methode, die »zwei Bilder […] verschmelzen zu lassen« verspricht, andererseits als ein Motto für Warburgs Denken überhaupt verstanden werden können: wie die Ellipse nämlich als schematisierter Ausdruck einer Formeinheit, die Auseinandergetretenes zusammensieht und dessen Differenz in sich reflektiert. Um zu begreifen, wie neben der Photographie auch die Röntgenographie Warburgs Vorstellungen vom vergleichenden Sehen, ganz im Sinne der »Verschmelzenden Vergleichsform«, mitmodellierte, muss die Bedeutung freigelegt werden, welche die Archäologie für Warburg besaß; vermutlich wäre die Röntgenographie für Warburg weniger bedeutsam gewesen, wenn sie ihn nicht an die Verfahrensweisen eben jener älteren Disziplin erinnert hätte, die um 1900 in aller Munde war und der er sich innig verbunden fühlte. Glauben wir Warburg, ist er zeit seines Lebens seinem ersten Berufswunsch treu geblieben und hat sich stets als Archäologe verstanden.13 So formuliert er im Jahr 1900 eine Idee der eigenen Methode, die er in seinem Austausch mit dem Freund André Jolles im so genannten Nymphenfragment gewinnt: Während es diesen verlocke, so Warburg ein wenig schmählich, einer geflügelten Idee in einem Liebesrausch durch alle platonischen Sphären zu folgen, richte er »den philologischen Blick auf den Boden«.14 In diesem Boden findet Warburg Bilderreihen, über die er einen veritablen Fundbericht mit Blick auf die freigelegten Kulturschichten anzufertigen habe. So heißt es in »Dürer und die italienische Antike« von 1905: »Die ›Bilder zum Tode des Orpheus‹ sind somit wie ein vorläufiger Fundbericht über die ersten ausgegrabenen Stationen jener Etappenstraße anzusehen, auf der die wandernden antiken Superlative der Gebärdensprache von Athen über Rom, Mantua und Florenz nach Nürnberg kamen, wo sie in Albrecht Dürers Seele Einlaß fanden […]«.15 In seinem 1926 in Hamburg gehaltenen Vortrag »Die italienische Antike im Zeitalter Rembrandts« adressiert Warburg unmittelbar eine historische Großtat der Klassischen Archäologie und kennzeichnet das 17. Jahrhundert als eine Epoche, in der man um die Malerei der Antike bedauerlicherweise noch nicht wisse, da man selbige noch nicht ergraben habe: »Im Zeitalter Rembrandts, also etwa ein Jahrhundert, bevor Pompeji dem Schutt entstieg (1748), konnte ja auch von der antiken Malerei kein charakteristischer Eindruck ausgehen […]«.16 Im »Schlangenritual« gibt Warburg ein anschauliches Beispiel für jenen 13 Siehe E, Knut/A, Stefan (Hrsg.): Die Aktualität des Archäologischen in Wissenschaft, Medien und Künsten, Frankfurt a. M. 2004. Speziell zu Warburg siehe W, Sigrid: Zur Archäologie von Aby Warburgs Bilderatlas Mnemosyne, in: E/A (Hrsg.): Die Aktualität des Archäologischen in Wissenschaft, Medien und Künsten, S. 185–208. 14 Zitiert nach G: Aby Warburg, S. 148. 15 W: Dürer und die italienische Antike (1905), S. 449. 16 Zitiert nach H: De Mnemosyne Beeldatlas von Aby M. Warburg, S. 138. In der ersten Fassung des Vortrags formuliert Warburg: »also lange vor der Ausgrabung von Pompeji«. WIA,

. A   S Fundbericht, den er hier zu einem Raum-Zeit-Integral weiterentwickelt, wenn er mit der Figur räumlicher Schichtung eine Entwicklung in der Zeit verschränkt: »Das Material ist kontaminiert, d. h. zweifach überschichtet. Der amerikanische Urgrund ist seit dem Ende des 16. Jahrhunderts überschichtet mit einer Lage spanisch-katholischer Kirchenerziehung, die Ende des 17. Jahrhunderts eine gewaltsame Unterbrechung erfuhr, später zwar wiederkehrte, aber in die Dörfer der Mokis nie wieder offiziell eindrang. Darüber lagert sich dritte [sic!] Schicht nordamerikanischer Erziehung.«17 Gestützt werden diese Überlegungen von hingeworfenen Diagrammen oder ›Stratigraphemen‹, die sich in Warburgs Zettelkästen finden: Auch hier gewärtigt man eine chronotopische Struktur, die verschiedene antike Bildnisse Apolls, aber auch deren Schöpfer und Fundorte in einzelnen Jahrhunderten zugeordneten Feldern anschreibt. Dabei ist diese ›Schicht‹-Struktur durchlässig für genealogische Querverbindungen, die etwa durch eine schlangenförmige Linie angedeutet sind (Abb. 92 und 93).18 Gegen Ende seines Lebens wird Warburg sich als »Ausgräber der Meilensteine auf verschollenen Wanderstrassen«19 preisen und noch einmal in der programmatischen Einleitung zu seinem Bilderatlas als eine Notwendigkeit seiner Methode reklamieren, »in die Tiefe […] des menschlichen Geistes mit der […] geschichteten Materie hinabzusteigen«20 – dies ein Gedanke, den er auf methodologischer Ebene bereits in seinem wegweisenden Vortrag über »Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara« von 1912 formuliert hat. Hier benutzte Warburg nach heutigem Kenntnisstand zum ersten Mal öffentlich den magistralen Begriff einer kritischen Ikonologie, die sich, nota bene, durch »ein fortwährendes Wegräumen unberechenbarer Schichten«21 auszeichne. Auch hier wird das von Warburg

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III.101.2.2. »Italienische Antike im Zeitalter Rembrandts, 1926. Lecture held at the KBW, May 1926. MS [first version], Mary Warburg’s hand, 27 fols.«. W: Schlangenritual, S. 10. Wie komplex Warburg jene Verschränkung dachte, zeigt sich an seiner Charakterisierung von St. Clemente in Rom, in der er zeitliche, architektonisch-räumliche, ikonographische und kultisch-funktionale Schichten ineins blendet: »Der grösste Eindruck in der vergangenen Woche ging von St. Clemente aus, weil hier die frühesten epischen, weltlichhistorischen Wandmalereien des Mittelalters in der Unterkirche zu sehen sind, die nichts anderes war, [sic!] als ein Mithrastempel, dessen Kultstätten mit den künstlerischen Denkmälern [sic!] die dazu gehören, heute noch erhalten sind in einem Raum, in dem man das Rauschen einer Quelle unerklärlichen Ursprunges hört; dazu oben die Fresken von Masaccio mit den Darstellungen aus dem Leben der hl. Catharina. Hier hat die Religionsgeschichte ihre Bezeichnung als ›Schichtung‹ zu Recht.«. WIA, FC, Aby Warburg an Mary Warburg, 1. Dezember 1928. Siehe Zettelkasten Nr. 43 (»Archäologie«): WIA, III.2.43/023258 und 023256. WIA, FC, Aby Warburg an Mary Warburg, 26. Oktober 1928. Siehe auch WIA, GC, Aby Warburg an Cyrus Adler, 23. Juli 1926. Hier spricht Warburg von »›excavations‹« und »ausgrabende[n] Forscher[n]«. In diesem Sinne wird Warburgs Arbeit auch von Kollegen wahrgenommen: »Man würde besser von der ›excavation Warburg‹ oder von dem ›Warburger Typenfund‹ sprechen!« WIA, GC, Kurt Karl Eberlein an Aby Warburg, 4. April 1928. W: MNEMOSYNE. Einleitung, S. 4. Warburg charakterisiert an dieser Stelle die Materie als »achronologisch« geschichtet. W: Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara (1912), S. 467.

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Abb. 92: Aby Warburg, Notizblatt mit ›Stratigraphem‹

Abb. 93: Aby Warburg, Notizblatt mit ›Stratigraphem‹

so apostrophierte »Bilderrätsel« in einer Deutung aufgelöst, die sich als Freilegung verschiedener kultureller Sedimentschichten darstellt: von der griechischen Kultur über die ägyptische, indische, persische, arabische, hebräische, lateinisch-französische bis zu derjenigen der italienischen Renaissance. Und hier auch nennt Warburg die immer wieder umschriebene Methode bei ihrem Namen: als einen »Willen zu stofflich getreuer Archäologie«.22 Tatsächlich also hat Warburg als Modell für seine Historiographie unter anderem die Archäologie gewählt.23 Reflektierte er im Zentrum seiner Abhandlungen immer wieder Ablagerungen 22 W: Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara (1912), S. 473. 23 Warburg bewegte sich mit seinem Verständnis archäologischer (Grabungs-)Praxis auf der Höhe seiner Zeit. So sieht Heinrich Bulle in seinem »Handbuch der Archäologie« – von dem Warburg ein Exemplar besaß, in dem er, einer Unterstreichung nach zu urteilen, auch las – die »Grundsätze des wissenschaftlichen Grabens« »in vollem Umfange zum erstenmal« durch die von 1875 bis 1880 währende Ausgrabung von Olympia festgelegt. Seit damals werde, so Bulle, »mit zunehmender Genauigkeit und Beobachtungskunst der Boden nicht nur als Schatzbehälter, sondern als historisches Dokument untersucht, bei dessen Aufdeckung der kleinste Umstand die größte Tragweite erlangen kann«; für den versierten Archäologen ergäben »die Schichtungen des Bodens

. U  O  B und Schichten, die einander überlagern und auch trüben können, sprach er in epistemisch fruchtbaren Metaphern von Schichtung sowohl in Bezug auf die Struktur einer Pathosformel und deren Überlieferung als auch seiner gleichsam archäologischen Methode, die verschiedene Strata der Kultur- und Psychohistorie freizulegen suchte und das gehobene Material in einer dynamischen Ordnung fortwährend umschichtete und neu konfigurierte.24

2. Unter der Oberfläche des Bildes Es fällt auf, dass sich die genannten Sprachbilder ähnlich massiert und mit gleicher Bedeutung in der zeitgenössischen Rede über das neu entwickelte bildgebende Verfahren der Röntgenographie finden. Als der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen im Winter 1895 seine oft durchschlagende historische Kriterien«. B, Heinrich: Wesen und Methode der Archäologie, in: D. im Verein mit A, Paul u. a. (Hrsg.): Handbuch der Archäologie, Bd. 1,1, München 1913, S. 1–79, hier: S. 28 f. In einem anderen in seiner Bibliothek befindlichen einschlägigen Fachbuch konnte Warburg lesen: »A large site, such as that of a temple or a town, may be attacked in several ways. The most cursory method is by trial pits in various spots; pits which, if they hit anything of importance, are likely to injure it, and certain to destroy its connection with other things. French explorers have a love for faire quelques sondages, a proceeding which often ruins a site for systematic work, and which never shows the meaning of the positions or the nature of the plan. […] ground should be shifted in successive levels […].« P, William Matthew Flinders: Methods & aims in archaeology, London 1904, S. 41 f. Zu Petrie als einem Vorreiter der Stratigraphie siehe D, Margaret S.: Flinders Petrie. A Life in Archaeology (Wisconsin Studies in Classics) (1985), 2. Aufl., Madison (Wis.) 1995. Diskussionen über die stratigraphische Methode am Ende des 19. Jahrhunderts skizziert P, Barbara: Schliemann und die Geschichte der Archäologie im neunzehnten Jahrhundert. Von der Entstehung einer Wissenschaft zur archäologischen Sensation, in: C III, William M./C, Justus (Hrsg.): Heinrich Schliemann nach hundert Jahren, Frankfurt a. M. 1990, S. 31–55, insbesondere: S. 46 f. 24 Schichtungen wie auch deren Freilegung in Bezug auf seinen Gegenstand wie auf seine Methode reflektierte Warburg mehrfach auch mit der Metapher des Palimpsests. Bezogen auf den wiederholt zerstörten Bilderschmuck in einem Gebäude, dem Palazzo della Ragione in Padua, siehe W, Aby M.: Die Einwirkung der Sphaera Barbarica auf die kosmischen Orientierungsversuche des Abendlandes. Vortrag in Gedenken an Franz Boll, 25. April 1925, in: D.: »Per monstra ad sphaeram«, S. 63–143, insbesondere: S. 82. Weitere Textstellen nennt K, Roland: Palimpsest. Konjunkturen einer Edelmetapher, in: D, Lutz/S, Carlos/W, Dirk (Hrsg.): Begriffe, Metaphern und Imaginationen in Philosophie und Wissenschaftsgeschichte, Wiesbaden 2009, S. 177–203, insbesondere: S. 190 f. Allgemein zum Palimpsest siehe desweiteren W, Harald: Schriften über Schriften. Palimpseste in Literatur, Kunst und Wissenschaft, in: D.: Wie zivilisiert ist der Teufel? Kurze Besuche bei Gut und Böse, München 2007, S. 23–34; zum Palimpsest als Strukturmerkmal des Bildes K, Klaus: Das Bild als Palimpsest, in: B, Hans (Hrsg.): Bilderfragen. Die Bildwissenschaften im Aufbruch (Bild und Text), München 2007, S. 133–163; sowie speziell frühneuzeitlicher Bilder H, Thomas: Bildersturm und Landschaft. Ikonoklastische Impulse ›autonomer‹ Landschaftsdarstellung in der Frühen Neuzeit, in: N, Norbert/H, Stephan/E, Claudia (Hrsg.), Wege zur Renaissance. Beobachtungen zu den Anfängen neuzeitlicher Kunstauffassung im Rheinland und den Nachbargebieten um 1500, Köln 2003, S. 390–423.

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V. R Experimente zu einem vorläufigen Abschluss brachte und seine Ergebnisse am 28. Dezember unter dem Titel »Ueber eine neue Art von Strahlen« zusammen mit mehreren Röntgenbildern bei der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft in Würzburg einreichte, ging es ihm bekanntlich keineswegs darum, die Erfindung eines solchen bildgebenden Verfahrens für sich zu beanspruchen.25 Vielmehr gedachte er, jenes von ihm als »X-Strahlen« bezeichnete noch unerkannte und dem menschlichen Auge nicht unmittelbar ersichtliche Phänomen aufzuzeichnen und damit dessen Existenz unter Beweis zu stellen. So konstatierte er in einem Brief an seinen Kollegen und Vertrauten Ludwig Zehnder vom 15. Januar 1896 ein wenig resigniert: »Das Photographieren war mir Mittel zum Zweck, und nun wurde daraus die Hauptsache gemacht.«26 Erschien die Röntgentechnik vor diesem Horizont in ihrer bildmedialen Dimension zunächst als ein Zufallsprodukt genuin physikalisch motivierter Forschung, war es vor allem die am 22. Dezember 1895 von Röntgen selbst angefertigte und besagtem Artikel beigegebene Aufnahme der linken, beringten Hand seiner Frau Bertha, die von Beginn an nicht nur als physikalischer Beweis für die X-Strahlen, sondern auch als ein Bildphänomen für große Furore sorgte.27 Was in der Folge einsetzte, ging weit über den Horizont der Physik hinaus, war doch die Vorstellung von einem dunklen Licht, das Fleisch so leicht wie Glas durchdringen konnte und gar Bilder des Skeletts aus einem lebenden Körper hervorzutreiben vermochte, berauschend. Gleichsam über Nacht wurden die mysteriösen Strahlen zu Vehikeln geisterhafter Emanationen, die in Atlanten eigenen Typs eingeschrieben wurden und unaufhörlich in zeitgenössischen Liedern, Karikaturen oder Werbeanzeigen, auf Jahrmärkten oder in Photostudios begegneten. Im Zuge dieser »›X-ray mania‹«28 wurden alleine im Jahr 1896 über tausend Aufsätze und fünfzig Monographien 25 Siehe R, Wilhelm Conrad: Ueber eine neue Art von Strahlen. (Vorläufige Mittheilung.), in: Sitzungsberichte der physikalisch-medicinischen Gesellschaft zu Wuerzburg 137, 1895, S. 132– 141. – Grundlegend zu Röntgen ist noch immer G, Otto: Wilhelm Conrad Röntgen und die Geschichte der Röntgenstrahlen (1931), 3., erweiterte Aufl., Berlin/Heidelberg 1995. 26 Zitiert nach S, Angelika in Zusammenarbeit mit K, Gundolf: Der Blick in den Menschen. Wilhelm Conrad Röntgen und seine Zeit, München/Wien/Baltimore 1995, S. 172. 27 Siehe G: Wilhelm Conrad Röntgen und die Geschichte der Röntgenstrahlen, S. 22, Abb. 8; sowie B, Markus: Über den Körper im Bilde sein. Eine Medienarchäologie anatomischen Wissens, Bielefeld 2005, S. 168 f. 28 C, Lisa: Screening the Body. Tracing Medicine’s Visual Culture, Minneapolis/London 1995, S. 107. – Seit dem Zentenarium von Röntgens Entdeckung ist eine Vielzahl wichtiger Studien zu kulturwissenschaftlichen Aspekten der Röntgenologie erschienen: Die Ästhetik der frühen Röntgenbilder sowie die Bedeutungszuweisungen im Umgang mit ihnen thematisiert D, Vera: Röntgenblick und Schattenbild. Zur Spezifik der frühen Röntgenbilder und ihren Deutungen um 1900, in: B/S/D (Hrsg.): Das Technische Bild, S. 136–147. Theorie- und wahrnehmungshistorische Aspekte betonen L, Barron H.: The Perils of »X-Ray Vision«: How Radiographic Images have historically influenced Perception, in: Perspectives in Biology and Medicine 35 (3), 1992, S. 382–397; sowie S, Bernd: Philologie des Auges. Die photographische Entdeckung der Welt im 19. Jahrhundert, München 2001, S. 97–99 und 136–141. Speziell zu dem sich auch an Röntgenbilder heftenden Diskurs einer Photographie des Unsichtbaren und dessen Kritik siehe G, Peter: Bilder aus Versehen. Eine Geschichte fotografischer Erscheinungen (Fundus-Bücher, Bd. 178), Hamburg 2010, S. 253–300. Die Verschränkung

. U  O  B zum Thema publiziert;29 darunter auch erste Publikationen zur Paläoradiologie, konkret zur Durchleuchtung von Mumien, geschrieben von Physikern, Ägyptologen, Assyrologen und Archäologen; später, 1905, auch von dem Mediziner und berühmten Röntgenologen Heinrich Albers-Schönberg, dessen führendes Laboratorium in Warburgs Heimatstadt Hamburg ein reges Interesse verzeichnete.30 Albers-Schönberg ist auch insofern von besonderer Bedeutung, als er nächstens in Hamburg ein Dispositiv kreieren sollte, dass dezidiert an einen Bilderatlas sowie an das parallele Zeigen von Lichtbildern erinnert. In dem nach seinen Plänen um 1914 errichteten Röntgenhaus des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg nämlich war ein »Museum« genannter Raum integriert, »gleichzeitig zu Lehr- und Demonstrationszwecken dien[end]«, der vor großen Fensterflächen mittels eines speziellen Trägersystems die Präsentation und vergleichende Betrachtung mehrerer Hundert typologisch geordneter Röntgenplatten erlaubte, »einer dauernden Erneuerung und Ergänzung unterliegen[d]«. Hier praktizierte Albers-Schönberg, wie später auch Warburg, die Nachbarschaft von Bild und Buch: »[Das] Museum […] [soll] der Aufbewahrung und Ausstellung von Plattensammlungen von Modellen, Röhren, Moulagen, Büchern, Zeitschriften usw. dienen« (Abb. 94).31 Die Durchleuchtung von Gemälden war bereits in Röntgens ursprünglicher Publikation gebahnt.32 Wenige Monate nach deren Erscheinen wusste man bereits von Untersuchun-

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von materieller Kultur und Epistemologie der radiographischen Praxis analysiert D, Monika: Durchsicht, Einsicht, Vorsicht. Eine Geschichte der Röntgenstrahlen 1896–1963 (Interferenzen. Studien zur Kulturgeschichte der Technik, Bd. 5), Zürich 2003. Zu den Korrespondenzen zwischen psychischer und physischer Durchleuchtung siehe S, Gunnar: 1895: Freud | Röntgen. Mit einem Nachtrag zu Hermann Krone, in: H, Wolfgang/S, Timm (Hrsg.): Der Photopionier Hermann Krone – Photographie und Apparatur. Bildkultur und Phototechnik im 19. Jahrhundert, Marburg 1998, S. 167–176; sowie zu Inspirationen der Literatur durch die Röntgenologie .: Unsichtbare Körper – Röntgenstrahlen und die literarische Imagination, in: B, Werner/B, Uwe (Hrsg.): 100 Jahre Deutsche Röntgengesellschaft 1905 – 2005, Stuttgart 2005, S. 164–167. Siehe G, Tal: Sichtbarkeit und Macht: Maschinen als Augenzeugen, in: G (Hrsg.): Ordnungen der Sichtbarkeit, S. 171–210, hier: S. 183. Siehe B, Thomas/R, Frank J./C, Rethy K.: History of paleoradiology: early published literature, 1896–1921, in: Canadian Association of Radiologists Journal 55 (4), 2004, S. 203–210; sowie C, Rethy K.: Paleoradiology: History and New Developments, in: D./B, Don R. (Hrsg.): Paleoradiology. Imaging Mummies and Fossils, Berlin/Heidelberg/New York 2008, S. 11–14. Zu Albers-Schönberg siehe auch H: Aby Warburg und die »Verschmelzende Vergleichsform«, S. 480 f., Abb. 5. A-S, Heinrich Ernst/S/L: Das Röntgenhaus des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg in Hamburg, errichtet 1914/1915, Leipzig 1915, S. 11, 18 und 10. Siehe »Anhang«, S. 240–242. Zu Albers-Schönbergs Röntgenhaus siehe F, Susanne/V, Hermann: Die Röntgenpioniere Hamburgs. Vom Selbstversuch zur medizinischen Fachdisziplin, Landsberg 1995, S. 115; sowie D: Durchsicht, Einsicht, Vorsicht, S. 105 und 194. Mit seinen ersten »Röntgenphotographien« vermochte Röntgen bereits einige wesentliche praktische Anwendungsmöglichkeiten für die neuen Strahlen zu dokumentieren. Nicht nur gab besagte Aufnahme der Hand seiner Frau einen ersten Hinweis auf die Anwendbarkeit der Röntgenstrahlen in der Medizin, die Aufnahme »eines in einem Kästchen eingeschlossenen Gewichtssatzes«

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Abb. 94: »Museum« im Röntgenhaus des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg in Hamburg

einen Ausblick auf die Nutzbarkeit der Strahlen in der Kriminalistik, etwa zur Kontrolle verschlossener Gepäckstücke und verdächtiger Pakete, oder diejenige »eines Metallstückes, dessen Inhomogenität durch die X-Strahlen bemerkbar wird«, die Idee einer zerstörungsfreien Werkstoffprüfung. R: Ueber eine neue Art von Strahlen, S. 140. Darüber hinaus wurde bereits von Röntgen die Möglichkeit, mit Hilfe einer Durchleuchtung von Gemälden und anderen Kunstgegenständen Aufschluss über die innere Struktur respektive verschiedene Farbschichten zu erhalten, wahrgenommen, als er am 20. November 1895 eine Röntgenaufnahme der Tür anfertigte, die sein Labor, in dem sich der »Entladungsapparat« befand, von einem Nachbarraum trennte. Beim Auswerten der Aufnahme bemerkte Röntgen helle Streifen, deren Zustandekommen er sich zunächst nicht erklären konnte: »Diese Abschattierung fiel mir auf und ich erkannte daran, daß nicht die Absorption durch die ungleichen Holzdicken des Türpfostens das Maßgebende war, sondern eine Oberflächenabsorption des Pfostens. Ich erkundigte mich nach der Art des Türanstrichs und erfuhr, daß derselbe aus Bleiweiß bestand. Weil Blei für diese Strahlen so schwer durchlässig ist, absorbiert eine in der Richtung der Strahlen verlaufende Bleiweißschicht dieselben beträchtlich mehr als eine senkrecht zu den Strahlen orientierte Schicht«. Röntgen, zitiert nach G: Wilhelm Conrad Röntgen und die Geschichte der Röntgenstrahlen (1931), S. 39. Siehe auch S, Petra: Wilhelm-Conrad Röntgen. Unsichtbares wird sichtbar. Mit einem Geleitwort von Eberhard Sonnabend (Helfer der Menschheit, Bd. 1), Chicago/London/São Paulo/Tokio/ Moskau/Prag/Warschau 1995, S. 109 f., Abb. 2–11a und 2–11b.

. U  O  B gen diverser Bilder mittels Röntgenstrahlen zu berichten, wiewohl selbige medientechnisch noch reichlich ungeschärft ausfielen.33 Ab 15. März 1914 schließlich war das »Verfahren zur Feststellung von Übermalungen bei Ölgemälden o. dgl. durch Herstellung eines Röntgenbildes« im Deutschen Reich patentiert; das Patent wurde an Dr. Alexander Faber in Weimar erteilt, einen Kunsthistoriker und Röntgenarzt, der erste systematische Untersuchungen der Absorptionseigenschaften verschiedener Pigmente unternommen hatte.34 Zwei Reproduktionen in einer Publikation von Joseph Wilpert aus dem Jahr 1917 mögen einen Eindruck von den Diffizilitäten der neuen Technik geben: Gut zu erkennen sind die einzelnen, unterschiedliche Belichtungszeiten bezeugenden Aufnahmen, aus denen das Röntgenbild eines damals nicht zugeschriebenen Madonnenbildes zusammengestückt wurde (Abb. 95 und 96).35 In den zeitgenössischen Beschreibungen des Röntgenverfahrens begegnen allfällig die auch seitens der Archäologie verwendeten Sprachbilder. So heißt es in der Patentschrift, dass Röntgenstrahlen »Farbschichten zum Ausdruck bringen, welche für das Auge nicht sichtbar unter der Oberfläche des Bildes liegen«,36 und in den Veröffentlichungen von Faber ist die Rede von »dem Auge verborgenen Schichten«, die es »aufzudecken«37 gelte. Dadurch gelinge es, »einen Einblick in das Schaffen des Künstlers an einzelnen Stellen seines Werkes zu tun, als ob wir ihm hier während seiner Arbeit zugesehen hätten«.38 Die Emphase ob dieser Durchschauungskraft gipfelt in der Beschwörung des Kunstwerks als eines mittels der Strahlentechnik reanimierbaren, beseelten Subjektes: »Räumen wir der Phantasie einmal das Feld, so erblicken wir bisher unbekannte Kompositionsteile an Meisterwerken der Malerei, hervorgezaubert durch die Röntgenstrahlen, übermalte Gemälde erwachen wieder zu neuem Leben, wenn sie es sich auch gegen das über ihnen ruhende Bild auf der Oberfläche erkämpfen müssen, aus dem Dunkel eines Vorhangs tritt wie unter einem Schleier 33 Siehe B, Charles F.: The Amazing Patent on the Radiography of Paintings, in: Studies in Conservation. The Journal of the International Institute for Conservation of Historic and Artistic Works 9, 1964, S. 135–139; sowie die Literaturübersicht zur Geschichte der Röntgenuntersuchung von Kunstwerken in B, Andreas: Original – Fälschung? Bildgebende Verfahren bei der Diagnostik von Kunstwerken, Konstanz 1990. 34 Siehe B: The Amazing Patent on the Radiography of Paintings. 35 Siehe W, Joseph: Ein mit Röntgenstrahlen untersuchtes Madonnenbild, in: Hochland. Monatsschrift für alle Gebiete des Wissens, der Literatur und Kunst 15 (3), 1917/18, S. 309–322. – Die Röntgenuntersuchung als Hilfsmittel für die Kunstwissenschaft wurde mitnichten einhellig begrüßt. So bezeichnete beispielsweise Wilhelm von Bode, Generaldirektor der staatlichen Berliner Museen, selbige mit Blick auf ihren Missbrauch – im Dienst angeblicher Entdeckungen wertvoller Bilder unter wertlosen Übermalungen – als »Mumpitz« und »Gegenstück zu[m] […] ›Wünschelring‹«. B, Wilhelm von: Kunstexpertise durch Röntgenstrahlen, in: Der Kunstwanderer 2, 1921, o. S. 36 Zitiert nach B: The Amazing Patent on the Radiography of Paintings, S. 137. 37 F, Alexander: Ölgemälde im Röntgenlicht, in: Museumskunde 10 (3), 1914, S. 153–170, hier: S. 169 und 158. 38 F, Alexander: Eine neue Anwendung der Röntgenstrahlen, in: Die Umschau. Forschung, Entwicklung, Technologie 18, 1914, S. 246–253, hier: S. 251.

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Abb. 95: Ölgemälde

Abb. 96: Röntgenbild

nur verborgen eine ganze Gestalt hervor, die der Künstler aus irgendeinem Grunde verdeckte – begraben, wie er glaubte, für alle Zeiten.«39 Mit der Absicht, für die Objektivität der Röntgenographie zu werben, evoziert auch Wilpert die Subjekthaftigkeit des Bildes, die ihm eigene, authentische Sprache, die zu Gehör zu bringen erst eigentlich die Röntgentechnologie vermöge: »Dieses Verfahren, das auf dem kunsthistorischen Gebiet in solchem Umfang und mit solchem Resultat bis jetzt nicht seinesgleichen hat, setzt uns in den Stand, die Entstehung des Bildes in seinen Hauptstadien mit genügender Klarheit zu verfolgen. Das Bild selbst wird uns bis zu einem gewissen Grade seine Geschichte erzählen.«40 In diesem Zusammenhang stoßen wir auf weitere Denkfiguren, die wir von Warburg her kennen – so die eines Raum-Zeit-Integrals; auch dem Röntgenologen gilt die Schichtung im Raum als Indikator einer Entwicklung in der Zeit: »immer wird es sich um begrabene Zeugen handeln von der Entstehungsgeschichte des Werkes und seinen späteren Schicksalen«.41 Und nicht zuletzt erinnert die Sicht des Röntgenologen auf das zu untersuchende Bild an Warburgs Betrachtung desselben als ein »Bilderrätsel«: »die Aufdeckung des Uebermalten [wirke] als Lösung einer gestellten Aufgabe«.42 39 40 41 42

F: Eine neue Anwendung der Röntgenstrahlen, S. 251 f. W: Ein mit Röntgenstrahlen untersuchtes Madonnenbild, S. 310. F: Ölgemälde im Röntgenlicht, S. 170. F, Alexander: Ergebnisse der Röntgenuntersuchung von Oelbildern, in: Die Umschau. Wochenschrift über die Fortschritte in Wissenschaft und Technik 25 (24), 1921, S. 325–327, hier: S. 326.

. »D«

3. »Dorchläuchting« Fragen wir nach Berührungspunkten Warburgs mit der Röntgenographie, sticht zuerst die Korrespondenz seiner Familie ins Auge. In den ersten zwölf Wochen des Jahres 1896 – also kurz nach Bekanntwerden der Entdeckung Röntgens – ist über selbige ein reges Mitteilungsbedürfnis vieler enger Verwandter zu verzeichnen. So berichtet Felix Warburg am 31. März mindestens zum dritten Mal seinem in Amerika weilenden Bruder, ein wenig radebrechend: »Letzte Woche war hier im Museum Ausstellung der Erfindungen die im letzten Jahr auf Gebiet der Physik Chemie Elektrotechnik sowie allen anderen Naturforschungsgebieten und war es sehr interessant über x Rays mal was verständliches zu hören.«43 (Abb. 97). Offenbar tief beeindruckt von der bahnbrechenden Entdeckung lassen auch seine Schwester Olga genauso wie seine Eltern Warburg an den neuesten Nachrichten teilhaben, was auf dessen Interesse schließen lassen mag. Selbst Kalauer werden kolportiert – so Charlotte und Moritz Warburg in einem Brief vom 29. Januar 1896: »Neuester Witz: den Prof. Röntgen dessen neue Entdeckung der ›Röntgenschen Strahlen‹ so viel Aufsehn macht [sic!] nennen [?] sie ›Dorchläuchting‹«.44 Abgesehen von der Familienkorrespondenz und von Notaten in Warburgs Zettelkästen, welche die Röntgentechnik noch in ihre entlegensten Anwendungsgebiete verfolgen (Abb. 98)45, hat sich im Nachlass ein auf den 22. Januar 1927 datierter ausführlicher Brief von Warburg an den Freund und Rembrandt-Spezialisten Carl Neumann erhalten. Hier ist eine Passage besonders markant, die man als eine Anspielung auf die Röntgenographie lesen kann und die deutlich macht, wie tief die Materialität derselben in Warburgs Historiographie und Epistemologie, insbesondere in die des vergleichenden Sehens, hineinreicht. In besagter Passage reflektiert Warburg das Verfahren der »vergleichenden, kulturwissenschaftlichen Betrachtung« und erläutert selbiges technisch folgendermaßen: »Wir können, indem wir gleichsam auf der {durch zweifache} Projektion auf die{selbe} Bilderwand gleichzeitig die Kontraste der Antike ›adumbratione‹ {hintergründlich} im Umrisse erscheinen lassen, mit dem betreffenden antikisierenden späteren Kunstwerk darüber, ablesen, welche selectiven Abweichungen durch die Mentalität der betreffenden Epoche bedingt sind. Dieses Verfahren auf Rembrandt anzuwenden, habe ich versucht, weil in dem Falle des ›Claudius Civilis‹ ein {das} erstaunliches Fall {Ereignis} von organisch geglückter Umformung des Erbes der Antike nachzuweisen möglich ist.«46 Bemerkenswerterweise gewinnt Warburg 43 WIA, FC, Felix Warburg an Aby Warburg, 31. März 1896. 44 WIA, FC, Charlotte und Moritz Warburg an Aby Warburg, 29. Januar 1896. »Dorchläuchting« darf man als einen Neologismus denken, zusammengesetzt aus »Durchlaucht« und »Durchleuchtung«. Ob mit diesem Titel auch auf die gleichnamige Erzählung Fritz Reuters angespielt wird, muss hier dahingestellt bleiben. Für den Hinweis auf Reuter danke ich Hans-Ernst Mittig, Berlin. 45 Siehe Zettelkasten Nr. 2 (»Hygiene«): WIA, III.2.2/000795: »Röntgenstrahlen gegen Heuschnupfen.«. 46 Zitiert (auf der Grundlage von Warburgs Manuskriptkorrekturen) nach P, Andrea: La sfida del Batavo monocolo. Aby Warburg, Fritz Saxl, Carl Neumann sul Claudius Civilis di Rembrandt, in: Rivista di Storia della Filosofia 60 (3), 2005, S. 493–539, hier: S. 527.

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V. R Abb. 97: Felix Warburg, Brief an Aby Warburg vom 31. März 1896

dieses an die Konstruktion von »dissolving views« erinnernde47 quasi-röntgenologische Dispositiv der Überblendung transparenter Bilder oder Bildschichten einer Beschäftigung mit Rembrandts »Claudius Civilis« ab, also just jenem Gemälde, das er ein halbes Jahr zuvor in seinem Hamburger Vortrag über »Die italienische Antike im Zeitalter Rembrandts« zum Anlass genommen hat, über die Leistungen der Klassischen Archäologie, namentlich die Ausgrabung Pompejis zu räsonieren. Neben diesen Indizien findet sich im engsten Kreis um Warburg ein tatsächliches Röntgenbild. 1939 publiziert Fritz Saxl als neunten Band der »Studies of the Warburg Institute« unter dem Titel »Rembrandt’s Sacrifice of Manoah« eine Untersuchung des gleichnamigen Gemäldes.48 Seine Analyse von dessen Genese und Ikonographie stützt sich unter anderem auf ein im Ergebnis wenig aussagekräftiges Röntgenbild desselben, von dem Saxl ein Detail unter den Abbildungen im Tafelteil wiedergibt (Abb. 99).49 Die Spuren dieses Röntgenbildes lassen sich mehr als zehn Jahre zurückverfolgen;50 stets von einem großen Interesse

47 Nach heutigem Kenntnisstand konnten die »dissolving views« auf kunstwissenschaftlichem Gebiet, trotzdem Bruno Meyer sie zu lancieren versucht hatte, keinen Erfolg verzeichnen, was damit zu tun haben mag, dass ihnen der Haut-goût einer gauklerischen Jahrmarktsattraktion anhaftete. Es ist signifikant, dass dieses Dispositiv Warburg in einem Moment in den Sinn kommt, in dem er es auf der Folie von Archäologie und Röntgenographie begreifen und mit Blick auf sein Konzept der Bilderschichtungen methodologisch fruchtbar machen kann. 48 Siehe S, Fritz: Rembrandt’s Sacrifice of Manoah (Studies of the Warburg Institute, Bd. 9) (1939), Nendeln 1968. 49 Das Röntgenbild ist als Abb. 19 reproduziert. 50 Ein erster Hinweis findet sich im Tagebuch der K.B.W. Hier notiert Saxl am 19. Juni 1927: »Beim Röntgen-Institut der Technischen Hochschule Dresden angefragt, ob sie den Manoah durchleuchten können, um unsere bloß auf Zeichnungen basierten Hypothesen des früheren Bildzustandes dokumentarisch zu überprüfen.« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 103 (Eintrag vom 19. Juni 1927). Und am 22. Januar 1928 bemerkt Warburg ebenda: »Saxl will am nächsten Sonntag vielleicht über Dresden fahren um [sic!] der Durchleuchtung Rembrandts beizuwohnen.« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 185 (Eintrag vom 22. Januar 1928). Saxl berichtet wenige Tage später: »Die Sache hier ist interessant, aber sachlich sehr schwierig. Wir haben gestern stundenlang den oberen Teil des Bildes durchleuchtet und nur ganz unwesentliche Untermalungen bisher gefunden. Natürlich ist dieser Befund an sich schon wichtig. Der Schluss, der sich einem da aufdrängt, ist, dass das Bild lange Zeit unvollendet in Rembrandts Atelier geblieben sein müsste und dann erst von ihm fertig gestellt wurde. Einwandfrei festgestellt ist schon, dass die alten und die späteren Teile auf die Röntgen Strahlen völlig verschieden reagieren. Die Leute von der techn. Hochschule sind

. »D« Abb. 98: »Röntgenstrahlen gegen Heuschnupfen«

Warburgs begleitet, schildert Saxl in mehreren Briefen die Querelen, die sein Wunsch nach einer Röntgenographie ausgelöst hatten und die ihn nahezu verzweifeln ließen: »Ich bin mir als Röntgenologe so vorgekommen wie ein Clown, der am Theater etwas Hochfeines tun muss, wovon er gar nichts versteht.«51 Für unsere Fragestellung wichtig ist ein Brief, in dem Saxl Warburg sehr ausführlich von den technischen Schwierigkeiten der Röntgenaufnahmen berichtet, um dann, in einer Formulierung sehr ähnlich der Fabers, zu betonen, dass man mittels dieser Technologie »wirklich Rembrandt in die Werkstatt blicken dürfe[ ], dass sie wirklich […] den Augenblick der Entstehung des neuen Bildgedankens erfassen lässt«. Und schließlich vergleicht Saxl den Röntgenologen mit einem Archäologen: »D. h. eine wirklich wissenschaftlich saubere Arbeit, [sic!] muss geduldig von allen wichtigen Partien mehrere Aufnahmen machen, sodass man wie der ausgrabende Archäologe Schicht um Schicht gleichsam abhebt.«52 rührend und wollen mir eine Woche lang ihre Zeit widmen. Ich bleibe auch solange hier, bis die Sache fertig ist. Ohne mein Herkommen wäre das Ganze unmöglich gewesen. Sie hatten ganz Recht und ich bin Ihnen für den Rat dankbar (wie immer).« WIA, GC, Fritz Saxl an Aby Warburg, 31. Januar 1928. 51 WIA, GC, Fritz Saxl an die K.B.W., 9. März 1928. Saxls Gefühl, der Komplexität der neuen Technologie schier ausgeliefert zu sein, wechselt sich mit Enthusiasmus ab: »Mir ist noch etwas eingefallen: Wie sonderbar, dass man den Civilis noch nicht geröntgt hat. Am liebsten machte ich mich auf und führe nach Stockholm. So interessante Dinge würde ich mir von der Aufnahme erwarten nach dem, was ich beim Manoah gelernt habe.« WIA, GC, Fritz Saxl an Aby Warburg, 15. Februar 1928. Siehe auch WIA, GC, Fritz Saxl an A. [sic!] Wiedmann, 1. April 1928: »Ich habe daraufhin natürlich die Röntgen-Aufnahmen, die ich durch Ihre Güte habe, nochmals vorgenommen und einiges Neue und sehr Interessante darin erkennen können.«. 52 WIA, GC, Fritz Saxl an Aby Warburg, 11. Februar 1928. Siehe »Anhang«, S. 243–245. Warburg kommentiert diesen Brief mit den Worten: »Von Saxl sehr erfreulicher Brief (liegt bei) trotz [sic!] aller technischer Schwierigkeiten hat die Röntgen Aufnahme dazu geführt, seine Hypothese von der geplanten Aenderung des Bildes (im Zusammenhang mit dem Stockholmer Blatt) glänzend zu bestätigen. Der Verleger Jess will die Untersuchung publizieren, sonst geht er an den CrystallVerlag. [Warum nicht in die Studien?]«. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 198 (Eintrag vom 12. September [sic! – tatsächlich handelt es sich um Februar] 1928). – Damit aber war Saxls röntgenologisches Interesse am Dresdner Rembrandt keineswegs zur Ruhe gekommen. Gegen Ende des Jahres macht er in einem Brief an Warburg seinem Verdruss über eine offenbar fadenscheinig begründete Entscheidung Hans Posses, des Direktors der

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V. R Abb. 99: Fritz Saxl, Rembrandt’s Sacrifice of Manoah, Tafel mit Reproduktion eines Röntgenbildes (Abb. 19 – zweite Reihe, rechts)



Dresdner Gemäldegalerie, in dieser Angelegenheit Luft: »Ich könnte ja anfangen, den Manoah zu drucken, wenn ich einen Verleger hätte. Die Sache mit dem Röntgen hat eine sehr merkwürdige Wendung genommen. Ich musste doch auf die Entscheidung von Posse, ob d. Bild nochmal durchleuchtet werden dürfe, eine Woche lang warten und bekam zum Schluss die Antwort, er könne die Erlaubnis nicht geben, denn im Louvre wären die Röntgenarbeiten wegen Gefährdung der Bilder eingestellt worden. Ich war nun bei dem ›Directeur du Laboratoire d’Essais, Conservatoire National des Arts et Métiers [sic!], Fernand Cellerier, und bekam die glatte Antwort : ›Arrêté? Mais au contraire!‹ Cellerier, der ja dadurch, dass der Louvre als, soviel ich weiss, einzige Gallerie der Welt, jedes Bild röntgen lässt, die grösste Erfahrung in diesen Dingen besitzt, möchte darüber einen Vortrag halten in Deutschland. Er hat in Amerika […] einen Vortrag darüber gehalten und will in London auch einen halten, da man sich dafür interessiert. Vielleicht werde ich Mencke-Glückert [sic!], der sich ja als Vorgesetzter Posses dafür interessiert und der sich über sein Verbot etwas geärgert hat, veranlassen, in Dresden einen Vortrag von Cellerier halten zu lassen, vielleicht interessiert sich auch Pauli [Gustav Pauli, Direktor der Hamburger Kunsthalle, T. H.] dafür und man könnte auf diese Weise die Kosten herabsetzen. Ich habe aber trotzalledem keine grosse Lust, Posse zu zwingen und würde den Manoah, so wie er jetzt fertig ist, drucken lassen.« WIA, GC, Fritz Saxl an Aby Warburg, 30. November 1928. Zwei Wochen später weiht Saxl auch den Direktor des die Aufnahmen bewerkstelligenden Röntgenlaboratoriums der Technischen Hochschule Dresden, Gebhardt Wiedmann, in sein Vorhaben ein und würdigt in seinem

. »D« Abb. 100: Aby Warburg, Tafel »OvidAusstellung« (12. Februar 1927)

Abb. 101: Aby Warburg, Tafel »OvidAusstellung« (12. Februar 1927)

Genau dieses Anfertigen mehrerer Aufnahmen aller wichtigen Partien, aber auch der Etappen eines Bildes hat Warburg selbst fortwährend praktiziert. Betrachtet man das Ende der zwanziger Jahre immer raffinierter werdende Arrangement seines Bilderatlas – etwa anlässlich der Ovid-Ausstellung am 12. Februar 1927 (Abb. 100 und 101) oder des so genannten Bibliothekarstages am 10. April 1927 (Abb. 10253 und 103) –54, drängt sich Warburgs Brief die Absicht des Louvre, »in Hinkunft ein Archiv unfälschbarer Aufnahmen zu besitzen«. Und hinsichtlich der Möglichkeit, die Kosten einer Einladung Celleriers zu teilen, wirft er einen prominenten Ertrag der Röntgenographie in Hamburg in die Waagschale, den auch Warburg vermerkt haben dürfte: »Was die Frage der Beschaffung der Mittel betrifft, so könnte ich dabei behilflich sein. Hier in Hamburg ist seit der Aufdeckung wertvoller Teile am Altar des Meister Francke in der Kunsthalle durch das Röntgenverfahren lebhaftes Interesse dafür.« WIA, GC, Fritz Saxl an A. [sic!] Wiedmann, 15. Dezember 1928. 53 Siehe auch W: Der Bilderatlas MNEMOSYNE, S. XI, Abb. 1. Diese Abbildung wird von den Herausgebern irrtümlich dem Rembrandt-Vortrag zugeordnet; die korrekte Identifizierung nahm Katia Mazzucco vor. Für diesen Hinweis danke ich Claudia Wedepohl, London. 54 WIA, III.108.7.2. »Warburg’s Working Copies: Exhibitions (›Bilderreihen‹) and Mnemosyne«.

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V. R Abb. 102: Aby Warburg, Tafeln »Bibliothekarstag« (10. April 1927)

Abb. 103: Aby Warburg, Tafel »Bibliothekarstag« (10. April 1927)

Idee von Kulturgeschichte, die sich als eine Bilderschichtung manifestierte, unmittelbar auf. Nicht nur über die Fläche sich verteilend, sondern auch in den Raum sich hineinschichtend, überlagerten sich einzelne Bilder, teilweise durch Reißzwecken und Kordelzüge vorübergehend fixiert, mitunter indessen in Büchern oder in Klemmheftern organisiert, die auf eigens montierten Leisten so aufgestellt waren, dass man in ihnen blättern konnte. Gerade der Atlas in actu, betrachtet in seiner performativen Dynamik, in seinem Prozessiertwerden und Prozessieren, vermag zu demonstrieren, dass sich Warburgs heuristisches Dispositiv nicht nur in der Umwandlung eines zeitlichen Nacheinander in ein, zeichentheoretisch sehr elaboriertes, flächiges Nebeneinander erschöpfte, sondern auch ein räumliches Über- und Untereinander imaginierte, inszenierte und praktizierte. Hier, auf diesen Gestellen, galt es wie ein Archäologe oder Röntgenologe buchstäblich Schicht um Schicht abzuheben, um das »Bilderrätsel« lösen zu können. Wenn Warburg wie in dem zitierten Brief an Neumann sein Verfahren der »vergleichenden, kulturwissenschaftlichen Betrachtung« als eine Überblendung verschiedener transparent gemachter historischer Bildzustände charakterisiert, um »selective Abweichungen« und »Umformungen«, wie er schreibt, nachweisen zu können, scheint er sich über seine

. »D« Methodik nicht zuletzt mithilfe der Bildpraxis der Röntgenographie bewusst geworden zu sein. Mit der Möglichkeit einer Durchleuchtung auch noch so verdichteter und auf den ersten Blick undurchschaubarer Bildschichten verfügte die Röntgenographie über ein ihr eigenes epistemisches Repertoire, das die vergleichende Betrachtung in literalem wie figuralem Sinne in die Tiefe gehen ließ und qua Überblendung ein Summationsbild zu erzeugen in der Lage war, das eine veritable und von Warburg als ideal erachtete »Verschmelzung« erreichte.55 Als Medium einer Präsentation von Bild-Schichtungen agierte die Röntgenographie damit als Generator von Kunst-Geschichte.

55 Neben der Röntgenographie operiert beispielsweise auch die für Gemäldeuntersuchungen mindestens genauso wichtige Neutronenautoradiographie mit Summationsbildern. Siehe zur heuristischen Problematik des Summationsbildes H, Thomas: Kunstwissenschaft als Bildwissenschaft, in: D./K, Andreas (Hrsg.): Einführung in die Kunstwissenschaft, Berlin 2005, S. 73–94.

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VI. Autographie 1. Verzettelungen Hand in Hand mit Bildtelegraphie, Kinematographie und Röntgenographie geht eine vierte, im weiteren Wortsinn ›technische‹ Graphie: Warburgs Autographie. Auch diese vermochte Warburg in ihrer Unaufhörlichkeit bei der Verfertigung seiner Gedanken zu helfen. Im Tagebuch der K.B.W. findet sich dazu eine so unscheinbare wie wegweisende Notiz: »21 Juli 927 Gestern Vormittag Brauer gesprochen den ich doch besser fand als ich fürchten musste. Habe ihm 2 halbe Kotimoor ‹?› 2 B. gegeben weil ich ernsthaft glaube, daß das eine kleine Hülfe gegen derartige Hemmungen ist.«1 Tatsächlich müsste die von den Herausgeberinnen des Tagebuchs als fraglich markierte Transkription »Kohinoor« lauten.2 »Berg des Lichts«, so die Übersetzung, ist der Name eines knapp 110 Karat schweren indischen Diamanten, der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Besitz des britischen Königshauses gelangte. Die Nennung dieses Namens durch Warburg ergibt allerdings erst dann einen Sinn, wenn man um seinen zweiten Träger weiß. Womöglich inspiriert durch die Londoner Weltausstellung von 1851, auf welcher der Koh-I-Noor neben einer anderen Modifikation des chemischen Elements Kohlenstoff, einer Graphitprobe, ausgestellt worden war, benannte Franz von Hardtmuth 1889 einen von ihm weiterentwickelten Bleistift nach dem Diamanten. Seines Zeichens Enkel des Erfinders der keramischen Bleistiftmine, die eine Variation des Härtegrades erlaubte, verkaufte er den Stift in nicht weniger als 17 solcher Grade. Nach seiner Präsentation auf der Weltausstellung von 1893 avancierte das Schreibutensil international zu einem Bestseller,3 was nicht zuletzt seinem Namen geschuldet sein dürfte, der nichts Geringeres als die Qualität und den Wert eines für die Ewigkeit bestimmten Solitärs verhieß. 1 2

3

W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 121 (Eintrag vom 21. Juli 1927). Darauf weist schon Charlotte Schoell-Glass hin, die als erste diese Notiz gewürdigt hat. Siehe S-G, Charlotte: »Contakt bekommen«: Warburg schreibt, in: B, Cora/ H, Thomas/S, Erhard (Hrsg.): »Schlangenritual«. Der Transfer der Wissensformen vom Tsu’ti’kive der Hopi bis zu Aby Warburgs Kreuzlinger Vortrag, Berlin 2007, S. 283–296. Siehe P, Henry: Der Bleistift. Die Geschichte eines Gebrauchsgegenstands. Mit einem Anhang zur Geschichte des Unternehmens Faber-Castell (1989), Basel/Boston/Berlin 1995, S. 158 f.

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VI. A Dass Warburg das Instrument Bleistift mitsamt dessen Nutzungs- und Härtegrad bedachte, mag wenig erstaunen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass ihm selbst eine Toilettenpapierbanderole nicht zu gering war. Dennoch ist die Einlassung bemerkenswert, insofern der Bleistift – wie auch jene Banderole – als ein nahezu unsichtbarer Teil der Alltagskultur und -erfahrung gemeinhin so vertraut und gewöhnlich erscheint, dass man vielfach nach ihm greift, ohne auch nur einen Gedanken an ihn zu verschwenden. Obwohl – oder gerade weil – er unverzichtbar ist, lohnt seine Funktion keinen Kommentar, und seine Gebrauchsanweisung ist ungeschrieben. Im Folgenden soll der Blick indessen genau solchen Paraphernalia gelten, vermeintlich Beiläufigem mithin, das schon Warburg – man denke an das bewegte Beiwerk – zu Einsichten in den Kern der Dinge verhalf. Es ist zu Recht bemerkt worden, dass »[ü]ber den Bleistift nachzudenken heißt, über Technik nachzudenken; eine Beschäftigung mit dem Bleistift ist eine Beschäftigung mit Technik«4. Die Untersuchung von Warburgs Graphien führt also zu einem medientechnischen Ursprung zurück: zum Graphit, abgeleitet von »graphein«, dem griechischen Wort für »schreiben«. Tatsächlich trieb die Technik der Notation Warburg in vielfältiger Weise um. Der in jener Notiz erwähnte Heinrich Brauer litt offenbar unter einer Schreibblockade; die »Hemmungen« des Studenten und späteren Doktoranden Erwin Panofskys bezieht Warburg auf das vom Scheitern bedrohte Abfassen eines Referates.5 Als ein Remedium gelten ihm zwei zur Hälfte aufgebrauchte Bleistifte der Stärke 2B. Man kann nur spekulieren, was der Bleistift, namentlich ein Koh-I-Noor, und dessen ausgesuchte Besonderheiten für Warburg bedeutet haben mögen. Ein bereits vielgebrauchter Stift etwa könnte dem Schreibenden suggeriert haben, er brauche nicht mehr um einen Anfang ringen;6 wohingegen eine Mine mit dem Grad 2B neben der gleichmäßigen Schwärze ihres ausradierbaren Striches durch ihre Härte einerseits die Garantie eines verhältnismäßig dauerhaften, steten Schreibens mit geringer Neigung zum Verschmieren bieten sollte wie auf Grund ihrer Weichheit andererseits die Gewähr für einen relativ geringen Reibungswiderstand – in den Augen Warburgs anscheinend ein probates Mittel gegen Schreibwiderstände, das der Autographie durch eine »Epigraphie der Materie«7 zur Hand zu gehen in der Lage war. Wollte man eine an ihren Funktionen orientierte Typologie verschiedener Schreibgeräte erstellen, hätte der Bleistift wohl als das Gerät für den Entwurfsprozess zu gelten. Er stünde für die ›prima idea‹ wie auch für Kreativität als solche und wäre als Kinderspielzeug ebenso ein Symbol für Spontaneität wie kehrseitig auch für Unreife. Der kurzlebige, flüchtige Graphit des Bleistiftes wäre als das Medium zu betrachten, das qua Schreibfluss den Gedankenfluss nicht stocken lässt, das überarbeitet, verwischt und ausradiert werden kann – oder mit Tinte überschrieben. Oftmals an die Stelle von vorläufigen Bleistiftskizzen tretend, bedeutete selbige dagegen Endgültigkeit. Anders als Graphit, für den Papier wie Sandpapier 4 5 6 7

P: Der Bleistift, S. 9. Siehe W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 20 (Eintrag vom 30. Oktober 1926). Vgl. S-G: »Contakt bekommen«, S. 285. Gaston Bachelard, zitiert nach R: Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 115.

. V ist, fließt Tinte in dessen Poren und füllt die Räume zwischen dem Geschaffenen. Tinte ließe sich demnach titulieren gleichsam als »die Schminke, die Ideen sich auflegen, wenn sie an die Öffentlichkeit treten«8. Die Ernsthaftigkeit, die Warburg im Tagebuch für seinen Glauben an die heilende Kraft eines Mediums, hier eines Bleistiftes, ausdrücklich reklamiert, unterstreicht gerade in ihrer Beiläufigkeit noch einmal seine Gewissheit hinsichtlich der eine historische Erzählung erst eigentlich hervorbringenden Potenz eines Mediums. Wie schon die Photographie, die Bildtelegraphie, die Kinematographie und die Röntgenographie begriff Warburg selbst noch den Bleistift als ein starkes Medium. Es ist verschiedentlich kolportiert worden, dass Warburg selbst unter einer Schreibhemmung gelitten habe. Sprechend ist in diesem Zusammenhang eine Bemerkung Ernst Gombrichs anlässlich seiner ersten Sichtungen von Warburgs Nachlass: »Warburg, so stellte sich heraus, hatte niemals ein Stück Papier weggeworfen. Er schrieb unter großen Schwierigkeiten, und er schrieb fortwährend. Ein großer Teil seines Nachlasses bestand aus Entwürfen, flüchtig hingeworfenen Stichworten, Formulierungen und Fragmenten. Manchmal entdeckten wir, daß ein dickes Notizbuch hauptsächlich Versuche enthielt, einen Titel in 8

P: Der Bleistift, S. 15. – Jene Endgültigkeit, die Tinte verheißt, scheint auch Warburg vorgeschwebt zu haben, wenn er im Tagebuch der K.B.W. unmissverständlich anordnet: »Alle Quittungen müssen mit Dinte ausgestellt bzw. nachgezogen werden! Darauf muß von jetzt ab bestanden werden!« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 26 f. (Eintrag vom 14. November 1926). – Ein po(i)etologisches Räsonieren über die Eigen-Willigkeit besagter Schreibwerkzeuge findet sich bereits unter anderem bei Johann Wolfgang von Goethe. In »Dichtung und Wahrheit« reflektiert dieser sein Antidot gegen ein Zerstieben von Inspiration: »Ich war so gewohnt, mir ein Liedchen vorzusagen, ohne es wieder zusammen finden zu können, daß ich einigemal an den Pult rannte und mir nicht die Zeit nahm, einen quer liegenden Bogen zurecht zu rücken, sondern das Gedicht von Anfang bis zu Ende, ohne mich von der Stelle zu rühren, in der Diagonale herunterschrieb. In eben diesem Sinne griff ich weit lieber zu dem Bleistift, welcher williger die Züge hergab: denn es war mir einigemal begegnet, daß das Schnarren und Spritzen der Feder mich aus meinem nachtwandlerischen Dichten aufweckte, mich zerstreute und ein kleines Produkt in der Geburt erstickte.« G, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, in: Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Bd. 10: Autobiographische Schriften II, hrsg. von T, Erich, 6., überarb. Aufl., München 1976, S. 7–187 (Vierzehntes – Zwanzigstes Buch), hier: S. 80 f. – Poetische Bilder, die Schreibwerkzeugen und -materialien gewidmet worden sind, versammelt und untersucht M, Gundel: Bleistift, Tinte, Papier. Zur materiellen Imagination der Schrift, in: B, Toni/G, Gert (Hrsg.): Hand – Schrift – Bild (Paragrana. Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie, Beiheft 1, 2005), S. 121–141. Siehe auch die Kapitel über »Schreiben und Technik« in N, Sonja: Abdruck und Spur. Handschrift im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit (Kaleidogramme, Bd. 25), Berlin 2008, S. 105–147; und über Schreibgeräte oder Briefpapier in B, Anne/W, Waltraud (Hrsg.): Der Brief – Ereignis & Objekt. Katalog der Ausstellung im Freien Deutschen Hochstift – Frankfurter Goethe-Museum, Frankfurt a. M. 2008. – Der Materialität des Schreibens wird spätestens seit K, Friedrich A.: Aufschreibesysteme 1800/1900, München 1985, erhöhte Aufmerksamkeit zuteil. Siehe allgemein zur literaturwissenschaftlichen Schreibprozeßforschung S, Martin (Hrsg.): Zur Genealogie des Schreibens [Reihentitel], München 2004 ff.

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VI. A verschiedenen Kombinationen und Permutationen zu formulieren.«9 Warburg legte auch über diesen Aspekt seiner Schreibhandlungen Rechenschaft ab. Am 14. September 1927 notierte er in das Bibliothekstagebuch: »Ich bin kein Meister der Feder und ich habe die Zusammensetzung der K.B.W. in dem Augenblick besonders dankbar empfunden, wo Frl. Bing ihren Index sofort stehen ließ und mir klären und das so Geklärte formulieren half.«10 Um seine eigene Blockade zu überwinden, suchte Warburg also den Dialog – und schuf sich nicht zuletzt dafür ein verschriftendes Medium, das ob seiner Eigentümlichkeit kaum zu überschätzen ist: das bereits erwähnte Tagebuch der K.B.W. Selbiges setzt mit der Einweihung des neuen Bibliotheksgebäudes im Jahr 1926 ein; insgesamt wurden neun Bände gefüllt, bis es 1929, mit dem Todestag Warburgs, abbricht. Sieben der neun Bände sind fest gebundene Kontorbücher der Geschäftsbücherfabrik und Druckerei König & Ebhardt in Hannover, zwei sind im Format ähnliche, ebenfalls linierte italienische Schreibbücher.11 Die Eintragungen der Beteiligten – Warburgs und seiner engsten Mitarbeiter Gertrud Bing und Fritz Saxl – sind sämtlich handschriftlich; zuweilen wurden Skizzen auf das Papier geworfen, Photographien, Zeitungsausschnitte oder ein Brief beigelegt. Das Tagebuch hatte in der Hauptsache zwei Funktionen: Niedergeschrieben in handelsüblichen Kontorbüchern, diente es zum einen als eine »Chronik der ›Geschäftsvorfälle‹«12, in die Details des Bibliotheksalltags eingetragen wurden, Modifikationen des Bestell- und Ausleihprocederes, die Ordnung des Buchbestands oder die laufende Korrespondenz betreffend. Mit Blick auf die Rechenschaftslegung gegenüber seiner Familie, seinem Finanzier, setzte Warburg harte Kalkulationen in ökonomischen Angelegenheiten unvermittelt neben atmosphärisch dichte Charakterisierungen von Besuchern und 9 G: Aby Warburg, S. 15. 10 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 147. Bei dieser Klärung half Warburg auch ein weiteres Schreibgerät, das durch seine Konstruktion eine Linearisierung und Disziplinierung des Schreibflusses erzwingt: »die Schreibmaschine als Seelenordner«. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 191 (Eintrag vom 4. Januar [sic! – tatsächlich handelt es sich um Februar] 1928). Zur Schreibmaschine findet sich in Warburgs Zettelkästen ein – wenn auch nicht eigenhändiges – Exzerpt aus einem »Der Einfluß der Schreibmaschine auf den Schriftsteller« betitelten, 1915 erschienenen und heute weithin unbekannten Essay der Schriftstellerin und Journalistin Anselma Heine, auf den man in der K.B.W. offenbar durch die Norddeutsche Allgemeine Zeitung (NAZ) aufmerksam geworden war (Abb. 104): »Der Schriftsteller und die Schreibmaschine / ›Literar. Echo‹ Anselma Heine / Heimarbeiter und Fabrikarbeiter […] erleichtert die gesamtschriftstellerische Arbeit […] zugleich aber durch die Leichtigkeit der Produktion verführt […] billigere Arbeit liefert […] Alles das hat die der Entlastung des Schriftstellers dienende Schreibmaschine angerichtet. Tue du ihr also nicht ihren Willen, sondern herrsche über sie«. Zettelkasten Nr. 51 (»Philos.-Psychol.«): WIA, III.2.51/028761. Siehe auch »Anhang«, S. 246–248. Heines die Schreibmaschine kritisch bedenkender Essay ist über die Grenzen der vorliegenden Untersuchung hinaus von Bedeutung, reflektiert er doch den konstruktiven respektive destruktiven Anteil, den die Schreibmaschine am Schöpfungsprozeß hat, und verdient insofern, in den ›Kanon‹ einschlägiger Quellentexte der Schreibprozeßforschung aufgenommen zu werden. 11 Vgl. S-G/M: Einführung, S. XII. 12 S-G/M: Einführung, S. IX.

. V Abb. 104: »Der Schriftsteller und die Schreibmaschine«

ihrem Habitus, »Vignetten und Aperçus aus einem mit Verve erlebten Alltag«13. Darüber hinaus fungierte das Tagebuch als ein System der Vergegenwärtigung, der Selbstbeobachtung und Selbstvergewisserung. In ihm konnte Warburg wie auf einer »Werkbank«14 verschiedenartige Stile in der Hervorbringung von wissenschaftlich Neuem erproben, etwa durch die Konstruktion diagrammatischer Wort-Bild-Komplexe oder das Entwerfen metaphorischer Neologismen.15 In seinen dialogischen Aspekten verleiblichte das Tagebuch gleichsam das gemeinsame Denken von Warburg, Bing und Saxl und erzeugte ein wissenschaftliches Schreibkollektiv, das aus laufend eingetragenen Forschungsdaten mehr zu generieren vermochte als die bloße Summe ihrer Teile.16 Wie wichtig Warburg diese katalytische Funktion war, zeigt sein, sich als cantus firmus durch das gesamte Tagebuch ziehendes Lamento angesichts der fehlenden Bereitschaft Bings und Saxls, das kollektive Schreiben zu pflegen: »Durch die stockende Eintragerei meiner Kollegen entgeht mir – sehr zur Schädigung der K.B.W. – ein Mittel, mich mit dem Ganzen (in stillen Morgenstunden) fruchtbar auseinanderzusetzen.«17

13 S-G/M: Einführung, S. XXXV. Diese eigentümliche Form und Funktion des Tagebuchs als eines »institutionelle[n] Logbuch[s], in das treulich und umfassend Beobachtungen und Vorkommnisse aller Art notiert werden« (S-G/M: Einführung, S. IX) haben erst in der Gegenwart mit den Blogs, oftmals kollektiv geführten Online-Tagebüchern und persönlichen Journalen, die sich durch häufige Aktualisierung und zahlreiche Verlinkungen auszeichnen, ein kongeniales Pendant gefunden. 14 H, Christoph: Wie lesen? – Das Notizbuch als Bühne der Forschung, in: G, Birgit (Hrsg.): Werkstätten des Möglichen 1930–1936. L. Fleck, E. Husserl, R. Musil, L. Wittgenstein (Studien zur Kulturpoetik, Bd. 12), Würzburg 2008, S. 45–57, hier: S. 45. 15 Zu Diagramm und Metapher siehe die Abschnitte »Exstatische und epistemische Grapheme« sowie »Elektrisierende Metaphern«. 16 Der Charakter des Tagebuchs änderte sich im Laufe der Zeit. Aus der Primärdatenbank, in die neue Forschungsergebnisse laufend eingetragen und damit für die kollektive Arbeit in der Bibliothek verfügbar gemacht wurden, wurde zunehmend ein persönliches, vertrauliches Journal, was Warburg schließlich veranlassen sollte, das Lesen im Tagebuch zu reglementieren. Siehe S-G/M: Einführung, S. XVI. 17 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 138 (Eintrag vom 2. September 1927).

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VI. A Drei Monate später äußern sich mit der Klage über unzulänglich geführte Tagebücher Symptome der Psychopathologie Warburgs: »Ich bedaure, daß Saxl kein richtiges Tagebuch geführt hat: gerade, was der Tag an unauffälligem Geschehen bringt ist eine ›organische Funktion‹ für das schaffende Gedächtnis; ich brauche es absolut notwendig, um Contakt zu bekommen.«18 Der Wunsch nach Fühlungnahme hat zu Recht die Vorstellung einer grundsätzlichen Isolation Warburgs evoziert, aus der ihn allein das Schreiben herauszuführen vermochte –19 ein Schreiben allerdings, das mitunter mit Selbstgesprächen einherging und sich als ein unkontrollierbarer Ausdrucksakt, als eine regelrechte Zwangshandlung entpuppen konnte: »(Morgens 5. 2 Stunden geschrieben 3 Stunden laut gesprochen. Kreuzlingen ruft)«20. Bereits 1921, als Warburg schon etwa einen Monat im Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen weilte, sah sich sein Hausarzt Heinrich Embden veranlasst, entsprechende Symptome zu notieren: »Das Bücherkaufen, das Lesen der Kataloge pp nimmt immer größeren Umfang, aber nie unbeherrschte Dimensionen an. Doch hat der Arzt dabei oft den Eindruck, daß Patient vor der eigentlichen wissenschaftlichen Produktion in das Bücherkaufen flüchtet, wie denn auch immer neue Gestaltungen seines Arbeitsmechanismus, Schreibtisch, Federn, Bleistifte, Zettelkästen, Lesepulte, eine ganz unverhältnismäßig große Rolle in seinem Tun und Reden spielen. Dabei immer sehr tätig. Kennt keine Trennung zwischen Arbeits- und Mußestunden. Dauernd in Bibliothek und am Schreibtisch. Sammelt ein ungeheures, sehr wohlgeordnetes Material in seinen Zettelkästen. Vor jedem Fertigmachen große Angst. Terminangst höchsten Grades. Jeder Vortrag verschoben. Die sehr spärlichen Publikationen immer verspätet. Korrekturlesen einer kleinen Abhandlung als furchtbare Veranstaltung behandelt. Patient dann wochenlang krank. Sehr komplizierte, äußerlich pedantische Veranstaltungen dabei: Ringbücher, bunte Stifte, Abschriften pp. Dann schwere körperliche Klagen und äußerste Erschöpfung.«21 In jener Anamnese ist bereits ein Medium angesprochen, das für Warburg ähnlich prekär und ähnlich produktiv wie das Tagebuch der K.B.W. gewesen ist. In seinen persönlichen Erinnerungen schildert Heise eindrucksvoll den Organisationsfuror Warburgs zur Zeit des 18 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 148 (Eintrag vom 29. November 1927). 19 Siehe S-G: »Contakt bekommen«, S. 286. 20 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 155 (Eintrag vom 5. Dezember 1927). Den Wert von Warburgs Schreibakten für die Rückgewinnung seiner psychischmentalen Identität wie auch derjenigen des Wissenschaftlers betont S: Aby Warburg’s Kreuzlingen Lecture, S. 71. 21 E, Heinrich: Anamnese Warburg von Heinrich Embden 19. Mai 1921, in: B/ W: Die unendliche Heilung, S. 260–262, hier: S. 261. Siehe auch E, Heinrich: Heinrich Embden an Hans Berger. Hamburg, 23. Oktober 1920, in: B/W: Die unendliche Heilung, S. 255–257, hier: S. 257: »Jedes Definitivum schreckt ihn, weil es allem bis auf die eine Möglichkeit notgedrungen ein Ende macht. Sein eigener leidenschaftlich verfochtener Vorschlag wird ihm widerlich, sobald er zum Beschluß erhoben ist.«. – Siehe allgemein zur Symptomatik, aber auch zum epistemologischen Potential eines solchen Zauderns V, Joseph: Über das Zaudern, Zürich/Berlin 2007.

. V Ersten Weltkriegs. Wenn auch überschwänglich in ihrer Empathie und Pathetik, so ist die Schilderung auf Grund ihrer Anschaulichkeit doch besonders gut für eine Kennzeichnung des fraglichen Gegenstandes geeignet und soll hier in Gänze zitiert werden: »Als ich [Heise, T. H.] nach einem vergeblichen Versuch, als Kriegsfreiwilliger Dienst zu tun, nach Hamburg zurückkam, fand ich ihn [Warburg, T. H.] in seltsamer, fieberhafter Tätigkeit, einigermaßen durch sie ins innere Gleichgewicht zurückversetzt. Jeder, meinte er, könne sich nur mit den ihm vertrauten Waffen zur Wehr setzen, so müsse er kämpfen mit seinen bibliothekarischen Hilfsmitteln. Er hatte eine Kartothek anzulegen begonnen, in der er die wichtigsten Ereignisse ›verzettelte‹. Natürlich nicht in erster Linie die Schlachtberichte, sondern die symptomatischen geistigen Reaktionen überall in der Welt, die verschärfenden Tendenzen haßerfüllter Propaganda sowohl als auch die immer seltener werdenden hoffnungsvollen Stimmen der Vernunft. Wie immer, wenn er sich mit Leidenschaft in eine neue Arbeit stürzte, wuchs ihm die Sache unter den Händen nicht nur ins grandios systematische, sondern zugleich ins nahezu uferlose, das für die stärksten Kräfte kaum zu bewältigen war. Er verzettelte vollständig die vier oder fünf Hamburger Tageszeitungen, dazu zwei auswärtige, darunter die Frankfurter Zeitung, ferner alles, was ihm an Äußerungen in der Hochflut der Broschüren und Kriegsbücher wichtig genug erschien, doch blieb die Presse der Mittelpunkt. In den Haupträumen seiner Bibliothek standen vor den Bücherschränken die ständig sich vermehrenden Zettelkästen, die Zeitungen wurden angestrichen und ausgeschnitten, die wichtigsten Nachrichten mit Randglossen versehen, immer neue Abteilungen und gliedernde Stichworte ersonnen. Was ihm zunächst das Gefühl geben konnte, sich auf seine, wenn auch gewiß ideologische und etwas abseitige Weise zum Herrn der Geschehnisse zu machen, sie überblickend und nach besten Kräften durchleuchtend, das drohte bei immer längerer und verzweigterer Fortdauer des Krieges ihn zu erschöpfen und zu überwältigen. Doch er gab nicht nach, kämpfte mit einer Zähigkeit ohnegleichen – kämpfte, sage ich, denn seine Arbeitsräume glichen immer mehr einem Schlachtfeld, auf dem er mit kurzen, markanten Befehlsrufen einen wachsenden Mitarbeiterstab befehligte, in den auch seine gesamte Hausgemeinschaft bis herab zu den Kindern eingespannt wurde. Er gönnte sich kaum eine Ausspannung, denn er mußte es ja bemerken, wie jeder ausgefallene Arbeitstag die unerledigten Papiermassen auftürmte und die Last ins unerträgliche vermehrte. Dazu quälten ihn Zweifel an der Zweckmäßigkeit der ganzen Anlage, die trotz seines systematischen Scharfblicks etwas improvisiert begonnen war und deren Maschinerie, einmal angekurbelt, nicht mehr anzuhalten und grundlegend zu ändern war. Warburg muß in diesen Kriegsjahren unbeschreiblich gelitten haben, und sein selbstgewählter Dienst war gewiß anstrengender und aufreibender als der so manches Frontsoldaten. Er sah erschreckend aus, die kurzen, immer wieder mit äußerster Selbstdisziplin überwundenen Zusammenbrüche mehrten sich. Aber es ist symptomatisch für die Tiefe von Warburgs Miterleben der Weltkatastrophe, daß er, wenn auch zuletzt wie ein gehetztes Wild, bis zu den Tagen durchhielt, als auch in Hamburg durch die von Kiel aus herüberbrandenden revolutionären Ausschreitungen die Auflösung unverkennbar wurde. Der Krieg war aus. Mit dem Ende der Möglichkeit zu rubrizieren, mit dem Aufhören des wenigstens äußerlich als historischer Ablauf noch leidlich zu Begreifenden und dem Beginn völlig unkontrollier-

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VI. A barer, sogar pressemäßig nicht mehr zu erfassender Überflutungen durch das Leben brach Warburg endgültig zusammen.«22 Sieht man einmal von dem eindringlichen psychopathologischen Befund ab und liest die Textstelle auf die Beschreibung eines, dem Tagebuch verwandten Mediums hin, drängt Warburgs Leidenschaft für Zettel in den Vordergrund. Erst in jüngster Zeit haben sich Wissenschaftshistoriker und -theoretiker, meist in mikrohistorischen Fallstudien, Notiz- oder Labortagebüchern und anderen Dokumenten natur- und geisteswissenschaftlicher Forschung gewidmet und deren produktive Funktion für die Erzeugung von Wissen erkannt.23 Im Unterschied zu den relativ standardisierten wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die vor-normative Spuren eliminieren, werden hier wissenschaftliche Zusammenhänge allererst ausgebildet, komponiert und strukturiert, wird hier also »Forschung als solche, d. h. als Wissenschaft im Werden«24 sichtbar. Wie der Wissenschaftshistoriker und Pionier der Genforschung François Jacob bemerkt hat, beschreiben Wissenschaftler, wenn sie an die Öffentlichkeit treten, »ihre eigene Aktivität als wohlgeordnete Folge von Begriffen und Experimenten, die in einer strengen logischen Ordnung miteinander verknüpft sind. In wissenschaftlichen Artikeln schreitet die Vernunft auf einem Königsweg von der Finsternis zum Licht. Nicht der geringste Irrtum. Nicht das kleinste falsche Urteil. Keine Verworrenheit. Nichts als eine perfekte, bruchlose Beweisführung«.25 Forschungsnotizen hingegen seien Residuen der »Nachtwissenschaft«, 22 H: Persönliche Erinnerungen an Aby Warburg, S. 56 f. 23 Siehe L/W: Laboratory Life; H, Christoph/B, Peter (Hrsg.): Über Schall. Ernst Machs und Peter Salchers Geschoßfotografien (Wissenschaftsgeschichte), Göttingen 2001; K, Markus: Zettelwirtschaft. Die Geburt der Kartei aus dem Geiste der Bibliothek (Copyrights, Bd. 4), Berlin 2002; Z, Helmut: Buch, Exzerpt, Zettelschrank, Zettelkasten, in: P, Hedwig/S, Leander (Hrsg.): Archivprozesse: Die Kommunikation der Aufbewahrung (Mediologie, Bd. 5), Köln 2002, S. 38–53; H/R/R (Hrsg.): Reworking the Bench; R, Hans-Jörg: Kritzel und Schnipsel, in: D, Bernhard J./W, Sigrid (Hrsg.): »fülle der combination«. Literaturforschung und Wissenschaftsgeschichte, München 2005, S. 343–356; .: Zettelwirtschaft; D, Ina/I, Sabine: Zettels Alltag oder die Geheimnisse des wissenschaftlichen Handwerks, in: Jahrbuch für Universitätsgeschichte 10, 2007, S. 105–122; T, Henning: Das Klein-Klein der Arbeit: die Notizführung des Historikers François Louis Ganshof, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 18 (2), 2007, S. 82–104; H, Christoph (Hrsg.): Daten sichern. Schreiben und Zeichnen als Verfahren der Aufzeichnung (Wissen im Entwurf, Bd. 1), Zürich/Berlin 2008; .: Wie lesen? – Das Notizbuch als Bühne der Forschung, in: G, Birgit (Hrsg.): Werkstätten des Möglichen 1930–1936. L. Fleck, E. Husserl, R. Musil, L. Wittgenstein (Studien zur Kulturpoetik, Bd. 12), Würzburg 2008, S. 45–57; sowie allgemein zum Medium Blatt F, Werner (Hrsg.): Das Alltagsmedium Blatt, München 2008. 24 R: Zettelwirtschaft, S. 353, bezogen auf Labortagebücher in naturwissenschaftlichen Kontexten. Allerdings unterliegen natürlich auch die Notations- und Verzettelungstechniken diversen Standardisierungen, etwa durch das Format oder das Lineament der verwendeten Notizblätter. Siehe auch K: Zettelwirtschaft. 25 J, François: Die Maus, die Fliege und der Mensch. Über die moderne Genforschung. Aus dem Französischen von Gustav Roßler. Mit einem Nachwort von Hans-Jörg Rheinberger (1997), Berlin 1998, S. 163 f.

. V die Kehrseite der wohlgeordneten »Tagwissenschaft«: »Die Nachtwissenschaft dagegen ist blindes Irren. Sie zögert, stolpert, weicht zurück, gerät ins Schwitzen, schreckt auf. An allem zweifelnd, sucht sie sich, hinterfragt sich, setzt immer wieder neu an. Sie ist eine Art Werkstatt des Möglichen, in der das künftige Material der Wissenschaft ausgearbeitet wird. Hier bleiben die Hypothesen vage Ahnungen, undeutliche Empfindungen. Hier sind die Phänomene noch Einzelerscheinungen ohne Zusammenhang, sind die Pläne für Versuchsreihen noch nicht ausgereift. Hier arbeitet sich das Denken über verschlungene Wege vor, über verwinkelte Gäßchen, die sich meist als Sackgassen erweisen.«26 Jacobs überkommener Lichtmetaphorik huldigende Einschätzung ist ohne Abstriche auf die Geisteswissenschaft übertragbar und liest sich wie eine Charakterisierung der Suchbewegungen Warburgs. Dessen Produktion von Vor-Normativem aus unzähligen »Einzelerscheinungen ohne Zusammenhang« war immens. Charlotte Schoell-Glass schätzt das quantitative Verhältnis von publiziertem Werk und unpubliziertem Material folgendermaßen ein: Jeder publizierten Druckseite stünden in Warburgs Nachlaß zum Zeitpunkt seines Todes etwa 100 Manuskriptseiten, 100 Bücher in seiner Bibliothek, mindestens ebenso viele Briefe und mindestens 200 Zettel in etwa 100 Zettelkästen gegenüber.27 Unscheinbar, wie Warburgs Operationen der Verzettelung auf den ersten Blick begegnen, haben sie doch die flüchtigen Medien des Zettels, der Kladden und Kästen in einen Speicher, mehr noch: in einen Generator von Wissen verwandelt, der das Fundament einer der einflussreichsten geisteswissenschaftlichen Theorien werden sollte (Abb. 105 und 106). Warburgs Zettelkästen, vielfältige Forschungsspuren in Form von Exzerpten, Notizen, Skizzen, Ideenfragmenten, Eintrittskarten oder Zeitungsausschnitten bergend, waren als ›Zwischenspeicher‹ keineswegs das passive, inerte Hilfsgerüst eines rein geistigen Wissensbildungsprozesses. Gerade in ihrer vorläufigen Form fungierten sie als ein integraler Bestandteil eines umfassenderen Forschungsprozesses, zumal eines Prozesses, dessen Ziel eben die Erhaltung seiner Dynamik und der seines bewegten, wandernden Untersuchungsgegenstandes war.28 Warburg legte gesteigerten Wert auf sein Zettelkonvolut und

26 J: Die Maus, die Fliege und der Mensch, S. 164. 27 Siehe S-G: »Contakt bekommen«, S. 283 Anm. 2. 28 Als »Ordnung[ ] nicht der Ruhe, sondern der Bewegung« interpretiert in verwandtem Sinne Ulrich Johannes Schneider mit der Bibliothek Herzog Augusts in Wolfenbüttel ein frühneuzeitliches Dispositiv. S, Ulrich Johannes: Bücher und Bewegung in der Bibliothek von Herzog August, in: B, Frank/F, Markus/Z, Helmut (Hrsg.): Sammeln, Ordnen, Veranschaulichen. Zur Wissenskompilatorik in der Frühen Neuzeit (Pluralisierung & Autorität, Bd. 2), Münster 2003, S. 111–127, hier: S. 120. Siehe auch .: Ordnung als Schema und als Operation. Die Bibliothek Herzog Augusts, in: G, Peter, im Auftrag des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) (Hrsg.): Foucault und die Künste, Frankfurt a. M. 2004, S. 315–338; sowie .: Der Ort der Bücher in der Bibliothek und im Katalog am Beispiel von Herzog Augusts Wolfenbütteler Büchersammlung, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 59, 2005, S. 91–104.

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VI. A

Abb. 105: Aby Warburgs Zettelkästen

Abb. 106: Aby Warburg, Zettelkasten Nr. 67 (»Ur-Tänze)«

. V wurde nicht müde, Interessierten die Verzettelung nahezubringen: »Den kleinen Jakobsthal über ›Zettel-machen‹ belehrt.«29 Das »Zettelmachen« mochte Warburg geholfen haben, das Kontinuum der historischen Erfahrung in ein Mosaik voneinander abgegrenzter, isolierter Einzelheiten aufzubrechen. Die ›Verzettelung‹, »deren Maschinerie, einmal angekurbelt,« so Heise, »nicht mehr anzuhalten und grundlegend zu ändern war«, zwang zu einer Fragmentierung und Strukturierung jenes Kontinuums in knapp zu formulierende, distinkte, handhabbare Einheiten30 und kultivierte damit eine Praktik zur Konzentration der Aufmerksamkeit.31 Indem die komplexe Ganzheiten zuschneidenden Zettel beliebig an- und umgeordnet werden konnten und eine endlose Kombination und Rekombination des gesammelten Materials zu neuen Ganzheiten erlaubte, richteten erst eigentlich sie die Datenmassen zu einer Historiographie zu. Ein besonderer Bestandteil von Warburgs Zettelage waren Zeitungsausschnitte. In einer expandierenden, großstädtischen Zeitungs- und Zeitschriftenkultur nahmen die geschnittenen und gerissenen Artikel seit dem Ende des 19. Jahrhunderts einen festen Platz nicht nur in Kunst und Literatur ein und erhielten ihre visuelle und ästhetische Dimension etwa mit den Collagen von Kurt Schwitters oder Hannah Höch, mit den papiers collés der französischen Kubisten oder mit dem realistischen Roman. Auch seitens der Wissenschaft wurden Zeitungsausschnitte instrumentalisiert; selbige sammelten ebenso der Physiologe Emil Du Bois-Reymond, der Pathologe Rudolf Virchow, der Technikhistoriker Franz Maria Feldhaus oder der Sozialhygieniker Fritz Rott.32 29 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 513 (Eintrag vom 29. August 1929). 30 Zum abbrevierten Notat als Kategorie wissenschaftlicher Erkenntnis und Erfahrung siehe D, Lorraine: Warum sind Tatsachen kurz?, in: H, Anke te (Hrsg.): cut and paste um 1900. Der Zeitungsausschnitt in den Wissenschaften (Kaleidoskopien. Medien – Wissen – Performance, Bd. 4), Berlin 2002, S. 132–144. 31 Genau in diesem Sinne versteht Warburg auch ein anderes Medium der ›Sammlung‹, den Koffer: »Der Koffer ›Bibliothek‹ von Walther Hertz ist angekommen: In Format und Gewicht ein böser Traum, bietet er als Substrat des Weglassens dennoch eine sehr praktische neue Schutzwaffe bei Mobilmachung der Concentration.« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 341 (Eintrag vom 11. September 1928). Und selbst das Buch wird ähnlich bedacht: »[…] die Form des solide gebundenen Buches hat so etwas hoffnungsvolles – man meint dadurch Klarheit und Abschluß anticipiren (erzwingen) zu können. – Symbol der fertigen Gedanken. 27. III. 96«. W, Aby: Symbolismus aufgefasst als primäre Umfangsbestimmung (1896– 1901), in: B, Frauke/D, Heinz J. (Hrsg.): Symbol. Grundlagentexte aus Ästhetik, Poetik und Kulturwissenschaft, Frankfurt a. M. 2009, S. 75–91, hier: S. 75. – Zu verwandten Vehikeln, seien es Zettelkästen, Kladden oder Setzkästen, derer sich Schriftsteller bedient haben, um Ordnung zu stiften, siehe D L M (Hrsg.): Ordnung. Eine unendliche Geschichte (Marbacher Katalog, Bd. 61), Marbach am Neckar 2007. Eine weitere mustergültige, die Archive Walter Benjamins in den Blick nehmende Studie ist W B A (Hrsg.): Walter Benjamins Archive. Bilder, Texte und Zeichen, Frankfurt a. M. 2006. 32 Siehe für die folgenden Ausführungen zu Geschichte und Funktion der Zeitungsausschnittsammlung H, Anke te: cut & paste um 1900, in: D. (Hrsg.): cut and paste um 1900, S. 20–37. – Von Feldhaus besaß Warburg die Schrift »Das Forschungsheim für die Geschichte

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VI. A Wie wichtig für Warburg das fortwährende Arbeiten mit Zeitungsausschnitten war, lässt sich einer Bemerkung über einen Besucher seiner Bibliothek, den Verleger Kurt Wolff, aus dem Jahr 1927 entnehmen: »Sehr bereit, sich ›belehren‹ zu lassen aber doch ohne letzten Respekt vor der wissenschaftlichen Gewissenhaftigkeit; Characteristisch war, daß es ihm unbegreiflich und unzweckmäßig erschien, daß ich selbst (im Kriege) die Zeitungsartikel unterstrich, er habe immer solche Angst, Arbeit zu thun, die andere leisten können. (daher kriegt er das feinste Gefühl für die ›probité de l’art‹ doch nicht in die Fingerspitzen.«33 Bereits zwei Jahrzehnte zuvor war das Thema der geordneten Sammlung von Zeitungen und deren Quellenwert eingehend auf dem 8. Internationalen Historiker-Kongress in Berlin diskutiert worden. Zeitungen, durch den sich entwickelnden Photojournalismus und Telekommunikationstechniken zunehmend mit Bildern angereichert, enthielten, so ein Kongress-Berichterstatter, »einen ungeheuren geistigen Reichtum, eine Menge ungemünzten Goldes, das der Schürfung durch die Geschichtsforscher harrt. […] [U]nd in umfassender Weise kommen in den Zeitungen alle die geistigen Mächte zum Ausdruck, die auf die Entwicklung der Kultur bestimmend einwirken.«34 Einer der ersten, der Zeitungsmeldungen als historische Quelle wiederabdruckte, war der Journalist und Schriftsteller Eberhard Buchner. Laut Buchner gaben Zeitungen das »unmittelbarste, das unretuschierteste« Bild einer Zeit wieder. Der Wert der Zeitung liege »erst in zweiter und dritter Linie auf historischem, zunächst aber unbedingt auf kulturhistorischem Gebiet. Ein Spezialwerk über die französische Revolution orientiert genauer und sicherer […] als die Zeitungen jener großen Jahre«, aber »eine Notiz von wenig Zeilen

der Technik«. Wohl auf diese rekurriert er, wenn er im Tagebuch der K.B.W. notiert: »Mit College Bing über den kleinen Köster gesprochen, dessen rechtem Ausbildungseifer ich gerne zu Hilfe kommen will. […] Müßte an den regulären Lesesaalbetrieb gewöhnt werden. Sollten die unendlich vielen Lesezeichen Signale für Aufnahmen sein, so wäre es billiger und besser, man schenkte ihm zum Beispiel den Feldhaus.« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 289 (Eintrag vom 30. Juni 1928). In besagtem Werk fächert Feldhaus vom Formular der Karteikarte über den zugehörigen Karteikartenschrank bis zum Grundriß des von ihm entworfenen »Forschungsheims« systematisch das Instrumentarium seines Archivs auf (Abb. 107). Siehe F, Franz Maria: Das Forschungsheim für die Geschichte der Technik (Quellenforschungen zur Geschichte der Technik und Industrie), Berlin-Friedenau 1926. – Zu Geschichte und Funktion der Zeitungsausschnittsammlung siehe desweiteren H (Hrsg.): cut and paste um 1900 (mit Lit.); .: News, Paper, Scissors: Clippings in the Sciences and Arts Around 1920, in: D, Lorraine (Hrsg.): Things That Talk. Object Lessons from Art and Science, New York 2004, S. 297–327; .: Der Zeitungsausschnitt. Ein Papierobjekt der Moderne, Frankfurt a. M. 2006; .: Schnitt 1915. Zeitungsausschnittsammlungen im Ersten Weltkrieg, in: K, Gottfried (Hrsg.): Kasten 117. Aby Warburg und der Aberglaube im Ersten Weltkrieg, Tübingen 2007, S. 71–85; sowie ./V, Juliane (Hrsg.): Papieroperationen – der Schnitt in die Zeitung (Neue Freunde 2. Zum aktuellen Stand von art, science & business), Stuttgart 2004. 33 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 129 (Eintrag vom 17. August 1927). 34 K, Fr. J.: Ein Reichs-Zeitungs-Museum, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 195, 22.08.1908, S. 8888–8890, hier: S. 8888.

. V Abb. 107: Franz Maria Feldhaus, Zeit-Kartei

verrät […] oft mehr als dickleibige Folianten.«35 Buchner erweist sich damit als Verfechter einer kulturgeschichtlichen Sichtweise, die den ›Zeitgeist‹ aus Quellen zu entnehmen suchte, die nicht die überkommenen, autorisierten der politischen Geschichte oder Staatsgeschichte waren. Auch und vor allem ein solches ephemeres und transientes Medium wie die Zeitung galt in dieser Hinsicht als besonders geeignet nicht zuletzt für Warburg, der neben Zeitungen auch Flugblätter, Briefmarken oder Toilettenpapierbanderolen zur Sprache brachte. Den epistemischen Wert der Zeitungsausschnitte betonte noch einmal, ebenfalls in den 1910er Jahren, als Warburg seine Verzettelung auf eine Spitze trieb, der Archivar Ernst Götz: »So geringen Wert eine einzelne Notiz, für sich allein betrachtet, zu besitzen scheint, so wichtig ist sie, verglichen mit anderen derselben Art aus anderen kleinen Blättern. Schneidet man aus einer Reihe von Zeitungen ein und desselben Bezirkes diese spezifischen Notizen aus und ordnet sie chronologisch, so ergibt dies ein kulturgeschichtliches Bild von größter Reichhaltigkeit der Farben, auf das kein Forscher gern verzichten wird.«36 Götz’ Aufsatz liest sich wie ein ›tagwissenschaftliches‹ Konzeptpapier für Warburgs eigene Archivierungsobsession, und es ist wenig verwunderlich, dass Warburg einen Sonderdruck dieses Textes besaß. Mit Aplomb artikuliert Götz das »Bedürfnis nach der Begründung von Zeitungsarchiven«37 und dürfte damit Warburg aus der Seele gesprochen haben: »Wenn nun, veranlaßt durch die Lehren des Krieges, die mit der Tagespolitik zusammenhängenden Fragen, die das Presse35 B, Eberhard: Das Neueste von gestern. Kulturgeschichtlich interessante Dokumente aus alten deutschen Zeitungen. Bd. 1, München 1912/1913, S. XIII f. 36 G, Ernst: Sammlung und Nutzbarmachung der Zeitungen, in: Die Grenzboten 75, 1916, S. 122–127, hier: S. 124. 37 G: Sammlung und Nutzbarmachung der Zeitungen, S. 126.

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VI. A Abb. 108: »Dr. W. Kämpf ’s Bibliographisches Bureau«

wesen betreffen, wieder akut werden, so darf das deutsche Volk die Mühe nicht scheuen, auch die Möglichkeit zu einer wissenschaftlichen Quellenverwertung der Zeitungen zu schaffen, deren zweckmäßige, einheitliche Regelung wir jetzt so schmerzlich vermissen.«38 Und ebenfalls bei Götz findet sich ein sorgfältiger Überblick über diverse in Deutschland eingerichtete Kriegszeitungsarchive, einen Archivtypus, dem sich laut der zitierten Schilderung Heises auch Warburg bis zur Kapitulation verschrieben hatte.39 In den wenigsten Fällen – Warburg darf auch hierin als eine Ausnahme gelten – sammelte und schnitt man selbst. Hinter den individuellen Verzettelungstechniken stand eine institutionalisierte Papieroperation: Die meisten Artikel wurden von einem Zeitungsausschnittbüro, einem clipping service oder Presseausschnittbüro, zusammengetragen, das alle maßgeblichen Publikationen zentral zusammenfasste, sie einer methodischen Durchsicht unterzog und die Artikel zu gewünschten Themen an entsprechende Interessenten verteilte. Als deren erstes gilt das unter beredtem Namen 1879 in Paris gegründete »Argus de la Presse«, in Deutschland folgte 1885 die in Berlin gegründete Firma von Clemens Freyer; und Warburg vertraute unter anderem auf »Dr. W. Kämpf ’s Bibliographisches Bureau« 38 G: Sammlung und Nutzbarmachung der Zeitungen, S. 127. 39 So berichtet Götz etwa vom Zuschnitt und der Systematik dieser Archive, denen Warburgs Bemühungen um Strukturierung unmittelbar verwandt erscheinen: »Man hat im Laufe des Krieges an verschiedenen Orten versucht, dieses Ausschnittverfahren zur Durchführung zu bringen. […] An der Universität Leipzig hat Professor Herre die historische, Professor Eulenburg die volkswirtschaftliche Abteilung geleitet. Beide haben gleichmäßig alle erreichbaren Zeitungen und Zeitschriften des In- und Auslandes ›verzettelt‹, das heißt, alle in Frage kommenden Aufsätze in bestimmten Rubriken gesammelt. Man kann in diesem Archiv sofort alles Material, zum Beispiel über Kriegsgreuel, über Grey, über Bulgarien oder Rumänien greifen. Jeder Aufsatz ist auf weiße Blätter aufgeklebt und entsprechend eingereiht. Die volkswirtschaftliche Abteilung ist ebenso gegliedert wie die historische; z. B. gibt es folgende Rubriken: Rohstoffversorgung, Ernteergebnisse in Deutschland, Österreich, in Frankreich u. a. m.«. G: Sammlung und Nutzbarmachung der Zeitungen, S. 124 f. – Siehe speziell zu Warburg K: Kasten 117.

. V Abb. 109: Dr. Max Goldschmidt, Büro für Zeitungsausschnitte, Liste der täglich ausgewerteten Zeitungen und Zeitschriften, um 1929

(Abb. 108) und »Dr. Max Goldschmidt, Büro für Zeitungsausschnitte« (Abb. 109 bis 111). Am Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland 3.069 verschiedene Zeitungstitel verkauft, 1914 waren es bereits 4.221. Spezialisierung und Internationalisierung der Inhalte, Beschleunigung der Kommunikation etwa durch den Telegraphen und technische Erfindungen wie die Setz- oder die Rotationsdruckmaschine waren Katalysatoren für diesen Aufschwung. Zeitgenössische Beschreibungen der Arbeitsbedingungen dieser Papierindustrie erinnern nicht von ungefähr an Praktiken und Techniken in Telephonzentralen: »Wenn sie den Blick von den Spalten erheben, fällt er auf eine gedruckte Liste von Namen und Themen, auf die sie achten müssen; aber nur die am schwersten zu merkenden stehen auf der Liste, die andern müssen sie im Kopf haben; 7000 Namen und Themen sind’s alles in allem. Alle Mädchen haben ihre Luchsaugen für alle Klienten zu betätigen. Zweimal am Tage ertönt eine Klingel, eine Vorarbeiterin erscheint und verliest neue Kunden und Themen. Die Mädchen schneiden nicht, sie streichen nur mit Bleistift an. Das Schneiden besorgt eine Gruppe von Jungen. Dann kommt wieder eine Mädchengruppe, die ordnet die Ausschnitte in Fächer.«40 Der derart zugerichtete Artikel wurde sodann auf einen Zettel geklebt, der den Titel der Zeitung, das Datum sowie den Namen des Ausschnittbüros vermerkte, und schließlich in zumeist wöchentlichen Sendungen an die Kunden verschickt (Abb. 111). Ein Ausschnittbüro funktionierte damit wie eine Relaisstation und fungierte, wie es in einer Ausgabe der Zeitschrift »Österreichischungarische Buchhändler-Correspondenz. Organ des Vereins der österreichisch-ungarischen Buchhändler« von 1906 heißt, als »ein geistiges Clearing-House allerersten Ranges«41.

40 Zitiert nach H: cut & paste um 1900, S. 25. 41 Zitiert nach H: cut & paste um 1900, S. 27.

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VI. A Abb. 110: Dr. Max Goldschmidt, Büro für Zeitungsausschnitte, Liste der täglich ausgewerteten Zeitungen und Zeitschriften, um 1929

In eine Sammlung überführt, konnte jenes Datum sich auf einige Wochen, Jahre oder auch die archivalische Ewigkeit erstrecken. Die Indexlisten der Ausschnittbüros schufen ein Paradox, indem sie ein transitorisches Medium in eine ihm bisher nicht eigene Beständigkeit überführten. »Das nur mit flüchtiger Gültigkeit ausgestattete Accessoire des Flaneurs par excellence war in einer mit Gründlichkeit betriebenen Speicherpraxis von Zeitungsarchivaren gelandet.«42 Das Medium Zeitung wurde dadurch gleichsam aus den Angeln gehoben und neu geordnet. War das die disparaten Nachrichten Verbindende bei einer Tageszeitung die ihnen gemeinsame Aktualität, so arbeiteten die Ausschnittbüros nach einer indexikalischen Ordnung, die nicht dem Datum, sondern einem Schlagwort verpflichtet war und damit einen gänzlich anderen Zugriff auf die Nachrichten überhaupt erst ermöglichte. Nicht das Nebeneinander der Meldungen auf einer Zeitungsseite, sondern der »rote Faden eines Indexbegriffs«43, der über Monate und durch Hunderte von Zeitungen hindurch verfolgt wurde, galt als Information. Darin unmittelbar dem Bilderatlas Mnemosyne verwandt, führte das Schlagwort verschiedene Zeiten, Räume und Orte zusammen und machte aus verstreuten Meldungen ein zusammengesetztes, qualitativ neuartiges und epistemologisch fruchtbares Ganzes.44 42 H: cut & paste um 1900, S. 28 f. 43 H: cut & paste um 1900, S. 28. 44 »Auf diese Weise wird – durchaus punktuell, in diesem Moment, aus Anlaß eines Suchimpulses – mehr an Information verfügbar, als man bei der Anfrage im Sinne hatte; und vor allem mehr an Information, als jemals in der Form von Notizen gespeichert worden waren. Der Zettelkasten gibt aus gegebenen Anlässen kombinatorische Möglichkeiten her, die so nie geplant, nie vorgedacht, nie konzipiert worden waren.« Aus jüngerer Warte L, Niklas: Kommunikation mit Zettelkästen. Ein Erfahrungsbericht (1981), in: D.: Universität als Milieu (Kleine Schriften), hrsg. von K, André, Bielefeld 1992, S. 53–61, hier: S. 59 f.

. V Abb. 111: Typischer Zeitungsausschnitt in einem von Aby Warburgs Zettelkästen, ausgeschnitten, bibliographisch annotiert und zugestellt von Dr. Max Goldschmidt, Bureau für Zeitungsausschnitte, 1918

Dem flüchtigen Medium Zeitung wurde auf diese Weise ein neues Haltbarkeitsdatum gegeben, aus Tageswerten wurden Speicherwerte. Parallel dazu entwickelte sich eine Informationswissenschaft, gekennzeichnet durch nicht unverwandte Bestrebungen einer Organisation und weltumspannenden Verwaltung von Wissen.45 So diskutierten die Dokumentaristen, allen voran der Zirkel um jenen Wilhelm Ostwald, von dem Warburg mehrere Werke besaß, den Traum von einer »Welt-Sammlung«, die zu einer umfassenden Auskunftsstelle werden sollte, und ihre Vereinigung zu einer »Auskunftsstelle der Auskunftsstellen«46. Das nach allen Seiten hin ausufernde Wissen sollte in Dossiers oder Mappen abgelegt werden, denn: »Was in der materiellen Welt das Werkzeug in seiner Überlegenheit über den nackten Menschen oder die Maschine in ihrer Überlegenheit über das Handwerkszeug ist, das ist die große Kartei für die geistige Arbeit.«47 In dieser Meta-Kartei einer 45 Auch die Zeitung selbst begann man als ein zu erforschendes Dokument wahrzunehmen. Bereits 1885 wurde in Aachen ein Zeitungsmuseum gegründet und wenig später die Fachzeitschrift »Das Zeitungsmuseum« ins Leben gerufen. Innerhalb weniger Jahre richtete man an den Universitäten erste journalistische Seminare ein, und 1916 gründete der Nationalökonom Karl Bücher das erste Institut für Zeitungswissenschaft in Leipzig. Damit geriet die Zeitung gleichfalls in den Blick von Soziologen wie Max Weber oder Georg Simmel und Historikern wie Karl Lamprecht und Martin Spahn. Siehe B, Hans: Die Erforschung von Zeitung und Zeitschrift in Deutschland, in: A, Werner/D, Wolfgang/Z, Bernhard (Hrsg.): Die Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte in Deutschland, Wiesbaden 1987, S. 346–358. 46 Wilhelm Ostwald, zitiert nach K, Markus: Restlosigkeit. Wilhelm Ostwalds Welt-Bildungen, in: P, Hedwig/S, Leander (Hrsg.): Archivprozesse: Die Kommunikation der Aufbewahrung (Mediologie, Bd. 5), Köln 2002, S. 173–185, hier: S. 175. Zu Ostwald siehe K: Restlosigkeit; S, Rolf: Das Gehirn der Welt: 1912, in: D.: Wilhelm Ostwald: Farbsysteme, Das Gehirn der Welt, hrsg. von W, Peter, Ostfildern-Ruit 2004, S. 64–88; sowie K, Markus: Restlosigkeit. Weltprojekte um 1900, Frankfurt a. M. 2006, S. 64–140. 47 P, Heinz: Geisteskartei, in: Die Umschau. Wochenschrift über die Fortschritte in Wissenschaft und Technik 35, 24.08.1918, S. 417–419, hier: S. 418.

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VI. A »taylorisierten Papier- und Buchstabenwelt«48 sollte das Zusammenspiel der Zettel maschinengleich funktionieren, dem Recherchierenden bei Nennung eines Schlagwortes sich wie von selbst das gespeicherte Material darbieten. Diese große Kartei schien den Zeitgenossen als das zukunftsträchtigste Modell. So konnte der belgische Informationsorganisator Paul Otlet auf dem Weltkongress für Bibliographie und Dokumentation anlässlich der Brüsseler Weltausstellung 1910 das Buch für eine überlebte Einrichtung erklären, da es nicht erweiterungsfähig sei: »Das Buch der Zukunft ist auf einzelnen abtrennbaren Blättern gedruckt, die beliebig zusammengefügt und durch Einschaltung auf dem laufenden gehalten werden können. Anstatt eines Konversationslexikons in so und so vielen Bänden wird man in Zukunft einen Saal haben, in dem in Dossiers und auf Zetteln die Originalnotizen über jeden Gegenstand vereinigt sind.«49 Warburg sollte nur wenige Jahre später in der K.B.W. über einen solchen Saal verfügen: »Im Saal angefangen, den Raum zur Erweiterung und Klärung des Materials zu benutzen.«50. Hier und andernorts setzte er sein berühmtestes Medium ein: den Bilderatlas – und hat mit ihm, laut eigenem Bekunden, »Bilder ›verzettelt‹«51. Die unablässig von ihm verbesserten und ergänzten Tafeln des Atlas überführten das noch ungebundene Erklärungspotenzial der Zettelkästen in eine Kombinatorik, die ebenfalls durch keine harten Kompatibilitätsgrenzen eingeschränkt war. Gestelle, die ein unaufhörliches Schieben der Tafeln durch den Raum ermöglichten – komplementiert durch ein wohl unentwegtes, prüfendes und anlässlich von Vorträgen extemporierendes Abschreiten derselben52 –, halfen Warburg, unzählige Neu- und Umdispositionen des Bildmaterials vornehmen zu können.53 Diese erkundenden Bewegungen in einem offenen Arrangement, ein Spiel mit möglichen Stellungen, erlaubte die allmähliche Verfestigung des Materials zu Dispositionen, die bis auf Weiteres als geklärt erachtet wurden. Dazu wurden die Reproduktionen oder Originale mit Nadeln oder kleinen Klemmhäkchen auf einen neutralen, mit schwarzem Rupfen bezogenen Untergrund geheftet, wohlweislich aber nicht fixiert, um stets umdisponierbar zu sein. Um die inneren Zusammenhänge der Motive zu markieren, wurden zwischen Abbildungen gelegentlich verschie48 H: cut & paste um 1900, S. 29. 49 Zitiert nach S, Thomas: Ein Blick voraus in die Vergangenheit. Von Visionen und Konzepten der frühen Dokumentationsbewegung, in: H, Rainer/R, Marc/ S, Wolfgang (Hrsg.): Wissen in Aktion. Der Primat der Pragmatik als Motto der Konstanzer Informationswissenschaft. Festschrift für Rainer Kuhlen, Konstanz 2004, S. 181–193, hier: S. 187. Siehe auch Z: Buch, Exzerpt, Zettelschrank, Zettelkasten. 50 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 332 (Eintrag vom 19. August 1928). 51 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 399 (Eintrag vom 15. Januar 1929). 52 Vgl. D, Michael: Atlas und Mnemosyne. Von der Praxis der Bildtheorie bei Aby Warburg, in: S-H (Hrsg.): Bildtheorien, S. 181–213, hier: S. 200. 53 Siehe zur Geschichte der Stellwand als Ausstellungsmittel H, Anke te: Exposition Imaginaire. Über die Stellwand bei Aby Warburg, in: S, Bernd (Hrsg.): Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie 29 (112), 2009 (»Ausgestellte Fotografien«), S. 55–64.

. V denfarbige Linien gezogen.54 War die Diskussion um eine Tafel zu einem vorläufigen Abschluss gekommen, ließ Warburg sie photographieren; anschließend wurde weiter an ihr gearbeitet. Die handhabbare und transportable Form der Tafeln zusammen mit derjenigen der auf ihr aufgebrachten Bilder förderte die Erkundung neuer Ordnungs- und Anordnungsmöglichkeiten. Genealogische Ereignisse konnten simultan dargestellt werden, temporale Beziehungen als spatiale Relationen. Indem Warburg die ikonischen Stationen der diversen Migrationen vor Augen hatte, zeigten sich ihm strukturelle Brüche und Notwendigkeiten seiner (Re-)Konstruktionen sehr viel deutlicher – »Nachmittags die Mnemosyne auf zwei Rupfengestelle aufgestellt. Jetzt kann man die ganze Architektur von Babylon bis Manet übersehen und schonungslos kritisieren.«55 Die Verdichtungen des Materials konnten verschiedene Grade durchlaufen, wobei – je nach Datenordnung und -kompression – neue Muster wahrnehmbar wurden. Der Atlas wurde epistemisch produktiv dadurch, dass alle Deduktionen und Reduktionen reversibel blieben und die Kette der Transformationen auch rückwärts abgetastet und an bestimmten Stellen neu geknüpft werden konnte.56 Folglich hatte Warburgs Umwandlung des Erinnerungs- und Überlieferungsumfangs von einer Chronologie in ein Zeichen-Flickwerk aus Ikonen, Symbolen, Kartographien und Diagrammen deutlich mehr als nur eine reduktive Funktion. Die Atlastafeln erzeugten im Gegenteil neue Ressourcen und Koppelungen, eine narrative Potenz, die Warburgs Forschung erst ihre charakteristischen Konturen verlieh und ihre vorzeitige Schließung verhinderte. Warburg wusste um den epistemischen Wert seines Atlas, mithin um die medientechnische Bedingtheit der Formation historischen Wissens, wenn er die ›Aufhellung‹ des Materials auf dessen freie Disponierbarkeit zurückführt: »Heute im Saal durch freie Bewegung der Gestelle und Ruhe, [sic!] das Material weiter aufgehellt durch stärkere Differenzierung nach Gegenständen und topologischen Gesichtspunkten; so zum Beispiel die Tod. des Orpheus Tafel sauber in den italienischen und nordischen Teil zerlegt.«57 Gerade die generative Dimension von Warburgs Bilderarrangement wäre eliminiert, wenn man dessen aktuales Moment ausblenden würde. Tatsächlich lässt sich der Atlas als

54 Siehe auch die CD-Rom in F/M: Introduzione ad Aby Warburg e all’Atlante della Memoria. Der – tatsächlich überflüssige – elektronische Datenträger soll dem Versuch dienen, einzelne Bilder in verschiedene, auf einer Tafel koexistierende und sich mitunter überschneidende thematische Gruppierungen einzuordnen. Dies wird durch das Anklicken diverser benannter Themen bewerkstelligt, auf das hin sich jeweils ein andersfarbiger Rahmen um die Bilder einer Gruppe legt. Um diese Möglichkeit des Bilderatlas zu visualisieren, bedarf es jedoch mitnichten eines digitalen und ›interaktiven‹ Mediums. Nicht verschenkt wäre eine solche elektronische Repräsentation im Gegenteil, wenn man die ihr spezifischen Potentiale nutzte, um den Atlas gerade in der buchstäblichen Beweglichkeit seiner einzelnen Bestandteile zu vergegenwärtigen. 55 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 404 (Eintrag vom 10. Februar 1929). 56 Vgl. R: Zettelwirtschaft, S. 352 f. 57 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 332 (Eintrag vom 18. August 1928).

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VI. A ein Generator performativer Bildakte beschreiben.58 In dieser Perspektive wird erkennbar, dass Warburgs Narratologie durch den Akt der Bilderverzettelung erst hervorgebracht wurde. Seine Historiographie ist weniger vorgängige Theorie, sondern der Effekt eines – im literalen, hier motorischen, wie figuralen, hier semantischen, Sinne weitgreifenden – Kartographisierungsaktes, dessen Medium der Atlas war.59 Wie die zuvor besprochenen bildgebenden Verfahren hatte also auch der Atlas eine ihm eigene Produktivität, indem er Bilderwanderungen nicht nur repräsentierte, sondern generierte.60 »[N]icht als passives, sondern als generatives Archiv«,61 wurden mit ihm die faktischen und gedanklichen Möglichkeiten der Kombination verschiedener Bildobjekte allererst geschaffen. So entstan58 Unter Performativität – hier übertragen auf Bilder – soll dasjenige Konzept verstanden werden, das John Langshaw Austin in seiner frühen Sprachphilosophie grundlegend verhandelt hat. Im Zuge einer Verlagerung seines Interesses von Sprache als Repräsentation auf den Sprechakt als Handeln unterschied Austin zwischen konstatierenden und performativen Äußerungen. Eine konstatierende Äußerung ist eine deskriptive Aussage, mit der eine Feststellung getroffen wird. Eine performative Äußerung hingegen stellt nichts fest, sondern ist der faktische Vollzug eben jener Handlung, die sie bezeichnet. Sie »konstituiert, was sie konstatiert« (K, Sybille/S, Marco: Das »Performative« als Thema der Sprach- und Kulturphilosophie, in: F-L, Erika/W, Christoph (Hrsg.): Paragrana. Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie 10 (1), 2001 (»Theorien des Performativen«), S. 35–64, hier: S. 37). In der performativen Äußerung wird somit die vertraute Unterscheidung zwischen Darstellungsmittel und Dargestelltem, zwischen Wort und Sache außer Kraft gesetzt; demgemäß betitelte Austin seine wichtigste, 1962 erstmals publizierte Abhandlung bezeichnenderweise mit »How to do things with words«. Siehe A, John Langshaw: How to do things with words. The William James lectures delivered at Harvard University in 1955, Cambridge (Mass.) 1962. Beispiele Austins für Performativa sind Heirat, Schiffstaufe, Testament oder Wette. Siehe auch H, Thomas: Albrecht Dürer, Erwin Panofsky und der ›performative turn‹ der Kunstwissenschaft, in: D./ R, Hans Ulrich/Z, Siegfried (Hrsg.): Goodbye, Dear Pigeons. Lab – Jahrbuch 2001/02 für Künste und Apparate, Köln 2002, S. 330–338; sowie grundsätzlich zum Bildakt B, Horst: Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007, Berlin 2010. 59 Wie bewegt dieser Akt und mit ihm sein Medium sein konnten, erweist eine Begebenheit, die Warburg im Tagebuch der K.B.W. eigens hervorhebt. Anlässlich seines Besuchs bei Albert Einstein, der dem Zweck diente, die eigene »relativistisch[e]« Betrachtung der Bilderwanderungen mit dem Relativitätstheoretiker zu diskutieren, pinnte Warburg das mitgebrachte Konvolut von Photographien »an den Vorhang der Verandah«. Dieses mobiliare ›bewegte Beiwerk‹ könnte, mehr noch als die mobilen Gestelle, als das den Impetus Warburgs wohl am treffendsten performierende Medium verstanden werden. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 339 (Eintrag vom 3. und 4. September 1928). Zu jenem Besuch siehe auch Abschnitt »Elektrisierende Metaphern«, Anm. 146. 60 Siehe Abschnitt »Wissenschaftstheorie«, Anm. 38. – Christine Hanke kommt zu dem Schluss: »[ J]ede wissenschaftliche Abbildung ist im Grunde Bild-Gebung«. H, Christine: Visualisierungen der physischen Anthropologie um 1900, in: Z, Anja (Hrsg.): Sichtbarkeit und Medium. Austausch, Verknüpfung und Differenz naturwissenschaftlicher und ästhetischer Bildstrategien, Hamburg 2005, S. 129–150, hier: S. 138. 61 E, Wolfgang: MEMORY – Spielräume und Disziplinartechniken der Bildordnung, in: F/M-K/S (Hrsg.): Der Bilderatlas im Wechsel der Künste und Medien, S. 325–337, hier: S. 331.

. V den durch das stete Umarrangieren Verbindungen auf den Atlastafeln, die aus historischen Quellen nicht mehr geschöpft werden konnten und die vermeintliche Evidenz der Migrationsbewegungen immer wieder neu hervorbrachten. Der Atlas in actu, betrachtet in seinem Prozessiertwerden und Prozessieren, führte über kontingente Festlegungen hinaus, unterbreitete Alternativen, strukturelle Möglichkeiten und Notwendigkeiten; bereits durch bloße Kombinatorik konnten Bewegungsabläufe und Wanderstraßen entworfen werden, die keinem bekannten Muster entsprachen. Aus der Anwendung dieser Möglichkeit ließen sich neue Konfigurationen herstellen, die Interpretationen über die neu angeordneten Objekte implizierten. Je nach Anordnung konnten andere Aspekte ihrer Verhältnisse und Zusammenhänge nach vorne treten und strukturierende Prinzipien in neuer Weise darstellen. Das Umformen konnte dabei bloß versuchsweise erfolgen, so dass das Produkt in überraschender Weise vor dem Auge des Betrachters erschien – als »ein pattern […], das noch keiner je gesehen hat«62. In diesem Sehen-Als, das einmal mehr, einmal weniger den Intentionen des operierenden Nutzers folgte, aber sich auch ohne oder gar gegen dessen Intentionen einstellen konnte, lag ein weiteres epistemisch produktives Moment des Atlas. Warburg beschreibt sehr anschaulich, wie die syntaktisch kaum beschränkte Freiheit der Umstellung es ermöglichte, in einfacher Weise Konfigurationen zu erzeugen, die semantisch gleichsam ›einrasteten‹, wo sie eine Lücke in der Überlieferung historischer Bildformeln zu füllen vermochten.63 So lesen wir im Tagebuch der K.B.W. folgenden Eintrag, notiert wenige Tage nach seinem Vortrag in der Bibliotheca Hertziana: »Placierung noch nicht richtig: jetzt nach Donatello fehlt Auseinanderfaltung der beiden Pollagiuli: Goldschmied – Seelendramatiker und das Monster der Picture Chronicle – Zwischen Pollaiuolo und Ghirlandajo wäre (für den Atlas) Ferrara einzusetzen; fraglich, wo Mantegna hinkommt, der doch der eigentliche Drehpunkt ist. Durch die Zusammenstellung von erotischem Rundtanz, Frauenraub und Venus Urania (mit den Abzweigungen Venus Cacciatrice [Basinius] und Venus Virgo [Giovanna Tornabuoni] wird nicht nur der Wandel von der Darstellung alla franzese zu der all’ antica deutlich – das war schon immer da – sondern es kommt durch die inhaltliche Isolierung des Liebes-Themas auch der motivische Zusammenhang mit den ideelichen Grundgedanken der Mnemosyne heraus.«64 Dieser Passage ist nicht nur das dynamische Moment des 62 L, Bruno: Der »Pedologen-Faden« von Boa Vista – eine photo-philosophische Montage, in: D.: Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers der Wissenschaften (1993), Berlin 1996, S. 191–248, hier: S. 204. 63 Ähnliche Gedanken entwickelt Werner Kogge am Beispiel des ›paper tools‹ der von dem schwedischen Chemiker Jöns Jacob Berzelius 1813 eingeführten chemischen Formeln. Siehe K, Werner: Erschriebene Denkräume. Grammatologie in der Perspektive einer Philosophie der Praxis, in: G, Gernot/K, Werner/K, Sybille (Hrsg.): Schrift. Kulturtechnik zwischen Auge, Hand und Maschine (Reihe Kulturtechnik), München 2005, S. 137–169, insbesondere: S. 153–156. Zu den wissensgenerierenden Merkmalen des Symbolsystems ›chemische Formel‹ im speziellen siehe K, Ursula: Visualität, Ikonizität, Manipulierbarkeit: Chemische Formeln als »Paper Tools«, in: G/K/K (Hrsg.): Schrift, S. 237–251. 64 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 399 (Eintrag vom 28. Januar 1929).

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VI. A Wissensgenerators Atlas abzulesen, sondern mehr noch auch jenes ›Einrasten‹. In der Tat lebte Warburgs »Experimentalspiel« auch vom »Generieren von Überraschungen«65. Durch ein und denselben Akt einer »Zusammenstellung« wurden offenbar mehrere, intendierte und zu erwartende genauso wie nicht geplante und überraschende, Effekte erzielt: Während das eine »schon immer da« war, »kommt« das andere infolge der Zusammenstellung erst »heraus«.66 Wie stark jene generative Potenz des Mediums Bilderatlas auf Warburg gewirkt hat und – ganz so, wie es später McLuhan beschreiben wird – seine Wahrnehmungsweise formatiert hat, macht ein anderer Tagebucheintrag anlässlich eines im März 1929 unternommenen Ausflugs nach Orvieto deutlich, der gerade in seiner Beiläufigkeit besonders aussagekräftig ist: »College Bing weist mich auf den etruskischen Sarkophag mit der Darstellung vom Opfer der Polyxena; tatsächlich ein Unicum und wie geschaffen für den Atlas.«67 »wie geschaffen für den Atlas« – Warburgs Blick auf Artefakte wurde zusehends immer mehr gerahmt durch das Dispositiv Atlas, in den sich gleichsam wie in eine vorgängige Matrize das allererst für und durch ihn erzeugte Objekt hineinzupassen hatte. Damit wäre ein weiterer Beleg für die produktive Natur des Bilder ›verzettelnden‹ Atlas erbracht, der in seiner papiernen Materialisation nichts Geringeres als ein ganzes Geschichtsbild herauszubilden vermochte. Durch dieselbe epistemische Logik sah im Übrigen Warburg auch die K.B.W. ausgezeichnet: »Abteilung Ältere Kunstgeschichte, die jetzt im Zusammenhang mit Quellenschriften und Aesthetik steht, zeigt in ihrer überraschenden Vollständigkeit den Wert jener ›unnötigen‹ Anschaffungen, die jahrelang scheinbar nutzlos und unbenützt stehen, um eines Tages wie vorbereitet zu erscheinen zur Bearbeitung eines Problems, das bisher unbeachtet geblieben war.«68 Und diese Problembearbeitung war immer eine, an der als Aktanten Bücher genauso wie Bilder genauso wie Personen Anteil hatten: »Beim Ordnen der einzustellenden Bücher Mâlens Artikel über symbolische Kunst Revue de l’Art (1906) unter die Hand bekommen und dabei (Gesetz des guten Nachbarn!) ein wunderbares Relief von Agostino di Duccio (in Lyon, Collection Aynard) zu sehen bekommen mit begleitendem Text von Bertaux. Durch Freunds Heranziehung des Bildes von Martini aus Liverpool ging mir der Gegenstand auf: die Madonna empfängt den aus dem Tempel zurückkehrenden 65 R: Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 250. 66 Siehe auch W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 495 (Eintrag vom 10. August 1929): »Fühlte mich eigentlich den Vormittag unheimlich schlecht […] und kam erst nach dem Mittagsschlaf dazu, die Tafel Dürer Pathosformel neben Portinari aufstellen zu lassen, wodurch doch erst der einleuchtende Kontrast [zwischen 15. und 20. Jahrhundert, Norden und Süden sowie zwischen ›Andacht‹ und ›Pathos‹, T. H.] […] herauskam.« – Diese Belege mögen an dieser Stelle genügen. Für weitere Studien hinsichtlich der beschriebenen epistemischen Funktion des Atlas ist der angekündigte zweite Band der Edition des Bilderatlas abzuwarten, in dem die einzelnen Verläufe seiner Umbildungen dokumentiert werden sollen. 67 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 419 (Eintrag vom 15. März 1929). 68 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 288 (Eintrag vom 28. Juni 1928).

. E   G Christus. Da sage noch einer, daß der Gemeinschaftssinn der K.B.W. nicht schöpferisch ist.«69

2. Exstatische und epistemische Grapheme Vom Graphit zum Graphem ist es nur ein kleiner Schritt. Warburgs Autographien lassen sich unmittelbarer noch als an den Trägern seiner Notate an diesen selbst, genauer: an deren Strichführungen ablesen. Wie das Tagebuch der K.B.W., wie die Zettelkästen und wie auch der Bilderatlas taugte die Schrift selbst für Warburg als Medium der Erkenntnis und Erfindung. Für die einschlägige Forschung, sei sie linguistischer, literaturwissenschaftlicher oder philosophischer Natur, bedeutete es allerdings einen großen Schritt, ein solches Verständnis von Schrift zu entwickeln. Lange dominierte hier ein phonographisches Schriftverständnis, das von einer grundständigen Sekundarität der Schrift ausgeht, der die Aufgabe zufalle, das primäre System der Lautsprache aufzuzeichnen. Während die alphabetische Schrift damit lediglich als graphisch fixierte mündliche Sprache konzipiert und festgelegt war, hat sich gegenüber diesem reduktionistischen Konzept von Schrift im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts ein erweitertes Verständnis derselben entfaltet. Im Zuge der ›Literalitätsdiskussion‹ erfuhr die Schrift eine Aufwertung, bei der sie ihre untergeordnete Funktion verlor und der Lautsprache gleichgestellt wurde.70 Mit dieser Dimension von Schrift, eine andere Erscheinungsform von Sprache zu sein, spannte sich das weite Feld der Forschungen zu Oralität und Literalität auf, in dem die ›Andersheit‹ der schriftlichen gegenüber der stimmlichen Kommunikation unter anderem in einer medialen Perspektive profiliert wurde, in der sich Unterschiede zwischen einer phonischen und einer graphischen Realisierung von Sprache ausarbeiten ließen.

69 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 305 f. (Eintrag vom 15. Juli 1928). An anderer Stelle legt Warburg Wert auf die Feststellung, dass es sich bei der K.B.W. als »Problem Bibliothek« um eine »aktive« handele. .: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 488 (Eintrag vom 5. August 1929). Siehe auch Abschnitt »Die Medialität der Kunstwissenschaft«. – Diese ›Heuristik‹ eines Findens, die ein kontrolliertes, planmäßiges Suchen nicht voraussetzt, verteidigt Warburg in Absetzung von seinem Kollegen Adolph Goldschmidt: »Nachmittags Adolph Goldschmidt zurück von den U.S.A. In seinem ganz feinen Banausentum ungestört. Hätte nichts zugelernt, weil die Sammlung mit ihren abgestempelten Schätzen typisch wären. Habe den fürtrefflichen alt-ledernen Weisen gefragt, ob er denn in Washington das Centralnervensystem Amerika’s die [sic!] Smithsonian Institution gesehen habe? Nein – dazu müsse man doch vorher etwas davon wissen! Ich weiß nicht, wie er, wenn er dieses Primum Immobile in seinem pensionsfähigen Herzen trägt, überhaupt je etwas gelernt hat. Mein Beileid; dann noch lieber so lerneifrig, wie wir sind, was?« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 330 (Eintrag vom 17. August 1928). 70 Zu dieser ›Rehabilitierung‹ der Schrift siehe G, Hartmut/L, Otto (Hrsg.): Schrift und Schriftlichkeit. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung, 2 Bde., Berlin/New York 1994.

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VI. A Allerdings wurden und werden im Zuge der Oralitäts-Literalitäts-Debatte Eigenarten und Autonomie der Schrift gerade aus ihrer Differenz zur Mündlichkeit gewonnen, in einem Rahmen also, der Mündliches und Schriftliches als eigenständige Formen sprachlichen Handelns versteht. Das bedeutet, dass im Rahmen dieser Debatte die Schrift ihr Profil immer nur auf der Folie ihres Sprachcharakters gewinnt, womit jegliches Verständnis von Schrift laut Sybille Krämer vier Prämissen unterliegt: »(a) Unter dem Aspekt der Diskursivität von Sprache gilt Schrift als Sprache und nicht als Bild und das heißt zugleich: Schriften gehorchen dem eindimensionalen Register der Linearität. (b) Unter dem Aspekt des Zeichencharakters von Sprachen werden Schriften der Domäne des Symbolischen und nicht des Technischen zugeordnet und das impliziert: Schrift ist etwas, das gelesen und interpretiert und weniger etwas, mit dem handgreiflich operiert wird. (c) Unter dem Aspekt der Funktion von Sprachen dienen Schriften der Kommunikation und weniger der Kognition. Schrift ist ein Medium der Verständigung und weniger ein Instrument kognitiven Problemelösens: Mit Schriften stellen wir etwas dar, aber nicht etwas her. (d) Unter dem Aspekt der Semantizität alles Sprachlichen ist die Wahrnehmbarkeit der Schrift (aisthesis) nur das transparente Medium ihrer Verstehbarkeit (logos) und das heißt zugleich: Die Sinnlichkeit der Schrift gilt als Steigbügelhalter des Sinns; ihre Sichtbarkeit ist wie ein Fenster, dessen Durchsichtigkeit den ›Blick‹ auf sprachliche Bedeutungen zulässt.«71 Mit diesen vier Präsuppositionen eines sprachzentrierten Schriftkonzeptes ist ex negativo umrissen, wofür die folgenden Überlegungen mit Blick auf Warburg zu sensibilisieren versuchen: Nachdem die Schrift nicht mehr nur als phonographische Repräsentation aufgefasst wird und sich im Zuge der Oralitäts-Literalitäts-Debatte zu einem eigenständigen Typus sprachlicher Äußerung emanzipiert hat, sollen nun jene Phänomene und Funktionen von Schrift in den Blick genommen werden, die im Sprachcharakter von Schrift gerade nicht aufgehen, die also jene Prämissen unterlaufen. Mit anderen Worten soll Schrift (a) nicht nur als Sprache, sondern auch als Bild verstanden werden, mithin als etwas, das sich einer Synthese von Diskursivem und Ikonischem verdankt. Schrift soll (b) nicht nur als Zeichen, sondern auch als Technik gedacht werden, und (c) nicht nur als Medium der dialogischen Kommunikation, sondern auch der monologischen Kognition begriffen werden. Schließlich gilt es, sie (d) in ihrer wahrnehmbaren Exteriorität nicht nur als transparentes Fenster des logos aufzufassen, sondern als einen dichten Operationsraum, insofern sich dasjenige, was eine Schrift repräsentiert, zum Teil in ihr auch präsentiert.72 71 K, Sybille: ›Operationsraum Schrift‹. Über einen Perspektivenwechsel in der Betrachtung der Schrift, in: G/K/K (Hrsg.): Schrift, S. 23–57, hier: S. 26. 72 Siehe K: ›Operationsraum Schrift‹, S. 28–31. In gleichgesinnter Weise argumentiert Kogge gegen ein weiteres sehr prominentes reduktionistisches Modell: die Vorstellung von Schrift als ›Maschine‹. In dieser Vorstellung, die sich auf Gedanken Derridas, Goodmans, Flussers oder Kittlers beruft, wird Schrift unter Ausblendung ihrer Materialität und Aktualität als in Syntax und Semantik eindeutig und vollständig geregelt interpretiert und mit einem generativen Mechanismus gleichgesetzt, der in einer Bewegung von Wiederholung und Ersetzung Differenzen prozessiert. In dieser Perspektive wird das Maschinenhafte der Schrift mit der Schriftförmigkeit bestimmter maschineller Prozesse identifiziert – eine Möglichkeit, welche die Medientheorie auf-

. E   G Was also bedeutet es, Schrift nicht nur in einer phonographischen Perspektive als ›aufgeschriebene Sprache‹ zu verstehen? Als eine Hybridbildung zwischen Diskursivem und Ikonischem wurzelt das spezifische Darstellungspotenzial der Schrift in einem Wechselverhältnis von Sprache und Bild.73 So könnte man als das zentrale Paradoxon der Schrift ihre Sichtbarkeit bezeichnen. Ist diese zum einen unhintergehbare Bedingung dafür, dass Schrift überhaupt wahrgenommen und gelesen wird, so erweist sich doch gerade die Sichtbarkeit in ihrer materiellen Dichte als Resistenzphänomen ihrer restlosen Einspeisung in Programme des Codierens und Decodierens. In der Medialität und Materialität der Schrift interferieren Repräsentation des Zeichens und Präsenz der Graphie, Lesen und Sehen – mit dem die Lettern transzendierenden Lesen auf der einen Seite also die ›transitive‹ Semiose und mit dem Sehen auf der anderen die ›intransitive‹ Wahrnehmung der sinnresistenten Materialität des Signifikanten. Im Folgenden gilt es insbesondere den zweiten Pol zu akzentuieren: den Pol der Schriftfläche, ihrer Faktur und ihrer Textur. Die Sichtbarkeit der Schrift ist von der Faktualität ihres Erscheinens her zu fassen, im »Körper der Graphie«74. In diesem Erscheinen wirkt die Eigenevidenz von Schrift. Das Spektrum solcher Eigenevidenzen umfasst nicht nur die »materialen Ekstasen graphischer Texturen und literaler Fakturen, die Faktizität und Konkretizität der optisch wahrnehmbaren Letter«. Es enthält auch die »Schauspiele und Schauplätze der gestischen Inszenierung und jeglicher Performanz von Schrift«.75 Noch vor signifikatorischen Leistungen sind wir damit konfrontiert, dass Schrift zuallererst sich selbst zeigt, statt auf etwas zu verweisen. Sichtbarkeit der Schrift provoziert in diesem Zusammenhang kein sinnstabiles Lesen, sondern ein neues Sehen auf die widerständigen, selbstevidenten Fakturen der Graphie. Dieser dingliche Rest an Unverfügbarkeit im Medium Schrift zwischen Materialität und Semiotizität eröffnet über die Frage nach der Sichtbarkeit der Schrift ein mediales Spannungsfeld, das Sichtbarkeit in die Nähe zur Bildlichkeit und aller ihrer Kippformen vom Ornament über die Figur bis zur Arabeske rückt. Damit demonstriert sich im Medium der Schrift ein technisches Dispositiv des Visualisierens. Denn zwischen Auge und Graphie sind auch jene Kulturtechniken nachzuvollziehen, welche die Sichtbarkeit der Sprache zu einer Sache der Schrift machen: wie etwa der Text als Schriftbild das Wort zum Ding macht, oder wie die Sprache durch Schrift handhabbar und manipulierbar wird. Als ein Hybrid aus Sprache und Bild also birgt das ›Zwitterwesen‹ Schrift ein Potenzial, welches das Vermögen seiner Einzelkomponenten übersteigt. Schrift bildet nicht nur Text, sondern zuallererst eine Textur, ein Gewebe von räumlichen Relationen. Damit steht eine ›Schriftbildlichkeit‹ zur Diskussion, die Texten und Notationen eignet und ein aisthetisches und greift, um ›Schrift‹ als eine Kategorie digitaler Operativität zu denken und den Schreibakt dem Rechner zu überantworten. Siehe K: Erschriebene Denkräume, insbesondere: S. 137–148. 73 Siehe zum Folgenden S, Susanne/W, Georg: Die Sichtbarkeit der Schrift, Berlin 2004, URL: http://www2.hu-berlin.de/slawistik/sichtbarkeit/expose.htm (Februar 2006). 74 S, Susanne/W, Georg: Die Sichtbarkeit der Schrift zwischen Evidenz, Phänomenalität und Ikonizität. Zur Einführung in diesen Band, in: D. (Hrsg.): Die Sichtbarkeit der Schrift, München 2006, S. 7–18, hier: S. 7. 75 S/W: Die Sichtbarkeit der Schrift.

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VI. A operatives Potenzial eröffnet, für das es in der mündlichen Sprache keine Entsprechung gibt.76 In verschiedenen Typen und Praktiken eröffnet Schrift einen in der Wahrnehmbarkeit und Materialität zweidimensionaler Anordnungen wurzelnden Raum des operativen Umgangs mit Zeichen, eines Umgangs, der diese Anordnungen formatiert und so für epistemische Prozesse nutzt. Insofern wird verständlich, warum Eduard Dijksterhuis die Notizbücher von Wissenschaftlern als ein »epistemological laboratory«77 bezeichnet und Wolfgang Raible aus sprachwissenschaftlicher Perspektive mit Blick auf die Arbeitsmanuskripte von Schriftstellern den Begriff des epistemischen Schreibens, eines Schreibens im Interesse des Gewinns von epistêmê, Wissen, in die Debatte eingeführt hat78. Raible räsoniert in Anlehnung an Heinrich von Kleist über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Schreiben. Erst durch den Vollzug des Schreibaktes, so seine These, bildeten sich Gedanken heraus. Beim Schreiben klare auf, was im Strom fluider mentaler Aktivität dunkel bleibe, und amorphe Vorstellungen kristallisierten sich in distinkte Gedanken aus, indem wir sie in Gestalt schriftlicher Äußerungen vor uns hin ›stellten‹ und damit objektivierten. Das Gedachte und Vorgestellte sei weitgehend simultan und ungeordnet, und der Zwang schriftlicher Äußerung mache aus dem ungeordneten simultanen Ganzen eine linear geordnete Abfolge von Zeichen, die als solche die Gedanken und Vorstellungen wieder rezipierbar mache. Demnach ermöglicht die Externalisierung eines Gedankens durch die Schrift – vergleichbar dem monologischen, egozentrischen Sprechen – Selbstbeobachtung und reflektive Modifi-

76 Siehe K, Sybille: ›Schriftbildlichkeit‹ oder: Über eine (fast) vergessene Dimension der Schrift, in: D./B, Horst (Hrsg.): Bild – Schrift – Zahl (Reihe Kulturtechnik), München 2003, S. 157–176; .: Zur Sichtbarkeit der Schrift oder: Die Visualisierung des Unsichtbaren in der operativen Schrift. Zehn Thesen, in: S/W (Hrsg.): Die Sichtbarkeit der Schrift, S. 75–83; G, Davide/K, Stephan (Hrsg.): Bilder der Handschrift. Die graphische Dimension der Literatur, Frankfurt a. M./Basel 2006; sowie A, Hubertus von/ A, Dieter/W, Peter in Zusammenarbeit mit L, Angela (Hrsg.): Notation. Kalkül und Form in den Künsten, Berlin 2008. 77 Eduard Dijksterhuis, zitiert nach H, Frederic L./R, Jürgen/R, Hans-Jörg: Introduction, in: D. (Hrsg.): Reworking the Bench, S. vii–xv, hier: S. vii. 78 Siehe R, Wolfgang: Über das Entstehen der Gedanken beim Schreiben, in: K, Sybille (Hrsg.): Performativität und Medialität, München 2004, S. 191–214. Daneben liegen Forschungen zu epistemologischen und kreativen Aspekten von Schreibpraktiken bislang nur in Ansätzen vor. Siehe über die oben genannte Literatur hinaus S, Hans Jürgen: Verlagerung des Mythos in die Struktur. Hölderlins Bearbeitung des Orpheus-Todes in der Odenfolge Muth des Dichters – Dichtermuth – Blödigkeit, in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Internationales Organ für Neuere Deutsche Literatur 45, 2001, S. 250–277; Rß, Johannes: Das Notizbuch als Werkzeug des Kunsthistorikers. Schrift und Zeichnung in den Forschungen von Wilhelm Bode und Carl Justi, in: H: Daten sichern, S. 73–102; sowie W, Barbara (Hrsg.): Spuren erzeugen. Zeichnen und Schreiben als Verfahren der Selbstaufzeichnung (Wissen im Entwurf, Bd. 2), Zürich/Berlin 2009.

. E   G kationen des Gedankens in einer kritischen Distanz und damit epistemische Effekte, sprich Erkenntnisgewinn.79 Auch bei Warburg ist die Klärung des noch Unklaren der kognitive Effekt eines epistemischen Schreibens. Warburg übte das Aufzeichnen in möglicher Vollständigkeit und unterzog seine Notizen fortwährend klärenden Prozessen, die zu mannigfaltigen ›Bildern‹ von Streichungen und Ersetzungen führten und zu einer unaufhörlichen Abwandlung von Begriffen, die Gombrich pointiert »kaleidoskopartig«80 nennt. Für Warburgs Schreibakte gilt wie auch für seine Bildakte, dass eine Ausblendung ihrer aktualen Realisierung gerade ihre generative Dimension übersehen ließe. Warburgs Schmieden von Worten und Ringen um Formulierungen bringt plastisch Heise zum Ausdruck: »Mit diesem Arbeitsprozeß hing es auch zusammen, daß er mit fast übertriebener Strenge aus der endgültigen Formulierung seiner Schriftsätze alles ausmalende Rankenwerk, jedes ausschließlich von der Phantasie her bestimmte Wort bei der feilenden Durchsicht tilgte, alle Aussage immer stärker komprimierte, und zwar in solchem Maße, daß seine durch Klarheit der Gedankenführung bestechenden Arbeiten doch streckenweise mühsam zu lesen sind. So präzise wie möglich und kein Wort zuviel – das ist gewiß ein Prinzip, das Respekt verdient, aber auch dem Leser wird äußerste Konzentration beim Aufnehmen des an sich schon schweren, weil neuartigen Gehaltes zugemutet.«81 Auf Warburgs Schreiben als ein »Mittel zum Denken mit dem Stift in der Hand«82 weist auch, mit anderem Akzent, Heckscher hin. Tatsächlich änderte Warburg um die Jahreswende 1911/12 seine Schrift in der Weise, dass er in ein und demselben Wort lateinische und deutsche Buchstaben vermengte. Vor diesem Zeitpunkt hatte Warburg noch lateinische Buchstaben für Fremdwörter und Eigennamen bevorzugt, während er den sonstigen Text in deutscher Schrift geschrieben hatte, wie es unter deutschsprachigen Autoren üblich war. Heckscher interpretiert diesen Befund in sehr einleuchtender Weise, Warburgs graphematische Spur bis in sein Ideengebäude verfolgend: »Gehe ich weiterhin recht in meiner Annahme, dann meine ich, daß dies nicht nur eine Enthüllung seines ihm eigenen Willens war, die Einheit scheinbar unvermeidbarer Elemente in der Struktur eines Kunstwerks aufzudecken, sondern auch seines Verlangens nach einem überwältigenden Synthe-

79 »Beim Schreiben oder danach wird der Schreibende zu seinem eigenen Leser. Er rekonstruiert die Bedeutung dessen, was er aufgeschrieben hat und vergleicht sie mit der Intention, die er gehabt hat – wonach dann, in einem Korrekturprozess oder in einem nächsten Planungsprozess, das Schreiben weitergehen und der Schreibprozess seine nächste Stufe erreichen kann.« R: Über das Entstehen der Gedanken beim Schreiben, S. 201 f. Raible stützt seine Argumentation auf psychologische Studien, die zeigen, wie jenes selbstbezogene Sprechen, sei es in kindlichen Selbstgesprächen oder als inneres Sprechen Erwachsener, die kognitive Problemlösung und die narrative Konstruktion von Welt stützt. Siehe R: Über das Entstehen der Gedanken beim Schreiben, S. 193–197. 80 G: Aby Warburg, S. 15. 81 H: Persönliche Erinnerungen an Aby Warburg, S. 25. 82 S-G/M: Einführung, S. XXXIII.

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VI. A sebedürfnis, das sich selbst in einem so intimen Bereich wie seiner Handschrift bei der Niederschrift von Alltagsphänomenen manifestierte.«83 In diesem intimen Bereich konnte es zeitweise zu regelrechten Exzessen und graphematischen Ekstasen kommen, wie ein Blick in die persönlichen Tagebücher Warburgs aus seiner Kreuzlinger Zeit zeigt.84 Hier verleiht die Materialität des Graphems unentzifferten, irritierend-erregenden und vielleicht in das Bewusstsein des Schreibenden blitzartig einschlagenden Phänomenen einen Objektstatus, indem es diesen in einem Wechselspiel von Auge, Hand und Instrument zu einer Art von Körperlichkeit verhilft, die wiederum jene Phänomene auch in einem literalen Sinn handhabbar macht und bannen lässt. Daneben aber sind Warburgs Papiere durchsetzt und überzogen nicht nur von kleinen »Warn- und Aufmerksamkeitsfigurinen«85 oder veritablen Denk-Figuren (Abb. 11286), son83 H: Die Genesis der Ikonologie, S. 136–140 (mit den Abb. der entsprechenden Manuskriptblätter). Heckscher weist überdies, mit Blick auf beider Korrespondenz, darauf hin, dass Warburg mit Klages’ graphologischen Studien vertraut war. Siehe H: Die Genesis der Ikonologie, S. 161 Anm. 48. Warburg hatte für seine Bibliothek eine umfangreiche Sammlung graphologischer Fachliteratur angelegt, die auszuwerten ein Desiderat zukünftiger Forschungen ist. Sein Interesse an der Graphologie wundert insofern nicht, als es sich für ihn hierbei auch um eine Art ›bewegten Beiwerks‹ gehandelt haben mag, das Einblicke in innere, psychische Dynamiken gewährt. Zu jenen Schriften gehören beispielsweise: L, Edward (Hrsg.): The Art of judging the character of individuals from their handwriting and style, London 1875; B, Rosa: Character indicated by handwriting. A practical treatise in support of the assertion that the handwriting of a person is an infallible guide to his character, 2., korrigierte und erweiterte Aufl., London 1886; L, Cesare: Handbuch der Graphologie. Autorisierte Übersetzung nach dem Italienischen der 1. Aufl. mit neuen Zusätzen des Verfassers von Gustav Brendel. Mit graphologischen Anmerkungen und 470 Faksimiles, Leipzig 1896; K, Ludwig: Handschrift und Charakter. Gemeinverständlicher Abriß der graphologischen Technik, Leipzig 1917; D.: Ausdrucksbewegung und Gestaltungskraft. Grundlegung der Wissenschaft vom Ausdruck, Leipzig 1923; S, Max: Handschrift und Zeichnung von Künstlern alter und neuer Zeit, Leipzig 1924; K, Ludwig: Zur Ausdruckslehre und Charakterkunde. Gesammelte Abhandlungen, Heidelberg 1926; C-J, Jules: Die Grundlagen der Graphologie und der Schriftexpertise, Heidelberg 1927; sowie zwei (!) Ausgaben von P, William T.: Zur Psychologie des Schreibens. Mit besonderer Rücksicht auf individuelle Verschiedenheiten der Handschriften, Hamburg/Leipzig 1895, und Leipzig 1928 (Die spätere Ausgabe stammt aus der 3., mit der ersten übereinstimmenden Auflage, die durch ein Geleitwort von Klages ergänzt ist). – Zu Heckscher siehe S-G, Charlotte/S, Elizabeth: Verzetteln als Methode. Der humanistische Ikonologe William S. Heckscher (Hamburger Forschungen zur Kunstgeschichte. Studien, Theorien, Quellen, Bd. 6), Berlin 2008. 84 Vgl. D-H: L’image survivante, S. 372–377. 85 S-G: »Contakt bekommen«, S. 285. 86 Hier wird die »Nachahmung durch Einkehr in das Objekt (Identification d. Perpendikel)« in so kurioser wie hintersinniger Weise visualisiert, so hat es zumindest den Anschein: Während das Subjekt (?) »S« durch eine Form verkörpert wird, die an eine Glühbirne erinnert, könnte es sich bei dem Objekt (?) »O« um eine Lampenfassung handeln. Das hieße, dass Warburg die Einkehr eines Subjekts in ein Objekt dachte wie das Eindrehen einer Birne in eine Lampenfassung. Und diese Einkehr würde dann eine Nachahmung bedeuten, die durch passgenauen ›Kontakt‹ und daraus resultierendem ›Stromfluss‹ etwas erhellend Neues hervorbrächte, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Diese Deutung verweist zumindest auf Warburgs Konzeption eines ›Nach-

. E   G Abb. 112: Denk-Figur Aby Warburgs

dern auch von zahlreichen und vielfältigen Diagrammen, die einer näheren Betrachtung wert sind. Ein Diagramm soll hier verstanden werden im Sinne einer »sowohl Schrift wie Zeichnung verbindenden zweidimensionalen Visualisierung von Relationen zwischen Wissensgebieten und vor allem auch: von Beziehungen zwischen Begriffen«87. Steht die Schrift zwischen Sprache und Bild, so markiert das Diagramm die Nahtstelle zwischen Schrift und Bild. Jegliches Arrangement von Schriftzeichen auf einer Fläche bedeutet zunächst, dass die Zeichen in der Zweidimensionalität – mitunter auch in der Dreidimensionalität – nebeneinander, übereinander, nah beieinander, entfernt beieinander, verbunden miteinander, getrennt voneinander et cetera stehen können. Das heißt, dass das Schriftbild die eindimensionale Ordnung des Sprachflusses aufbricht und erlaubt, Konfigurationen zusammenzustellen, durch Anordnung oder graphische Mittel aufeinander zu beziehen oder voneinander zu trennen, durch Überschriften, Kommentierungen, Fußnoten, Zeilen, Rahmen, lebens‹ – bleibt aber reine Spekulation. Siehe WIA, III.43.2.2.1. »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (1912, Juli)«, Bd. 2: 1896 – (Erste Copie v. H(ermine) S(chreiber)), S. 125 (Eintrag vom 13. März 1896). 87 K: ›Operationsraum Schrift‹, S. 38. Dem historisch wie systematisch denkbar weit verzweigten Gebiet der Diagrammatik steht ein erst langsam erwachendes Forschungsinteresse gegenüber. Siehe B, Jacques: Graphische Semiologie. Diagramme, Netze, Karten (1967), Berlin 1974; G, Petra/K, Thomas/M, Jörg F./U, Wolfgang Maria (Hrsg.): Diagrammatik und Philosophie, Amsterdam 1992; B, Ulrike Maria: Das Diagramm. Kunsthistorische Betrachtung über seine vielfältige Anwendung von der Antike bis zur Neuzeit, Münster 1993; T, David: Towards an Epistemology of Scientific Illustration, in: B, Brian S. (Hrsg.): Picturing Knowledge. Historical and Philosophical Problems Concerning the Use of Art in Science, Toronto/Buffalo/London 1996, S. 215–249; K, Thomas: Diagram Design. A constructive Theory, Berlin/Heidelberg/New York u. a. 1999; G, Andreas: Imaginationen des Unsichtbaren. Zur Gattungstheorie des wissenschaftlichen Diagramms, in: H (Hrsg.): Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, S. 51–71; A, Michael/M, Bernd/O, Patrick (Hrsg.): Diagrammatic Representation and Reasoning, Berlin/Heidelberg/New York u. a. 2002; B, Steffen/T, Felix: Jenseits der Opposition von Text und Bild. Überlegungen zu einer Theorie des Diagramms und des Diagrammatischen, in: P, Alexander (Hrsg.): Die Bildwelt der Diagramme Joachims von Fiore. Zur Medialität religiös-politischer Programme im Mittelalter, Ostfildern 2003, S. 1–22; S, Birgit (Hrsg.): Diagramme und bildtextile Ordnungen (Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik 3 (1), 2005, hrsg. von B, Horst/W, Gabriele); M, Kathrin: Visuelle Weltaneignung. Astronomische und kosmologische Diagramme in Handschriften des Mittelalters (Historische Semantik, Bd. 11), Göttingen 2008; S, Steffen: Tabula. Figuren der Ordnung um 1600, Berlin 2009; sowie B, Matthias/E, Christoph: Diagrammatik. Einführung in ein kultur- und medienwissenschaftliches Forschungsfeld, Bielefeld 2010.

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VI. A Klammern oder Ähnliches zu gliedern, das Schriftbild im Überblick zu erfassen, in ihm zu springen, Passagen umzustellen, probeweise zu löschen oder nachträglich einzufügen, mithin mehrdimensionale Ordnung herzustellen und in solcher Ordnung zu operieren.88 In der zwischen notationalem Bild und ikonischem Notat oszillierenden Hybridform Diagramm wird also »das Schriftbild über die Schwelle der Schrift hinausgeführt«89 und weitet sich zu einem Operationsraum. In diesem Operationsraum wird die räumliche Struktur des Textes zur Verkörperung seiner ideellen Struktur. Dabei ist – wie beim Bilderatlas auch – der operative Kern der Diagrammatik die Performanz einer in ihr angelegten Modellbildung: »Eine diagrammatische Visualisierung vollzieht und zeigt, was sie beschreibt und steht auf diese Weise dem Beschriebenen zugleich Modell.«90 Auch im Bildakt ›Diagramm‹ also werden Gedanken nicht nur dargestellt, vielmehr überhaupt erst hergestellt. Warburg wies dem Diagramm eine wichtige Rolle für sein Bilddenken zu. Aus der Konfrontation mit einer überbordenden Materialfülle heraus und dem Wunsch, dieser mit einer unüberbietbaren Genauigkeit Herr zu werden, probierte er »Bewegung[en] zwischen dem Kleinen und dem Großen, dem Einzelnen und dem Überblick, zwischen dem analytischen und dem synthetischen Impuls«91. Diese Bewegungen verdichteten sich zu Diagrammen, in denen Warburg den Versuch unternahm, weitgespannte raumzeitliche Zusammenhänge miteinander zu verklammern und in ein sinnstiftendes Gefüge zu bringen. So geht mit einem elliptischen Notationsstil samt formelhaften Verkürzungen eine elaborierte Diagrammatik Hand in Hand.92 Als ein Beispiel seien im Folgenden strukturelle Eigentümlichkeiten eines Diagramms in den Blick genommen, das im Tagebuch der K.B.W. anders als jene kleinen Figurinen eine ganze Seite füllt (Abb. 113).93 Das in Rede stehende Diagramm wird gerichtet durch den Aufbau der Tagebuchseite. An deren oberem Rand markiert das römische Zahlzeichen »II« einen neuen Abschnitt. Nachträglich und schnell von oben nach unten gezogene weite Bögen umspannen seinen Operationsraum, der in verschiedene Plätze segmentiert ist. Anders als bei der Aufteilung etwa in Haupttext und Fußnote oder Überschrift und Fließtext folgt diese Einteilung keiner Konvention; vielmehr ist sie freie Schöpfung ihres Autors.94 Die Plätze werden durch symbolische Zeichen – unter dem Diagrammtitel »Energetik« als Evokationen elektrischer Ladun88 Vgl. R, Wolfgang: Die Semiotik der Textgestalt. Erscheinungsformen und Folgen eines kulturellen Evolutionsprozesses (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Jg. 1991, Abh. 1), Heidelberg 1991; sowie K: Erschriebene Denkräume, S. 164 f. 89 K: ›Operationsraum Schrift‹, S. 37. 90 K: ›Operationsraum Schrift‹, S. 42. 91 S-G/M: Einführung, S. XXXVII. 92 Vgl. auch Abb. 45 und 46. 93 Eine Transkription des Diagramms findet sich in W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 398. 94 Die Rolle örtlicher und nachbarschaftlicher Relationen für das Darstellungspotenzial der Schrift betonen Eva Cancik-Kirschbaum und Bernd Mahr, indem sie Schrift auf das Prinzip der ›Allokation‹, einer Zuordnung von Zeichen zu Plätzen, zurückführen. Siehe C-K, Eva/M, Bernd: Anordnung und ästhetisches Profil. Die Herausbildung einer universellen

. E   G Abb. 113: Diagramm Aby Warburgs

gen zu deuten95 – sowie durch schriftliche Ausdrücke für Personen oder Sachverhalte markiert, für die es darauf ankommt, dass sie nicht nur benannt, sondern genau an dieser Stelle im Diagramm platziert sind. Und zwischen diesen Plätzen wiederum gibt es gepunktete wie durchgezogene Verbindungslinien, die verschiedene argumentative Figuren bilden. Diese graphische Basis hilft, die im Diagramm verkörperte Erkenntnis zu erschließen, die sich über topologische Bezüge wie rechts/links, oben/unten, zentral/peripher organisiert.96 Dabei kann die topologische Ordnung nicht nur konkrete Räume strukturieren, sondern auch weniger Fassbares wie die Ordnungen von Intensitäten oder Spannungen, aber auch eine Vielzahl semantischer Beziehungen erzeugen, seien es vergleichend-klassifizierende, hierarchische oder auch logische.97 So ist es nicht zu weit hergeholt, das besagte Diagramm in Absehung von seinen konkreten Inhalten auch als ein Experimentierfeld für eine Ideographie von ›Polarität‹ zu deuten. Abgesehen von den Plus- respektive ›Ladungszeichen‹, die Warburg verwendete, wird ›Polarität‹ gewöhnlich durch rudimentäre Baumdiagramme gekennzeichnet, die Relationen, Über- und Unterordnungsverhältnisse manifestieren.98 Warburg nutzt diese topologisch-schematische Darstellung des Verhältnisses von Gattungs- und Artbegriffen

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Kulturtechnik in der Frühgeschichte der Schrift, in: S (Hrsg.): Diagramme und bildtextile Ordnungen, S. 97–114. Vgl. auch etwa W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 253 (Eintrag vom 3. Mai 1928) oder S. 404 (Eintrag vom 10. Februar 1929): »Petrarca als Künder der + Spannung«. Vgl. B/T: Jenseits der Opposition von Text und Bild. Siehe S, Birgit: Diagramm und bildtextile Ordnung, in: D. (Hrsg.): Diagramme und bildtextile Ordnungen, S. 9–19, insbesondere: S. 15. Siehe zu dieser besonderen Form des Diagramms S-B, Astrit: Stammbäume der Kunst. Zur Genealogie der Avantgarde, Berlin 2005; sowie S: Tabula, insbesondere: S. 49–90.

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VI. A in gleich drei Ausrichtungen, als nach unten, nach oben und nach rechts aufspringende Gabeln. Selbige setzen in der Regel Begriffspaare in ein paralleles oder dichotomisches Verhältnis, so bei Warburg am deutlichsten am unteren Seitenrand in der Entgegensetzung zweier Arten von Gewissen (»conscience«): dasjenige von Helden (»heroes«) und das von Feiglingen (»cowards«). Daneben spielt Warburg mit diversen Klammerformen: runden, geschweiften oder Mengenklammern. Auch diese strukturieren nicht nur das Schriftbild, sondern konstituieren Einheiten, und zwar in einer Weise, die weder den Regeln der Sprache noch denen der Mathematik verpflichtet ist, vielmehr allein aus der Selbstorganisation eines sich in und durch die Verschriftlichung Übersicht schaffenden Denkens resultiert. Weiterhin lässt sich dem Diagramm seine Prozessualität und ›allmähliche Verfertigung‹ ablesen. Zu den im diachronen Schreibfluss eingesetzten Elementen kommen diejenigen, die in den verschiedenen Stadien der Nachbearbeitung eingefügt worden sind. Dazu zählen einzelne Kommentierungen von früher getroffenen Formulierungen (»kosmisches«, »(Formung)«) genauso wie deren Revisionen, greifbar mit der Überschrift, zu deren erster Version »Energetik« bei einer Überarbeitung augenscheinlich die Worte »Das interesselose Wolgefallen [sic!] an der« sowie »an sich« getreten sind. Auch scheint der vereinzelt an den oberen Rand gesetzte Name »Mithras« nachträglich mit dem Diagramm verspannt worden zu sein – eine Operation, die besonders aufschlussreich ist, versucht man sie in ihrem zeitlichen Verlauf zu rekonstruieren: Offenbar erinnerte das ausgeführte Diagramm in seiner bipolaren Spreizung Warburg an die mythologische Figur Mithras, deren Name er daraufhin links oben notierte. Um die in dieser Figur verkörperte Polarität zu kennzeichnen, verband er dann den Namen durch zwei Linien mit den Begriffsfeldern »Gesetzmäßigkeit der Dynamik / Wissenschaft« und »Die Form als epischer Schmerz«, so wie er es zuvor schon im Falle Apolls getan hatte. Diese geschwungenen Linien99 nun sind es, die ihrerseits Struktur und Sinn des Diagramms weiter schärfen. Nicht nur verklammern sie die einzelnen Zeilen und losen Assoziationen Warburgs zu einem sich dadurch weiter fügenden ›Bild‹; auch heben sie graphisch als am weitesten greifende und dominante Gabel die Kernaussage der Darstellung, die polare Verfasstheit einer jeden kulturellen Energieleistung, erst eigentlich hervor. Im Zuge von Warburgs Schreibarbeit am und durch das Diagramm geriet »Mithras« von einer schlichten, beiläufigen Ergänzung zu einem zentralen graphischen Katalysator von dessen Bildung und Idee – oder, mit Latour formuliert, jene zirkulierende Referenz pointierend: »Die erkannte Welt und die erkennende Welt formen einander ständig um.«100 In und durch sein schreibendes Denken, in einem »Er-schreiben«101 sinnfälliger Relationen verfügte Warburg also über die Möglichkeit, ganz unterschiedliche Notationssysteme, etwa alphanumerische Zeichen und solche für elektrische Ladungen, kombinatorisch zu verwenden. Dabei gehorchen diese graphischen Operationen nicht vorgegebenen Regeln 99 Der Umstand, dass die linke Linie anfangs gepunktet ist, könnte darauf hindeuten, dass Warburg nicht nur an die Figur des Mithras selbst, sondern auch an kulturspezifische Abwandlungen derselben dachte. 100 L: Der »Pedologen-Faden« von Boa Vista, S. 197. 101 K: Erschriebene Denkräume, S. 166.

. E M der Syntax und Semantik, sondern arbeiten bedeutungsvolle Zusammenhänge heraus, indem sie geläufige und weniger geläufige Formen auf unkonventionelle Weise kombinieren und transformieren. Davon legt insbesondere das »Energetik«-Diagramm beredtes Zeugnis ab, wenn es – wiewohl eine Zufälligkeit – am Seitenende ausgerechnet den Ausdruck »(Formung)« auf einen Nicht-Ort zwischen »Sieg« und »Schmerz« platziert. In einer Perspektive der kreativen Praxis und des Erschreibens von Denk- und Ordnungsmöglichkeiten erscheint Warburgs Schrift in ihrer Schriftbildlichkeit als ein Medium, das Strukturen so manifestiert, dass sie Akten der Veränderung und Neukonfigurierung zugänglich werden. Indem das eine neben das andere gehalten werden kann, in übersichtliche Darstellung gebracht, umgeformt und umgestellt, werden im Erschreiben Differenzen allererst entdeckt und erfunden. Damit erweist sich Schrift in der Materialität schriftlichen Handelns als ein mitnichten neutrales Mittel, sondern als ein starkes Medium, in dem die Figürlichkeit der Schriftzeichen, die Sichtbarkeit ihrer Anordnungen mit der Möglichkeit eines Wechselns zwischen isolierendem Zugriff und synthetisierendem Zusammensehen gemeinsam mit Motoriken verschiedener Art die Bildspiele der Augenfälligkeit in Potenzen von Sinnfälligkeit überführen und epistemische Möglichkeitsräume eröffnen. Vor diesem Horizont suchte Warburg nicht nur mittels seines Atlas nach einer alle denkbaren Relationalitäten überhaupt erst ermöglichenden »Ikonologie des Zwischenraums«102. Gerade Warburgs Schreiben war es, das dieses ›Dazwischen‹ als den zentralen Antrieb seines kulturhistorischen und -geographischen Denkens, aber auch seines »Sieg« und »Schmerz« kennenden Ringens um die »Formung« seiner Gedanken in actu vollzog.

3. Elektrisierende Metaphern Warburg dachte in Bildern nicht nur im Medium seines Atlas oder der Schriftbildlichkeit seiner Ideographie, sondern auch in der Bildlichkeit seiner sprachlichen Ausdrücke. Es war genau diese Ausdrucksform, mit der Warburg zeitlebens am ärgsten haderte, befürchtete er doch unaufhörlich, an seiner Sprache zu scheitern. Noch zweieinhalb Jahre vor seinem Tod klagt er über »im alten gedrängten Aalsuppenstyl«103 geschriebene Texte, die »geleichtert«104 werden müssten; und knapp zweieinhalb Monate vor demselben, als er das Vorwort zum Jahresbericht des Florentiner Kunsthistorischen Institutes zu verfassen hat, gesteht er ein: »Die ›Prefazione‹ zu dem Jahresbericht ist eine hundsgemeine Quälerei. Aber das kommt vom – Klarmachefimmel! –«.105 Jener »Fimmel« lässt sich unzähligen »kreiselnde[n] 102 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 434 (Eintrag vom 11. April 1929). 103 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 70 (Eintrag vom 20. März 1927). 104 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 70 (Eintrag vom 21. März 1927). 105 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 508 (Eintrag vom 20. August 1929).

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VI. A Notaten[n]«106 und sprechenden Annotationen im Tagebuch der K.B.W. ablesen, gelegentlichen Invektiven, mittels derer Warburg seine Missbilligung einzelner Formulierungen zum Ausdruck brachte; so wird etwa Gertrud Bing auf deren vermeintlich fälschlichen Gebrauch des Wortes »Großzügigkeit« hin beschieden: »Groß-heit Großzügigkeit ist Surrogat in Gesten für Größe«107. Seine Furcht zu fehlen ließ Warburg aufmerksam die Reaktionen anderer auf seinen Sprachgebrauch registrieren, durch die er sich regelmäßig zu einer nüchternen Reflexion seines Stils angehalten sah: »Ein zuständiges Urteil erkenne ich – im äußeren Ring – nur meinem Pauli und Schumacher zu: der findet, daß ich meinem Stil treu zu bleiben habe, aber ermahnt mich zu kürzerer Entladung: Da hat er – wie die Getreuen – Recht.«108 Jene Reaktionen konnten kaum eindeutiger sein als zur Kreuzlinger Zeit, als Warburgs Vorlieben und Veranlagungen durch seine Krankheit extremisiert wurden. Selbst seinem ex post gepriesenen Versuch, das Schlangenritual der Hopi in Vortragsform zu diskursivieren, wurde laut Eintrag in der Krankenakte seitens der behandelnden Ärzte kein gutes Zeugnis ausgestellt: »Der Vortrag selbst war mehr eine Plauderei im Anschluß an das Photomaterial, eine Fülle von Wissen entwickelnd aber [sic!] in etwas ungeordneter Weise, die Hauptsachen zu stark mit Beiwerk umhüllt, bedeutende Gesichtspunkte nur nebenbei angedeutet, mit intim archäologischen Anspielungen, die nur ganz wenige aus dem Zuhörerkreise verstehen konnten.«109 Und anderer Äußerungen waren in dieser Zeit noch deutlicher in ihrer Abkanzelung, wenn sie Warburg eines »Galimathias stereotyper Neologismen«110 ziehen. Es ist beachtlich, wie intensiv sich Warburg mit dem sprachlichen Ausdruck auseinandergesetzt hat. Seine Bibliothek zählt etliche sprachwissenschaftliche Untersuchungen, die nicht selten Anstreichungen und Anmerkungen von Warburgs Hand aufweisen.111 Noch 106 B-W, Dorothée: Strömungen – Begegnungen, in: K: Ekstatische Kunst – Besonnenes Wort, S. 47–54, hier: S. 47. 107 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 266 (Eintrag vom 5. Juni 1928). 108 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 132 (Eintrag vom 26. August 1927); siehe auch S. 145 (Eintrag vom 14. September 1927): »Beide [Oskar von Miller und Franz Fuchs,T. H.] stockten wol bei dem inneren Versuche, meine Rede in klaren Unterschriften für jedermann auf die Bilder zu verteilen. Ein an sich unmögliches Beginnen.« – Weitere Beispiele nennt W: »Wort und Bild«, S. 31. 109 B, Ludwig/B, Kurt: Krankengeschichte Kreuzlingen 16. April 1921–12. August 1924, in: B/W: Die unendliche Heilung, S. 33–92, hier: S. 79. – Dass Warburg sich von seinem Typoskript löste und frei sprach, bestätigen positiver eingenommene Schilderungen aus den Federn seines Sohnes Max Adolf sowie Fritz Saxls. Siehe ME, Dorothea: Zur Entstehung des Vortrages über das Schlangenritual: Motiv und Motivation/Heilung durch Erinnerung, in: B, Cora/H, Thomas/S, Erhard (Hrsg.): »Schlangenritual«. Der Transfer der Wissensformen vom Tsu’ti’kive der Hopi bis zu Aby Warburgs Kreuzlinger Vortrag (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, Bd. 16), Berlin 2007, S. 267–282, hier: S. 278 f. 110 E, Heinrich: Heinrich Embden an Hans Berger. Hamburg, den 27. August 1920, in: B/W: Die unendliche Heilung, S. 254. 111 Angestrichen hat Warburg etwa einen Passus, den man als ein Credo seiner bildrhetorischen Didaxe begreifen könnte: »Jede Vorstellung, die sich einprägen soll, muß wie ein Bild vorgeführt

. E M Abb. 114: »Moderne Abbreviatur«

1927 bemerkt er »Möchte eine Dissertation veranlassen: Wortgebrauch bei Jakob Burckhardt«,112 und seine Zettelkästen umfassen diverseste Ausschnitte und Notizen, die bekunden, wie mitunter metikulös, aber auch feinspürig Warburg bezüglich des sprachlichen Ausdrucks war. So sammelte er nicht nur Zeitungsartikel über den sich zunehmend ausbreitenden »vergewaltigenden, wahrheitsmordenden, unterdrückerischen und unduldsamen« Superlativ113, sondern mokierte sich auch über den Wildwuchs von Abkürzungen. Eine seiner Sprachexpertisen kaprizierte sich unter dem Rubrum »Moderne Abbreviatur« beispielsweise auf folgendes in einer Tageszeitung annoncierte Arbeitsgesuch: »Ein sol. kr. Mann, Mil., ged. mit gut. Z. schr. wie mündlich d. in Hambg. u. in der Umgd. gut Besch. w., sucht Stell. als Hskn. oder Bote in irgd. welch. Branche. Kl. Bäckerstr. 5, III.« (Abb. 114). Warburg schlüsselt die verwendeten Abkürzungen korrekt auf – »Ein solider, kräftiger Mann, Militär gedient, mit guten Zeugnissen, schriftlich wie mündlich der in Hamburg und in der Umgegend gut Bescheid weiß, sucht Stellung als Hausknecht oder Bote in irgend welcher Branche.« –, nicht ohne indessen den mehrdeutigen Abkürzungen augenzwinkernd auch einen gegenläufigen Sinn abzugewinnen: aus »Mil. ged.« wird »gediegener Millionär«.114 Neben dem Vergleich scheint Warburgs Aufmerksamkeit insbesondere der Metapher gegolten zu haben. Nebst Literaturhinweisen finden sich in seinen Zettelkästen eine Vielzahl von Exzerpten zu den Themen »Sprachwissenschaft allg.« oder »Sprachgebrauch«.115 In der letztgenannten Rubrik fällt eine umfangreiche, mit »Vergleich« betitelte Kladde auf

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werden, was man erst in den äußeren Umrissen erfaßt, dann näher kommend in den Einzelheiten (Perspektive).« R, Walther: Sprachpsychologische Studien. Vier Abhandlungen über Wortstellung und Betonung des Deutschen in der Gegenwart, Sparsamkeit, Begründung der Normalsprache, Halle a. S. 1897, S. 52. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 103 (Eintrag vom 19. Juni 1927). Zettelkasten Nr. 52 (»Litteratur«): WIA, III.2.52/029096–7: »Der Rausch des Superlativs. Von Dr. Georg Biedenkapp (Frankfurt)«. Siehe auch WIA, III.2.52/029097–8no2: »Weg mit den Superlativen. Henry Wotton«. Zettelkasten Nr. 52 (»Litteratur«): WIA, III.2.52/029126: »Moderne Abbreviatur«. Siehe Zettelkasten Nr. 52 (»Litteratur«): WIA, III.2.52.

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VI. A Abb. 115: Metapher und Vergleich

und in dieser eine weitere mit »Empirisches z. Vergleich« beschriftete: Hier versammelte Warburg Zettel mit Zitaten aus Schriften Goethes, Grillparzers, Storms, Hebbels, Kellers, Roquettes oder Shakespeares, aber auch aus Werken der Sekundärliteratur, von Alfred Biese – dessen Metapherntheorie für Warburg zentral war und im Folgenden eingehender behandelt werden wird –, Friedrich Theodor Vischer oder Carl Justi. Aus Justis Monographie über Velázquez, um nur ein Beispiel zu nennen, legte Warburg zwei eigenhändige Exzerpte ab, die ihm wegen der metaphorischen und vergleichenden Bildlichkeit der Sprache bemerkenswert schienen: »Ueberragt von der Sierra, welche den Ort vor der Welt draußen hütet, liegt ein enges Thal, das ein Quell zur Oase umgeschaffen hat.« sowie »Aber wenn man am Fuss der Sierra von Balsain, wie ein Werk von Aladin’s Lampe den Park von San Ildefonso vor sich sieht, so hält das Vorurtheil nicht Stand.« (Abb. 115).116 Insofern könnte es verfehlt sein, so die im Weiteren auszufaltende These, die metaphorische Ausdrucksweise Warburgs zu marginalisieren oder als etwas zu betrachten, welches das Eigentliche verunkläre.117 Einen ersten Hinweis darauf, welche Bedeutung die Metaphorik für Warburg gehabt haben könnte, gibt mit Blick auf die eingangs erwähnten stereotypen Reaktionen dessen zeitweiliger Mitarbeiter Klaus Berger: »Die Abkürzungen hatten es ihm überhaupt angetan, ob nun AEG, SDN, FDP oder was sich sonst in den Sprachgebrauch eingeschlichen hatte: Zur Hölle mit ihnen, wenn sie sich zu ihrem vollen Namen nicht bekennen wollen, rief er zornig aus. Im Namen steckt doch etwas Wesentliches! Und als er gar eine riesige Annonce sah, in der eine neue Zigarette mit der Bezeichnung Nestor lanciert wurde, protestierte er im Interesse humanistischer Bildung bei der Firma und drohte, die ganze Macht des Bankhauses Warburg gegen sie loszulassen, falls ›Nestor‹ nun von jedermann verraucht werden könne. Solche kleinen Streiche, soweit sie bekannt wurden, wurden auch in Warburgs Umgebung nicht immer freundlich begrüßt 116 Zettelkasten Nr. 52 (»Litteratur«): WIA, III.2.52/029131: »Justi Velazquez 1888 Vgl.«. 117 Siehe etwa Joachim Knape, der Warburgs Stil als »unscharf oder metaphorisch«, als »willkürlich« und »nichts zeichentheoretisch Konsistentes« hervorbringend abgewertet wissen will. K, Joachim: Gibt es Pathosformeln? Überlegungen zu einem Konzept von Aby M. Warburg, in: D, Wolfgang/M, Stefan/W, Norbert (Hrsg.): Muster im Wandel. Zur Dynamik topischer Wissensordnungen in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung, Bd. 5), Göttingen 2008, S. 115–137, hier: S. 121.

. E M oder in ihrem ätzenden Witz richtig aufgenommen. Die einen bemühten sich, sie vollkommen zu vertuschen, andere, sie mitleidig-herablassend zu entschuldigen als die Äußerungen eines von seinem Nervenleiden noch nicht ganz ausgeheilten Patienten! Als ob es sich um Unfälle eines rational begrenzten Konformisten gehandelt hätte, und nicht um metaphorische, indirekte Mitteilungen aus tiefsinnigen Bezügen. In der chiffrierten Aussage fand Warburg ja doch die Höhe seines Stils, seines dämonischen Humors, seiner Weisheit.«118 Tatsächlich erweist sich Warburgs Metaphorik als ein weiteres epistemisch produktives Element in dem komplexen Arrangement seiner experimentellen Praktiken. Kennzeichnend für Warburgs theoretischen Duktus ist die Aneignung von Begriffen, die er weniger aus den Geisteswissenschaften, sondern sehr viel häufiger aus naturwissenschaftlichen oder technischen Domänen entlehnt. Dabei fusionieren heterogenste Begrifflichkeiten, um naturwissenschaftliche oder technikhistorische Gesichtspunkte auf ästhetische Phänomene zu beziehen.119 Warburg macht Anleihen aus der Biologie, dem Verkehrswesen oder dem Finanz- und Bankwesen und bedient sich bei den Sprachspielen der Ökonomie oder der Psychologie. Sein besonderes Augenmerk aber gilt der Physik, »die einen besonderen Status als Leitdisziplin hat«120, und der er Vorstellungsgebilde wie »Transformatio energetica«, »psychischer Seismograph«, »Antennerich[ ]« oder »Physik des Denkraums« verdankt.121 118 B, Klaus: Erinnerungen an Aby Warburg, in: F: Mnemosyne, S. 49–57, hier: S. 53. 119 Die Überlagerung und Durchdringung ›technischer‹, ›menschlicher‹ und ›natürlicher‹ Sprachformen und Inhalte untersucht prinzipiell J, Karlheinz: Maschine, Mentales Modell, Metapher. Studien zur Semantik und Geschichte der Techniksprache (Reihe Germanistische Linguistik, Bd. 123), Tübingen 1991. 120 Z: Wissenschaft in Bildern, S. 230. Zu Recht aber schränkt Port ein, dass der Oberbegriff »Physik« ein Produkt nachträglicher Zusammenschau sei und eine Homogenität suggeriere, die sich in Warburgs Texten so nicht finde: »Physikalische Grundbegriffe, Teilbereiche, experimentelle Apparaturen und technisch-industrielle Anwendungen sind in wilden Katachresen mit kunstgeschichtlichen und kulturpsychologischen Entitäten konfundiert.« P: »Transformatio energetica«, S. 18. Port bezieht sich auf Rieger, der mit Blick auf die Adaption der Mneme-Theorie Richard Semons durch Warburgs Gedächtniskonzept eine »lose[ ] Kopplung von Medien und Metaphern des Gedächtnisses« konstatiert, die in einer »großangelegten epistemischen Katachrese« mündeten: »Schrift, Stimme, Magnetismus und Elektrizität werden zu Synonymen.«. R, Stefan: Richard Semon und/oder Aby Warburg: Mneme und/oder Mnemosyne, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, Sonderheft 1998, hrsg. von A, Aleida/W, Manfred/W, Martin (»Medien des Gedächtnisses«), S. 245–263, hier: S. 259. 121 Siehe Abschnitt »›Telegraphierte Bilder‹«. – Die etwa im Tagebuch der K.B.W. am häufigsten auftretende Metapher zur Kennzeichnung eines im weitesten Sinne kommunikativen Aktes zwischen einem Sender und einem Empfänger ist »funken«. Siehe beispielsweise W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 20 (Eintrag vom 1. November 1926: »In der Garderobe funkt es noch nicht! Ständiger Dienst zwischen 4–7 nötig!«), S. 22 (Eintrag vom 6. November 1926: »Meine Augen funken nicht richtig.«), S. 36 (Eintrag vom 17. Dezember 1926: »Die Bibliographie der Zeitschriften und Rezensionen funkte mal wieder.«), S. 125 (Eintrag vom 24. Juli 1927: »Heute morgen hat die Firma K.B.W. (Inhaber Warburg und Saxl) brilliant gefunkt; den Brief an das Deutsche Museum haben wir (hören Sie, Herr Saxl??) wirklich stilgemäß confektioniert.«), S. 131 (Eintrag vom 21. August 1927: »Technisch störend war, daß

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VI. A Derartige Amalgamierungen ergeben Wortspiele von einer eigenwilligen Hybridität und Bedeutsamkeit, die im Folgenden in den Blick genommen werden sollen. Als Stilmittel, so die communis opinio, sei die Metapher eine rhetorische Figur, die als ›uneigentliche‹ Rede eine ›eigentliche‹ Aussage in veranschaulichender oder ausschmückender Weise zum Ausdruck bringe.122 In der Tradition der auf Aristoteles zurückgehenden so genannten Substitutionstheorie wird die Metapher als ein deplazierter Terminus verstanden, der eine nicht-metaphorische Aussage ersetzt. Auch hinsichtlich der Verwendung von Metaphern in wissenschaftlichen Diskursen ist diese Sichtweise verbreitet, wobei die Diskussion entlang der Opposition von Rationalität und exakter Begrifflichkeit einerseits und der Metapher als Phänomen subjektiver und imaginativer Sprache der Literatur und Poesie andererseits verläuft. Gegenüber einer wissenschaftlichen Beobachtungssprache, die objektiv, wertneutral und bedeutungsinvariant zu sein habe, gilt die Metapher als ein defizienter Modus und »eine Störung von Ordnung mit verdunkelnden Effekten«123, mit anderen die Statistiken noch nicht funkten.«), S. 190 (Eintrag vom 4. Januar [sic! – tatsächlich handelt es sich um Februar] 1928: »Schön, daß Gertrud Bing wieder als Cicerone funken konnte.«), S. 217 (Eintrag vom 7. März 1928: »Freund, der mit dem neuen [Federhalter von, T. H.] Mont-Blanc noch ungeschickt funkte, hatte plötzlich dintenüberströmte Finger, was mich veranlaßte, ihm sofort eine eigene Handbürste zu überreichen, damit auch er dem Ehrgeiz des Kunsthistorikers, trotz seines schmutzigen Berufes, immer schlohweiße Hände zu haben, nachleben könne.«), S. 437 (Eintrag vom 14. April 1929: »Picatrixbilder angekommen (trefflich funkende K.B.W.!«), S. 443 (Eintrag vom 24. April 1929: »College Bing darf sich von der Ekligkeit von Annie nur ein wenig im praktischen belehren lassen: in der Hauptsache hat mein Reise- und Denkgefährte gerade auf diesem Abstecher ohne mich glänzend als Signalstation für das Problem, das uns beide kommandiert, gefunkt. Das ist das Wesentliche.«) oder S. 519 (Eintrag vom 3. September 1929: »Die Vorführung des Laufbandes funkte wegen der Theestunde nicht […].«). – Zum selben Bedeutungsfeld gehören Metaphern wie »Funkgerät« und »Fernsprecher«. Eingeladen, an einer Festschrift für das von Fritz Höger entworfene, in einem Planetarium gipfelnde Verlagsgebäude des »Hannoverscher Anzeiger« mitzuwirken, notiert Warburg: »Es müsste den Lesern erstens klar gemacht werden, daß sie nach einer Selbstorientierung, die Genese ihres kosmischen Funkgerätes betreffend verlangen [sic!] und daß zweitens zu diesem Zweck ein astronomischhistorisch durchgebildeter Erklärer dauernd vorhanden sein muß: Sonst steht das Planetarium nicht höher als das Gaudium eines Flohcircusses. Die Festschrift ist ein Fern- und Lautsprecher unvergleichlicher Art, den ich benutze, wie ich will, um die Spießer-Seele zu erschüttern.« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 215 (Eintrag vom 3. März 1928). 122 Siehe grundlegend zur Metapher E, Ekkehard: Metapher, in: U, Gert (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 5: L-–Musi, Tübingen 2001, Sp. 1099–1183; sowie R, Eckard: Metaphertheorien. Typologie, Darstellung, Bibliographie, Berlin 2005. Siehe auch zum Beispiel T, Bernhard H. F.: Metaphern und Gleichnisse in der Philosophie. Versuch einer kritischen Ikonologie der Philosophie, Frankfurt a. M. 2004; C, Franz Josef/E, Thomas (Hrsg.): Zur Metapher. Die Metapher in Philosophie, Wissenschaft und Literatur, München 2007; H, Anselm: Metapher. Die Ästhetik in der Rhetorik. Bilanz eines exemplarischen Begriffs, München 2007; und J, Matthias (Hrsg.): Metaphern in Wissenskulturen, Wiesbaden 2010. 123 B, Christina: Metapher und Experiment. Von der Virusforschung zum genetischen Code (Wissenschaftsgeschichte), Göttingen 2004, S. 29.

. E M Worten als ein Indiz ›schlechter‹ Wissenschaft respektive als ein Phänomen, das erst in der populären Vermittlung wissenschaftlicher Sachverhalte ins Spiel zu kommen hat. Im Zuge der jüngeren Wissenschaftsforschung ist indessen nicht nur die Trennung zwischen einem harten Kern wissenschaftlicher Tätigkeit einerseits und ihrer Popularisierung andererseits problematisch geworden, auch wird die Wirkungsweise der Metaphorik nicht mehr nur in ihrer Rhetorizität gesehen.124 Ganz im Gegenteil wird die produktive Funktion der Metaphorik gerade im Bereich wissenschaftlicher Innovation herausgestellt.125 Tatsächlich finden sich Metaphern nicht nur in der Sphäre der Vermittlung oder der öffentlichen Diskussion wissenschaftlicher Resultate, sondern sind ebenso originäre und integrale Elemente des wissenschaftlichen Arbeitens wie Modelle, Experimente, Instrumente oder Theorien. Wenn man grundsätzlich davon ausgeht, dass Sprache Handlung ist, wird bewusst, dass wissenschaftliche Realitäten nicht allein durch experimentelle Apparaturen, technische Möglichkeiten oder theoretische Definitionen erzeugt werden, sondern ebenso durch sprachliche Formen, die nicht ein bloßes Instrument der Vermittlung sind, sondern vielmehr eine eigene mediale Dynamik aufweisen. Als eine kulturelle Instanz entfalten metaphorische Bildfelder ein Eigenleben, das weit darüber hinausgeht, lediglich einen neuen Wahrnehmungs- und Beschreibungsrahmen bereitzustellen. In ihrer Art sprachlicher Welterfassung ist immer auch ein Handlungspotential, ein Moment der Welterzeugung präsent.126 Dementsprechend setzt die so genannte Kreativitätstheorie den Prozess des 124 Dass Metaphern in der Wissenschaft nicht bloß auf der Ebene populärwissenschaftlicher Wissensvermittlung Verwendung finden, sondern auch in der wissenschaftlichen Begriffs- und Theoriebildung eine Rolle spielen, dass also metaphorischer Sprachgebrauch und ›exakte‹ Wissenschaftlichkeit einander nicht ausschließen, ist in der Fachsprachenforschung in den achtziger Jahren allmählich zur Kenntnis genommen worden, auf Grund von Anstößen aus der Psychologie und Kognitionsforschung, aus der Philosophie oder der Wissenschaftstheorie. Siehe zum Beispiel B, Richard: Metaphor and Theory Change: What is »Metaphor« a Metaphor for?, in: O, Andrew (Hrsg.): Metaphor and Thought, Cambridge/London 1979, S. 356–408; K, Thomas S.: Metaphor in Science, in: O (Hrsg.): Metaphor and Thought, S. 409– 419; M, Janet/H, Rom: Metaphor in Science, in: M, David (Hrsg.): Metaphor: Problems and Perspectives, Brighton/Atlantic Highlands (New Jersey) 1982, S. 89–105; S, Oliver R.: Metaphern in der Wissenschaft, in: P, Janos G. (Hrsg.): Texte und Sachverhalte. Aspekte der Wort- und Textbedeutung (Papiere zur Textlinguistik, Bd. 42), Hamburg 1983, S. 23–33; D, Lutz/G, Andreas/P, Klaus (Hrsg.): Metapher und Innovation. Die Rolle der Metapher im Wandel von Sprache und Wissenschaft (Berner Reihe philosophischer Studien, Bd. 16), Bern/Stuttgart/Wien 1995; M, Sabine/W, Peter: Metaphors and the Dynamics of Knowledge (Routledge Studies in Social and Political Thought, Bd. 26), London/ New York 2000; B, Ken: Metaphor and Knowledge. The Challenges of Writing Science (SUNY series. Studies in Scientific and Technical Communication), Albany 2003; sowie B, Theodore L.: Making Truth. Metaphor in Science, Urbana/Chicago 2003. 125 Wegbereiter für diese Diskussion waren vor allem B, Max: Models and Metaphors. Studies in Language and Philosophy, Ithaca (N. Y.) 1962; und H, Mary B.: Models and Analogies in Science (1963), Notre Dame (Ind.) 1966. 126 Siehe B, Christina: Zum Gebrauch von Metaphern und Symbolen. Metaphorologische und historische Notizen zum Schrift- und Informationsdiskurs in den Biowissenschaften, in: S, Thomas von/S, Rüdiger (Hrsg.): Inszenierungen zur Gentechnik. Konflikte,

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VI. A Denkens mit dem Generieren von Metaphern gleich, was in letzter Konsequenz eine Akzentverschiebung »vom kreativen Ausdruck zur Kreation durch Ausdruck«127 bedeutet. Dabei wirkt der Bildspender gleichsam als ein Filter, der die Wahrnehmung des Bildempfängers auf neue und ungewohnte Weise prägt, und vice versa. Metaphern vermitteln sowohl auf Grund ihrer Artikulation einer Ähnlichkeitsbeziehung wie auch auf Grund ihrer semantischen Unschärfe neue Wahrnehmungs- und Assoziationsmöglichkeiten. Eine neue durch eine Metapher angelegte Perspektive lenkt zwar den Blick in eine bestimmte Richtung, schafft aber noch keine festgelegte Sicht auf die Dinge, was zu neuen Fragestellungen führen kann. Tatsächlich wird die Dynamik wissenschaftlicher Forschung nicht zuletzt dadurch motiviert zu klären, wie weit bei einer produktiven Metapher die durch diese vorgeschlagenen Strukturähnlichkeiten zwischen bildspendendem und bildempfangendem Bereich reichen. Der metaphorische Prozess selbst kann demnach getreu der Aristotelischen Tradition zunächst als ein Übertragungsprozess charakterisiert werden. Ein Konzept oder ein Wort wird aus einem Kontext in einen anderen übertragen, in dem sein Gebrauch nicht geläufig ist. Durch diese Übertragung kommt es zu einem Zusammenschluss zweier Bereiche, die vorher nicht in eine solche Relation zueinander gebracht worden sind. So bahnen Metaphern als »Schnittstellen oder Knotenpunkte in einem Netzwerk von verschiedenen Wissens- und Praxisbereichen«128 eine wechselseitige Rückkopplung zwischen diesen. Maßgeblich aus Sicht der jüngeren Metapherntheorie ist der Umstand, dass die metaphorische Bedeutung nicht lediglich aus jenem Zusammenschluss ableitbar und keinesfalls durch eine ›wörtliche‹ Bedeutung über- oder ersetzbar ist. Dies unterscheidet die so genannte Interaktionstheorie von der Substitutionstheorie. Die Bedeutung einer Metapher wird auf komplexere Weise erzeugt, indem nicht nur der bildspendende und der bildempfangende Bereich interagieren, sondern zusätzlich der gesamte Kontext von Relevanz ist, in dem die Metapher gebraucht wird. In der wechselseitigen Interaktion von Metapher und Kontext erhellt sich die metaphorische Bedeutung. Sie kommt einem »Prozess des Oszillierens«129 gleich: einem Auswählen, Betonen oder Verwerfen von Eigenschaften, die im allgemeinen Verständnis mit beiden Bereichen verbunden und simultan aktiviert werden. In dem sich daraus aufbauenden Spannungsfeld liegt ein wesentlicher Aspekt der metaphorischen Dynamik. In diesem Feld nämlich werden in einem Akt »konfliktgeladener Integration«130

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Kommunikation und Kommerz, Wiesbaden 2000, S. 142–152; sowie D, Petra: Die kognitive Metapher als Werkzeug des Denkens. Zur Rolle der Analogie bei der Gewinnung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse (Forum für Fachsprachen-Forschung, Bd. 62), Tübingen 2003. H, Felix: Der Schatten der Philosophie. Neuere Literatur zum Phänomen der Metapher, in: Philosophische Rundschau 51, 2004, S. 212–233, hier: S. 217. B: Zum Gebrauch von Metaphern und Symbolen, S. 146. B: Zum Gebrauch von Metaphern und Symbolen, S. 146. B: Zum Gebrauch von Metaphern und Symbolen, S. 146. Diese Position, die eine Stillstellung der Semiose nicht denken kann und will, hebt sich von wissenschaftstheoretischen und sprachwissenschaftlichen Positionen ab, welche die Metapher als imaginatives Initial eines Prozesses betrachten, an dessen Ende die terminologische Fixierung ihres anfänglich va-

. E M Differenzen und zugleich auch Ähnlichkeiten produziert – in den Worten Paul Ricœurs, der als Vertreter einer »Spannungstheorie« der Metapher131 gilt: »[…] das metaphorische ›ist‹ bedeutet zugleich ›ist nicht‹ und ›ist wie‹«132. In ebendiesen semantischen Interferenzen liegt das Potential der innovativen Metapher begründet, nämlich »neue Referenzbereiche und damit neue Wirklichkeiten zu schaffen«133. Im Falle Warburgs ist der treibende Motor für die Entfaltung des für ihn vielleicht innovativsten Bildfeldes im technowissenschaftlichen Kontext der Jahrhundertwende, mithin in der Erfolgsgeschichte der Elektrifizierung und Elektrotechnik zu suchen. Zu behaupten, allein die Metaphorik aus dem Feld der Elektrizität habe Warburgs kulturhistoriographische Möglichkeiten eröffnet, schlösse jedoch zu kurz, wäre historisch wenig haltbar und würde der Komplexität wissenschaftlicher Entwicklungen kaum gerecht werden. Mit dem Konzept der Elektrotechnik verbindet sich aber, das sei an dieser Stelle bereits angedeutet, ein wirkmächtiges Potential, das sein Denken in Bildern für genau jene Polaritäten gen Bedeutungsgehalts steht. Diese Positionen sind schon deswegen fragwürdig, weil sie den Gedanken eines wissenschaftlichen Fortschritts vertreten, der schlussendlich eine ›adäquate‹ und ›objektive‹ sprachliche Beschreibung von Natur und Welt verheißt. Siehe B: Zum Gebrauch von Metaphern und Symbolen, S. 145; sowie .: Metapher und Experiment, S. 45. Der Ansicht, dass es möglich sei, Kontrolle über die Metapher zu bekommen, die sich in jenem Prozess gleichsam abnutze, steht als prominenteste Position diejenige Hans Blumenbergs diametral entgegen. Blumenbergs Metaphorologie erinnert daran, dass eine Perspektive, die in den Metaphern lediglich »Rudimente auf dem Wege vom Mythos zum Logos« sehen möchte, zu kurz greift. Die Metapher nur als einen Vorgriff auf eine spätere Begriffs- oder Theoriebildung zu betrachten, werde dem Überschuss der Metapher, der sich nicht in eine begriffliche Eindeutigkeit überführen lasse, nicht gerecht. Für Blumenberg stellt die Metapher eine »katalysatorische Sphäre« dar, »an der sich zwar ständig die Begriffswelt bereichert, aber ohne diesen fundierenden Bestand dabei umzuwandeln und aufzuzehren«. Demzufolge suche die Metaphorologie, so Blumenberg – selbst in Metaphern schwelgend und seine Metaphernlehre auch in actu vollziehend –, »an die Substruktur des Denkens heranzukommen, an den Untergrund, die Nährlösung der systematischen Kristallisationen«. B, Hans: Paradigmen zu einer Metaphorologie (1960), 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1999, S. 10, 11 und 13. Blumenbergs Metaphorologie knüpft damit an die Metapher eine »Theorie der Unbegrifflichkeit«. Gemäß dieser stellt Metaphorik nicht etwas sekundär Abgeleitetes dar, das einer begrifflichen Erfassung von Welt nachgeordnet wäre, sondern sie reklamiert vielmehr eine Ursprünglichkeit, die jeglicher Begriffsbildung vorausgeht und in der Welterfahrung ebenso wie wissenschaftliche Einstellungen verwurzelt sind. Siehe auch .: Ausblick auf eine Theorie der Unbegrifflichkeit (1979), in: D.: Ästhetische und metaphorologische Schriften. Auswahl und Nachwort von Anselm Haverkamp, Frankfurt a. M. 2001, S. 193–209; sowie .: Theorie der Unbegrifflichkeit. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Anselm Haverkamp, Frankfurt a. M. 2007. Allgemein zur Metaphorologie als einer Methode, welche die Praxis der Theoriebildung untersucht, siehe H, Anselm/M, Dirk (Hrsg.): Metaphorologie. Zur Praxis von Theorie, Frankfurt a. M. 2009. 131 Siehe B, Andris: Impertinente Prädikate. Davidson, Ricœur und der Streit um die kognitive Funktion der Metapher, in: J, Matthias (Hrsg.): Metaphern in Wissenskulturen, Wiesbaden 2010, S. 187–201, insbesondere: S. 193. 132 R, Paul: Die lebendige Metapher (Übergänge, Bd. 12) (1975), München 1986, S. 10. 133 B: Metapher und Experiment, S. 41.

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VI. A und Spannungen zu sensibilisieren vermochte, die Warburg stets als wesentliche Merkmale seiner kulturhistorischen Gegenstände beschrieb.134 Auch hält die Elektrodynamik im Gegensatz etwa zu Biologismen, die nicht selten die Irreversibilität linearer Prozesse unterstellen, das methodologisch relevante Modell einer Vernetzung von Phänomenen bereit, das vielfältige Austauschbewegungen impliziert, ohne an chronologische oder geographische Richtungsbestimmungen gebunden zu sein.135 Hinsichtlich seiner Überlegungen zur Metaphorik stützte sich Warburg insbesondere auf Überlegungen des Literaturhistorikers Alfred Biese, die er für die Kunstwissenschaft fruchtbar machte (Abb. 116).136 Biese unterstreicht gleich zu Beginn der Einleitung »Was 134 Historisch frühere wechselseitige Verschränkungen epistemologischer und poetologischer Diskurse über Elektrizität untersucht G, Michael: Elektropoetologie. Fiktionen der Elektrizität 1740–1870, Göttingen 2009. 135 Siehe zum letztgenannten Argument A: Ströme und Strahlen, S. 162 f. 136 Darauf hat wohl Roland Kany erstmals hingewiesen, ohne aber auf Biese näher einzugehen. Siehe K, Roland: Mnemosyne als Programm. Geschichte, Erinnerung und die Andacht zum Unbedeutenden im Werk von Usener, Warburg und Benjamin (Studien zur deutschen Literatur, Bd. 93), Tübingen 1987, S. 150. Bereits unter dem Datum 21. März 1890 findet sich in Warburgs Sammlung »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (monistischen Kunstpsychologie)« die Notiz »Lekt. v. Biese« samt einem von Warburg kommentierten Exzerpt aus Bieses Abhandlung »Das Associationsprincip und der Anthropomorphismus in der Aesthetik«. Siehe WIA, III.43.1.1. »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (monistischen Kunstpsychologie)«, Bd. 1: 1888–1895, S. 29. Warburg nannte mehrere Publikationen Bieses zur Theorie der Metapher sein eigen, darunter: B, Alfred: Das Metaphorische in der dichterischen Phantasie. Ein Beitrag zur vergleichenden Poetik, Berlin 1889; zuerst erschienen als .: Das Metaphorische in der dichterischen Phantasie, in: Zeitschrift für vergleichende Litteraturgeschichte und Renaissance-Litteratur, N. F. II, S. 317–339; .: Das Associationsprincip und der Anthropomorphismus in der Aesthetik. Ein Beitrag zur Aesthetik des Naturschönen, Kiel 1890; sowie .: Die Philosophie des Metaphorischen. In Grundlinien dargestellt, Hamburg/Leipzig 1893. – Schoell-Glass hat darauf aufmerksam gemacht, dass Warburg schon früh in einem Exemplar von Friedrich Nietzsches »Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik« folgende Passage zur Metapher »kräftig« markiert hat: »Die Metapher ist für den ächten Dichter nicht eine rhetorische Figur, sondern ein stellvertretendes Bild, das ihm wirklich, an Stelle eines Begriffs, vorschwebt.« Zitiert nach S-G, Charlotte: Aby Warburg und der Antisemitismus. Kulturwissenschaft als Geistespolitik, Frankfurt a. M. 1998, S. 242. Siehe auch S-G: Aby Warburg und der Antisemitismus, S. 102–105. Ferner umfasste Warburgs Bibliothek weitere grundständige metapherntheoretische Werke, unter anderem: G, Gustav: Die Sprache als Kunst (1871–1874), 2. Aufl., Berlin 1885; B, Hermann: Goethes Bildkraft im Lichte der ethnologischen Sprach- und Mythen-Vergleichung, Leipzig 1890; L, Isidore: La Vie des métaphores dans La Bible, Paris 1891; B, Hugo: Der bildliche Ausdruck in den Reden des Fürsten Bismarck, Leipzig 1891; S, L. William: Die Analogie im volkstümlichen Denken. Eine psychologische Untersuchung, Berlin 1893; K, Gustav: Zur Ästhetik der Metapher, in: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, N. F. 103, 1894, S. 221–286; P, Domenico: Saggi d’indici sistematici illustrati con note per lo studio della Espressione Metaforica di concetti psicologici, Turin 1896; S, W.: Essai sur l‘origine psychologique des métaphores, in: Revue philosophique 44, 1897, S. 494–507 und 605–621; S, Emil: Metapher und Subjektivität, in: Euphorion. Zeitschrift für Litteraturgeschichte 5, 1898, S. 217–226; B, Gertrude:

. E M Abb. 116: Titelblatt mit bibliographischen Angaben dreier Rezensionen von B, Alfred: Die Philosophie des Metaphorischen. In Grundlinien dargestellt, Hamburg/ Leipzig 1893

ist metaphorisch?« seiner einschlägigen Monographie »Die Philosophie des Metaphorischen. In Grundlinien dargestellt« den Stellenwert desselben: Das Metaphorische bezeichne nicht etwa, wie in der einschlägigen Rhetorik-, Sprachoder Literaturtheorie angenommen, eine künstliche oder künstlerische Redeweise, einen äußerlichen Schmuck, sondern im Gegenteil »eine naturgemäße und naturnotwendige Ausdrucksweise«, die nicht nur in der Sprache und im Mythos, sondern auch in Religion, Kunst und Philosophie »von hervorragendster Bedeutung« sei.137 Zusammen mit der Analogie sei die Metapher »Grundstock«138 und »das Gesetz jeder werdenden oder entwickelten Sprache«139. Energischer noch formuliert Biese in der früheren Schrift »Das Metaphorische in der dichterischen Phantasie«, die sich als Abbreviatur und stellenweise als Quintessenz jener umfassenden Monographie liest: »Es ist daher endlich der Wahn aufzugeben, daß die Metapher ein poetischer Tropus im Sinne eines Zierrates der Rede – sei es nun in Prosa oder Poesie – sei, sondern sie ist eine jener primären Grundformen unseres menschlichen Denkens überhaupt.«140 Offenbar war Warburg diese bei Biese bereits gesperrt gedruckte, eigens hervorgehobene Passage besonders wichtig, denn er un-

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The metaphor. A study in the psychology of rhetoric (Contributions to rhetorical theory, Bd. 5), Ann Arbor (Mich.) 1899; H, Max: Der metaphorische Bedeutungswandel. Mit besonderer Rücksicht auf seine Entstehung, Königsberg i. Pr. 1904; W, Heinz: Die Ursprünge der Metapher, Leipzig 1919; B, Stephan J. M.: The world of imagery. Metaphor and kindred imagery, London 1927; sowie P, Hermann: Das Bild in der Dichtung. Bd. 1: Versuch einer Morphologie der metaphorischen Formen, Marburg 1927. B: Die Philosophie des Metaphorischen, S. 3. B: Die Philosophie des Metaphorischen, S. 217. B: Die Philosophie des Metaphorischen, S. 13. B: Das Metaphorische in der dichterischen Phantasie, S. 10.

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VI. A terstreicht in seinem Exemplar so kräftig wie selten den Passus »die Metapher […] sondern sie ist eine jener primären Grundformen unseres menschlichen Denkens überhaupt«. Biese bezieht sich auf Giambattista Vico und die auch von diesem propagierte Überzeugung, dass der Mensch das ihm ursprünglich Fremde nach seinem Bild zu begreifen versuche. Demzufolge werde, so Biese, alles, was man nicht begreife, personifiziert. Und daraus folge: »Die ursprüngliche Vorstellungsform ist daher die Metapher.«141 Im Horizont dieses anthropologisch-erkenntnistheoretischen Arguments ist für Biese die Synthese des Inneren und des Äußeren, die Verinnerlichung des Äußeren und die Verkörperung des Geistigen, der notwendige Ausdruck des geistigleiblichen Wesens des Menschen: »Das Metaphorische, in welcher Form es sich auch kundgiebt, ist der naturgemäße Ausfluß jener centralen Nötigung unserer ganzen geistigen Existenz – nennen wir sie das Anthropocentrische – diese selbst zum Maße aller Dinge zu machen, das Äußere, also das an sich Fremdartige durch das einzig voll Bekannte d. i. eben unser eigenes inneres und äußeres Leben uns zugänglich, begreifbar zu machen und andererseits unser Inneres mit allen seinen Regungen, Gedanken und Empfindungen auszugestalten in der Sprache und in der Kunst, in der Religion und in der Philosophie.«142 Die Ursache für diese »Einsetzung des Bekannten für das Fremde, des Sinnlichen für das Geistige und des Geistigen für das Sinnliche« liege in der »Doppelnatur« des Menschen selbst, »die ja nichts anderes als Verkörperung des Geistigen und Vergeistigung des Körperlichen ist«. Und daraus ergebe sich »mit innerer Notwendigkeit als Schema aller Welterklärung unser eigenes physisch-psychisches Sein«.143 Eine zweite wichtige Referenz für Biese sind Überlegungen Jean Pauls mit verwandtem Tenor, die er ausgiebig im Wortlaut wiedergibt. Für Paul sind Metaphern »›Sprachmenschwerdungen der Natur‹« und zeichnen sich durch einen »›Doppelzweig des bildlichen Witzes‹« aus, der entweder den Körper beseelen oder den Geist verkörpern könne: »›Ursprünglich, wo der Mensch noch mit der Welt auf einem Stamme geimpfet blühte, war dieser Doppeltropus noch keiner; jener verglich nicht Unähnlichkeiten, sondern verkündete Gleichheit; die Metaphern waren, wie bei Kindern, nur abgedrungene Synonymen des Leibes und des Geistes. Wie im Schreiben Bilderschrift früher war als Buchstabenschrift, so war im Sprechen die Metaphor [sic!], insofern sie Verhältnisse und nicht Gegenstände bezeichnet, das frühere Wort, welches sich erst allmählich zum eigentlichen Ausdruck ent141 B: Die Philosophie des Metaphorischen, S. 9. 142 B: Die Philosophie des Metaphorischen, S. 3. 143 B: Die Philosophie des Metaphorischen, S. 218. – Symptomatisch-signifikant für Warburgs Nachdenken über Sprache, das – sowohl metaphysisch wie auch analytisch gestimmt – in jenem Sinne weit Auseinanderliegendes umspannt und Mythos und Logos miteinander verquickt, ist folgende Passage über die Genese des »logischen Satzes« im Tagebuch der K.B.W., inspiriert durch einen Vortrag des von Warburg sehr geschätzten Historikers Josef Kroll über den, so Warburg, »Eurasischen Unterweltskampf«: »Das monströse Verflecht und der Kampf mit Monstrum als ›Entflecht‹, das die Distanz zwischen Subjekt und Objekt memisch umprägt und als leibliche Vorerfahrung die Urform des logischen Satzes seelisch vorlebt: ›Subjekt Praedikat Objekt‹ Das Fressen der Seelen durch Hades ist eben die Form der Ur-Subjectsetzung; Praedikat Object werden durch das Erbrechen corporaliter entflochten. Per monstra ad causam.« W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 273 (Eintrag vom 10. Juni 1928).

. E M färben mußte. Das tropische Beseelen und Beleiben fiel noch in Eins zusammen, weil noch Ich und Welt verschmolz. Daher ist jede Sprache in Rücksicht geistiger Beziehungen ein Wörterbuch erblasseter Metaphern.‹«144 Warburg zitiert diesen Gedanken von Paul in Gänze zu Beginn seiner Schrift über »Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten«. Hier legt er sich Rechenschaft über die Fundamente seines geschichtsphilosophischen Denkens ab – eines Denkens in Polen, zwischen welchen der Mensch und seine Artefakte aufgespannt sind, und die letztlich ein – von Paul so noch gedachtes – einsinniges teleologisches Fortschreiten der Geschichte wie der Geschichtsschreibung zu immer mehr Rationalität nicht zulassen. Und hier wird auch erkennbar, wie sehr Warburg durch eine Theorie der Metaphorik, wie Biese sie in Auseinandersetzung mit Paul entwirft, in seinen Grundannahmen geprägt war: »Der Sternkundige der Reformationszeit durchmißt eben diese dem heutigen Naturwissenschaftler unvereinbar erscheinenden Gegenpole zwischen mathematischer Abstraktion und kultisch verehrender Verknüpfung wie Umkehrpunkte einer einheitlichen weitschwingenden urtümlichen Seelenverfassung. Logik, die den Denkraum – zwischen Mensch und Objekt – durch begrifflich sondernde Bezeichnung schafft, und Magie, die eben diesen Denkraum durch abergläubisch zusammenziehende – ideelle oder praktische – Verknüpfung von Mensch und Objekt wieder zerstört, beobachten wir im weissagenden Denken der Astrologie noch als einheitlich primitives Gerät, mit dem der Astrologe messen und zugleich zaubern kann. Die Epoche, wo Logik und Magie wie Tropus und Metapher (nach den Worten Jean Pauls) ›auf einem Stamme geimpfet blühten‹, ist eigentlich zeitlos, und in der kulturwissenschaftlichen Darstellung solcher Polarität liegen bisher ungehobene Erkenntniswerte zu einer vertieften positiven Kritik einer Geschichtsschreibung, deren Entwicklungslehre rein zeitbegrifflich bedingt ist.«145 Mathematische Abstraktion und kultisch verehrende Verknüpfung, Logik und Magie, begriffliche Sonderung und abergläubische Zusammenziehung, Messen und Zaubern: Diese sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Denkgebäude ziehenden »unvereinbar erscheinenden Gegenpole« erkennt Warburg schließlich – ganz dem Bild des Pendels treu bleibend – als »Umkehrpunkte einer einheitlichen weitschwingenden urtümlichen Seelenverfassung«. Diese Einsicht gereicht ihm »zur Selbsterkenntnis des denkenden Menschen« und erweist sich damit nicht nur als Ziel seiner eigenen kulturhistorischen Suchbewegungen, sondern mehr noch: als »das allgemein Bedeutsame«.146 Die von Biese vermittelte Me144 B: Die Philosophie des Metaphorischen, S. 11 und 12. 145 W: Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten (1920), S. 491 f. 146 Der Passus von Warburg lautet im Zusammenhang: »Das allgemein Bedeutsame besteht nun darin, dass ich dadurch Material zur Selbsterkenntnis des denkenden Menschen einliefere, dass ich den Weg von der Konkretion zur Abstraktion nicht als ausschliessende Gegensätzlichkeit sondern [sic!] als organischen Kreislauf im menschlichen Denkvermögen auffasse und nachweise.« WIA, FC, Aby Warburg an Max Warburg, 5. September 1928. Warburg äußert dies anlässlich eines Treffens mit Albert Einstein, das er als Folge und Höhepunkt seiner über Jahrzehnte fortentwickelten Arbeit bestimmt. Hier nimmt er explizit Bezug auf Trope und Metapher, an Hand derer sich die existentiellen »psychophysiotechnische[n] Vorgänge« »des Vergleichens und

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VI. A tapherntheorie konnte für Warburg in diesem Kontext als ein Modell fungieren, das seine Sicht auf die Eigenart der conditio humana zu stukturieren respektive zu konstruieren half. Biese nämlich charakterisierte das Metaphorische als einen Prozess, »welcher von einer schlichten Gegenüberstellung des Gegenständlichen und des Innerlichen [d. i. das Gleichnis, T. H.] zur Verschmelzung beider Elemente in einem Ausdruck [d. i. die Metapher, T. H.] […] führt«147, und die Metapher in dieser Konsequenz als »beide Pole des Daseins verschmelzend[ ]«148. Bieses Philosophie des Metaphorischen lässt Warburgs Denkwege erst recht einander kreuzen, wenn sie an prominenter Stelle mit einem weiteren für Warburgs Theoriebildung grundlegenden Denker aufwartet. Nicht von ungefähr schließt Biese, Symbol und Metapher in einem Atemzug nennend,149 seine Einleitung »Was ist des Gleichnisses«, also jener »Weg von der Konkretion zur Abstraktion« und wieder zurück nachweisen ließen. Siehe B: »4 Stunden Fahrt. 4 Stunden Rede«. Siehe auch Abschnitt »›Himmelskibet‹«, Anm. 35. 147 B: Das Metaphorische in der dichterischen Phantasie, S. 7. 148 B: Das Metaphorische in der dichterischen Phantasie, S. 8. – Insofern greift eine Interpretation, die Warburg in der Metapher ein »Synonym des ›Denkraums‹« sehen lässt und der Metapher »in Bezug auf die Begriffsbildung propädeutische Bedeutung« zuspricht (W: »Wort und Bild«, S. 43), zu kurz. Gegen eine solche Interpretation, die in der Tradition Gombrichs stehend Warburg letztlich als logozentriert begreifen möchte, sprechen auch Äußerungen, in denen Warburg die Metapher gerade als das Andere der Logik adressiert – so etwa, wenn er das Deutsche Museum als einen Ort auszeichnet, »wo Logik und Metapher an einem Stamm sind«. W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 146 (Eintrag vom 14. September 1927). Signifikanterweise macht Warburg seine nicht von der Hand zu weisende Wertschätzung der Metapher als eines Denkraum ermöglichenden Mittlers ausgerechnet am Auftreten des ihm als distanzschaffend geltenden Vergleichspartikels »wie« fest: es werde, so Warburg, »durch das ›wie‹ das Denkraumbewußtsein gewahrt«. Zitiert nach Z: Wissenschaft in Bildern, S. 219. Siehe auch Abschnitt »Die Medialität der Kunstwissenschaft«, Anm. 99. Die Metapher zeichnet sich aber unter anderem gerade dadurch aus, dass sie jenen Partikel, anders als der Vergleich, gleichsam verschluckt, ihn zugunsten besagter »Verschmelzung« implizit werden lässt. Um diesen schon von Aristoteles gezogenen Unterschied zwischen Metapher und Vergleich wusste Warburg nicht zuletzt durch seine intensive, von vielen Annotationen begleitete Lektüre von Friedrich Theodor Vischers Schrift »Das Symbol«, in der es heißt: »In der Rhetorik und Poetik, in der Lehre von den Tropen unterscheidet man Metapher von Vergleichung. Diese gesteht durch ein Wie und So, daß sie nur Vergleichung ist; jene gesteht es nicht, sondern wagt den Schein, als identifiziere sie Inhalt und Bild, während dieses doch nur durch eine seiner Eigenschaften auf jene hinüberweist.« V, Friedrich Theodor: Das Symbol (1887), in: D.: Kritische Gänge. Vierter Band, hrsg. von V, Robert, 2., vermehrte Aufl., München 1922, S. 420–456, hier: S. 421. Zur Bedeutsamkeit dieses Aufsatzes für Warburg siehe Anm. 150 f. 149 »Wie zwischen den Organen des Leibes und der Seele, zwischen physischen und psychischen Erregungen, Bewegungen und Vorgängen aller Art beständig die Analogie waltet, so auch in der Welt des Geistes, in der Wahrnehmung, im Vorstellen und Begreifen und Schließen, in allem Künstlerischen und Philosophischen. Die Analogie des Inneren und Äußeren ist für den Menschen als persönliches, geistig-leibliches Individuum d. h. als ein äußerlich sichtbar seiendes, in Gestalt sich ausprägendes Inneres der Schlüssel des Weltproblems; auf der metaphorischen oder symbolischen Synthese beider im Grunde eine Einheit wie Leib und Seele bildenden Phänomene ruht unser Erkennen und Schaffen.« B: Die Philosophie des Metaphorischen, S. 15 f.

. E M metaphorisch?« mit dem folgenden Zitat ausgerechnet von Vischer, dessen Schrift über das Symbol auch für Warburg von kardinaler Bedeutung war:150 »Überblickt man aufmerksam alle Formen, die sie [die Lehre von den Tropen und Figuren, T. H.] umfaßt, so ergibt sich als Resultat: alle diese Formen laufen darauf hinaus, die Körperwelt zu beseelen und das Geistige zu verkörpern; sie entspringen in der Mannigfaltigkeit ihrer Wendungen alle dem Drang, Geist und Natur, die scheinbar wesentlich Verschiedenen, ineinszuschauen, und so dienen sie samt allen Formen des Symbols und Mythus, das Weltall als Eines vor Sinn und Phantasie zu stellen.«151 Und auf Vischers Frage, ob nicht die Ästhetik den Part dieser Ineinssetzung übernehmen könne, gibt Biese in seiner Schrift die Antwort: »Der Begriff, den er [Vischer, T. H.] sucht, der da das Band bildet zwischen Denken und Dichten, zwischen Wirklichkeit und Phantasie in Sprache und Mythos, Religion und Kunst und Philosophie, ist das als notwendige Folge unseres psycho-physischen Wesens sich ergebende Metaphorische.«152 Über das Benannte hinaus scheint die von Biese vermittelte Theorie ihren Widerhall in Warburgs kulturhistorischem und vor allem -psychologischem Denken zu finden, wie es sich programmatisch im »Schlangenritual« äußert. So konnte Warburg in dem erkenntnistheoretischen Argument, der Mensch mache sich das ihm Unbekannte durch ›anthropomorphe‹ Übertragung verständlich – »auf daß wir das Fremde und Neue der Außen-

150 Siehe V: Das Symbol. Zum Gewicht von Vischers Symboltheorie für Warburgs Nachdenken über dasselbe siehe zuerst W, Edgar: Warburgs Begriff der Kulturwissenschaft und seine Bedeutung für die Ästhetik (1931), in: W: Ausgewählte Schriften und Würdigungen, S. 401–417; sowie K: Mnemosyne als Programm, S. 142–167; B, Bernhard: Zur Begründung der Kulturwissenschaft. Der Symbolbegriff bei Friedrich Theodor Vischer, Aby Warburg und Edgar Wind, in: B, Horst/B, Bernhard/H, Freia/ K, John Michael (Hrsg.): Edgar Wind. Kunsthistoriker und Philosoph (Einstein-Bücher), Berlin 1998, S. 227–248; und Z: Wissenschaft in Bildern, S. 229–262 (mit Lit.). 151 V: Das Symbol, S. 454. 152 B: Die Philosophie des Metaphorischen, S. 16. – Diesen Gedanken verfolgen auch insgesamt fünf Seiten lange maschinenschriftliche Exzerpte Warburgs aus einer 1929 erschienenen Monographie des Philosophen Scott Buchanan mit dem Titel »Poetry and mathematics«, mit der Warburg große Erwartungen verband. Siehe W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 523 (Eintrag vom 10. September 1929): »Davon erhoffe ich viel!«. Nach Buchanan basiert Wissenschaftssprache auf analogischem Denken, das sich in vielerlei Redefiguren äußert: in Metapher, Gleichnis und Allegorie. Konstituentien analogischen Denkens, mithin wissenschaftlicher Erkenntnis seien sowohl Poesie als auch Mathematik: »[…] it can be seen that poetry and mathematics are constituent parts of those analogies and systems of analogies that we call scientific knowledge.« Darüber hinaus gelte: »A purely formal and therefore literal statement is never possible. Pure poetry and pure mathematics, like pure music, are never expressed.« WIA, III.12.12. »Bilderwanderung bis Eckener, Mnemosyne, Logik, Ghirlandaio«, 1929, Fols. 20–24: »Poetry and mathematics by Scott Buchanan«, hier: Fols. 23 und 24. Die Exzerpte stammen aus B, Scott: Poetry and mathematics, New York 1929. Buchanan reklamiert damit für die Sprache der Wissenschaft, auch derjenigen Warburgs, zwei Wurzeln, welche die Triebe spiegeln, von denen Biese spricht: »Poesie und Philosophie sind Reiser an demselben Stamme«. B: Die Philosophie des Metaphorischen, S. 225.

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VI. A dinge durch Erkanntes der Innenwelt bewältigen«153 –, eine Erklärung für die von ihm beobachteten magischen Praktiken der Hopi und ihre anthropo- und zoomorphistische Phantasie finden, den Blitz als eine Schlange zu be-greifen. Ferner lassen sich Verwandtschaften hinsichtlich beider kulturhistoriographischen Konzepts ausmachen: Denn auch Biese treiben – mit Blick auf literarische Gleichnisse und Metaphern – die ›Wanderstraßen‹ der Kultur um: »Manche Gleichnisse wandern überhaupt wie die Motive der dichterischen Stoffe selbst durch die Weltlitteratur und finden immer wieder eine neue charakteristische Färbung und Umformung; ja in der Abhängigkeit ganzer Litteraturepochen von einander lassen sich oftmals Analogien selbst hinsichtlich der Gleichnisse, die wiederkehren und weitergesponnen werden, verfolgen.«154 Und nicht zuletzt kann auch ein so kleines Detail wie die Verwendung der in besagtem Kontext eigentümlichen – metaphorischen – Formulierung »entfärben« ebenfalls durch Warburg als ein wenngleich vager Hinweis darauf gelesen werden, wie sehr Warburg von jener Metapherntheorie beeindruckt gewesen sein mag: Während sich gemäß Paul, laut der von Biese und Warburg zitierten Passage, die Metapher sprachhistorisch betrachtet erst zu abstrakter Begrifflichkeit »entfärben musste«, verwendet Warburg in seiner Arbeit über das »Schlangenritual« denselben Ausdruck in einem ähnlichen Zusammenhang, und zwar zur Kennzeichnung eines Abstraktionsprozesses, der komplexe Bilder »zum mathematischen Zeichen entfärbt«155. Fasst man zusammen, gibt es mehrere Gründe anzunehmen, dass für Warburg Theorie und Praxis der Metaphorik von nicht geringer Bedeutung waren. Tatsächlich fand er mit Metaphern aus dem Feld der Elektrotechnik plastische und vor allem seinem Untersuchungsgegenstand entsprechende Strukturbeschreibungen. Zeichnete sich dieser – sei er als conditio humana, als die Gesamtheit des Kulturschaffens oder als das Nachleben antiker Pathosformeln gefasst – durch seine Polarität aus, für deren Beschreibung Warburg unzählige Wortpaare ausbalancierte,156 so prägten gerade jene Sprachbilder aus der Elektrodynamik die Vorstellungen von eben diesen Spannungen, integrierten Differenzen und raumzeitlich ungebundenen Austauschbewegungen. Wichtiger noch indessen ist die Bedeutung der Metaphorik für Warburg auf einer übergeordneten, der methodologischen Ebene. Warburg selbst pendelte in seinem ›Denken in Bildern‹ zwischen triebhafter Einverleibung und vergeistigender Distanzierung – bis zum psychotischen Zusammenbruch. Bezeichnenderweise kann dieses Denken als fragiles Drittes aus Bild und Begriff nicht in Bild oder Be-

153 B: Die Philosophie des Metaphorischen, S. 15. 154 B: Das Metaphorische in der dichterischen Phantasie, S. 8. 155 W: Schlangenritual, S. 50. Zu einem Kontext dieser Äußerung siehe Abschnitt »›Telegraphierte Bilder‹«, Anm. 100. 156 Eine andere Metapher für Warburgs Ausdrucksvermögen findet Gombrich: »So entwickelt er einen vielschichtigen Stil, eine Art von sprachlicher Kontrapunktik, die es ihm ermöglichen soll, ein Thema anklingen zu lassen, während gleichzeitig das Gegenmotiv in der Begleitung weiterläuft. So wie der Zuhörer einer Symphonie muß auch der Leser von Warburgs Schriften darauf eingestellt sein, auf die lapidarste Anspielung anzusprechen und dem polyphonen Aufbau des Arguments zu folgen.« G: Aby Warburg, S. 31.

. E M Abb. 117: »ja ja«. Handschriftliche Notiz Warburgs in: B, Alfred: Das Metaphorische in der dichterischen Phantasie. Ein Beitrag zur vergleichenden Poetik, Berlin 1889, S. 19

griff zerlegt werden, ist vielmehr durch diese bipolare Spannung ausgezeichnet.157 Dieser Herangehensweise ist die von Warburg exzessiv gebrauchte Figur der Metapher als solche strukturell analog. Wie die Figur der Ellipse lässt sich die Metapher als ein Metasymbol und Metamedium des Warburg’schen Denkens betrachten. Wie sie ist die Metapher Ausdruck einer Kräfteharmonie, die Widerstrebendes vermittelt und das in Pole Auseinandergetretene umspannt. Und wie die Ellipse ist sie eine Figur, »die Dualismus, Polarität und Differenz konstruktivistisch umschließt und positiviert, die Figur einer durch und durch künstlichen, in sich reflektierten Harmonie der Widerstände, in der sich Gegenüberstehendes nicht aufhebt, sondern vermittelt.«158 Genau in diesem Sinne definiert Biese die Metapher – eine Definition, deren Kern Warburg in seinem Exemplar der Schrift unterstreicht und emphatisch mit einem »ja ja« annotiert (Abb. 117): Sie sei »kein Gleichnis […], keine Parallele, keine Gegenüberstellung, – sondern […] harmonische Verschmelzung

157 Wie später auch Berger unterstreicht bereits Erwin Panofsky in seinen Erinnerungen an Warburg eine dessen Charakter wie Methodik auszeichnende concordia discors, die das vorherrschende Bild von Warburg als einem Gelehrten, der »völlig auf der Seite der Vernunft [stand]« (G: Aby Warburg, S. 27), zumindest in Frage stellt: »Das Wesen und das Denken Warburgs waren durch eine ungeheure Spannung bestimmt, die man – um einen Ausdruck zu haben – als eine Spannung zwischen Rationalem und Irrationalem bezeichnen mag. Allein gerade diese Spannung, die er in sich selbst nicht minder als in seinen Forschungsobjekten vorfand, gab seinem Wesen die innere Einheit.« P, Erwin: A. Warburg (1930), in: F: Mnemosyne, S. 29–33, hier: S. 32. 158 J-L: Die Suche nach der symbolischen Form, S. 214.

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VI. A des Verschiedenartigen«159. Und genau in diesem Sinne auch begreift die jüngere Wissenschaftstheorie die Metapher: als ein Medium »konfliktgeladener Integration«160. Warburg gelang nur selten ein Metadiskurs über seine Methodik, vielmehr vollzog er ihn in actu. Unterlagen für ihn Bilder einem permanenten Transformations- und Migrationsprozess, performierte Warburg diesen Prozess durch das Medium seiner Metaphorik als ein wesentliches methodisches Ingredienz seines ›Denkens in Bildern‹.161 Das bedeutet letztlich, dass Warburg – der »weniger beschreiben als beschwören [wollte]«162 – die Metaphorik bewusst einsetzte, weil nur diese ihm einen Vollzug dieses bipolar gespannten Denkens in actu erlaubte, mithin einen Sprechakt ermöglichte – »Wort Ausdruck und zielstrebige Hantierung – Begreifen und Begriff«163. Mit der Metapher als Redefigur und Denkmodell ist der Stil Warburgs somit mitnichten defizitär, sondern im Gegenteil die konsequente Verfertigung wie auch Einlösung seines Denkens selbst noch im Medium der Sprache.164 Der Kreis schließt sich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es bezeichnenderweise McLuhan war, der Medien als Metaphern dachte: »Alle Medien sind mit ihrem Vermögen, Erfahrung in neue Form zu übertragen, wirksame Metaphern«.165 Medien können demnach wie Metaphern etwas Bestehendes auf oder in etwas Anderes übertragen, verwandeln, umformen, neu in-formieren und transformieren, mithin von seinem eigentlichen Sinn in einen neuen Sinn erweitern. Und genau das, was bereits Biese für die Metapher reklamiert hatte – als »umgestaltende Spiegelung[ ]«166 »das eigentliche innerste Schema des Menschengeistes«167 sowie »eine jener primären Grundformen unseres menschlichen Denkens überhaupt«168 zu sein – und in Anlehnung an Kant für das Metaphorische konstatiert hatte – nämlich als eine »primäre Anschauungsform«169 zu fungieren, das heißt als 159 B: Das Metaphorische in der dichterischen Phantasie, S. 19. 160 B: Zum Gebrauch von Metaphern und Symbolen, S. 146. 161 Schon Bing spricht in anderem Zusammenhang von einer »Analogie zwischen den bildnerischen und den literarischen Kommunikationsweisen« Warburgs. B, Gertrud: A. M. Warburg (1965), in: W: Ausgewählte Schriften und Würdigungen, S. 437–454, hier: S. 448. Siehe zu dieser Analogie auch S, Isolde: Wort und Bild im Atlas »Mnemosyne«. Zur pathetischen Eloquenz der Sprache Aby Warburgs, in: K: Ekstatische Kunst – Besonnenes Wort, S. 7–21, insbesondere: S. 14. 162 G: Aby Warburg, S. 30. 163 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 157 (Eintrag vom 7. Dezember 1927) [Hervorhebung T. H.]. 164 Sonach ist auch die in der Einleitung der vorliegenden Studie zitierte Aussage – »Es handelt sich um ein Denken in Bildern […] – nicht durch Metaphern oder sprachliche Äquivalenzen wohlgemerkt, sondern durch den Einsatz des Mediums selbst.« – dahingehend zu modifizieren, dass auch die Metapher ein solches Medium ist und als sprachliches Bild für Warburgs Epistemologie genauso bedeutsam wie das ikonische Bild. 165 ML: Die magischen Kanäle (»Understanding Media«), S. 74. 166 B: Das Metaphorische in der dichterischen Phantasie, S. 2. 167 B: Die Philosophie des Metaphorischen, S. 13. 168 B: Das Metaphorische in der dichterischen Phantasie, S. 10. 169 B: Die Philosophie des Metaphorischen, S. 15.

. E M ein Prinzip, nach dem unsere Wahrnehmungen geformt, geordnet oder vereinheitlicht werden –, nahm McLuhan für die Medientechnologie in Anspruch: Selbige gebe die Normen, Standards und Muster der Wahrnehmung und Erfahrung vor. Auch für Krämer kann der für die Medientheorie relevante Begriff der ›Übertragung‹, der immer auch Veränderung bedeutet, am Vorbild jener Art von Übertragung gewonnen werden, welche für die Metapher grundlegend ist: »Menschliche Kreativität besteht nicht einfach darin, gottesebenbildlich ›etwas Neues zu schaffen‹ (creatio ex nihilo), sondern das, was wir vorfinden, in neue Zusammenhänge zu übertragen und damit auch anders sehen und/oder anders gebrauchen zu können. ›Veränderung durch Übertragung‹ ist hier die Maxime.«170 Dieser Prozess der konstruktiven Verschiebungen und permanenten NeuKontextuierungen, wie er die ambigue und fluktuierende Metapher charakterisiert, ist auch, folgt man dem Konzept des Experimentalsystems, ein wichtiges Merkmal der vernetzten Textur experimenteller Praktiken, zu denen im Falle Warburgs gerade auch dessen zentrale Medien Bilderatlas oder Zettelkästen gehörten. In Warburgs Denkgebäude haben sich Metaphern zu einem epistemischen Medium emanzipiert und metaphorische Sprache und ›Experimentalanordnungen‹ gegenseitig katalysiert. Wenn in der K.B.W. die »Transformatio energetica« buchstäblich in einem elektrischen Generator manifest wurde, hat die Metapher sich nicht nur zu einer konstitutiven Ressource für ein umwälzend neues Forschungsprogramm entfaltet, sondern mehr noch: einen nahezu ontologischen Status erhalten.

170 K: Erfüllen Medien eine Konstitutionsleistung?, S. 84.

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VII. Ausblick

»man lerne, taste sich weiter und kontrolliere«

Für die hier versuchte Interpretation der Genese von Warburgs Bilddenken im Besonderen und damit wesentlicher Züge moderner Kunstwissenschaft im Allgemeinen ließen sich weitere Belege finden. So ist die Ökonomie der Verschriftungen einer Institution wie der K.B.W. noch weitgehend unerforscht. Fängt man beim ausgesuchten Härtegrad eines Bleistifts an und hört mit dem Blick auf die elaborierte Ikonographie des von Warburg entworfenen Bibliotheksgebäudes nicht auf, stellt sich eine Ahnung davon ein, wie viele verschiedene Phänomene des Bewahrens und Erzeugens von Spuren es noch geben mag, die einer näheren Betrachtung wert wären. So betont Heise etwa die Besonderheiten der Bibliotheksnutzung: »Was eine Präsenzbibliothek bedeutet, in der jeder Benutzer sich nicht nur ohne Bestellzettel selbst bedienen kann, sondern in der er auch ohne Katalog, an den Borten entlangblickend, mit den Augen die entscheidende Orientierung vorzunehmen vermag, das hat Warburg unermüdlich an Beispielen demonstriert. Mit Recht behauptete er, daß das schaubare Nebeneinander der thematisch eng zusammengehörenden Bücher sachlich fördernd sei, man lerne, taste sich weiter und kontrolliere.«1 Im Falle Warburgs stand im Zentrum seiner Bibliothek und Arbeit etwas, das im Vorausgegangenen mit keinem einzigen Wort erwähnt wurde: sein Schreibtisch. Begleiten wir also noch ein letztes Mal Heise bei einem Besuch in Warburgs Arbeitszimmer, und lesen wir seine Schilderung, die für sich selbst spricht: »In seiner Bibliothek saß Warburg wie die Spinne in ihrem Netz. Von seinem Schreibtisch aus liefen geradezu spürbar die Fäden zu jeder Bücherabteilung, und man konnte von örtlicher Nähe und Ferne den Grad der Anteilnahme am Stoff ablesen. Übrigens wurde häufig umgruppiert. Während der Arbeit war Warburg vielfach in Bewegung, mit Büchern hantierend, Photographien vergleichend, Notizen schreibend und sofort einordnend. Der Schreibtisch, zu dem er von den breiten, bücherbeladenen Arbeitstischen der übrigen Räume immer zurückkehrte, stand 1

H: Persönliche Erinnerungen an Aby Warburg, S. 28. – Zur K.B.W. in bibliothekswissenschaftlicher Perspektive siehe S, Hans-Michael: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Geschichte und Persönlichkeiten der Bibliothek Warburg mit Berücksichtigung der Bibliothekslandschaft und der Stadtsituation der Freien und Hansestadt Hamburg zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Berliner Arbeiten zur Bibliothekswissenschaft, Bd. 11), Berlin 2003.

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VII. A mit seitlichem Ausblick auf den Garten, der an die schmal vorüberfließende Alster grenzt. Warburg warf gelegentlich einen sehnsüchtigen Blick hinaus, aber er ging nur selten und kurz, fast nur pflichtmäßig, spazieren. Sein Schreibtisch war das Bild seiner Welt. Er glich weder den unübersichtlichen Papierwüsteneien der üblichen Gelehrten noch der gähnenden Aufgeräumtheit der Diplomaten-Schreibtische. Er war einem wohlbebauten Garten am ähnlichsten, tagsüber durch die Arbeit des Gärtners in lebhafter Bewegung gehalten, nach Feierabend rasch geordnet, doch dicht besetzt mit nützlicher Saat, nur einzelne Ziersträucher darunter zur Augenweide. Da waren Bücher, die zur Hand sein mußten, sinnvoll gehäuft, eingegangene und noch zu beantwortende Post, Antiquariatskataloge, vor allem aber eine Fülle von praktischem Bürobedarf, von dem Warburg alles nur Erdenkliche in riesiger Anzahl bereit hatte, von Klammern und Zwecken bis zur Briefwaage, Klebebändern und Siegellack, darunter auch solche eigener Erfindung wie ein Pack schmaler Papierstreifen als Merkzettel in Büchern. Mit dem, was auf und in seinem Schreibtisch in musterhafter Ordnung an Hilfsmaterial zu finden war, hantierte er mit der Geschicklichkeit eines Virtuosen, so daß unter seinen Händen auch alle Arten von Sondersendungen und Päckchen auf das rascheste postfertig wurden. Ohne die zentrale Apparatur seines Schreibtisches, die genauso exakt funktionieren mußte wie sein Gehirn, war er nur ein halber Mensch. Dies Laboratorium war immer überglänzt durch ein paar Ausruh- und Anregungspunkte aus der Welt des Gemüts, fixe und veränderliche. Nie fehlte eine Vase mit Gartenblumen. Groß war die Zahl der ›Beschwerer‹ für Briefschaften und Zettel, meist persönlich-beziehungsreicher Herkunft wie die schon erwähnte Schnecke [gemeint ist Warburgs Briefbeschwerer in Gestalt einer Weinbergschnecke, T. H.]. Immer waren ein paar kleine Bilder improvisiert aufgestellt, selten nur Kunstwerke darstellend, meist das, was der Tag an Bemerkenswertem herantrug, und dem dann durch kürzeres oder längeres Beschauen sein Sinngehalt abgefragt werden sollte, Postkarten von Landschaften, gern und oft Bilder von Kindern, der eigenen oder aus der Bekanntschaft, auch Ausschnitte aus illustrierten Zeitungen, wenn sie bildhaft aussagekräftig waren, Dinge, auf die dann oft auch im Gespräch Bezug genommen wurde. […] Daß die Kleinwelt in seiner nächsten Nähe ganz ähnlich beschaffen und organisiert war wie die geräumige Welt seiner Gedanken und Arbeiten, daß alles unter seinen Händen, vom Schreibtisch bis zur Bibliothek, zum Spiegel seines Geistes wurde, gab der spannungsreichen Unruhe in ihm und um ihn her dennoch den Anhauch einer höheren Harmonie.«2 Selbst noch der Schreibtisch also erweist sich in Warburgs Experimentalsystem als ein starkes Medium. Folgt man im Sinne der Akteur-Netzwerk-Theorie den Aktanten, wird augenfällig, dass etliche für Warburgs Epistemologie zentrale Denkfiguren – seien es »Bilderfahrzeuge«, »Wanderstraßen« oder die »energetische Inversion« – durch diverse mediale Kopplungen manifest wurden – darunter die extraordinär elektrifizierte K.B.W. mit Bücherlaufband, jener »zentralen Apparatur« des Schreibtischs oder einem für vergleichende Projektion ausgelegten Bildwerfer, aber auch die bildbestückten »planen Flächen von

2

H: Persönliche Erinnerungen an Aby Warburg, S. 34–38.

VII. A ein oder zwei Quadratmetern«, die später ebenfalls Latour ins Feld führen wird.3 Wenn Warburg jene Medien emphatisch als aufständische Sklaven-Subjekte4 und die zu disponierenden Bilder als »Geister Compagnie«, gegen die er verzweifelt kämpfe,5 charakterisierte und umgekehrt Kollegen allein als »Auffanggeräte«6 sowie sich selbst samt seiner getreuen Assistentin Gertrud Bing als »Gesamtinstrument«7 betrachtete, reflektierte er Personen genauso wie Artefakte, Objekte ebenso wie Subjekte als veritable Aktanten; die K.B.W. würdigte Warburg gar als »›Ausstülpung‹ eines neuen Organs« und als einen lebenden, durch Stoffwechsel und Fortpflanzungsfähigkeit gekennzeichneten Organismus.8 Mit dieser Symmetrisierung von Menschen und Dingen, die er in einer elektrotechnisch überformten Metaphorik fusionierte, suchte Warburg jenes »Gerede vom Konflikt zwischen technischer und geisteswissenschaftlicher Weltanschauung«9 ad absurdum zu führen.10 Und indem er jegliche »Subjekt-Objekt-Dichotomie«11 kollabieren ließ, begriff bereits Warburg, dass Medien letztlich nicht auf allein technische Komponenten, soziale Gefüge oder diskursive Operationen reduzibel sind. Vielleicht mag sich der Eindruck aufgedrängt haben, der in der vorliegenden Studie versuchte Rekurs auf technische Medien wie Bildtelegraphie, Kinematographie oder Röntgenographie tue nur der mathematisch geprägten Hemisphäre von Warburgs Denken Genüge.Tatsächlich indes ist das Gegenteil der Fall. Sämtliche verhandelten Medien boten für beide Pole seines Bilddenkens eine Matrize, verschränkten sich in ihnen doch Logos und

3 L: Der »Pedologen-Faden« von Boa Vista, S. 220. 4 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 458 (Eintrag vom 20. Mai 1929). 5 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 330 (Eintrag vom 18. August 1928). 6 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 480 (Eintrag vom 28. Juli 1929). 7 W: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, S. 449 (Eintrag vom 2. Mai 1929). 8 Siehe die Abschnitte »Die Medialität der Kunstwissenschaft«, »Prometheus und Francofurtia« und »Verzettelungen«. 9 WIA, GC, Aby Warburg an das Deutsche Museum in München, 25. Juli 1927. Zitiert nach F/G/N/N (Hrsg.): Aby M. Warburg, S. 38. Siehe Abschnitt »Prometheus und Francofurtia«. 10 Hierin mag Warburg gar als Vordenker einer Akteur-Netzwerk-Theorie erahnbar sein. Darüber hinaus finden sich bereits bei ihm auch andere zentrale Denkfiguren Latours, angefangen bei dessen Beobachtung »Wir sind nie modern gewesen«, die auch Warburg umtrieb, bis hin zu beider Überzeugung, dass Welterschließung nicht in zwei voneinander getrennte Kapazitäten zerfällt – seien es Reduktion und Amplifikation bei Latour oder Konkretion und Abstraktion bei Warburg –, sondern im Gegenteil diese Kapazitäten ständig ineinander gleiten. Doch diese Gedanken zu erhärten muss einer anderen Gelegenheit vorbehalten bleiben. 11 L, Bruno: Über technische Vermittlung: Philosophie, Soziologie und Genealogie (1994), in: B/K (Hrsg.): ANThology, S. 483–528, hier: S. 489.

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VII. A Magie, vergeistigende Distanzierung und triebhaft-magische Einverleibung, technische und okkulte Tele-Vision. Hierauf sei ein letztes Schlaglicht geworfen.12 Während kein Geringerer als Walter Benjamin Spiritismus und Okkultismus als die »Kehrseite« der »Entfaltung der Technik« betrachtete,13 wurde Fernsehen 1929, in Warburgs Todesjahr, als eine unheimliche Instanz des Übernatürlichen oder Wunderbaren wahrgenommen, wenn etwa Ernst Bloch die »modernste Technik« des Fernsehens mit dem »Reich des magisch herbringenden Zauberspiegels« verglich14 oder in der zeitgenössischen Werbung der Fernsehapparat als eine magische Kristallkugel visioniert wurde.15 Tatsächlich verdankte sich die Erfindung und Implementierung des technischen Fernsehens nicht zuletzt spiritistischen Forschungen über das okkulte Fern-Sehen somnambuler Medien, wie auch die Interaktion von Okkultismus und Naturwissenschaften die kulturelle Konstruktion neuer technischer Medien am Ende des 19. Jahrhunderts überhaupt charakterisierte. Dabei befruchteten sich diskursive Figuren, Begriffe und Theorien genauso wie Apparaturen, die in Abhängigkeit von diesen Theorien konstruiert wurden.16 Die Akkumulation von technischem und physikalischem Wissen, die um 1890 einsetzte, sich in den zwanziger Jahren beschleunigte und 1929 die erste drahtlose Übertragung bewegter Bilder in Deutschland ermöglichte, vollzog sich keineswegs in einem ausschließlich durch technikimmanente Faktoren determinierten Vakuum. Vielmehr partizipierten die technologischen Erfindungen und Entwicklungen des elektrischen Fernsehens in konstitutiver Weise an okkulten Forschungen, die Gelehrte wie Charles Richet, William Crookes oder Carl du Prel zwischen 1890 und 1930 über das »Hellsehen«, die »clairvoyance« 12 Siehe auch H, Thomas: Magie der Technik. Aby M. Warburg (1866–1929), in: P/ K (Hrsg.): Ideengeschichte der Bildwissenschaft, S. 360–382. 13 B, Walter: Erfahrung und Armut (1933), in: D.: Gesammelte Schriften. Bd. 2, unter Mitwirkung von Theodor W. Adorno und Gershom Scholem hrsg. von T, Rolf/ S, Hermann, Frankfurt a. M. 1972, S. 213–219, hier: S. 214. 14 B, Ernst: Die Angst des Ingenieurs (1929), in: D.: Literarische Aufsätze (Gesamtausgabe in 16 Bänden, Bd. 9) (1977), Frankfurt a. M. 1985, S. 347–357, hier: S. 354. 15 Siehe A: Okkulte und technische Television, S. 34 Abb. 1. 16 Siehe beispielsweise D, Erik: Techgnosis. Myth, Magic, and Mysticism in the Age of Information, New York 1998; S: Haunted Media; A: Okkulte und technische Television; H, Wolfgang: Die entwendete Elektrizität – Zur medialen Genealogie des ›modernen Spiritismus‹, in: H, Torsten/P, Jutta/P, Nicolas (Hrsg.): Grenzgänge zwischen Wahn und Wissen. Zur Koevolution von Experiment und Paranoia 1850–1910, Frankfurt a. M./New York 2002, S. 215–239; D, Bernhard J.: Der Zusammenhang der Dinge. Regulation und Dämonologie von Watt bis Maxwell, in: H, Torsten/K, Erich/P, Nicolas (Hrsg.): Kontingenz und Steuerung. Literatur als Gesellschaftsexperiment 1750–1830 (Studien zur Kulturpoetik, Bd. 2), Würzburg 2004, S. 177–189; K, Albert/S, Dierk (Hrsg.): Ästhetik & Kommunikation 127, 2004 (»Technik – Magie – Medium. Geister, die erscheinen«); H, Sabine: Strahlenmagie. Texte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zwischen Okkultismus und Sciencefiction. Ein diskursanalytisch-komparatistischer Überblick, in: Bß, Moritz/G, Bettina/W-E, Martina (Hrsg.): Gespenster. Erscheinungen – Medien – Theorien, Würzburg 2005, S. 153–176; sowie S, Susanne/G, Julika (Hrsg.): Medialisierungen des Unsichtbaren um 1900, München 2010.

VII. A oder auch das »Fernsehen« von somnambulen Medien durchführten.17 Umgekehrt fand sich das bereits bei der Bildtelegraphie in Anwendung gebrachte technische Prinzip einer Übersetzung von Bildern in elektrische Signale samt einer Rückverwandlung dieser Signale in Bilder auf der Empfängerseite in verwandter Form auch in jenen spiritistischen Texten, die eine Theorie des okkulten Fernsehens formulierten – wie beim elektrischen Fernsehen wurden auch hier Signale okkulter Sendungen von der »Endstation in anschauliche Bilder verwandelt«18. Während die Bezugnahme auf okkulte und spiritistische Forschungen in den Texten der Physiker und Elektrotechniker – die nicht selten auch Spiritisten und Okkultisten waren – von einigen Ausnahmen abgesehen meist unterschwellig blieb, wurden innerhalb des Spiritismus technische und physikalische Begriffe offensiv aufgenommen und als Bestätigung für die Möglichkeit psychischer Fernwirkungen gebraucht. So wurden Guglielmo Marconis 1896 erstmals erfolgreiche Versuche mit drahtloser Telegraphie umgehend als Beweis für die Möglichkeit von Telepathie und Gedankenübertragung angeführt: »Seitdem Marconi

17 Dass der Begriff der Television in einem wechselseitigen Austausch zwischen technologischer Entwicklung und Okkultismus entsteht, wird sinnfällig, wenn man sich analoge Wortschöpfungen wie »Telegraphie«, »Telepathie«, »Telephonie«, »Telekinese« oder »Teleplastie« vergegenwärtigt. Auch die deutsche Bezeichnung »Fernsehen« taucht 1891 zeitgleich wohl erstmals nicht nur in Raphael Eduard Liesegangs elektrotechnischer Schrift »Das Phototel. Beiträge zum Problem des electrischen Fernsehens« auf, sondern auch in der deutschen Übersetzung von Richets okkulten Phänomenen gewidmeter Publikation »Experimentelle Studien auf dem Gebiete der Gedankenübertragung und des sogenannten Hellsehens«. Siehe A: Okkulte und technische Television, S. 37. 18 D P, Carl: Das Fernsehen in Zeit und Raum, in: Sphinx 14, 1892, S. 1–18, 140–144, 209–215, 321–335, hier: S. 9. – Analogien zwischen okkulten und technischen Medien ziehen ebenfalls bildende Künstler, so beispielsweise der von Warburg geschätzte Franz Marc: »Und das Geistige, das wir so feierlich prophezeiten? Ich will versuchen, wenigstens mit einem Gleichnis das Verhältnis des geistigen zur äußern Form unsrer Werke anzudeuten. Alle okkultistischen Phänomene haben in der Form, in der sie sich uns heute zeigen, ein äußerliches Analogon, das man die materialistische Form immaterieller Ideen nennen könnte. Das mediumistische Durchdringen einer Materie können wir durch die X-Strahlen gewissermaßen experimentell ausführen, das Schweben, d. h. das Aufheben des Spezifischen Gewichtes, durch magnetische Experimente belegen. Ist nicht unser Telegraphenapparat eine Mechanisierung der berühmten Klopftöne [die, vermeintlich jenseitigen Ursprungs, im Jahr 1848 die Töchter der Familie Fox in Hydesville, New York, hatten hören wollen, was gemeinhin als Geburtsstunde des Spiritismus kolportiert wird, T. H.]? Oder die drahtlose Telegraphie ein Exempel der Telepatie ? Die Grammophonplatte scheint experimentell zu beweisen, daß die Verstorbenen noch zu uns reden können. Das Okkulte, [sic!] gewinnt heute, infolge dieser experimentellen Analogien, eine ganz neue Bedeutung, die man früher, in Religionszeiten, nicht kannte. Wer sollte so blind sein, diese merkwürdigen Zusammenhänge der geistigen Ideen mit dem physikalischen Experiment, des Innerlichen mit dem Äußerlichen zu leugnen?« M, Franz: Zur Kritik der Vergangenheit (1914), in: D.: Schriften, hrsg. von L, Klaus, Köln 1978, S. 117–120, hier: S. 119.

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VII. A die Telegraphie ohne Draht erfunden hat, mußten selbst die entschiedensten Gegner der Telepathie ihre Möglichkeit im Prinzip anerkennen«.19 Einerseits bezogen sich die Spiritisten, deren Werke zahlreich in Warburgs Bücherregalen standen,20 auf physikalisches Wissen, bevor dieses erfolgreich technisch implementiert war, und andererseits dienten die spiritistischen Ideen der Gedankenübertragung ihrerseits als Modell für elektrische drahtlose Sendungen. In Du Prels Verständnis etwa existierten technische Kopien magischer Prozesse bereits – im Fall der Telepathie in der drahtlosen Telegraphie und hinsichtlich des Hellsehens im Röntgenapparat. Jene Apparaturen dachte Du Prel gar in Kapp’schen Termen. So seien nicht nur »durch […] Röntgen Okkultismus und Physik in Grenzberührung gekommen«,21 auch habe »[d]as Hellsehen […] in einem physikalischen Apparat seine Organprojektion gefunden«22. Die Fruchtbarkeit einer Zusammenarbeit von Okkultisten und Naturwissenschaftlern sei daher offensichtlich: »Naturforscher und Okkultisten, statt beständig entzweit zu sein, sollten sich ergänzen. Der Naturforscher soll okkulte Funktionen ins Technische übersetzen; der Okkultist technische Funktionen in psychische.«23 In dieses Programm einer wechselseitigen Durchdringung von Technik und Okkultismus wurden zudem noch Physiologie, Anatomie und Psychologie einbezogen: »Techniker, Physiologen, Anatomen, Psychologen und Okkultisten sind also von Natur aus auf einander angewiesen. Der Okkultist ist es, von dem der Techniker die Probleme der Zukunft beziehen kann, und der den blinden Finder in der Technik in einen zielbewußten Erfinder verwandeln kann; der Techniker aber ist es, der dem Okkultisten die naturwissenschaftliche Lösung der magischen Funktionen bietet.«24 Und Du Prel kommt zu folgendem Schluß: »Es ist also ein verkehrter Zustand, daß sie [Okkultisten und Techniker, T. H.] sich gegenseitig bekämpfen, statt von einander zu lernen. Die Gegner des Okkultismus im allgemeinen hemmen durch ihren Widerstand nicht nur die Entwickelung dieses Wissenszweiges, sondern schaden sich selbst, indem sie der Naturforschung das Muster für die Organprojektion, also das Ziel aus den Augen rü19 K-A, J.: Offenbarung der Wunder und Geheimnisse aller Zeiten. Auf Grund alter Ueberlieferungen und der neuesten Forschungen bearbeitet von J. Körman-Alzech (Occultistische Bibliothek, Bd. 4), Leipzig o. J. [1904], S. 3. 20 Neben einschlägigen Büchern und Aufsätzen sammelte Warburg auch Zeitungsausschnitte, von Annoncen diverser Wahrsager bis hin zu emphatischen Preisungen sowie skeptischen Beargwöhnungen spiritistischer Sensationen seiner Zeit; so finden sich in einem Zettelkasten unter dem Rubrum »Mod. Occultismus« etwa gleich mehrere im August 1912 verfasste Zeitungsartikel über Mrs. Wriedt, das so apostrophierte »einzige Stimmenmedium der Welt«, wie auch über dessen Konfrontation mit modernen naturwissenschaftlichen Verfahren – die zu einer Entlarvung, signifikanterweise nicht aber zu einem Verlust an mediumistischer Glaubwürdigkeit führte. Siehe zum Beispiel Zettelkasten Nr. 39 (»Mod. Aberglaube«): WIA, III.2.39/020356–7no6: »Die Geheimnisse des Geistersprachrohrs. Zur Entlarvung des Mediums Mrs. Wriedt«; sowie WIA, III.2.39/020356–7no3: »Die falschen und die echten Zauberer«. 21 D P, Carl: Die Magie als Naturwissenschaft. Erster Teil: Die magische Physik, Jena 1899, S. 44. 22 D P: Die Magie als Naturwissenschaft, S. 44. 23 D P: Die Magie als Naturwissenschaft, S. 16. 24 D P: Die Magie als Naturwissenschaft, S. 19.

VII. A cken, auf welches diese lossteuern sollte. Sie hemmen die Zivilisation, die nur durch eine rapidere Entwickelung der Naturwissenschaften gefördert werden könnte, und sie hemmen die Kultur, indem sie die Würde des Menschen herabsetzen, die erst aus seinen magischen Fähigkeiten ganz erkannt wird. Weit entfernt also, im Sinne der Aufklärung thätig zu sein, wirken die Gegner des Okkultismus in doppelter Richtung gemeinschädlich.«25 In der Tat schwingt der hier nur angerissene medienhistorische Subtext in vielen Äußerungen Warburgs, etwa dem besagten Motto der »Bildersammlung zur Geschichte von Sternglaube und Sternkunde«, mit. Und so verwundert es nunmehr kaum, dass Warburg ein Exemplar dieses Werkes Du Prels – einer »Meta-Reflexion über das konstitutive Austauschverhältnis zwischen Okkultismus, Naturwissenschaften und Elektrotechnik«26 – sein eigen nannte. »Es ist also eine kostbare Zeit nur darum verloren gegangen,« so Warburgs Verwandter im Geiste, »weil man meinte, der Okkultismus habe mit der Technik nichts zu thun, da er doch in Wahrheit die eigentliche Philosophie der Technik enthält. Dies eben ist der Fluch der Fachgelehrsamkeit, daß sie, weil es in der objektiven Natur keine isolierten Fächer giebt, sogar das tiefere Verständnis des eigenen Faches verhindert, daher schon Liebig gesagt hat: Wer nur Chemie versteht, versteht auch diese nicht.«27 – Dies beherzigend ließe sich mit Warburg sagen: Wer nur Kunstgeschichte versteht, versteht auch diese nicht.

25 D P: Die Magie als Naturwissenschaft, S. 19. 26 A: Okkulte und technische Television, S. 50. 27 D P: Die Magie als Naturwissenschaft, S. 23.

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Anhang

D

Dokumente B K   F E-A. (Zu unserem Bilde.)1 Heil Dir, Frankfurt! Feierlich erklinge Deiner Werke Preis durch alle Welt. Einfach kolossal sind ja die Dinge. Die Du jetzt elektrisch ausgestellt! Dieses Werk, wovon mein Lied jetzt stammlet, Ist dem Fortschritt der Kultur geweiht, Und, wie Morgenluft der ältr’e Hamlet, Witt’r ich so etwas wie neue Zeit. Aber leider – ich muß es bekennen – Geht es mir, so wie es oft passirt: Daß, wofür die Dichter heiß entbrennen, Sie persönlich meistentheils genirt. So auch hier. Ich muß es tief beklagen, Daß die Ausstellung, so schön bestellt, Drückend wirkt auf meinen schwachen Magen Und mir gräßlich oft den Schlaf vergällt. Hab ich wohl mal mir gelöst ein »Ticket« Und genossen die brillante Schau, Kaum bin dann ich nächtlich eingenicket, Hebt schon an der quälende Radau. In dem Haupte, sonst so bieder-sinnig, Treiben wüste Geister Rebellion, Und noch eh’ ich mich’s versehe, bin ich Telegraphische Centralstation. Dann – huhu! – aus meines Hauptes Haaren Die der Traum in wilden Borsten hebt, Quillt es wie von hundert Drähtepaaren, Und ich spüre, wie’s im Stromkreis bebt. 1

P., H.: Biedermaiers Klage über die Frankfurter Elektrotechnische-Ausstellung. (Zu unserem Bilde.), in: Kleine Presse. Stadt-Anzeiger und Fremdenblatt 224, 24.09.1891, Erstes Blatt, S. 3, zitiert nach dem Faksimile in: S, Jürgen (Hrsg.): »Eine neue Zeit ..!«. Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891, Frankfurt a. M. 1991, S. 352.

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A Hundert Taster hör ich tick-tick-ticken Und, von fern entsandt nach meiner Stirn, Schießen dann wie tollgewordene Mücken, Tausend Telegramme mir durchs Hirn: »Komme 8 Uhr 20. Alles munter?« – »Rüböl steigend. Abendbörse flau.« – »Heute früh’ ein Junge, ein gesunder.« – »Na, da capo! Grüße Deine Frau.« – »Klage heut’ noch. Kann nicht länger mahnen.« – »Werthen Auftrag schleunigst expedirt.« – »Kaiser einzog. Hurrah. Kränze. Fahnen. Gleich darauf Besatzung allarmirt.« – »Theurer Emil, bin bei Dir im Geiste.« – »Belgrad. Heute Nacht versuchter Putsch.« – »Sonderzug zum Turnerfest entgleiste. Niemand todt; nur dreißig Rippen futsch.« – »Bankhaus Mottenburg muß liquidieren.« – »Jack the Ripper sich’re Spur entdeckt.« – »Vor’ge Meldung schleunigst dementiren!« – »Lustspiel glänzend durch! Ich schmeiße Sekt!« – »Schicke Geld, Papa, sonst müßte borgen«. »Rothen Adler vierter dekorirt! Welch’ ein Glück!« – »Vielliebchen, guten Morgen!« – »Lola« dritte Hürde refüsirt«. – »Liebe Tante! Wirklich, gar zu gütig!« – »Letzter Posten Kaffee lauter Schund«. – »Euer Durchlaucht senden ehrerbietig Deutschen Gruß. Antisemitenbund«. – Während so in wild-chaot’schem Walten Kläng’ und Worte irren durch mein Ohr, Wickelt sich aus meines Bettes Falten Schaudervoll der Tatzelwurm hervor. Vorn aus grimmem Rachen Feuer spuckt er Auf mich ein, wie er mir krauchend naht; Hinten schlängelt er sich als bedruckter Streifen aus dem Hughes’schen Apparat. In den Lüften schwirrt’s gleich Fledermäusen, In dem Ohre summt ein Klimperton, Diabolisch-ruppig näseln Weisen

D Aus der Ferne her durch’s Telephon. Von Wiesbaden »Freischützouvertüre« Trägt es mir als Spottgeleier her; Bald hör ich von München die »Walküre«, Bald von Frankfurt wieder Meyerbeer. Und wie ich mich ächzend jetzo wende, Zu entrinnen dieser Ohrenpein, Greif ’ ich – autsch! – mit einer meiner Hände In die Leitung Frankfurt-Lauffen ’rein. Funken knistern, hilflos zuckt und zappelt Meine Hand dann in des Stromes Haft, Bis zur großen Zehe ruckt und rappelt Mir die übertragene Neckarkraft. Siemens seh und Halske ich gleich alten Pharaonenbildern dräuend nah’n, Und daneben schwanken gar Gestalten, Weibliche, vom Bürgerbräu heran. Labung heischend wink ich in die Näh sie: »Sie! a Moaß!« Doch fruchtlos ist mein Schrei’n: D’ Wally, d’ Paula, d’ Mizi, d’ Rosa, d’ Resi, Alle schlingt ein düstres Dampfmeer ein. Indiskret beleuchtet, ringt die Nixe Ihre Händ’ auf meines Pfühles Höh’, Und Pandora, die bekannte Büchse Tanzt mit einem Glühlicht pas de deux. Bahnsignale bimmeln; siedend, sausend Drehen sich Dynamo’s fern und nah: Phonographen, zweimalhunderttausend, Plärren unaufhörlich »I. E. A.« Ja, vortrefflich ist, das muß ich sagen, Hehre Mainstadt, Dir Dein Werk gedieh’n, Doch für meinen armen schwachen Magen Ist und bleibt’s das reine Dyspepsin. Licht ist’s, das die Ausstellung uns spendet. Fortschritt ist es, den sie uns gebracht – Dennoch soll mich’s freuen, wenn sie endet, – Denn dann hab’ ich wieder ruh’ge Nacht. H. P.

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A D  E   F-F  H, 27. Juni 1911.2

Der Kinemathograph hat sich infolge seiner glänzenden technischen Entwicklung in allen Kulturländern des Erdenrundes unstreitig zu der gesuchtesten »Vergnügungsart« entwickelt. Seine ausserordentliche Bedeutung als »Bildungsmittel« ist indes erst in neuerer Zeit von verschiedenen Seiten erkannt resp. zugestanden worden. So hat die unter der Devise »gemeinnützige Kinemathographenkonferenz« am 11. März 1911 in Berlin im Reichstagsgebäude stattgehabte Versammlung, welche von mehreren hundert Personen, hauptsächlich Schulmännern, Aerzten, Juristen, gemeinnützig wirkenden Männern und Frauen, wie auch von Vertretern des Reichsamts des Innern, des Reichsmarineamts, des Preuss. Handelsministeriums etc. beschickt war, folgende Resolution gefasst: »Die am 11. März im Reichstagsgebäude tagende gemeinnützige Kinemathographenkonferenz gibt einstimmig ihrer Meinung dahin Ausdruck, dass dem Kinemathographen eine ausserordentliche Bedeutung als Bildungsmittel zukommt, dass jedoch tatkräftige Massnahmen erforderlich sind, um ihn mehr als bisher dafür nutzbar zu machen. Die Konferenz empfiehlt daher, ausser den dringend notwendigen Zensurmassnahmen, die Schaffung einer Körperschaft, die im Zusammenhang mit Kinemathographenunternehmern, Vereinen, Schulen usw. eine tatkräftige Nutzbarmachung des Kinemathographen für Bildungszwecke erstreben soll«. In der Zeitschrift »Soziale Medizin und Hygiene« erschien aus der Feder des Hamburger Arztes, Herrn Dr. med. M. Fürst, ein Artikel über das Thema »Die Kinemathographentheater im Dienste der Volkshygiene«. Dem Verfasser erscheint es praktisch, die Kinemathographentheater, in die sich gross und klein, arm und reich drängt, zu hygienischer Belehrung heranzuziehen. Er rät deshalb den Fabrikanten der Films, Aufnahmen von Veranstaltungen der Volkshygiene herzustellen. Der rubrizierte Artikel liegt als Sonderabdruck bei. Das Hamburger Fremdenblatt berichtet laut Anlage über einen Vortrag des Redakteurs Philipp Berges über das Thema »Die lebende Photographie, ein Volksbildungsmittel?«. Die Kölnische Zeitung brachte einen mit der Ueberschrift »Wo bleibt die Deutsche Industrie?« versehenen Artikel, der ebenfalls beigefügt ist. Von der Presse wird ein besonderer Nachdruck auf die bedauerliche Tatsache gelegt, dass trotz der grossartigen Entwicklung des Kinemathographenwesens in Deutschland die deutsche Filmindustrie einstweilen noch hinter der des Auslandes zurücksteht, und dass wir infolgedessen in Deutschland nicht nur für fremde Films ungeheuere Summen bezah2

Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028120: »Denkschrift betreffs Errichtung einer erstklassigen Film-Fabrik in Hamburg«. – Mit freundlicher Genehmigung des Warburg Institute, London. Copyright: The Warburg Institute, London.

D len, sondern uns auch Films vorführen lassen müssen, die im Ausland ohne irgend welche Rücksicht auf deutschen Geschmack und deutsche Sinnesart hergestellt sind. Diesen Anregungen folgend ist nun hier in Hamburg die Errichtung eines erstklassigen gewerblichen Unternehmens in die Wege geleitet, welches sich in erster Linie mit der Herstellung von künstlerisch ausgeführten Films für Schule, Kunst, Wissenschaft und Unterhaltung befassen wird. Technische Fachleute der kinemathographischen Branche mit langjähriger praktischer Erfahrung, geeignete Kräfte für die kaufmännische, literarische, sowie bühnentechnische Leitung sind gewonnen worden, und einige dieser Herren haben sich bereits in den Dienst dieser Sache gestellt und einen Plan ausgearbeitet, dessen Ausführung ein Anfangskapital von 2 ½ Millionen Mark erfordert. An Hand dieses Plans und auf Grund einer Rentabilitätsberechnung, welche Unterlagen jedem Interessenten auf Wunsch zur Verfügung stehen, dürfte dem neuen, in dieser Art und Ausdehnung bisher in Deutschland nicht vorhandenen Unternehmen ein günstiges Prognosticon gestellt werden können! Hamburg, den 27. Juni 1911. Ludwig Serkes i/Fa. Ludwig Serkes & Co.

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A R, (V   M), H , D. . F: G. , N. . F E.3

Angesichts des gewaltigen Aufschwungs, den die Kinematographie im Laufe des letzten Jahrzehnts genommen hat, ist die Lichtspielbühne heute berufen, ein wichtiges Kultur- und Bildungsmittel zu sein und vornehmlich auch im Unterricht ein außerordentlich wichtiges Anschauungsmittel zu bilden. Demgegenüber muß die bedauerliche Tatsache zu denken geben, daß das Lichtspieltheater von heute in ganz überwiegendem Maße dem Publikum Bildfolgen bietet, die weniger dem Bildungsdrang, als vielmehr dem Unterhaltungsbedürfnis der großen Menge Rechnung tragen und sich demgemäß meist mit der Darstellung sog. »dramatischer« Stoffe befassen, wobei gar zu oft nu auf die Erregung niederer Instinkte abgezielt wird. Der Kinobesitzer ist eben aus geschäftlichen Rücksichten darauf angewiesen, sich nach dem Geschmack des Durchschnittsbesuchers zu richten. Die Lichtspielbühne ist heutzutage eine Macht auf dem Gebiete der Beeinflussung von Geist und Gemüt, und es darf deshalb keiner, dem die richtige Erziehung unserer Jugend und die Förderung einer vernünftigen Bildungspflege für weiteste Kreise am Herzen liegt, die Augen noch verschließen vor dem Problem, das sich hier auftut. Die Aufgabe muß sein, auf der vorhandenen brauchbaren Grundlage unter Ausschaltung des Minderwertigen das Gute in aufbauender Arbeit zu entwickeln. Schon ist man denn auch von verschiedenen Seiten der Lösung dieser Frage näher getreten, und ein erfreuliches praktisches Ergebnis besitzt die Stadt Stettin bereits in ihrer »Urania«, einer sich selbst erhaltenden, behördlich beeinflussten Musterlichtspielbühne. Von der Erkenntnis geleitet, daß die Nutzbarmachung des Films für Unterrichtszwecke zu den wichtigsten Aufgaben moderner Schulpflege gehört, hat im Frühjahr vorigen Jahres das Berliner »Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht« einen praktischen Lehrgang bei der Stettiner »Urania« veranstaltet, an dem auch ein Vertreter des Roosenhauses teilgenommen hat. Die dort empfangenen Anregungen erweckten den Wunsch, auch für das Roosenhaus eine Lichtspieleinrichtung zu schaffen. Am 1. und 2. März soll eine Vorführung vor eingeladenen Zuschauern stattfinden, in der aus den verschiedenen Gebieten von Bildungs- und Unterhaltungsstoff gute Filmbeispiele gezeigt werden sollen. Bei dieser Gelegenheit wird Herr Stadtbüchereidirektor Dr. Ackerknecht aus Stettin, einer der leitenden Männer auf dem Gebiete der Umgestaltung der Lichtspielbühne, in einem grundlegenden Vortrage die Bedeutung der Lichtspielreform erörtern und insbesondere auch Aufgaben und Ziele des anlässlich des Stettiner Lehrgangs gegründeten »Deutschen Ausschusses für Lichtspielreform« darlegen. 3

Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028126: »Freundliche Einladung.«, 1918. – Mit freundlicher Genehmigung des Warburg Institute, London. Copyright: The Warburg Institute, London.

D In der Annahme, auch bei Ihnen auf warmes Interesse für die im Vorstehenden gekennzeichnete Frage rechnen zu können, gestattet sich der unterzeichnete [sic!] Vorstand Sie zu der am Freitag, dem 1. März, abends 7½ Uhr im großen Saal des Roosenhauses stattfindenden Veranstaltung ganz ergebenst einzuladen. Eintrittskarten sind beigefügt. – Bei Nichtbenutzung der Karten wird dringend um deren frühzeitige Rücksendung gebeten. Hochachtungsvoll D. Max v. Schinckel, Vorsitzender des Verwaltungsausschusses des Vereins für innere Mission. Der Vorstand des Roosenhauses: Dr. Berndes, Regierungsrat. Walther Brünning, Pastor, Vorsitzender, z. Zt. Feldprediger. G. E. P. Elster, Kassenführer. Dr. F. Glage, Gymnasial-Oberlehrer, Hauptmann der Reserve. Dr. Harald Poelchau, Rechtsanwalt, stellv. Vorsitzender. Dr. H. Schröder, Landgerichtsdirektor. Dr. H. Sillem, Rechtsanwalt, Hauptmann der Reserve, z. Zt. im Felde. W. Wecken, Pastor, Vorsteher der Stadtmission. Etwaige Wünsche für Angehörige inbezug auf weitere Eintrittskarten, werden erbeten an Herrn Stadtmissionar Valentin Lack, Dorotheenstr. 129, (Fernruf 1, 4413) und von demselben nach Möglichkeit erfüllt werden.

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A R, H,  A W, H, . Maschinenschriftlicher Brief, Roosenhaus, Dorotheenstraße 129, Hamburg, drei Seiten, mit beigelegter Zahlkarte.4

Hochgeehrter Herr Professor! Der Vorstand des Roosenhauses (Vereinshaus für innere Mission, Distrikt Winterhude, Dorotheenstraße 129), gestattet sich, Ihnen folgende Angelegenheit und Bitte zu unterbreiten: Es handelt sich um die Beschaffung einer Lichtspieleinrichtung für das Roosenhaus. Durch eine solche wird die Möglichkeit geschaffen, weiten Kreisen mit guten, belehrenden und unterhaltenden Reihen-(Kino)Lichtbildern zu dienen. Auch den vielen Schülern und Schülerinnen unserer 8 Volksschulen, des Johanneums, der Realschule und der drei Lyzeen in Winterhude wird diese Einrichtung zugute kommen, und zwar dadurch, daß Lehrer und Lehrerinnen mit den Kindern ins Roosenhaus kommen, um Unterricht an Hand entsprechender Reihen-(Kino)-Bilder in Geschichte, Geographie, Biologie, Natur- und Völkerkunde zu geben. Es ist ein Unternehmen von weittragender Bedeutung, sowohl für unsere Gesamtarbeit, als auch für die bestehende Kino-Reform-Bewegung, die von hervorragenden Persönlichkeiten getragen und gefördert wird. In der Woche vor Ostern fand in Stettin ein Lehrgang für Reform [sic!] der Lichtspielbühne statt, veranstaltet vom »Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht in Berlin«. Mehrere Vertreter der Regierung waren zugegen, außerdem Ärzte, Offiziere, Professoren, Pastoren, Schuldirektoren, Oberlehrer in großer Zahl – insgesamt 250 Personen – aus allen Gauen Deutschlands. Zur Teilnahme an diesem Lehrgang wurde unser Stadtmissionar Herr Valentin Lack von uns beurlaubt. Der Lehrgang stand unter der Leitung des Herrn Oberbürgermeister Dr. Ackermann-Stettin. Die auf der Tagung in Stettin erhaltene reiche Anregung und Belehrung soll nun im Roosenhause praktisch verwertet werden. Auch in Kiel hat ein Vortrag über diese Reformbewegung unter Vorführung entsprechender Lichtbilder stattgefunden, bei dem u. a. auch Admiral a. D. Graf Moltke, sowie die Prinzessin Heinrich anwesend waren und ihr lebhaftes Interesse für die Sache bekundet haben. Aus der angefügten Gabenliste ist zu ersehen, wie erfreulich rege das Interesse für die sehr bedeutungsvolle Sache ist. In der Hoffnung, daß auch sie einen Beitrag gütigst zeichnen werden, bitten wir freundlichst, die ebenfalls beigefügte Beitragskarte mit Hinzufügung Ihres Beitrags und Ihrer Unterschrift an Herrn Valentin Lack, Roosenhaus, Dorotheenstraße 129, einzusenden.

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Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028123: Roosenhaus an Aby Warburg, 1917. – Mit freundlicher Genehmigung des Warburg Institute, London. Copyright: The Warburg Institute, London.

D Wir bitten für Ihre Zeichnung, die ohne jeden Zweifel einem besonders segensreichen Werke zugute kommen würde, im Voraus unsern verbindlichsten Dank entgegennehmen zu wollen. Auch kleine Beiträge werden mit herzlichem Dank angenommen. In vorzüglichster Hochachtung die Mitglieder des Vorstandes des Roosenhauses. Dr. Berndes, Regierungsrat. Walth. Brünning, Pastor, Vorsitzender, z. Zt. Feldprediger. G. E. P. Elster, Kassenführer. Dr. F. Glage, Gymnasial-Oberlehrer, Hauptmann d. Res. W. Wecken, Pastor, Vorsteher der Stadtmission. Dr. Harald Poelchau, Rechtsanwalt, stellv. Vorsitzender. Dr. H. Schröder, Landgerichtsdirektor. Zahlungen werden erbeten entweder an das Konto G. E. P. Elster bei der Vereinsbank, oder in bar an Herrn Stadtmissionar Lack im Roosenhause, Dorotheenstraße 129 oder auf Postscheckkonto Nr. 8132; auch liegt eine Zahlkarte zur Benutzung bei. Kostenanschlag. Lichtspielapparat ............................................................................................ Herstellung des Vorführungsraumes ............................................................... Telephonanlage vom Vorführungsraum nach dem Saalpodium ..................... Elektrische Notbeleuchtung ........................................................................... Eintrittskarten-Verkaufsraum ......................................................................... Fußbodenläufer im großen und kleinen Saal .................................................. Fenster- und Türenvorhänge im großen und kleinen Saal .............................. Spielwerk ........................................................................................................ Unvorhergesehene Ausgaben .......................................................................... Wegen der fortschreitenden Preissteigerungen auf allen Gebieten vorsichtigerweise geschätzt auf

M. 3000.– » 2500.– » 150.– » 250.– » 100.– » 800.– » 1500.– » 4000.– » 500.– M. 12 800.– M. 14 000.–

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A Verzeichnis der Beiträge für eine Lichtspieleinrichtung im Roosenhause. ======================================================================== Herr Frau Herr » » » » » » Frl. Herr Frl. Herr » » » » » » » » » » » Fa. » Frau Herr » » » Frau Herr

F. Wilop A. Kirsten Hans Kirsten Rat Dr. Berndes Johs. Pielstick Oskar Pielstick F. G. Pachner Hugo Preuss W. Boden A. Nottebohm H. O. Persiehl Emma Roosen G. Eduard Weber G. Galles A. Kreglinger Dr. O. Troplowitz Arnold Amsinck F. A. Poppenhusen Johs. Koyemann Dr. H. Bagge Sophus Koch H. C. Jürgensen P. Rappolt Emil Asten P. W. Gaedcke m. b. H. Oelwerke SternSonneborn Akt. Ges. L. Amsinck Dr. A. Lutteroth A. G. Witt J. Mayr-Bertheau, Komerzienrat Baurat J. L. Janssen Ernst Ascher J. Jordan Transport

M. 1000.– » 1000.– » 500.– » 50.– » 100.– » 100.– » 100.– » 1000.– » 50.– » 500.– » 100.– » 600.– » 50.– » 50.– » 100.– » 100.– » 20.– » 50.– » 100.– » 50.– » 50.– » 50.– » 50.– » 100.– » » 50.– » » » »

100.– 100.– 30.– 20.–

» 100.– » 5.– » 20.– » 20.– M. 6135.– [sic!]

Transport C. von Bose K. Behrens Dr. W. Bitter Walther E. Classen Eduard Döbler W. Richter Dr. L. Ostermann E. Willink Deutsche VacuumOel-Akt. Ges. » F. Laeisz » Michaelis & Meier » Rob. M. Sloman jr. » Reiherstieg Schiffswerft » Nordisches Kolonialkontor Herr Dr. J. Ritter Fa. Dynamit Akt. Ges. vorm. Alfred Nobel & Co. » Vulcan-Werke Akt. Ges. » G. H. & L. F. Blohm » Ad. Matthias Herr Heinrich Wernthal Fa. Carbonit-Akt. Ges. Frl. Marie Woermann Herr Rechtsanwalt Dr. H. Poelchau » Senator Sachse » Ed. Craas » C. Hirschberg » Franz Schult jr. Ungenannt Summe der bisher gezeichneten Beiträge

Herr » » » » Frau Herr Frau Fa.

M. 6315.– » 50.– » 50.– » 50.– » 20.– » 20.– » 10.– » 25.– » 40.– » » » »

100.– 100.– 100.– 50.–

»

50.–

» »

50.– 10.–

»

250.–

» » » » » »

100.– 100.– 20.– 20.– 20.– 200.–

» » » » » »

100.– 100.– 20.– 20.– 20.– 30.–

M. 8040.–

D A W  R  M W  H, ... Maschinenschriftlicher Brief mit handschriftlichen Korrekturen, Palace Hotel, Rom, vier Seiten.5

Gestern abend traf nun endlich der Brief von Frede mit dem Durchschlag ihres Referats ein. Indem ich zunächst von Vorhaltungen ihre unerhörte Saumseligkeit betreffend absehe, bemerke ich, dass ich nach der Lektüre, die ich noch gestern abend trotz grosser Müdigkeit vorgenommen habe, einen wohltuenden Eindruck ernsthafter Bemühung erhalten habe. Ich werde, sobald ich irgendwie Zeit habe, Frede eine genauere Kritik zukommen lassen. Unterdessen ist hier viel passiert. Wir haben den römischen Frieden miterlebt, und Frl. Dr., die mit Alber zusammen in St. Peter war, hätte Dir schon längst ausführlicher geschrieben, wenn sie nicht selbst die Folgen einer gutartigen, aber langwierigen Influenza zu ertragen, und gegen ihren Willen Rücksicht drauf zu nehmen hätte. Sie darf aber ins Freie und kann, anders als in Hamburg, die Luft heilend auf ihren Katarrh einwirken lassen. Mir ist es sonderbar gegangen. Ich wollte nicht mit in die Kirche, weil ich durch meine geminderte Beweglichkeit nicht schwerlich fallen wollte. Aber was tut Gott? Mich trieb eine Art Pflichtbewusstsein auf den Platz von St. Peter, weil ich mir sagte dass. [sic!] wenn einer den Historiker des Symbols markieren will, er selbst ein bischen [sic!] Haut zu Markte tragen muss, auch wenn er gedrängt wird, das wurde er aber nicht einmal sehr. Ich wurde nur langsam bis in die dritte Reihe vorgeschoben, fast bis an den Militärkordon, den Kgl. Ital. Grenadiere im grauen kurzen Mantel und Stahlhelm formierten. Letzterer kam den Truppen sehr zu statten denn da ein ganz furchtbarer Platzregen losging, brauchten sie einfach etwas mit dem Kopf zu nicken, und das Wasse [sic!] floss ab, während wir Zivilleute gänzlich durchweichte Filzhüte nach Hause brachten. Vom fascistischen Militär war nichts zu sehen, nur ihre kleinen Seidenfähnchen gagliardetti waren vor dem Benediktionsfenster hinter den Soldaten aufgepflanzt, da sie aber den Regen nicht recht aushielten, wurden sie zeitweilig in Sicherheit gebracht, und erschienen erst wieder, als das Benediktionsfenster geöffnet wurde. Ich mochte sehr gerne in der Menge stehen, und habe mich mit den gutartigen Römern jeder Art ganz spassig unterhalten, und habe noch zum Schluss in einem Auto, das ich allerdings zu spät aufgegabelt hatte, um nicht in ganz feuchtem Zustand nach Hause zu kommen, 3 echte römische Mittelständlerinnen mit ihrem Beschützer nach Hause gefahren, was sie mir, da sie ihre besten Kleider anhatten, sicher nie vergessen werden. Ich habe, da ich ein kleines Fernglas bei mir hatte, den Papst und die ganze Zeremonie sehr gut sehen können. Etwa 200,000 Leute mögen auf dem Petersplatz gewesen sein. Der Papst segnete mit beiden Händen, sonst wäre wohl zu wenig auf jeden gekommen, und lüftete sogar seinen Sommerhut, als er wieder in die Kirche verschwand. Frl. Dr. war, als ich nach Hause kam, sehr strenge mit mir, und hatte sich ganz unnötig aufgeregt, sie war extra früher nach 5

WIA, FC, Aby Warburg an Mary Warburg, 19. Februar 1929. – Mit freundlicher Genehmigung des Warburg Institute, London. Copyright: The Warburg Institute, London.

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A Hause gekommen, was ich nun wieder nicht gedacht habe, vielmehr des guten Glaubens war sie würde so lange in der Kirche bleiben als die Zeremonie dauert. Da ich mir aber keine wesentliche Erkältung zugezogen hatte, finde ich als Disponent langsam wieder Vertrauen. Gestern abend waren wir im Kino, das nun in diesem Falle ein ganz unheimlich wunderbarer Mithelfer beim Erleben sogenannter grosser Augenblicke ist. Ich rate Euch dringend diesen Film, wenn er nach Hamburg kommen sollte, anzusehen. Eine fabelhaft seelenkundige Regie steckt dahinter. Das Feinste im ganzen Vorgange ist wohl, dass der Duce sich an solchen Tagen nicht persönlich zeigte. Der Papst und der König erscheinen, aber er lässt sich nicht auf dem [sic!] Balkon des Palazzo Chigi herausrufen; nur die beiden Fahnen, die die seelische und materielle Grossmacht darstellen, werden vor dem Palazzo Chigi sichtbar. Vor der Unterzeichnung des Vertrages werden im Kino die Geburtsstätten einerseits des Kardinals Gasparri, ein einfaches Bergdorf mit seiner Kirche und seinem Begräbnisplatz wie auch andererseits Predappio, das Oertchen in dem Mussolini das Licht der Welt erblickte, gezeigt, um gleichermassen anzudeuten, dass der Weg zur Macht dem Tüchtigen offen steht. Freilich, die Fascisten haben sich akklimatisiert, vom Schwarzhemd ist nichts mehr zu sehen, das missing link zwischen Frack und Schwarzhemd, der Cutaway, ist das Kleid der eleganten fascistischen Minister. Der alte Kardinal Gasparri sitzt mit dem unzerstörbaren Gleichmut dessen der weiss, dass die Ereignisse am Felsen Petri vorbeibranden, an seinem Platz. Mussolini, in gestraffter Haltung, ohne alle Zwinkerlichkeit im Wesen, ist ganz Aufmerksamkeit. Man sieht, wie sich sein Mund beim Sprechen formt, ich war erstaunt über die schöne caesarische Bosheit seines Lippenspiels. Es wurden noch als Einleitung einige Szenen aus dem beruflichen Leben des Papstes gezeigt, z. B. wie er zuerst das Auto besteigt, an Stelle des Pferdewagen [sic!]. Die Abschaffung der Pferde hat übrigens erst den nötigen Raum geschaffen für die Erweiterung der Bibliothek, die jetzt gewiss die schönste und bequemste in Rom ist, was nun freilich nicht viel sagen will. Vorgestern abend hatten wir ein kleines Abendessen im Hotel in der sehr gemütlichen Stube, die an die Bar stösst. Es waren da: Prof. Hampe u. Frau, Hermanins mit Tochter, Prof. Baethgen vom preussischen Institut, Paul Strack, Prof. Curtius und Frl. Dr. Jastrow (Schwester von Frau Franz Hahn). Nach dem Essen gingen wir in mein Studierzimmer, wo ich allerlei über Manet und Raffael verzapfte.

D F. S-B. IX. D S.6

Die Tage der Ausstellung sind gezählt – von den die Kuppel beleuchtenden Glühlampen kann man das nicht behaupten! Mit dem Ende der Ausstellung werden auch die kleidsamen Uniformen der Aufseher ungezählt in die Rumpelkammer wandern oder meistbietend versteigert werden. Die Sonne hat aber das Roth, das Grün und das Gelb ihrer Mützen und Rockkrägen etwas gebleicht, dagegen das Antlitz dieser Biedermänner mit einem dunkleren Roth oder einem tieferen Braun bedeckt. Wenn man jetzt das Embonpoint dieser standhaften Männer der Ordnung, dieser Schwiegersöhne des Himmels, da bekanntlich die Ordnung schon von Schiller eine segensreiche Himmelstochter genannt wird, mit demjenigen vergleicht, welches sie in die »I. E. A.« [»Internationale Elektrotechnische Ausstellung«, T. H.] gebracht haben, so kann man nur sagen, dass die Verpflegung auf dem AusstellungsPlatze vortrefflich und der Dienst jener Erdensöhne zu Entfettungskuren nicht geeignet gewesen zu sein scheint. Sie haben sich nicht überanstrengt. Nur die Weissmützen der Kunstausstellung sehen etwas abgehärmt und gelangweilt aus. Sie sassen eben nicht in dem richtigen – Glühlicht; hinter dem Berge, gegen jede Feuchtigkeit geschützt, meist im Trockenen war ihr Standquartier. So geht es ja Allen den armen Geschöpfen, die sich der Kunst widmen! Was nützt es ihnen, wenn jeder erreichbare Trunk nur auf einem – Stillleben steht, an welchem man bekanntlich trotz der darin liegenden Appetitlichkeit weder seinen Durst, noch seinen Hunger stillen kann. Es sollen verhältnissmässig wenig Leute die Kunstausstellung besucht haben – nicht wegen ihrer Trockenheit. Der Grund der weniger starken Frequenz lag darin, dass man zum Sehen von 285 guten Bildern, aus Frankfurter Privat-Besitz, zu viel Zeit braucht. Heutzutage muss Alles viel, viel schneller gehen. Da lob’ ich mir den Ottomar Anschütz mit seinem Schnellseher. Für zehn Pfennige hat er vor unseren Augen wenigstens fünfzigmal einen Hund über den Stock springen, einen Turner über den Bock setzen, oder einen Reiter mit seinem Traber die Barrière nehmen lassen. Er hätte, wenn er sich nicht so schnell und eilig von der Ausstellung entfernt hätte, wahrscheinlich noch manches andere zeitgemässe SchnellseheProblem erfolgreich zu lösen verstanden: er hätte uns die Geschwindigkeit zeigen können, mit der »a Münchner Kellnerin« dem Gast das Bier austrinkt, er hätte uns die einzelnen sorgfältigen und sauberen Manipulationen sichtbar gemacht, mit denen die Würstel und das Kraut von dem Roste bis vor den Mund des Amateurs gelangen. … Die Tremolos der Italiener bei Milani, die sirenenhaften Zither-Töne der Csárda hätte er mit allen, die Südländer verrathenden, Begleiterscheinungen zu Gesicht gebracht. Die moderne Kunst muss beweglich sein – die Erzeugnisse derselben müssen einen Mechanismus hinter sich haben, auf derselben Landschaft muss der Mond auf- und die Sonne untergehen mit kurzen Zwi6

M, Fritz: IX. Der Schnellseher, in: Feuilleton. Stimmungs-Bilder, in: Elektrizität. Offizielle Zeitung der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 27, 17. Oktober 1891, S. 918.

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A schenpausen; Portraits grosser Männer müssen wenigstens mit dem [sic!] Köpfen wackeln! In der Kunst-Ausstellung aber hängt der Bismarck von Lenbach da, ohne wegen Russland mit der Wimper zu zucken, der Sarasate von Schüler glaubt, dass wir ihn bewundern müssen, auch wenn wir ihn nicht mit der ihm eigenen Schnelligkeit seine Quinten greifen sehen. … Ja Friedrich von Kaulbach muthet uns sogar zu, sein »Sitzendes Mädchen« ruhig sitzen zu lassen, ohne dass irgend ein Cavalier mit jugendfrischem Herzen es schnell im feurigen Walzertakt um sich herum dreht. Bewegung, elektromotorische Kraft, Rapidität verlangt das Publikum von heute: die Kunst muss sich danach richten! Wer wie Anschütz den Moment ergreift, ihn photographirt mit elektrischem Blitzlicht beleuchtet [sic!], um eine Walze dreht, vielleicht noch den armen Jonathan dazu spielen lässt, und nur – zehn Pfennige dafür verlangt, das ist der Mann der modernen Kunst. Stundenlang vor einem unbeweglichen Bilde stehen, und dann erst rauskriegen, wo eigentlich die Kunst steckt, was es etwa vorstellt, wer’s gemalt haben kann, wie alt oder wie modern es ist – das giebt’s nicht mehr! Der Schnellseher ist der Kunstbegriff der Zukunft: »Anschütz als Erzieher« heisst das nächste Buch, welches so schnell gelesen werden muss, dass wenn man sämmtliche Auflagen binnen vier Wochen durchgeflogen hat und an die 33te kommt, man nicht mehr wissen darf, was in der ersten steht! Die Damenwelt scheint aber noch mehr von den modernen Fortschritten im – Sehen zu verlangen. In der medicinischen Halle erschienen vor einigen Wochen zwei Damen und baten einen Aussteller, er möchte ihnen doch einmal die Apparate zeigen, mit denen man den menschlichen Körper durchleuchten könnte. Der gute Mann lehnte mit Entschiedenheit diese Bitte ab, da nur die Stirnhöhle, Augenhöhle, Kiefernhöhle, höchstens noch der Kehlkopf mit kleinen Glühlämpchen zu durchleuchten wäre. Das könnten aber nur Aerzte thun, auch wäre ja für Damen in den genannten Höhlen absolut nichts Interessantes zu sehen. Was sich die holden Evatöchter wohl gedacht haben mögen, als sie sich nach einer Durchleuchtung von Körperhöhlen sehnten? Wollten sie sich wirklich ein Diaphotoskop anschaffen, um Versuche zur Durchleuchtung der männlichen Herzkammern anzustellen? Das Herz ist aber eine natürliche Dunkelkammer, die zu durchleuchten auch einem noch schneller sehenden Zeitalter, wie dem unsrigen, kaum gelingen dürfte. Uebrigens hat das Schnellsehen einer unserer klassischen Meister poetisch vorgeahnt und beschrieben – Nicolaus Lenau, der seinen »Postillon« sagen lässt: »Wald und Flur im schnellen Zug Kaum gegrüsst – gemieden; Und vorbei im Traumesflug Schwand der Dörfer Frieden.« Und in richtiger Würdigung der Poesie des Schnellsehens, hat jüngst auch eine Militärkapelle auf dem Ausstellungs-Platze wieder an den Postillon, an den Schnellseher aus der guten alten Zeit der Postkutsche erinnert, indem sie unter stürmischen [sic!] Beifall des ganzen Zwanzig-Pfennig-Tages die beliebte »Post im Walde« zum Vortrag brachte. Als wir noch klein waren, blies der Postillon sein Solo in weiter Entfernung von der Kapelle, an einem abgelegenen lauschigen Plätzchen, in irgend einem Busche unter lautloser Stille der andächtigen Zuhörerschaft. Keiner aber fand es am Sonntag merkwürdig, dass sich der So-

D list der Ausstellungs-Kapelle mit dem elektrischen Aufzug und einer Spannung von 65 Volt den Otisthurm hinauffahren liess und theils oben auf der Plattform des Thurmes, theils mitten im Herunterfahren sein »Horn« erschallen liess. Es erschien allen selbstverständlich, dass die Post im Walde jetzt in einem Lift gespielt werden muss, der sich 40 Meter hoch über das Niveau der Alltäglichkeit erhebt. Böse Menschen behaupten freilich, dass dieses Musikstück noch besser in dem Fesselballon gespielt worden wäre. Warum? Weil es ebenfalls mit einem guten Accord abschliesst. … Fritz Murner.

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A D R  A K S. G  H,  /. Von Prof. Albers-Schönberg.7

Das Museum […] im Erdgeschoß soll zwei Hauptaufgaben erfüllen: 1. den eines Museums und 2. den eines Demonstrations- und Vorlesungsraumes. Um zunächst auf den ersten Punkt einzugehen, so ist unter Museum in diesem Falle nicht die übliche Sammlung seltener Gegenstände, die sich wenig oder gar nicht verändert, verstanden, sondern es liegen der Einrichtung, mutatis mutandis, ähnliche Prinzipien zugrunde, wie dem Phyletischen Museum in Jena. Die in sieben großen Fenstern in eiserne Träger auswechselbar eingefügten Platten, welche das Gesamtgebiet der normalen und pathologischen Röntgenanatomie umfassen, sollen einer dauernden Erneuerung und Ergänzung unterliegen […]. – Technisch bessere als die ausgestellten Platten oder diagnostisch wichtigere und typischere werden an Stelle der alten Negative gebracht und hierdurch eine stete Entwicklung des dargestellten Materials, die sich auf Jahre hinaus erstrecken wird, erzielt. – Es liegt also die Absicht vor, die Entwicklung der Diagnostik dem jeweiligen Standpunkt entsprechend, vor Augen zu führen. Die Auswahl der Platten ist so getroffen, daß in erster Linie charakteristische Typen der Erkrankungen gezeigt werden, wenn irgend möglich unter Berücksichtigung der einzelnen Stadien vom Beginn bis zur völligen Ausbildung bez. Heilung. Als Beispiel möge die Serie der Knochenatrophie dienen, welche diese Erkrankung von den ersten kaum angedeuteten atrophischen Flecken, über das Stadium der fast völligen Strukturlosigkeit bis zur Heilung in lückenloser Reihenfolge zeigt. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend ist daher weniger auf die Seltenheit der Platten Gewicht gelegt, als vielmehr auf den Entwicklungsgang der pathologischen Veränderungen. – Außer der Diagnostik soll auch die Technik in dem Raume voll zur Geltung kommen und zwar auch wieder vom Standpunkt der Entwicklung aus. Eine lediglich aus historisch interessanten Instrumenten bestehende Ausstellung würde dem Zweck dieses Museums widersprechen, auch könnte eine derartige Vorführung schwerlich Interesse erregen, da man andernorts schon vielfach, besonders auf Kongressen, solche Darbietungen gesehen hat. Die Entwicklung der Röntgenröhre von ihren ersten Stadien bis zu den komplizierten modernen Modellen wird in einer fortlaufenden Reihe gezeigt, so daß der Beschauer sich an der Hand der Modelle [T. H.: Im Original hier folgende Fußnote: Ein Geschenk der Firma H. C. F. Müller in Hamburg.] über die Schwierigkeit und Mühseligkeit des zurückgelegten Weges einen Eindruck verschaffen kann. Die verschiedenen Regulierungsmöglichkeiten, ausgehend von der primitiven Phosphorregulierung bis zu dem modernen Bauer’schen System, ist [sic!] ebenfalls als Reihenfolge dargestellt. In einer kompleten [sic!] Serie wird ferner an Modellen die Fabrikation der Röntgenröhre vor Augen geführt. Vom 7

A-S, Heinrich Ernst/S/L: Das Röntgenhaus des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg in Hamburg, errichtet 1914/1915, Leipzig 1915, S. 17–21.

D einfachen Glasrohr bis zur fertigen Röhre sind alle Stadien vorhanden. Auch der Vorgang der Evacuierung mit den verschiedenen Luftpumpen wird hier klar gemacht werden. Für die Vorführung und Erklärung stromerzeugender Apparate, welche nicht ohne Betriebsstörung im Hauptuntersuchungsraum vorgenommen werden kann, ist im Museum durch besondere Anschlußmöglichkeiten gesorgt worden. – Sieben Bartholdy’sche Stereoskope zeigen wichtige Stereoskopaufnahmen, die in gewissen Zeitabständen gewechselt werden. Die Erklärungen der Bilder sind an den Stereoskopen befestigt. An die Kriegszeit wird eine Sammlung von Projektilen u. a. m. erinnern. Auch für die Anlage einer Bibliothek sind Vorrichtungen getroffen worden, ferner werden andauernd die neuesten Zeitschriften und Publikationen, sowie Atlanten und dergleichen zum Studium ausliegen. – Neben dem Museumszweck dient der Raum für Konsultationen mit den Stationsärzten. Es hat sich stets als außerordentlich gewinnbringend für die Station und für das Röntgeninstitut erwiesen, wenn eine eingehende mündliche Besprechung der untersuchten Fälle zwischen den beteiligten Ärzten stattfinden konnte. – Lediglich die schriftliche Überweisung zur Röntgenuntersuchung mit mehr oder weniger ausführlicher klinischer Diagnose genügt dem Zweck einer exakten Röntgenuntersuchung nicht. In schwierigen Fällen ist eine vorherige Besprechung vor der Untersuchung gewinnbringend, indem sie unnötige Durchleuchtungen und Aufnahmen verhindert und den Röntgenologen auf die in Betracht kommenden wichtigen Punkte hinweist. Ganz besonders aber hat sich die Besprechung nach gemachter Aufnahme als praktisch erwiesen und der kritischen Bewertung der Platten wesentlich geholfen. Es mag hier z. B. nur an die Frühdiagnose tuberkulöser Spitzenaffektionen erinnert werden. Leichte, zweifelhafte Trübungen im positiven Sinne zu deuten, schließt für den Röntgenuntersucher dann eine zu große Verantwortlichkeit in sich, wenn er nicht über den gesamten Status des Patienten seitens des Stationsarztes informiert wird. In kleineren Betrieben wird der Röntgenologe die klinische Untersuchung im allgemeinen selbst vornehmen können und hierdurch Fehldiagnosen bei der Plattenkritik vermeiden. In einem großen Krankenhause ist es indessen ganz ausgeschlossen, daß sich der Röntgenologe der klinischen Seite auch nur einigermaßen widmen kann. Hierzu ist die Zeit einfach nicht vorhanden, daher muß diesem Übelstande durch die Konsultation mit den Stationsärzten in jedem schwierigen Falle abgeholfen werden. In dem Museums- und Demonstrationsraume sind in einem der sieben Fenster die beiden untersten Reihen für die in den letzten 24 Stunden angefertigten Platten reserviert worden. Die beiden hierüber liegenden nächsten zwei Reihen enthalten Normalbilder aller Art, so daß bei Betrachtung und Besprechung der in den letzten 24 Stunden gemachten Aufnahmen stets ohne Schwierigkeit Vergleiche mit Normalplatten angestellt werden können, und zwar in der Weise, daß jeweils die pathologische Platte unter das Normalbild gestellt wird. Für den Abenddienst läßt sich dieses Fenster von der Außenseite elektrisch beleuchten, so daß es eine ideale Negativbühne für 70 Platten darstellt. Bekannt ist die große Schwierigkeit, in pathologischen Fällen stets Vergleichsplatten aus Kästen und Archiven herbeizuschaffen. Meistens wird man gerade die Platte, auf welche es ankommt, nicht finden können. Hier tritt nun wiederum die Museumseinrichtung

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A helfend ein, indem man ohne weiteres Parallelfälle in typischen Ausführungen zur Hilfe hat und nur von einem Fenster zum andern zu gehen braucht. – Die Anlage von Diapositivsammlungen, namentlich in Fällen, wo es sich um leichtes Aufbewahren eines großen Plattenmaterials handelt, ist gewiß zu empfehlen. Es ist aber bekannt, daß selbst die besten Diapositive hauptsächlich in Folge des kleinen Formates in ihrem diagnostischen Werte weit hinter den Originalplatten zurückstehen. Das Betrachten der letzteren ist ungleich gewinnbringender als die Verwendung von Diapositiven, welche ihren Zweck besser als Vorführungsmittel bei Projektionsvorträgen erfüllen. Die Herstellung von Abzügen ist erst recht abzulehnen, da bekanntlich die meisten Feinheiten verloren gehen, es sei denn, daß sehr kostspielige und komplizierte Reproduktionstechniken angewendet werden. Das Museum ist nicht mit Verdunkelungsvorrichtungen ausgestattet worden, da es vorwiegend dem Studium bei Tageslicht dienen soll und für Projektionsvorträge im Krankenhaus bereits ein eigener Hörsaal vorhanden ist. – Die Betrachtung der Original-Negative bei künstlichem Licht wird im neuen Institut mittels des Beleuchtungsapparates für die Stereoskopie großer Platten angewendet. Die therapeutischen Erfolge werden durch eine Moulagensammlung, sowie durch Photogramme, welche im photographischen Atelier des Instituts hergestellt werden, demonstriert. Zur Aufnahme der Moulage dient ein lichtdichter Schrank, da die Farben im hellen Tageslicht verblassen. Die Photographien werden in Mappen gesammelt und mit Unterschriften, welche die Diagnose usw. tragen, versehen. Vorrichtungen zum Aufhängen großer Bilder, Tabellen etc., sowie eine Tafel aus Mattglas zum Zeichnen, ein Skelett und Knochenpräparate vervollständigen die Ausrüstung dieses Raumes. –

D F S  D  A W  H, ... Maschinenschriftlicher Brief mit handschriftlichen Korrekturen und Ergänzungen, Dresden, vier Seiten.8

Mein lieber Herr Professor! Ich bin hergefahren nach Dresden, weil Sie gesagt haben, dass sich das so gehört. Aber ich hatte keine Ahnung, was mich da erwartet hat. Es handelte sich um Folgendes: wirklich seit meiner Kindheit, [sic!] narrt mich dieses grosse Manoah-Bild in Dresden. Es hängt in einem ganz dunklen Saal und sieht so merkwürdig aus, weil es zwei leuchtend farbige Gestalten in einer ganz detaillos dunklen Atmosphäre zeigt. Mit 19 Jahren habe ich diesen Tatbestand hingenommen und mir dazu eine Theorie gebaut. Es ist ein Uebergangsglied in der Kette der Werke aus R’s Manneszeit u. s. w. u. s. w. Später bin ich schlauer geworden und habe gesehen, dass das Bild in zwei verschiedenen Perioden gemalt ist und mit Hilfe des wirklich innerlich hochbegabten Kutzbach und des mehr äusserlich begabten Heidenreich habe ich festgestellt 1.) was früh und was spät ist an dem Bild, so gut und schlecht das den Jungen nach dem schlecht hängenden Original und mir nach einer vergrösserten Fotografie möglich war und 2.) dass wir eine Zeichnung haben, die wahrscheinlich eine Studie zur Umarbeitung des Bildes ist, die bekanntlich hauptsächlich den Engel und den Altar betraf. Auf dieser Skizze ist nämlich das Gemälde in seinem rechten Teil wiedergegeben, so wie es heute ist, der linke aber in einem wahren Uebergangszustand, es wird eine neue Lösung für den Engel gesucht, sie ist aber noch nicht gefunden, ebenso für den Altar. Mehr als dass man in Amerika Uebermalungen von Bildern mit Roentgen festgestellt hatte, wusste ich eigentlich von diesem Verfahren nicht. Und um die Wahrheit zu sagen, die Leute hier wussten nicht viel mehr als ich. Keiner wusste, wie man es technisch auch nur beginnt, so ein Riesenbild zu durchleuchten. Denn das ganze Aufnahme Verfahren besteht nur darin, dass man einen Film auf die Rückseite des Gemäldes gibt und die Strahlen durch die betr. Stelle hindurchgehen lässt, es gibt also keine Verkleinerung, sondern jedes Roentgenbild ist genau so gross wie sein Urbild. Mit diesen Riesenstücken kann man ja aber nicht arbeiten. Denn wenn man etwas daraus herauslesen können soll, muss man die Teile nebeneinander legen können und sehen, ob sich durch mehrere Teile durchlaufende, auf dem Bild heute nicht sichtbare Formen ablesen lassen. Ich liess also die Stücke verkleinern und auf Papier übertragen (Hoff hat technisch schlecht und falsch gearbeitet, aber das geht eben nicht besser von hier aus, ich musste dies Alles hier nochmals machen lassen). Dabei stellte sich nun allerlei heraus. Erstens, dass 8

WIA, GC, Fritz Saxl an Aby Warburg, 11. Februar 1928. – Mit freundlicher Genehmigung des Warburg Institute, London. Copyright: The Warburg Institute, London.

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A der Roentgen-Jüngling seine Röhre falsch eingestellt hatte, d. h. viele Films hatten nur zur Hälfte Zeichnung, zur anderen Hälfte war überhaupt nichts drauf. Zum Ueberfluss hatte der junge Mann die Films auch noch falsch beziffert, sodass mein Zusammenlegspiel der Teile Tage und Nächte lang gedauert hat. Endlich war ich so weit, dass ich mir von der linken Hälfte des Bildes ein technisch recht unvollkommenes, aber immerhin doch deutbares Bild machen konnte. Und was war das erste, was ich da sah? Mit aller wünschenswerten Deutlichkeit die Flügelzeichnung des früheren Engels und die ganz andere Stellung des Altars, also ganz genau – und nun dokumentarisch genau – die Bestätigung meiner Ansicht, dass wir in jener Zeichnung wirklich Rembrandt in die Werkstatt blicken dürfen, dass sie wirklich uns den Augenblick der Entstehung des neuen Bildgedankens erfassen lässt. Und dann bestätigt sich auch meine andere Annahme, dass das wunderbare Stockholmer Blatt ein weit genialerer (nie ausgeführter) Entwurf für dasselbe darstellt. Ich kann Ihnen nicht alle Einzelheiten dieser Impresa schreiben, Roentgen und tagelange Untersuchung des Bildes in bestem Licht haben noch andere, [sic!] Dinge erkennen lassen, die es gestatten, mit grösster Wahrscheinlichkeit das ursprüngliche Bild zu rekonstruieren. Aber – zu all dem sind die bisherigen Roentgen-Aufnahmen viel zu schlecht. Man kann nicht Films reproduzieren, die um zwanzig Zentimeter nicht aneinander passen, weil der Herr Fotograf völlig ludrig seine Lampe eingestellt hatte. Und dann: man sieht ganz andere Dinge, wenn man die Lampe weich oder hart einstellt. Weich zeigt die Lampe die Epidermis, härter dringt sie in tiefere Schichten ein. D. h. eine wirklich wissenschaftlich saubere Arbeit, [sic!] muss geduldig von allen wichtigen Partien mehrere Aufnahmen machen, sodass man wie der ausgrabende Archäologe Schicht um Schicht gleichsam abhebt. Das Bild musste aber jetzt, nachdem es zwei Wochen lang verborgen war, wieder dem Publikum ausgesetzt werden. Ich muss also nochmals her, wahrscheinlich zwischen London und Paris. Ich habe mit dem besten Dresdner Verleger, Jess, der auch das sehr nette Buch von Emil Schäffer über die Sixtina jetzt gedruckt hat, gesprochen. Ich denke er [sic!] wird die Sache publizieren, zwanzig Tafeln und einen Bogen Text. Auf den ersten zehn Tafeln sollen die Detailaufnahmen des Bildes, die ich nach Münz’ Vorbild jetzt habe machen lassen und die im Gegensatz zu den lächerlichen s. Zt. durch Heidenreich gemachten ausgezeichnet ausgefallen sind, wiedergegeben werden, auf den nächsten fünf die Studien zu dem Bild und auf den letzten die Röntgen Aufnahmen. Das ganze denke ich mir als eine Art Urkundenpublikation mit etwas Kommentar. Sollte die Sache mit Jess nicht gehen, mache ich es wahrscheinlich mit dem Krystall-Verlag, der mich unlängst um etwas gebeten hat. So, lieber Herr Professor, und nun danke ich Ihnen nochmals herzlichst für den Rat hierherzufahren und wünsche Ihnen für Ihre Arbeit, und speziell für die »florentiner Teppiche« das Allerbeste. Ich habe hier die ganze niederländische Graphik vom 16. Jahrh. ab durchgesehen (in meinen vielen unfreiwilligen Pause [sic!]) und dabei auch Neptune und solches Zeug gefunden. Darüber nächstens.

D Wie immer in alter Wärme und Treue Ihr Saxl [Handschriftliches Post Scriptum:] Der Roentgen-Jüngling hat nicht weniger verbrochen, als durch Unvorsicht in das Bild ein Loch zu machen. Es war glücklicher Weise am Rand und am nächsten Tag bereits so gut restauriert, daß man nichts sieht. Aber Sie können sich meinen Schreck ausmalen – es war Abend um 6 und ich allein mit dem Jungen in der Sammlung – am nächsten Morgen hatte ich es Posse zu sagen, der sich sehr anständig benahm. Die Nacht davor war entsetzlich. Das hat mir auch das Weiterarbeiten jetzt vermiest. Posse läßt Sie schön grüssen, ebenso Manteuffel.

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A D E  S   S. Von Anselma Heine (Berlin).9

Als man die Nähmaschine erfand, geschah es, um Zeit zu sparen. Aber da wurden die komplizierten Besätze an den Kleidern Mode, zugleich wechselte, da nun die Möglichkeit dazu gegeben war, die Tracht, die ehemals erhaltsam gewesen ist, traumschnell. Die Maschine beherrschte den Geschmack. Die Dienerin gewesen war, wurde nun Herrin und regierte. Man könnte dem Beispiel viele tausende gesellen. Denn Werkzeuge rächen sich! So läuft der Kreisel der Welt. Vor zweihundert Jahren erfand man die Schreibmaschine; sehr langsam erst hat sie sich als Hilfsmittel auch für den Schriftsteller herausgebildet, heute aber wird sie von den meisten von uns benutzt. Ein gefährlich Ding! Werkzeuge rächen sich! Und über jeder Schreibmaschinenstube, in die ein Schriftsteller tritt, sollte der alte Bibelspruch stehn: »Wenn du fromm bist, so bist du angenehm. Bist du aber nicht fromm, so ruht die Sünde vor der Tür. Tue ihr aber nicht ihren Willen, sondern herrsche über sie.« Diktiert haben auch die Schriftsteller früherer Zeiten. Die sich in gesellschaftlich erhöhter Lage befanden, benutzten ihre Hausangestellten dazu, oder hielten sich eigene Sekretäre; Männer oft, bedeutender als sie, von derem [sic!] Gespräch sie Nutzen zogen, die ihnen auch wohl ihre Schriften formal und inhaltlich verbesserten, manchmal gar die, unter ihren Namen laufenden, verfaßten. Rousseau war lange Sekretär. Sein Ruhm trägt jetzt die Namen seiner Brotgeber als Schleppe. Übrigens wäre es eine reizvolle Aufgabe, die Dichter früherer Zeiten daraufhin zu studieren, ob sie und welches Werk sie diktiert hätten? Und wem? Goethe zum Beispiel diktierte bereits im Jahre 1776, und zwar seinem Diener. Später beschäftigte er eine wahre Kanzlei von Schreibern, neben diesen Untergebenen aber leisteten ihm auch Gebildete Sekretärsdienste: Riemann [sic! – gemeint ist Friedrich Wilhelm Riemer, T. H.], Eckermann, sowie Damen seines nächsten Freundeskreises. Und wenn man in seinen späteren Werken, [sic!] manchmal einen befremdend kühlen Abstand des Dichters von seinen Gestalten empfindet, liegt die Schuld immer nur am Gelaßnerwerden des Reiferen und Alternden? Könnten wir uns nicht denken, daß wir sie auch in der Person des Sekretärs zu suchen hätten? So zwar, daß die Untergebenen den Dichter weniger hemmten, als die Urteilsfähigen, die er in späteren Jahren heranzog? Daß er also die stummergebene Maschine bevorzugte? In unserer Zeit gibt es nur wenige Schriftsteller, ja Dichter, die nicht diktieren. Seitdem die Schreibmaschine in die Literatur eingeführt ist, fordern Redakteur, Verleger, Setzer deutliches Manuskript. Das zwingt die Schriftsteller, zu diktieren, entweder als Stenogramm, das dann übertragen wird, oder in die Maschine selbst. Auf höchst verschiedene Weise finden sie sich mit dieser modernen Notwendigkeit ab. Und es ist dermaßen charakteristisch für jeden, wie er diktiert und in welchem Stadium seines Werkes, daß eigentlich nur noch Tippmädchen Literaturgeschichte schreiben dürften. 9

H, Anselma: Der Einfluß der Schreibmaschine auf den Schriftsteller, in: Das literarische Echo. Halbmonatsschrift für Literaturfreunde 18 (4), 15. November 1915, Sp. 208–211.

D Da sind die Heimarbeiter, Leute, die am eignen Schreibtisch sitzen müssen, in dem von ihnen selber dichterisch ausgewärmten Sessel, um arbeiten zu können. Das Surren der Feder über dem Papier tut ihren Nerven wohl. Wirkliche Schrift-Steller, die sie sind, wirkt diese kleine Handarbeit klärend und beruhigend auf sie. Sie diktieren ungern, nur um ein tadelloses Manuskript zu bekommen, sprechen dabei jedes Wort bedächtig, wie schmeckerisch und fügen laut die Interpunktion hinzu. Sehr selten nur ändert der Heimarbeiter am Ausdruck, betroffen durch die Kritik seines Lautaussprechens. Von Anfang bis zum Ende bleibt er der Herr, die Schreibmaschine gefügiges Werkzeug. Andere wieder diktieren aus einem Manuskript, in dem fast jedes Wort verbessert, ganze Zeilen ausgestrichen, überklebt, von Seitennotizen und Wegweisern verstört ist. Sie bessern noch unaufhörlich, unzufrieden und wie im Dunkeln stolpernd, laufen nervös auf und ab, leiden sichtlich durch die Gegenwart des Schreibenden, wie schamvoll ihre Werkstattsleiden und -freuden so vor einem Fremden entblößen zu müssen. Diese Ängstlichen schauen dann befriedigt, fast erstaunt auf die reinlich vor ihnen liegenden Blätter. Jetzt erst hat ihnen ihr Werk Gestalt und Wirklichkeit gewonnen, ist aber auch nun gleich etwas unantastbar Selbständiges geworden, dem sie glauben und an das sich nicht mehr rühren läßt. »Ich wollte eigentlich – man müßte wohl noch –. Aber es sieht gut aus so!« Und er läßt stehn, was er doch nicht ganz verantworten kann. Das Werk der Schreibmaschine! Vor manchem Übel aber bewahrt sie uns auch. So vor jenem Gegenstück des Heimarbeiters, dem Kaffeehauspoeten. Sie wirkt auf ihn ernüchternd, wie das klare Morgenlicht auf den vom Maskenball Heimkehrenden, dem sein Flitterstaat grell und fadenscheinig vorkommt, lächerlich, unmöglich. Dort im Kaffeehause, angebrütet von der animalischen Wärme seiner Genossen, kamen ihm Empfindungen, Geistessensationen, die ihm nicht nur künstlerische Vorstellungen, die ihm Ideen schienen. Er hat sich mit dahinrasendem Bleistift Aufzeichnungen gemacht, rasch, um den Augenblick der Ekstase zu nützen. Vor der Schreibmaschine aber, zwangsgeordnet und unbarmherzig deutlich wird alles kläglich dünngezerrt. Nichts mehr von dem Funkelnden, das über den Tiefen zu spielen schien; nichts mehr von genialer Dunkelheit, die reizte und versprach. Eine Frage der Kraft ist es nun, ob dieses Opfer der Schreibmaschine ihre grausame Belehrung nimmt, oder ob er ihr verachtend den Rücken wendet, zurückkehrt in sein Kaffeehaus, um sein Werk den Genossen vorzulesen, die Beifall schenken, dafür von ihm gleichen Liebesdienstes gewärtig. Allmählich wird der Dunst des Kaffeehauses eine Wolke um den Märtyrer ziehen, eine Legendenbildung beginnt, die sich manchmal sogar in die Literaturgeschichte hineinzuschmuggeln versteht; ein Kreis Verkünder wird sich um den von der Welt Verkannten reihen, eine Gesellschaft auf gegenseitige Unsterblichkeit, die gegenseitig ihre Werke müßig und bewundernd untergehen sieht. Das Werk der Schreibmaschine! Ein Gegensatz auch zum Heimarbeiter sind jene Schriftsteller, die eigentlich erst vor dem Publikum entstehn, die gleichsam Zwiesprach halten, wenn sie denken. Ihnen ist die Schreibmaschine die Geburtshelferin, der sie ihre besten Einfälle verdanken. Der Klang ihrer eigenen Stimme formt ihnen ihre Worte, ja, ihre Gedanken, sie richten ihre Sätze an

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A den Rücken des Schreibenden, erraten aus der kleinsten Schulterbewegung die Bewunderung, das Nichtverstehen und – richten sich wirklich danach. Sie sind die Redner unter den Schriftstellern, ihre Arbeit ist ein Verführen und Überreden, oft zu etwas, das sie selber eben erst erleben. Sie verlassen ihre Notizen, der ganze Aufbau ihres Werkchens ändert sich, so daß sie hemmungslos sich der Schwelgerei tönender Wortverbindungen, der Bequemlichkeit leichter Plauderei schnoddriger oder burschikoser Ausdrücke hingeben. Die Leichtigkeit, mit der sie ihre Arbeiten beenden, verhindert sie meist: sie zu vollenden. Schreibt ein solcher Schriftsteller für Tagesblätter – und das tut er fast immer – so hat er Anwartschaft darauf, sich ein Vermögen zu erschreiben; welche Aussicht wiederum beflügelnd auf seine Produktion wirkt. Hätte er zu Hause still auf die Feder gekaut, er hätte sicher weniger, wahrscheinlich aber Gediegeneres zustande gebracht. Dafür verdankt er der Schreibmaschine Tageswirkung und Ruhm. Mag nun seine Absicht andere Wege gehn als seine Begabung, die Schreibmaschine kommt nur jener zu Hilfe, füttert sie breit, weil sie selber es ist, die Futter braucht, und sich von dem Gemästeten mästen möchte. Und wenn vorhin von den Heimarbeitern die Rede war, so muß man diese Sorte als »Fabrikarbeiter« bezeichnen, die fleißig Stückarbeit fördern. Ein Typus, der den des Heimarbeiters täglich mehr und mehr verdrängt. Genau wie er das in allen andern Industrien tut. Der Kreislauf ist also der: Die Schreibmaschine erleichtert die schriftstellerische Arbeit, die somit einem erhöhten Angebot nachkommen kann, zugleich aber, durch die Leichtigkeit der Produktion verführt, mühelose, daher auch billigere Arbeit liefert, als der Heimarbeiter könnte. Diese Ramschware nun vergrößert den Kreis der Konsumenten um alle, die den Ramsch lieben und versucht ihre Bedingungen auch den Heimarbeitern aufzudrängen. Womit sie sie zugrunde richtet. Alles das hat die, der Entlastung des Schriftstellers dienende Schreibmaschine angerichtet. Tue du ihr also nicht ihren Willen, sondern herrsche über sie!

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Abbildungsverzeichnis 1. Toilettenpapierbanderole, in: WIA, III.131.6. »Astrology, etc., Modern Survivals. 39 newspaper cuttings and offprints« (WIA, III.131.6.no23) – Copyright: The Warburg Institute, London. 2. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne,Tafel »77« – Copyright: The Warburg Institute, London. 3. Venus à la Giorgione mit »Ohropax-Geräuschschützern« – Seite 683 aus der Berliner Illustrierte Zeitung, Nr. 21 vom 29. Mai 1932 (?), mit handschriftlicher Notiz von Gertrud Bing, in: WIA, III.131.6. »Astrology, etc., Modern Survivals. 39 newspaper cuttings and offprints«, no 33 – Copyright: The Warburg Institute, London. 4. »das ganze Material photographisch zusammenzubringen« – S, Richard: Die illustrierten Prudentiushandschriften. Tafelband, Berlin 1905, Tafel 95. 5. Handkolorierte Photographie von Colorado Springs, in: WIA, III.48. »Photographs bought by Aby Warburg during and after his journey to America (Sept. 1895–May 1896)« (WIA, III.48.1.7. »Landscapes«) – Copyright: The Warburg Institute, London. 6. Cyanotypie mit dem Titel »634 – Juanico, A Councillor of ACOMA. Copyright 1892 BY C. F. LUMMIS«, in: WIA, III.47.3. »Photographs bought by Aby Warburg during and after his journey to America (Sept. 1895–May 1896)« (WIA, III.47.3.1.3.) – Copyright: The Warburg Institute, London. 7. Stereoskopische Photographie mit dem Titel »The Indian Pueblo of Cochiti and Vicinity. No. 140. Statues of Mountain Lions. Photographed & Published at Santa Fe, N. M., by Henry Brown«. Die Bildlegende auf der Rückseite lautet: »Enclosed by a rude quadrangular stone wall. Each of them is about 6 feet long, and represents a Puma in the act of crouching for a spring. They are idols of the God of the chase, and as such are still worshipped by the Indians of Cochiti, who annoint the heads of the statues with a reddish ointment, when about to start on a hunting expedition. They occupy the highest point of the great Potrero de las Vacas, and are about ½ mile from the ruins of an ancient pueblo. A splendid view of the Sierra de Santa Fe, is enjoyed from the site of the statues.« In: WIA, III.48. »Photographs bought by Aby Warburg during and after his journey to America (Sept. 1895–May 1896)« (WIA, III.48.1.8. »Miscellaneous«) – Copyright: The Warburg Institute, London. 8. Aby Warburg, Mann beim Photographieren von Felszeichnungen bei den Ruinen von San Cristobal in der Nähe von Santa Fe, Neu-Mexiko, Februar 1896 (Originalabzug in schlechtem Erhaltungszustand) – Copyright: The Warburg Institute, London. 9. K.B.W., »Großes Epidiaskop für Vergleichsbilder« auf der Empore des Lesesaals – Wiedergabe nach: S, Tilmann von: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Architektur, Einrichtung und Organisation, Hamburg 1992, S. 99. 10. Aby Warburg, Tabelle »Schematismus der Pathosformeln«, in: WIA, III.71. »Schemata Pathosformeln. 1905–1911. Bound large folio notebook, Warburg’s MS. Folios numbered 1–92 (16–38, 40–49, 52–65, 69–72, 85–2 blank)«, Fols. 2v und 3r – Copyright: The Warburg Institute, London. 11. Aby Warburg, Liste unterschiedlicher Reproduktionsmedien und der Häufigkeit ihres Vorkommens auf mehreren, für einen Vortrag zusammengestellten Bildertafeln, in: WIA, III.108.12. »Festivals. 1927–28«, Fols. 1–13: »Bilder aus dem Festwesen der Renaissance. Vortrag in der Hamburger Handelskammer am 14. April 1928«, Fol. 13 – Copyright: The Warburg Institute, London. 12. Aby Warburg, Liste unterschiedlicher Reproduktionsmedien und der Häufigkeit ihres Vorkommens auf mehreren, für einen Vortrag zusammengestellten Bildertafeln, in: Zettelkasten Nr. 4 (»Diapositive Vorträge 1909«): WIA, III.2.4/001763 – Copyright: The Warburg Institute, London.

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A 13. Aby Warburg, »Onkel Sam« unter »elektrischem Draht« vor »nachgeahmtem antiken Rundbau«, Februar 1896 – Copyright: The Warburg Institute, London. 14. K.B.W., Nische des Lesesaals mit Hebetisch und Rohrpostanlage – Wiedergabe nach: S, Tilmann von: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Architektur, Einrichtung und Organisation, Hamburg 1992, S. 96. 15. K.B.W., Kommunikationsstation im Magazin – Wiedergabe nach: S, Tilmann von: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Architektur, Einrichtung und Organisation, Hamburg 1992, S. 98. 16. K.B.W., Laufband unter der Erdgeschoßdecke zur Nische des Lesesaals – Wiedergabe nach: S, Tilmann von: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Architektur, Einrichtung und Organisation, Hamburg 1992, S. 95. 17. K.B.W., Generator für den Bücheraufzug – Wiedergabe nach: S,Tilmann von: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Architektur, Einrichtung und Organisation, Hamburg 1992, S. 97. 18. Karl C. Schwalbach, Internationale Electrotechnische Ausstellung Frankfurt a. M., Mai–October 1891, Entwurfszeichnung, Tusche auf Pergament, 1891 – Wiedergabe nach: S, Jürgen: Die »fée électricité« trifft Prometheus – Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891 und die »Neue Zeit«, in: S, Rolf (Hrsg.): Unbedingt modern sein. Elektrizität und Zeitgeist um 1900, Osnabrück 2001, S. 34–49, hier: S. 36. 19. Helios Actien-Gesellschaft für elektrisches Licht, Köln-Ehrenfeld. Internationale Elektrotechnische Ausstellung, Frankfurt a. M. 1891, Lichtdruck, 1891 – Wiedergabe nach: S, Jürgen: Die »fée électricité« trifft Prometheus – Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891 und die »Neue Zeit«, in: S, Rolf (Hrsg.): Unbedingt modern sein. Elektrizität und Zeitgeist um 1900, Osnabrück 2001, S. 34–49, hier: S. 39. 20. Frank Kirchbach, Internationale Elektro-Technische Ausstellung zu Frankfurt am Main, Mai– October 1891, Plakat, Lithographie und Druck von J. C. Metz, 1891 – Wiedergabe nach: S, Jürgen (Hrsg.): »Eine neue Zeit ..!«. Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891, Frankfurt a. M. 1991, S. 328. 21. Ein Traum nach dem Besuche der Frankfurter Elektrotechnischen Ausstellung. (Aus unserer humoristischen Mappe.), in: Kleine Presse. Stadt-Anzeiger und Fremdenblatt 224, 24.09.1891, Erstes Blatt, Titelseite, nach einer Zeichnung von Otto Flecken – Wiedergabe nach: S, Jürgen (Hrsg.): »Eine neue Zeit ..!«. Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891, Frankfurt a. M. 1991, S. 351. 22. Querschnitt eines Tiefsee-Kabels im Kapitel »Der elektromagnetische Telegraph«, in: K, Ernst: Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten, Braunschweig 1877, S. 141. 23. Querschnitt eines Nerven im Kapitel »Der elektromagnetische Telegraph«, in: K, Ernst: Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten, Braunschweig 1877, S. 142. 24. L’Électricité, Siegeszug der Telephonie, Statuette, Zinn mit Bronzebemalung, Wurzelholzimitat, Draht (stoffumwickelt), o. J. – Wiedergabe nach: H, Jan-Otmar: Telegraphie, Telephon, Funk – die Vernetzung der deutschen Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert, in: S, Rolf (Hrsg.): Unbedingt modern sein. Elektrizität und Zeitgeist um 1900, Osnabrück 2001, S. 50–61, hier: S. 53. 25. Aby Warburg, Pueblo-Frau, die vermutlich beim Anblick der Kamera in ein Haus flieht, April 1896 – Copyright: The Warburg Institute, London. 26. Schematische Darstellung der Gemäldehängung sowie der Blende und der Scheinwerfer in der Kunstausstellung im Rahmen der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung, Frank-

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furt a. M. 1891, Holzstich, 1891 – Wiedergabe nach: S, Jürgen (Hrsg.): »Eine neue Zeit ..!«. Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891, Frankfurt a. M. 1991, S. 239. Schematische Darstellung der Blende und der Scheinwerfer in der Kunstausstellung im Rahmen der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung, Frankfurt a. M. 1891, Holzstich, 1891 – Wiedergabe nach: S, Jürgen (Hrsg.): »Eine neue Zeit ..!«. Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891, Frankfurt a. M. 1991, S. 240. K.B.W., Verdunklungseinrichtung für das Oberlicht des Lesesaals – Wiedergabe nach: S, Tilmann von: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Architektur, Einrichtung und Organisation, Hamburg 1992, S. 100. Ferdinand Luthmer, Werbekarton für die Offizielle Zeitung der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung, Frankfurt a. M. 1891, Lichtdruck von C. F. Fay, 1891 – Wiedergabe nach: S, Jürgen (Hrsg.): »Eine neue Zeit ..!«. Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891, Frankfurt a. M. 1991, S. 314. Museumsführer Deutsches Museum mit handschriftlichen Notizen Warburgs – G, Hans: Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München. Rundgang durch die Sammlungen. Amtliche Ausgabe mit 46 Abbildungen, sämtlichen Plänen und Führungslinien, München 1925, S. 104 – Copyright: The Warburg Institute, London. Museumsführer Deutsches Museum mit handschriftlichen Notizen Warburgs – G, Hans: Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München. Rundgang durch die Sammlungen. Amtliche Ausgabe mit 46 Abbildungen, sämtlichen Plänen und Führungslinien, München 1925, S. 106 (Umschlagrückseite) – Copyright: The Warburg Institute, London. Museumsführer Deutsches Museum mit eingeklebtem Notizblatt Warburgs – G, Hans: Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München. Rundgang durch die Sammlungen. Amtliche Ausgabe mit 46 Abbildungen, sämtlichen Plänen und Führungslinien, München 1925, S. 105 – Copyright: The Warburg Institute, London. Achsensymmetrisch organisierte hieratisch anmutende Prospekte als Beispiele für die Pathosformel ›Hierarchie‹ – G, Hans: Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München. Rundgang durch die Sammlungen. Amtliche Ausgabe mit 46 Abbildungen, sämtlichen Plänen und Führungslinien, München 1925,Tafel – Copyright: The Warburg Institute, London. Historische Varianten von ›Laboratorium‹ – G, Hans: Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München. Rundgang durch die Sammlungen. Amtliche Ausgabe mit 46 Abbildungen, sämtlichen Plänen und Führungslinien, München 1925, Tafel – Copyright: The Warburg Institute, London. Bildpostkarten des Deutschen Museums im Besitz Warburgs – Copyright: The Warburg Institute, London. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »A« – Copyright: The Warburg Institute, London. Bildersammlung zur Geschichte von Sternglaube und Sternkunde, Blick in die Ausstellung mit dem Gemälde Max Adolf Warburgs, 1930 – Copyright: The Warburg Institute, London. Max Adolf Warburg, Der kontemplative Mensch, sich in ruhiger Anschauung in das mathematische System planetarischer Umlaufbahnen versenkend, Öl auf Leinwand, circa 1930 – Copyright: The Warburg Institute, London. Max Adolf Warburg, Der erschrockene Mensch, sich von anthropomorphen Planetengöttern bedroht sehend, Öl auf Leinwand, circa 1930 – Copyright: The Warburg Institute, London. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »C« – Copyright: The Warburg Institute, London. Hamburger Illustrierte 11 (36), 07.09.1929, Titelseite – Archiv des Verfassers. Hamburger Illustrierte 11 (36), 07.09.1929, S. 3 – Archiv des Verfassers.

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A 43. Aby Warburg, Exzerpt: Umwandlung von Energiearten beim Pendel, in: Zettelkasten Nr. 4 (»Energetik physikalisch«): WIA, III.2.4/001204« – Copyright: The Warburg Institute, London. 44. Giovanni Caselli, Pantelegraph, 1855, in: K, Arthur: Bildtelegraphie (Sammlung Göschen, Bd. 873), Berlin 1923, S. 13. 45. Aby Warburg, Zeichen eines im Schwingen begriffenen Pendels als Symbol für Warburgs Theorie und ihre Gegenstände, in: WIA, III.43.2.1. »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (monistischen Kunstpsychologie)«, Bd. 2: 1896–1903, S. 67 (Eintrag vom 13. April 1900) – Copyright: The Warburg Institute, London. 46. Warburgs persönliche Kulturgeographie, 1928 – Copyright: The Warburg Institute, London. 47. Netz europäischer »Bildstationen«, in: Hamburger Illustrierte 11 (36), 07.09.1929, S. 3, Detail – Archiv des Verfassers. 48. Gelett Burgess, Vignette, »in der sich Schnellzug, Telegraphenstangen und Rauchwolken zu einem launigen Ornament zusammenfügen« (Warburg), 1895/96 – Copyright: The Warburg Institute, London. 49. Kraftübertragung Lauffen – Frankfurt 175 km. Secundärstation Ausstellung Frankfurt a. M. 100 HP Drehstrommotor mit Centrifugalpumpe. Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft, Berlin. Internationale Elektrotechnische Ausstellung, Frankfurt a. M. 1891, Lichtdruck, 1891 – Wiedergabe nach: S, Jürgen: Die »fée électricité« trifft Prometheus – Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891 und die »Neue Zeit«, in: S, Rolf (Hrsg.): Unbedingt modern sein. Elektrizität und Zeitgeist um 1900, Osnabrück 2001, S. 34–49, hier: S. 43. 50. Hamburger Illustrierte 11 (36), 07.09.1929, S. 4 – Archiv des Verfassers. 51. Musenreigen auf dem Parnaß. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »50« und »51«, Detail – Copyright: The Warburg Institute, London. 52. Bildtelegraphisch übertragene ›Pathosformel‹, in: K, Arthur: Bildtelegraphie (Sammlung Göschen, Bd. 873), Berlin 1923, Tafel VIII Fig. 56. 53. Vergleichende Betrachtung von Original und Empfangsbild, in: K, Arthur/G, Bruno: Handbuch der Phototelegraphie und Telautographie, Leipzig 1911, S. 307. 54. Zusammenstellung verschiedener Bildtypen im Rahmen eines bildtelegraphischen Laboratoriumsversuchs, 1908, in: K, Arthur/G, Bruno: Handbuch der Phototelegraphie und Telautographie, Leipzig 1911, S. 141. 55. Zusammenstellung verschiedener Bildtypen in Warburgs »Laboratorium« der Bildübertragung, 1929. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »A« – Copyright: The Warburg Institute, London. 56. Schematische Darstellung eines zwecks Fernübertragung in Zeilen und Spalten zerlegten Bildes, in: K, Arthur/G, Bruno: Handbuch der Phototelegraphie und Telautographie, Leipzig 1911, S. 301. 57. Übertragung von Bildinformation. Schema der Typotelegraphie gemäß Gaetano Bonelli, in: K, Arthur: Bildtelegraphie (Sammlung Göschen, Bd. 873), Berlin 1923, S. 8. 58. Gerhard Langmaack, Entwurf des Lesesaals der K.B.W., circa 1925 – Wiedergabe nach: S, Tilmann von: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Architektur, Einrichtung und Organisation, Hamburg 1992, S. 71. 59. Schematische Darstellung der Versuchsanordnung zum Nachweis elektromagnetischer Wellen von Heinrich Hertz, ausgestellt auf der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung, Frankfurt a. M. 1891 – Wiedergabe nach: S, Jürgen (Hrsg.): »Eine neue Zeit ..!«. Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891, Frankfurt a. M. 1991, S. 647. 60. Schematische Darstellung eines Dipols mit offenem Schwingkreis – Wiedergabe nach: H, Ansgar (Hrsg.): Heinrich Hertz. Eine Funkgeschichte, Frankfurt a. M. 1991, S. 29.

A 61. Heinrich Hertz, Skizze der Feldstärken der elektromagnetischen Wellen, 29. Dezember 1887. Der Grundriss des Hörsaals zeigt sechs Stützen und die Sitzreihen (oben: »Hörsaal in 1/100 natürl. Größe. Die Linien bedeuten die Richtung der Kraft.«, links: Dipol) – Wiedergabe nach: H, Ansgar (Hrsg.): Heinrich Hertz. Eine Funkgeschichte, Frankfurt a. M. 1991, S. 31. 62. Aby Warburg, Strommast in Pasadena, Kalifornien, Februar 1896 – Copyright: The Warburg Institute, London. 63. Programmzettel für das »K. u. k. Feldkino No 162 Damaskus« vom 23. bis 28. Juli 1918, in: Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028129–30no6 – Copyright: The Warburg Institute, London. 64. Ankündigung von »Mirko Pasqua« auf dem Spiel-Plan des Waterloo-Theater, Hamburg, in: Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028129–30no1 – Copyright: The Warburg Institute, London. 65. Notiz Warburgs zu »Mirko Pasqua«, in: Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028124 – Copyright: The Warburg Institute, London. 66. Programmzettel anlässlich der Aufführung von »Das Himmelsschiff« im Lessing-Theater, Hamburg, 1918, in: Zettelkasten Nr. 50 (»Kino«): WIA, III.2.50/028129–30no7 – Copyright: The Warburg Institute, London. 67. Diagramm der Umlaufbahnen von Erde und Mars. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne,Tafel »C«, Detail – Copyright: The Warburg Institute, London. 68. Diagramm der Umlaufbahnen von Erde und Mars. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still – Archiv des Verfassers. 69. »Graf Zeppelin«. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »C«, Detail – Copyright: The Warburg Institute, London. 70. Zeppelinförmiges Himmelsschiff »Excelsior«. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still – Archiv des Verfassers. 71. Vortrag mit Projektion einer Aufnahme des Himmelsschiffs »Excelsior«. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still – Archiv des Verfassers. 72. Pose zuversichtlicher Welterschließung im Tafelbild. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still – Archiv des Verfassers. 73. Pose zuversichtlicher Welterschließung im Filmbild. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still – Archiv des Verfassers. 74. Magische Einverleibung und vergeistigende Distanzierung angesichts eines »lebenden Bildergewebes«. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still – Archiv des Verfassers. 75. Kinematographische Vorführung der Ureinwohner des Mars. Holger Madsen, Das Himmelsschiff, 1918, Action Still – Archiv des Verfassers. 76. Einladungskarte für einen Vortrag František Pospíšils in der K.B.W. mit handschriftlichen Notizen Warburgs. WIA, I.9.18.7.6. »Einladung zu dem Vortrag von Professor Dr. Pospíšil/ Brünn ›Urantike Tänze im heutigen Baskenlande‹ am Sonnabend, den 17. März 1928, 8 Uhr Abends« – Copyright: The Warburg Institute, London. 77. František Pospíšil, Kartierung von Schwerttänzen und deren Migrationen. Petr Hajn, Dancing for the Camera, 2007, Action Still – Archiv des Verfassers. 78. František Pospíšil, Schwerttanz in San Sebastián, Spanien, 1927 (?), samt dem mit einer Kamera bewehrten Historiker. Petr Hajn, Dancing for the Camera, 2007, Action Still – Archiv des Verfassers. 79. »Urworte der Gebärdensprache«: Helden. B, Guido: Der kommende Film. Eine Abrechnung und eine Hoffnung. Was war? Was ist? Was wird?, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1928, S. 106. 80. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne,Tafel »42« – Copyright: The Warburg Institute, London. 81. Grablegung Christi. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »42«, Detail – Copyright: The Warburg Institute, London.

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A 82. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne,Tafel »37« – Copyright: The Warburg Institute, London. 83. Kampf des Herkules mit Antäus. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »37«, Detail – Copyright: The Warburg Institute, London. 84. »Tänzerfries des Pollaiuolo«. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »37«, Detail – Copyright: The Warburg Institute, London. 85. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne,Tafel »40« – Copyright: The Warburg Institute, London. 86. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne,Tafel »34« – Copyright: The Warburg Institute, London. 87. Himmel- und Tauchfahrt Alexanders des Großen. Aby Warburg, Bilderatlas Mnemosyne, Tafel »34«, Detail – Copyright: The Warburg Institute, London. 88. »para-cinema«. László Moholy-Nagy, Skizze zu einem »Dynamik der Groß-Stadt« betitelten Film, 1921/22. M-N, László: Malerei, Fotografie, Film. Mit einer Anmerkung des Herausgebers und einem Nachwort von Otto Stelzer (Neue Bauhausbücher. Neue Folge der von Walter Gropius und Laszlo Moholy-Nagy begründeten »bauhausbücher«, hrsg. von W, Hans M. (Faksimile-Nachdruck nach der Ausgabe von 1927)) (1986), 3. Aufl., Berlin 2000, S. 134. 89. Anschütz’ elektrischer Schnellseh-Automat, in: Elektrizität. Offizielle Zeitung der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 23, S. 763 f. – Bildquelle: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main. 90. Ottomar Anschütz, Der automatische Schnellseher, hergestellt von Siemens & Halske, 1891 – Archiv des Verfassers. 91. Ottomar Anschütz, Detail der Schnellseherscheibe mit 23 transparenten Zelluloidbildern, die Phasen eines Pferdsprungs zeigen – Wiedergabe nach: R, Deac: Faszination der Bewegung. Ottomar Anschütz zwischen Photographie und Kino (KINtop Schriften. Materialien zur Erforschung des frühen Films, Bd. 6), Basel/Frankfurt a. M. 2001, S. 90. 92. Aby Warburg, Notizblatt mit ›Stratigraphem‹, in: Zettelkasten Nr. 43 („Archäologie“): WIA, III.2.43/023258 – Copyright: The Warburg Institute, London. 93. Aby Warburg, Notizblatt mit ›Stratigraphem‹, in: Zettelkasten Nr. 43 („Archäologie“): WIA, III.2.43/023256 – Copyright: The Warburg Institute, London. 94. »Museum« im Röntgenhaus des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg in Hamburg. AS, Heinrich Ernst/S/L: Das Röntgenhaus des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg in Hamburg, errichtet 1914/1915, Leipzig 1915, S. 23 Abb. 9. 95. Ölgemälde. W, Joseph: Ein mit Röntgenstrahlen untersuchtes Madonnenbild, in: Hochland. Monatsschrift für alle Gebiete des Wissens, der Literatur und Kunst 15 (3), 1917/18, S. 309– 322, hier: Farbtafel. 96. Röntgenbild. W, Joseph: Ein mit Röntgenstrahlen untersuchtes Madonnenbild, in: Hochland. Monatsschrift für alle Gebiete des Wissens, der Literatur und Kunst 15 (3), 1917/18, S. 309– 322, hier: Fig. 3. 97. Felix Warburg, Brief an Aby Warburg vom 31. März 1896. WIA, FC, Felix Warburg an Aby Warburg, 31. März 1896 – Copyright: The Warburg Institute, London. 98. »Röntgenstrahlen gegen Heuschnupfen«, in: Zettelkasten Nr. 2 (»Hygiene«): WIA, III.2.2/ 000795 – Copyright: The Warburg Institute, London. 99. Fritz Saxl, Rembrandt’s Sacrifice of Manoah, Tafel mit Reproduktion eines Röntgenbildes (Abb. 19). S, Fritz: Rembrandt’s Sacrifice of Manoah (Studies of the Warburg Institute, Bd. 9) (1939), Nendeln 1968, Tafel. 100. Aby Warburg, Tafel »Ovid-Ausstellung« (12. Februar 1927), in: WIA, III.108.7.2. »Warburg’s Working Copies: Exhibitions (›Bilderreihen‹) and Mnemosyne« – Copyright: The Warburg Institute, London. 101. Aby Warburg, Tafel »Ovid-Ausstellung« (12. Februar 1927), in: WIA, III.108.7.2. »Warburg’s Working Copies: Exhibitions (›Bilderreihen‹) and Mnemosyne« – Copyright: The Warburg Institute, London.

A 102. Aby Warburg,Tafeln »Bibliothekarstag« (10. April 1927), in: WIA, III.108.7.2. »Warburg’s Working Copies: Exhibitions (›Bilderreihen‹) and Mnemosyne« – Copyright: The Warburg Institute, London. 103. Aby Warburg, Tafel »Bibliothekarstag« (10. April 1927), in: WIA, III.108.7.2. »Warburg’s Working Copies: Exhibitions (›Bilderreihen‹) and Mnemosyne« – Copyright: The Warburg Institute, London. 104. »Der Schriftsteller und die Schreibmaschine«, in: Zettelkasten Nr. 51 (»Philos.-Psychol.«): WIA, III.2.51/028761 – Copyright: The Warburg Institute, London. 105. Aby Warburgs Zettelkästen – Copyright: The Warburg Institute, London. 106. Aby Warburg, Zettelkasten Nr. 67 (»Ur-Tänze)« – Copyright: The Warburg Institute, London. 107. Franz Maria Feldhaus, Zeit-Kartei, in: F, Franz Maria: Das Forschungsheim für die Geschichte der Technik (Quellenforschungen zur Geschichte der Technik und Industrie), BerlinFriedenau 1926, o. S. 108. »Dr. W. Kämpf ’s Bibliographisches Bureau«, in: Zettelkasten Nr. 42 (»Kritik der Methode«): WIA, III.2.42/022023 – Copyright: The Warburg Institute, London. 109. Dr. Max Goldschmidt, Büro für Zeitungsausschnitte, Liste der täglich ausgewerteten Zeitungen und Zeitschriften, um 1929 – Wiedergabe nach: H, Anke te: cut & paste um 1900, in: D. (Hrsg.): cut and paste um 1900. Der Zeitungsausschnitt in den Wissenschaften (Kaleidoskopien. Medien – Wissen – Performance, Bd. 4), Berlin 2002, S. 20–37, hier: S. 32. 110. Dr. Max Goldschmidt, Büro für Zeitungsausschnitte, Liste der täglich ausgewerteten Zeitungen und Zeitschriften, um 1929 – Wiedergabe nach: H, Anke te: cut & paste um 1900, in: D. (Hrsg.): cut and paste um 1900. Der Zeitungsausschnitt in den Wissenschaften (Kaleidoskopien. Medien – Wissen – Performance, Bd. 4), Berlin 2002, S. 20–37, hier: S. 33. 111. Typischer Zeitungsausschnitt in einem von Aby Warburgs Zettelkästen, ausgeschnitten, bibliographisch annotiert und zugestellt von Dr. Max Goldschmidt, Bureau für Zeitungsausschnitte, 1918, in: Zettelkasten Nr. 18 (»Exakte Naturwi.«): WIA, III.2.18/009873: »Ein Prophet des Weltkrieges vom Jahre 1560« – Copyright: The Warburg Institute, London. 112. Denk-Figur Aby Warburgs, in: WIA, III.43.2.2.1. »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (1912, Juli)«, Bd. 2: 1896 – (Erste Copie v. H(ermine) S(chreiber)), S. 125 (Eintrag vom 13. März 1896) – Copyright: The Warburg Institute, London. 113. Diagramm Aby Warburgs, in: W, Aby: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, Eintrag vom 14. Januar 1929 – Copyright: The Warburg Institute, London. 114. »Moderne Abbreviatur«, in: Zettelkasten Nr. 52 (»Litteratur«): WIA, III.2.52/029126 – Copyright: The Warburg Institute, London. 115. Metapher und Vergleich, in: Zettelkasten Nr. 52 (»Litteratur«): WIA, III.2.52/029131: »Justi Velazquez 1888 Vgl.« – Copyright: The Warburg Institute, London. 116. Titelblatt mit bibliographischen Angaben dreier Rezensionen von B, Alfred: Die Philosophie des Metaphorischen. In Grundlinien dargestellt, Hamburg/Leipzig 1893 – Copyright: The Warburg Institute, London. 117. »ja ja«. Handschriftliche Notiz Warburgs in: B, Alfred: Das Metaphorische in der dichterischen Phantasie. Ein Beitrag zur vergleichenden Poetik, Berlin 1889, S. 19 – Copyright: The Warburg Institute, London.

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L W I A (WIA), Family Correspondence (FC). W I A (WIA), General Correspondence (GC). W I A (WIA), Zettelkästen (III.2.). WIA, III.43.1.1. »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (monistischen Kunstpsychologie)«, Bd. 1: 1888–1895. WIA, III.47.3. »Photographs bought by Aby Warburg during and after his journey to America (Sept. 1895–May 1896)«. WIA, III.48. »Photographs bought by Aby Warburg during and after his journey to America (Sept. 1895–May 1896)«. WIA, III.43.2.1. »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (monistischen Kunstpsychologie)«, Bd. 2: 1896–1903. WIA, III.43.2.2.1. »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (1912, Juli)«, Bd. 2: 1896 – (Erste Copie v. H(ermine) S(chreiber)). WIA, III.71. »Schemata Pathosformeln. 1905–1911. Bound large folio notebook, Warburg’s MS. Folios numbered 1–92 (16–38, 40–49, 52–65, 69–72, 85–92 blank)«. WIA, III.101.2.2. »Italienische Antike im Zeitalter Rembrandts, 1926. Lecture held at the KBW, May 1926. MS [first version], Mary Warburg’s hand, 27 fols.«. WIA, I.9.18.7.6. »Einladung zu dem Vortrag von Professor Dr. Pospíšil/Brünn ›Urantike Tänze im heutigen Baskenlande‹ am Sonnabend, den 17. März 1928, 8 Uhr Abends«. Einladungskarte. WIA, III.108.12. »Festivals. 1927–28«, Fols. 1–13: »Bilder aus dem Festwesen der Renaissance. Vortrag in der Hamburger Handelskammer am 14. April 1928«. WIA, III.12.12. »Bilderwanderung bis Eckener, Mnemosyne, Logik, Ghirlandaio«, 1929, Fols. 20–24: »Poetry and mathematics by Scott Buchanan«. WIA, III.108.7.2. »Warburg’s Working Copies: Exhibitions (›Bilderreihen‹) and Mnemosyne«. WIA, III.131.6. »Astrology, etc., Modern Survivals. 39 newspaper cuttings and offprints«. W, Martin: Vier Stichworte: Ikonologie – Pathosformel – Polarität und Ausgleich – Schlagbilder und Bilderfahrzeuge, in: H, Werner/S, Georg/W, Martin: Die Menschenrechte des Auges. Über Aby Warburg (Europäische Bibliothek, Bd. 1), Frankfurt a. M. 1980, S. 53–83. – Warburg und Wölfflin, in: B, Horst/D, Michael/S-G, Charlotte (Hrsg.): Aby Warburg. Akten des internationalen Symposions Hamburg 1990 (Schriften des Warburg-Archivs im Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg, Bd. 1), Weinheim 1991, S. 79–86. – Beschreibung von Dienstverhältnissen. Nach der Legende vom Avantgarde-Künstler: Über die politischen Aufgaben der Kunstwissenschaft, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.07.1998, S. N6. – Editorische Vorbemerkungen, in: W, Aby: Der Bilderatlas MNEMOSYNE, hrsg. von W, Martin unter Mitarbeit von B, Claudia (W, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe, hrsg. von B, Horst/D, Michael/F, Kurt W./M, Nicholas/ S, Salvatore/W, Martin, Zweite Abteilung, Bd. II. 1) (2000), 2., ergänzte Aufl., Berlin 2003, S. VII–X. – »Ich bin wissenschaftlicher Privatbankier, dessen Credit so gut ist wie der der Reichsbank.« Aby Warburg und die Warburg-Bank, in: M, Karin: Aby Warburg. Im Bannkreis der Ideen, hrsg. von O, Christian, München 2007, S. 10–19. – Kunstgeschichte oder Bildwissenschaft?, in: F, Josef/M-G, Maria (Hrsg.): Ästhetik in metaphysikkritischen Zeiten. 100 Jahre ›Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft‹, Hamburg 2007, S. 109–116. W, Heike: Technik im Photoalbum: Die Bilderschau »Technik im Bild« am Deutschen Museum, in: G, Alexander (Hrsg.): Konstruieren, Kommunizieren, Präsentieren. Bilder von Wissenschaft und Technik (Deutsches Museum, Abhandlungen und Berichte – Neue Folge, Bd. 23), Göttingen 2007, S. 397–434.

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A – Bilderreihen der Technik. Das Projekt Technik im Bild um 1930 am Deutschen Museum, in: B, Horst/S, Birgit/D, Vera (Hrsg.): Das Technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder, Berlin 2008, S. 100–114. W, Stefan (Hrsg.): Theorien der Medien. Von der Kulturkritik bis zum Konstruktivismus, Konstanz 2003. W, Claudia: Ideengeographie. Ein Versuch zu Aby Warburgs »Wanderstraßen der Kultur«, in: M, Helga/S, Katharina (Hrsg.): Ent-grenzte Räume. Kulturelle Transfers um 1900 und in der Gegenwart (Studien zur Moderne, Bd. 22), Wien 2005, S. 227–254. – »Wort und Bild«: Aby Warburg als Sprachbildner, in: K, Peter (Hrsg.): Ekstatische Kunst – Besonnenes Wort. Aby Warburg und die Denkräume der Ekphrasis (essay & poesie, Bd. 25), Bozen 2009, S. 23–46. W, Sigrid: Aby Warburg’s Schlangenritual: Reading Culture and Reading Written Texts, in: New German Critique. An Interdisciplinary Journal of German Studies, Nr. 65, 1995, S. 135–153. – Aby Warburgs »Göttin im Exil«. Das »Nymphenfragment« zwischen Brief und Taxonomie, gelesen mit Heinrich Heine, in: K, Wolfgang/M, Gert/W, Monika/W, Martin (Hrsg.): Vorträge aus dem Warburg-Haus, Bd. 4, Berlin 2000, S. 65–103. – Zur Archäologie von Aby Warburgs Bilderatlas Mnemosyne, in: E, Knut/A, Stefan (Hrsg.): Die Aktualität des Archäologischen in Wissenschaft, Medien und Künsten, Frankfurt a. M. 2004, S. 185–208. W, Wilhelm: Die Daguerreotypie in Hamburg 1839–1860. Ein Beitrag zur Geschichte der Photographie (1. Beiheft zum Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen Anstalten XXXII, 1914), Hamburg 1915. W, Harald: Schriften über Schriften. Palimpseste in Literatur, Kunst und Wissenschaft, in: D.: Wie zivilisiert ist der Teufel? Kurze Besuche bei Gut und Böse, München 2007, S. 23–34. W, Reinhard: Interpretation und Illusion. Probleme mit teleskopischen Bildern am Beispiel der Marskanäle, in: B, Horst/S, Birgit/D, Vera (Hrsg.): Das Technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder, Berlin 2008, S. 120–131. W, Ludwig: Altgriechischer Baumkultus. Untersuchungen, Leipzig 1919. W, Silke: Zeigen und Schweigen. Der kunsthistorische Diskurs und die Diaprojektion, in: S, Sigrid/T, Georg Christoph (Hrsg.): Konfigurationen. Zwischen Kunst und Medien, München 1999, S. 292–305. W, Gabriele: Das technische Bild – aus ästhetischer Sicht betrachtet, in: H, Bettina/ H, Jörg (Hrsg.): Mit dem Auge denken. Strategien der Sichtbarmachung in wissenschaftlichen und virtuellen Welten (Theorie : Gestaltung, Bd. 1), Zürich/Wien/New York 2001, S. 367–382. – Nicht jede Wende zum Bildlichen meint das Gleiche. Zu den Konzepten von Gottfried Boehm und W. J. T. Mitchell – und eine unvermutete Begegnung mit der Medientheorie Friedrich Kittlers auf dem Feld (k)einer Bildtheorie, in: D, Bernhard J. (Hrsg.): Bild/Kritik, Berlin 2010, S. 13–43. W, Heinz: Die Ursprünge der Metapher, Leipzig 1919. W, Lambert: Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes, Frankfurt a. M. 2005. W, Joseph: Ein mit Röntgenstrahlen untersuchtes Madonnenbild, in: Hochland. Monatsschrift für alle Gebiete des Wissens, der Literatur und Kunst 15 (3), 1917/18, S. 309–322. W, Edgar: Warburgs Begriff der Kulturwissenschaft und seine Bedeutung für die Ästhetik (1931), in: W, Aby M.: Ausgewählte Schriften und Würdigungen (Saecula spiritalia, Bd. 1), hrsg. von W, Dieter, 3., durchgesehene und durch ein Nachwort ergänzte Aufl., Baden-Baden 1992, S. 401–417. W, Hartmut: Die prekäre Rolle der Technik. Technikzentrierte versus ›anthropologische‹ Mediengeschichtsschreibung, in: H, Heinz-B./K, Matthias/M, Thomas/P, Karl/W, Hartmut (Hrsg.): Über Bilder Sprechen. Positionen und Perspektiven der Medienwis-

L senschaft (Schriftenreihe der Gesellschaft für Film- und Fernsehwissenschaft (GFF), Bd. 8), Marburg 2000, S. 9–22. W, Barbara (Hrsg.): Spuren erzeugen. Zeichnen und Schreiben als Verfahren der Selbstaufzeichnung (Wissen im Entwurf, Bd. 2), Zürich/Berlin 2009. W, Wilhelm: Grundzüge der physiologischen Psychologie (1873–1874), Bd. 2, 4., umgearb. Aufl., Leipzig 1893. – Völkerpsychologie. Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache, Mythus und Sitte, Bd. 1: Die Sprache, Leipzig 1900. W, Beat: Vom Bild zum Kunstsystem. Text (Kunstwissenschaftliche Bibliothek, Bd. 32), Köln 2006. Z, Helmut: Buch, Exzerpt, Zettelschrank, Zettelkasten, in: P, Hedwig/S, Leander (Hrsg.): Archivprozesse: Die Kommunikation der Aufbewahrung (Mediologie, Bd. 5), Köln 2002, S. 38–53. Z, Siegfried: Audiovisionen. Kino und Fernsehen als Zwischenspiele in der Geschichte (1989), Reinbek bei Hamburg 1994. – Archäologie der Medien. Zur Tiefenzeit des technischen Hörens und Sehens, Reinbek bei Hamburg 2002. Z, Anja (Hrsg.): Sichtbarkeit und Medien. Austausch, Verknüpfung und Differenz von naturwissenschaftlichen und ästhetischen Bildstrategien, Hamburg 2004. – Ästhetik der Objektivität. Genese und Funktion eines wissenschaftlichen und künstlerischen Stils im 19. Jahrhundert (Studien zur visuellen Kultur, Bd. 10), Bielefeld 2009. Z, Hanns: Kafka geht ins Kino, Reinbek bei Hamburg 1996. Z, Joseph: Béla Balázs, The Man and the Artist, Berkeley/Los Angeles/London 1987. Z, Cornelia: Wissenschaft in Bildern. Symbol und dialektisches Bild in Aby Warburgs Mnemosyne-Atlas und Walter Benjamins Passagen-Werk (Studien aus dem Warburg-Haus, Bd. 8), Berlin 2004.

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A

Filmverzeichnis Dancing for the Camera, CZ 2007, Regie: H, Petr. Himmelskibet, DK 1918, Regie: M, Holger. The Factory of Gestures. Body Language in Film. An audio-visual research project written, edited and directed by B, Oksana, in collaboration with H, Dietmar/H, Gregor, D/USA 2008. The Jazz Singer, USA 1927, Regie: C, Alan.

P

Personenregister Verfasserinnen und Verfasser von Forschungsliteratur werden nur aufgeführt, wenn sie Gegenstand einer Erörterung sind (Beispiel: Wird auf Martin Jesinghausen-Lauster lediglich als Verfasser eines Werks hingewiesen, bleibt der Autor im Register unberücksichtigt. Wird Martin Jesinghausen-Lauster jedoch in einer Erörterung wie folgender erwähnt, so wird diese Stelle in das Register aufgenommen: »Jesinghausen-Lauster deutet die Ellipse forciert und überzeugend als ein Metasymbol und Metamedium des Warburg’schen Denkens und Symbolisierens selbst …«). Nicht im Register erfasst ist Aby M. Warburg.

A Ackerknecht, Erwin 230 Ackermann, Friedrich 232 Adler, Cyrus 53, 62, 147 Aladin 198 Alber, Franz 235 Albers-Schönberg, Heinrich Ernst 151, 240 Anschütz, Ottomar 136–138, 237–238 Antäus 127, 130 Apoll 130, 147, 194 Aristoteles 200, 202, 208 Arnolds, Günter 43 Athena 63 Austin, John Langshaw 182 Ax, Wilhelm 96 Aynard, Édouard 184 B Bacon, Francis 27 Baethgen, Friedrich 236 Bagier, Guido 125 Bain, Alexander 95 Balázs, Béla 123–126, 140 Beilenhoff, Wolfgang 133 Benjamin, Walter 173, 218 Berger, Hans 168, 196 Berger, Klaus 198, 211 Berges, Philipp 228 Berndes 231, 233 Berzelius, Jöns Jacob 183 Bibo, Emil 118 Biedenkapp, Georg 197 Biedermaier 59–60 Biese, Alfred 198, 204–212 Biester, Björn 103 Binder, Beate 59

Bing, Gertrud/Frl. Dr. 15, 74, 81, 119, 166–167, 174, 184, 196, 200, 212, 217, 235 Binswanger, Ludwig 42 Bismarck, Otto von 138, 238 Bloch, Ernst 123, 218 Blumenberg, Hans 203 Bode, Wilhelm von 153 Boehm, Gottfried 11 Bois-Reymond, Emil du 173 Bois-Reymond, René du 65 Boll, Franz 77 Bolz, Norbert 28 Bonelli, Gaetano 94–95 Botticelli, Sandro 137 Bougnoux, Daniel 30 Brauer, Heinrich 163–164 Bredekamp, Horst 64 Brown, Henry 42 Brünning, Walther 231, 233 Buchanan, Scott 209 Buchner, Eberhard 174–175 Bücher, Karl 179 Bulle, Heinrich 148 Buontalenti, Bernardo 129 Burckhardt, Jacob 82, 197 Burgess, Gelett 58, 87–88 C Cancik-Kirschbaum, Eva 192 Carus, Carl Gustav 61 Caselli, Giovanni 85–86 Cassirer, Ernst 33, 97, 100 Cellerier, Fernand 158–159 Centanni, Monica 79 Chaplin, Charles 105 Christus 127, 185

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A Cimabue 36 Civilis, Claudius/Gaius Julius Civilis 155–157 Cornill, Otto 67 Crookes, William 218 Cürlis, Hans 105 Cumont, Franz 118 Curtius, Ernst Robert 236 D David 37 Debray, Régis 30, 32 Deleuze, Gilles 133 Derrida, Jacques 186 Diers, Michael 64 Diez, Julius 72 Dijksterhuis, Eduard 188 Dilly, Heinrich 34, 145 Donatello 183 Droysen, Johann Gustav 60 Duccio, Agostino di 184 Dürer, Albrecht 44, 146, 184 E Eberlein, Kurt Karl 147 Eckener, Hugo 105 Eckermann, Johann Peter 246 Edison, Thomas Alva 51, 60 Einstein, Albert 115, 182, 207 Eisenstein, Sergej M. 106, 130–131 Elster, G. E. P. 231, 233 Embden, Heinrich 168, 196 Engell, Lorenz 29 Ernst, Wolfgang 53, 140 Eulenburg, Franz 176 F Faber, Alexander 153, 157 Fanck, Arnold 136 Farocki, Harun 140 Fay, C. F. 69 Feininger, Lyonel 91 Feldhaus, Franz Maria 173–175 Felsch, Philipp 100 Fiala, A. K. 61, 83 Flusser, Vilém 186 Foulon, Otto 60 Fox, Kate und Margaret 219 Francesca, Piero della 47, 144 Francofurtia 67–68

Franklin, Benjamin 52, 55, 57 Freund, Lothar 184, 200 Freyer, Clemens 176 Fuchs, Franz 196 Fürst, M. 228 G Galilei, Galileo 10, 21 Gasparri, Pietro 126, 236 Geiger, Moritz von 12 Ghirlandaio, Domenico 145, 183 Gilliam, Terry 127 Giorgione 15 Glage, F. 231, 233 Goethe, Johann Wolfgang von 124, 165, 198, 246 Götz, Ernst 175–176 Goldschmidt, Adolph 185 Goldschmidt, Max 177–179 Gombrich, Ernst 16, 81, 165, 189, 208, 210 Goodman, Nelson 186 Grand Alixandre/Alexander der Große 63, 109, 131 Grey, Edward 176 Grillparzer, Franz 198 Grimm, Herman 35–37, 44, 143–145 Gugerli, David 83 H Hacking, Ian 19–20 Hades 206 Hahn, Franz 236 Hajn, Petr 120–121 Hamlet 225 Hampe, Karl und Lotte 236 Hanke, Christine 182 Hardtmuth, Franz von 163 Harms, Rudolf 123 Hartmann, Eduard von 60–61 Heaviside, Oliver 62 Hebbel, Friedrich 198 Heckscher, William S. 94, 189 Hl. Catharina 147 Heine, Anselma 166, 246 Heise, Carl Georg 45, 144, 168–169, 173, 176, 189, 215 Helios 55–56 Heller, Martin 133 Helm, Georg Ferdinand 84

P Henseling, Robert 109 Hentschel, Klaus 20 Herkules 113, 127, 129–130 Hermanin, Federico 236 Hermes 63 Herre, Paul 176 Hertz, Heinrich 95–100 Hertz, Walther 173 Herzog August der Jüngere 171 Heydenreich, L. Heinrich 243–244 Hickethier, Knut 32 Hipp, Hermann 100 Höch, Hannah 173 Hoecker, Rudolf 45 Höger, Fritz 200 Hoff, Carl 243 Hornbostel, Erich von 96 Houdon, Jean-Antoine 57 I Ikarus 52, 57 J Jack the Ripper 226 Jacob, François 170–171 Jakobsthal 173 Jastrow, Elisabeth 236 Jesinghausen-Lauster, Martin 98–99 Jess, Wolfgang 157, 244 Jolles, André 146 Juanico 41 Justi, Carl 198 K Kämpf, W. 176 Kafka, Franz 104 Kant, Immanuel 212 Kany, Roland 204 Kapp, Ernst 61, 63 Karl der Kühne 63, 109 Kaulbach, Friedrich von 138, 238 Keller, Gottfried 198 Kepler, Johannes 98, 110 Kirchbach, Frank 58 Kittler, Friedrich 28–29, 186 Klages, Ludwig 190 Kleist, Heinrich von 188 Klenner, Jost Philipp 126 Knape, Joachim 198

Knorr Cetina, Karin 21 Köster, Wolfgang 174 Kogge, Werner 183, 186 Kopernikus, Nikolaus 72 Korn, Arthur 87, 91 Krämer, Sybille 186, 213 Kroll, Josef 206 Krumbacher, Karl 37–39 Kutzbach 243 Kybele 105 L Lacan, Jacques 23 Lack, Valentin 231–232 Lamprecht, Karl 83, 179 Langbehn, August Julius 139 Langmaack, Gerhard 96 Laokoon 64 Latour, Bruno 194, 217 Lavater, Johann Caspar 124 Lenau, Nicolaus 238 Lenbach, Franz von 138, 238 Liebig, Justus von 221 Liesegang, Raphael Eduard 61, 219 Lipps, Theodor 123 Lissitzky, El 136 Lummis, Charles Fletcher 41 Luthmer, Ferdinand 69 Lux, Fritz 63 M Madsen, Holger 108, 110–117 Mahr, Bernd 192 Mainberger, Sabine 87 Malachbel 109, 131 Mâle, Émile 184 Manet, Édouard 130, 181, 236 Mannhardt, Wilhelm 114 Manoah 156–158, 243 Mantegna, Andrea 183 Marc, Franz 219 Marconi, Guglielmo 219 Marey, Étienne-Jules 137 Marker, Chris 134 Mars 109 Martini, Simone 184 Masaccio 147 Mazzucco, Katia 79, 159

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A McLuhan, Marshall 27–28, 61, 97, 184, 212–213 Meister Francke 159 Meleager 131 Menke-Glückert, Emil 158 Mersch, Dieter 31 Métraux, Alexandre 129 Metz, J. C. 58 Meyer, Bruno 37, 144, 156 Meyerbeer, Giacomo 227 Michaëlis, Sophus 107–108, 112–114, 115–116 Michaud, Philippe-Alain 103, 118 Michelangelo Buonarroti 37 Miller, Oskar von 70, 196 Mithras 118, 147, 194 Moholy-Nagy, László 90–91, 135–136 Moltke 232 Müller, Matthias 140 Münchhausen 63 Münz, Ludwig (?) 244 Murner, Fritz 138–139, 239 Mussolini, Benito/Duce 126, 236 Muybridge, Eadweard 137 N Neptun 244 Nestor 198 Neumann, Carl 155, 160 Nietzsche, Friedrich 29, 82, 204 Nike 13 O Olsen, Ole 107 Onkel Sam 51–52, 101 Oppenheim, Regine 66 Orpheus 146, 181 Ostwald, Wilhelm 83, 179 Otlet, Paul 180 Ovid/Publius Ovidius Naso 159 P Pandora 59, 227 Panofsky, Erwin 12, 164, 211 Pasqua, Mirko 106 Paul, Jean 206–207, 210 Pauleit, Winfried 132, 134 Pauli, Gustav 82, 158, 196 Paulus 108

Peruzzi, Baldassare 131 Petrarca, Francesco 193 Petrie, William Matthew Flinders 149 Plato 28, 100, 146 Poelchau, Harald 231, 233 Pollaiuolo, Antonio 130, 183 Polyxena 184 Port, Ulrich 45, 199 Pospíšil, František 118–121 Posse, Hans 157–158, 245 Prel, Carl du 218, 220–221 Prinzessin Heinrich 232 Prometheus 52, 57, 59 Prudentius, Aurelius Clemens 38 R Raffael 47, 236 Raible, Wolfgang 188 Ramboux, Anton 144 Rathenau, Emil 83–84 Reichenberger, Resi 66 Rembrandt Harmenszoon van Rijn 43, 82, 139, 146, 155–157, 159, 243–244 Reuter, Fritz 155 Rheinberger, Hans-Jörg 23 Richet, Charles 218–219 Ricœur, Paul 203 Rieger, Stefan 28–29, 199 Riegl, Alois 12 Riemer, Friedrich Wilhelm 246 Röntgen, Bertha 150 Röntgen, Wilhelm Conrad 149–152, 155, 220, 243–244 Roquette, Otto 198 Rosefeldt, Julian 140 Rossell, Deac 137 Rott, Fritz 173 Rousseau, Jean-Jacques 246 Ruchatz, Jens 30 S Sabene, Ercole/Herkules 113–114 Sarasate, Pablo de 138, 238 Saulus 108 Saxl, Fritz 12, 46, 156–159, 166–168, 196, 199, 243 Schade, Sigrid 7 Schäffer, Emil 244 Schiller, Friedrich 237

P Schinckel, Max von 231 Schneider, Hannes 136 Schneider, Ulrich Johannes 171 Schoell-Glass, Charlotte 163, 171, 204 Schröder, H. 231, 233 Schubring, Paul Wilhelm Julius 106 Schüler, Max 138, 238 Schumacher, Fritz 100, 196 Schwalbach, Karl C. 56 Schwitters, Kurt 173 Semon, Richard 199 Serkes, Ludwig 229 Shakespeare, William 198 Sierek, Karl 103, 129–130 Sillem, H. 231 Simmel, Georg 179 Spahn, Martin 179 Springer, Julius 105 Stammler, Wolfgang 119 Stettiner, Richard 38 Storm, Theodor 198 Strack, Paul 236 T Taylor, Frederick Winslow 180 Tietze, Hans 12 Tolnaes, Gunnar 108 Tornabuoni, Giovanna 183 U Umlauf, Karl 78 V Velázquez, Diego 198 Venus Cacciatrice 183 Venus Urania 183 Venus Virgo 15, 183 Vészi, Margit 127 Vico, Giambattista 206

Vinci, Leonardo da 11 Virchow, Rudolf 61, 173 Vischer, Friedrich Theodor 198, 208–209 Volkelt, Johannes 123 W Warburg, Charlotte 39, 66, 155 Warburg, Eric M. 45 Warburg, Felix M. 155–156 Warburg, Frede C. 105, 235 Warburg, Mary/Mary Hertz 105–106, 126, 147, 235 Warburg, Max Adolf 69, 75–77, 196 Warburg, Max M. 115 Warburg, Moritz 39, 155 Warburg, Olga 155 Warburg, Paul M. 82, 95 Weber, Max 179, 207 Wecken, W. 231 Weizsäcker, Julius 100 Werner, Gabriele 7 Wickhoff, Franz 131 Wiedmann, Gebhardt 157–159 Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von 52 Wilpert, Joseph 153–154 Winkler, Hartmut 30 Wölfflin, Heinrich 145 Wolff, Kurt 174 Wotton, Henry 197 Wriedt, Etta 220 Wright, Wilbur und Orville 52, 57 Wüest, Conrad 78 Wundt, Wilhelm 119–124 Wyss, Beat 82 Z Zehnder, Ludwig 150 Zeus 52 Zoege von Manteuffel, Kurt Baron 245

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Dank Das vorliegende Buch geht auf meine Dissertation zurück, die ich 2006 am Fachbereich Kulturgeschichte und Kulturkunde der Universität Hamburg eingereicht habe. Für den Druck ist selbige erweitert und auf den aktuellen Forschungsstand gebracht worden. Ohne die hochherzige Unterstützung zahlreicher Personen und Institutionen wäre dieses Unterfangen nicht möglich gewesen. Zu allererst seien meine Lehrer und Gutachter Prof. Dr. Drs. h.c. Martin Warnke und Prof. Dr. Hermann Hipp genannt. Der zweite forderte mich immer wieder durch sein stupendes Wissen heraus, der erste lehrte mich zu fragen. Prof. Dr. Wolfgang Kemp, Prof. Dr. Bruno Reudenbach und Prof. Dr. Charlotte Schoell-Glass gaben mir nicht nur als Mitglieder des Prüfungsausschusses wertvolle Hinweise. Vorzügliche Gelegenheiten, meine Überlegungen zu diskutieren, gewährten mir Dr. Lena Bader, Prof. Dr. Wolfgang Beilenhoff, Dr. Julia Bernard, Christian Berndt M.A., Prof. Dr. Gottfried Boehm, Dr. Wolfgang Cortjaens, Dr. Henning Engelke, Dr. Sabine Flach, PD Dr. Martin Gaier, Karsten Heck M.A., Prof. Dr. Henry Keazor, Jost Philipp Klenner M.A., Prof. Dr. Klaus Krüger, Prof. Dr. Fabienne Liptay, Prof. Dr. Hubert Locher, Prof. Dr. Susanne Marschall, Dr. Inge Münz-Koenen, Prof. Dr. Ulrich Pfisterer, Prof. Dr. Regine Prange, Jörg Probst M.A., Prof. Dr. Klaus Sachs-Hombach, Dr. Pablo Schneider, PD Dr. Marianne Streisand, Dr. Martin Treml, Dr. Silke Walther, Prof. Dr. Sigrid Weigel, Falk Wolf M.A. und Prof. Dr. Beat Wyss. Daneben durfte ich von Gesprächen mit Dr. Cora Bender, Prof. Dr. Horst Bredekamp, Prof. Dr. Michael Diers, Prof. Dr. Uwe Fleckner, Prof. Dr. John Michael Krois (†), Prof. Dr. Albert Kümmel-Schnur, Prof. Dr. Tanja Michalsky, Prof. Dr. Hans-Ernst Mittig, Prof. Dr. Ulrich Raulff, Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider, Dr. Tristan Thielmann, Prof. Dr. Barbara Wittmann und Dr. Isabella Woldt profitieren. Prof. Dr. Erhard Schüttpelz kämmte meine Arbeit gegen den Strich; seiner Inspiration vermag ich mit diesem Buch nicht gerecht zu werden. Das Warburg Institute London und seine Archivare, insbesondere Prof. Dr. Charles Hope, Dr. Dorothea McEwan, Dr. Claudia Wedepohl, Dr. Eckart Marchand und Ian Jones, halfen mir generös, Quellen zu erschließen; ebenso das Deutsche Röntgen-Museum Remscheid, namentlich Ulrich Hennig und Monika Radau, sowie das Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main in Person von Dr. Evelyn Brockhoff. Prof. Dr. Hans Ulrich Reck, Prof. Dr. Siegfried Zielinski und Prof. Dr. Andreas Köstler schenkten mir an der Kunsthochschule für Medien Köln und an der Universität Potsdam Freiräume, um meine Gedanken zu Papier bringen zu können. Am Beginn der Arbeit stand ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Graduiertenkollegs »Politische Ikonographie« am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg sowie ein Reisestipendium der Hansischen Universitätsstiftung; an deren Ende ein großzügiger Druckkostenzuschuss des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. So geduldig wie großmütig nahmen sich schließlich der Akademie Verlag in Person von Dr. Sabine Cofalla, Prof. Dr. Heiko Hartmann und

D Dr. Mischka Dammaschke der Veröffentlichung an. Technische Unterstützung und gestalterischer Feinsinn von Petra Florath, Dr. Veit Friemert, David-Christian Hermann, Maike Lederer, Christoph Neubarth, Kerstin Protz und Jutta Schröter standen dem in Nichts nach. Allen Genannten sei herzlich gedankt. Zu guter Letzt möchte ich meiner Familie, Heike, Lara und Louis, von Herzen danken – für alles das, was mit diesem Werk nicht das Geringste zu tun hat, es aber allererst ermöglicht hat und weit übersteigt.

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