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German Pages XXV, 435 [461] Year 2020
DuD-Fachbeiträge
Manuela Sixt
Whistleblowing im Spannungsfeld von Macht, Geheimnis und Information
DuD-Fachbeiträge Reihe herausgegeben von Gerrit Hornung, Kassel, Deutschland Helmut Reimer, Erfurt, Deutschland Karl Rihaczek, Bad Homburg vor der Höhe, Deutschland Alexander Roßnagel, Kassel, Deutschland
Die Buchreihe ergänzt die Zeitschrift DuD – Datenschutz und Datensicherheit in einem aktuellen und zukunftsträchtigen Gebiet, das für Wirtschaft, öffentliche Verwaltung und Hochschulen gleichermaßen wichtig ist. Die Thematik verbindet Informatik, Rechts-, Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaften. Den Lesern werden nicht nur fachlich ausgewiesene Beiträge der eigenen Disziplin geboten, sondern sie erhalten auch immer wieder Gelegenheit, Blicke über den fachlichen Zaun zu werfen. So steht die Buchreihe im Dienst eines interdisziplinären Dialogs, der die Kompetenz hinsichtlich eines sicheren und verantwortungsvollen Umgangs mit der Informationstechnik fördern möge. Reihe herausgegeben von Prof. Dr. Gerrit Hornung Universität Kassel
Prof. Dr. Helmut Reimer Erfurt
Dr. Karl Rihaczek Bad Homburg vor der Höhe
Prof. Dr. Alexander Roßnagel Universität Kassel
Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12486
Manuela Sixt
Whistleblowing im Spannungsfeld von Macht, Geheimnis und Information
Manuela Sixt Juristische Fakultät Universität Passau Passau, Deutschland Dissertation Juristische Fakultät der Universität Passau; Erstgutachter: Prof. Dr. Gerrit Hornung, LL.M.; Zweitgutachter: Prof. Dr. Kai von Lewinski; Datum der Disputation: 14.10.20
ISSN 2512-6997 ISSN 2512-7004 (electronic) DuD-Fachbeiträge ISBN 978-3-658-32552-7 (eBook) ISBN 978-3-658-32551-0 https://doi.org/10.1007/978-3-658-32552-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung der Verlage. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Carina Reibold Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Manuela Sixt
Whistleblowing im Spannungsfeld von Macht, Geheimnis und Information
„When you say I don't care about the right to privacy because I have nothing to hide that’s no different than saying I don't care about freedom of speech because I have nothing to say […] “1 Edward Snowden
1
Vorwort der Herausgeber
Das Phänomen des sogenannten Whistleblowings hat weltweit insbesondere durch die Veröffentlichungen von Edward Snowden und die Plattform Wikileaks eine erhebliche Aufmerksamkeit erlangt. Das Problem selbst ist aber viel älter und hat auch in Deutschland die Justiz und die Rechtswissenschaft, aber auch die politische Öffentlichkeit schon zuvor mehrfach beschäftigt. Whistleblower befinden sich oftmals in Abwägungs- und Gewissenszwängen, in denen sie höchstpersönliche Entscheidungen zwischen der Loyalität zu einer Organisation und einer Verpflichtung gegenüber einzelnen Betroffenen und/oder der Öffentlichkeit treffen müssen. Da mündliche Äußerungen und Publikationen über Interna oftmals rechtliche Folgen nach sich ziehen (Offenbarung von staatlichen oder privaten Geheimnissen, Bekanntwerden personenbezogener Daten, staatliche Verfahren, privatrechtliche Klagen), muss auch das Recht die Frage beantworten, wie das Vorgehen von Whistleblowern rechtlich zu bewerten ist und wie man die Rechtsbeziehungen der Beteiligten angemessen regulieren kann. Whistleblowing steht dabei in einem grundsätzlichen Spannungsverhältnis. Typischerweise verstößt der Whistleblower gegen gesetzliche und/oder vertragliche Geheimhaltungspflichten und handelt damit im Ausgangspunkt rechtswidrig. Zugleich folgt er jedoch häufig einer echten Gewissensnot, agiert zum Schutze eigener oder fremder, ebenfalls rechtlich geschützter Interessen und befördert schließlich übergeordnete Gemeinwohlinteressen, weil die Öffentlichkeit auf diesem Wege von Missständen und Verfehlungen erfährt, die sonst im Verborgenen bleiben würden. Zur interessengerechten Auflösung dieses Spannungsverhältnisses gibt es unterschiedliche Ansätze und Vorschläge. Diese sind in der Vergangenheit bereits Gegenstand anderer wissenschaftlicher Publikationen gewesen. Allerdings konzentrierten sich diese vielfach auf arbeits- und strafrechtliche Aspekte sowie einige Spezialfragen. Demgegenüber ist die datenschutzrechtliche Dimension des Whistleblowings ebenso unterbelichtet wie die rechtliche Bewertung des Whistleblowings im Beamtenverhältnis. In jüngerer Zeit haben sich überdies zwei wesentliche rechtliche Änderungen ergeben, nämlich zum einen die Verabschiedung der Datenschutz-Grundverordnung, zum anderen die der europäischen Hinweisgeberrichtlinie, die bis zum 17. Dezember 2021 umgesetzt werden muss. Das Thema der Arbeit ist damit aktuell, nicht ausdiskutiert und hochgradig praxisrelevant. Indem Frau Sixt das Whistleblowing im Spannungsfeld der drei Dimensionen von Macht, Geheimnis und Information verortet, schafft sie ein neues Untersuchungsraster, innerhalb dessen sie nicht nur die vielen Einzelprobleme des Whistleblowings, sondern auch seine Grundfragen einer näheren Analyse unterziehen kann. Die Anwendung der drei Dimensionen auf das Whistleblowing im Arbeitsverhältnis einerseits, im Beamtenverhältnis andererseits fördert dabei Gemeinsamkeiten, aber auch wichtige Unterschiede zutage. Die umfassende Analyse der datenschutzrechtlichen Anforderungen an das
4
Vorwort der Herausgeber
Whistleblowing ist von besonderer Bedeutung. Denn zum einen verarbeiten institutionalisierte Whistleblower-Systeme typischerweise nicht nur die personenbezogenen Daten der Hinweisgeber (falls diese nicht anonym auftreten), sondern vielfach auch personenbezogene Daten anderer Beschäftigter, denen beispielsweise ein Fehlverhalten vorgeworfen wird. Zum anderen ist auch fraglich, ob ein Whistleblower selbst nicht im datenschutzrechtlichen Sinne zum Verantwortlichen werden kann, wenn er – innerhalb oder außerhalb von Whistleblowing-Systemen – derartige Daten Dritter verarbeitet. Frau Sixt untersucht erstmals in großem Detaillierungsgrad, welche normativen Vorgaben die DatenschutzGrundverordnung insoweit bereithält. Sie profitiert dabei auch von ihrer Tätigkeit im Passauer DFGGraduiertenkolleg 1681/2 „Privatheit und Digitalisierung“, während der die Arbeit entstanden ist. Besonders verdienstvoll ist schließlich, dass Frau Sixt am Ende ihrer Analyse ihre Ergebnisse in einen konkreten Vorschlag für ein Gesetz überführt. Im Gegensatz zu vielen anderen Arbeiten, die sich mit der Formulierung von Anforderungen und Kritikpunkten begnügen, stellt sie sich hier der Herausforderung, konkrete Formulierungen und ein Gesamtsystem anzufertigen. Sie legt einen umfassenden, in sich stimmigen und mit den bis dato gewonnenen Ergebnissen der Arbeit konsistenten Regulierungsvorschlag vor. Mit Blick auf die anstehende Umsetzung der europäischen Hinweisgeberrichtlinie und die damit verbundene Neuordnung der Anforderungen an das Whistleblowing in Deutschland ist der Arbeit gerade an diesem Punkt zu wünschen, dass sie nicht nur in der Rechtswissenschaft, sondern auch in der Rechtspolitik Beachtung findet.
Kassel, im November 2020
Prof. Dr. Gerrit Hornung, LL.M.
Vorwort
Die vorliegende Schrift wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Passau als Dissertation angenommen und befindet sich auf dem Stand März 2020. Entstanden ist die Arbeit in meiner Zeit als Stipendiatin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am DFG-Graduiertenkolleg 1681/2 „Privatheit und Digitalisierung“. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Gerrit Hornung, LL.M., der mich zur Promotion ermutigt hat und mich all die Jahre unterstützt hat. Ohne die gemeinsamen Gespräche, den Austausch, die konstruktiven Anregungen und seinen Rat, wäre die Arbeit nicht in dieser Form fertiggestellt worden. Prof. Dr. von Lewinski danke ich für den fruchtbaren Austausch im Rahmen des Graduiertenkollegs und die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Herrn Professor Dr. Bayreuther danke ich für die Übernahme des Vorsitzes im Prüfungsausschuss. Ich danke auch all meinen Kolleginnen und Kollegen am Graduiertenkolleg, die die Zeit am Kolleg zu etwas Besonderem gemacht haben und deren Anregungen wichtige Impulse für meine Arbeit gegeben haben. Ebenso danken möchte ich all meinen Freunden, die die Arbeit kritisch gelesen haben. Schließlich danke ich von ganzem Herzen meinen Eltern und meinem Partner Sebastian Kuttner für ihre immerwährende Unterstützung, Ermutigung und den Beistand in guten wie in schlechten Zeiten meines Promotionsvorhabens. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. München, den 18.10.2020
Manuela Sixt
Inhalt Kapitel 1: Einführung ............................................................................................................................ 22 Whistleblowing als eine Frage von Macht, Geheimnis und Information .................................. 25 I.
Begrifflichkeit der Macht ...................................................................................................... 25 Machtbegriff nach Max Weber ......................................................................................... 26 Akteurs- und interessenbasierte Konzeptionen von Macht ............................................... 27 Konnotationen von Macht ................................................................................................. 28 Whistleblowing und Macht ............................................................................................... 29
II.
Begrifflichkeit des Geheimnisses .......................................................................................... 30
III.
Begrifflichkeit der Information ......................................................................................... 32
Die zugrundeliegende Auffassung von Privatheit ..................................................................... 34 I.
Fehlen einer Definition .......................................................................................................... 34
II.
Privatheit nach Helen Nissenbaum ........................................................................................ 35
III.
Privatheit nach Beate Rössler ............................................................................................ 36
IV.
Der überindividuelle Wert der Privatheit .......................................................................... 37
Forschungsstand, Ziel und Gang der Untersuchung .................................................................. 38 Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen ............................................................ 40 Interessenfeld beim Whistleblowing durch Arbeitnehmer ........................................................ 40 I.
Wirkung der Grundrechte im Privatrechtsverhältnis ............................................................. 41
II.
Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 I 1 Alt. 1 GG, als Recht des Arbeitnehmers .................. 43 Hinweisgeben als Meinungsäußerung ............................................................................... 43 a)
Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit ............................................................. 43
b)
Grundrechtsschranken ................................................................................................... 44
c)
Abwägung im Einzelfall ................................................................................................ 45 Schutz anonymer Meinungsäußerungen ............................................................................ 45
a) b)
Eröffnung des Schutzbereiches ..................................................................................... 45 Geringerer Schutz anonymer Äußerungen .................................................................... 47 Schutz nach Art. 11 GrCh ................................................................................................. 47
III.
Petitionsrecht, Art. 17 GG, als Recht des Arbeitnehmers ................................................. 47
IV.
Gewissensfreiheit, Art. 4 I 2. Alt. GG als Recht des Arbeitnehmers ................................ 49 Schutzbereich der Gewissensfreiheit ................................................................................. 49 Relevanz der Gewissensfreiheit im Arbeitsrecht und beim Whistleblowing .................... 49 Schutz nach Art. 10 I GrCh ............................................................................................... 51
Inhalt
7
V.
Widerstandsrecht, Art. 20 IV GG .......................................................................................... 51
VI.
Art. 2 I i.V.m. Art. 20 III GG als Recht des Arbeitnehmers.............................................. 52
VII.
Allgemeines Persönlichkeitsrecht als Recht des Arbeitnehmers ....................................... 52
VIII.
Unternehmerische Freiheit, Art. 12 I GG, als Recht des Arbeitgebers ............................. 52
IX.
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisschutz als Recht des Arbeitgebers............................... 53
Macht in Arbeitsverhältnissen ................................................................................................... 53 I.
Dezisionale Privatheit als Entscheidungsfreiheit .................................................................. 53
II.
Rechte und Pflichten der Parteien des Arbeitsvertrages ........................................................ 55 Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers........................................................................... 55 a)
Rücksichtnahmepflicht als Pflicht des Arbeitnehmers .................................................. 56
b)
Verschwiegenheitspflicht .............................................................................................. 57
c)
Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens ..................................................................... 58
d)
Schadensabwendungspflicht.......................................................................................... 58 Fürsorgepflicht des Arbeitgebers....................................................................................... 59 Fazit ................................................................................................................................... 59 Bestehende Regeln zum Whistleblowing .......................................................................... 59
a)
§ 17 II ArbSchG ............................................................................................................ 60
b)
§§ 84, 85 BetrVG .......................................................................................................... 61
c)
Whistleblowingvorschriften im Finanzbereich ............................................................. 61
d)
§ 23 III WpHG .............................................................................................................. 63
e)
§ 13 AGG und § 27 AGG .............................................................................................. 63
f)
§ 58b I Nr. 2 BImSchG.................................................................................................. 63
g)
Art. 77 DSGVO ............................................................................................................. 63
h)
§ 6 V GwG .................................................................................................................... 63
i)
§ 138 StGB als Anzeigepflicht ...................................................................................... 64
j)
Benachteiligungsverbot nach § 612a BGB.................................................................... 64
k)
Fazit ............................................................................................................................... 64
III.
Falsche Verdächtigung und strafrechtlicher Ehrschutz als Grenze des Whistleblowings . 65 § 164 StGB ........................................................................................................................ 65 a) b)
Objektiver Tatbestand des § 164 I StGB ....................................................................... 65 Subjektiver Tatbestand des § 164 StGB ........................................................................ 66 Ehrverletzungsdelikte ........................................................................................................ 66
a) Tatbestand der Ehrverletzungsdelikte der Beleidigung, § 185 StGB und üblen Nachrede, § 186 StGB ........................................................................................................... 66 aa)
Kein Sanktionsrisiko nach § 185 StGB für redliche Hinweisgeber....................... 66
bb)
Sanktionsrisiko nach §§ 186f. StGB...................................................................... 67
Inhalt
8 b)
Verleumdung, § 187 StGB ............................................................................................ 68
c)
§ 193 StGB .................................................................................................................... 68
d) IV. V.
Fazit ............................................................................................................................... 69 Mögliche Sanktionierung des Whistleblowings ................................................................ 70
Rechtsprechung zum Whistleblowing bei Arbeitnehmern .................................................... 70 RAG vom 1.11.1930: Strafanzeige als Grund für fristlose Kündigung trotz Gutgläubigkeit 71 BAG vom 5.2.1959: Mehrfache Strafanzeigen gegen Arbeitgeber Grund für fristlose Kündigung ................................................................................................................................. 71 BAG vom 14.12.1972: „Strahlenschutzbeauftragtenfall“ ................................................. 72 BAG vom 4.07.1991: Motiv des Whistleblowers bedeutend ............................................ 72 BVerfG vom 2.7.2001: Recht zur Anzeige ....................................................................... 74 BAG vom 3.7.2003: Relevanz von Grundrechten ............................................................. 75 BAG vom 7.12.2006: Kein absoluter Vorrang innerbetrieblicher Abhilfe ....................... 76 Zusammenfassung ............................................................................................................. 77
VI.
Fazit ................................................................................................................................... 78
Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis ...................................................................................... 78 I.
Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ................................................................ 78 Unternehmensgeheimsphäre.............................................................................................. 78 Grundrechtlicher Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ................................ 80 Die EU-Geschäftsgeheimnisrichtlinie und das nationale Recht zum Geheimnisschutz.... 81 a) Tatbestandsmerkmale des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses nach bisherigem nationalem Recht und Geheimnisschutzrichtlinie ................................................................. 82 aa)
b)
Definition............................................................................................................... 82
bb)
Unternehmensbezug .............................................................................................. 83
cc)
Offenkundigkeit ..................................................................................................... 83
dd)
Geheimhaltungswille ............................................................................................. 84
ee)
Geheimhaltungsinteresse ....................................................................................... 84
ff)
Schutzwürdigkeit rechtswidriger Geheimnisse ..................................................... 85
Tatbestandsmerkmale der EU-Geschäftsgeheimnisrichtlinie ........................................ 87 aa)
Information ............................................................................................................ 87
bb)
Kein Unternehmensbezug ..................................................................................... 87
cc)
Kommerzieller Wert .............................................................................................. 88
dd)
Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen .......................................................... 90
ee)
Dogmatische Einordnung des Geschäftsgeheimnisses .......................................... 91
c)
Rechtmäßige Formen des Geheimniserwerbs, Art. 3 der Richtlinie ............................. 92
d)
Verletzungshandlungen gemäß Art. 4 der Richtlinie .................................................... 92
Inhalt
9 e)
f) II.
Berücksichtigung gegenläufiger Interessen nach Art. 5 der Richtlinie ......................... 93 aa)
Schutz des Hinweisgebers vor Sanktionen nach Art. 5 lit. b ................................. 93
bb)
Verständnis von Whistleblowing nach der Richtlinie ........................................... 94
cc)
Art. 5 lit. c.............................................................................................................. 94
dd)
Unterschiede zum bisherigen deutschen Recht ..................................................... 95
Rechte des Geheimnisinhabers, Art. 12 ff. .................................................................... 96
Geschäftsgeheimnisgesetz ..................................................................................................... 96 Durch Richtlinie eröffneter Spielraum für die Mitgliedsstaaten ....................................... 96 Umsetzung der Richtlinie im deutschen Recht durch das GeschGehG ............................. 96 a)
Erlaubte Handlungen ..................................................................................................... 97
b)
Handlungsverbote und Ausnahmetatbestände ............................................................... 97
c)
Beurteilung der Regelungen zu Hinweisgebern ............................................................ 99
d)
Ansprüche des Geheimnisinhabers................................................................................ 99
e)
Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Geheimnisschutz............................................... 99
III.
Strafrechtlicher Geheimnisschutz nach (bisherigem) nationalen Recht ............................ 99 § 17 UWG a.F ................................................................................................................... 99 § 23 GeschGehG.............................................................................................................. 100 § 203 I StGB .................................................................................................................... 101 § 202d StGB .................................................................................................................... 101 a)
Tatbestand des § 202d StGB ....................................................................................... 101
b)
Verfehlte Bezeichnung ................................................................................................ 101
c)
Systematische Bedenken ............................................................................................. 102
d)
Inhaltliche Kritikpunkte............................................................................................... 102
e)
Bedrohung des investigativen Journalismus................................................................ 103
f) IV. V.
Keine Auswirkung auf das Whistleblowing? .............................................................. 104 Zivilrechtlicher Geheimnisschutz .................................................................................... 105
Zusammenfassung ............................................................................................................... 106 Information .............................................................................................................................. 106
I.
Informationsinteresse des Arbeitgebers............................................................................... 106
II.
Das öffentliche Informationsinteresse ................................................................................. 106 Begriff ............................................................................................................................. 107 Relevanz weiterer Akteure für die öffentliche Meinungsbildung ................................... 108 Verfassungsrechtliche Verankerung des öffentlichen Informationsinteresses ................ 109 Das öffentliche Informationsinteresse in der Abwägung beim Whistleblowing ............. 109 Rechtsprechung zum öffentlichen Informationsinteresse und öffentlichen Interesse im Zusammenhang mit Whistleblowing ....................................................................................... 110
Inhalt
10 a)
Begriff des öffentlichen Interesses .............................................................................. 110
b)
Whistleblowing und öffentliche Interessen ................................................................. 112
c)
d)
e)
III.
Handhabung des öffentlichen Interesses ..................................................................... 112 aa)
Abstrakte und konkrete Bestimmung des öffentlichen Interesses ....................... 112
bb)
Kollision von Grundrechten ................................................................................ 113
Rechtsprechung zum öffentlichen Informationsinteresse ............................................ 113 aa)
BGH vom 20.1.1981: Wallraff-Entscheidung ..................................................... 114
bb)
BAG vom 5.2.1981:- Chefarzt-Fall ..................................................................... 114
Rechtsprechung zum öffentlichen Interesse ................................................................ 115 aa)
LAG Baden-Württemberg vom 3.2.1987: Gammelfleisch.................................. 115
bb)
LAG Schleswig-Holstein vom 15.11.1995: BSE-Fall......................................... 116
cc)
LAG Köln vom 2.2.2012: Bustürenfall ............................................................... 116
dd)
BAG vom 7.12.2006............................................................................................ 118
ee)
BAG vom 15.12.2016.......................................................................................... 118
ff)
Fazit ..................................................................................................................... 119
Neue Arenen als Bedrohung für den Geheimnisschutz und für Rechte der Betroffenen 119 Wikileaks und Cypherpunks............................................................................................ 119 Problematik bei Hinweisen an Enthüllungsplattformen .................................................. 121 Vergleich von Enthüllungsplattformen und Pressearbeit ................................................ 121
IV.
Hinweisgebersysteme als geregelte Informationskanäle ................................................. 123 Hinweisgebersysteme als Compliance-Maßnahme ......................................................... 123 Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen ..................................................................... 123 Anreiz oder Verpflichtung zur Einführung? .................................................................... 124 Vorteile von Hinweisgebersystemen ............................................................................... 125 Wege zur Einführung von Hinweisgebersystemen ......................................................... 126
Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Einführung von Hinweisgebersystemen und Ethikrichtlinien ........................................................................................................................ 127 a)
§ 87 I Nr. 1 BetrVG ..................................................................................................... 128
b)
§ 87 I Nr. 6 BetrVG ..................................................................................................... 128
c)
Folgen der fehlenden Mitbestimmung......................................................................... 130 Grundrechtliche Relevanz von Ethikrichtlinien und Hinweisgebersystemen ................. 130 Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen in Unternehmen .......................................... 131
a)
Whistleblowing-Stellen ............................................................................................... 131
a)
Beauftragte im Unternehmen ...................................................................................... 131
b)
Internes Hinweisgebersystem ...................................................................................... 131
c)
IT-gestützte Systeme von Dritten ................................................................................ 133
d)
Ombudsperson ............................................................................................................. 133
e)
Betriebsrat ................................................................................................................... 135
Inhalt
11 f)
Fazit ............................................................................................................................. 135 Wirkung von Hinweisgebersystemen in Unternehmen ................................................... 135
V.
Fazit ..................................................................................................................................... 136
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis .............................................................................. 137 Interessenfeld beim Whistleblowing durch Beamte ................................................................ 138 I.
Beamte und Grundrechte ..................................................................................................... 138 Vom besonderen Gewaltverhältnis zum Sonderstatusverhältnis ..................................... 138 Grundrechtlicher Schutz im Beamtenverhältnis .............................................................. 141 Auswirkungen des Beamtenverhältnisses auf die Privatheit des Beamten ..................... 142 Berufungsmöglichkeiten des Beamten auf Grundrechte beim Whistleblowing .............. 143
II.
a)
Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 5 I 1 HS 1 GG .............................................. 144
b)
Gewissensfreiheit gemäß Art. 4 I GG ......................................................................... 146
c)
Petitionsrecht gemäß Art. 17 GG ................................................................................ 147
d)
Art. 2 I i.V.m. Art. 20 III GG ...................................................................................... 147
e)
Widerstandsrecht, Art. 20 IV GG ................................................................................ 147
f)
Fazit ............................................................................................................................. 148
Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums als Besonderheit .................................. 148
III.
Befugnisse des Dienstherrn ............................................................................................. 150
IV.
Geheimnisschutz im Beamtenverhältnis ......................................................................... 150
V.
Information und Beamtenverhältnis .................................................................................... 151
VI.
Einfachgesetzliche Rechte und Pflichten ........................................................................ 151
VII.
Fazit ................................................................................................................................. 151
Macht im Beamtenverhältnis ................................................................................................... 151 I.
Wesen des Beamtenverhältnisses ........................................................................................ 152 Das Beamtenverhältnis als Teil der Verwaltungshierarchie ............................................ 152 Das Beamtenverhältnis als Dienst- und Treueverhältnis ................................................. 153 Rechte und Pflichten des Beamten .................................................................................. 155 a)
Pflicht zur Amtsverschwiegenheit nach § 67 I 1 BBG ................................................ 155 aa)
Schutzzweck ........................................................................................................ 155
bb)
Schutzgegenstand ................................................................................................ 156
cc)
Ausnahmen von der Amtsverschwiegenheitspflicht ........................................... 156
dd)
Aussagegenehmigung .......................................................................................... 160
ee)
Herausgabepflicht ................................................................................................ 160
ff)
Korrespondierende Normen ................................................................................ 160
Inhalt
12 gg) hh) ii)
Flucht in die Öffentlichkeit und Amtsverschwiegenheitspflicht ......................... 161 Fazit ......................................................................................................................... 161
b)
Folgepflicht nach § 62 BBG ........................................................................................ 161 aa)
Sinn und Zweck der Folgepflicht ........................................................................ 162
bb)
Weisung und Verschwiegenheitspflicht .............................................................. 162
cc)
Befolgungspflicht bei widerrechtlichen Weisungen ............................................ 162
dd)
Verbot der Befolgung nicht bindender Weisungen ............................................. 165
ee)
Gewissenskonflikt und grundrechtliche Grenze der Folgepflicht ....................... 166
ff)
Widerstandsrecht und Folgepflicht ...................................................................... 167
gg)
Fazit ..................................................................................................................... 167
c)
d)
Besondere Schweigepflichten ............................................................................. 160
Einhaltung des Dienstweges nach § 125 BBG ............................................................ 167 aa)
Schutzzweck der Dienstweggebundenheit .......................................................... 167
bb)
Ausnahmen von der Dienstweggebundenheit ..................................................... 168
cc)
Whistleblowing und Dienstweggebundenheit ..................................................... 168
dd)
Fazit ..................................................................................................................... 169
Achtungs- und vertrauensvolles Verhalten gemäß § 61 I 3BBG ................................ 169 aa)
Schutzzweck ........................................................................................................ 169
bb)
Die Pflicht als Gestaltungsnorm für das Whistleblowing.................................... 169
cc)
Fazit ..................................................................................................................... 170
e)
Uneigennützigkeit und Handeln nach bestem Gewissen ............................................. 170
f)
Persönliche Verantwortlichkeit nach § 63 I BBG ....................................................... 172
g)
Remonstrationsrecht und -pflicht nach § 63 II BBG ................................................... 172 aa) Remonstration als ausgleichendes Mittel zwischen Folgepflicht und Verantwortung ................................................................................................................. 173 bb)
Remonstrationsrecht und Remonstrationspflicht ................................................. 174
cc)
Begriff der Bedenken und Umfang der Prüfung ................................................. 175
dd)
Irrtümer bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit ...................................................... 177
ee)
Befolgen der rechtswidrigen Weisung nach Durchlaufen des Remonstrationsweges 177
ff)
§ 63 BBG als Whistleblowing-Regelung ............................................................ 177
gg)
Sanktionierung..................................................................................................... 178
h) Bekennen beziehungsweise Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, § 60 I BBG .......................................................................................................................... 179 aa)
Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ...................................... 179
bb)
Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ............................... 181
i)
Unterstützung und Beratung der Vorgesetzten gemäß § 62 I 1 BBG.......................... 182
j)
Recht auf Anträge und Beschwerden, § 125 I 1 BBG ................................................. 183
k)
Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht nach § 60 II BBG ......................................... 184
Inhalt
13 l)
Anregungs- und Beschwerderecht beim Personalrat, § 68 I Nr. 3 BPersVG .............. 185 Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn – Schutzmöglichkeit beim Whistleblowing? ........ 186
II.
Strafrechtlicher Ehrschutz als Grenze des Whistleblowings im Beamtenverhältnis ........... 187
III.
Mögliche Sanktionierung des Whistleblowings .............................................................. 187
IV.
Rechtsprechung zum Whistleblowing bei Beamten und Arbeitnehmern des öffentlichen
Dienstes ....................................................................................................................................... 189 Der Fall Pätsch ................................................................................................................ 189 Anzeigepflicht bei Korruption ......................................................................................... 193 Publizierung von internen Vorgängen in der Öffentlichkeit als Pflichtverletzung ......... 194 Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch Verbreitung vermeintlicher Missstände beim Dienstherrn per E-Mail ................................................................................................... 194 Wissentlich unwahre oder leichtfertige Erstattung einer Strafanzeige gegen den Vorgesetzten ............................................................................................................................ 195 Pflicht zur Namensnennung des Denunzianten bei ungerechtfertigter Bezichtigung eines Beamten ................................................................................................................................... 196 Kritik an Vorgesetzten, Dienstherrn und Kollegen ......................................................... 196 V.
Exempel: Soldaten ............................................................................................................... 196 Gehorsam und Treue im Wehrdienstverhältnis ............................................................... 197 Konflikt zwischen Gehorsam und Gewissen ................................................................... 198 Einfachgesetzliche Rechte und Pflichten ........................................................................ 199 a) b)
VI.
Verschwiegenheitspflicht ............................................................................................ 200 Recht zur Beschwerde und Petition ............................................................................. 200 Europarechtliche Anforderungen an das Whistleblowing ............................................... 201 Whistleblowing und EMRK ............................................................................................ 202
a)
Rang der EMRK im deutschen Rechtssystem ............................................................. 202
b)
Anwendbarkeit der EMRK auf nationale Beamte ....................................................... 203
c)
d)
Rechtsprechung des EGMR zum Whistleblowing ...................................................... 204 aa)
Der Fall Guja/Moldawien .................................................................................... 204
bb)
Der Fall Heinisch ................................................................................................. 206
cc)
Der Fall Sosinowska/Polen.................................................................................. 211
dd)
Der Fall Matúz/Ungarn........................................................................................ 211
ee)
Der Fall Bucur & Toma/Rumänien ..................................................................... 213
ff)
Der Fall Rolf-Udo Langner/Deutschland ............................................................ 214
Fazit ............................................................................................................................. 214 Europäisches Beamtenrecht............................................................................................. 215
a)
Europäisches Beamtentum und nationales Beamtentum ............................................. 215
b)
Einfluss des europäischen Beamtenrechts auf das nationale Beamtenrecht ................ 217
Inhalt
14 c)
Der EU-Beamte als Grundrechtsträger ........................................................................ 217
d)
Rechte und Pflichten des Beamten nach dem Beamtenstatut (BSt) ............................ 218 aa)
Loyalitätspflicht, Art. 11 BSt .............................................................................. 219
bb)
Art. 12 BSt ........................................................................................................... 220
cc)
Art. 12a BSt ......................................................................................................... 220
dd)
Art. 17 BSt ........................................................................................................... 220
ee)
Art. 17a Bst.......................................................................................................... 221
ff)
Art. 19 BSt ........................................................................................................... 221
gg)
Art. 21 BSt ........................................................................................................... 222
hh)
Art. 21a BSt ......................................................................................................... 222
ii)
Art. 22a BSt ............................................................................................................. 223
jj)
Art. 22b BSt ............................................................................................................. 225
kk) ll)
Art. 22c BSt ......................................................................................................... 226 Art. 24 BSt ............................................................................................................... 226
e)
Auswahl allgemeiner Rechtsgrundsätze im Dienstrecht der europäischen Union ...... 227
f)
Rechtsschutzmöglichkeiten des EU-Beamten ............................................................. 229
g)
Der EU-Ombudsmann ................................................................................................. 229
h)
Rechtsprechung der europäischen Gerichte zum EU-Beamtenrecht ........................... 229 aa)
i)
Connolly/Kommission ......................................................................................... 229
bb)
Bermejo Garde/EWSA ........................................................................................ 231
cc)
Strack/Kommission ............................................................................................. 233
dd)
De Brito Sequeira Carvalho/Kommission ........................................................... 235
ee)
Cwik/Kommission ............................................................................................... 235
ff)
Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf das nationale Beamtenrecht................. 236
Sanktionen im europäischen Dienstrecht .................................................................... 236 Einwirkungen des Europarechts auf das nationale Dienstrecht ....................................... 236 Fazit ................................................................................................................................. 237
Geheimnisse im Beamtenverhältnis ........................................................................................ 238 I.
Amtsgeheimnisse und Staatsgeheimnisse ........................................................................... 238
I.
Strafrechtlicher Geheimnisschutz ........................................................................................ 239 § 353b I StGB .................................................................................................................. 239 a)
Tatbestand des § 353b I StGB ..................................................................................... 239
b)
Geheimnisbegriff ......................................................................................................... 239
c)
Tathandlung des § 353b I StGB .................................................................................. 240
d)
Taterfolg: Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen ............................................ 240
e)
Subjektiver Tatbestand ................................................................................................ 242
f)
Konflikt zwischen Pressefreiheit und Geheimnisschutz.............................................. 242
Inhalt
15 § 203 II StGB .................................................................................................................. 244 § 93 ff. StGB ................................................................................................................... 244 a) „Weltbühnenurteil“ und publizistischer Landesverrat in der Weimarer Republik als Nährboden für den totalitären Staat ..................................................................................... 245 b)
Geheimnisbegriff der §§ 93 ff. StGB .......................................................................... 246
c)
Illegale Staatsgeheimnisse, § 93 II StGB .................................................................... 248
d)
Tatbestand des Landesverrats nach § 94 StGB ........................................................... 249
e)
Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses, § 97b StGB ....................... 249
f)
Staatssicherheit und Pressefreiheit .............................................................................. 250 Fazit ................................................................................................................................. 252
II.
Korruptionsbekämpfung als normierte Ausnahme des Geheimnisschutzes ........................ 252 Korruptionsstraftatbestände und Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht ............. 253 Anzeigepflicht für Korruptionsstraftaten......................................................................... 254 Korruptionsbekämpfung auf internationaler Ebene ........................................................ 254 Fazit ................................................................................................................................. 255
III.
§ 8 PKGrG ....................................................................................................................... 255
IV.
Fazit ................................................................................................................................. 256
Information .............................................................................................................................. 256 I.
Informationsinteresse der Verwaltung ................................................................................ 257
II.
Informationsinteresse der Öffentlichkeit und Informationszugang ..................................... 257 Informationsinteresse der Öffentlichkeit ......................................................................... 257 Die Verwaltung zwischen Arkantradition und Transparenz ........................................... 258 a)
Grundrecht auf Informationsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG ............................................. 258
b)
Die Entwicklung zu einfachgesetzlichen Informationsrechten ................................... 259
c)
d)
Ausnahmen zu den Informationsrechten ..................................................................... 261 aa)
Schutz personenbezogener Daten ........................................................................ 262
bb)
Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen .............................................. 262
Weitere Informationszugangsrechte ............................................................................ 263 Amtsverschwiegenheitspflicht und Informationsinteresse der Öffentlichkeit................. 264
III.
Hinweisgebersysteme in der Verwaltung als Informationskanäle................................... 264 Bedarf an Hinweisgebersystemen in der Verwaltung ..................................................... 264 Beteiligungsrechte der Personalvertretung ...................................................................... 266 Mögliche Hinweisgeberstellen in der Verwaltung .......................................................... 266
IV.
Fazit ................................................................................................................................. 267
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz ................................................................................... 268 Informationelle Privatheit........................................................................................................ 268
Inhalt
16
Gefährdung der informationellen Privatheit durch Hinweisgebersysteme .............................. 270 Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern ...................................................................................... 271 I.
Whistleblowing
und
Hinweisgebersysteme
unter
Geltung
der
EU-Datenschutz-
Grundverordnung ........................................................................................................................ 271 Informationelle Selbstbestimmung und DSGVO ............................................................ 272 Personenbezogene Daten ................................................................................................. 275 Fehlende Vorschriften zum Whistleblowing in der DSGVO .......................................... 276 Grundsätze der Datenverarbeitung nach Art. 5 DSGVO................................................. 276 a)
Prinzip der Rechtmäßigkeit, von Treu und Glauben und der Transparenz ................. 277
b)
Prinzip der Zweckbindung, Art. 5 I lit. b DSGVO ...................................................... 277
c)
Prinzip der Datensparsamkeit, Art. 5 I lit. c DSGVO ................................................. 278
d)
Prinzip der Integrität und Vertraulichkeit, Art. 5 I lit. f DSGVO ................................ 278
e)
Wegfall des Prinzips der Direkterhebung.................................................................... 279 Räumlicher Anwendungsbereich der DSGVO ................................................................ 280 Datenverarbeitung nach der DSGVO .............................................................................. 281 Der Verantwortliche beim Whistleblowing nach der DSGVO ....................................... 281
a) b)
Verantwortlicher als Pflichtenadressat und internes Whistleblowing ......................... 281 Externes Whistleblowing und Verantwortlichkeit ...................................................... 282 Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nach der DSGVO .............................................. 283
a)
Einwilligung, Art. 6 I S. 1 lit. a DSGVO..................................................................... 283
b)
Vertrag oder vorvertragliche Maßnahme, Art. 6 I S. 1 lit. b DSGVO......................... 286
c)
Rechtliche Verpflichtung, Art. 6 I 1 lit. c DSGVO ..................................................... 287
d)
Wahrung lebenswichtiger Interessen, Art. 6 I 1 lit. d DSGVO ................................... 289
e) Im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe und Ausübung öffentlicher Gewalt, Art. 6 I 1 lit. e DSGVO ....................................................................................................... 289 f)
Interessenabwägung, Art. 6 I 1 lit. f DSGVO ............................................................. 290 Kollektivvereinbarungen als Erlaubnisgrundlage ........................................................... 292 Rechte der betroffenen Personen ................................................................................. 294
a)
Informationspflicht gemäß Art. 13 DSGVO und Art. 14 DSGVO ............................. 295 aa)
Direkterhebung und Erhebung auf andere Weise ................................................ 295
bb)
Unterlassen der Information der betroffenen Person ........................................... 296
b)
Auskunftsrecht gemäß Art. 15 DSGVO ...................................................................... 297
c)
Berichtigungsanspruch gemäß Art. 16 DSGVO.......................................................... 299 Auftragsverarbeitung ................................................................................................... 299 Datenschutzbeauftragter .............................................................................................. 301 Datenschutzfolgenabschätzung ................................................................................... 302
Verpflichtung des Verantwortlichen zu technischen und organisatorischen Maßnahmen, Art. 24 DSGVO ....................................................................................................................... 302
Inhalt
17 Datenschutz durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen nach Art. 25 DSGVO .................................................................................. 303 a) b)
c)
Data protection by design and by default .................................................................... 303 Anonymität und Pseudonymität bei Hinweisgebersystemen ...................................... 303 aa)
Wegfall der Definition ......................................................................................... 303
bb)
Anonyme Hinweisgebersysteme ......................................................................... 305
cc)
Pseudonymisierung im Hinweisgebersystem ...................................................... 306
dd)
Umgang mit anonymen Hinweisen ..................................................................... 306
Data protection by default, Art. 25 II DSGVO............................................................ 307 Regelungen zur Informationssicherheit ....................................................................... 307 Die Übermittlung im Konzern ..................................................................................... 309 Grenzüberschreitender Datenverkehr nach der DSGVO ............................................. 309
a)
Möglichkeiten einer Übermittlung in ein Drittland nach der DSGVO ........................ 309
b)
Insbesondere: Übermittlung in die USA ..................................................................... 311
c)
Konformität des Privacy Shield mit der DSGVO ....................................................... 311 Öffnungsklausel nach Art. 88 DSGVO ....................................................................... 314
II.
a)
Sachliche Reichweite der Vorschrift ........................................................................... 315
b)
Personelle Reichweite ................................................................................................. 316
c)
Rechtsvorschrift im Sinne von Art. 88 DSGVO ......................................................... 316
d)
Maßnahmen gemäß Art. 88 II DSGVO ....................................................................... 317
Situation nach dem BDSG................................................................................................... 317 Beschäftigtendatenschutz nach § 26 BDSG .................................................................... 318 a)
Adressat der Regelung und persönlicher Geltungsbereich .......................................... 319
b)
Sachlicher Geltungsbereich ......................................................................................... 320
c) Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, § 26 I 1 BDSG ..................................................................................................................... 320 d)
Erlaubnistatbestand in § 26 I 1 BDSG......................................................................... 321
e)
Aufdeckung von Straftaten, § 26 I 2 BDSG ................................................................ 322
f)
Reichweite von § 26 I BDSG ...................................................................................... 324
g)
Freiwilligkeit der Einwilligung ................................................................................... 324
h)
Besondere Kategorien personenbezogener Daten, § 26 III BDSG.............................. 324
i)
Maßnahmen nach § 26 V BDSG ................................................................................. 325
j) Kollektivvereinbarungen als Grundlage der Datenverarbeitung und Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen, § 26 IV, VI BDSG................................................................... 325 k)
Fazit zur Regelung des § 26 BDSG ............................................................................. 326 Rechte der betroffenen Personen ..................................................................................... 326
a)
Informationspflicht bei Erhebung bei der betroffenen Person, § 32 BDSG ................ 326
b)
Informationspflicht bei Erhebung nicht bei der betroffenen Person, § 33 BDSG ....... 327
Inhalt
18
Zweckänderung gemäß § 24 BDSG ................................................................................ 327 Datenschutzbeauftragter, § 38 BDSG ............................................................................. 328 III.
Fazit ................................................................................................................................. 328
Datenschutzrecht bei Beamten ................................................................................................ 328 I.
Einwilligung bei der Verarbeitung durch öffentliche Stellen .............................................. 330
II.
Personalakte des Beamten, §§ 106 ff. BBG ........................................................................ 330 Begriff der Personalakte .................................................................................................. 332 Grundsätze des Personalaktenrechts ................................................................................ 333 a)
b)
c) d)
Grundsatz der Transparenz .......................................................................................... 333 aa)
Recht zur Anhörung, § 109 BBG ........................................................................ 333
bb)
Auskünfte an Dritte, § 111 BBG ......................................................................... 334
Grundsatz der Aktenwahrheit ...................................................................................... 334 aa)
Entfernung von Unterlagen, § 112 BBG ............................................................. 335
bb)
Berichtigung von Personalakten .......................................................................... 335
Grundsatz der Vollständigkeit der Personalakte ......................................................... 336 Grundsatz der Vertraulichkeit ..................................................................................... 336
III.
Auftragsdatenverarbeitung, § 111 a BBG ....................................................................... 337
IV.
Rechte der betroffenen Personen ..................................................................................... 337
V.
Datenschutzbeauftragter ...................................................................................................... 338
VI.
Datenschutz bei europäischen Organen ........................................................................... 338 Verordnung (EU) 2018/1725 ........................................................................................... 338 Die Rolle des Europäischen Datenschutzbeauftragten .................................................... 339
Leitlinien zur Verarbeitung personenbezogener Informationen im Rahmen eines Verfahrens zur Meldung von Missständen .............................................................................. 339 VII.
Fazit ................................................................................................................................. 340
Kapitel 5: Modellgesetz....................................................................................................................... 341 Beurteilung bisheriger Gesetzesvorhaben ............................................................................... 341 Der Neuentwurf des § 612a BGB .................................................................................... 341 Antrag der Fraktion Die Linke ........................................................................................ 342 Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion ................................................................................. 343 Gesetzesentwurf des Bündnis 90/Die Grünen ................................................................. 344 a) b)
Regelung für Arbeitnehmer ......................................................................................... 344 Regelung für Beamte ................................................................................................... 344 Zweiter Antrag der Fraktion Die Linke ........................................................................... 346 Zweiter Gesetzesentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ..................................... 346
Inhalt
19 a)
Regelungen für Arbeitnehmer ..................................................................................... 346
b)
Regelungen für Beamte ............................................................................................... 346
c)
Straftatbestände ........................................................................................................... 347 Dritter Gesetzesentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ....................................... 348 Fazit ................................................................................................................................. 348
Richtlinie 2019/1937 ............................................................................................................... 349 Sachlicher Anwendungsbereich ...................................................................................... 349 Persönlicher Anwendungsbereich ................................................................................... 350 Vorliegen eines Verstoßes ............................................................................................... 350 Irrtümliche Meldungen .................................................................................................... 350 Interne Meldestellen ........................................................................................................ 351 a)
Verpflichtung zur Einrichtung von internen Kanälen und Verfahren ......................... 351
b)
Meldemöglichkeiten .................................................................................................... 351
c)
Informationspflicht gegenüber dem Hinweisgeber ..................................................... 352
d)
Folgemaßnahmen zum Hinweis .................................................................................. 352 Externes Whistleblowing................................................................................................. 353 Offenlegung ..................................................................................................................... 353 Vertraulichkeitsschutz ..................................................................................................... 355 Zusammenspiel mit Art. 23 DSGVO .............................................................................. 355 Vorrangigkeit interner Meldungen .............................................................................. 356 Hinweisgeberstellen .................................................................................................... 356 Anonyme Maßnahmen ................................................................................................ 357 Verbot von Repressalien.............................................................................................. 357 Beweislastumkehr........................................................................................................ 358 Verbleibendes strafrechtliches Sanktionsrisiko ........................................................... 358 Zusammenspiel mit dem Geschäftsgeheimnisschutz .................................................. 359 Zusammenspiel mit der JI-Richtlinie .......................................................................... 360 Sanktionierung bei Behinderung und Falschmeldung ................................................. 360 Verarbeitung personenbezogener Daten und Hinweisgeberrichtlinie ......................... 361 Umsetzung des nationalen Gesetzgebers und Regelungsspielraum ............................ 361 Fazit ............................................................................................................................. 362
VIII.
Die in die Abwägung einzustellenden Interessen ............................................................ 362
IX.
Zur Fassung der Ergebnisse in ein Gesetz ....................................................................... 363
Modellgesetz ........................................................................................................................... 363 I.
Gesetzesvorschlag für ein Hinweisgeberschutzgesetz ........................................................ 364
II.
Erläuterungen ...................................................................................................................... 374
Inhalt
20
Zweck des Gesetzes, § 1.................................................................................................. 374 Sachlicher Anwendungsbereich, § 2 ............................................................................... 374 Begriffsbestimmungen, § 3 ............................................................................................. 374 a) b)
Hinweisgebung, § 3 I................................................................................................... 374 Meldegegenstand, § 3 II .............................................................................................. 374 aa)
Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie ............................................................. 375
bb)
Verstöße im Sinne des nationalen Rechts............................................................ 375
Meldeberechtigter, § 4 ..................................................................................................... 377 Benachteiligungsverbot, § 5 ............................................................................................ 378 Ausnahme vom Schutz, § 6 ............................................................................................. 378 Betrieb von Hinweisgebersystemen, § 7 ......................................................................... 378 Vertraulichkeitsschutz, § 9 .............................................................................................. 380 Anonyme Meldungen, § 10 ............................................................................................. 380 Dokumentationspflicht, § 11 ....................................................................................... 381 Interne Meldungen, § 8................................................................................................ 381 Meldewege .................................................................................................................. 382 a) b)
c)
Interne Meldungen, § 8 und Anreiz zur internen Meldung, § 18 ................................ 382 Externe Meldungen, § 16 ............................................................................................ 383 aa)
Anforderungen an externe Meldekanäle.............................................................. 383
bb)
Mögliche externe Hinweisgeberstellen ............................................................... 384
Meldung an die Öffentlichkeit, § 17............................................................................ 386 Beamte, § 19 ................................................................................................................ 387
a)
Abweichung von den Vorgaben der Richtlinie ........................................................... 387
b)
Vorrang des innerbehördlichen Whistleblowings, § 19 I ............................................ 388
c)
Möglichkeit zum externen Whistleblowing, § 19 II .................................................... 388
d)
Meldung an die Öffentlichkeit, § 19 III....................................................................... 388 Datenschutzrechtliche Regelungen.............................................................................. 388 Informationspflicht und Auskunftsrecht nach § 12 ..................................................... 389 Verteidigungsrechte betroffener Personen, § 13 ......................................................... 389 Hinweisgebung im Konzern, § 14 ............................................................................... 390 Offenlegung der Identität, § 15 ................................................................................... 390 Beweislast, § 20 ........................................................................................................... 390
Bußgeldvorschriften (§ 21), Schadensersatz (§ 22) und weitere Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung (§ 22) ...................................................................................... 391 Beteiligung des Datenschutzbeauftragten, § 23 .......................................................... 391 Verhältnis zu anderen Vorschriften, § 24 .................................................................... 391 Finanzielle Anreize? .................................................................................................... 391 Kapitel 6: Zusammenfassende Thesen ................................................................................................ 393
Inhalt
21
Bibliographie ....................................................................................................................................... 397 Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................................................... 449
Kapitel 1: Einführung Whistleblowing – eine moderne Bezeichnung für ein Verhalten, das seit Jahrhunderten existiert. Der Begriff des Whistleblowings stammt aus dem anglo-amerikanischen Bereich. Er tauchte zum ersten Mal im Fall des Regierungsangestellten Otto Opeka auf, der im US-Außenministerium arbeitete, klassifizierte, der Geheimhaltung unterliegende Dokumente an den Senats-Unterausschuss für Innere Sicherheit übermittelte und dafür aus dem Dienst entlassen wurde.2 Versteht man unter Whistleblowing das Hinweisgeben über Missstände, lassen sich hierfür zahlreiche Beispiele aus diversen Epochen anführen. So protestierten die sogenannten ‹Göttinger Sieben›, eine Gruppe von Professoren, im Jahr 1837 gegen die Aufhebung der bestehenden Verfassung im Königreich Hannover und wurden dafür entlassen.3 Der Hinweis des deutschen Industriellen Eduard Schulte, dass die Nationalsozialisten Juden in Vernichtungslagern in Massen umbringen würden, erreichte im Jahr 1942 die US-Regierung, doch das Office of Strategic Service sah darin nur „ein wildes, von jüdischen Ängsten inspiriertes Gerücht“.4 Auch Heinrich Hoffmann von Fallerslebens Ausspruch: „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“ ist als Kritik an und Hinweis auf das Bestehen von Polizeispitzeln aufzufassen, sodass Hoffmann von Fallersleben selbst als Whistleblower angesehen werden kann.5 Whistleblowing ist somit ein Verhalten, das im deutschen Raum unter anderer Bezeichnung schon seit Jahrhunderten besteht. Whistleblowing – ein US-amerikanisches Phänomen? In den letzten Jahren kamen mit der Enthüllung des NSA-Überwachungsskandals durch Edward Snowden, mit den ‹Collateral Murder Videos› auf der Onlineplattform Wikileaks und der damit zusammenhängenden Aufdeckung von möglichen Kriegsverbrechen des US-Militärs durch Chelsea Manning oder den investigativen Reportagen zu den Panama Papers bedeutende Missstände an die Öffentlichkeit. Auch berühmte Beispiele wie die Weitergabe der sogenannten Pentagon Papers durch Daniel Ellsberg und die Offenbarung des Watergate-Skandals durch die Journalisten Bob Woodward und Carl Bernstein mit Hilfe des Informanten Mark Felt alias Deep Throat ereigneten sich in den USA. Der Umstand, dass diese Skandale der Neuzeit durch Hinweisgeber an die Öffentlichkeit gebracht wurden, trägt dazu bei, dass Whistleblowing nunmehr in den Medien eine vielbesprochene Thematik ist. Auch in der Populärkultur erhalten Whistleblower in den letzten Jahrzehnten und insbesondere seit 2
Deiseroth, in: Bultmann, S. 286. Die nach Meinung der Literatur wohl bekannteste Definition von Whistleblowing ist die von Near/Miceli, Journal of Business Ethics 1985, 1 (4), wonach Whistleblowing folgendermaßen definiert wird: „ the disclosure by organization members (former or current) of illegal, immoral, or illegitimate practices under the control of their employers, to persons or organizations that may be able to effect action“. Als berühmteste Definition aufgeführt von Rieder, Whistleblowing, S. 8; Leisinger, Whistleblowing, S. 27, der auch eine deutsche Übersetzung liefert: „Enthüllung illegaler, unmoralischer oder illegitimer Praktiken, die unter der Kontrolle einer Person oder Organisation passieren, durch eine Person, die dieser Organisation angehört oder angehörte und selbst nicht in der Lage ist oder die Macht hat, den empfundenen Missstand zu beseitigen“. 3 Bleek, Die Zeit online vom 20.11.2012. 4 Gunkel, Spiegel online vom 27.7.2017. 5 Strack, Whistleblower in Deutschland, S. 1. Allerdings ist zweifelhaft, ob das Zitat tatsächlich so geäußert wurde, vgl. Thüsing/Fütterer, in: Apfelbacher, Gesellschaftsrecht, S. 24.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Sixt, Whistleblowing im Spannungsfeld von Macht, Geheimnis und Information, DuD-Fachbeiträge, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32552-7_1
A. Whistleblowing als eine Frage von Macht, Geheimnis und Information …
23
den Enthüllungen durch Edward Snowden verstärkte Aufmerksamkeit.6 Die Tatsache, dass vor allem US-amerikanische Beispiele im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, mag zu dem Trugschluss verleiten, dass es in Deutschland keinerlei bedeutende Fälle von Whistleblowing gibt. Dies entspricht freilich nicht der Realität, auch wenn die Beispiele aus Deutschland häufig keine internationale Aufmerksamkeit erfuhren. Als Beispiel für eine Whistleblowerin in Deutschland kann der Fall der Tierärztin Margit Herbst aus den 1990er Jahren dienen, die die ersten BSE-Verdachtsfälle in Deutschland aufdeckte. Herbst war bei einem Fleischhygieneamt beschäftigt, wo sie die Schlachttieruntersuchungen vornahm. Dabei stellte sie bei Rindern Symptome fest, die auf BSE hindeuteten. Sie meldete ihre Feststellungen an ihre Vorgesetzten, die diese jedoch nicht für zutreffend hielten. Man legte ihr nahe, sich eine andere Arbeit zu suchen und versetzte sie an eine andere Arbeitsstätte, an der sie keine Schlachttierbeschau mehr durchführen konnte, sondern zum Teil tierarztfremde, schwere körperliche Arbeit zu leisten hatte. Frau Herbst wandte sich mit ihrer Besorgnis über BSE und mit Hinweisen über Missstände in dem Schlachtbetrieb mehrfach an die Presse. Daraufhin wurde sie fristlos gekündigt und blieb über Jahre hinweg arbeitslos.7 Ihr Vorgehen trug jedoch dazu bei, dass die Gefahren von BSE in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Negative Konnotation des Whistleblowings Es gibt also durchaus auch in Deutschland Beispiele für Whistleblowing, auf die im Verlauf der Untersuchung auch vertieft eingegangen wird. Aus rechtlicher Sicht unterscheidet sich das Whistleblowing in Deutschland aber eklatant von der rechtlichen Ausgangslage für Whistleblower in anderen Staaten: Hierzulande existiert keine gesetzliche Regelung zum Whistleblowing, die umfassend ist und Schutzaspekte berücksichtigt.8 Als einer der Gründe für das Fehlen einer gesetzlichen Regelung wird der Mangel an einer positiv besetzten Kultur des Whistleblowings genannt.9 Hierzulande assoziiere man mit Whistleblowing Denunziantentum. Einige Autoren begründen diese Konnotation mit den deutschen Erfahrungen in der NS-Zeit beziehungsweise der Stasi-Überwachung in der DDR.10 Aufgrund des in den vergangenen Jahrzehnten gewachsenen Bewusstseins für die Problematik, das sich in der gestiegenen Zahl an juristischen Veröffentlichungen und Gesetzesentwürfen widerspiegelt, wird der Ruf nach einer gesetzlichen Regelung in Deutschland immer lauter.11 Trotz diverser Gesetzesentwürfe ist es 6
Als Beispiele aus jüngerer Zeit mögen Jonathan Franzens Werk ‹Purity› (2015), John Le Carrés Roman ‹ A delicate truth› (2013), der Film ‹The Whistleblower› (2010), ebenso wie natürlich die Filme über das Leben von Edward Snowden ‹Snowden› (2016), sowie der oscarprämierte Dokumentarfilm ‹Citizen Four› (2014) und der Film über Wikileaks-Gründer Julian Assange, ‹The Fifth Estate› (2013) dienen. 7 Vgl. Deiseroth, Whistleblowing in Zeiten von BSE, S. 17 ff. 8 Beispielsweise existiert in Großbritannien seit 1998 mit dem Public Interest Disclosure Act (PIDA) eine gesetzliche Regelung zum Whistleblowing. Siehe zu Whistleblowing in den USA die Untersuchung von Gerdemann, Transatlantic Whistleblowing. 9 Buchert/Jacob-Hofbauer, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, S. 259, Rn 1. Zum Whistleblowing im internationalen Kontext und der dort vorherrschenden Kultur des und Einstellung zum Whistleblowing siehe Vandekerckhove/Uys/Rehg/Brown, in: Brown/Lewis, S. 37. 10 Vgl. Donato, Whistleblowing, S. 19; Tinnefeld/Rauhofer, DuD 2008, 717 (719); Sethe, in: FS Weber, S. 189 (197); Mahnhold, NZA 2008, 737 (737). 11 So z.B. fordert die Neue Richtervereinigung eine gesetzliche Regelung zum Schutz von Hinweisgebern, Wenning-Morgentaler/Kluess/Hennemann, Gedankenaustausch. In seiner Stellungnahme sprach sich auch der
24
Kapitel 1: Einführung
auf politischer Ebene bislang nicht gelungen, sich auf eine gesetzliche Regelung zu verständigen. Eine solche ist jedoch von größter Notwendigkeit, um in Bezug auf das Whistleblowing eine Rechtssicherheit in Deutschland herzustellen. Whistleblowing ist in Deutschland, mit Ausnahme weniger Spezialregelungen,12 Richterrecht geblieben. Das führt dazu, dass die rechtliche Bewertung anhand von allgemeinen Gesetzen, den Grundsätzen, die die Rechtsprechung aufgestellt hat und der Abwägung im Einzelfall vorgenommen werde, wobei der Ausgang der Beurteilung im Vorfeld nicht erkennbar sei.13 Es ist für den Hinweisgeber nicht erkennbar, ob und wie in seinem Fall eine Meldung erfolgen darf. Gesetzliche Regelung des Whistleblowings Ziel der Arbeit ist es, eine gesetzliche Regelung zu entwerfen, die die erlangten Erkenntnisse normativ verbindet. Im Zentrum der Betrachtungen steht dabei der Whistleblower als Arbeitnehmer beziehungsweise als Beamter, der in das Arbeitsverhältnis beziehungsweise Beamtenverhältnis eingebunden ist. Im Folgenden soll der Begriff des Whistleblowings aufgefasst werden als Hinweisgeben über Missstände. Dabei kann es sich zum Beispiel um ein Fehlverhalten von Kollegen oder des Arbeitgebers beziehungsweise des Dienstherrn oder von Vorgesetzten handeln. Es kann sich aber auch um die Meldung einer Gefahr oder um Sicherheitsbedenken handeln. Unter Whistleblowing wird aufgrund der Neutralität der Begrifflichkeit auch der Missbrauch zum Beispiel in Form von Denunziation erfasst.14 Wird das Hinweisgeben demnach missbräuchlich ausgeübt, ist darunter unberechtigtes Whistleblowing zu verstehen. Der Begriff des Hinweisgebers ist synonym zum Begriff des Whistleblowers zu verstehen. Des Weiteren wird im Folgenden zwischen internem und externem Whistleblowing unterschieden. Internes Whistleblowing ist die Meldung gegenüber einer Stelle, die in dieselbe Organisation wie der Whistleblower eingebunden ist.15 Externes Whistleblowing meint eine Meldung an Außenstehende, etwa Aufsichtsbehörden, die Staatsanwaltschaft oder die Presse.16 Whistleblower können sowohl Arbeitnehmer als auch Beamte sein, die aufgrund ihrer Tätigkeit in die Organisation eingebunden sind und sich in einem spezifischen Verhältnis zu dem Unternehmen oder Staat befinden, namentlich einem Arbeits- oder Dienstverhältnis. Nicht erfasst von den folgenden Betrachtungen sind Dritte, wie Lieferanten und Kunden, die nicht in die Organisation eingebunden sind. Whistleblowing – ein multidisziplinäres Thema Whistleblowing ist keine rein rechtliche Thematik, sondern vielmehr ein multidisziplinäres Thema. Whistleblowing kann beispielsweise aus betriebswirtschaftlicher, soziologischer, ethischer und psychologischer Sicht betrachtet werden.17 Innerhalb der Rechtswissenschaft ist Whistleblowing ein
DGB für die Einführung einer gesetzlichen Regelung aus, DGB, Stellungnahme. Siehe dazu Kapitel Bestehende Regeln zum Whistleblowing, S. 59 ff. Abraham, ZRP 2012, 11 (11). 14 Unter Denunziation soll im Folgenden das Verbreiten falscher Tatsachen verstanden werden. 15 Thüsing/Forst, in: Thüsing, § 6 Whistleblowing, Rn 14. 16 Thüsing/Forst, in: Thüsing, § 6 Whistleblowing, Rn 14. 17 Siehe beispielhaft Heyes/Kapur, Journal of Law, Economics and Organziation 2009, 157; Briegel, Einrichtung und Ausgestaltung Whistleblowing-Systeme; Jensen, Journal of Business Ethics 1987, 321. 12 13
A. Whistleblowing als eine Frage von Macht, Geheimnis und Information …
25
transdisziplinäres Thema, denn Whistleblowing ist weder ein originär arbeitsrechtliches, noch ein ausschließlich beamtenrechtliches, strafrechtliches oder datenschutzrechtliches Thema. Im Folgenden sollen Forschungskontexte erläutert werden, die es erlauben, Whistleblowing umfassend zu betrachten und neben der Bedeutung, die das Whistleblowing für das Individuum selbst hat, auch die Wechselbeziehungen mit den Interessen anderer Individuen, sowie die Auswirkungen des Whistleblowings auf die Gesellschaft und den demokratischen Staat herauszuarbeiten. Die Forschungskontexte erlauben es, die verschiedenen rechtswissenschaftlichen Disziplinen gemeinsam zu betrachten. Aus der Betrachtung in diesen Forschungskontexten ergeben sich interdisziplinäre Schnittstellen, die einen entsprechenden Austausch ermöglichen. Dabei setzt sich die Arbeit nicht zum Ziel, vertieft auf die fachfremden Disziplinen einzugehen. Es sollen vielmehr Anknüpfungspunkte für andere Disziplinen geschaffen werden, sodass dort die Thematik weiterentwickelt werden kann. Im Folgenden werden die relevanten Forschungskontexte dargestellt. Whistleblowing als eine Frage von Macht, Geheimnis und Information Die Ausgangsthese für die Untersuchung des Whistleblowings bei Arbeitnehmern und Beamten ist, dass es beim Whistleblowing um Macht, Geheimnis und Information geht. Mit Hilfe dieser Forschungsthesen lassen sich Wechselbezüglichkeiten des Individuums darstellen und Whistleblowing umfassend betrachten. Bei der Einführung fachfremder Begriffe kann es zu einer Begriffsmigration in das Recht kommen, sodass im Folgenden die Begriffe vor ihrem multidisziplinären Hintergrund knapp erläutert und auf ihre Anschlussfähigkeit überprüft werden müssen.18 I.
Begrifflichkeit der Macht
Unter der Begrifflichkeit der Macht werden in der folgenden Untersuchung die spezifischen Verhältnisse zwischen Arbeitnehmer und Vorgesetztem beziehungsweise zwischen Beamten und Dienstherrn betrachtet werden. Hierzu bedarf es zunächst einer Erläuterung, was unter der Begrifflichkeit der Macht verstanden wird und in welchen Kontexten die Begrifflichkeit verwendet wird. Eine allgemeingültige und abschließende Definition für den Begriff Macht existiert nicht, obgleich es zahlreiche Theorien gibt, die sich mit Macht beschäftigen und den Versuch einer Definition wagen. Eine Annäherung an den Begriff Macht und zugleich eine mögliche Klassifizierung verschiedener Dimensionen von Macht kann durch die etymologische Bedeutung erreicht werden. Macht stammt vom alt- und mittelhochdeutschen Wort „maht“ ab, das sich wiederum vom gotischen „magan“ herleitet, welches „machen“ oder „können“ bedeutet.19. In der französischen Sprache spiegelt sich diese Bedeutung wider in der Bezeichnung für die Macht, „le pouvoir“ und dem Verb „pouvoir“, was können bedeutet. Dem „machen“ und „können“ entspricht in der englischen Sprache das „power to“, dem von
18
Siehe zur Begriffsmigration im öffentlichen Recht Kaiser, DVBl 2014, 1102 (1108). Für die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen im Allgemeinen siehe Reimer, Methodenlehre, S. 38; Röhl, Grundlagen der Methodenlehre II, Rn 57 ff. 19 Zimmerling, in: Heun u.a., Evangelisches Staatslexikon, Macht, S. 1473. Kant spricht in Die Metaphysik der Sitten, S. 210, in Bezug auf den Staat von Macht (potentia).
26
Kapitel 1: Einführung
einigen Politikwissenschaftlern in ihrem Versuch Macht zu untergliedern, das „power over“ daneben gestellt wird.20 In dieser Untergliederung spiegeln sich zwei Dimensionen der Macht wider. Zum einen die Macht etwas zu tun, zum anderen die Macht, die über etwas beziehungsweise jemand ausgeübt werden kann. Auch beim Whistleblowing kann sich Macht in diesen Dimensionen manifestieren. Der Whistleblower kann sich entschließen, den Hinweis zu geben. Allerdings kann dieses Können aufgrund der Angst vor Sanktionen wieder eingeschränkt sein. Die Angst vor Sanktionen beschränkt den Hinweisgeber in seinem freien Handeln. Machtbegriff nach Max Weber Eine namhafte Machtdefinition stammt von dem Soziologen Max Weber, der unter Macht die „Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“, versteht.21 In dieser Definition kommen verschiedene Aspekte von Macht zum Ausdruck, und es werden diverse Dimensionen der Macht zusammengeführt. „Innerhalb einer sozialen Beziehung“ weist daraufhin, dass Macht sich im Bereich des Zwischenmenschlichen manifestiert und dazu mindestens zwei Personen nötig sind. „Den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen“ zeigt, dass Macht nicht ausschließlich beim Brechen von Widerständen ausgeübt wird, sondern auch eine konsensuale Ausübung möglich ist. In der Wortverwendung der „Chance“ findet sich das auch in der etymologischen Bedeutung von Macht zum Ausdruck kommende „können“ wieder.22 Macht wird hier weder als etwas Gutes noch etwas Böses definiert. Die Definition von Weber ist offen, er selbst bezeichnet die Macht als „soziologisch amorph“.23 Die Definition lässt sich auf verschiedene Aspekte des Whistleblowings übertragen. Die Manifestation im Zwischenmenschlichen findet in den Arbeits- und Dienstverhältnissen statt. Nach dem Idealbild regeln die Rechte und Pflichten im Arbeits- und Dienstverhältnis das Verhalten der Beteiligten. In Bezug auf das Whistleblowing sind diese unzureichend gefasst. Neben den rechtlichen Rechten und Pflichten kommt das Verhalten jedes Einzelnen hinzu, welches ebenfalls das Machtverhältnis prägt. Dieses Verhalten kann irrational sein, aus unterschiedlichen Motiven erfolgen, zwischenmenschliche Sanktionen produzieren und dem gesetzlich vorgesehenen Verhalten widersprechen oder damit übereinstimmen. Diese „menschlichen Faktoren“ sind beim Whistleblowing nicht zu vernachlässigen und bilden eine Herausforderung für die gesetzliche Regelung, aber auch für die Frage, wann Whistleblowing erfolgen darf. Whistleblowing widerspricht nicht stets dem Willen des Anderen, es kann auch konsensual geschehen. Allerdings sind die Fälle des konsensualen Hinweisgebens, das vornehmlich dann geschieht, wenn intern ein Hinweis gegeben wird, regelmäßig unproblematisch. Die Schwierigkeit besteht darin, für die Fälle, in denen Whistleblowing gegen den Willen einer oder mehrerer Personen erfolgt, eine ausgleichende Lösung zu finden.
20
Siehe hierzu Pansardi, Journal of Political Power 2012, 73. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 28. 22 Siehe zu den Aspekten Anter, Theorien der Macht, S. 55 f. 23 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 28 f. 21
A. Whistleblowing als eine Frage von Macht, Geheimnis und Information …
27
Akteurs- und interessenbasierte Konzeptionen von Macht Machttheorien lassen sich unterteilen in akteurs- und interessenbasierte Konzeptionen von Macht und Auffassungen, die sich vom Subjekt als Bezugspunkt der Macht lösen.24 Durch diese Unterteilung ergeben sich weitere Dimensionen von Macht. Macht kann sich zum einen im Verhältnis Bürger-Staat herausbilden, wobei damit die Fragen verknüpft sind, aus welchen Gründen der Macht Folge geleistet wird und woraus sich Macht legitimiert.25 Der Staat selbst ist über Machtprozesse strukturiert. Wenn sich die Macht institutionell verfestigt, bilden sich Hierarchien heraus.26 Der Soziologe Heinrich Popitz schlägt daher eine Loslösung der Macht von bestimmten Personen fest und ersetzt diese durch eine Bindung an bestimmte Funktionen.27 Im demokratischen Staatssystem bestehen Mechanismen, um eine Machtbündelung zu verhindern. Das Prinzip der Gewaltenteilung und seine verfassungsrechtliche und institutionalisierte Ausgestaltung dienen der Machtbegrenzung. Eine Machtbündelung auf wenige Personen oder Institutionen soll verhindert werden.28 Im Gewaltmonopol des Staates drückt sich eine Verteilung der Macht und eine Bündelung der physischen Gewalt beim Staat aus.29 Trotz der Gewaltenteilung und der staatlichen Strukturen wird zum Teil angenommen, dass in der Verwaltung eine Machtkonzentration besteht. Hier wird
an
politischen
Entscheidungen
mitgearbeitet
und
die
gewonnenen
Entscheidungen
beziehungsweise Gesetze vollzogen.30 Ein steter Wechsel findet vermehrt in den höheren Hierarchieebenen statt, während das Personal der unteren Ebenen und abseits der politischen Posten kaum wechselt, was auch mit dem Lebenszeitprinzip der Beamten zusammenhängt.31 Betrachtet man die Tätigkeit der Verwaltung, wie es auch im Fall des Whistleblowings bei Beamten notwendig ist, betrachtet man zugleich auch das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Der Beamte steht in einem spezifischen
Verhältnis
zum
Staat.
Das
Beamtenverhältnis
ist
ein
spezifisches,
subordinationsrechtliches Machtverhältnis, das durch die Einordnung des Beamten in die Hierarchie der
24
Zu dieser Unterscheidung siehe Zimmerling, in: Heun u.a., Evangelisches Staatslexikon, Macht, S. 1480. Vom Subjekt gelöste Betrachtungen finden sich zum Beispiel im kommunukativen Handlungsmodell von Hannah Arendt, die darunter die auf Kommunikation basierende Ermächtigung zum kollektiven Handeln versteht, Arendt, Macht und Gewalt, S. 45; nach dem systemtheoretischen Machtbegriff nach Niklas Luhmann wird Macht als soziale Beziehung begriffen, in der Handlungsspielräume bestehen. Macht ist dabei ein Kommunikationsmedium, dessen Funktion die Reduktion der Komplexität ist; Luhmann, Soziologische Aufklärung, S. 117; für Luhmann besteht die Gesellschaft, entsprechend seiner Systemtheorie, aus Kommunikationen und die Macht stellt darin einen Code dar, mit dem Kommunikationen gesteuert werden, also ein „symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium“, siehe Luhmann, Macht im System, S. 4 ff.; siehe hierzu auch Anter, Theorien der Macht, S. 121 ff. 25 Thomas Hobbes führt in seinem Werk Leviathan aus, dass der Mensch sich dem ‹Leviathan› nur deshalb unterwerfe, weil er dafür im Gegenzug vom Staat Sicherheit für Leib und Leben bekäme, Hobbes, Leviathan. 26 Anter, Theorien der Macht, S. 83. 27 Popitz, Phänomene der Macht, S. 233; siehe auch Anter, Theorien der Macht, S. 84. 28 Siehe hierzu auch Anter, Theorien der Macht, S. 41; zum Prinzip der Gewaltenteilung schon Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 127 ff.; Böckenförde, in: Gosepath/Lohmann, Philosophie der Menschenrechte, S. 233 (242). 29 Anter, Theorien der Macht, S. 70. 30 Anter, Theorien der Macht, S. 73. 31 Siehe auch Anter, Theorien der Macht, S. 73; auf seine Zeit bezogen Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 126: „Herrschaft ist im Alltag primär: Verwaltung.“
28
Kapitel 1: Einführung
Verwaltung und einer Treuepflicht gegenüber dem Dienstherrn geprägt ist. Im Amt institutionalisiert sich die Macht. Das Amt bildet die kleinste Einheit in der staatlichen Organisation. 32 Der Beamte ist dabei in seinem Amt nicht Bürger, sondern Teil des Staates. Diese besondere Stellung des Beamten hat auch auf das Whistleblowing Auswirkung. Zum
anderen
besteht
Macht
zwischen
Privaten.
Das
Arbeitsverhältnis
ist
ein
Über-
Unterordnungsverhältnis, in dem eine Machtasymmetrie besteht. Der Arbeitnehmer gliedert sich in die Arbeitsorganisation ein, ist dort weisungsgebunden und persönlich abhängig.33 Festzuhalten ist, dass in allen Organisationen, sowohl im Unternehmen als auch in der Verwaltung, Machtverhältnisse existieren. Unterschieden wird dabei zwischen dem Innenbereich der Organisation und dem Handeln nach außen.34 Nach außen muss die Organisation den Anschein einer mächtigen Spitze wahren.35 Die Macht im Arbeitsverhältnis beziehungsweise in der Verwaltung führt zu einer Entlastung des Einzelnen. Verantwortung wird übertragen, Entscheidungen werden beschleunigt und erleichtert. Die klar definierten Rollen bieten Sicherheit und Orientierung und gewährleisten die Funktionsfähigkeit der Organisation. Konnotationen von Macht Die Bedeutung des Begriffsinhalts wandelt sich je nach Kontext und Autor. Der Begriff Macht ist häufig negativ konnotiert,36 mit Machtmissbrauch37 oder einem Trieb zur Macht38 verbunden. Diese negative Ausprägung der Macht zeigt sich beim Whistleblowing dann, wenn es zu Machtkollusionen kommt und mehrere schädlich zusammenwirken, um beispielsweise einen Missstand zu vertuschen. Sanktionierung für Whistleblowing erfolgt nicht nur in den rechtlich vorgesehenen Sanktionen, sondern auch durch Verhalten wie Mobbing und Ausgrenzung. Die negativen Konnotationen sollen im Folgenden keine Rolle spielen. Stattdessen wird eine neutrale, funktionalistische Verwendung des Begriffs bevorzugt.39 Macht soll im Rahmen der Untersuchung neutral aufgefasst werden. Sie soll der Umschreibung der spezifischen Verhältnisse zwischen den Beteiligten dienen. Es zeigt sich, dass in jeder Beziehung, in jeder Organisation, Machtverhältnisse 32
Isensee, ZBR 2004, 3 (3). Siehe hierzu Beispiele aus der Rechtsprechung des BAG und des BGH, BAG, Urteil vom 19.11.1997 - 5 AZR 653/96, NZA 1998, 364; BGH Beschluss vom 21.10.1998 - VIII ZB 54/97, NZA 1999, 110. 34 So Anter, Theorien der Macht, S. 129. 35 Anter, Theorien der Macht, S. 130. 36 So z.B. Friedrich Nietzsche in seinen jungen Jahren, siehe Nietzsche, Der griechische Staat, S. 278; siehe hierzu auch Anter, Theorien der Macht, S. 35. 37 Zimmerling, in: Heun u.a., Evangelisches Staatslexikon, Macht, S. 1484. 38 Sigmund Freud zählte die Macht zu den Partialtrieben und fasste die Macht als negativ auf; Freud, Jenseits des Lustprinzips, S. 31. 39 Vgl. Schmitt, Gespräche über die Macht, S. 33, der sagt: „Die Macht ist an sich weder gut noch böse; sie ist an sich neutral; sie ist das, was der Mensch aus ihr macht […].“ An dieser Stelle sei angemerkt, dass Carl Schmitts Werk vor seiner Rolle als „Kronjurist des Dritten Reiches“ zu sehen ist, der unter anderem den Röhm-Putsch durch die Führer-Ordnung zu rechtfertigen wusste, siehe zur Biographie Mehring, Kriegstechniker des Begriffs. Hobbes betrachtet Macht als Grundlage für eine gesicherte Existenz, Hobbes, Leviathan; siehe auch Anter, Theorien der Macht, S. 28. Funktionalistische Betrachtungen stellen Simmel und Luhmann an, letzterer schreibt ihr eine Entlastungsfunktion zu, Simmel, Soziologie, S. 171; Luhmann, Macht im System, S. 51. 33
A. Whistleblowing als eine Frage von Macht, Geheimnis und Information …
29
existieren; dies gilt auch im Arbeits- und Beamtenverhältnis. Das Arbeits- beziehungsweise Beamtenverhältnis ist in eine größere Organisation eingebunden, dem Unternehmen beziehungsweise der Verwaltung. Durch die Rechte und Pflichten, die den jeweiligen Verhältnissen immanent sind, lässt sich auch die Entlastungsfunktion der Macht erkennen. Jede Person sollte aufgrund der Rechte und Pflichten wissen, wie sie sich zu verhalten hat und Orientierung anhand der Rechte und Pflichten gewinnen. In Bezug auf das Whistleblowing zeigt sich, dass die allgemein gefassten Rechte und Pflichten es gerade nicht ermöglichen, zu erkennen, wie man sich als Hinweisgeber zu verhalten hat. Diesen Umstand gilt es durch eine spezielle gesetzliche Regelung des Whistleblowings zu beseitigen. Whistleblowing und Macht Whistleblowing meint einerseits die Weitergabe von Informationen innerhalb der Organisation. Whistleblowing kann andererseits auch extern stattfinden, sodass die Informationen den Kreis der Organisation verlassen und nach außen gelangen. In einem solchen Fall kann das interne Wissen zum Wissen der Öffentlichkeit werden und Macht bedrohend sein. Eine Meldung über Missstände im Betrieb kann Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten, die nach außen gelangen und von der Konkurrenz genutzt werden können. Oder eine Missstandsmeldung stellt sich im Nachhinein als falsch heraus, doch die Reputation des Unternehmens ist bereits beschädigt. Das nach außen kommunizierte Machtprestige der Spitze einer Organisation kann durch Whistleblowing verletzt werden. Whistleblowing kann also zum Machtverlust führen. Gleichzeitig stellt Whistleblowing ein effektives Mittel gegen Machtkollusionen dar. Wenn die Macht missbraucht wird und die Machtinhaber zur Entstehung eines Missstandes beitragen, dann kann der Whistleblower auf diesen Missbrauch aufmerksam machen. So gelangen auch Missstände, die durch die Verursacher vertuscht werden sollen, an die Öffentlichkeit. Alleine die Vergegenwärtigung der Whistleblowing-Kanäle in einem vom Unternehmen eingerichteten Hinweisgebersystem kann dazu führen, dass aus Angst vor Aufdeckung von einem Missbrauch abgesehen wird. Auch der Whistleblower übt Macht aus, indem er durch seine Meldung Druck zum Zwecke der Missstandsbeseitigung auf die Organisation und andere Verantwortliche ausübt.40 Mithin kann allgemein davon gesprochen werden, dass Whistleblowing ein Instrument zum Machtausgleich in der Machtasymmetrie des Arbeits- beziehungsweise Dienstverhältnisses darstellt. Freilich kann dieses Instrument missbraucht werden, um eigene Vorteile zu erlangen, andere zu diffamieren oder zu schädigen. Über den Whistleblower selbst wird Macht ausgeübt, indem dieser entweder für das Hinweisgeben sanktioniert wird41 oder aus Angst vor Sanktionen von der Hinweisgebung absieht.
40 41
Siehe hierzu Herold, Whistleblower, S. 134 f. Die Sozialpsychologen John French und Bertram Raven unterscheiden fünf Kategorien von Macht: legitimierte Macht, Macht durch Sanktionierung, Macht durch Belohnung, Macht durch Wissen und Macht durch Identifikation, siehe French/Raven, in: Cartwright, S. 262 ff. Im Folgenden wird auch die Machtausübung in Form der Sanktionierung aufgegriffen werden. Für das Whistleblowing von Relevanz ist zudem die Macht durch Belohnung, wenn beispielsweise finanzielle Anreize geschaffen werden, um Missstandsmeldungen zu befördern. Es ist allerdings umstritten, ob auch in der Belohnung für Wohlverhalten eine Machtausübung zu sehen ist, siehe Zimmerling, in: Heun u.a., Evangelisches Staatslexikon, Macht, S. 1479.
30 II.
Kapitel 1: Einführung Begrifflichkeit des Geheimnisses
Ein weiterer Forschungskontext, der für das Whistleblowing fruchtbar gemacht werden kann, ist der Forschungskontext des Geheimnisses. Zwischen dem Phänomen der Macht und dem Phänomen des Geheimnisses bestehen Zusammenhänge. „Das Geheimnis kann einmal Ursache, einmal Folge sein, besonders wenn das Machtgefühl und -bedürfnis die Voraussetzung sind. Der eine sucht Macht durch Geheimnisse zu erreichen, der andere sucht sich vor der Macht Dritter durch Geheimnisse zu schützen.“42 Die Arkanisierung kann also zum einen der Machterlangung beziehungsweise Machterhaltung dienen. Zum anderen kann die Geheimhaltung aber auch dazu genutzt werden, sich vor der Macht anderer zu schützen. Diese Zusammenhänge werden in den folgenden Ausführungen deutlich werden. Das Geheimnis ist, im Gegensatz zur Macht, im Recht ein Begriff, der durch die ständige Rechtsprechung und durch den Gesetzgeber eine Definition erfahren hat.43 Im Recht findet sich der Begriff des Geheimnisses beispielsweise im Strafrecht in § 353b StGB und § 203 StGB, im Betriebsverfassungsrecht in § 79 BetrVG und § 102 BetrVG und im Verwaltungsrecht etwa in § 30 VwVfG. Zentral ist auch der Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses, der durch die Geschäftsgeheimnis-Richtlinie neu definiert wurde.44 Im Recht wird eine Unterscheidung getroffen zwischen
Staatsgeheimnissen
und
Privatgeheimnissen,
zu
denen
die
Betriebs-
und
Geschäftsgeheimnisse zählen.45 Diese Unterscheidung ist auch für die sich anschließende Untersuchung von Bedeutung. Während es bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen um die Frage geht, was zum Schutz des Unternehmens geheimgehalten werden muss, eröffnet sich bei Staatsgeheimnissen die Frage, was geheimgehalten werden muss, um den Staat zu schützen. § 93 I StGB definiert Staatsgeheimnisse als „Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheimgehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden.“ Hier wird der Zusammenhang zur Macht erkennbar, indem die Arkanisierung der Machterhaltung dient. Die Geheimhaltung von Staatsgeheimnissen berührt darüber hinaus die Frage nach der Vereinbarkeit der Geheimhaltung mit der Demokratie.46 Die staatliche Arkanisierung steht in einem Spannungsverhältnis zur Demokratie. Im demokratischen Staat besteht der Öffentlichkeitsgrundsatz, nach dem das staatliche Handeln für das Volk transparent und nachvollziehbar zu sein hat. Geheimhaltung steht dazu im
42
Schneickert, Geheimnis, S. 2. Somit ist ein Rückgriff auf in anderen Disziplinen gefasste Geheimnisbegriffe nicht notwendig. Der Begriff des Geheimnisses im Sinne eines absoluten Nichtwissens, das weder verstanden noch erforscht werden kann, wie dies zum Beispiel für transzendente aber auch Geheimnisse der Natur der Fall sein soll, hat für das Recht keine Relevanz, Düwel, Amtsgeheimnis, S. 28. 44 RL 2016/943/EU; siehe hierzu ausführlich das Kapitel Tatbestandsmerkmale der EUGeschäftsgeheimnisrichtlinie, S. 87 ff. 45 Schneickert, Geheimnis, S. 8. 46 Rösch, Geheimhaltung, S. 74. Bei Privatgeheimnissen stellt sich diese Frage nicht, problematisch ist hier, wenn der Staat in diese Geheimsphäre eindringt. 43
A. Whistleblowing als eine Frage von Macht, Geheimnis und Information … Widerspruch.47
Das
Bedürfnis
nach
staatlicher Geheimhaltung
ist
demnach
31 gegen
den
Öffentlichkeitsgrundsatz auszutarieren. Das Bedürfnis nach Geheimhaltung setzt sich in der Verwaltung fort. Der Soziologe Max Weber führte in Bezug auf die Macht des Beamtentums aus: „ […] das wichtigste Machtmittel des Beamtentums die Verwandlung des Dienstwissens in ein Geheimwissen durch den berüchtigten Begriff des „Dienstgeheimnisses“ […] letztlich lediglich ein Mittel, die Verwaltung gegen Kontrolle zu sichern“.48 In der pointierten Aussage findet sich der Kerngedanke wieder, dass eine Kontrolle der Verwaltung dann nicht mehr möglich ist, wenn sie sich durch Amtsverschwiegenheitspflichten abschottet. Eine Kontrolle der Exekutive ist aber im demokratischen Rechtsstaat notwendig. Gleichzeitig bedarf es der Amtsverschwiegenheitspflicht, um zu verhindern, dass Dienstwissen an die Öffentlichkeit gelangt und um die Funktionalität der Verwaltung und die Vertraulichkeit der Vorgänge in der Verwaltung zu sichern. Aufgrund der Amtsverschwiegenheitspflicht kann es aber auch dazu kommen, dass Missstände nicht nach außen kommuniziert werden können und damit der Kontrolle entzogen sind. Auch wenn es beim Whistleblowing vordergründig um die Frage geht, ob der Hinweisgeber Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
durch
die
Missstandsmeldung
verrät
und
dadurch
gegen
seine
Verschwiegenheitspflicht verstößt, beziehungsweise als Beamter gegen strafrechtliche Vorschriften zum Staatsgeheimnissschutz und die Amtsverschwiegenheitspflicht verstößt, müssen diese Zusammenhänge und Implikationen bei der Untersuchung mitgedacht werden. Bislang wurde der Zusammenhang zum Forschungskontext der Macht hergestellt, indem aufgezeigt wurde, dass die Arkanisierung der Machterhaltung dient. Die Geheimhaltung kann auch dazu dienen, sich vor der Machtausübung anderer zu schützen, was sich beim Whistleblowing dann offenbart, wenn der Whistleblower seine Identität geheim hält, um Sanktionen zu entgehen. In den vorangegangenen Betrachtungen zur Begrifflichkeit der Macht wurde deutlich, dass mit dem Arbeits- beziehungsweise Beamtenverhältnis spezifische Machtkonstellationen bestehen. In diesen Konstellationen kommt es zur Bildung von Geheimsphären.49 Der Geheimnisschutz im Unternehmen wie in der Verwaltung wird vor allem durch (Amts-)Verschwiegenheitspflichten und strafrechtliche Vorschriften abgesichert. Whistleblowing kann diese Geheimsphären durchbrechen, insbesondere wenn die Geheimnisse aus der Organisation nach außen getragen werden. Miteinher geht dabei stets das Risiko, gegen die Vorschriften, die den Geheimnisschutz gewährleisten, zu verstoßen und dafür sanktioniert zu werden.
47
Dieser Widerspruch ist jedoch eine Entwicklung der Neuzeit und entstand mit der Herausbildung der Demokratie. Im 18. Jahrhundert war staatliches Handeln weitgehend arkanisiert und Entscheidungen wurden in Fürstentümern im Rahmen des sogenannten „Geheimen Rates“ getroffen, in dem nur ausgewählte, vertraute Personen des Fürsten zugegen waren. Gleichwohl bildete sich ab Mitte des 17. Jahrhunderts bereits Widerstand gegen die staatliche Geheimhaltungspraxis heraus, siehe Westerbarkey, Geheimnis, S. 22, S. 160. 48 Weber, Parlament und Regierung, S. 56. 49 Solche Geheimsphären bestehen allgemein betrachtet zwischen Bürger und Staat, zwischen Privaten und auch zwischen Staatsgewalten, siehe Rösch, Geheimhaltung, S. 73.
32 III.
Kapitel 1: Einführung Begrifflichkeit der Information
„Niemand weiß, was Information ist.“50 Das Zitat von Thomas Hoeren fasst zusammen, was sich bei der näheren Betrachtung des Begriffs Information offenbart: Er ist äußerst vielschichtig und wird von den einzelnen Disziplinen unterschiedlich interpretiert. Der Begriff der Information ist Gegenstand verschiedener, heterogener Dogmen.51 Die Semiotik unterscheidet bei Informationen zwischen einer Zeichen- und einer Bedeutungsebene.52 Die Kybernetik zieht eine Analogie zwischen Organismen, die Informationen verarbeiten und der Technik, die Informationen verarbeitet.53 Der nachrichtentechnische Informationsbegriff stellt allein auf die Syntax, also die Form ab.54 In der Rechtswissenschaft existiert weder eine allgemeingültige noch eine für die Rechtswissenschaft allgemein gebräuchliche Definition.55 Für die Betriebs- und die Rechtswissenschaft komme es vornehmlich auf die Information als Basis für Entscheidungen an.56 Aus rechtswissenschaftlicher Sicht empfiehlt sich eine pragmatische, begriffsoffene Verwendungsweise.57 Für das Recht ist insbesondere die Wirkung von Information relevant. Die Information muss kontextualisiert betrachtet werden. Unterschieden wird hierbei zwischen Datum und Information insofern, als die Information als Datum verstanden wird, das in einen Kontext gesetzt wurde und Datum die codierte Zeichenfolge ist.58 Für die folgenden Untersuchungen ist der Begriff der Information in mehrerlei Hinsicht relevant. Zum einen handelt es sich bei der Meldung von Missständen um Informationen, bei denen sich die Frage stellt, ob und vor allem an wen diese Informationen weitergegeben werden dürfen. Manche Informationen unterliegen einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse, das einer Weitergabe entgegensteht.59 Das Stichwort Information dient auch dazu, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Offenbarung von Missständen aufzugreifen. Bei der Information der Öffentlichkeit kommt der Presse und den Medien eine wichtige Rolle zu. Für die Ebene des Datenschutzes ist die Information elementar. Datenschutz müsste richtigerweise als Informationsschutz bezeichnet werden, denn darum geht es: um den Schutz davor, dass Informationen über Personen verwendet werden.60 Die
50
Hoeren, JuS 2002, 947 (947). Janich, Information, S. 38 ff. Zech, Information als Schutzgegenstand, S. 25. Zur Semiotik Morris, Signs, Language and Behaviour; Capurro, Information, S. 218 ff.; Eco, Einführung in die Semiotik, S. 28 ff. 53 Wiener, Cybernetics; Norbert Wiener, der als Vater der Kybernetik bezeichnet werden kann, stellte fest: „Information ist Information, nicht Stoff oder Energie.“ [im Original: „Information is information, not matter or energy.“, siehe Wiener, Cybernetics, S. 132. 54 Zech, Information als Schutzgegenstand, S. 26; Spiecker genannt Döhmann, RW 2010, 247 (251). 55 Von Lewinski, Datenflut und Recht, S. 5, dort FN 1. 56 Steinmüller, Informationstechnologie und Gesellschaft, S. 190; S. 243 ff. 57 So Spiecker genannt Döhmann, RW 2010, 247 (254); siehe auch Druey, Information als Gegenstand des Rechts, S. 37. 58 Von Lewinski, Datenflut und Recht, S. 5, FN 1; so auch die BT-Drs. 11/3730, S. 28, wenn es dort heißt: „ein Datum wird erst durch seine Bedeutung für jemanden zur sinnvollen Nachricht – zur Information.“ Deutlich wird bei dieser Auffassung zudem, dass die semantische und die pragmatische Ebene verschwimmen. 59 Hier zeigt sich die Relevanz der pragmatischen Ebene, bei der es auf die Wirkung ankommt. 60 So von Lewinski, Matrix des Datenschutzes, S. 5; zur Unterscheidung von Information und Daten siehe auch Jendrian/Weinmann, DuD 2010, 108. Für den Datenschutz im Sinne eines Schutzes von Daten wäre also der Begriff des Schutzes der Datensicherheit treffender. 51 52
A. Whistleblowing als eine Frage von Macht, Geheimnis und Information …
33
datenschutzrechtlichen Regelungen zielen überwiegend auf den Schutz vor der Verwendung der Informationen ab.61 Beim Whistleblowing kommt der Datenschutz insbesondere im Rahmen von Hinweisgebersystemen zum Tragen, die regelmäßig im Rahmen von Compliance-Richtlinien eingeführt werden. Von Bedeutung ist auch, welche Informationen über den Whistleblower weitergegeben werden dürfen. Eine Kernfrage hierbei ist, ob die Identität des Whistleblowers geheimgehalten werden soll und ob anonymes Whistleblowing möglich gemacht werden soll. Anonymität schützt vor Sanktionen und Vergeltung, erleichtert aber auch die Denunziation. Schließlich stellt sich auch die Frage nach dem Informantenschutz. Zwischen Information und Wissen kann mit Hilfe eines Ansatzes der Organisationstheorie ein Zusammenhang hergestellt werden. Zur Veranschaulichung des Ansatzes wird dieser mithilfe einer Pyramide gezeichnet. Auf der untersten Ebene stehen die Zeichen. Werden diese mit einer Syntax verbunden, ergeben sich Daten. Werden die Daten mit Bedeutung aufgeladen, ergeben sich Informationen. Werden diese Informationen von einem Menschen aufgenommen und kontextualisiert, entsteht Wissen.62 Über das Wissen kann ein Zusammenhang zum Forschungskontext der Macht hergestellt werden. Macht wird (unter anderem) durch Wissen determiniert.63 Die Verwaltung beziehungsweise Bürokratie eines Staates stellt eine Organisationsform des Wissens dar.64 Machtausübung ist auf Wissen angewiesen. Der Arbeitgeber ist darauf angewiesen, Informationen von seinen Arbeitnehmern zu Vorkommnissen im Betrieb zu erhalten. In seiner Position bündelt sich Wissen. Es bildet die Grundlage, auf der er Entscheidungen fällen kann. Der Dienstherr ist ebenso darauf angewiesen, dass seine Beamten ihm Informationen zukommen lassen. Sowohl im Betrieb als auch in der Verwaltung geht es darum, wer informiert werden muss und informiert werden kann, wenn ein Missstand vorliegt. Wissen um den Missstand ist Voraussetzung für die Missstandsabhilfe. Zwischen Geheimnis und Information besteht der Zusammenhang darin, dass es bei einem Geheimnis um „vorenthaltene Information“65 geht. Die Information kann somit Bezugspunkt eines Geheimnisses sein.66 Denknotwendig ist kein Geheimnis gegeben, wenn die Information offenkundig ist.67 Beim Whistleblowing geht es darum, welche Informationen weitergegeben werden können, an wen diese Informationen weitergegeben werden dürfen, wie diese Informationen vor dem Zugriff anderer geschützt werden müssen und welche Informationen geheim gehalten werden müssen.
61
Von Lewinski, Matrix des Datenschutzes, S. 5. Schrader, Wissen im Recht, S. 7 f. 63 Wissen kann verstanden werden als „organisierte und systematisierte Informationsmenge, welche Verstehensund Interpretationsvorgänge erlaubt“, siehe Welsch, Arbeiten in der Informationsgesellschaft, S. 11. Nach Foucault ist die Macht losgelöst von Herrschaftssystemen und Institutionen als Vielfältigkeit von Kräfteverhältnissen zu verstehen und die Macht an Wissen gebunden, siehe Foucault, in: Hauptwerke, Wille zum Wissen, S. 1092 ff.; siehe auch ders., in: Hauptwerke, Überwachen und Strafen, S. 730. 64 Anter, Theorien der Macht, S. 70. 65 Rösch, Geheimhaltung, S. 23. 66 Schmidt, Gutachten, in: Verhandlungen des 36. Deutschen Juristentages, Bd 1, 101 (121f.); Wolf, Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, S. 34. 67 Rösch, Geheimhaltung, S. 30 und weitere Nachweise und Ausführungen im Kapitel Offenkundigkeit, S. 83. 62
34
Kapitel 1: Einführung
Somit zeigt sich, dass Whistleblowing auf verschiedenen Ebenen in die Forschungskontexte Macht, Geheimnis und Information eingebettet ist und dass sich dadurch zahlreiche Implikationen und Zusammenhänge ergeben. Diese sind, wenn auch nicht gleichbedeutend, zu berücksichtigen und müssen bei der Schaffung einer gesetzlichen Regelung mitgedacht werden. Durch die Betrachtung des Whistleblowings aus der Perspektive der verschiedenen Forschungskontexte lässt sich ein umfassendes Bild des Whistleblowings gewinnen. Die zugrundeliegende Auffassung von Privatheit Die Forschungskontexte der Macht, des Geheimnisses und der Information fokussieren nicht primär auf das Individuum, sondern nehmen das Whistleblowing gesamtheitlich in den Blick. Für die Schaffung einer gesetzlichen Regelung, die Whistleblower schützt, lohnt es jedoch, auch die Situation des Individuums herausgestellt zu betrachten. Eine solche Betrachtung hindert nicht, über das Individuum hinausgehende Zusammenhänge herauszuarbeiten, sie ermöglicht aber eine Perspektive, die vorrangig vom Individuum ausgeht. Als Forschungskontext für eine solche Betrachtung bietet sich die Privatheit an.
I.
Fehlen einer Definition
Es existiert keine allgemeingültige oder juristische Definition von Privatheit. Oder wie Solove es treffend ausdrückt: „ Privacy […] is a concept in disarray. Nobody can articulate what it means. “68 Die Rechtswissenschaft kennt keine einheitliche Definition für Privatheit und der Begriff Privatheit ist dem deutschen Recht auch nicht inhärent. Gleichwohl findet er vermehrt Eingang in juristische Veröffentlichungen. Dies mag zum einen dem prominenten Privatheitsdiskurs im US-amerikanischen Recht geschuldet sein.69 Zum anderen ist der Bedeutungszuwachs auf europäische Einflüsse zurückzuführen, da mit Art. 7 GrCh ein Privatheitsschutz auf europäischer Ebene existiert. In der
68 69
Siehe Solove, Understanding Privacy, S. 1. Neue technische Entwicklungen riefen im 19. Jahrhundert eine Privatheitsdebatte in den USA hervor. Fotoapparate waren im 19. Jahrhundert bereits im Gebrauch, doch den Auslöser für die vertiefte Auseinandersetzung mit Privatheit bot die Entwicklung der „snap camera“ der Eastman Kodak Company aus dem Jahr 1884. Erstmals war mit ihr eine Kamera auf dem Markt gekommen, die zum einen leicht transportabel und zum anderen leicht erschwinglich war. Diese Möglichkeit der „instantenous photography“ nahmen die Anwälte Samuel Warren und Louis Brandeis in ihrem Artikel in der Harvard Law Review zum Anlass, um die Gefahren für die Privatheit, die von dieser Technik ausgingen, aufzuzeigen, Warren/Brandeis, Harvard Law Review 1890, 193; siehe zu der geschichtlichen und gesellschaftlichen Einbettung des Artikels Solove/Rotenberg/Schwartz, Privacy, Information and Technology, S. 9 ff.; Waren und Brandeis stützten ihre Privatheitskonzeption auf englisches Case law aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und bezogen sich selbst auch auf französisches Recht („vie privée“), so González Fuster, The Emergence of Personal Data Protection, S. 27 sowie Wacks, Privacy, S. 50. Ein Recht auf Privatheit fand schließlich nach und nach Eingang in die Rechtsordnungen einzelner Bundesstaaten. Es existiert darüber hinaus auch kein explizites Recht auf Privatheit in der „US-Constitution“. Einige der Verfassungen der Bundesstaaten enthalten allerdings eine „right to privacy“, beispielsweise Alaska und Kalifornien, siehe hierzu Solove/Rotenberg/Schwartz, Privacy, Information and Technology, S. 34. Aus einigen Amendments der Verfassung lässt sich ein Recht auf Schutz der Privatssphäre ableiten, siehe Solove/Rotenberg/Schwartz, Privacy, Information and Technology, S. 33. Im Jahr 1965 wurde in der Rechtsprechung des US Supreme Courts ein verfassungsrechtliches „right to privacy“ geschaffen. In der Entscheidung Grisworld v. Conneticut wurde dieses aus den „penumbra zones“ unter anderem der First Amendement rights, also durch eine extensive Interpretation des Bill of Rights angenommen, González Fuster, The Emergence of Personal Data Protection, S. 28; Wetzel-Sahm, in: Fitz/Harju, S. 187 (194).
B. Die zugrundeliegende Auffassung von Privatheit
35
juristischen Literatur wird Privatheit oftmals gleichgesetzt mit informationeller Selbstbestimmung.70 Es ist zutreffend, dass die informationelle Selbstbestimmung einen gewichtigen Anteil an der Privatheit ausmacht. Gleichwohl erschöpft sich die Privatheit nicht in diesem Recht, wie die im Folgenden vorgestellten Privatheitsdiskurse zeigen werden.
II.
Privatheit nach Helen Nissenbaum
Helen Nissenbaum entwarf ein kontextsensitives Privatheitskonzept, bei dem ein Privatheitsverstoß angenommen wird, wenn ein „inappropriate information flow“ vorliegt.71 Dabei ist stets der jeweilige Kontext zu beachten, anhand dessen sich feststellen lässt, ob ein Informationsfluss angemessen oder unangemessen ist.72 Als Kontexte nennt sie soziale Tätigkeitsfelder, wie Arbeit, Familie oder Religion, in denen Individuen soziale Praktiken ausüben und miteinander interagieren.73 In diesem Kontext versammeln sich gewisse Rollen, also typische Verhaltensweisen von Personen, bestimmte Aktivitäten, verhaltensleitende Normen und die Werte beziehungsweise Ziele, die dem jeweiligen Kontext zugrunde liegen.74 Gelangt eine Information an einen nicht intendierten Rezipientenkreis, liegt ein unangemessener Informationsfluss vor. Beim Whistleblowing wäre dann zum Beispiel der Kontext der sozialen Sphäre Arbeit gegeben, anhand dessen festzustellen ist, ob ein angemessener oder unangemessener Informationsfluss vorliegt. Problematisch an diesem Konzept ist, dass unklar ist, wie genau die Kontexte zu bestimmen sind. Es fehlt an Abgrenzungen und einer Lösung für den Fall, dass mehrere Kontexte einschlägig sind. Zudem ist die Feststellung von Privatheitsverstößen allein auf den Informationsfluss bezogen. Damit bleiben aber die dezisionalen Gesichtspunkte völlig außer Acht. Die Verhaltensanpassung des Subjekts, das sich nicht mehr frei verhält und nicht mehr frei handelt, wenn es die Befürchtung hat, überwacht zu werden, kann durch die Kontextualisierung nicht erfasst werden. Diese inneren Vorgänge, die bereits im Volkszählungsurteil des BVerfG anerkannt wurden,75 können allein durch die Bestimmung von angemessenen und unangemessenen Informationsflüssen nicht bestimmt werden. Ein unangemessener Informationsfluss kann erst dann vorliegen, wenn auch tatsächlich Daten über das Individuum gesammelt wurden. Für eine Verhaltensanpassung reicht aber schon die Ungewissheit oder die Befürchtung diesbezüglich aus. Essentiell für die Betrachtung des Whistleblowings ist, dass Whistleblower aus Angst vor Sanktionen vom Whistleblowing Abstand nehmen und sich bei mangelndem Schutz vor der Aufdeckung ihrer Identität fürchten. Diese Situation wird von Nissenbaums Ansatz nicht erfasst, sodass ihr Ansatz für die Betrachtung des Whistleblowings unzureichend ist. Als Erkenntnisgewinn lässt sich jedoch ableiten, dass bei der Bestimmung von Privatheitsverstößen auch die Umstände zu beachten sind. Die Kontextbezogenheit kann zudem helfen, zu verstehen, weshalb bestimmte Praktiken als Normenverstöße verstanden werden.
70
So z.B. Klement, JZ 2017, 161 (168); Amelung, Schutz der Privatheit, S. 45. Nissenbaum, Privacy in context, S. 127. Nissenbaum, Privacy in context, S. 129 ff. 73 Nissenbaum, Privacy in context, S. 130. 74 Nissenbaum, Privacy in context, S. 133 f. 75 BVerfGE 65, 1. 71 72
36
III.
Kapitel 1: Einführung
Privatheit nach Beate Rössler
Geeigneter zur Betrachtung von Privatheit beim Whistleblowing erscheint Beate Rösslers Ansatz, der die Privatheit in drei Dimensionen unterteilt.76 Rössler definiert Privatheit als etwas, zu dem man selbst den Zugang kontrollieren kann.77 Als dezisionale Privatheit wird der Anspruch bezeichnet, vor unerwünschtem Zutritt im Sinne von unerwünschtem Hineinreden, von Fremdbestimmtheit bei Entscheidungen und Handlungen geschützt zu sein.78 Die informationelle Dimension der Privatheit umschreibt den Anspruch, vor unerwünschtem Zugang im Sinne eines Eingriffs in persönliche Daten über sich selbst geschützt zu werden.79 Die lokale Dimension der Privatheit meint den Anspruch, vor dem Zutritt anderer in Räume oder Bereiche geschützt zu werden.80 Rössler Ansatz greift somit die informationelle Dimension der Privatheit, für die die informationelle Selbstbestimmung maßgeblich ist, auf. Daneben wird auch der dezisionale Aspekt der informationellen Selbstbestimmung, der davor schützen soll, dass, wer nicht mit Sicherheit weiß, wer was über ihn weiß, nicht frei entscheiden kann, durch ihre dezisionale Dimension der Privatheit erfasst. Rössler geht aber über diesen Schutzaspekt noch hinaus, in dem sie eine räumliche Dimension hinzufügt. Beim Whistleblowing sind regelmäßig die dezisionale und die informationelle Dimension dieses Privatheit-Begriffs betroffen. Im Machtverhältnis des Arbeits- beziehungsweise Dienstverhältnisses stellt sich die Frage, inwiefern Whistleblower in ihren Entscheidungen frei sind. Mit der aus Angst vor Sanktionen erzwungenen Entscheidung, vom Whistleblowing Abstand zu nehmen, wird die dezisionale Dimension der Privatheit angesprochen. Dem Informationsschutz zugrunde liegt die informationelle Dimension der Privatheit. Die Dimensionen von Rössler können dazu dienen, die Privatheit als individualistischen Wert zu umfassen. Anhand der Dimensionen lassen sich die Rechte der Individuen skizzieren und aufarbeiten. Gleichwohl ist Privatheit mehr als ein individualistisches Recht oder ein individualistischer Wert.81 Der Privatheit kommt auch eine überindividuelle Komponente zu, die jedoch erst nach und nach Eingang in die Privatheitsforschung fand.82 Während in Deutschland bereits im Jahr 1983 das BVerfG in seinem Volkszählungsurteil eine überindividuelle Komponente erkannte,83 musste sich in der US-Forschung diese Betrachtungsweise erst durchsetzen. Spiros Simitis leistete hierfür maßgebliche Beiträge.84 Priscilla M. Regan veröffentlichte 1995 ihr Werk „Legislating Privacy“, in dem sie argumentierte, dass die Privatheit nicht nur von Wert für das Individuum sei, sondern auch für die Allgemeinheit im Ganzen.85 Regan zeigt auf, dass in der Privatheitsforschung lange Zeit eine individualistische
76
Rössler, Der Wert des Privaten. Rössler, Der Wert des Privaten, S. 23. 78 Rössler, Der Wert des Privaten, S. 25. 79 Rössler, Der Wert des Privaten. S. 25. 80 Rössler, Der Wert des Privaten, S. 25. 81 Dies klingt auch bei Rössler an, siehe Rössler, in: Seubert/Niesen, S. 41. 82 Vgl. zu der Entwicklung Regan, in: Rössler/Mokrosinska, S. 53. 83 Siehe hierzu ausführlich auch zu den bedeutenden Vorarbeiten in der Literatur das Kapitel Informationelle Privatheit, S. 268. 84 Siehe z.B. Simitis, University of Pennsylvania Law Review, 1987, 707 (709). 85 Regan, Legislating Privacy S. 212 ff. und Regan, in: Roessler/Mokrosinska. Wenngleich der Ansatz, Privatheit 77
B. Die zugrundeliegende Auffassung von Privatheit
37
Betrachtungsweise der Privatheit vorherrschte. So wurde im berühmten Aufsatz von Warren/Brandeis die Privatheit als „right to be let alone“ definiert.86 Diese individualistische Betrachtungsweise findet sich auch Jahrzehnte später beispielsweise in Allan Westins Werk wieder, in dem dieser Privatheit als das Recht des Individuums bezeichnete, Informationen über sich selbst zu kontrollieren.87
IV.
Der überindividuelle Wert der Privatheit
Heutzutage erfolgt vermehrt eine nicht allein individualistische Betrachtung von Privatheit. Dieser Ansatz setzte sich auch in der US-amerikanischen Privatheitsforschung durch. Daniel Solove geht davon aus, dass die Privatheit geringgeschätzt werde, wenn man sie allein aus individualistischer Perspektive betrachte.88 Er möchte den Wert der Privatheit danach beurteilen, welchen Beitrag die Privatheit für die Gesellschaft leistet.89 Paul M. Schwartz bezeichnet die (Informations-) Privatheit als konstitutives Element einer Demokratie.90 Es bestehen Analysen, inwieweit der EGMR in seinen Urteilen den sozialen Wert der Privatheit berücksichtigt.91 Die von Hughes vorgenommene Untersuchung der Privatheit schlägt vor, den sozialen Wert der Privatheit in die Interessenabwägung miteinzubeziehen und kritisch zu hinterfragen, ob Sanktionen in den jeweiligen Fällen erfolgen müssen, in denen die Demokratie durch den Privatheitsschutz gestärkt wird.92 Auch in Deutschland wird ein gesellschaftlicher Wert der Privatheit bejaht und ihr ein demokratietheoretischer Wert zugesprochen.93 Aus den Ausführungen lässt sich folgern, dass der Wert der Privatheit auch danach beurteilt werden soll, was der Schutz der Privatheit der Allgemeinheit bringt. In eine Interessenabwägung müssen also zum einen der Schutz der Privatheit aufgrund von Interessen, aber auch der Schutz der Privatheit aufgrund des Nutzens für die Allgemeinheit und die Demokratie miteinfließen. Damit verhält sich beispielsweise der Schutz der Privatheit gerade nicht (prinzipiell) konträr zu einem Schutz der Meinungsfreiheit. Denn ohne Privatheitsschutz wäre es nicht möglich, die verschiedenen Grundrechte wahrzunehmen. Spiros Simitis führte dazu in Anbetracht des Volkszählungsurteils aus: „Neither freedom of speech nor freedom of association nor freedom of assembly can be fully exercized as long as it remains uncertain whether, under what circumstances, and for what purposes, personal information is collected and processed. In view of these implications of automated data processing, considerations of privacy protection involve nicht allein als individualistischen Wert zu begreifen, beachtenswert ist, so ist die weitere Unterkategorisierung durch Regan problematisch. Regan unterteilt die Privatheit in einen „common value“, einen „public value“ sowie einen „collective value“ der Privatheit. Diese Kategorien bieten wenig Trennschärfe und sind für die hier durchgeführten Betrachtungen eher hinderlich. Die Kernaussage, die Regan tätigt, bleibt aber, dass die Privatheit nicht nur einen Wert für das Individuum oder für alle Individuen hat, sondern darüber hinaus auch für das demokratische System an sich. Regan fasst diese Erkenntnis unter den „public value“ der Privatheit, Regan, Legislating Privacy S. 213. 86 Warren/Brandeis, Harvard Law Review, 1890. 87 Westin, Privacy and freedom, S. 7; siehe zu dieser Entwicklung Regan, in: Rössler/Mokrosinska, S. 53. Der Aspekt der Zugangskontrolle findet sich auch in Rösslers Werk „Wert der Privatheit“ wieder. 88 Solove, Understanding Privacy, S. 89. 89 Solove, Understanding Privacy, S. 91. 90 Schwartz, Vanderbilt Law Review, 1609 (1613). 91 Hughes, in: Rössler/Mokrosinska, S. 231. 92 Hughes, in: Rössler/Mokrosinska, S. 240. 93 Seubert, DuD 2012, 100 (101).
38
Kapitel 1: Einführung
more than any one particular right: they determine the choice between a democratic and an authoritarian society.“94 So kann, wenn man der Unterteilung in die Dimensionen der Privatheit nach Rössler folgt, die dezisionale Dimension der Privatheit zum einen deshalb schützenswert sein, weil sie die Entscheidungsfreiheit des Individuums ermöglicht, aber auch, weil ein freies Entscheidungsklima fern von Zwang essentiell für die Demokratie ist. Dasselbe gilt für die informationelle Dimension der Privatheit, die nicht nur allein dadurch schützenswert ist, weil sie das Individuum dazu befähigt, den Zugang zu den eigenen Daten zu kontrollieren, sondern auch, weil eine Datensammlung und daraus folgende mögliche Überwachung auch die Demokratie gefährden können. Letztendlich erscheint Beate Rösslers Ansatz am gewinnbringendsten, um das Thema Whistleblowing unter Privatheitsgesichtspunkten vollumfänglich zu erfassen. Somit wird im Folgenden sowohl die Perspektive der dezisionalen als auch der informationellen Dimension der Privatheit berücksichtigt, um das Whistleblowing bei Arbeitnehmern und Beamten näher zu untersuchen. Dabei sollen auch die Theorien Berücksichtigung finden, die in der Privatheit mehr als einen bloßen Wert für das Individuum erkennen.
Forschungsstand, Ziel und Gang der Untersuchung Whistleblowing ist eine sehr aktuelle Thematik, die vielfältige rechtliche Bereiche berührt. Einige Bereiche, wie der Geheimnisschutz und das Datenschutzrecht, haben in jüngster Zeit mit dem GeschGehG, der DSGVO und der Neuregelung des BDSG tiefgreifende Veränderungen erfahren, die auch Auswirkungen auf das Whistleblowing zeitigen. Diese aktuellen Entwicklungen werden im Folgenden eingehend behandelt. Zwar war die Thematik des Whistleblowings bereits Gegenstand mehrerer Dissertationsvorhaben. Dennoch besteht für diese Thematik weiterhin Forschungsbedarf. Whistleblowing wurde bislang in Dissertationen und Veröffentlichungen vornehmlich unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten untersucht.95 Die strafrechtliche Seite des Whistleblowings war ebenfalls bereits mehrfach Gegenstand von Dissertationsvorhaben.96 Vereinzelt wurde Whistleblowing auch unter gesellschaftsrechtlichen Aspekten behandelt.97 Weitere Veröffentlichungen ergingen auch zu Spezialthemen98 sowie als rechtsvergleichende Arbeiten.99 Wenig Beachtung fand bislang die
94
Simitis, University of Pennsylvania Law Review, 1987, 707 (734). Berthold, Whistleblowing; Becker, Whistleblowing; Kanzenbach, Implementierung und Ausgestaltung eines „BEST-PRACTICE“ Hinweisgeber- und Whistleblower-Systems unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten; Schulz, Ethikrichtlinien und Whistleblowing; Simonet, Die Implementierung interner Whistleblowingsysteme im Rahmen der Corporate Governance; Kreis, Whistleblowing. 96 Lutterbach, Die strafrechtliche Würdigung des Whistleblowings; Soppa, Strafbarkeit des Whistleblowers; Schenkel, Strafbarkeit wegen Geheimnisverrat. 97 So z.B. Sänger, Whistleblowing in der börsennotierten Aktiengesellschaft. 98 Ledergerber, Whistleblowing unter dem Aspekt der Korruptionsbekämpfung; Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft. 99 Graser, Whistleblowing; Hartung, Geheimnisschutz und Whistleblowing; Düsel, Gespaltene Loyalität; Imbach Haumüller, Whistleblowing in der Schweiz und im internationalen Vergleich; Groneberg, Whistleblowing; Gerdemann, Transatlantic Whistleblowing. 95
C. Forschungsstand, Ziel und Gang der Untersuchung
39
datenschutzrechtliche Seite des Whistleblowings bei Dissertationen.100 Ebenso nahezu unbeachtet ist das Whistleblowing bei Beamten geblieben.101 Trotz der Aufmerksamkeit, die Whistleblowing in der wissenschaftlichen Literatur erfahren hat, besteht bis dato keine umfassende gesetzliche Regelung zum Whistleblowing in Deutschland. Eine Pflicht zur Schaffung einer gesetzlichen Regelung besteht zwar mittlerweile durch die umzusetzende Hinweisgeberrichtlinie (2019/1937), welche aber nur Regelungen zur Meldung von Unionsrechtsverstößen vorsieht. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, ein Modellgesetz für das Whistleblowing zu entwerfen, das nicht nur diese Richtlinie umsetzt, sondern auch die neusten Entwicklungen, die Auswirkungen auf das Whistleblowing zeitigen, berücksichtigt. Zudem werden von dem Gesetzesentwurf nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Beamte berücksichtigt. Deshalb werden beide Gruppen für die Untersuchung gegenübergestellt, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Die Untersuchung beschränkt sich aber nicht auf die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern beziehungsweise Beamten, sondern möchte eine umfassende Betrachtung vornehmen, indem auch Geheimnisschutzaspekte, sowie Informationsinteressen und der Informationsschutz miteinbezogen werden. Die Felder Macht, Geheimnis und Information ermöglichen eine umfassende Erschließung der Whistleblowingthematik, die in dieser Weise in der Fachliteratur noch nicht vorgenommen wurde. Letztlich wird durch die Betrachtung des Whistleblowings aus Sicht der Privatheitsforschung herausgestellt, welche Privatheitsaspekte Whistleblowing berührt. Dieser neue Blickwinkel auf das höchst vielschichtige Thema ermöglicht es, unabhängig von einer primären arbeitsrechtlichen,
beamtenrechtlichen,
strafrechtlichen,
geheimnisschutzrechtlichen
oder
datenschutzrechtlichen Herangehensweise, das Whistleblowing gesamtheitlich zu betrachten und Anknüpfungspunkte für andere wissenschaftliche Disziplinen außerhalb der Rechtswissenschaft zu schaffen.
100
Steigert, Datenschutz bei unternehmensinternen Whistleblowing-Systemen, die Whistleblowing vor Geltung der DSGVO untersuchte. 101 Hans, Whistleblowing; Niermann, Whistleblowing; Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, bezieht Beamte bei ihrer Untersuchung mit ein.
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen Interessenfeld beim Whistleblowing durch Arbeitnehmer In einem Arbeitnehmer kann angesichts von Missständen, die er beobachtet, oder von denen er Kenntnis erlangt, der Wunsch reifen, einen Hinweis zu geben. Die Motive für das Hinweisgeben können vielfältig sein. Es kann dem Whistleblower darum gehen, auf den Missstand aufmerksam zu machen und Abhilfe zu schaffen. Gleichwohl kann das Vorliegen eines Missstandes zum Anlass genommen werden, um Kollegen oder den Arbeitgeber selbst zu diskreditieren, Rachegefühle auszuleben, sich einen Vorteil zu verschaffen oder anderen Schaden zuzufügen. Die Art und Weise, wie und an wen der Hinweis gegeben wird, unterscheidet sich von Fall zu Fall. Während die einen sich an ihre Vorgesetzten, den Arbeitgeber, mit der Missstandsaufklärung betraute Personen im Unternehmen oder ein ggf. verfügbares Hinweisgebersystem wenden, suchen andere den Weg an die Öffentlichkeit, zur Staatsanwaltschaft, zu anderen Behörden oder zur Presse, oder machen den Missstand im Internet publik, beispielsweise auf Plattformen wie Wikileaks. Auf Seiten des Arbeitgebers besteht zum einen das Interesse, die Missstände, die den Hinweisen zu Grund liegen, zu beseitigen und Schäden vom Unternehmen abzuwenden. Zum anderen möchte der Arbeitgeber die Reputation des Unternehmens schützen, die durch das Bekanntwerden von Missständen in der Öffentlichkeit bedroht wird. Zudem möchte er verhindern, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offenbart werden. Ob sich der Whistleblower an eine interne oder eine externe Stelle wendet, wird sein Risiko, für das Whistleblowing sanktioniert zu werden, beeinflussen. Während interne Meldungen regelmäßig als unproblematisch aufgefasst werden, bergen externe Meldungen ein großes Sanktionsrisiko. Dies hängt mit dem Interesse des Arbeitgebers zusammen, dass Betriebsinterna nicht nach außen gelangen sollen. Veröffentlichungen über Missstände können den Ruf des Unternehmens irreparabel beschädigen und veröffentlichte Betriebsinterna können von der Konkurrenz genutzt werden. Insbesondere wenn sich der Whistleblower an die Presse wendet, oder den Missstand über Onlineplattformen wie Wikileaks publik macht, ist die Wahrscheinlichkeit für Reputationsschäden groß und gelangen Betriebsinterna an einen unbegrenzten Personenkreis. Gleichwohl kann es aus Sicht des Whistleblowers den einzig effektiven Weg darstellen, an die Öffentlichkeit zu gehen. In Fällen, in denen Bedenken des Whistleblowers im Unternehmen abgetan wurden, in denen ihm intern kein Gehör geschenkt wurde oder niemand auf seine Hinweise reagiert hat, bleibt dem Whistleblower nur der Weg an die Öffentlichkeit. Ebenso ist internes Whistleblowing dann aussichtslos, wenn die Stellen, an die sich der Whistleblower im Unternehmen wenden kann, selbst in den Missstand verstrickt sind. Die Reaktion des Arbeitgebers hängt wiederum häufig davon ab, ob die Missstandsmeldung erkennen lässt, dass es um die Abhilfe des Missstandes geht, oder ob es sich um eine Diffamierung oder um eine Profilierung in der Öffentlichkeit handelt. Whistleblowing weist eine weitere Bezugsebene auf, die sich außerhalb des Beschäftigungsverhältnisses eröffnet. An aufgedeckten Missständen kann ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestehen.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Sixt, Whistleblowing im Spannungsfeld von Macht, Geheimnis und Information, DuD-Fachbeiträge, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32552-7_2
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Arbeitnehmer
41
Dieses Interesse wird regelmäßig durch externes Whistleblowing, bei dem die staatlichen Stellen oder die Presse von Missständen unterrichtet werden, befriedigt. Mittelbar kann es erfüllt werden, indem internes Whistleblowing zur Information der Öffentlichkeit führt. Diese weitere Bezugsebene könnte insofern Einfluss auf das „Können und Dürfen“ im Beschäftigungsverhältnis nehmen, als bei einem öffentlichem Informationsinteresse Whistleblowing berechtigt erscheinen kann. Ein solches öffentliches Informationsinteresse wird insbesondere dann gegeben sein, wenn auch ein öffentliches Interesse an der Beseitigung des Missstandes besteht, beispielsweise weil die Allgemeinheit in ihrer Gesundheit gefährdet ist. Im Folgenden sollen die aufgezeigten Interessen an die Grundrechte rückangebunden werden, um so die Interessen in einen verfassungsrechtlichen Kontext zu setzen. Anschließend werden die auf einfachgesetzlicher Ebene bestehenden Rechte und Pflichten daraufhin untersucht, inwiefern sie einem Whistleblowing entgegenstehen oder dieses ermöglichen Hierbei erfolgt eine Anbindung an die nationalen Grundrechte des Grundgesetzes. Auf die Grundrechte der GrCh wird im Folgenden nur am Rande eingegangen, um aufzuzeigen, dass auch auf europäischer Ebene ein Grundrechtsschutz existiert. Dieser zeitigt, soweit ersichtlich, bislang aber keine Auswirkungen für die Beurteilung der Zulässigkeit des Whistleblowings nach nationalem Recht.102 Die Rechtsprechung des EGMR prägt hingegen die Rechtsprechung nationaler Gerichte im Bereich des Whistleblowings.103 Letztendlich kommt es zu einem Gleichlauf des Grundrechtsschutzes auf allen Ebenen, da die EMRK die GrCh nach Art. 52 III 1 GrCh in großem Maße prägt.104 Der Schutzbereich, den die EMRK vorgibt, ist für die GrCh maßgeblich. Ebenso richtet sich die Frage, ob ein Eingriff gegeben ist, nach den Maßstäben der EMRK und auch ob dieser gerechtfertigt werden kann.105.
I.
Wirkung der Grundrechte im Privatrechtsverhältnis
Grundrechte sind primär als Abwehrrechte gegenüber dem Staat konzipiert.106 Darin erschöpft sich jedoch ihre Funktion nicht.107 Zunächst wurde durch das BVerfG eine objektive Wertordnung der Grundrechte angenommen.108 Mittlerweile wird von einer objektiv-rechtlichen Funktion der Grundrechte gesprochen.109 Daneben verbürgen die Grundrechte auch Einrichtungen, sie fungieren also 102
So auch Redder, Verfassungsrechtlicher Schutz, S. 60. Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Europarechtliche Anforderungen an das Whistleblowing, S. 201 ff. Siehe hierzu ausführlich Jarass, Art. 52 GrCh, Rn. 56 ff. Durch Art. 6 III EUV sind die Grundrechte, wie sie in der EMRK und den Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen ergeben, allgemeine Grundsätze des Unionsrechts. 105 Schmitt, RdA 2017, 365 (368). 106 Das BVerfG spricht insofern von der „Sinnmitte“ der Grundrechte, BVerfGE 61, 82 (101). 107 Eine Erwähnung, dass den Grundrechten verschiedene Funktionen zukämen, die neben der Abwehrfunktion existierten, findet sich bereits in BVerfGE 6, 55 (71 f.). 108 BVerfGE 7, 198 (205); siehe zu dieser Entwicklung Hornung, Grundrechtsinnovationen, S. 240 ff. Die Annahme einer Wertordnung wurde bereits zuvor in der Literatur, unter anderem von Rudolf Smend vertreten, siehe Smend, in: Augsberg/Unger, S. 160 ff. sowie die Erläuterungen von Unger, in: Augsberg/Unger, S. 171 (174). Kritik wurde am Wertbegriff geübt, der als „unscharf“ und darüber hinaus „entbehrlich“ bezeichnet wird, siehe Müller/Christensen, Juristische Methodik, S. 70, Rn. 65, die sich im Übrigen auch gegen die Güterabwägung wenden; 109 Dies als Reaktion auf die Kritik in der Literatur am Wertbegriff, siehe hierzu Stern, DÖV 2010, 241 (243). 103 104
42
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
als Institutsgarantien beziehungsweise institutionelle Garantien, beispielsweise in Bezug auf das Beamtentum, Art. 33 V GG. Des Weiteren werden Anspruchs-, Schutz, Teilhabe-, Leistungs- und Verfahrensrechte garantiert.110 Nach Art. 1 III GG sind Grundrechtsverpflichtete die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.111 Insofern lässt sich eine Wirkung im Privatrechtsverhältnis nicht ohne weiteres annehmen. Dennoch forderte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in den 1950er Jahren eine unmittelbare Drittwirkung ein.112 Auch in der Literatur bestand die Ansicht, dass Grundrechte unmittelbar in Privatrechtsverhältnissen wirken würden.113 Demnach wirkten die Grundrechte direkt und waren dazu geeignet Privatrechtsnormen zu modifizieren oder gar neu zu schaffen.114 Die Grundrechtsnormen seien somit für Private verbindlich und man könne sich auf sie im Verhältnis Bürger-Bürger berufen.115 Gegen die unmittelbare Drittwirkung sprechen jedoch gewichtige Gründe, und dementsprechend wird überwiegend eine mittelbare Drittwirkung der Grundrechte angenommen.116 Zunächst spricht bereits der
Wortlaut
des
Art. 1 III GG
gegen
eine
unmittelbare
Drittwirkung,
indem
er
als
Grundrechtsgebundene die Staatsgewalten aufzählt. Aber auch die Systematik zeigt, dass eine unmittelbare Drittwirkung nur als Ausnahme in wenigen Grundrechten (Art. 9 III 2, Art. 20 IV, Art. 48 II GG) ausdrücklich vorgesehen ist, sodass, argumentum e contrario, die Grundrechte im Regelfall keine unmittelbare Drittwirkung entfalten. Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck gegen eine unmittelbare Drittwirkung; andernfalls würden nämlich Rechte, die gegen den Staat bestehen, in Pflichten gegenüber Privaten verkehrt, sodass es hier zu Freiheitsbeschränkungen käme.117 Als Einfallstore für die Grundrechte dienen die ausfüllungsfähigen und -bedürftigen Normen des Privatrechts, in der Regel also die Generalklauseln.118 Im Arbeitsrecht kommt dies insbesondere bei der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht nach § 241 II BGB, der Rücksichtnahmepflicht, zum Tragen.119
110
Sogenannter status positivus, siehe Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 III GG, Rn 15. Vgl. zur Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung Stern, Staatsrecht Bundesrepublik, Band III/1, S. 1509 ff. 112 BAGE 1, 185 (193 f.); BAGE 1, 258. Auch der BGH nahm eine unmittelbare Drittwirkung an, BGHZ 24, 72 (76f.); BGHZ 27, 284 (285). Die unmittelbare Drittwirkung wurde in der Entscheidung zum Weiterbeschäftigungsanspruch (BAGE 48, 122 (138f.)) aufgegeben, vgl. hierzu Graser, Whistleblowing, S. 111. 113 Stellvertretend Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, S. 12 ff.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 16 ff., der von unmittelbarer Drittwirkung jedoch nur sprechen will, wenn sich die Grundrechte gegen Privatrechtsubjekte richten, wie etwa bei Art. 9 III 2 GG oder wenn eine solche Konzeption der Grundrechtswirkung vertreten wird, vgl. S. 94. 114 Nipperdey, RdA 1950, 121 (124); Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, S. 17 ff. 115 Stern, Staatsrecht Bundesrepublik, Band III/1, S. 1539. 116 BVerfGE 7, 198 (205 ff.); BVerfGE 25, 256 (263); BVerfGE 30, 173 (188); BVerfGE 34, 269 (280); BVerfGE 42, 133 (139f.); BVerfGE 42, 143 (147f.); BVerfGE 54, 148 (151). 117 Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 III GG, Rn. 59. 118 Wendeling-Schröder, Autonomie, S. 103; Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 III GG, Rn. 65; Wiese, in: FS Otto, S. 621 (622); Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193 (195). 119 Hierzu unten ausführlich unter Rücksichtnahmepflicht als Pflicht des Arbeitnehmers, S. 56. 111
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Arbeitnehmer
43
Obgleich die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte die herrschende Meinung darstellt, besteht eine Diskussion bezüglich ihrer dogmatischen Grundlagen.120 Während einerseits eine Anknüpfung an den objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte vorgenommen wurde,121 wird andererseits eine Ableitung aus der Schutzpflichtendogmatik befürwortet.122 Festhalten lässt sich, dass von einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte ausgegangen werden kann, die über die ausfüllungsfähigen und -bedürftigen Normen ihre Wirkung entfalten. Im Folgenden soll daher auf die für das Whistleblowing einschlägigen Grundrechte eingegangen werden.
II.
Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 I 1 Alt. 1 GG, als Recht des Arbeitnehmers
Die Meinungsäußerungsfreiheit ist zwar wie jedes Grundrecht zunächst Abwehrrecht gegenüber dem Staat. Das BVerfG sah aber in der Meinungsäußerungsfreiheit schon im sogenannten „Lüth“-Urteil ein objektives Prinzip für die Gesamtrechtsordnung.123 Insofern kommt der Meinungsäußerungsfreiheit eine besondere Bedeutung zu. Hinweisgeben als Meinungsäußerung a) Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit Nach Art. 5 I 1 Alt. 1 GG ist jedermann berechtigt, seine Meinung frei zu äußern. In Bezug auf das Hinweisgeben stellt sich die Frage, ob darin eine Meinungsäußerung im Sinne von Art 5 I 1 Alt. 1 GG zu sehen ist. Auf den ersten Blick erscheint eine rein auf Tatsachen gestützte Whistleblower-Meldung keine von Art. 5 I 1 Alt. 1 GG geschützte Meinungsäußerung zu sein. Eine Meinung im Sinne von Art. 5 I 1 Alt. 1 GG zeichnet sich durch ein subjektives Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung aus.124 Tatsachenbehauptungen fallen hingegen
nach
der
Rechtsprechung
des
BVerfG
nur
in
den
Schutzbereich
der
Meinungsäußerungsfreiheit, wenn sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen sind.125 Allerdings wird die Schwelle für die Eröffnung des Schutzbereichs niedrig angesetzt. Die Schutzwürdigkeit einer solchen Tatsachenbehauptung endet nach dem BVerfG erst dort, wo sie weder mit Werturteilen verbunden, noch sonst für Meinungsbildungen relevant ist.126 Eine Äußerung erhält aber schon dadurch einen wertenden Charakter, dass sie von der Person in einem bestimmten sozialen Kontext geäußert wird und die Person hinter der Äußerung steht.127 Es kann davon ausgegangen werden, dass eine Whistleblower-Meldung regelmäßig auch das Werturteil des Hinweisgebers enthält, dass ihm, einem Dritten oder der Allgemeinheit ein Unrecht geschehen ist, das eine Korrektur oder Sanktion erfordert,
120
Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 53. So noch die Lüth-Entscheidung des BVerfGE 7, 198 ff.; siehe auch BVerfGE 39, 1 (42). 122 Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 III GG, Rn 65; Klein, NJW 1989, 1633 (1640); nun auch die Rechtsprechung BVerfGE 81, 242 (255 f.); BVerfGE 97, 169 (175 f.); BVerfGE 99, 185 (194 f.); BVerfGE 114, 1 (37 f.); so schon der Urheber der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung Dürig, AöR 1956, 117 (223). 123 BVerfGE 7, 198 (208). 124 BVerfGE 85, 1 (14). 125 BVerfGE 61, 1 (8). 126 BVerfGE 85, 1 (15). 127 Jestaedt, in: Merten/Papier, Band IV, S. 882. 121
44
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
oder der Hinweisgeber erwartet eine bestimmte Reaktion des Arbeitgebers, der Behörden oder der Öffentlichkeit. Der Whistleblower wird sich im Vorfeld der Meldung mit dem Unrecht beziehungsweise Missstand wertend auseinandergesetzt haben.128 Schon in dem Entschluss, eine gewisse Sache zu offenbaren oder über sie zu schweigen könne eine Wertung gesehen werden.129 Gleichwohl ist zu beachten, dass ein denunzierender Hinweis in Form einer bewusst unwahren Tatsachenbehauptung nicht unter den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit fällt.130 Mithin stellen Whistleblowing-Meldungen, die keine bewusst unwahren Tatsachenbehauptungen sind, Meinungsäußerungen dar. b) Grundrechtsschranken Die Meinungsfreiheit unterliegt den Schranken des Art. 5 II GG, also den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre.131 Als allgemeine Gesetze im Sinne von Art. 5 II GG können die Grundregeln des Arbeitsverhältnisses gesehen werden, wobei sich für das BAG die Schrankenregelung aus §§ 241 II, 242 BGB ergibt.132 Bezüglich der Grundrechtsschranken der Meinungsfreiheit bestehen aus dogmatischer Sicht Diskussionspunkte.133 So ist nicht eindeutig geklärt, wie das Verhältnis zwischen den Wertungen, die sich aus den Grundrechten ergeben und den zivilrechtlichen Einbruchsstellen, durch die die Grundrechte Wirkung entfalten, aufzufassen ist und wie dort die wechselseitige Beeinflussung stattfindet.134 Daneben ist fraglich, wie sich die Schrankendogmatik bei der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte genau umsetzen lässt.135 Nach der Wechselwirkungslehre, die das BVerfG im „Lüth“Urteil etablierte, besteht eine Wechselwirkung zwischen Schutzbereich und Schranken insofern, „dass die Schranken zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Grenzen setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen.“136 Das Wechselwirkungsprinzip tritt der Gefahr entgegen, dass der Staat aufgrund der breiten Ausgestaltung von Art. 5 II GG die kollidierenden Regelungsziele und Werte frei gewichten kann und
128
Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 75; so auch Graser, Whistleblowing, S. 109; Beyer, Whistleblowing, S. 77. So Beyer, Whistleblowing, S. 77. 130 BVerfGE 61, 1 (8); kritisch hierzu Jestaedt, in: Merten/Papier, Band IV, S. 903, da auch bewusst unwahre Meinungsäußerungen nach seiner Ansicht zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen könnten. 131 Unter der Schranke der allgemeinen Gesetze versteht das BVerfG jedes Gesetz, das nicht die Meinung als solche verbietet, bzw. sich gegen eine Meinung als solche richtet, sondern das vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsgutes dient, wobei der Schutz des Gemeinschaftsgutes gegenüber der Meinungsfreiheit Vorrang hat, BVerfGE 7, 198 (208 f.). Die Verschwiegenheitspflicht stellt eine Schranke der Meinungsfreiheit dar. Aufgrund der Tatsache, dass sie sich nicht gegen eine bestimmte Meinung richtet, ist in ihr keine unzulässige Beschränkung der Meinungsfreiheit zu sehen, vgl. Wiese, in: FS Otto, S. 621 (626). 132 BAG, Urteil vom 10.12.2009 - 2 AZR 534/08, NZA 2010, 698; siehe hierzu auch Schmidt, in: Erfurter Kommentar, Art. 5 GG, Rn. 33. 133 Kritisch zur Übertragung der Schranken in das Arbeitsrecht, Graser, Whistleblowing, S. 120 ff. 134 Becker, Whistleblowing, S. 49 ff. 135 Kreis, Whistleblowing, S. 68; Becker, Whistleblowing, S. 49. 136 BVerfGE 7, 198 (209). 129
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Arbeitnehmer
45
damit theoretisch Meinungsklima und Streitkultur ersticken könnte.137 Somit müssen auch die Schranken wieder im Lichte der Meinungsfreiheit ausgelegt werden. Die Gegenansicht, die die Übertragung der Schrankendogmatik auf das Zivilrecht kritisiert, möchte die Wechselwirkung hingegen bereits bei der inhaltlichen Bestimmung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommen lassen, mit dem Argument, diese können nicht weiter reichen, als die grundrechtliche Wertentscheidung Raum lasse.138 c) Abwägung im Einzelfall Letztendlich führt die Wechselwirkungslehre zu einer vollumfänglichen Verhältnismäßigkeitsprüfung und damit zu einer Güterabwägung zwischen dem betroffenen Grundrecht und den die Beschränkung rechtfertigenden Interessen.139 Dabei ist eine konkrete Abwägung für den Einzelfall erforderlich.140 Diese Abwägung führt für den Hinweisgeber dazu, dass er im Vorfeld nie vollends sicher sein kann, ob in seinem konkreten Fall die Hinweisgebung einen Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten darstellt. Mithin wird die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung deutlich. Die Meinungsfreiheit unterliegt bei dieser Abwägung dann, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände höherrangige schutzwürdige Interessen eines anderen durch die Ausübung der Meinungsfreiheit verletzt würden.141 Zusammengefasst ist also stets ein Ausgleich zwischen den Rechten des Arbeitnehmers und den Rechten des Arbeitgebers zu suchen, durch den Ausgleich der auf beiden Seiten anwendbaren Grundrechte.142 Schutz anonymer Meinungsäußerungen a) Eröffnung des Schutzbereiches Umstritten ist, ob anonyme Meinungsäußerungen dem Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit unterfallen. Problematisch erscheint bei anonymen Whistleblower-Meldungen, dass bei ihnen gerade keine identifizierbare Person hinter der Äußerung steht, was der Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 5 I 1 Alt. 1 GG entgegenstehen könnte. Nach einer vom BAG vertretenen Ansicht sind anonyme Meldungen mangels Kundgabe einer Meinung, also mangels Subjektivität, nicht vom Schutzbereich des Art. 5 I 1 HS 1GG erfasst.143 Bei einer Meinungsäußerung komme es gerade auf die persönliche Stellungnahme an. Eine solche fehle jedoch bei einer anonymen Meldung. Diese Ansicht steht jedoch im Widerspruch zur zivilrechtlichen Rechtsprechung des BGH.144 Die Literatur geht zum Teil noch über 137
Schmidt, in: Erfurter Kommentar, Art. 5 GG Rn. 21, 25, 32. Müller, NZA 2002, 424 (430); Schmidt, in: Erfurter Kommentar, Art. 5 GG, Rn. 33; Becker, Whistleblowing, S. 40. 139 Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, Art. 5 GG, Rn. 140; Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193 (195), Wiese, in: FS Otto, 621 (623 f.) 140 So BVerfG in BVerfGE 24, 278 (282). 141 Wiese, in: FS Otto, S. 621 (624). 142 Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193 (195). Folgt man nicht der herrschenden Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, sondern derjenigen, die lediglich eine Einwirkung des Wertgehalts auf die Grundrechte befürwortet, kommt man im Ergebnis auch zu einer Abwägung widerstreitender Interessen, eben hier auf Ebene der inhaltlichen Bestimmung, vgl. Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193 (195); Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 77. 143 BAG, Urteil vom 3.7.2003 - 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427 (430). 144 BGHZ 181, 328 (sogenannte spickmich-Entscheidung), dabei führt es zur Begründung an: „Die 138
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Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
die Rechtsprechung des BGH hinaus und nimmt ein Grundrecht auf Anonymität an, dass sich aus Art. 1 I i.V.m. Art. 2 I, Art. 5 I, Art. 10 und Art. 13 GG speisen soll.145 Gleichzeitig wird von der Gegenmeinung in der Literatur gegen ein Grundrecht auf Anonymität eingewandt, dass zwar über die Meinungsäußerungsfreiheit durchaus die Bestimmung über die Äußerungsform umfasst sei, aber die Pseudonymität für eine freie Kommunikation genügen würde.146 Es zeigt sich, dass die im Urteil des BAG aus dem Jahr 2003 vertretene Ansicht, anonyme Äußerungen fielen nicht in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, weitgehend nicht geteilt wird. Entgegen der Aussage des BAG in eben jenem Urteil, lässt sich aus der Tatsache, dass der Anzeigensteller ungenannt bleiben möchte, gerade nicht ableiten, dass er keine persönliche Meinung kundtun wolle. Vielmehr ist anzunehmen, dass er aufgrund des Sanktionsrisikos seine Meinung kundtun möchte, ohne seine Identität preiszugeben. Auch anonyme Meinungen nehmen an der geistigen Auseinandersetzung teil und formen diese mit. Im Zuge der Digitalisierung der Lebenswelt hat sich die anonyme Kommunikation selbst und haben sich auch die Möglichkeiten für sie vervielfacht.147 Leaks werden anonym auf Enthüllungsplattformen wie Wikileaks hochgeladen und verbreitet, Whistleblower wie Edward Snowden nutzen Verschlüsselungstechniken, um anonym Hinweise zu geben, das politisch aktive Hackerkollektiv Anonymous agiert online und seine Mitglieder versuchen auch in der Offline-Welt ihre Identität durch Masken zu verbergen und tagtäglich findet anonyme Kommunikation im Internet statt.148 Freilich bestehen durch die anonyme Kommunikation Risiken für die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und für den Geheimnisschutz, es wird die Strafverfolgung erschwert und zuweilen auch die Hemmschwelle gesenkt, beleidigend, verleumdend oder diffamierend zu agieren. So sehr anonyme Kommunikation die Privatheit schützt, so sehr ist sie gleichzeitig mit Problemen behaftet. Doch ihr deshalb den Schutz der Meinungsfreiheit abzusprechen, erscheint nicht zeitgemäß. Dementsprechend erstreckt auch die zivilrechtliche Rechtsprechung des BGH den Schutzbereich auf anonyme Äußerungen und wird dies auch in der Literatur vertreten.149
Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde nicht nur im schulischen Bereich, um den es im Streitfall geht, die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit entgegen gewirkt werden.“ In der spick-mich-Entscheidung wandte sich der BGH auch gegen die Auffassung, die anonyme Äußerungen geringer gewichten möchte, siehe hierzu Ohly, AfP 2011, 428 (436). Zum Schutz anonymer Meinungen siehe auch das BGH-Urteil zu Ärztebewertungsportalen, Urteil vom 23.9.2014 - VI ZR 358/13, NJW 2015, 489. 145 Heckmann, NJW 2012, 2631 (2632); zum Teil wird ein Recht auf Anonymität auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützt, siehe Kersten, JuS 2017. 193 (195), so auch von Mutius, in: Bäumler/v. Mutius, Anonymität im Internet, S. 12 (13; 15 ff.; 21 ff.); siehe insgesamt hierzu auch Nietsch, Anonymität und Internet, S. 24 ff. 146 Spindler, GRUR-Beilage 2014, 101 (106). 147 Aus diesem Grund für eine zeitgemäße Erstreckung des Schutzbereiches der Meinungsfreiheit, Frank, Hinweisgeberschutz. 148 Siehe zu den einzelnen Phänomenen Piegsa/Sixt, in: Arrigo, Encyclopedia of Surveillance, Security, and Privacy, S. 765, sowie auch das Kapitel Neue Arenen als Bedrohung für den Geheimnisschutz und für Rechte der Betroffenen, S. 119 ff. 149 Befürwortend, dass anonyme Meldungen dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen Kühling, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, Art. 5 GG, Rn. 33; Griess, Klarnamenspflicht, S. 58; Ohly, AfP
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Arbeitnehmer
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b) Geringerer Schutz anonymer Äußerungen Obwohl die anonyme Meinungsäußerung vom Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit erfasst ist, wird ihr gleichwohl nicht derselbe Schutz zugesprochen wie der Meinungsäußerung mit erkennbarer Identität.150 Der Schutz von anonymen Meinungsäußerungen unterscheidet sich nach dieser Ansicht graduell von dem der sonstigen Meinungsäußerungen. Begründet wird dies damit, dass die Gefahr von Persönlichkeitsverletzungen bei anonymen Äußerungen besonders groß ist.151 Bei anonymen Meinungsäußerungen kann es, wie auch bei sonstigen Meinungsäußerungen, zu einer Kollision mit dem allgemeinen oder mit besonderen Persönlichkeitsrechten Dritter kommen, die dann gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kommt anonymen Meinungsäußerungen auf Rechtfertigungsebene nach dieser Ansicht ein geringerer Schutz zu, als solchen unter Nennung des Namens.152 Anonyme Meinungsäußerungen verändern die Kommunikation insofern, als Rückfragen und ein sich anschließendes Gespräch mit dem Kundgebenden schwerlich möglich sind. Etwaige Einschränkungen und zu berücksichtigende Gegeninteressen können auf der Ebene der Schranken Berücksichtigung finden.153 Schutz nach Art. 11 GrCh Nach Art. 11 GrCh ist auch auf Ebene des Unionsrechts das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt. Das Whistleblowing wird von Art. 11 GrCh erfasst.154
III.
Petitionsrecht, Art. 17 GG, als Recht des Arbeitnehmers
Für die Hinweisgebung ist neben der Meinungsfreiheit auch das Petitionsrecht gemäß Art. 17 GG einschlägig.155 Nach Art. 17 GG besitzt jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständige Stelle und an die Volksvertretung zu wenden. Kennzeichnend für die Bitten und Beschwerden ist, dass sie ein bestimmtes Verhalten der staatlichen Stellen fordern.156 Hierbei sind die zuständigen staatlichen Stellen unmittelbar oder mittelbar staatliche Stellen des Bundes oder der Länder.157 Das Petitionsrecht stellt damit eine externe Whistleblowing-Möglichkeit dar, bei der es genügt, dass der Petent keine eigene Beschwer geltend macht, sondern lediglich Fremd- und Allgemeininteressen.158 Aufgrund der systematischen Stellung von Art. 17 GG könnten mit Bitten und Beschwerden nur hoheitliches Handeln gemeint sein, jedoch wird
2011, 428 (436); Kersten, JuS 2017, 193 (196). Greve/Schärdel, MMR 2008, 644 (648); Bernreuther, AfP 2011, 218 (222 f.); Kühling, NJW 2015, 447 (448). 151 Kühling, NJW 2015, 447 (448). 152 So Kühling, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, Art. 5 GG, Rn. 33; anders jedoch BGH, Urteil vom 23.9.2014 - VI ZR 358/13, NJW 2015, 489. 153 Kersten, JuS 2017, 193 (197). 154 Siehe hierzu Redder, Verfassungsrechtlicher Schutz, S: 63. 155 Für Becker sogar das maßgeblich prägende Grundrecht im Bereich des Whistleblowings, vgl. Becker, Whistleblowing, S. 41. 156 Zu den Begrifflichkeiten der Bitte und Beschwerde siehe Terbille, Petitionsrecht, S. 67 ff. 157 Klein, in: Maunz/Dürig, Art. 17 GG, Rn. 98; umstritten ist, ob auch privatrechtliche Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, umfasst sind, vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 17 GG, Rn. 6. 158 Vgl. Langenfeld,in: Isensee/Kirchhoff, Handbuch des Staatsrechts, Band 3, S. 276, Rn. 25. 150
48
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
auch bei Beschwerden über das Verhalten Privater eine Bitte um hoheitliches Handeln mitumfasst sein.159 Die überwiegende Meinung spricht sich für eine Anwendung im Bereich des Privaten über eine mittelbare Drittwirkung von Art. 17 GG aus, sodass auch Art. 17 GG über die Generalklauseln des Arbeitsrechts Anwendung findet.160 Hierauf können dann die verschiedenen dogmatischen Ansätze, die zur Meinungsfreiheit erörtert wurden, Anwendung finden. Das Petitionsrecht gemäß Art. 17 GG entfaltet im Arbeitsverhältnis über die mittelbare Drittwirkung insofern Wirkung, als die berechtigte Ausübung des Petitionsrechts keine Sanktionen wie eine Kündigung nach sich ziehen darf.161 Der sachliche Schutzbereich von Art. 17 GG erfasst keine anonymen Meldungen.162 Denunzierende Meldungen, die jeglicher Grundlage entbehren und einen Straftatbestand wie etwa den der falschen Verdächtigung (§164 StGB)163 erfüllen, sind nicht von Art. 17 GG geschützt.164 Nach dem BVerfG sei eine Petition dann unzulässig, wenn sie gegen Strafgesetze verstoße, mit ihr etwas durch das Gesetz Verbotenes gefordert werde, oder sie inhaltlich beleidigend, erpresserisch oder herausfordernd sei.165 Art. 17 GG unterliegt keinen Schranken, sodass eine Beeinträchtigung zulässig ist zum Schutze eines anderen Verfassungsgutes im Rahmen der Verhältnismäßigkeit.166 Im Verhältnis zu Art. 5 GG kann Art. 17 GG dann zur Anwendung kommen, wenn es sich nicht bloß um eine Meinungsäußerung handelt, sondern um eine schriftliche Bitte oder Beschwerde an eine der zuständigen Stellen nach Art. 17 GG. In einem solchen Fall, in dem eine Meinungsäußerung im Rahmen einer Petition getätigt wird, ist der Schutzbereich beider Grundrechte eröffnet, sodass die Gewährleistungsschranke des Art. 5 II GG zu beachten ist, die dann durch Art. 17 GG abgeschwächt wird.167 Das Petitionsrecht wird in der GrCh über Art. 44 GrCh gewährleistet und erfasst Petitionen zum Europäischen Parlament. Jeder Unionsbürger und jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz beziehungsweise satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedsstaat kann gemäß Art. 44 GrCh eine solche Petition erheben. Nach Art. 227 AEUV kann die Petition sämtliche Angelegenheiten zum Gegenstand haben, die in die Tätigkeitsbereiche der Union fallen.
159
Müller, NZA 2002, 424 (430), Graser, Whistleblowing, S. 127. Wiese, in: FS Otto, S. 621 (625); Müller, NZA 2002, 424 (430-431); Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 78, Becker, Whistleblowing, S. 42 f. 161 Müller, NZA 2002, 424 (431); Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 78 f.; Deiseroth, Whistleblowing in Zeiten von BSE, S. 181 ff. 162 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 17 GG, Rn 4. 163 Siehe hierzu das Kapitel § 164 StGB, S. 65. 164 Neumann, Whistleblowing, S. 34; kritisch hierzu Terbille der nur bei offensichtlich rechtswidrigem Verhalten den Grundrechtsschutz versagen will und nicht bei Straftaten gegen die persönliche Ehre, die bei Gelegenheit der Petition begangen werden und bei denen das Petitum selbst im Einklang mit der Rechtsordnung steht, Terbille, Petitionsrecht, S. 88 ff. Nicht geschützt sind nach Terbille daneben Petitionen, die nicht ernstlich gemeint sind oder offensichtlich Unmögliches fordern, so Terbille, Petitionsrecht, S. 82 165 BVerfGE 2, 225 (229). 166 Klein, in: Maunz/Dürig, Art. 17 GG, Rn. 115. 167 Klein, in: Maunz/Dürig, Art. 17 GG, Rn. 135. Für die Anwendbarkeit beider Grundrechte nebeneinander siehe auch BVerfG, Beschluss vom 12.12.1990 - 1 BvR 839/90, NJW 1991, 1475 (1477). 160
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Arbeitnehmer
IV.
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Gewissensfreiheit, Art. 4 I 2. Alt. GG als Recht des Arbeitnehmers
Betrachtet man verschiedene Whistleblowerfälle, so wird deutlich, dass sich die Whistleblower oftmals gerade aus Gewissensgründen zum Whistleblowing entschlossen hatten. Der Psychologe C. Fred Alford stellte fest, dass viele Whistleblower in Interviews die Aussage machten, sie hätten nicht anders handeln können. Er spricht dabei von einer „choiceless choice“. Aus den Aussagen verschiedener Whistleblower stellte er ein Zitat zusammen, dass wie folgend lautet: „Ich tat es, weil ich musste…weil ich keine andere Wahl hatte…weil ich nicht damit leben könnte, nichts getan zu haben…weil es ums Aussprechen oder Aufgeben ging…Was hätte ich sonst tun sollen? Ich muss mich ja selbst im Spiegel sehen jeden Morgen?“.168 Ein Interview mit Edward Snowden im NDR lässt ebenfalls erahnen, dass dieser aus Gewissensgründen zum Whistleblower wurde. Er sagte: „Richtig, ich bin noch am Leben und ich habe keine schlaflosen Nächte, weil ich getan habe, was ich für nötig hielt. Es war das Richtige, und ich werde keine Angst haben.“169 Schutzbereich der Gewissensfreiheit Rechtlicher
Anknüpfungspunkt
für
das
Whistleblowing
aus
Gewissensgründen
ist
die
Gewissensfreiheit. Nach dem BVerfG ist Gewissensentscheidung „jede ernste sittliche, d.h. an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, sodaß er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.“170 Gewissen ist also etwas höchst Subjektives. Das BVerfG bezeichnete es als „real erfahrbares seelisches Phänomen […], dessen Forderungen, Mahnungen und Wahrnehmungen für den Menschen unmittelbar evidente Gebote unbedingten Sollens sind.“171 Eine Einschränkung des Gewissens auf rechtmäßige oder moralische Entscheidungen, also auf „richtige Entscheidungen“ verbiete sich.172 Im Zusammenhang mit der Gewissensfreiheit wird auch von einer „gesellschaftlichen Warnfunktion“ gesprochen.173 Werde von der Gewissensfreiheit gehäuft Gebrauch gemacht, so sei für die Allgemeinheit erkennbar, dass ein Konfliktfall vorliege. In der Warnfunktion zeige sich auch die große Bedeutung, die der Gewissensfreiheit für Demokratie und Gesellschaft zukomme.174 Relevanz der Gewissensfreiheit im Arbeitsrecht und beim Whistleblowing Im Arbeitsverhältnis spielt die Gewissensfreiheit nicht nur in Fällen der Arbeitsverweigerung eine Rolle, sie kann auch die Rücksichtnahmepflicht und als deren Ausprägung die Verschwiegenheitspflicht 168
Frei übersetzt nach: “I did it because I had to…because I had no other choice…because I couldn`t live with myself if I hadn’t done anything…because it was speak out or stroke out…What else could I do? I have to look at myself in the mirror every morning?“ vgl. Alford, Whistleblowers, S. 40. 169 Frei übersetzt nach: „I’m still alive and I don’t loose sleep because I’ve done what I feel needed to do. It was the right thing to do and I’m not going to be afraid.“, vgl. Interview mit Seipel vom 26.02.2014, siehe hierzu auch Mackey, New York Times vom 29.1.2014. 170 BVerfGE 12, 45 (45); siehe auch BVerfGE 69, 1 (22). 171 BVerfGE 12, 45 (54). 172 Podlech, Grundrecht der Gewissensfreiheit, S. 31; siehe auch BVerfGE 12, 45 (56). 173 Wendeling-Schröder, Autonomie, S. 120. 174 Wendeling-Schröder, Autonomie, S. 120.
50
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
tangieren.175 Unter der herrschenden Meinung, die eine mittelbare Drittwirkung der Grundrechte befürwortet, kommt die Gewissensfreiheit über den Grundsatz von Treu und Glauben und die Generalklauseln als Einfallstore (§§ 138, 242, 305, 315 BGB) im Arbeitsverhältnis zur Anwendung.176 Das BAG stützt sich in einer aktuellen Entscheidung auf das Direktionsrechts des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO und verwendet den Begriff des billigen Ermessens zur Bestimmung der Arbeitsleistung als Einfallstor.177 Bei der Gewissensfreiheit wird eine Abwägung und ein Ausgleich gegenläufiger Grundrechtspositionen und Interessen im Rahmen der zivil- und arbeitsrechtlichen Generalklauseln, vor allem der Rücksichtnahmepflicht, unter dem Leitprinzip wechselseitiger Toleranz vorgenommen.178 Von der Gewissensfreiheit ist nicht nur die Gewissensbildung (forum internum), sondern auch die Freiheit, seinem Gewissen durch Tun oder Unterlassen zu folgen (forum externum), geschützt.179 Somit kann Whistleblowing, in Fällen, in denen das Gewissen Hinweisgeber zum Handeln zwingt, vom Schutzbereich des Art. 4 I Alt. 2 GG erfasst sein. Dieses Recht, nach dem Gewissen zu handeln, ist nur innerhalb der durch andere Grundrechte gesetzten Schranken möglich.180 Aufgrund der Natur des Gewissens als etwas höchst Subjektives, haften jeder Gewissensentscheidung ein gewisses Risiko und eine gewisse Unsicherheit an. Gewissensentscheidungen basieren häufig gerade auf Befürchtungen, nicht so sehr auf Gewissheiten.181 Eine Gewissensentscheidung kann nicht dahingehend von Dritten kontrolliert werden, ob tatsächlich ein „gut“ oder „böse“ vorliegt, mit anderen Worten, ob der Hinweisgeber sich zurecht zu der Entscheidung genötigt gefühlt hat. Der Betroffene muss Dritten glaubhaft machen, dass er sich in einer Konfliktlage befunden hat.182 Eine solche Glaubhaftmachung des inneren Zwangs zum Whistleblowing und damit das Bestehen einer Gewissensentscheidung, gelinge allerdings wohl nur bei Gefahren für die Allgemeinheit und bei Straftaten, jedoch nicht bei nicht sanktionierbaren Rechtsverstößen oder
Vertragsverletzungen.183
Letztendlich wird es
dem
Whistleblower schwer fallen, darzulegen, dass er aus Gewissensnot heraus gehandelt hat. Insofern ist die Gewissensfreiheit für das Whistleblowing kaum fruchtbar zu machen. Zudem wird es kaum zu Konstellationen kommen können, in denen die Gewissensfreiheit anwendbar ist, das Whistleblowing aber nicht schon durch die Meinungsfreiheit und/oder die Petitionsfreiheit erfasst ist.184
175
Schmidt, in: Erfurter Kommentar, Art. 4 GG, Rn. 43; auf die Verweigerung der Arbeitsleistung aus Gewissensgründen soll in dieser Arbeit nicht eingegangen werden, obgleich sie durchaus auch im Zusammenhang mit Whistleblowing auftreten kann. Dennoch ist hierin nach der zugrunde gelegten Definition kein Whistleblowing zu sehen. 176 Schmidt, in: Erfurter Kommentar, Art. 4 GG, Rn. 71; Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 71 f.; ausführlich hierzu und zu abweichenden Auffassungen, Wendeling-Schröder, Autonomie, S. 134 ff., 177 Vgl. BAG, Urteil 24.2.2011 – 2 AZR 636/09, NZA 2011, 1087 (1089); vor Inkrafttreten des § 106 GewO wurde dies bereits aus § 315 III BGB hergeleitet, vgl. Ulber, JuS 2012, 1069 (1069 ff.). 178 Schmidt, in: Erfurter Kommentar, Art. 4 GG, Rn. 71. 179 Schmidt, in: Erfurter Kommentar, Art. 4 GG, Rn. 62. 180 Kreis, Whistleblowing, S. 70; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 4 GG, Rn. 137. 181 Wendeling-Schröder, Autonomie, S. 127. 182 Schmidt, in: Erfurter Kommentar, Art. 4 GG, Rn. 62. 183 Becker, Whistleblowing, S. 58. 184 Redder, Verfassungsrechtliche Schutz, S. 49.
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Arbeitnehmer
51
Schutz nach Art. 10 I GrCh Die Gewissensfreiheit wird auf Ebene des Unionsrechts über Art. 10 I GrCh geschützt. Der Whistleblower kann hierüber Schutz erfahren, wenn er aus Gewissensnot handelt.185
V.
Widerstandsrecht, Art. 20 IV GG
Das Widerstandsrecht nach Art. 20 IV GG ist ein grundrechtsgleiches Recht.186 Nach Art. 20 IV GG steht allen Deutschen, gegen jeden, der es unternimmt die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, das Recht zum Widerstand zu, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. Auf das Widerstandsrecht können sich alle Deutschen berufen und damit sowohl Arbeitnehmer als auch Beamte. Whistleblowing kann dann als Widerstand im Sinne von Art. 20 IV GG begriffen werden, wenn der Hinweisgeber das Whistleblowing gerade deshalb ausübt, um zu verhindern, dass die verfassungsmäßige Ordnung beseitigt wird. Die Fälle, auf die dies zutrifft, sind äußerst gering. Dennoch soll das Widerstandsrecht knapp erwähnt werden, da Whistleblowing vereinzelt im Zusammenhang mit Zivilcourage187 und zivilem Ungehorsam diskutiert wird.188 Im Zusammenhang mit diesen Begriffen wird eine Dimension des Whistleblowings berührt, die für die folgende Untersuchung jedoch nicht tragend sein soll. Es geht um die Frage, wann ein Hinweisgeber geltendes Recht brechen darf, um allgemein, außerhalb des Anwendungsbereiches von Art. 20 IV GG Widerstand zu leisten, beziehungsweise zivilen Ungehorsam ausüben darf. Ziel der folgenden Untersuchung ist es aber gerade, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die es möglichst verhindert, dass ziviler Ungehorsam oder Widerstand nötig ist. Die Frage, wann Widerstand geleistet werden darf, berührt auch rechtsphilosophische Fragestellungen, die sich damit beschäftigten, ob im Sinne des Naturrechts neben dem gesetzten Recht noch ein übergesetzliches Recht existiert, das zum Widerstand berechtigen kann.189 Hieran ließen sich gesonderte Untersuchungen zum Whistleblowing anknüpfen. Das Widerstandsrecht im Sinne von Art. 20 IV GG entfaltet erst dann Wirkung, wenn die institutionalisierten Kontrollmechanismen des Grundgesetzes nicht mehr greifen, ist also mit anderen Worten ultima ratio.190 Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 20 IV GG, indem dieser feststellt, dass das Recht greife, „wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Betrachtet man den Wortlaut eingehender, stellt sich die Frage, wann das Widerstandsrecht greifen soll. Art. 20 IV GG spricht davon, dass sich das Widerstandsrecht gegen jeden anwenden lässt, der es unternimmt die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Das Verb „unternehmen“ deutet aber darauf hin, dass in der Phase, in der die 185
Redder, Verfassungsrechtliche Schutz, S. 64. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG, Rn. 13. 187 Deiseroth, Whistleblowing in Zeiten von BSE, S. 168; Bultmann, in: von Arnim, S. 50; Kerwer, in: FG Knemeyer, S. 581 (581). 188 Deiseroth, Frankfurter Hefte 1/2 2014, S. 4 ff. Zivilcourage als Begriff tauchte das erste Mal im französischen als „courage civil“ auf, was so viel bedeutet wie der „Mut des Einzelnen zum eigenen Urteil“, siehe Meyer, in: Meyer/Dovermann/Frech/Gugel, Zivilcourage, S. 22 189 Siehe hierzu beispielsweise Radbruch, Süddeutsche Juristenzeitung 1946, 105 (105f.); aus rechtspositivistischer Sicht wäre ein solches Widerstandsrecht gerade ausgeschlossen, siehe Schneider, in: Kaufmann/Backmann, Widerstandsrecht, S. 362 (371). 190 Huster/Rux, in: BeckOK Grundgesetz, Art. 20 IV GG, Rn. 225. 186
52
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Bemühungen zur Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung zu Tage treten und noch bevor die Beseitigung dieser Ordnung eintritt, das Recht greifen soll.191 Diese Annahme tritt aber in Friktion mit der Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt eine Abhilfe noch möglich sein könnte, sodass diese Voraussetzung des Widerstandsrechts nicht erfüllt ist.192 Aufgrund seiner ultima-ratio-Stellung, hat das Widerstandsrecht allerdings keine praktische Wirkung entfaltet.193
VI.
Art. 2 I i.V.m. Art. 20 III GG als Recht des Arbeitnehmers
Erstattet der Arbeitnehmer eine Strafanzeige, so nimmt er dabei sein von der Rechtsordnung eingeräumtes Grundrecht aus Art. 2 I GG i.V.m. Art. 20 III GG wahr.194 Demnach ist er zur Rechtsverfolgung berechtigt und darf keine Nachteile oder Sanktionen erfahren, wobei eine Kündigung, obschon in ihr keine Sanktion für ein Verhalten in der Vergangenheit erblickt werden könne, einen zivilrechtlichen Nachteil für den Arbeitnehmer darstelle.195
VII.
Allgemeines Persönlichkeitsrecht als Recht des Arbeitnehmers
Der Arbeitnehmer kann sich auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG berufen. In § 75 II 1 BetrVG ist einfachgesetzlich die Pflicht des Arbeitgebers und Betriebsrates verankert, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist typischerweise dann betroffen, wenn es im Nachgang der Hinweisgebung zu Mobbing kommt.
VIII.
Unternehmerische Freiheit, Art. 12 I GG, als Recht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann sich auf das Recht der Unternehmerfreiheit gemäß Art. 12 I GG berufen, in dessen Rahmen das Recht zur Gründung und Führung von Unternehmen geschützt ist und das verschiedene wirtschaftliche Sachverhalte erfasst.196 Unter anderem zählen zu den Einzelrechten die Dispositions-, Investitions-, Produktions-, Leistungs- und Vertragsfreiheit.197 Das Recht auf unternehmerische Freiheit umfasse auch das Verhalten, nur mit solchen Arbeitnehmern zusammen zu arbeiten, die die Ziele des Unternehmens fördern und es vor Schäden bewahren.198 Im Urteil des BAG wurde das Recht auch als Betätigungsfreiheit bezeichnet und beinhaltet das Recht, vom Arbeitnehmer ein gewisses Maß an Rücksicht auf die Arbeitgeberinteressen zu verlangen.199 Dieses Recht ist mit den oben genannten,
191
So Wassermann, Recht Gewalt Widerstand, S. 110 f. Wassermann, Recht Gewalt Widerstand, S. 111. 193 Hornung, Grundrechtsinnovationen, S. 31; 200 m.w.N. 194 BVerfG, Beschluss vom 2.7.2001 - 1 BvR 2049/00, NJW 2001, 3474 (3476) und BAG, Urteil vom 3.7.2003 2 AZR 235/02, NJW 2004, 1547 (1549); zu den Entscheidungen siehe ausführlich unter Rechtsprechung zum Whistleblowing bei Arbeitnehmern, S. 70 ff. 195 BVerfG, Beschluss vom 2.7.2001 - 1 BvR 2049/00, NJW 2001, 3474. 196 Schwier, Unternehmerische Freiheit, S. 51; BVerfGE 21, 261 (266); Dendorfer-Ditges, in: Moll, § 35, Rn. 86; BVerfGE 50, 290 (362 ff.). 197 Vgl. die Aufzählung bei Beyer, Whistleblowing, S. 84. 198 BAG, Urteil vom 3.7.2003 - 2 AZR 235/02, NJW 2004, 1547 (1548), zu dieser Entscheidung siehe ferner unten Abschnitt BAG vom 3.7.2003: Relevanz von Grundrechten, S. 75 ff. 199 BAG, Urteil vom 3.7.2003 - 2 AZR 235/02, NJW 2004, 1547 (1549). 192
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Arbeitnehmer
53
jeweils einschlägigen Grundrechten des Arbeitnehmers im Wege praktischer Konkordanz in Ausgleich zu bringen. Auf unionsrechtlicher Ebene wird der Schutz der unternehmerischen Freiheit über Art. 16 GrCh und der Schutz des Eigentums über Art. 17 GrCh gewährleistet.
IX.
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisschutz als Recht des Arbeitgebers
Der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisschutz ist für den Arbeitgeber von großer Bedeutung, auf ihn wird jedoch gesondert ausführlich im Rahmen des Geheimnisschutzes im Arbeitsverhältnis eingegangen.200 Der grundrechtliche Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses erfolgt über Art. 12 GG, beziehungsweise einer Zusammenschau von Art. 12 GG und Art. 14 GG.201 Auf europäischer Ebene wird der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisschutz mitunter Art. 16 GrCh zugeordnet. Er ist jedenfalls als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts anerkannt.202
Macht in Arbeitsverhältnissen Nachdem vorstehend die Interessenlage beim Whistleblowing durch Arbeitnehmer erläutert wurde, soll im Folgenden genauer auf die Situation, in der sich der hinweisgebende Arbeitnehmer befindet, eingegangen werden. Wie erwähnt, ist das Arbeitsverhältnis ein Über- Unterordnungsverhältnis, in dem eine Machtasymmetrie besteht. Der Arbeitnehmer gliedert sich in die Arbeitsorganisation ein, ist dort weisungsgebunden und persönlich abhängig.203 Das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist gekennzeichnet durch spezifische Rechte und Pflichten, auf die im Folgenden ausführlich eingegangen werden soll. Letztendlich dienen die folgenden Untersuchungen der Beantwortung der Frage, inwiefern es aufgrund der Rechte und Pflichten für den Arbeitnehmer überhaupt möglich ist, einen Hinweis zu geben und welchen Risiken er sich dabei aussetzt.
I.
Dezisionale Privatheit als Entscheidungsfreiheit
Die dezisionale Dimension der Privatheit nach Beate Rössler schützt vor unerwünschtem Zutritt im Sinne eines unerwünschten Hineinredens. Sie bietet somit Schutz vor Fremdbestimmung bei Entscheidungen und Handlungen.204 Entschließt sich der Hinweisgeber zum Whistleblowing, so stellt dies für ihn eine wichtige Entscheidung, sogar oftmals eine Gewissensentscheidung, dar. Dabei geht er große Risiken ein. Whistleblowing führt in vielen Fällen zur Kündigung des Arbeitnehmers und somit zum Existenzverlust. Teilweise werden Whistleblower in einer bestimmten Branche auch bei anderen Arbeitgebern nicht mehr eingestellt; sie sind dann in der Branche bereits als Verräter bekannt und
200
Siehe Kapitel Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis, S. 78 ff. Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, S. 78. Siehe zu den verschiedenen Auffassungen Wollenschläger, in: Von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 16 GrCh, Rn. 8. 203 Siehe hierzu Beispiele aus der Rechtsprechung des BAG und des BGH, BAG, Urteil vom 19.11.1997 - 5 AZR 653/96, NZA 1998, 364 (365); BGH, Beschluss vom 21.10.1998 - VIII ZB 54/97, NZA 1999, 110 (112). 204 Rössler, Wert des Privaten, S. 25. 201 202
54
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
können letztendlich ihren ursprünglich erlernten Beruf nicht mehr ausüben.205 Weitere mögliche Konsequenz des Whistleblowings, sofern der Hinweisgeber im Betrieb verbleibt, ist Mobbing. Zudem werden Hinweisgeber bei Beförderungen oftmals übergangen. Die psychischen Folgen der Sanktionen, der zermürbenden jahrelangen Gerichtsverfahren und der Ungewissheit über die eigene Zukunft sind gravierend. Viele Whistleblower erkranken im Nachgang ihrer Meldung an Depressionen oder Suchterkrankungen wie Alkoholismus.206 Diese Risiken des Whistleblowings können Hinweisgeber stark in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränken, und die Angst vor diesen Konsequenzen kann sie davon abhalten, eine Meldung zu machen. In einer solchen Situation fühlen sie sich gezwungen, Missstände im Unternehmen sehenden Auges hinzunehmen. Sie sind in ihrer dezisionalen Privatheit beeinträchtigt. Ohne Schutz vor solchen Sanktionen ist das Machtverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht austariert. Die Entscheidungsfreiheit und damit die dezisionale Dimension der Privatheit kann darüber hinaus dadurch eingeschränkt werden, dass der Hinweisgeber aus Unsicherheit, ob sein Whistleblowing berechtigt und damit ohne Kündigungsrisiko erfolgt, vom Whistleblowing absieht. Whistleblowing ist in Deutschland, mit Ausnahme weniger Spezialregelungen,207 Richterrecht geblieben. Das führt dazu, dass die rechtliche Bewertung durch Abwägungen in Einzelfallentscheidungen getroffen wird, deren Ergebnis für den Hinweisgeber im Vorfeld nur schwer vorhersehbar ist.208 Es ist also für den Hinweisgeber nicht vollständig erkennbar, ob und wie in seinem Fall eine Meldung erfolgen darf. Dies kann ein weiterer Grund sein, vom Whistleblowing abzusehen. Eine Problematik beim Whistleblowing ist, dass Whistleblowing auch in Form eines Denunziantentums ausgeübt werden kann. Der durch das Whistleblowing „Angeschwärzte“ hat ein großes Interesse, nicht zu Unrecht einer rechtswidrigen Handlung bezichtigt zu werden, beziehungsweise sich gegen eine solche Anschuldigung effektiv verteidigen zu können. Beim Arbeitgeber besteht nur dann ein Interesse an der Aufklärung beziehungsweise Verhinderung von gesetzeswidrigen Verhalten, wenn tatsächlich ein Missstand gegeben ist.209 Sanktionsmöglichkeiten müssen in den Fällen greifen, in denen der Hinweisgeber bewusst unwahr einen Missstand meldet. Für solche Fällen soll der präventive Abschreckungseffekt der Sanktionen dazu führen, dass Hinweisgeber von denunzierenden Meldungen Abstand nehmen. Erfolgt das Whistleblowing jedoch berechtigt, muss für den Whistleblower im Vorfeld der Hinweisgebung klar sein, dass kein Sanktionsrisiko besteht. Bei näherer Betrachtung lässt sich erkennen, dass der Arbeitgeber auch ein wesentliches Interesse daran hat, wie beziehungsweise an wen die Meldung eines Missstandes erfolgt. Im Hinblick auf negative 205
Alford, Whistleblowers, S. 19. Alford, Whistleblowers, S. 19; als Beispiel für Alkoholismus und Depressionen sei hier Paul Moore genannt, der davor warnte, dass die British Bank fahrlässig Geld verlieh, siehe hierzu N.N., The Economist vom 5.12.2015, S. 55. 207 Siehe dazu unten den Abschnitt Bestehende Regeln zum Whistleblowing, S. 59 ff. 208 Abraham, ZRP 2012, 11 (11). 209 Casper, in: Liber amoricum für Martin Winter, S. 77 (79 f.). 206
B. Macht in Arbeitsverhältnissen
55
„Publicity“ und das Interesse an der Geheimhaltung von Unternehmensinterna, wird ein Arbeitgeber regelmäßig das interne Whistleblowing, also die Meldung gegenüber einer Stelle, die in dieselbe Organisation wie der Whistleblower eingebunden ist,210 bevorzugen.211 Effizienter aus Sicht des Whistleblowers kann das externe Whistleblowing, also eine Meldung an Außenstehende, etwa Aufsichtsbehörden, die Staatsanwaltschaft oder die Presse212, sein. Eine externe Meldung wird in der Regel einen Handlungsdruck aufbauen, da die Beteiligten unter Beobachtung der Öffentlichkeit stehen. Dieses externe Whistleblowing kann auch als Machtausübung auf den Arbeitgeber eingeordnet werden. Die öffentliche Beobachtung des Geschehens ist zudem dazu geeignet, den Arbeitgeber davon abzuhalten, den Arbeitnehmer zu sanktionieren, da er sich so öffentlich „unbeliebt“ machen könnte. Dennoch ist die Beobachtung des Geschehens durch die Öffentlichkeit kein verlässlicher Schutz vor Sanktionen. Das externe Whistleblowing birgt für den Hinweisgeber die größten Risiken. Er wird häufig für sein externes Whistleblowing sanktioniert, insbesondere durch die drastische Sanktion der außerordentlichen Kündigung. Gesteht man dem Arbeitnehmer auch in der Abhängigkeit des Arbeitsverhältnisses eine dezisionale Privatheit zu, wird einer Machtkonzentration entgegengewirkt. Ihm verbleibt ein Raum der Entscheidungsfreiheit, in dem er die grundrechtlich geschützten Freiheiten wahrnimmt. Die dezisionale Privatheit gilt es zu stärken, indem durch die Schaffung klarer Kriterien für ein berechtigtes Whistleblowing, Rechtssicherheit und eine Entscheidungsgrundlage für Hinweisgeber geschaffen werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die dezisionale Privatheit im Sinne der Entscheidungsfreiheit gewährleistet ist. Im Folgenden soll daher zunächst auf die Rechte und Pflichten der Parteien des Arbeitsvertrages eingegangen werden. Eine Regelung zum Whistleblowing muss an den Rechten und Pflichten der Parteien ausgerichtet werden. Anschließend soll kurz auf die knappen bestehenden Regelungen, die für spezifische Fälle des Whistleblowings Anwendung finden können, eingegangen werden. Schließlich soll die bereits ergangene Rechtsprechung zum Whistleblowing betrachtet und darin gewonnene Kriterien zum Whistleblowing herausgearbeitet werden.
II.
Rechte und Pflichten der Parteien des Arbeitsvertrages
Whistleblowing kann zu den Rechten und Pflichten des Arbeitsvertrages in Friktion treten. Gleichzeitig können gewisse Rechte und Pflichten aber auch zum Whistleblowing berechtigen. Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers Die Parteien des Arbeitsvertrages treffen arbeitsvertragliche Haupt- und Nebenpflichten, deren Verletzung Schadensersatzansprüche und Kündigungen zur Folge haben kann.213 Die Rechte und Pflichten prägen das Machtverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber maßgeblich. Für den
210
Thüsing/Forst, in: Thüsing, § 6 Whistleblowing, Rn. 14. Casper, in: Liber amoricum für Martin Winter, S. 77 (80). 212 Thüsing/Forst, in: Thüsing, § 6 Whistleblowing, Rn. 14. 213 Ausführlich zu den Nebenpflichten: Düsel, Gespaltene Loyalität, S. 108 ff. 211
56
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Arbeitnehmer ist die Hauptpflicht des Arbeitsvertrages nach § 611a I BGB die Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit. Eine Verletzung dieser Hauptpflicht kommt dann in Betracht, wenn die Hinweisgebung und damit in Zusammenhang stehende Aktivitäten
während
der
Arbeitszeit
erfolgen.214
Daneben
kann
eine
Verletzung
der
Hauptleistungspflicht dann vorliegen, wenn die Arbeitsleistung gänzlich verweigert wird.215 Während eine Verletzung der Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers beim Whistleblowing zwar nicht ausgeschlossen ist, liegt die Kernproblematik beim Whistleblowing doch im Bereich der Verletzung von Nebenpflichten gemäß § 241 II BGB. a) Rücksichtnahmepflicht als Pflicht des Arbeitnehmers Zentral für die Nebenpflichten ist die Rücksichtnahmepflicht. Die vertragliche Rücksichtnahmepflicht als Nebenpflicht nach § 241 II BGB trifft beide Parteien und verpflichtet sie, auf die Rechtsgüter, Rechte und
Interessen
ihres
Vertragspartners
Rücksicht
zu
Rücksichtnahmepflicht heute noch als Treuepflicht bezeichnet.
nehmen.216 217
Zum
Teil
wird
diese
Die Bezeichnung als Treuepflicht geht
auf Otto von Gierkes Lehre vom deutschrechtlichen Ursprung des Dienstvertrages zurück, wonach zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis bestünde und sich der Inhalt des Arbeitsvertrages nicht ausschließlich nach den Regeln des BGB bestimme.218 In der Vergangenheit bezeichnete der Begriff Treuepflicht eine selbstständig neben dem Arbeitsvertrag stehende und von diesem unabhängige Verhaltenspflicht, nach der alles zu unterlassen war, was dem Betrieb oder dem Arbeitgeber abträglich gewesen wäre.219 Mit der Kritik an der Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis ging eine neue dogmatische Anknüpfung an den schuldrechtlichen Vertrag einher.220 Gleichwohl verwendete das BAG weiterhin den Begriff der Treuepflicht, worunter fortan eine Pflicht zur Rücksichtnahme verstanden wurde.221 Die Verwendung des Treuepflichtbegriffes ist äußerst heterogen. Teilweise wird der Begriff der Treuepflicht durch die Begriffe der Loyalitäts- und Rücksichtnahmepflicht substituiert.222 Die Treuepflicht firmiert häufig als Oberbegriff für verschiedene Nebenpflichten.223 Im Folgenden soll der Begriff der Treuepflicht durch
214
Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 112, Rn. 80. Siehe hierzu ausführlich Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 62 ff. Niemann, in: Erfurter Kommentar, § 626 BGB, Rn. 127a. 217 Vogelsang, in: Schaub, Arbeitsrecht, V § 54 Rn. 1; Gach/Rützel, BB 1997, 1959 ff.; Schaub/Koch, in: Schaub/Koch, Arbeitsrecht A-Z, Treuepflicht (Nebenpflicht) halten die Begrifflichkeit für überholt, Reichold spricht davon, dass der Begriff Treuepflicht nur noch historischen Wert habe, vgl. Reichold, in: Moll, § 47, Rn. 2; Schulz geht davon aus, dass der Begriff Treuepflicht nur noch als Oberbegriff für verschiedenste Nebenpflichten dient und zunehmend durch den Begriff Loyalitäts- und Rücksichtnahmepflicht ersetzt wird, vgl. Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 67; ausführlich hierzu insgesamt Wendeling-Schröder, Autonomie, S. 70 ff. 218 Linck, in: Schaub, Arbeitsrecht, V § 53 Rn. 1, Reichhold, in: Moll, § 47, Rn. 5. 219 Reichhold, in: Moll, § 47, Rn. 2. 220 Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 67. 221 BAGE 26, 219ff; Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 67. 222 Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 67. 223 Müller, NZA 2002, 424 (429); Schmitt, Whistleblowing, S. 28. 215 216
B. Macht in Arbeitsverhältnissen
57
den Begriff der Rücksichtnahmepflicht ersetzt werden, um die Distanzierung von der Einordnung des Arbeitsverhältnisses als Gemeinschaftsverhältnisses zu verdeutlichen.224 Die Rücksichtnahmepflicht lässt sich aus § 242 BGB herleiten und findet sich in § 241 II BGB wieder.225 Inhalt der Rücksichtnahmepflicht ist die Verpflichtung, auf die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen und sie im zumutbaren Umfang zu wahren.226 Beim Whistleblowing tangiert die Rücksichtnahmepflicht die Frage, wie eine Meldung erfolgen kann.227 In der Rücksichtnahmepflicht
entfaltet
sich
die
mittelbare
Drittwirkung
der
Grundrechte.
Die
Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 II BGB muss demnach im Licht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 I 1 Alt. 1 GG grundrechtskonform ausgelegt werden. Letztendlich ist bei der Anwendung der Rücksichtnahmepflicht und insbesondere für die Frage, ob eine Kündigung gerechtfertigt ist, eine Interessenabwägung vorzunehmen. Verstöße gegen die Rücksichtnahmepflicht können zur verhaltensbedingten, in schweren Fällen auch zu außerordentlichen Kündigungen gemäß § 626 I BGB führen.228 Aus der Rücksichtnahmepflicht wurden verschiedene, ungeschriebene Nebenpflichten gefolgert, die für das Whistleblowing Relevanz entfalten können. b) Verschwiegenheitspflicht Für das Whistleblowing von Bedeutung ist insbesondere die Verschwiegenheitspflicht. Sie verpflichtet den Arbeitnehmer über Tatsachen und Vorgänge, die er im Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit erfahren hat und deren Geheimhaltung im Interesse des Arbeitgebers liegt, Stillschweigen zu bewahren.229 Bei einem Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht kann eine Abmahnung nach § 314 II BGB erfolgen, er kann aber auch den wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 I BGB darstellen.230 Verschwiegenheitspflichten werden auch durch gesetzliche Bestimmungen festgesetzt.231 Zudem können sie Gegenstand von expliziten, arbeitsvertraglichen Geheimhaltungsvereinbarungen sein.232 Betreibt ein Arbeitnehmer Whistleblowing und gibt dabei solche
Betriebsinterna
weiter,
verletzt
er
diese
Verschwiegenheitspflicht.
Auf
die
Verschwiegenheitspflichten des Arbeitnehmers soll gesondert noch im Rahmen der Erörterungen zum Spannungsfeld Geheimnis eingegangen werden.233
224
Für das Verwenden des Terminus Rücksichtnahmepflicht bzw. -gebot auch Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193 (194-195); Gänßle, KJ 2007, 265 (270); Wendeling-Schröder, Autonomie, S. 72; Reinfeld, Verschwiegenheitspflicht, S. 4; Kreis, Whistleblowing S. 66. 225 Preis, in: Erfurter Kommentar, § 611a BGB, Rn. 707. 226 BAGE 107, 36; BAG, Urteil vom 24.6.2004 - 2 AZR 63/03, NZA 2005, 158 (160f.); 227 Kreis, Whistleblowing, S. 52; Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193 (196); Preis/Reinfeld, AuR 1989, 361 (363). 228 Reichhold, in: Moll, § 50, Rn. 9. 229 Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193 (195); Müller, NZA 2002, 424 (429). 230 Lopacki, ZBR 2016, 329 (337). 231 Z.B. §§ 116, 93 I 3 AktG, § 79 I BetrVG, § 13 Nr. 6 BBiG, § 24 II ArbnErfG. 232 Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 68. 233 Siehe unten Kapitel Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, S. 78.
58
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen c) Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens
Als weitere Ausprägung der Rücksichtnahmepflicht kommt die Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens in Betracht. Dieser Betriebsfrieden darf nicht durch Handlungen oder Äußerungen des Arbeitnehmers ernstlich oder schwer gefährdet werden, sodass die Zusammenarbeit mit Kollegen oder dem Arbeitgeber unzumutbar wird.234 Allerdings wird die Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens in der Praxis vornehmlich bei politischen Meinungsäußerungen diskutiert, sodass sie für die Problematik des Whistleblowings keine Relevanz aufweist.235 d) Schadensabwendungspflicht Des Weiteren ist eine Schadensabwendungs- beziehungsweise Interessenwahrungspflicht anerkannt.236 Hierunter fällt die Pflicht, Schäden an den Rechtsgütern des Arbeitgebers abzuwenden und ihn über alle wesentlichen Vorkommnisse im Betrieb zu informieren.237 Bei eingetretenen Schäden oder Gefahren muss der Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer informiert werden.238 Damit existiert eine Anzeigepflicht des Arbeitnehmers losgelöst von konkreten vertraglichen Vereinbarungen zur Anzeigepflicht.239 Begrenzt wird diese Anzeigepflicht durch das Kriterium der Zumutbarkeit.240 Über dieses Kriterium gelangt man auch hier zu einer Interessenabwägung.241 Unbeantwortet bleibt damit aber die Frage, ob eine generelle Anzeigepflicht besteht. Während bei Schäden, die im Pflichtenkreis des Arbeitnehmers auftreten, bereits die Schadenabwendungs- und Interessenwahrungspflicht zur Anzeige verpflichte, sei dies bei Schäden, die in einem fremden Pflichtenkreis auftreten, nicht eindeutig.242 Hier käme eine generelle Anzeigepflicht zum Tragen. Die Rechtsprechung hat bislang keine generelle Anzeigepflicht angenommen. Bei Schäden in einem fremden Pflichtenkreis ging die Rechtsprechung bislang nur dann von einer Anzeigepflicht aus, wenn der Arbeitnehmer eine Überwachungs- und Kontrollfunktion innehatte.243 Zwölf Jahre später sah das BAG einen Arbeitnehmer zur Meldung verpflichtet an, zu dessen Aufgabenbereich auch die Überwachung der Abrechnung des Hauskassierers zählte. Das Gericht bejahte eine Meldepflicht für den Fall, dass die schädigende Handlung im Aufgabenfeld des Arbeitnehmers stattfinde, sodass dadurch
234
Neumann, Whistleblowing, S. 31. Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 121, Rn. 104; Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 69; Schmidt, in: Erfurter Kommentar, Art. 5 GG Rn. 34, ausführlich zum Betriebsfrieden, Düsel, Gespaltene Loyalität, S. 126 ff. 236 Preis, in: Erfurter Kommentar, § 611a BGB, Rn. 744; Schmitt, Whistleblowing, S. 28; Düsel, Gespaltene Loyalität, S. 293; Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 129, Rn. 128. 237 Siehe hierzu Preis, in: Erfurter Kommentar, § 611a BGB, Rn. 741 ff. 238 Reinfeld, in: Moll, § 33, Rn. 35; BAG NZA 2009, 193 (194). 239 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 129, Rn. 128, siehe ausführlich zur Anzeigepflicht Schweizer, Whistleblowing. 240 Schuster/Darsow, NZA 2005, 273 (276); Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 130, Rn. 129. 241 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 130, Rn. 129. 242 Graser, Whistleblowing, S. 157. 243 BAG, Urteil vom 12.5.1958 - 2 AZR 539/56, NJW 1958, 1747 (1748). Wobei das Gericht eine solche Überwachungs- und Kontrollfunktion bejahte, obwohl keine ausdrückliche Vertragsabsprache existierte, indem es die Funktion aus der Treuepflicht ableitete; Schulz, BB 2011, 629 (631). 235
B. Macht in Arbeitsverhältnissen
59
Sachnähe gegeben sei und einer Wiederholungsgefahr begegnet werden könne.244 Neben den von der Rechtsprechung angenommen Fällen der Überwachungsfunktion, wird eine Meldepflicht dann angenommen, wenn ein nicht völlig unerheblicher Personenschaden oder ein schwerer Sachschaden droht.245 Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Den Arbeitgeber trifft gegenüber seinen Arbeitnehmern eine Fürsorgepflicht.246 Diese dient als Oberbegriff für die dem Arbeitgeber obliegenden Rücksichtnahme- und Schutzpflichten.247 Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zu schützen, das durch Mitarbeiter oder Dritte verletzt wird, auf die der Arbeitgeber vertraglich Einfluss ausüben kann.248 Relevant kann dieser Aspekt der Schutzpflicht beim Whistleblowing dann werden, wenn es zur zwischenmenschlichen Sanktion des Mobbings kommt. Der Arbeitnehmer muss vor schikanösen, systematisch anfeindenden oder diskriminierenden Verhaltensweisen, die Vorgesetzte oder andere Arbeitnehmer249 gegenüber ihm ausleben, durch den Arbeitgeber geschützt werden. Der Arbeitgeber hat den Betrieb so auszugestalten, dass eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen ist.250 Fazit Festzuhalten bleibt, dass sich der Umfang der jeweiligen Nebenpflichten im konkreten Einzelfall nur durch eine Interessenabwägung feststellen lässt. Alles in allem stellt sich somit die Frage nach der Möglichkeit eines berechtigten Whistleblowings im Lichte dieser Nebenpflichten. Dabei setzen die Grundrechte den Nebenpflichten Grenzen. Bestehende Regeln zum Whistleblowing Ist der Arbeitnehmer gesetzlich oder vertraglich zur Hinweisgebung verpflichtet oder berechtigt, dann kann dies keine Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten darstellen.251 Wie sich bei näherer Betrachtung der gesetzlichen Regelungen zum Whistleblowing zeigt, sind bestehende Regeln zum Whistleblowing nur für spezifische Konstellationen einschlägig.
244
BAG, Urteil vom 18.6.1970 - 1 AZR 520/69, NJW 1970, 1861 (1861); zu einer diffusen Behandlung einer Meldepflicht in einer Entscheidung des LAG Berlin vom 23.2.1989 siehe ausführlich Schulz, BB 2011, 629 (633). 245 Preis, in: Erfurter Kommentar, § 611a BGB, Rn. 742; Joussen, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 611a, Rn. 446. 246 Zum Teil wird die Fürsorgepflicht auch als Schutzpflicht bezeichnet, siehe Joussen, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 611a, Rn. 289. 247 Ruge/Krömer, Fürsorgepflicht, S. 278. Einfachgesetzlich erfährt die arbeitgeberliche Fürsorgepflicht beispielsweise eine Ausgestaltung in § 618 BGB, der besagt, dass der Dienstberechtigte Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten hat, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Andernfalls kann er sich nach Absatz 3 schadensersatzpflichtig machen. 248 Vgl. Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 122. 249 Vgl. Ruge/Krömer, Mobbing, S. 364. 250 Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 122. Eufinger legt dar, dass eine Verletzung der Fürsorgepflicht nicht nur bei Mobbing in Betracht kommt, sondern auch in dem Fall, in dem der Arbeitgeber als Whistleblower ein gesetzwidriges Verhalten meldet, siehe Eufinger, NZA 2017, 619 (621). 251 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 132, Rn. 134; Graser, Whistleblowing, S. 154; Müller, NZA 2002, 424 (432).
60
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen a) § 17 II ArbSchG
§ 17 II ArbSchG gibt dem Beschäftigten, der aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung ist, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, ein Beschwerderecht gegenüber dem Arbeitgeber. Sollte dieser keine Abhilfe schaffen, kann sich der Beschäftigte gemäß § 17 II 1 ArbSchG an die zuständige Behörde wenden. § 17 II 2 ArbSchG legt fest, dass dem Beschäftigten aus seinen Meldungen keine Nachteile entstehen dürfen.252 Der Anwendungsbereich der Norm ist auf Beschwerden zur Sicherheit und dem Gesundheitsschutz beschränkt. Aufgrund des beschränkten Anwendungsbereiches ist in § 17 II 2 ArbSchG nur eine spezifische WhistleblowingNorm zu sehen. In Zusammenschau mit der ihr zugrundeliegenden Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie ergibt sich, dass § 17 II 2 ArbSchG nicht das objektive Vorliegen einer konkreten Gefahr verlangt, sondern konkrete Anhaltspunkte des Betroffenen genügen lässt.253 Sinn und Zweck der Regelung, nämlich die Gewährleistung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit, sprechen dafür, dass auch bei Gefährdungen Dritter die Beschwerde aus § 17 II ArbSchG erfolgen darf und der Arbeitnehmer mit einer Meldung nicht erst warten muss, bis er persönlich betroffen ist.254 Aus der Norm ist nicht eindeutig ersichtlich, ob es zunächst eines innerbetrieblichen Abhilfeversuches bedarf, bevor das außerbetriebliche Beschwerde- und Anzeigerecht in Anspruch genommen wird. Für den Vorrang des innerbetrieblichen Abhilfeversuchs spreche, dass so der Rücksichtnahme- beziehungsweise Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers Rechnung getragen werden könne.255 Als weiterer Anhaltspunkt für eine vorrangige interne Klärung wird angeführt, dass die zugrundliegende EURichtlinie mit ihrer Formulierung „gemäß der nationalen Rechtsvorschriften beziehungsweise Praktiken“ ein Einfallstor für den hierzulande vertretenen innerbetrieblichen Vorrang eröffne.256 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Problemen, die die Vorschrift aufwirft, ist allerdings insoweit entbehrlich, als sie für den Großteil der Whistleblowing-Fälle schon allein aufgrund ihres Anwendungsbereiches nicht einschlägig ist. Flankiert wird das Beschwerderecht des § 17 II ArbSchG durch § 16 I ArbSchG. Danach haben die Beschäftigten dem Arbeitgeber oder zuständigen Vorgesetzten jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für Sicherheit und Gesundheit sowie jeden an den Schutzsystemen festgestellten
252
Die Vorschrift beruht auf Art. 11 VI der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 89/391/EWG. Beyer, Whistleblowing, S. 50; Schmitt, Whistleblowing, S. 72; Wank, in: Erfurter Kommentar, § 17 ArbSchG, Rn. 2. 254 Vgl. Beyer, Whistleblowing, S. 51. 255 Vgl. Greiner, in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 17 ArbSchG, Rn. 9-9a. 256 Beyer, Whistleblowing, S. 49; Graser, Whistleblowing, S. 173. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, § 17 II ArbSchG sei europarechtswidrig, für den Fall, dass ein interner Abhilfeversuch auch dann gefordert wird, wenn der Arbeitgeber keine wirksamen innerbetrieblichen Beschwerdestrukturen geschaffen hat, siehe Beyer, Whistleblowing, S. 247. 253
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Defekt unverzüglich zu melden. Insofern kann hierin eine Regelung zum internen Whistleblowing im Bereich des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz gesehen werden. b) §§ 84, 85 BetrVG Nach § 84 I BetrVG hat jeder Arbeitnehmer das Recht, sich bei der zuständigen Stelle des Betriebes zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebes benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt. Nach § 84 II BetrVG hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die Behandlung der Beschwerde zu bescheiden und, soweit er die Beschwerde für berechtigt erachtet, ihr abzuhelfen. Gemäß § 84 III BetrVG dürfen dem Arbeitnehmer wegen der Erhebung der Beschwerde keine Nachteile entstehen. Eine Beschwerde nach § 84 BetrVG setzt immer voraus, dass der Arbeitnehmer sich persönlich beeinträchtigt fühlt, sodass eine Beschwerde für Dritte oder aufgrund eines nicht persönlich beeinträchtigenden Missstandes ausgeschlossen ist.257 Die Norm selbst gibt eine Begrenzung des Beschwerdegegenstandes vor, sodass hierin eine spezielle Regelung für begrenzte Fälle des Whistleblowings im Betrieb zu sehen ist. Nach § 85 BetrVG hat der Betriebsrat Beschwerden von Arbeitnehmern entgegenzunehmen und, falls er sie für berechtigt erachtet, beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken (§ 85 I BetrVG). Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Berechtigung der Beschwerde kann der Betriebsrat gemäß § 85 II 1 BetrVG die Einigungsstelle anrufen. c) Whistleblowingvorschriften im Finanzbereich Aufgrund
der
Finanzkrise
wurden
auf
europäischer
Ebene
Rechtsakte
wie
die
Marktmissbrauchsrichtlinie und die Marktmissbrauchsverordnung erlassen, die dazu dienen sollen, den Kapitalmarkt weiter zu regulieren.258 Diese Rechtsakte führen auf nationaler Ebene zu Umsetzungsbedarf, dem durch das Finanzmarkt-Novellierungsgesetz Folge geleistet wurde. Das Gesetz sieht unter anderem die Einführung eines unternehmensinternen Hinweisgebersystems vor.259 Hiervon nicht erfasst sind jedoch zum Beispiel Wirtschaftsprüfer, was in den Medien bereits zur Kritik an dem Gesetzesvorhaben führte.260 Im Bereich der Finanzdienstleistungsbranche besteht eine Schutzregelung für Hinweisgeber in § 4d FinDAG.
§ 4d I FinDAG
legt
zum
einen
fest,
dass
die
Bundesanstalt
für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Hinweisgebersystem zur Annahme von Meldungen über potentielle oder tatsächliche Verstöße gegen Gesetze, Rechtsverordnungen, Allgemeinverfügungen oder sonstige Vorschriften sowie Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union einrichtet, bei denen es ihre Aufgabe ist, die Einhaltungen sicherzustellen oder Verstöße zu ahnden. Mit § 4d VI FinDAG besteht ein Sanktionsschutz; es darf keine arbeitsrechtliche oder strafrechtliche
257
Schulz, Ethikrichtlinien, S. 144; Kreis, Whistleblowing, S. 123. Siehe ausführlich zum Whistleblowing im Finanzaufsichtsrecht Helm, BB 2018, 1538. 259 Vgl. Roth, GWR 2016, 67 (70 ff.); Poelzig, NZG 2016, 492. 260 Zydra, SZ vom 6.6.2016. 258
62
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Sanktion ergehen und auch kein Ersatz von Schäden verlangt werden. Ohne Zustimmung macht die BaFin die Identität des Hinweisgebers nicht bekannt, § 4d III 1 FinDAG und ebenso wenig wird die Identität der Person, die Gegenstand der Meldung ist, preisgegeben, § 4d III 2 FinDAG. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist begrenzt. Als Hinweisgeber kommen nur Mitarbeiter von Unternehmen in Frage, die von der BaFin beaufsichtigt werden oder bei Unternehmen arbeiten, auf die die Tätigkeit des beaufsichtigten Unternehmens ausgelagert wurde.261 Im Finanzbereich existieren neben § 4d FinDAG weitere Regelungen zu Hinweisgebersystemen und Missstandsmeldungen, die aber ebenfalls nur einen begrenzten Anwendungsbereich haben. Auch Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Kreditinstitute müssen gemäß § 25a I 6 Nr. 3 KWG Hinweisgebersysteme einrichten, die es den Mitarbeitern unter Wahrung der Vertraulichkeit ihrer Identität ermöglichen, Verstöße gegen die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 oder gegen das KWG oder gegen die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sowie etwaige strafbare Handlungen innerhalb des Unternehmens an geeignete Stelle zu berichten. Eine Regelung, die ebenfalls die Einrichtung eines Hinweisgebersystems vorsieht und dabei auch die Wahrung von Vertraulichkeit, existiert für Versicherungsunternehmen mit § 23 VI VAG. Weitere Regelungen, die die Einrichtung eines Hinweisgebersystems vorsehen, sind § 28 I 2 Nr. 9 KAGB für Kapitalverwaltungsgesellschaften und abseits des Finanzbereichs § 55b II Nr. 7 WPO für Wirtschaftsprüfer. Nach Art. 32 I MAR müssen die zuständigen Behörden wirksame Mechanismen schaffen, um die Meldung tatsächlicher oder möglicher Verstöße gegen die Marktmissbrauchsverordnung zu ermöglichen. Gemäß Art. 32 IV MAR können die Mitgliedsstaaten im Einklang mit nationalem Recht finanzielle Anreize für Hinweisgeber unter der Voraussetzung gewähren, dass die Whistleblower nicht vertraglich oder gesetzlich zur Meldung verpflichtet sind. Zudem muss für einen finanziellen Anreiz die Information neu sein und zur Verhängung einer verwaltungsrechtlichen oder einer strafrechtlichen Sanktion oder einer verwaltungsrechtlichen Maßnahme gegen den Verstoß führen. Die genannten Regeln spiegeln das Bedürfnis wider, den Risiken und vor allem dem Missbrauchspotential im Finanzbereich zu begegnen. Hierbei wird Hinweisen von Whistleblowern offenbar ein Wert eingeräumt. Mit Ausnahme von Art. 32 MAR, der selbst zum europäischen Recht zu zählen ist, sind die Regeln in diesem Bereich symptomatisch für den Hinweisgeberschutz im nationalen Recht. Die vereinzelten Regelungen, die explizit Whistleblowing zum Inhalt haben, ergehen nur für einen engen Anwendungsbereich, und ihr Erlass ist durch das europäische Recht ausgelöst. Als weiteres Beispiel kann die Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht bei Beamten in Korruptionsfällen genannt werden, auf die im Abschnitt über Beamte ausführlich eingegangen wird.262
261 262
Eufinger, WM 2016, 2336 (2339). Siehe Kapitel Korruptionsbekämpfung als normierte Ausnahme des Geheimnisschutz, S. 252.
B. Macht in Arbeitsverhältnissen
63
d) § 23 III WpHG Im Bereich des Kapitalmarktrechts besteht mit § 23 III WpHG eine Vorschrift, die den Hinweisgeber schützt, indem sie klarstellt, dass derjenige, der eine Anzeige erstattet, wegen dieser Anzeige nicht verantwortlich gemacht werden darf, es sei denn, die Anzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden. e) § 13 AGG und § 27 AGG Ein weiteres Beschwerderecht besteht nach § 13 I AGG. Nach § 13 I 1 AGG haben Beschäftigte das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebes, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt fühlen. Nach § 13 I 2 AGG ist die Beschwerde zu prüfen und das Ergebnis der oder dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen. Nach § 27 I AGG kann sich derjenige, der der Ansicht ist, wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden zu sein, an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden. Diese Stelle unterstützt gemäß § 27 II 1 AGG auf unabhängige Weise den Beschwerdeführer bei der Durchsetzung seiner Rechte zum Schutz vor Benachteiligungen. Auch hier ist der Anwendungsbereich der Norm sehr begrenzt und erfasst nur die in § 1 AGG genannten Gründe. f) § 58b I Nr. 2 BImSchG Nach § 58 b I Nr. 2 BImSchG ist der Störfallbeauftragte berechtigt und verpflichtet, dem Betreiber unverzüglich ihm bekannt gewordene Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebes mitzuteilen, die zu Gefahren der Allgemeinheit und die Nachbarschaft führen können. Diese Norm zählt zu den speziellsten Whistleblowing-Normen, ist doch ihr Anwendungsbereich schon personell auf die Person des Störfallbeauftragten begrenzt. g) Art. 77 DSGVO Nach Art. 77 DSGVO besteht für jede betroffene Person das Recht, sich bei der Aufsichtsbehörde zu beschweren. Notwendig ist hierzu aber eine eigene Betroffenheit.263 Inhaltlich ausreichend ist gemäß Art. 77 I DSGVO, dass der Betroffene davon ausgeht, dass die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten gegen die Verordnung verstößt.264 Nach Art. 57 I lit. f DSGVO ist die Aufsichtsbehörde verpflichtet, eine Prüfung der Beschwerde vorzunehmen, die der gebotenen Sorgfalt entspricht und deren Umfang angemessen ist.265 h) § 6 V GwG Das Geldwäschegesetz sieht eine Hinweisgeberregelung in § 6 V GwG vor, die dazu verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, dass Hinweisgeber unter Wahrung der Vertraulichkeit Verstöße gegen 263
Von Lewinski, in: Auernhammer, Art. 77 DSGVO, Rn. 2. Bergt, in: Kühling/Buchner, Art. 77 DSGVO, Rn. 10. 265 Bergt, in: Kühling/Buchner, Art. 77 DSGVO, Rn. 16. 264
64
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
geldwäscherechtliche Vorschriften an geeignete Stellen melden können. Die Vorschrift basiert auf der 4. EU-Geldwäscherichtlinie.266 Nach § 48 I GWG darf nicht verantwortlich gemacht werden, wer Sachverhalte nach § 43 I GWG meldet oder eine Strafanzeige nach § 158 StPO stellt, es sei denn, die Meldung oder Strafanzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden. i)
§ 138 StGB als Anzeigepflicht
Im Strafrecht existiert keine allgemeine Verpflichtung, Straftaten anzuzeigen.267 Eine Besonderheit stellt insofern § 138 StGB dar. Gemäß § 138 I StGB ist derjenige zur Anzeige an Behörden oder den Bedrohten verpflichtet, der von dem Vorhaben oder der Ausführung einer in § 138 I StGB genannten Taten erfährt, zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann. Nach § 138 II StGB besteht eine Anzeigepflicht gegenüber der Behörde für die dort genannten Straftaten. Der Katalog der Straftaten, bei denen eine Anzeigepflicht besteht, ist jedoch sehr begrenzt, und diese weisen typischerweise gerade keinen Unternehmensbezug auf.268 j)
Benachteiligungsverbot nach § 612a BGB
§ 612a BGB ist keine Whistleblowing-Vorschrift im eigentlichen Sinne, sondern enthält ein allgemeines Benachteiligungsverbot für die Fälle, in denen der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt hat. Da beim Whistleblowing aber gerade unklar ist, inwieweit der Arbeitnehmer berechtigterweise Hinweise geben kann und er dabei nicht gegen seine Loyalitäts- und Verschwiegenheitspflicht verstößt, bietet die Vorschrift dem Hinweisgeber keinen echten Schutz. Hinzu kommt auch, dass dem Arbeitnehmer die Beweislast obliegt, dass er in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt und der Arbeitgeber in unzulässiger Weise ihn benachteiligt hat, wobei auch der Kausalzusammenhang zu beweisen ist.269 Dies fällt dem Arbeitnehmer regelmäßig schwer.270 k) Fazit Mithin zeigt sich, dass die bestehenden Regeln zum Whistleblowing einen nur sehr begrenzten Anwendungsbereich haben, sodass ein Rückgriff auf diese Regeln für das Gros der WhistleblowingFälle nicht in Betracht kommt. Für eine gesetzliche Regelung zum Whistleblowing, die allgemeingültig ist, besteht somit noch ein erheblicher Anwendungsbereich. Neben den Fällen, in denen eine Anzeigepflicht besteht, ist auch dann keine Nebenpflichtverletzung gegeben, wenn der Arbeitnehmer sich selbst dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen würde oder er selbst der Betroffene der Straftat beziehungsweise Ordnungswidrigkeit ist.271 Abgesehen von diesen Ausnahmen, ist in den allermeisten
266
Herzog, in: Herzog, § 6 GWG, Rn. 21. Berthold, Whistleblowing, S. 65; Sternberg/Lieben, in: Schönke/Schröder, § 138 StGB, Rn. 1. Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 126, Rn. 118. 269 Preis, in: Erfurter Kommentar, § 612a BGB, Rn 22; Müller-Glöge, in: MüKO BGB, § 612a BGB, Rn. 24. 270 Garden/Hiéramente, BB 2019, 963 (965). 271 BAG, Urteil vom 3.7.2003 - 2 AZR 235/02, NJW 2004, 1547 (1550); Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 144, Rn. 161; Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193 (198); Düsel, Gespaltene Loyalität, S. 263. 267 268
B. Macht in Arbeitsverhältnissen
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Fällen die Frage, ob der Whistleblower zur Hinweisgebung berechtigt ist, unter Heranziehung der Nebenpflichten und einer dort stattfindenden Interessenabwägung zu beantworten.
III.
Falsche Verdächtigung und strafrechtlicher Ehrschutz als Grenze des Whistleblowings
Neben den strafrechtlichen Vorschriften, die dem Geheimnisschutz dienen und auf die ausführlich in den Erläuterungen zum Spannungsfeld Geheimnis Bezug genommen werden soll, existieren weitere strafrechtliche Grenzen des Whistleblowings. Das Machtverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird somit nicht nur durch arbeitsrechtliche Rechte und Pflichten und die Grundrechte determiniert. Es bestehen daneben auch strafrechtliche Begrenzungen für den Umgang miteinander. Dabei trifft das strafrechtliche Sanktionsrisiko nicht nur Whistleblower, die denunziatorisch vorgehen. Die Tatsache, dass sich der Hinweis in vielen Fällen nur auf einen Verdacht stützen wird, führt dazu, dass Whistleblower sich einem strafrechtlichen Sanktionsrisiko aussetzen.272 Welche Grenzen das Strafrecht dem Whistleblowing setzt und wie wahrscheinlich eine strafrechtliche Sanktion tatsächlich ist, soll im Folgenden erläutert werden. § 164 StGB Nach § 164 I StGB wird bestraft, wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen. Entsprechend werden nach § 164 II StGB sonstige Behauptungen bestraft, die wider besseres Wissen aufgestellt werden und die geeignet sind, ein behördliches Verfahren oder eine andere behördliche Maßnahme herbeizuführen oder fortdauern zu lassen. Im Gegensatz zu § 164 I StGB erfasst § 164 II StGB Behauptungen, die keine Straftaten oder Dienstverletzungen als Bezugspunkt haben, also beispielsweise Ordnungswidrigkeiten.273 a) Objektiver Tatbestand des § 164 I StGB Der objektive Tatbestand des § 164 StGB ist weit gefasst. Es genügt eine formlose274 unwahre Verdächtigung gegenüber der Öffentlichkeit, also einer nach Zahl und Individualität unbestimmten Menge von Personen.275 Damit kann die Öffentlichkeit auch im Kollegenkreis gegeben sein, zumindest, wenn dieser groß ist und der persönliche Bestand wechselt.276 Verlangt wird die Behauptung von
272
Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 102, Rn. 54. Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 164 StGB, Rn. 12 ff.; Zopfs, in: MüKO StGB, § 164 StGB, Rn. 37; Soppa, Strafbarkeit Whistleblower, S. 198. 274 Vgl. zur Verdächtigung Zopfs, in: MüKO StGB, § 164 StGB, Rn. 20; Vormbaum, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 164 StGB, Rn. 37; Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 186 StGB, Rn. 9. 275 Vgl. Vormbaum, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 164 StGB, Rn. 37; Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 186 StGB, Rn. 19. 276 BGH, Urteil vom 13.3.1958 - 4 StR 27/58, NJW 1958, 757; Zimmermann, ArbR 2012, 58 (60). 273
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Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Tatsachen und gerade keine bloßen Urteile oder Rechtsbehauptungen.277 Die herrschende Literatur und BGH sind sich uneins, ob der Täter auch tatsächlich unschuldig sein muss, oder ob auch ein schuldiger Täter, über den der sich Äußernde unrichtige Tatsachen behauptet, vom objektiven Tatbestand des § 164 StGB erfasst ist. Nach der Rechtsprechung muss es sich stets um eine unschuldige Person handeln,278 die Literatur erfasst auch den tatsächlich schuldigen Täter.279 b) Subjektiver Tatbestand des § 164 StGB Der Täter muss in Bezug auf die Unwahrheit der Tatsachen wider besseres Wissen handeln, bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale muss bedingter Vorsatz gegeben sein.280 Subjektiv wird verlangt, dass der Täter zum einen bei der Verdächtigung positive Kenntnis von der Unwahrheit hat, er muss also von der Falschheit der behaupteten Tatsachen überzeugt sein.281 Zum anderen muss es ihm gerade darauf ankommen, die Einleitung eines behördlichen Verfahrens herbeizuführen,282 was aber bei Hinweisgebern regelmäßig der Fall sein dürfte. Das Tatbestandsmerkmal „wider besseres Wissen“ verhindert, dass jeder Hinweis, der sich im Nachhinein als falsch herausstellt, zu einem Ermittlungsverfahren führt.283 Wenn der Hinweisgeber die Aufklärung eines zweifelhaften Sachverhaltes anstrebt und seine Zweifel und die Umstände, die entlastend wirken, mitteilt, besteht kein Sanktionsrisiko.284 Durch die tatbestandlichen Einschränkungen ist eine Strafbarkeit des Hinweisgebers, der tatsächlich um Aufklärung bemüht ist und seine Meldung auf richtige Tatsachen stützt oder seine Zweifel kenntlich macht, nicht gegeben. Die Vorschrift zeigt dann Wirkung, wenn ein Denunziant bewusst falsche Tatsachen behauptet. Ehrverletzungsdelikte a) Tatbestand der Ehrverletzungsdelikte der Beleidigung, § 185 StGB und üblen Nachrede, § 186 StGB aa) Kein Sanktionsrisiko nach § 185 StGB für redliche Hinweisgeber § 185 StGB stellt die Beleidigung unter Strafe. Eine Beleidigung ist die ehrverletzende Kundgabe eigener Nichtachtung, Geringachtung oder Missachtung.285 Die bewusst unwahre Bezichtigung, eine Person habe eine Straftat begangen, ist die Behauptung einer ehrenrührigen Tatsache286 und erfüllt damit
277
Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 164 StGB, Rn. 6/7. BGHSt 35, 50 (53). Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 164 StGB, Rn. 16. 279 Zopfs, in: MüKO StGB, § 164 StGB, Rn. 34; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 164 StGB, Rn. 7; Fezer, NStZ 1988, 176 (177). 280 Zopfs, in: MüKo StGB, § 164 StGB, Rn. 40; 281 Vorbaum, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 164 StGB, Rn. 57. 282 Zopfs, in: MüKO StGB, § 164 StGB, Rn.40; Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 164 StGB, Rn. 29 ff. 283 Zu der geschichtlichen Entwicklung dieser Vorschrift unter diesem Aspekt siehe Koch, NJW 2005, 943 (944). 284 Vgl. Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 164, Rn. 18. 285 Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 185 StGB, Rn. 2; Kühl, in: Lackner/Kühl, §185 StGB, Rn. 3; Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 185, Rn. 1. 286 Vgl. Kühl, in: Lackner/Kühl, § 185 StGB, Rn. 2; Zimmermann, ArbR 2012, 58 (60); eine ehrenrührige Behauptung, die wahr ist, ist nicht strafbar nach deutschem Recht, Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 185 StGB, Rn. 11. 278
B. Macht in Arbeitsverhältnissen
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den objektiven Tatbestand des § 185 StGB. Die Unwahrheit muss vom Vorsatz erfasst sein.287 Durch diese Vorschrift können Denunzianten, die bewusst unwahr bezichtigen, sanktioniert werden. Ein Sanktionsrisiko für den redlichen Hinweisgeber besteht nicht. bb) Sanktionsrisiko nach §§ 186f. StGB Ein Sanktionsrisiko für den Hinweisgeber ergibt sich jedoch aus §§ 186, 187 StGB. Zwar entstehe aus Vorwürfen, die sich im Nachhinein als wahr erweisen würden, kein Sanktionsrisiko durch Ehrverletzungsdelikte.288 Problematisch seien aber die Fälle, in denen zum einen in Bezug auf die Wahrheit oder Unwahrheit des Vorwurfes eine non liquet – Situation bestehe, zum anderen die Fälle, in denen sich der Vorwurf im Nachhinein als nicht zutreffend herausstelle.289 Im Gegensatz zu § 185 StGB sind von § 186 StGB, wie auch von § 187 StGB, nur ehrenrührige Tatsachen und keine Werturteile erfasst.290 Nach § 186 StGB macht sich der üblen Nachrede strafbar, wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche geeignet ist, denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist. Das Behaupten einer Tatsache beinhaltet, dass der Behauptende erklärt, dass er die Tatsache als wahr erachtet.291 Beispiel für das Behaupten einer Tatsache wäre eine objektiv falsche Strafanzeige. Eine solche Strafanzeige kann den Angezeigten verächtlich machen oder in der öffentlichen Meinung herabwürdigen.292 Im bloßen Äußern des Verdachts einer strafbaren Handlung kann nicht generell eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung gesehen werden, eine solche kann sich aber durch Auslegung im Einzelfall ergeben.293 Dadurch, dass die herrschende Meinung die Nichterweislichkeit der Tatsache als objektive Bedingung der Strafbarkeit ansieht, liegt, wenn sich die Tatsache als wahr erweist, ein Strafausschließungsgrund vor.294 Damit kommt der Tatbestand des § 186 StGB insbesondere dann in Betracht, wenn die aufgestellte Behauptung nicht erweislich wahr ist, aber auch deren Unrichtigkeit nicht feststeht.295 Tatbestandlich sei § 186 StGB deshalb in Bezug auf das Whistleblowing auch dann erfüllt, wenn der Hinweisgeber trotz gründlicher Recherche nicht erkennen konnte, dass seine Behauptung unwahr sei.296 Zur Korrektur dieser im Hinblick auf das Schuldprinzip bedenklichen Konsequenz wird vorgeschlagen, dass bezüglich der Unwahrheit zumindest Fahrlässigkeit
287
Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 185 StGB, Rn 11. Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 107, Rn. 68. 289 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 108, Rn. 68. 290 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 106, Rn. 65 m.w.N. 291 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 186 StGB, Rn. 5. 292 Koch, NJW 2005, 943 (944). 293 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 107, Rn. 66; RGSt. 60, 373 und 67, 268; OLG Köln, Urteil vom 7.6.1963 – Ss 85/63, NJW 1963, 1634; OLG Hamm, Urteil vom 15.1.1971 – 3 Ss 972/70, NJW 1971, 853; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 186, Rn. 5. 294 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 107, Rn. 68; BGHSt 11, 273 (274); Kühl, in: Lackner/Kühl, § 186 StGB, Rn. 7; Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 186, Rn. 1 und 10. 295 Zimmermann, ArbR 2012, 58 (61 ff.). 296 Soppa, Strafbarkeit Whistleblowing, S. 186; Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 109, Rn. 71. 288
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Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
vorliegen muss.297 Bei Tatsachenbehauptungen „ins Blaue hinein“ wäre bei Beachtung dieses Erfordernisses der Tatbestand dann dennoch erfüllt. Die herrschende Meinung kommt bei Fällen, in denen keine Sorgfaltswidrigkeit gegeben ist, im Ergebnis zu einer Straflosigkeit über § 193 StGB auf Ebene der Rechtfertigung.298 Subjektiv wird Vorsatz bezüglich der Ehrenrührigkeit und der Kenntnisnahme durch einen Dritten verlangt. Nach der herrschenden Meinung liegt das Unrecht allein in der Behauptung und Verbreitung einer ehrenrührigen Tatsache, sodass es auf deren Unwahrheit nicht ankommt.299 b) Verleumdung, § 187 StGB Eine Verleumdung i.S.v. § 187 StGB begeht, wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche geeignet ist, denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden. Im Gegensatz zu § 186 StGB wird hier nicht der vermutete, sondern der tatsächliche Geltungswert geschützt.300 Hier ist die Unwahrheit Merkmal des objektiven Tatbestandes.301 Steht weder die Unwahrheit noch die Wahrheit der Vorwürfe fest, liegt also eine non liquet – Situation vor, dann streitet bei § 187 der Grundsatz in dubio pro reo für eine Straflosigkeit.302 Auf Ebene des subjektiven Tatbestandes wird verlangt, dass der Täter bezüglich der Unwahrheit wider besseres Wissen gehandelt hat, mit anderen Worten positive Kenntnis der Unwahrheit hatte.303 In Fällen der Nichtkenntnis der Unwahrheit ist eine Strafbarkeit nach § 187 StGB nicht gegeben. Eine Strafbarkeit kommt mit anderen Worten nur dann in Betracht, wenn der Täter sicher weiß, dass sein Vorwurf unrichtig ist.304 Ein bedingter Vorsatz bezüglich des Merkmals der Unwahrheit genügt nicht.305 c) § 193 StGB § 193 StGB ist nach der herrschenden Meinung ein besonderer Rechtfertigungsgrund für die Delikte nach §§ 185 ff. StGB.306 Hiernach besteht die Befugnis, zur Wahrnehmung berechtigter Interessen, die 297
Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 108; Rn. 71; so z.B. Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 186 StGB, Rn. 21; dagegen: Kühl, in: Lackner/Kühl, § 186 StGB, Rn. 7a. 298 Momsen/Grützner/Oonk, ZIS 2011, 754 (758); Kozak, Whistleblowerschutz, S. 103. 299 BGHSt 11, 273 (274); OLG Hamm, Beschluss vom 30.6.1986 - 4 Ss 271/86, NJW 1987, 1034; Koch, NJW 2005, 943 (944). 300 Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 187 StGB, Rn. 1. 301 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 187 StGB, Rn. 1; Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 107, Rn. 68. 302 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 108, Rn. 68. 303 Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 187 StGB, Rn. 5. 304 Zaczyk in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 187 StGB, Rn. 2 f.; Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 187 StGB, Rn. 5. 305 Zaczyk in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 187 StGB, Rn. 3; Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 187 StGB, Rn. 5; Regge/Pegel, in: MüKO StGB, § 187 StGB, Rn. 10. 306 BVerfGE 12, 133 (115); BverfGE 24, 278 (282); Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 193 StGB, Rn. 1; Joecks/Pegel/Regge, in: MüKO StGB, § 193 StGB, Rn. 1; Zimmermann, ArbR 2012, 58 (61). Die Gegenmeinungen halten § 193 StGB für einen Schuldausschließungsgrund (so noch das Reichsgericht RGSt 6, 405 (409), einen Strafunrechtsausschließungsgrund, oder einen Fall des erlaubten Risikos, für die Zusammenfassung der verschiedenen Meinungen siehe insbesondere mit Nachweisen Joecks/Pegel/Regge, in: MüKO StGB, § 193 StGB, Rn. 1.
B. Macht in Arbeitsverhältnissen
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Ehre eines anderen Menschen zu verletzen.307 Die herrschende Meinung sieht in der Norm eine Güterbeziehungsweise Interessenabwägung.308 Bei den wahrgenommen Interessen kann es sich um private, öffentliche, materielle oder ideelle, sowie um Interessen der Allgemeinheit handeln.309 Rechts- oder sittenwidrige Interessen sind nicht erfasst.310 Als ein Allgemeininteresse ist auch die Verfolgung von Straftaten und Dienstvergehen anzusehen.311 Mithin wird durch den Rechtfertigungsgrund das Sanktionsrisiko geschmälert. Folgt man der herrschenden Meinung in Fällen, in denen die Unwahrheit auch nicht bei sorgfältiger Prüfung erkennbar war, besteht auf Ebene der Rechtswidrigkeit eine größere Rechtsunsicherheit aufgrund der einzelfallbezogenen Güter- und Interessenabwägung, die sich zu Lasten des Hinweisgebers auswirken
kann.
Mangels
gesicherter
Tatsachen
und
gesicherter
Erkenntnisbasis
in
Whistleblowingfällen, wird der Hinweisgeber oftmals mit dem Risiko einer Strafbarkeit nach § 186 StGB behaftet sein.312 Problematisch ist, dass der Whistleblower das Beweisrisiko trägt und damit das Risiko der Verurteilung. Dem Gericht obliegt die Beweisführungslast, indem es von Amts wegen die Wahrheit erforschen muss.313 Ob § 193 StGB als Rechtfertigungsgrund für § 187 dienen kann, ist umstritten,314 allerdings hat dieser Streit für das Whistleblowing kaum Relevanz, weil hier regelmäßig schon der subjektive Tatbestand nicht gegeben ist.315 Neben § 193 StGB kommt als Rechtfertigungsgrund, sowohl für § 186 StGB als auch für § 187 StGB, § 34 StGB in Betracht.316 d) Fazit Abschließend lässt sich festhalten, dass beim Whistleblowing ein Strafbarkeitsrisiko besteht. Insbesondere § 186 StGB erweist sich als riskant, wird doch eine Straflosigkeit nur durch Interessenabwägung auf Ebene der Rechtswidrigkeit erreicht. Jedenfalls ist die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wahrscheinlich, das selbst bei Einstellung des Verfahrens für den Arbeitnehmer äußerst belastend und stigmatisierend sein kann.317 Insofern ist es wahrscheinlich, dass der Arbeitnehmer auch aufgrund des strafrechtlichen Sanktionsrisikos in seiner dezisionalen Privatheit 307
Kühl, in: Lackner/Kühl, § 193 StGB, Rn. 1. Kühl, in: Lackner/Kühl, § 193 StGB, Rn. 1; BVerfGE 42, 143 (152), das die Norm als Ausprägung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung ansieht und ihr gegenüber dem Recht auf Ehre regelmäßig den Vorrang einräumt; für eine Mindermeinung stellt die Norm einen Fall des erlaubten Risikos dar, so Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 193 StGB, Rn. 3. 309 Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 193 StGB, Rn. 18; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 193 StGB, Rn. 7; Kozak, Whistleblowerschutz, S. 103. 310 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 193 StGB, Rn. 5; Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 193 StGB, Rn. 18. 311 Zimmermann, ArbR 2012, 58 (61); Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 109, Rn. 73. 312 Zimmermann, ArbR 2012, 58 (61). 313 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 186 StGB, Rn. 7a. 314 Dagegen z.B. Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 193 StGB, Rn. 2; Joecks in: MüKO StGB, § 193 StGB, Rn. 6. 315 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 109, Rn. 72. 316 Vgl. Kozak, Whistleblowerschutz, S. 100 ff. 317 Zu diesem Aspekt Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 111, Rn. 77. 308
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Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
beeinträchtigt ist. Eine gesetzliche Regelung müsste also, um die Entscheidungsfreiheit zu stärken, klarstellen, dass im Fall des berechtigten Whistleblowings keine strafrechtliche Sanktion, beispielsweise aus § 186 StGB, erfolgen darf.
IV.
Mögliche Sanktionierung des Whistleblowings
Es bestehen auf die Aktion des Whistleblowings diverse Reaktionsmöglichkeiten. Gefürchtet aus Sicht des Whistleblowers sind die Sanktionen durch den Arbeitgeber. Mit ihnen kann der Arbeitgeber Macht über den Arbeitnehmer ausüben. Die drastischste Sanktion, die regelmäßig Auslöser für Gerichtsverfahren ist, ist die Kündigung. Dabei wird häufig die außerordentliche (§ 626 BGB) und hilfsweise die ordentliche (§ 622 BGB) Kündigung erklärt. Daneben besteht die Gefahr, dass es zu zwischenmenschlichen Sanktionen wie Mobbing, Zurückweisung oder Nachteilen für die eigene Karriere kommt. Diese Sanktionen müssen nicht zwangsläufig vom Arbeitgeber selbst ausgehen. Kollegen und Vorgesetzte können den Mitarbeiter, der sich durch das Whistleblowing unbeliebt gemacht hat, als Denunziant verachten und ihn deshalb sanktionieren. Die Reaktion des Arbeitgebers wird unter anderem davon abhängen, wie er sein Unternehmen zum Whistleblowing positioniert hat und wie das Whistleblowing durch den Hinweisgeber betrieben wird. In Unternehmen, in denen ein Hinweisgebersystem eingerichtet wurde und in dem kommuniziert wurde, dass Whistleblowing als wertvolle Informationsquelle geschätzt ist, wird der Whistleblower einem geringeren Sanktionsrisiko ausgesetzt sein, als in Unternehmen, in denen keine solche offene Kommunikationskultur gegeben ist. So kann aus Sicht des Arbeitgebers, vornehmlich internes Whistleblowing dann von Wert sein, wenn es das Informationsinteresse des Arbeitgebers, über Missstände in seinem Betrieb unterrichtet zu werden, befriedigt.
V.
Rechtsprechung zum Whistleblowing bei Arbeitnehmern
Die rechtliche Handhabung von Whistleblowing wurde in Deutschland über Jahrzehnte maßgeblich von der Rechtsprechung bestimmt und ausgestaltet. Mangels gesetzlicher Regelung beurteilt sich die Zulässigkeit des Whistleblowings anhand der von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien. Im Folgenden soll die bislang ergangene nationale Rechtsprechung zum Whistleblowing bei Arbeitnehmern untersucht werden. Das Präjudiz ist wesentliches Rechtsfindungselement, da es an gesetztem Recht mangelt. Eine Untersuchung der Rechtsprechung ist unabdingbar, um festzustellen, was als Recht beim Whistleblowing gilt. Die Richter mussten mangels vollumfänglich kodifizierten Rechts und aufgrund der Lückenhaftigkeit und Auslegungsbedürftigkeit des bestehenden Rechts beim Whistleblowing in verstärktem Umfang rechtsschöpferisch tätig werden.318 Der Fokus soll dabei auf der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegen, die die Kriterien, die beim Whistleblowing angewendet werden, maßgeblich geprägt hat.
318
Zur Befugnis der Richter zur „schöpferischen Rechtsfindung“ siehe BVerfGE 34, 369 (287).
B. Macht in Arbeitsverhältnissen
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Im weiteren Verlauf der Untersuchung erfolgt auch eine Auseinandersetzung mit der europäischen Rechtsprechung zum Whistleblowing. Diese Auseinandersetzung erfolgt erst im Rahmen der Untersuchungen zum Whistleblowing bei Beamten. Der Grund hierfür ist, dass die europäischen Verträge und das europäische Recht gerade nicht zwischen Arbeitnehmern und Beamten differenziert, sodass der europäische Arbeitnehmerbegriff nicht kongruent mit dem nationalen Arbeitnehmerbegriff ist. Da das europäische Recht das nationale Recht modifiziert, soll zunächst ein Überblick über die Rechtsprechung sowohl zu Arbeitnehmern als auch zu Beamten aus nationaler Sicht erfolgen und sodann aufgezeigt werden, inwiefern die europäische Rechtsprechung einen Einfluss auf die nationale Rechtsprechung hat. RAG vom 1.11.1930: Strafanzeige als Grund für fristlose Kündigung trotz Gutgläubigkeit In der allerersten Entscheidung, die zum Whistleblowing erging, hielt das Reichsgericht fest, dass selbst dann „eine unberechtigte Strafanzeige Grund für eine fristlose Kündigung sein kann, wenn der Angestellte gutgläubig ist.“319 Eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bei einer unberechtigten und damit erfolglosen Strafanzeige, sei dem Arbeitgeber nicht zumutbar.320 Hierin offenbarte sich eine arbeitgeberfreundliche Einstellung, die in den kommenden Jahrzehnten, wenn auch in abgeschwächter Form, von der Rechtsprechung beibehalten wurde.321 BAG vom 5.2.1959: Mehrfache Strafanzeigen gegen Arbeitgeber Grund für fristlose Kündigung Das BAG stellte in seinem ersten Urteil zum Whistleblowing fest, dass „eine vom Arbeitnehmer gegen seinen gesetzwidrig handelnden Arbeitgeber erstattete Anzeige […] einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung“ darstellen könne.322 In diesem Fall hatte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber mehrfach angezeigt und in der Vorinstanz hatte das LAG sogar festgehalten, dass wenig Zweifel bestünden, dass der Arbeitgeber in erheblichem Umfang Gesetzeswidrigkeiten begangen habe. Das BAG stellte fest, dass das LAG durchaus die Pflichtenkollision und Drucksituation, in der sich der Arbeitnehmer befand, gesehen hatte. Der Arbeitnehmer lief Gefahr, als Alleintäter verdächtig zu sein beziehungsweise sich selbst strafbar zu machen. Nichtsdestotrotz erkannte das BAG keine Abwägungsmängel in der Abwägung des LAG, und dieses hatte damit den unbestimmten Rechtsbegriff des wichtigen Grundes fehlerfrei angewandt.323 Mit dieser Entscheidung weitete das BAG die Möglichkeiten zu einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund aus. Nunmehr konnte schon eine berechtigte Strafanzeige genügen. Auf Grundrechte des Arbeitnehmers nahm das Gericht noch keinen Bezug.324
319
RAGE 10, 464. Für eine umfassende Zusammenstellung der Rechtsprechung zum Whistleblowing vgl. Berthold, Whistleblowing, S. 9 ff. RAGE 10, 464 (468). 321 Siehe beispielsweise LAG Düsseldorf, Urteil vom 23.10.1959 - 5 Sa 358/58, BB 1960, 523. 322 BAG, Urteil vom 5.2.1959 - 2 AZR 60/56, NJW 1961, 44. 323 BAG, Urteil vom 5.2.1959 - 2 AZR 60/56, NJW 1961, 44 (45). 324 Berthold, Whistleblowing, S. 11; Kozak, Whistleblowerschutz, S. 81. 320
72
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen BAG vom 14.12.1972: „Strahlenschutzbeauftragtenfall“
In einer folgenden Entscheidung befasste sich das BAG mit dem Fall eines Strahlenschutzbeauftragten, der mehrfach Bedenken bezüglich der im Betrieb verwendeten Schleusentürentechnik äußerte und sich deshalb mehrfach an die Aufsichtsbehörde wandte. Die Bedenken stellten sich im Nachhinein als objektiv unberechtigt heraus, allerdings erst, als sich das Verfahren bereits in zweiter Instanz befand. Tatsächlich waren zunächst erhebliche Schäden an den Türen aufgetreten, bei einer weiteren Prüfung hielten diese dann aber stand. Letztendlich wurde dem Strahlenschutzbeauftragten fristlos gekündigt, diese Kündigung wurde aber für unwirksam erklärt. Das BAG hatte sich nun mit der hilfsweise erklärten, fristgemäßen Kündigung auseinanderzusetzen. Das BAG hielt die Revision für begründet, weil das LAG gegen § 286 ZPO verstoßen habe, indem es ohne Begründung festgestellt hatte, dass die Bedenken des Klägers sich als objektiv unberechtigt erwiesen haben und damit zum Ergebnis kam, dass der Kläger unberechtigt Kritik geübt habe. In seinem Leitsatz stellte das BAG fest, dass der Strahlenschutzbeauftragte als Verantwortlicher für die Sicherheit von betrieblichen Einrichtungen, ein Recht habe, „Bedenken gegen den sicheren Zustand […] zu erheben […] [und dass] diese Bedenken, soweit das möglich ist, widerlegt werden müssen. Erst wenn die Zweifel des Arbeitnehmers nach objektiven Maßstäben ausgeräumt sein müssen, kann die Fortsetzung seiner Kritik als Grund für eine ordentliche Kündigung in Betracht kommen.“325 In der Entscheidung zeigte sich bereits die Wertung, dass eine Kündigung bei einer fehlerhaften Anzeige nur dann in Betracht kommt, wenn die Anzeige vorsätzlich oder leichtfertig falsch erhoben wurde, obgleich sie hier nur auf Hinweisgeber, die eine besondere Funktion im Betrieb übernehmen, bezogen wurde.326 BAG vom 4.07.1991: Motiv des Whistleblowers bedeutend Knapp 20 Jahre später befasste sich das BAG327 abermals mit dem Whistleblowing bei Arbeitnehmern. Diese Entscheidung sticht insbesondere durch die Einführung eines neuen Kriteriums für die Rechtmäßigkeit des Whistleblowings hervor: Erstmals wurde auf die Motive des Whistleblowers abgestellt. Dies mag insbesondere an den Umständen des Falles gelegen haben. Arbeitnehmerin und Arbeitgeber führten nämlich eine persönliche Beziehung und lebten auch in einer gemeinsamen Wohnung. Nach der Trennung kündigte der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin ordentlich. Der Arbeitgeber hatte in den Jahren vor der Kündigung seine zu versteuernden Einnahmen durch Manipulation unzulässig verringert und die Arbeitnehmerin gab der Steuerfahndung während einer Durchsuchung gezielte Hinweise bezüglich belastender Unterlagen. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber ihr fristlos. Der Arbeitgeber gab an, dass die Arbeitnehmerin ihm mit Anzeigen beim Finanzamt und dem „auf den Hals hetzen“ der Steuerfahndung im Vorfeld gedroht habe und gesagt habe, sie wolle ihn
325
BAG, Urteil vom 14.12.1972 - 2 AZR 115/72, AP 1 KSchG, NR. 8. So Kothe, in: Moll, § 292, Rn. 71. 327 BAG, Urteil vom 4.07.1991 – 2 AZR 80/91, BeckRS 1991, 30738133. 326
B. Macht in Arbeitsverhältnissen
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privat und beruflich fertigmachen. Die Kenntnis über die steuerlich relevanten Vorgänge besitze sie aufgrund ihrer Stellung als Arbeitnehmerin und nicht als Privatperson. In seiner Entscheidung nahm das BAG auf sein Urteil vom 5.2.1959 Bezug und wiederholte, dass eine berechtigte Anzeige einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen könne. Eine richtige Erkennung und Anwendung des wichtigen Grundes erfolge nur dann, wenn sich die Zumutbarkeitsprüfung auf alle in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls erstrecke und diese vollständig und widerspruchsfrei abgewogen würden. Dabei müsse – und das war das in der Entscheidung neu aufgestellte Kriterium – geprüft werden, aus welchen Motiven heraus die Anzeige erfolge und ob sie eine verhältnismäßige Reaktion auf das Verhalten des Arbeitgebers sei. Die Arbeitnehmerin hatte nie vorgetragen, sie habe sich Straffreiheit durch Selbstanzeige verschaffen wollen. Dann wäre die Abwägung, wie es im Urteil anklingt, unter Umständen anders ausgefallen. Das LAG hatte sich aber fälschlicherweise auf diese rechtlichen Erwägungen der Selbstanzeige wesentlich in seinem Urteil gestützt. Im konkreten Fall war nicht geklärt, ob die Schädigungsabsicht alleiniger Grund für die Anzeige war, sodass das BAG den Streit an das LAG zurückverwies.328 Die Berücksichtigung der Motive des Whistleblowers hat nicht nur Zustimmung erfahren.329 Es stellt sich die Frage, ob in einem Fall, in dem eine Anzeige oder Meldung aufgrund eines konkreten Tatverdachtes und einer sachlichen Grundlage getätigt werden, tatsächlich ein unehrenwertes Motiv wie Rache oder dergleichen das Whistleblowing unberechtigt werden lassen kann. Zum einen ist ein Abstellen auf innere Vorgänge, auf facta interna, immer schwer handhabbar. Subjektive Kriterien sind unbestimmt.330 Die schwierige Handhabbarkeit zeigt sich unter anderem in dem Fall, in dem ein ganzes Motivbündel vorliegt. Dementsprechend ließe sich vorschlagen, eine Reduktion des Kriteriums auf die Fälle vorzunehmen, in denen eine böswillige Motivation den alleinigen Grund für die Anzeige darstellt. Doch nicht nur die schwierige Handhabbarkeit spricht gegen die Berücksichtigung von Motiven. Der Whistleblower kann im Sinne Goethes derjenige sein, der stets das Böse will und stets das Gute schafft. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein öffentliches Interesse an der Aufdeckung des Missstandes besteht und Gefahren für wesentliche Rechtsgüter so verhindert werden können. Des Weiteren wird in der Literatur angeführt, dass schon aus Beweisgründen ein Rückgriff auf die Motivation unterbleiben sollte und diese allenfalls bei grob rechtsmissbräuchlichem Verhalten gewürdigt werden sollte.331 Es erscheine mit dem Rechtsstaat unvereinbar, eine Sanktionierung aufgrund der Gesinnung vorzunehmen.332 Zudem
328
Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 95. Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 95 ff.; Groneberg, Whistleblowing, S. 267; für eine Berücksichtigung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit Kreis, Whistleblowing, S. 171. 330 Eine ähnliche Problematik und dadurch ausgelöste Diskussion zeigt sich im Strafrecht bei den subjektiven Mordmerkmalen wie dem des niedrigen Beweggrundes, die auch Einfallstor für soziokulturelle Wertungen, die zu fraglichen Ergebnissen führen können und für Kasuistik sind, siehe Momsen, NStZ 2003, 237. 331 So Mommsen/Grützner/Oonk, ZIS 2011, 754 (755). 332 Vgl. Kozak, Whistleblowerschutz, S. 28. 329
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Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
stamme die Berücksichtigung der Motive aus der Verhaftung des Whistleblowings im arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzrecht und missachte die öffentlichen (Informations-)Interessen.333 Tatsächlich ist dies das ausschlaggebende Argument. Wird ein Missstand aufgedeckt, der für die Öffentlichkeit von Interesse ist, die Aufdeckung unter Umständen sogar die Öffentlichkeit vor Gefahren bewahrt, dann kann es nicht auf persönliche Motive des Whistleblowers für die Aufdeckung ankommen. Stellt jemand berechtigterweise eine Strafanzeige, fragt man schließlich auch nicht nach dem „Warum“ der Anzeige. Berücksichtigung finden sollten Motive nur dann, wenn tatsächlich kein Missstand vorliegt, der Hinweisgeber aber dennoch einen solchen gemeldet hat und er hierbei leichtfertig oder wider besseren Wissens gehandelt hat. Dann erfolgt die Hinweisgebung unberechtigt. BVerfG vom 2.7.2001: Recht zur Anzeige Das BVerfG befasste sich mit dem Whistleblowing in seinem Kammerbeschluss vom 2.7.2001.334 In diesem Fall wurde Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil eingelegt, in dem eine fristlose Kündigung als wirksam angesehen wurde. Die Kündigung war ausgesprochen worden, weil der Arbeitnehmer Unterlagen an die Staatsanwaltschaft übergeben hatte. Der Arbeitnehmer hatte in einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren zudem gegen seine Arbeitgeberin als Zeuge ausgesagt. Mit der Verfassungsbeschwerde wurde die Verletzung von Art. 2 I GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie aus Art. 12 I GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip gerügt.335 In seinem Leitsatz stellt das BVerfG fest, dass der Anzeigende, der seine staatsbürgerlichen Pflichten erfülle und nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben mache, dadurch keine zivilrechtlichen Nachteile erleiden dürfe.336 Dabei ging das BVerfG nur auf die Rechte des Anzeigenden aus Art. 2 I GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 III GG ein und ließ, nachdem es eine Verletzung desselben festgestellt hatte, offen, ob auch Art. 12 I GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip verletzt sei. Die Problematik, dass eine Kündigung keine Sanktion für ein Verhalten sei,
sondern
die
Möglichkeit
sich
bei
einer
negativen
Zukunftsprognose
von
einem
Dauerschuldverhältnis zu lösen, löste das Gericht auf, indem es die Kündigung als zivilrechtlichen Nachteil für den Arbeitnehmer anerkannte. Eine Besonderheit des Falles ist, dass es darin nicht, wie so häufig, um eine Anzeigenerstattung durch den Hinweisgeber ging, sondern um die Mitwirkung bei der Beweiserhebung. Dabei macht das BVerfG auch für den Fall der Anzeigenerstattung deutlich, dass keine Nachteile erfolgen dürften, wenn damit ein staatsbürgerliches Recht wahrgenommen würde.337 Die Entscheidung des BVerfG stellte einen Wendepunkt in der Rechtsprechung zum Whistleblowing dar. In der Entscheidung wird eine arbeitnehmerfreundlichere Einstellung zum Whistleblowing deutlich, die sich insbesondere in der ausdrücklichen Anerkennung eines Rechts zur Strafanzeige widerspiegelt.
333
Ogorek, in: Liber amoricum für Manfred Weiss, S. 539 (554f.). BVerfG, Beschluss vom 2.7.2001 - 1 BvR 2049/00, NJW 2001, 3474. BVerfG, Beschluss vom 2.7.2001 - 1 BvR 2049/00, NJW 2001, 3474 (3474). 336 BVerfG, Beschluss vom 2.7.2001 - 1 BvR 2049/00, NJW 2001, 3474 (3474). 337 BVerfG, Beschluss vom 2.7.2001 - 1 BvR 2049/00, NJW 2001, 3474 (3474); Kreis, Whistleblowing, S. 34. 334 335
B. Macht in Arbeitsverhältnissen
75
BAG vom 3.7.2003: Relevanz von Grundrechten Nach dem Kammerbeschluss des BVerfG begann auch das BAG, sich mit den Grundrechten des Arbeitnehmers auseinanderzusetzen.338 Zu beurteilen war die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung eines Sozialarbeiters, der bei einem Jugendgemeinschaftswerk tätig war. Vorausgegangen waren Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen dem Sozialarbeiter und seinem Arbeitgeber im Zusammenhang mit den Arbeitszeitabrechnungen des Sozialarbeiters. Dieser erstattete anonym nach Beratung mit einem Anwalt Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gegen den Einrichtungsleiter wegen des Verdachts der Veruntreuung von Geldern. Die folgenden Ermittlungsverfahren wurden eingestellt und es erging lediglich ein Bußgeldbescheid gegen den Einrichtungsleiter.339 Dem Sozialarbeiter wurde fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt. In seiner Entscheidung nahm das BAG Bezug auf die vorangegangene Entscheidung des BVerfG vom 2.7.2001 Bezug, wonach Kündigungen wegen Anzeigen gegen den Arbeitgeber oder Vorgesetzten nur sozial zu rechtfertigen sind, wenn diese unwahre oder leichtfertig falsche Angaben enthalten. Die Vorinstanz hatte unter Anwendung der Kriterien, die das BVerfG in seinem Urteil aufgestellt hatte, die Unwirksamkeit der Kündigung angenommen.340 Das BAG wollte hingegen im Urteil des BVerfG eine Einschränkungsmöglichkeit erkennen, die der Wortlaut der Entscheidung des BVerfGs eröffnete. Das BAG knüpfte dabei an die Formulierung „Regelfall“ an, die das BVerfG verwendet hatte. Eine zur Kündigung berechtigende relevante Pflichtverletzung sei nicht nur dann gegeben, wenn wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht wurden. Die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten durch das Stellen einer Strafanzeige könne auch aus anderen Umständen vorliegen. Diese Umstände müssten im Einzelnen durch das LAG noch geprüft werden.341 Zudem sei dem innerbetrieblichen Abhilfeversuch in diesem Fall besondere Bedeutung beizumessen, weil sich die anonyme Anzeige nicht gegen den Arbeitgeber selbst, sondern gegen einen Vorgesetzten des Anzeigeerstatters gerichtet hatte, was aber dazu führte, dass der Arbeitgeber und dessen Vermögen betroffen waren. In Folge des Kammerbeschlusses des BVerfG ging das BAG dabei auch auf die Grundrechte ein. Die Rücksichtnahmepflicht werde durch die Grundrechte näher ausgestaltet. Es seien die Betätigungsfreiheit gemäß Art. 12 I GG des Arbeitgebers mit den grundrechtlich geschützten Positionen des Arbeitnehmers abzuwägen. Dem Arbeitnehmer stehe dabei eine von Verfassung wegen geforderte und von der Rechtsordnung erlaubte und gebilligte Möglichkeit der Rechtsverfolgung zu. Ob Art. 17 I GG berührt ist, wurde offengelassen. Art. 5 I GG sei mangels Eröffnung des Schutzbereichs bei anonymen Anzeigen nicht einschlägig. Ohne eine deutlich erkennbare persönliche Zuordnung, könne eine anonyme Äußerung nicht an der geistigen Auseinandersetzung teilnehmen. Insgesamt seien die vertraglichen Rücksichtnahmepflichten dahin zu konkretisieren, dass die Anzeige keine
338
Vgl. Berthold, Whistleblowing, S. 25. BAG, Urteil vom 3.7.2003 - 2 AZR 235/02, NJW 2004, 1547 (1547). 340 Kreis, Whistleblowing, S. 35. 341 BAG, Urteil vom 3.7.2003 - 2 AZR 235/02, NJW 2004, 1547 (1548). 339
76
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
unverhältnismäßige Reaktion auf ein Verhalten des Arbeitgebers beziehungsweise seiner Repräsentanten darstellen dürfe.342 Rechtsmissbräuchlichkeit sei zudem bei Schädigungsabsicht gegenüber dem Arbeitgeber gegeben. Ein genereller Vorrang innerbetrieblicher Klärung bestehe hingegen nicht. So sei, wenn keine innerbetriebliche Abhilfe zu erwarten sei beziehungsweise bei schweren Straftaten oder vom Arbeitgeber selbst begangenen Straftaten nicht notwendigerweise innerbetriebliche Abhilfe zu suchen.343 Kritisch wurde an der Entscheidung des BAG aufgenommen, dass das Gericht eine Rückausnahme zur berechtigten Stellung von Anzeigen machte und dadurch den vom BVerfG angedachten Regelfall in sein Gegenteil verkehrte.344 Es wurde in diesem Zusammenhang jedoch auch darauf hingewiesen, dass das BVerfG tatsächlich nach dem Wortlaut nur eine Aussage für den Regelfall getroffen habe, sodass weitere Ausnahmen nicht ausgeschlossen seien.345 Letztendlich kann in dem Urteil des BAG eine Relativierung der Entscheidung des BVerfG gesehen werden.346 BAG vom 7.12.2006: Kein absoluter Vorrang innerbetrieblicher Abhilfe Den darauffolgenden Whistleblowing-Fall,347 mit dem das BAG sich zu befassen hatte, nutzte das Gericht, um missverständliche Aussagen klarzustellen.348 Ein Krankenwagenfahrer arbeitete bei einem gemeinnützigen Verein, der häusliche und private Pflege und Transport betreibt. Der Krankenwagenfahrer erfuhr durch die Schatzmeisterin von Unregelmäßigkeiten bei der Verwaltung von Geldern. Daraufhin erstattete er Anzeige gegen die Vorsitzende des Vereins und deren Ehemann, der dort ebenfalls mit Geschäftsführungsaufgaben betraut war, wegen Veruntreuung. Die Vorsitzende wurde wegen Untreue in 30 Fällen verurteilt, das Verfahren gegen den Ehemann wurde nach § 154 StPO eingestellt. Dem Krankenwagenfahrer wurde fristlos, beziehungsweise hilfsweise fristgerecht gekündigt. Begründet wurde die Kündigung damit, dass der Krankenwagenfahrer bei zwei Patienten den Eigenanteil in Höhe von 25 Euro kassiert habe und die entsprechende Quittung bei dem Verein eingereicht habe. Es erfolgte eine weitere fristlose beziehungsweise hilfsweise fristgerechte Kündigung gegenüber dem Krankenwagenfahrer. Als Grund wurde genannt, dass dieser die Kosten für eine am Kiosk gekaufte Bockwurst von der Schatzmeisterin gegen Beleg habe erstatten lassen.349 Das BAG äußerte sich nochmals zu der Berechtigung von Strafanzeigen. Es stellte fest, dass die Würdigung des LAG, der Krankenwagenfahrer habe durch die Erstattung der Strafanzeige keine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, nicht zu beanstanden sei. Das Motiv des Krankenwagenfahrers sei nicht gewesen, die Vorsitzende, den Ehemann oder den Verein zu schädigen. In seinen Leitsätzen
342
BAG, Urteil vom 3.7.2003 - 2 AZR 235/02, NJW 2004, 1547 (1549). BAG, Urteil vom 3.7.2003 - 2 AZR 235/02, NJW 2004, 1547 (1549f.). So zutreffend Kreis, Whistleblowing, S. 35. 345 Wiese, in FS Otto, S. 621 (638). 346 Manger, Kritik im Arbeitsverhältnis, S. 131. 347 BAG, Urteil vom 7.12.2006 - 2 AZR 400/05, NJW 2007, 2204. 348 Berthold, Whistleblowing, S. 28. 349 BAG, Urteil vom 7.12.2006 - 2 AZR 400/05, NJW 2007, 2204 (2204). 343 344
B. Macht in Arbeitsverhältnissen
77
führte das BAG aus, dass eine Strafanzeige gegen seinen Arbeitgeber ohne vorherige innerbetriebliche Klärung eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellen könne. Jedoch entfalle die Notwendigkeit einer innerbetrieblichen Klärung dann, wenn es sich bei den dem Arbeitgeber zu Last gelegten Vorwürfen um schwerwiegende Vorwürfe handele und die Straftaten vom Arbeitgeber selbst begangen worden seien.350 Das Urteil zeigt also, dass kein absoluter Vorrang der innerbetrieblichen Klärung besteht. Hierbei erwähnte das BAG auch, dass die Strafanzeige im öffentlichen Interesse gelegen habe.351 In erster Instanz war das Arbeitsgericht noch dem Vortrag des Vereins gefolgt, den „schlichten Krankenwagenfahrer“ beträfen die Unregelmäßigkeiten nicht und er habe sich deshalb mit dem Stellen von Strafanzeigen zurückzuhalten. Das LAG war dieser Auffassung nach Ansicht des BAG zu Recht nicht gefolgt.352 Es bestehe ein, von der beruflichen und sonstigen Stellung und ihrer sozialen Bewertung durch Arbeitgeber oder Dritte, unabhängiges Recht zur Erstattung von Strafanzeigen.353 Eine weitere wichtige Aussage, die das BAG tätigte, war die Klarstellung, dass es bei der Frage, ob die Erstattung einer Strafanzeige einen Kündigungsgrund darstellen könne, nicht darauf ankomme, ob sie zur Verurteilung führe oder nicht.354 Eine erfolgte Verurteilung diene lediglich als Indiz dafür, dass die Anzeige nicht leichtfertig gestellt wurde.355 Dabei stellte das BAG klar, dass die Erstattung einer Strafanzeige nicht zu unverhältnismäßigen Reaktionen des Arbeitgebers führen dürfe.356 Zusammenfassung Die Rechtsprechung zum Whistleblowing wurde über die Jahrzehnte arbeitnehmerfreundlicher. Die Rechtsprechung prägt das Machtverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, indem es Rechte und Pflichten konkretisiert. Wichtige Kriterien, die die Rechtsprechung aufstellte, sind die Berücksichtigung der Motive des Whistleblowers, das Recht zur Strafanzeige und dass dem Arbeitnehmer aus der Strafanzeige keine zivilrechtlichen Nachteile erwachsen dürfen, wenn dieser dabei nicht wissentlich unwahre oder leichtfertige Angaben macht, sowie der grundsätzliche Vorrang der innerbetrieblichen Abhilfe, der nur bei schwerwiegenden Vorwürfen nicht greift und dann auch zur
350
BAG, Urteil vom 7.12.2006 - 2 AZR 400/05, NJW 2007, 2204 (2204). BAG, Urteil vom 7.12.2006 - 2 AZR 400/05, NJW 2007, 2204 (2205). BAG, Urteil vom 7.12.2006 - 2 AZR 400/05, NJW 2007, 2204 (2205). 353 BAG, Urteil vom 7.12.2006 - 2 AZR 400/05, NJW 2007, 2204 (2204). 354 BAG, Urteil vom 7.12.2006 - 2 AZR 400/05, NJW 2007, 2204 (2204). 355 BAG, Urteil vom 7.12.2006 - 2 AZR 400/05, NJW 2007, 2204 (2206). 356 BAG, Urteil vom 7.12.2006 - 2 AZR 400/05, NJW 2007, 2204 (2206). Umgekehrt darf auch das Stellen der Strafanzeige durch den Arbeitnehmer keine unverhältnismäßige Reaktion darstellen. Ein Arbeitnehmer, dem befohlen wurde, bestimmte Anordnungen zu befolgen, drohte seinem Arbeitgeber damit, ihn in der Öffentlichkeit anzuprangern und ihn durch Strafanzeigen zu schädigen. Das LAG Rheinland-Pfalz sah hierein eine unverhältnismäßige Reaktion und die außerordentliche Kündigung als wirksam an, LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.11.2016 - 5 Sa 275/16, BeckRS 2016, 112640; siehe hierzu auch ReinhardtKasperek/Denninger, BB 2018, 2484 (2485 f.). Keine unverhältnismäßige Drohung war nach der Rechtsprechung des LAG Düsseldorf jedoch in dem Fall gegeben, in dem eine Arbeitnehmerin erst damit gedroht hatte, an die Öffentlichkeit zu gehen, nachdem die Arbeitgeberin an dem von der Arbeitnehmerin gerügten Verhalten festhalten wollte. Da der Drohung ein Versuch der innerbetrieblichen Abhilfe vorausging, war die Drohung nicht widerrechtlich, siehe LAG Düsseldorf, Beschluss vom 4.10.2016 - 10 TaBV 102/15, BeckRS 2016, 68431; siehe hierzu auch Reinhardt-Kasperek/Denninger, BB 2018, 2484 (2486). 351 352
78
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
sofortigen Strafanzeige berechtigt. Deutlich wurde, dass die Rechtsprechung die Voraussetzungen immer wieder, mal mehr, mal weniger, modifizierte.
VI.
Fazit
Die Rechte und Pflichten beim Whistleblowing durch Arbeitnehmer wurden maßgeblich durch die Voraussetzungen der Rechtsprechung ausgestaltet. Dies bedeutet, dass das spezifische Machtverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber maßgeblich durch die Rechtsprechung ausgestaltet wird. Ansonsten bestehen nur vereinzelte Sonderregelungen für bestimmte Bereiche. Hier ist allerdings die Entwicklung auszumachen, dass das europäische Recht immer mehr an Einfluss gewinnt und dadurch die Verpflichtung, Hinweisgebersysteme einzurichten und Whistleblower-Regelungen zu schaffen, im deutschen Recht immer verbreiteter wird.
Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis Wenn Whistleblower Missstände melden, kann es sein, dass die Meldungen Informationen enthalten, die geheim gehalten werden sollen. Im Folgenden wird daher betrachtet, wie der Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist.
I.
Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Unternehmensgeheimsphäre Bei natürlichen Personen existiert der Schutz der Privatsphäre. Bei juristischen Personen und damit bei Unternehmen muss ebenfalls ein geschützter Bereich bestehen.357 Während die informationelle Selbstbestimmung mit ihrer Anbindung an das Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I GG und die Menschenwürde nach Art. 1 I GG nur natürliche Personen schützt, wird der Schutz von schutzwürdigen Daten bei juristischen Personen über den Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses erlangt.358 357
Ob man dies als „Privatheit“ des Unternehmens beziehungsweise der juristischen Person bezeichnen kann, richtet sich danach, ob man „Privatheit“ als Ausdruck des Menschseins auffasst. Solove spricht in diesem Zusammenhang von „personhood“, Solove, Understanding Privacy, S. 29 ff.; Solove, California Law Review 2002, 1087 (1116). Dabei stützt sich die Annahme, dass Privatheit Ausdruck des Menschseins sei, darauf, dass die Privatheit die Individualität, die Würde und die Autonomie schütze, Solove, California Law Review 2002, 1087 (1116) m.w.N., also Güter, welche juristischen Personen nicht zugeschrieben werden. Auch im deutschen Recht wird darauf hingewiesen, dass Unternehmen zwar einen geschützten Bereich benötigten, dieser Schutz aber nicht auf der Menschenwürde fußen würde, siehe Ohly, GRUR 2014, 1 m.w.N. Eine Konzeption von Privatheit des Unternehmens beziehungsweise der juristischen Person ist aber dann denkbar, wenn man Privatheit im Kern mit Geheimhaltung gleichsetzt, so Pfisterer, Unternehmensprivatsphäre, S. 225 m.w.N. 358 Kloepfer/Schärdel, JZ 2009, 453 (457). Hier spiegelt sich auch das Problem wider, ob Unternehmen beziehungsweise juristischen Personen des Privatrechts ein Recht auf Privatssphäre zukommt. Bedenkt man, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelt wurde, siehe hierzu Hornung, Grundrechtsinnovationen, S. 272, scheint eine Berufung von Unternehmen darauf äußerst zweifelhaft, kommt ihnen doch weder eine Intim- noch eine Privatsphäre zu, so Kloepfer, Gutachten 2011, S. 11; siehe hierzu auch Druey, Geheimsphäre, S. 89 ff. Allerdings lässt sich mit dem Durchschlagargument auf die dahinterstehenden natürlichen Personen argumentieren. Dem kann entgegengesetzt werden, dass die Schutzrichtung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung primär als Abwehrrecht gegen den Staat konzipiert wurde, wohingegen der Schutz von Unternehmensgeheimnissen die Kenntnis durch Wettbewerber vermeiden soll, siehe Frank, Schutz von Unternehmensgeheimnissen, S. 188 f. Ob dies in einer digitalisierten Gesellschaft, in der das Recht auf informationelle Selbstbestimmung immer mehr als Abwehrrecht gegen die Datenerhebungen und -verarbeitungen durch private Dritte benötigt
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
79
Zwar wurde in der Rechtsprechung die Anwendbarkeit des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auf Unternehmen bejaht, allerdings nur eingeschränkt insoweit, als nur die über Art. 2 I GG geschützte Verhaltensfreiheit gemäß Art. 19 III GG ihrem Wesen nach für Unternehmen Geltung beanspruchen kann.359 Der Schutz, den natürliche Personen über das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfahren, lässt sich nicht eins zu eins auf juristische Personen übertragen. Nach Art. 19 III GG gelten die Grundrechte nur, soweit sie sich ihrem Wesen nach auf die juristischen Personen übertragen lassen. Aufgrund der Verwurzelung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Menschenwürde nach Art. 1 GG, fehlt bei dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht
ein
Bezug
zur
engeren
persönlichen
Lebenssphäre.360
Dementsprechend führt das BVerfG aus: „Für das allgemeine Persönlichkeitsrecht lässt sich nicht allgemein angeben, ob es seinem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar ist. Dies ist vielmehr für die verschiedenen Ausprägungen dieses Grundrechts differenziert zu beurteilen.“361 Aus Sicht des Unternehmens
ist
beim
Whistleblowing
maßgeblich
der
Schutz
von
Betriebs-
und
Geschäftsgeheimnissen von Bedeutung. Dieser wird aber nach ganz überwiegender Ansicht nicht über Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG erlangt. Auf europäischer Ebene wurde vom EuGH angenommen, dass juristische Personen sich nur auf die Grundrechte der Art. 7 und Art. 8 GrCh berufen könne, wenn der Name der juristischen Person auf eine natürliche Person hinweise.362 Somit besteht auch auf europäischer Ebene kein Gleichlauf zwischen dem Schutz natürlicher und juristischer Personen. Dennoch sind auch auf europäischer Ebene juristische Personen nicht schutzlos gestellt, sondern können den Schutz der Wirtschaftsgrundrechte und dabei insbesondere von Art. 16 GrCh beanspruchen.363
wird, weiterhin zutreffend ist, ist zweifelhaft. Siehe beispielsweise VerfGH RP, Urteil vom 13.5.2014 - VGH B 35/12, NVwZ 2015, 64 (65f); OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.5.2009 - 10 ME 385/08, NJW 2009, 2697; siehe hierzu auch ausführlich Schnabel, WM 2019, 1384. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geht jedenfalls auch nicht über den Schutz über Art. 12 und Art. 14 GG hinaus, OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.5.2009 10 ME 385/08, NJW 2009, 2697; BVerfG, Beschluss vom 13.6.2007 - 1 BvR 1550/03, NJW 2007, 2464 (2472). Zum Verhältnis zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Art. 12 I GG siehe auch BVerfG, Beschluss vom 21.3.2018 - 1 BvF 1/13, NJW 2018, 2109 (2114), nach dem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zurücktritt, wenn der Schutz des Unternehmens im Wettbewerb bereits vollständig von dem sachlich spezielleren Art. 12 GG erfasst wird. 360 Gostomzyk, NJW 2008, 2082 (2084). 361 BVerfGE 118, 168 (203). 362 EuGH Urteil vom 9.11.2010, EuZW 2010, 939, ECLI:EU:C:2010:662, (Volker und Markus Schecke GbR u.a./Land Hessen). Art. 8 GrCh gewährt das Recht auf Datenschutz, Art. 7 GrCh den Schutz des Privatlebens. Das Verhältnis der beiden Grundrechtsbestimmungen ist bislang noch nicht geklärt, siehe Gusy/Eichenhofer, in: BeckOK Datenschutz, § 1 BDSG, Rn 43. Der EuGH wendet in ständiger Rechtsprechung beide gemeinsam an, siehe beispielsweise EuGH Urteil vom 8.4.2014, NJW 2014, 2169, ECLI:EU:C:2014:238, (Digital Rights Ireland Ldt/Minister for Communications, Marine and Naturale Recourses ua); EuGH Urteil vom 13.5.2014, NJW 2014, 2257, ECLI:EU:C:2014:317, (Google Spain SL u. Google Inc./Agencia Española de Protección de Datos [AEPD] u. Mario Costeja Conzález). 363 Siehe hierzu die Anmerkung von Hornung zum Urteil des EuGH zu den EU-Agrarsubventionen, EuGH Urteil vom 9.11.2010, EuZW 2010, 939, ECLI:EU:C:2010:662, (Volker und Markus Schecke GbR u.a./Land Hessen), Hornung, MMR 2011, 122 (127). 359
80
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen Grundrechtlicher Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen besteht auch auf verfassungsrechtlicher Ebene, wobei umstritten ist, welches Grundrecht in diesem Fall einschlägig ist.364 Im Wesentlichen werden Art. 12 GG und Art. 14 GG als einschlägige Grundrechte diskutiert. Zum Teil wird allein beziehungsweise vorrangig die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) herangezogen.365 Vereinzelt wird auch ein Rückgriff auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG befürwortet.366 Der Schutzbereich von Art. 14 GG wird als eröffnet angesehen.367 Die Eigentumsgarantie schützt alle vermögenswerte Rechte, und auch das geistige Eigentum ist erfasst.368 Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung von Unternehmensgeheimnissen kann man in ihnen einen Vermögenswert erblicken, der in die Eigentumsgarantie miteinbezogen ist.369 Dabei werden Unternehmensgeheimnisse als Bestandteil des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb angesehen und sind von der Eigentumsgarantie erfasst, wobei teilweise vertreten wird, dass der Umweg über das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb entbehrlich und eine direkte Einbeziehung in die Eigentumsgarantie möglich sei.370 Zum Teil wird ein kumulativer Schutz aus Art. 12 I und Art. 14 GG in Idealkonkurrenz angenommen.371 Nach Art. 19 III GG können sich inländische juristische Personen
364
Vgl. hierzu Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 89, Fn 17; Art. 12 GG für anwendbar hält auch Taeger, Offenbarung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, S. 59; nach Wolff bedürfe es sonst einer Modifikation des Eigentumsbegriffs, vgl. Wolff, NJW 1997, 98 (99). Taeger weist allerdings auf die Personenbezogenheit des Grundrechts hin, wodurch es nur einschlägig sein soll, wenn ein unmittelbarer persönlicher Bezug des Einzelunternehmers zu seinem Unternehmen vorliegt, sodass letztendlich eine Anwendbarkeit bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht in Betracht kommt; vgl. Taeger, Offenbarung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, S. 59. 365 BVerfGE 115, 205; Wolff, NJW 1997, 98 (99). 366 Die allgemeine Handlungsfreiheit wurde für wirtschaftliche Betätigungen vom BVerfG für anwendbar angesehen, BVerfGE 8, 274 (328); BVerfGE 9, 3 (11); BVerfGE 12, 341 (347 f.), siehe hierzu auch Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 GG, Rn. 77, der allerdings darauf hinweist, dass kaum ein Anwendungsbereich für Art. 2 I GG verbleiben dürfte. Die allgemeine Handlungsfreiheit unterscheidet sich jedoch gerade vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht dadurch, dass sie keine Verbindung zur Menschenwürde aufweist, Hornung, Grundrechtsinnovationen, S. 263. Siehe zusammenfassend zum Betriebs- und Geschäftsgeheimnis als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Taeger, Offenbarung Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, S. 54. Für eine Zusammenfassung der Schutzbereiche aus Art. 2 und 12 GG zu einem schutzergänzenden Grundrechtsverbund streitet Beyerbach, siehe Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 230 ff. 367 Hartung, Whistleblowing, S. 123; Taeger sieht den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen als vermögenswerte Rechtspositionen als unmittelbar geschützt von Art. 14 I 1 GG an, die neben den dinglichen Rechten, den Aneignungs-, Anteil-, Forderungs-, Urheber-, Patent-, oder Verlagsrechten geschützt ist, vgl. Taeger, Offenbarung Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, S. 62. 368 BVerfGE 83, 201 (208); BVerfGE 31, 229 (239 ff.). 369 Papier, NJW 1985, 12 (13); Scholz, BKR 2008, 485 (487). 370 Hartung, Whistleblowing, S. 124 m.w.N.; Kloepfer, Gutachten 2011, S. 10, sieht eine Einbeziehung als „möglich aber nicht erforderlich“ an. Für eine unmittelbare Einbeziehung Frank, Schutz von Unternehmensgeheimnissen, S. 172. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geht auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts zurück, RGZ 58, 24 (29 ff.). 371 BVerwG, Beschluss vom 19.1.2009 - 20 F 23/07, NVwZ 2009, 1114 (1116); OVG Schleswig, Beschluss vom 17.1.2007 - 15 P 1/06, NVwZ 2007, 1448 (1449); Kloepfer, Gutachten 2011, S. 9f., der mangels schwerpunktmäßiger Zuordnung zu einem der Grundrechte ebenfalls von einem kumulierten Schutz ausgeht.
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
81
des Privatrechts auf die Berufsfreiheit berufen.372 Von der Berufsfreiheit geschützt ist auch die Teilnahme am Wettbewerb.373 Gelangen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse an die Öffentlichkeit, beeinträchtigt dies die Stellung des Unternehmens im Wettbewerb, sodass unter diesem Aspekt eine Verbindung zwischen dem durch Art. 12 I GG gewährleisteten Schutz und Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vorhanden ist.374 Vom BVerfG wurde hingegen offengelassen, ob neben den durch Art. 12 GG gewährten Schutz noch ein Schutz aus Art. 14 GG treten könne, wobei jedenfalls der über Art. 14 GG gewährleistete Schutz nicht weiter reichen dürfe, als der durch Art. 12 GG gewährte.375 In der Literatur wird angenommen, dass die Frage, ob Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse von Art. 12 GG oder Art. 14 GG erfasst sein sollen, oder ob beide Grundrechte nebeneinander anwendbar sind, aufgrund der Heterogenität von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht pauschal beantwortet werden könne. Sie würden sich im Informationsgehalt und ihrer Schutzbedürftigkeit unterscheiden, sodass eine generelle Eigentumsqualität nicht generell bejaht oder verneint werden könne.376 Betriebsund Geschäftsgeheimnisse erfahren in jedem Fall also grundrechtlichen Schutz. Nach dem BVerfG sind unter Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen „alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat“ zu verstehen.377 Die EU-Geschäftsgeheimnisrichtlinie und das nationale Recht zum Geheimnisschutz Das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis erfährt auch auf einfachgesetzlicher Ebene Schutz. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist beispielsweise im UWG zu finden, kommt als Ausnahme für Informationszugangsrechte zum Tragen, erscheint im Kontext des Arbeitsrechts zum Beispiel in § 79 I BetrVG und ist im Umweltrecht zu finden, wie beispielsweise in § 27 III BImSchG.378 Primär erfolgt der Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses im deutschen Recht durch strafrechtliche Normen.379 In Arbeitsverhältnissen erfahren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse den Schutz über die Verschwiegenheitspflicht. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen besteht nicht nur auf 372
BVerfGE 115, 205 (229); siehe auch BVerfGE 30, 292 (312); BVerfGE 50, 290 (363). BVerfGE 116, 202 (221); BVerfGE 105, 252 (265); BVerfGE 106, 275 (299). Kloepfer, Gutachten 2011, S. 8; Polenz, DÖV 2010, 350 (352). 375 BVerfGE 115, 205 (248). 376 Axer, in: BeckOK, Art. 14 GG, Rn. 50; für eine Zusammenfassung der Schutzbereiche aus Art. 2 und 12 GG zu einem schutzergänzenden Grundrechtsverbund, siehe Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 230 ff. 377 BVerfGE 115, 205 (230 f.). 378 Zu diesen und weiteren Beispielen siehe die Aufzählung bei Kloepfer/Schärdel, JZ 2009, 453 (457). 379 Siehe zum internationalen Vergleich Ohly, GRUR 2014, 1 (2); Ann/Loschelder nenen als zivilrechtliche Ausnahme § 90 HGB, der für den Handelsvertreter gilt, siehe Ann/Loschelder, in: Ann/Loschelder/Grosch, Kapitel 1, S. 23, Rn. 65. Eine Folge der Ausgestaltung als strafrechtliche Normen ist, dass sie dem Bestimmtheitsgebot genügen müssen und keiner analogen Anwendung zugänglich sind, siehe hierzu in Bezug auf § 17 UWG a.F. den kritischen Beitrag von McGuire, GRUR 2016, 1000 (1001f.). Ein Unterschied zwischen Richtlinie und strafrechtlichem Schutz besteht dabei darin, dass die strafrechtlichen Vorschriften den Geheimnisträger nur reflexiv schützen und ihre zivilrechtliche Bedeutung erst dadurch entsteht, dass sie als Schutzgesetze im Sinne von § 823 II BGB anerkannt sind, siehe McGuire, GRUR 2016, 1000 (1006). Die Richtlinie führt hingegen zu einer Entkoppelung von zivilrechtlichen und strafrechtlichen Sanktionen, McGuire, GRUR 2016, 1000 (1006). 373 374
82
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene. Nach § 39 TRIPS sind alle WTO-Vertragstaaten verpflichtet, einen wirksamen Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb zu sichern.380 In Europa existieren äußerst heterogene Regelungen zum Geheimnisschutz. Deshalb wurde die Richtlinie
2016/943/EU
über
den
Schutz
vertraulichen
Know-hows
und
vertraulicher
Geschäftsinformation (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung erarbeitet.381 Grundlegender Gedanke der Geschäftsgeheimnisrichtlinie ist es, einen Innovationsschutz zu gewährleisten, der durch unlautere Praktiken im Sinne einer rechtswidrigen Aneignung von Geschäftsgeheimnissen wie Diebstahl, unbefugtes Kopieren, Wirtschaftsspionage und der Verletzung von Geheimhaltungspflichten, gefährdet wird.382 Gemäß Art. 19 I der Richtlinie war diese bis zum 9.6.2018 umzusetzen. Die Richtlinie strebt keine Vollharmonisierung an, sodass Mitgliedsstaaten ergänzende Regelungen treffen können, sofern sie den Mindestschutzstandard beibehalten.383 Am 21.3.2019 beschloss der Bundestag das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG). Für das deutsche Recht stellte sich die Besonderheit, dass das Geheimnisschutzrecht hierzulande vorrangig in strafrechtlichen Regelungen verankert war, wohingegen die Richtlinie einen zivilrechtlichen Geheimnisschutz vorsieht.384 Dadurch hat sich das deutsche Recht im Bereich des Geheimnisschutzes grundlegend gewandelt. Der ehemals in §§ 17, 19 UWG a.F. implementierte strafrechtliche Schutz wird im GeschGehG neu geregelt. Im Folgenden sollen daher die Neuerungen, die die EU-Geheimnisschutzrichtlinie und das GeschGehG mit sich bringen, aufgezeigt werden. a) Tatbestandsmerkmale des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses nach bisherigem nationalem Recht und Geheimnisschutzrichtlinie Zunächst ist der Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses, wie er im nationalen Recht gebraucht wurde, näher zu betrachten, bevor auf den neugefassten Begriff, wie ihn die Richtlinie vorsieht, eingegangen wird. aa) Definition Ein Betriebs- beziehungsweise Geschäftsgeheimnis ist nach der bisherigen Definition jede Tatsache, die im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb steht, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und nicht offenkundig ist, sowie nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden 380 Dort heißt es allerdings, dass „nicht offenbarte Informationen“ zu schützen seien, siehe ausführlich zu § 39 TRIPS Ann, in: Ann/Loschelder/Grosch, Praxishandbuch Know-How, Kapitel 1, S. 5 ff. Insofern unterscheiden sich die deutschen und europäischen Begrifflichkeiten. Dem deutschen Recht ist der Begriff des Know-hows fremd, wohingegen dieser im europäischen Recht in der TT-GVO, Vertikal-GVO und FuE-GVO verwendet wird, Ann, in: Ann/Loschelder/Grosch, Praxishandbuch Know-How, Kapitel 1, S. 9, Rn. 11. Zudem verlangte das deutsche Recht in § 17 UWG a.F. ein Geheimhaltungsinteresse und einen Geheimhaltungswillen, Ann, in: Ann/Loschelder/Grosch, Praxishandbuch Know-How, Kapitel 1, S. 13, Rn. 24. 381 Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1009); Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Altaufl., § 17 UWG, Rn. 3d. 382 EU L 157/2, S. 1 ff. 383 Art. 1 der Richtlinie und Erwägungsgrund 10; siehe hierzu auch Groß/Platzer, NZA 2017, 1097 (1103); Heinzke, CCZ 2016, 179 (180). 384 Kalbfus, GRUR 2016, 1009; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Altaufl., § 17 UWG, Rn. 3d.
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
83
soll, beziehungsweise an deren Geheimhaltung der Unternehmer ein berechtigtes Interesse hat.385 Die exakte Abgrenzung zwischen Betriebsgeheimnis und Geschäftsgeheimnis bereitet Schwierigkeiten. Es wird davon ausgegangen, dass das Betriebsgeheimnis das technische Wissen umfasst, das Geschäftsgeheimnis das kaufmännische Wissen. Letztendlich werden beide Begriffe rechtlich gleichbehandelt, sodass es auf eine Abgrenzung nicht ankommt.386 bb) Unternehmensbezug Für das Vorliegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses bedarf es zunächst der Unternehmensbezogenheit der Information. Dies impliziert eine Abgrenzung von privaten und wissenschaftlichen Informationen.387 Der Unternehmensbezug liegt regelmäßig vor, da Geheimnisse, die innerhalb des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer generiert werden, dem Arbeitgeber zugerechnet werden.388 Beim Whistleblowing im Unternehmen wird es sich regelmäßig um unternehmensbezogenes Fehlverhalten handeln, das der Hinweisgeber meldet.389 cc) Offenkundigkeit Offenkundigkeit schließt
das
Vorliegen eines
Betriebs-
und
Geschäftsgeheimnisses
aus.
Offenkundigkeit ist dann nicht gegeben, wenn die Tatsache nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist.390 Ein geschlossener Kreis von Eingeweihten liegt auch dann vor, wenn Betriebsangehörige Kenntnis von dem Geheimnis haben.391 Ist die Tatsache einem größeren Personenkreis bekannt, der aber vertraglich oder gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, ist keine Offenkundigkeit gegeben.392 Ein Missstand, der durch einen Whistleblower gemeldet wird, ist im Regelfall nur wenigen Personen bekannt, sodass in solchen Fällen keine Offenkundigkeit vorliegt.393 Irrelevant für die Offenkundigkeit ist die Art der Informationsgewinnung. Ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis kann offenkundig sein, wenn es über klassische Medien wie der Printpresse oder dem Fernsehen allgemein zugänglich ist, aber auch, wenn dieser Zugang über das Internet und dort beispielsweise über Plattformen wie Wikileaks erfolgt.394
385
BGH, Urteil vom 15.3.1955 - I ZR 111/53, GRUR 1955, 424 (424); BGH, Urteil vom 1.7.1960 - I ZR 72/59, GRUR 1961, 40 (43); BGH, Urteil vom 7.11.2002 - I ZR 64/00, GRUR 2003, 356 (358); BAGE 41, 21; Reinfeld, Verschwiegenheitspflicht, S. 5; Breuer, NVwZ 1986, 171 (172); Wolff, NJW 1997, 98 (98); Ohly, GRUR 2014, 1 (4); Taeger, Offenbarung Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, S. 23, der davon ausgeht, die Definition stamme im Wesentlichen von Friedländer, Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses, S. 199. 386 Jannsen/Maluga, in: MüKO StGB, 2. Auflage, § 17 UWG, Rn. 17; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Altaufl., § 17 UWG, Rn. 4a; Rützel, GRUR 1995, 557 (557). 387 Kloepfer/Greve, NVwZ 2011, 577 (580). 388 BGH, Urteil vom 18.2.1977 - I ZR 112/75, GRUR 1977, 539 ff.; Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 93. 389 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 90, Rn. 12. 390 Jannsen/Maluga, in: MüKO StGB, 2. Auflage, § 17 UWG, Rn. 22; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 17 UWG, Rn. 5. 391 BGH, Urteil vom 7.11.2002 - I ZR 64/00, GRUR 2003, 356 (358); Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Altaufl., § 17 UWG, Rn. 7a. 392 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Altaufl., § 17 UWG, Rn. 7a. 393 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 90, Rn. 14. 394 Kloepfer/Greve, NVwZ 2011, 577 (581).
84
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen dd) Geheimhaltungswille
Ein weiteres Merkmal des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ist auf subjektiver Ebene der Geheimhaltungswille.395 An diesen werden von der Rechtsprechung nur geringe Anforderungen gestellt. Für sein Vorliegen genüge es, dass er sich aus der Natur der geheim zu haltenden Tatsache ergebe.396 Zudem braucht der Betriebsinhaber nicht tatsächliche Kenntnis von der Tatsache zu haben, sondern es genügt, wenn feststeht, dass er bei Kenntnis diese als Geheimnis behandeln würde.397 Generell ist bei der Aufdeckung von unternehmensbezogenen Missständen davon auszugehen, dass diese das Potential besitzen, die Stellung des Unternehmens am Markt und im Wettbewerb nachteilig zu beeinflussen, sodass ein Geheimhaltungswille der Unternehmensleitung angenommen werden kann.398 Bei Hinweisgebersystemen stellt sich die Frage, ob allein schon deshalb ein Geheimhaltungswille angenommen werden kann, weil im Unternehmen ein Hinweisgebersystem eingerichtet wurde.399 Dem Geheimhaltungswillen entgegen stehen könnte die Tatsache, dass Unternehmen mit der Einrichtung eines solchen Systems zum Ausdruck bringen, dass sämtliche Mitteilungen nun weitergegeben werden können und eben gerade kein Wille zur Geheimhaltung besteht.400 Gewichtiges Argument für die Annahme eines Geheimhaltungswillens ist jedoch die Tatsache, dass die Einrichtung eines Hinweisgebersystems gerade dazu dient, dass Meldungen im Unternehmen einen geregelten „Weg“ nehmen sollen und nur an die Stelle gelangen sollen, die auf die Missstandsbeseitigung Einwirkung hat. Es soll gerade keine Offenbarung an beliebige Personen stattfinden, sodass auch hier ein Geheimhaltungswille anzunehmen ist.401 ee) Geheimhaltungsinteresse Das Geheimhaltungsinteresse fungiert als Willkürausschluss in Bezug auf den Geheimhaltungswillen. Es muss ein objektiv berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung bestehen.402 Ein solches ist gegeben, wenn das Bekanntwerden der Information geeignet ist, einen Konkurrenten im Wettbewerb zu fördern oder beim Geheimnisträger einen wirtschaftlichen Schaden zu verursachen.403 Ein Geheimhaltungsinteresse entfällt, wenn die Information nicht geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen dem Marktkonkurrenten zugänglich zu machen.404 Beim Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen besteht die Problematik, auf welche Informationen sich der 395
BGH, Urteil vom 10.7.1963 - Ib ZR 21/62, GRUR 1964, 31 (31); für die Aufgabe des Geheimhaltungswillens aber Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 17 UWG, Rn. 11. 396 BGH, Urteil vom 10.5.1995 - 1 StR 764/94, NJW 1995, 2301 (2301). 397 BGH, Urteil vom 18.2.1977 - I ZR 112/75, GRUR 1977, 539 (540). 398 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 91, Rn. 16. 399 Von Pelchrzim, CCZ 2009, 25 (29). 400 In diesem Sinn von Pelchrzim, CCZ 2009, 25 (29). 401 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 90, Rn. 16; Lutterbach, Whistleblowing, S. 67, die auch ausführlich auf die Entscheidungsbefugnis zur Geheimhaltung eingeht und diese, entsprechend der h.M. der Unternehmensführung zuschreibt, Lutterbach, Whistleblowing, S. 64 ff. 402 BGH, Urteil vom 15.3.1955 - I ZR 111/53, GRUR 1955, 424 (426); Ohly, in: Ohly/Sosznitza, § 17 UWG, Rn. 12; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Altaufl., § 17 UWG, Rn. 9; Harte-Bavendamm, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, § 17 UWG, Rn. 6; Kloepfer/Greve, NVwZ 2011, 577 (582 f.). 403 Kloepfer/Greve, NVwZ 2011, 577 (583) 404 BVerwG, Urteil vom 28.5.2009 - 7 C 18/08, NVwZ 2009, 1113.
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis Schutz
erstrecken
muss,
um
einen
85 effektiven
Geheimnisschutz
zu
gewährleisten.
Das
Geheimhaltungsinteresse könnte auch in einem Fall bestehen, in dem aus Informationen, die selbst kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis darstellen, Rückschlüsse gewonnen werden können, die wirtschaftliche Nachteile befürchten lassen.405 ff) Schutzwürdigkeit rechtswidriger Geheimnisse Es ist umstritten, ob ein Geheimhaltungsinteresse bestehen kann, wenn es sich um rechtswidrige Geheimnisse handelt. Als Anknüpfungspunkt für die Einschränkung des Geheimnisschutzes in solchen Fällen dient das „berechtige wirtschaftliche Interesse“, das in solchen Fällen nicht gegeben sei.406 Die Gegenansicht besteht auf der Rechtsneutralität des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses.407 Die Frage, ob illegale Geheimnisse schutzwürdig sind, stellt sich auch bei den strafrechtlichen Normen zum Geheimnisschutz und wurde, beziehungsweise wird, dort anhand der Normen § 17 UWG a.F. und § 203 StGB diskutiert.408 Somit ist fraglich, ob beim Schutz von Geheimnissen sowohl im Rahmen der Strafrechtsnormen als auch im Übrigen davon ausgegangen werden kann, dass illegale Geheimnisse vom Schutz ein- beziehungsweise ausgeschlossen sind. Systematische Argumentation Gegen die Schutzwürdigkeit illegaler Geheimnisse durch Strafrechtsnormen wird unter anderem eingewandt, dass eine Strafrechtsnorm nicht bezwecken könne, dass die Enthüllung von Straftaten verhindert werde.409 Von der Gegenansicht wird § 203 StGB herangezogen, bei dem der Schutz illegaler Geheimnisse von der Literatur weitgehend bejaht wird.410 Systematisch wird dementsprechend von der Gegenansicht argumentiert, dass von § 203 StGB auch illegale, also sittenwidrige oder gesetzeswidrige Geheimnisse geschützt seien.411 Betrachtet man andere Vorschriften zum Geheimnisschutz, wird deutlich, dass der Gesetzgeber an anderer Stelle explizite Ausnahmen für den Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses in Bezug auf bestimmte Informationen getroffen hat. § 17a II GenTG schließt 405
Kloepfer/Greve, NVwZ 2011, 577 (583). Joussen, in: Beck OK BGB, § 611a, Rn. 466; Preis, in: Erfurter Kommentar, § 611a BGB, Rn. 713. 407 So Knorr, Geheimhaltung, S. 15; Wenninger, Aktienrechtliche Schweigepflicht, S. 9. 408 Gegen die Schutzwürdigkeit rechts- und sittenwidriger Geheimnisse z.B. Graser, Whistleblowing, S. 140 ff.; Rützel, GRUR 1995,557 (560); Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, § 17 UWG, Rn. 16; Preis/Reinfeld nehmen zumindest keinen Schutz solcher Geheimnisse unter § 17 UWG an, Preis/Reinfeld, AuR 1989, 361 (363). Sind Whistleblower einer der in § 203 I StGB genannten Berufsgruppen zugehörig, besteht auch hiernach ein Sanktionsrisiko. 409 Erb, in: FS Roxin, S. 1103 (1107); Rützel, GRUR 1995, 557 (558). Es bestünde sonst ein Selbstwiderspruch der Rechtsordnung, so das RAG JW 1931, 490. 410 Fischer, § 203 StGB, Rn. 9. 411 Cierniak/Pohlit, in: MüKO StGB, § 203 StGB, Rn. 22; gegen dieses Argument Rützel, GRUR 1995, 557 (558), der meint, dass über § 203 StGB nur aufgrund des Interesses der Allgemeinheit an der Verschwiegenheit der aufgeführten Berufe illegale Geheimnisse geschützt seien und deshalb der Schutz illegaler Geheimnisse im Rahmen von § 203 StGB nicht herangezogen werden könne. In der Literatur wurde dementsprechend auch für § 17 UWG a.F. bejaht, dass illegale Geheimnisse im Rahmen von § 17 UWG a.F. geschützt seien, siehe hierzu Neumann, Whistleblowing, S. 44; von Pelchzrim, CCZ 2009, 25 (26); Többens, NStZ 2000, 505 (506); Mayer, GRUR 2011, 884 (887); Kozak, Whistleblowerschutz, S. 105. Gegen die Argumentation wurde eingewandt, dass § 203 StGB zum besonderen Ziel habe, die genannten Vertrauensbeziehungen zu schützen und sich dadurch von § 17 UWG a.F. unterscheide, siehe Erb, in: FS Roxin, S. 1103 (1110). 406
86
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
unter anderem die beabsichtigte Verwendung und die Methoden und Pläne zur Überwachung der gentechnisch veränderten Organismen und Notfallmaßnahmen, sowie die Risikobewertung vom Geheimnisschutz aus. Im Rahmen des Verbraucherschutzes existiert eine Ausnahme in § 3 S. 3 VIG, nach der eine Berufung auf den grundsätzlich bestehenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisschutz nach § 3 S. 1 Nr. 2c VIG dann nicht möglich ist, wenn das öffentliche Interesse an den Informationen überwiegt. § 9 I 1 Nr. 3 UIG sieht einen Schutz für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor, allerdings kann dieser bei einer Abwägung dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe unterliegen. Daneben sind Umweltinformationen über Emissionen nach § 9 I 2 UIG vom Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ausgenommen. Es wird deutlich, dass der Gesetzgeber Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unter bestimmten Umständen, vor allem, wenn das öffentliche Interesse an der Information überwiegt, nicht als schutzwürdig ansieht.412 Ein Blick in die strafrechtliche Rechtsprechung unterstreicht diese Annahme, begründet doch auch hier der Schutz besonderer Rechtsgüter die Schutzwürdigkeit.413 Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass rechtswidrige Geheimnisse nicht schützenswert seien, weil dies nicht explizit angeordnet ist. Ebenso kann aus den genannten Beispielen nicht auf die Schutzwürdigkeit von rechtswidrigen Geheimnissen geschlossen werden. Aus der Tatsache, dass Geheimnisse über rechtswidrige Tatsachen im Recht unter bestimmten Umständen Schutz erfahren, lässt sich nicht verallgemeinernd ableiten, dass sie stets diesen Schutz erfahren müssen.414 Eine systematische Argumentation spricht also weder für noch gegen einen allgemein geltenden Schutz dieser Geheimnisse. Praxisbezogene Argumentation Andere Stimmen wollen die Schutzwürdigkeit des rechtswidrigen Geheimnisses dann verneinen, wenn der Arbeitgeber selbst gegen die Rechtsordnung verstoßen hat.415 Daneben wird vertreten, der Geheimnisschutz greife dann nicht, wenn Wettbewerbsverstöße, Straftaten, Ordnungswidrigkeiten und eindeutige Vertragsbrüche des Arbeitgebers vorlägen.416 Ein öffentliches Informationsinteresse besteht aber gegebenenfalls auch dann, wenn der Arbeitgeber für das rechtswidrige Verhalten nicht verantwortlich ist. Eine solche Annahme wird dem Interessengeflecht aus Arbeitgeber-, Arbeitnehmerinteressen und dem Interesse der Öffentlichkeit nicht gerecht. Berücksichtigung auf Rechtfertigungsebene Auflösen lässt sich der Konflikt der widerstreitenden Interessen, indem man keinen Ausschluss rechtswidriger Geheimnisse auf Tatbestandsebene annimmt, sondern dies auf der Rechtfertigungs- und
412
§ 6 S. 2 IFG passt hingegen nicht in dieses Schema, da er gerade keinen Bezug zum öffentlichen Interesse herstellt, sondern einen Zugang zu Informationen nur bei Einwilligung des Betroffenen erklärt. BGHSt 50, 206; siehe dazu in diesem Zusammenhang Koch, ZIS 2008, 500 (503); Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328 (332). In dem Fall wurde in einem abgehörten Selbstgespräch ein Mord gestanden, das der BGH unter ein Beweisverwertungsverbot stellte, weil damit der absolut geschützte Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betroffen war. 414 Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328 (331); Erb, in: FS Roxin, S. 1103 (1106). 415 Kerwer, in: FG Knemeyer, 581 (584); Joussen, in: Beck OK BGB, § 611a BGB, Rn. 466. 416 Preis, in: Erfurter Kommentar, § 611a BGB, Rn. 713. 413
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
87
Schuldebene berücksichtigt.417 Dadurch, dass der Arbeitnehmer nicht rechtswidrig handelt, wenn er rechtswidrige Geheimnisse weitergibt, bei denen aber das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die Interessen für den Geheimnisschutz überwiegt, wird ein besserer Ausgleich aller Interessen erreicht.418 Fazit Festzuhalten bleibt, dass nach der hier vertretenen Ansicht rechtswidrige Geheimnisse nicht per se keine Schutzwürdigkeit beanspruchen, sondern vielmehr der Ansicht zu folgen ist, die die Problematik auf Ebene der Rechtfertigung zu lösen sucht. b) Tatbestandsmerkmale der EU-Geschäftsgeheimnisrichtlinie Die Richtlinie beinhaltet eine Legaldefinition in Art. 2 Nr. 1 für das Geschäftsgeheimnis, die aus drei maßgeblichen Komponenten besteht. Zum einen muss es sich um Informationen handeln, die weder in ihrer Gesamtheit, noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile, den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich sind. Zum anderen müssen die Informationen von kommerziellem Wert sein. Außerdem müssen sie Gegenstand von den Umständen entsprechenden, angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch die Person, die die rechtmäßige Kontrolle über die Informationen besitzt, sein. Diese Definition entspricht nahezu vollständig der Definition, wie sie in Art. 39 II TRIPS
zu
finden
ist
und
wie
sie
bisher
auch
gemäß
Art. 1 I 2 TRIPS
als
Mindestschutzstandard galt.419 aa) Information Die Geheimnisschutzrichtlinie führt als Definitionsmerkmal die Information auf.420 Obgleich die bisherige deutsche Definition von einer Tatsache spreche, meine sie letzten Endes doch den Schutz einer Information, sodass insofern keine Friktion bestehe.421 Das Erfordernis, dass die Information nicht allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich sein darf, entspricht dem bisherigen Merkmal der Offenkundigkeit im deutschen Recht.422 bb) Kein Unternehmensbezug Nicht
enthalten
ist
hingegen
der
von
der
bisherigen
deutschen
Definition
geforderte
Unternehmensbezug.423 Der Unternehmensbezug wurde bislang im deutschen Recht sehr weit gefasst und musste richtigerweise auch bislang schon im Sinne des TRIPS-Abkommens ausgelegt werden.424 Art. 2 Nr. 2 der Geheimnisschutz-Richtlinie nennt als Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses jede natürliche oder juristische Person, die die rechtmäßige Kontrolle über ein Geschäftsgeheimnis besitzt. 417
So z.B. auch Mayer, GRUR 2011, 884 (887). Vgl. Hartung, Whistleblowing, S. 128 ff. Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1010); Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Altaufl., § 17 UWG, Rn. 3f. 420 Zur Begrifflichkeit der Information im Sinne der Richtlinie Hauck, NJW 2016, 2218 (2221). 421 Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1010). 422 Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1010). 423 Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1011). 424 Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1010). 418 419
88
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Die rechtmäßige Kontrolle über ein Geschäftsgeheimnis bedingt regelmäßig die Zuordnung zu einem bestimmten Unternehmen.425 cc) Kommerzieller Wert Ebenso neu ist der geforderte kommerzielle Wert der Information nach Art. 2 I Nr. 1b der Richtlinie. Diese Voraussetzung lässt sich wiederfinden im Geheimhaltungsinteresse.426 Dennoch sind beide Begrifflichkeiten nicht deckungsgleich. Vom Geheimhaltungsinteresse sind neben dem positiven Wert der Information, auch die Informationen, deren Veröffentlichung einen Schaden verursachen kann, erfasst.427 Ein Geheimhaltungsinteresse als Interesse an der Nichtverbreitung erfasst auch Schäden, die durch die Veröffentlichung der Information entstehen. Ausgangsfrage: Positiver und negativer Wert des Interesses umfasst? Ein kommerzielles Interesse könnte nach dem Wortlaut nur den positiven Wert umfassen.428 Damit ist fraglich, ob nach der Geheimnisschutz-Richtlinie das negative Interesse ausgeschlossen ist. Für das Whistleblowing ist die Frage relevant, weil gerade die Informationen über rechtswidrige Vorgänge im Unternehmen zwar zu Schäden führen können, gleichzeitig aber keinen positiven Wert verkörpern und damit nicht unter den kommerziellen Wert zu subsumieren sein könnten.429 Der Begriff des kommerziellen Handelswertes könnte enger zu verstehen sein, als der des objektiv wirtschaftlichen Interesses. Konkret würde sich ein Unterschied beider Begrifflichkeiten beim Schutz rechtswidriger Geheimnisse auswirken. Informationen, denen typischerweise kein Eigenwert zukommt, die aber reputationsschädigend sind, sind die Hinweise auf Straftaten. Nach herrschender Meinung zum bisherigen nationalen Recht waren diese illegalen Geheimnisse vom Schutzbereich erfasst, eine Strafbarkeit des Hinweisgebers entfiel auf Rechtfertigungsebene. Geheimnisqualität von rechtswidrigen Vorgängen unter der EU-Richtlinie Die Problematik, ob rechtswidrigen Geheimnissen ein kommerzieller Wert zukommt oder nicht, stellt sich aber nur dann, wenn man rechtswidrigen Vorgängen überhaupt Geheimnisqualität zumisst. Im bisherigen nationalen Recht wurde der Schutz rechtswidriger Vorgänge überwiegend über die Rechtfertigungsebene gelöst und nicht von vornherein vom Tatbestand ausgenommen. Unter Geltung der Richtlinie wird jedoch mit Erwägungsgrund 14 der Richtlinie argumentiert, um rechtswidrige Vorgänge bereits auf Tatbestandsebene aus dem Geheimnisschutz ausscheiden zu lassen.430 Erwägungsgrund 14
besagt,
dass
vom
Geheimnisbegriff
der
Richtlinie
Know-how,
Geschäftsinformationen und technologische Informationen erfasst seien sollen, bei denen ein „legitimes Interesse an ihrer Geheimhaltung“ und eine „legitime Erwartung, dass diese Vertraulichkeit gewahrt 425
Schmitt, RdA 2017, 365 (369). Siehe hierzu Erwägungsgrund 14 der Richtlinie, der von „legitimes Interesse an der Geheimhaltung“ spricht. BGH, Urteil vom 27.4.2006 - I ZR 126/03, NJW 2006, 3424 (3426); Goldhammer, NVwZ 2017, 1809 (1812); Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1011). 428 Goldhammer, NVwZ 2017, 1809 (1812); Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1011). 429 Vgl. Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1011). 430 Hauck, WRP 2018, 1032 (1034). 426 427
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
89
wird“ bestehen müsse. Dementsprechend könne ein legitimes Interesse nur an rechtmäßigen Vorgängen bestehen.431 Zudem spreche der mit der Richtlinie bezweckte Innovationsschutz gegen den Einbezug rechtswidriger Vorgänge in den Schutz.432 Die systematische Regelung der Richtlinie, die Verletzungshandlungen in Art. 4 und Ausnahmen hiervon in Art. 5 vorsieht, spricht dafür, dass zunächst rechtswidrige Vorgänge Geheimnisse sein können, aber die Aufdeckung gleichwohl gerechtfertigt sein kann. Rechtswidrige Vorgänge scheiden somit nicht schon tatbestandlich aus dem Geheimnisbegriff aus. Erfassung des positiven Werts Eine andere Frage ist aber, ob ihnen ein kommerzieller Wert zukommt oder ob sie mangels eines solchen aus dem Geheimnisbegriff ausscheiden. Problematisch ist, dass ihnen eben gerade kein (unmittelbarer) Eigenwert zukommt. Dementsprechend wird angenommen, dass es ihnen am echten positiven Vermögenswert fehle.433 Während kommerzielle Handelswerte einen wirtschaftlichen Vorteil für den Geheimnisinhaber verkörpern und gleichermaßen für jeden anderen, der sie erlangt, bedeuten, trifft das auf reputationsschädigende Hinweise über Straftaten nicht zu. Sie würden für den Geheimnisinhaber bei Offenbaren lediglich einen Nachteil bedeuten und brächten Wettbewerbern allenfalls mittelbar einen Vorteil.434 Erwägungsgrund 14 der Geheimnisschutz-Richtlinie unterstreicht die Annahme, dass von der Richtlinie nur der positive Wert als kommerzieller Wert geschützt ist. Erwägungsgrund 14 trifft Aussagen zum kommerziellen Handelswert, indem er vom realen oder potentiellen Handelswert spricht, der beispielhaft gegeben sei, wenn ihr unbefugter Erwerb oder ihre unbefugte Nutzung oder Offenbarung die Interessen der Person, die rechtmäßig die Kontrolle über sie ausübt, aller Voraussicht nach dadurch schädigt, dass das wissenschaftliche oder technische Potential, die geschäftlichen oder finanziellen Interessen, die strategische Position oder die Wettbewerbsfähigkeit dieser Person untergraben werden. Der Hinweis auf den realen oder potentiellen Handelswert lässt erkennen, dass damit nur positive Werte im Sinne von Vermögenswerten umfasst sein sollen. Auf den ersten Blick spricht dafür, dass auch potentiell imageschädigende Informationen ohne Eigenwert in den Schutzbereich der Richtlinie fallen, dass andernfalls Art. 5 lit. b der GeheimnisschutzRichtlinie redundant würde.435 Danach ist der Erwerb, die Nutzung oder Offenlegung von
431
Hauck, WRP 2018, 1032 (1034). Hauck, WRP 2018, 1032 (1035). 433 Bergt, in: Kühling/Buchner, Art. 77 DSGVO. 434 Ein mögliches Beispiel wären zwei Weltmarktführer im Bereich der Schmierstoffproduktion. Wenn ein Unternehmen aufgrund eines Hinweises auf strafbares Handeln gezwungen ist, seine Produktion einzustellen, oder seine Ware nicht mehr vertreiben kann, dann kann dies zum mittelbaren Vorteil für den anderen Produzenten führen, indem die Kunden bei ihm ihren Schmierstoffbedarf decken. Köhler hingegen möchte den kommerziellen Wert von rechtswidrigen Geheimnissen im Hinblick auf das Beispiel der „Verschleierungssoftware“ bei Dieselfahrzeugen bejahen, siehe Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Altaufl., Vor 17 UWG, Rn. 16; siehe auch Ullrich, NZWiSt 2019, 65 (67). 435 Kozak, Whistleblowerschutz, S. 212. 432
90
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Geschäftsgeheimnissen nicht rechtswidrig, wenn sie zur Aufdeckung eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens oder einer illegalen Tätigkeit dient, vorausgesetzt der Hinweisgeber handelt in der Absicht, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Dieses Argument verfängt jedoch bei genauerer Betrachtung nicht. Ein Anwendungsbereich verbleibt nämlich für die Norm, wenn man bedenkt, dass mit einem Hinweis auf Straftaten auch gegebenenfalls legale Geheimnisse (mit-) offenbart werden, sodass Art. 5 lit. b festlegen würde, dass der Geheimnisschutz in einem solchen Fall zurücktreten müsste hinter dem öffentlichen Interesse.436 Zudem lässt sich Art. 5 lit. b auch so auffassen, dass dadurch der gutgläubige Whistleblower geschützt ist, der aufgrund der Tatsachenlage davon ausgehen durfte, dass eine Straftat vorlag.437 Mithin lässt sich hieraus kein Argument für den Einbezug von potentiell imageschädigenden Informationen in den Schutzbereich der Richtlinie finden. Somit ist davon auszugehen, dass die Richtlinie, abweichend vom nationalen Recht, keine potentiell imageschädigenden Informationen mehr erfasst. Die Whistleblowing-Regelung des Art. 5 lit. b wird dennoch nicht redundant, weil sie in den Fällen Anwendung finden, in denen legale und damit geschützte Geheimnisse mitoffenbart werden und in den Fällen, in denen der Whistleblower irrigerweise, aber gutgläubig, davon ausging, dass eine Straftat vorlag. dd) Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen Die Informationen müssen zudem nach Art. 2 I lit. 1c der Richtlinie Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen sein. Dies ist ein neues Erfordernis, das insbesondere die Frage aufwirft, wann eine Geheimhaltungsmaßnahme angemessen sein soll.438 Im Vergleich zum bisherigen deutschen Recht lässt sich nur eine Verbindung zum Merkmal des Geheimhaltungswillens herstellen, der sich in Geheimhaltungsmaßnahmen manifestieren konnte.439 Eine angemessene Maßnahme konnte im nationalen Recht als Indiz dafür genommen werden, dass ein Geheimhaltungswille und auch ein Geheimnis vorlagen, wobei für beides auch auf andere Art ein Nachweis erbracht werden konnte.440 Nach der Richtlinie muss somit der Geheimnisinhaber dafür sorgen, dass ein angemessenes Informationsschutzsystem besteht. Dabei wird auch der IT-Sicherheit mehr Bedeutung beigemessen werden. Unbestimmt ist das Merkmal der Angemessenheit. Als neuralgischer Punkt der Norm lässt sich ausmachen, wann die Schwelle zur Angemessenheit unterschritten ist. Die Richtlinie fordert jedenfalls, im Gegensatz zum Geheimhaltungswillen nach bisherigem nationalem Recht, der sich auch konkludent ergeben konnte, ein Tätigwerden.441 Im Rahmen von Hinweisgebersystemen wird es nicht nur aufgrund der IT-Sicherheit an sich, sondern auch für die Annahme eines Geheimnisses notwendig sein, dass entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Für den Hinweisgeber ist die Neuerung insofern vorteilhaft, als er bislang den Geheimhaltungswillen nur durch Anhaltspunkte vermuten konnte und er 436
Schmitt, RdA 2017, 365 (369). Schmitt, RdA 2017, 365 (369). Siehe hierzu ausführlich mit vielen Vorschlägen Maaßen, GRUR 2019, 352. 439 Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1011). 440 McGuire, GRUR 2016, 1000 (1006). 441 Steinmann/Schubmehl, CCZ 2017, 194 (197). 437 438
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
91
somit mit dem Risiko einer Falschbewertung belastet war, wohingegen sich das Vorhandensein von Geheimhaltungsmaßnahmen objektiv beurteilen lässt.442 ee) Dogmatische Einordnung des Geschäftsgeheimnisses Ungeklärt bleibt, wie das Geschäftsgeheimnis im Sinne der Richtlinie dogmatisch einzuordnen ist.443 Im deutschen Recht ist umstritten, ob es sich dabei um ein absolutes Recht handelt oder nicht.444 Der Streit um die zivilrechtliche Einordnung spiegelt den Streit auf grundrechtlicher Ebene wider. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob es sich um ein Immaterialgüterrecht im Sinne eines subjektiven Ausschließlichkeits- und Ausschließungsrechtes handelt.445 Überwiegend wird davon ausgegangen, dass es sich dabei nicht um ein solches subjektives Recht handele.446 Es fehle dabei an einem Verwertungsrecht für die Information als solche. Geschützt werde nur vor dem unlauteren Zugang. Gleichwohl wird angenommen, dass es sich dabei um ein Immaterialgut handelt.447 Der BGH bezeichnet die durch die UWG-Normen begründete Rechtsposition als „sich dem Immaterialgüterrecht in besonders starkem Maße“ annähernd.448 Ausweislich ihres Erwägungsgrundes 2 geht die Richtlinie selbst davon aus, dass der Geschäftsgeheimnisschutz
weder
den
Marktverhaltensregelungen,
noch
den
vollständigen
Immaterialgüterrechten wie den Patent- und Markenrechten zuordenbar sei. Der Streit setzt sich unter Geltung der Richtlinie fort. Zum Teil wird weiterhin davon ausgegangen, dass auch die Richtlinie kein subjektives Recht begründe.449 Gleichwohl nimmt die Gegenansicht ein subjektives Recht an.450 Erwägungsgrund 16 der Richtlinie stellt klar, dass diese keine Exklusivrechte an Geschäftsgeheimnissen einräumt.451 Gleichzeitig rücken Erwägungsgrund 2 und 3 Geschäftsgeheimnisse in die Nähe der Immaterialgüter, indem sie sie als „gebräuchlichste Formen des Schutzes geistiger Schöpfungen“ und „Ergänzung von oder auch eine Alternative zu Rechten des geistigen Eigentums“ bezeichnen.452 Dadurch könne das Geschäftsgeheimnis als „kleines Immaterialgüterrecht“ bezeichnet werden.453 Teilweise wird davon ausgegangen, dass durch die Richtlinie „subjektive Rechte in Form absolut
442
Von Busekist/Racky, ZRP 2018, 135 (137). Hoeren/Münker, WRP 2018, 150 (152). Siehe zum Streit mit weiteren Nachweisen und der Verbindung zur grundrechtlichen Ebene Ohly, in: Ohly/Sosnitza, Vorbemerkung § 17 UWG, Rn. 8; siehe zu der Problematik der Einordnung als absolutes Recht Mc Guire, GRUR 2016, 1000 (1003). 445 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Altaufl., Vor § 17 UWG, Rn. 2. 446 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Altaufl., Vor § 17 UWG, Rn. 2. 447 Hauck, NJW 2016, 2218 (2222). 448 BGH, Urteil vom 18.2.1977 - I ZR 112/75, NJW 1977, 1062 (1063). Siehe zu den Stimmen in der Literatur, die den Geheimnisschutz in die Nähe des Immaterialgüterrechts rücken, Ohly, in: Ohly/Sosnitza, Vorbemerkung § 17 UWG, Rn. 4; siehe auch Ohly, GRUR 2014, 1 (4), der von einem „unvollkommenen Immaterialgüterrecht“ spricht; Harte-Bavendamm, in: Harte-Bavendamm/Henning-Boedwig, Vor § 17 UWG, Rn. 2a. 449 Hauck, NJW 2016, 2218 (2222); Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Altaufl., Vor § 17 UWG, Rn. 2. 450 Kiefer, WRP 2018, 910 (911). 451 Siehe hierzu auch Hoeren/Münker, WRP 2018, 150 (152). 452 Richtlinie EU 2016/943, L 157/1-2. 453 Hoeren/Münker, WRP 2018, 150 (152). 443 444
92
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
geschützter Rechte“ begründet werden.454 Auch durch die Richtlinie wurde es versäumt, eine klare Einordnung des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses vorzunehmen. Es ist weiterhin als Hybrid zwischen den Lauterkeitsrechten und den Immaterialgüterrechten zu verorten. c) Rechtmäßige Formen des Geheimniserwerbs, Art. 3 der Richtlinie Art. 3 zählt rechtmäßige Formen des Geheimniserwerbs im Sinne von lauteren Geschäftspraktiken auf, die aber im Fall des Whistleblowings keine Relevanz entfalten. Es manifestiert sich darin ein RegelAusnahme-Verhältnis, nach dem im Grundsatz die Informationszugangsfreiheit gelte und Beschränkungen nur für die Fälle des unlauteren Erwerbs von Informationen vorgesehen seien.455 Diesbezüglich wurde darauf hingewiesen, dass dem deutschen Recht eine positive Aufzählung erlaubter Praktiken fremd war, sodass Anpassungsbedarf bestünde.456 d) Verletzungshandlungen gemäß Art. 4 der Richtlinie Die Richtlinie erkennt mit Art. 3 der Richtlinie, wie ausgeführt, ausdrücklich lautere Praktiken an. Ihnen gegenüber stehen die unlauteren Praktiken, die nach der Richtlinie sanktioniert werden sollen, Art. 4 II und Art. 4 III. Diese Regelung entspricht dem bisherigen deutschen Recht, das im Grundsatz ebenfalls von einer Informationszugangsfreiheit ausging und nicht per se Beschränkungen vorsah.457 Als Verletzungshandlungen zählt Art. 4 II den unbefugten Zugang, die unbefugte Aneignung oder das unbefugte Kopieren von Informationen auf (lit. a), sowie jedes sonstige Verhalten, das unter den jeweiligen Umständen als mit einer seriösen Geschäftspraxis nicht vereinbar gilt (lit. b). Art. 4 II lit. b eröffnet einen sehr weiten Anwendungsbereich, der kaum eingrenzbar ist.458 Es wird damit maßgeblich auf die Ausnahmetatbestände ankommen. Ebenso ist die Nutzung oder Offenlegung eines Geheimnisses nach Art. 4 III dann rechtswidrig, wenn sie ohne Zustimmung des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses durch eine Person erfolgt, die das Geschäftsgeheimnis
auf
rechtswidrige
Weise
erworben
hat
(lit. a),
die
gegen
eine
Vertraulichkeitsvereinbarung oder eine sonstige Verpflichtung, das Geheimnis nicht offenzulegen (lit. b) oder gegen eine vertragliche oder sonstige Verpflichtung zur Beschränkung der Nutzung des Geheimnisses verstößt (lit. c). Diese Vorschrift erfasst den Arbeitnehmer, der vertraglich dazu verpflichtet ist, Verschwiegenheit zu bewahren. Eine der grundlegenden Änderungen, die die Richtlinie mit sich bringt, ist, dass ein Verschuldenserfordernis, wie es die nationale strafrechtliche Ausgestaltung des Geheimnisschutzes vorsieht, entfällt.459
454
Alexander, WRP 2017, 1034 (1036). Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1012). Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1012). 457 Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1012). 458 So auch Hoeren/Münker, WRP 2018, 150 (152). 459 Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1013). Ein Verschulden wird erst im Rahmen des Schadensersatzes relevant, McGuire, GRUR 2016, 1000 (1006). 455 456
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
93
Nach Art. 4 IV ist der Erwerb, die Nutzung oder Offenlegung eines Geheimnisses auch dann rechtswidrig, wenn eine Person zum Zeitpunkt des Erwerbs, der Nutzung, oder Offenlegung wusste oder unter den gegebenen Umständen hätte wissen müssen, dass sie unmittelbar oder mittelbar über eine andere Person in den Besitz des Geschäftsgeheimnisses gelangt war, die dieses rechtswidrig im Sinne von Art. 4 III genutzt oder offengelegt hat. Damit wird die Informationsweitergabe als Kette sanktioniert, die typischerweise dann vorkommt, wenn Informationen an die Presse weitergegeben werden.460 Sie legt der letzten Person in der Kette die Pflicht auf, zu prüfen, wie die vorangegangenen Personen an Informationen gelangt sind. Diese Vorschrift könnte die journalistische Arbeit erschweren. Allerdings ist sie durch eine Ausnahme des Geheimnisschutzes in Art. 5 lit. a relativiert, wonach es maßgeblich auf die Anwendung von dem ebenfalls sehr breit gefassten Ausnahmegrund des Art. 5 lit. a an. In Erwägungsgrund 19 der Richtlinie wird ausdrücklich festgestellt, dass die Freiheit der Medien und ihre Pluralität keinesfalls eingeschränkt werden. Als hervorzuhebende Beispiele nennt Erwägungsgrund 19 den investigativen Journalismus und den Schutz der journalistischen Quellen. e) Berücksichtigung gegenläufiger Interessen nach Art. 5 der Richtlinie Art. 5 der Richtlinie nennt Ausnahmen, bei denen der Geheimnisschutz der Richtlinie aufgrund der gegenläufigen Interessen entfällt. Die Ausnahmen bestehen, wenn der angebliche Erwerb, die angebliche Nutzung der Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit (lit. a), zur Aufdeckung eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens oder einer illegalen Tätigkeit, sofern der Antragsgegner in der Absicht gehandelt hat, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen (lit. b) oder zur Offenlegung durch Arbeitnehmer gegenüber ihren Vertretern im Rahmen der rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben dieser Vertreter gemäß dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht, sofern die Offenlegung zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlich war (lit. c), oder zum Schutz eines durch das Unionsrecht oder nationale Recht anerkannten legitimen Interesses (lit. d), erfolgt. Die Ausnahme des Art. 5 lit. a zielt auf den investigativen Journalismus ab und ermöglicht in Abweichung von Art. 4 II und Art. 4 III die Veröffentlichung solcher Informationen.461 aa) Schutz des Hinweisgebers vor Sanktionen nach Art. 5 lit. b Für Whistleblower besteht ein Schutz vor Sanktionen nach Art. 5 lit. b. Sobald das Whistleblowing dem öffentlichen Interesse dient und der Whistleblower aus dem Motiv heraus handelt, dieses zu schützen, findet der Geheimnisschutz keine Anwendung. Im Vergleich zum deutschen Recht vor Erlass des GeschGehG besteht nunmehr eine kodifizierte Ausnahme vom Geheimnisschutz für den Fall, dass das Whistleblowing dem öffentlichen Interesse dient.462 Das deutsche Recht löste den Konflikt zwischen Geheimhaltungsbedürfnis einerseits und dem Whistleblowing und dem damit verbundenen öffentlichen
460
Art. 4 III der Geheimnisschutzrichtlinie entspricht im deutschen Recht ein Schutzgeflecht aus mehreren Normen, nämlich § 17 I UWG und § 18 UWG, Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1013). 461 Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1015). 462 Eufinger, ZRP 2016, 229 (330); Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1015).
94
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Interesse bislang auf Ebene der Rechtswidrigkeit und durch die Anwendung von § 34 StGB beziehungsweise des praktisch kaum relevanten § 138 StGB.463 Nach der Systematik der Richtlinie müsse zunächst der Geheimnisträger vortragen, dass eine rechtswidrige Offenlegung vorliegt und der Hinweisgeber müsse den Nachweis führen, dass er in der Absicht gehandelt habe, öffentliche Interessen zu
schützen.464
Zudem
sei
es
am
Unternehmen, 465
Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen habe.
darzulegen,
dass
es
angemessene
Die Befürchtung, dass den Hinweisgeber die Beweislast
für ein inhaltlich unzutreffendes Whistleblowing treffen könnte, sei angesichts des Vorrangs der Meinungsfreiheit auf Unionsebene unbegründet.466 bb) Verständnis von Whistleblowing nach der Richtlinie Whistleblowing wird nach der Richtlinie sehr weit aufgefasst als Aufdecken eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens oder einer illegalen Tätigkeit. Damit ist es nicht beschränkt auf Anzeigenerstattungen und somit ist auch eine Meldung an die Presse oder andere Stellen vom Schutz erfasst.467 Zum Teil wird angenommen, die Verwendung des Wortes „Aufdeckung“ spreche dafür, dass damit nur ein Adressatenkreis außerhalb des Unternehmens gemeint sei, sodass das interne Whistleblowing keine Privilegierung erfahre.468 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Schon Erwägungsgrund 20 der Richtlinie stellt explizit dar, dass die in der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe nicht dazu dienen sollen, Whistleblowing-Aktivitäten einzuschränken. Die Vorschrift des Art. 5 lit. b ist zudem sehr weit gefasst, sodass davon auszugehen ist, dass das Whistleblowing allgemein privilegiert werden soll, zumal auch der Wortlaut „Aufdeckung“ nicht per se internes Whistleblowing ausschließt. Vielmehr kann auch die Hinweisgebung im Betrieb einen Missstand aufdecken, in dem Sinne, dass der Hinweisgeber dafür sorgt, dass der Missstand gewissen Stellen oder Personen bekannt wird. Für diesen Sinn spricht auch die englische Version der Richtlinie, die das Wort „reveal“ verwendet, das im Englischen verschiedene Bedeutungen hat und ebenfalls in dem Sinn verstanden werden kann, dass ein Umstand jemanden zur Kenntnis gebracht wird.469 cc) Art. 5 lit. c Bezüglich Art. 5 lit. c, der eine Ausnahme für die Offenlegung durch Arbeitnehmer gegenüber Vertretern vorsieht, im Rahmen der Erfüllung der Aufgaben dieser Vertreter aus dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht, wird angenommen, dass dieser Meldungen über Hinweisgebersysteme erfasse.470
463
Siehe hierzu ausführlich Ullrich, NZWiSt 2019, 65 (67f.). Groß/Platzer, NZA 2017, 1097 (1103). Schmitt, RdA 2017, 365 (369); Reinhardt-Kasperek/Kaindl, BB 2018, 1332 (1334). 466 Eufinger, ZRP 2016, 229 (330). 467 Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1015). 468 Hauck, WRP 2018, 1032 (1036). 469 Siehe „reveal“ im Oxford English Dictionary mit der Bedeutung als „to make sth known to sb“. 470 Reinhardt-Kasperek/Kaindl, BB 2018, 1332 (1335). 464 465
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
95
Nicht vom Geheimnisschutz umfasst ist damit praktisch die Kommunikation zwischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter.471 dd) Unterschiede zum bisherigen deutschen Recht Die Richtlinie ist mit Art. 5 lit. b weitergefasst, als die Grundsätze der bisherigen arbeitsrechtlichen Spruchpraxis in Deutschland. Bevor der Whistleblower beweisen muss, dass seine Meldung im öffentlichen Interesse geschah, muss das Unternehmen vortragen, dass der Whistleblower ein Geschäftsgeheimnis rechtswidrig offenbart hatte.472 Ebenso sieht die Richtlinie keine Beschränkung für den Adressatenkreis der Meldung vor, sodass eine direkte Meldung an die Medien möglich ist.473 Verzichtet wurde in der Richtlinie auf den Grundsatz des innerbetrieblichen Abhilfeversuchs.474 Dadurch, dass deutsche Gerichte nationales Recht völkerrechtsfreundlich auszulegen haben und gleichzeitig das Unionsrecht bei der Rechtsanwendung berücksichtigen müssen, kann es hier zu Auslegungskonflikten kommen.475 Um den Widerspruch aufzulösen, wird in der Literatur auf den Einfluss der EMRK bei der Auslegung des Unionsrechts nach § 52 III 1 GrCh rekurriert, der im konkreten Fall zu einem Gleichlauf von Art. 10 EMRK und Art. 11 GrCh führen müsse, sodass ein vorrangiger interner Abhilfeversuch weiterhin aufgrund der Auslegung des Art. 5 lit. b im Lichte des Art. 11 GrCh und Art. 10 EMRK anzunehmen sei.476 Schon bei Erlass der Geschäftsgeheimnisrichtlinie wurde diskutiert, ob ein Grundsatz der innerbetrieblichen Abhilfe im deutschen Recht überhaupt noch aufrechterhalten werden könne.477 Hierzu wurden unterschiedlichste Meinungen vertreten. Es wurde angenommen, dass dagegen die Schranke des Art. 5 lit. b spreche, die Verbindlichkeit beanspruche.478 Andernfalls würde die durch die Vorschrift bezweckte Privilegierung von Hinweisgebern nicht erreicht.479 Eine Einschränkung wurde als denkbar angenommen, wenn sich dies aus vom Geheimnisschutz unabhängigen Interessen ergeben würde.480 Die Umsetzung der Richtlinie in Form des deutschen GeschGehG verzichtete ebenfalls auf den Abhilfeversuch und setzte sich damit in den Widerspruch zur nationalen Rechtsprechung und der Rechtsprechung des EGMR in der Rechtssache Heinisch, ging aber konform mit der Richtlinie.481 Die Richtlinie sieht ein Grundgerüst von Verletzungshandlungen und Ausnahmetatbeständen vor, die breit gefasst sind. Es wird sich in der Praxis zeigen, wie die Handhabung gelingt. In Bezug auf die Ausnahmevorschrift des Whistleblowings bleibt abzuwarten, wie der Auslegungskonflikt zwischen der
471
Hoeren/Münker, WRP 2018, 150 (154). Eufinger, ZRP 2016, 229 (331). 473 Reinhardt-Kasperek/Kaindl, BB 2018, 1332 (1334). 474 Eufinger, ZRP 2016, 229 (331). 475 Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Rang der EMRK im deutschen Rechtssystem, S. 202 ff. 476 Schmitt, RdA 2017, 365 (367f.); Reinhardt-Kasperek/Kaindl, BB 2018, 1332 (1335). 477 Dagegen Groß/Platzer, NZA 2017, 1097 (1104). 478 Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1015). 479 Groß/Platzer, NZA 2017, 1097 (1104). 480 Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1015). 481 Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Geschäftsgeheimnisgesetz, S. 96 ff 472
96
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Spruchpraxis des EGMR zu Art. 10 EMRK im Fall des Whistleblowings und der Vorschrift aufgelöst wird. f) Rechte des Geheimnisinhabers, Art. 12 ff. In Art. 12 ff. sind unter anderem Unterlassungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche geregelt. Nach Art. 14 I UA 2 besteht für die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, eine Begrenzung für durch Arbeitnehmer verursachte Schäden vorzusehen, die durch rechtswidrigen Erwerb, Nutzung oder Offenlegung entstanden sind. In Deutschland wird eine solche Haftungserleichterung durch den Grundsatz des innerbetrieblichen Schadensausgleichs praktiziert.482 Dies wurde dadurch beibehalten, dass § 10 GeschGehG § 619a BGB unberührt lässt.483 Die Richtlinie enthält mit Art. 7 eine Missbrauchskontrollvorschrift, nach der die in der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe in einer Weise anzuwenden sind, die gemäß Art. 7 I lit. c Gewähr vor Missbrauch bietet. Nach Art. 7 II muss das nationale Recht Maßnahmen für Missbrauchsfälle vorsehen. In diesem Zusammenhang werden die bislang nach § 8 IV UWG vorgesehenen Möglichkeiten als zu kurz greifend beurteilt.484 § 8 IV UWG wurde mit § 14 GeschGehG nahezu wortgleich übernommen.
II.
Geschäftsgeheimnisgesetz
Nachdem deutlich wurde, dass sich die Richtlinie und das nationale Recht in einigen Punkten unterscheiden, war offensichtlich, dass sich ein Anpassungsbedarf für das nationale Recht ergab. Der Gesetzgeber hat mit dem Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG), welches einen Tag nach seiner Verkündung, mithin am 26.4.2019 in Kraft getreten ist, die Richtlinie umgesetzt.485 Durch Richtlinie eröffneter Spielraum für die Mitgliedsstaaten Art. 1 I der Geheimnisschutzrichtlinie stellt klar, dass die Richtlinie keine Vollharmonisierung bezweckt und die Mitgliedsstaaten einen weitergehenden als den durch die Richtlinie vorgeschriebenen Schutz von Geschäftsgeheimnissen vorsehen können, sofern gewährleistet ist, dass Art. 3, 5, 6, 7 I, 8, 9 I UA 2, 9 III, IV, 10 II, 11, 13 und 15 III eingehalten werden. Damit ist den Mitgliedsstaaten beispielsweise Spielraum bei den rechtswidrigen Handlungen gemäß Art. 4 verblieben. Keine Abweichung ist möglich von den Eingrenzungen, die Art. 1 II trifft.486 Umsetzung der Richtlinie im deutschen Recht durch das GeschGehG § 2 Nr. 1 GeschGehG enthält die Definition des Geschäftsgeheimnisses als „eine Information a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und b) die
482
Reinhardt-Kasperek/Kaindl, BB 2018, 1332 (1335). Alexander, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 10 GeschGehG, Rn. 25. Hoeren/Münker, WRP 2018, 150 (155). 485 BGBl. I, 466. 486 Harte-Bavendamm, in: Harte/Bavendamm, Vor §§ 17-19 UWG, Rn. 10a. 483 484
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
97
Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist.“ In der endgültigen Fassung ist noch § 2 Nr. 1 c GeschGehG aufgenommen worden, der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung als weitere Voraussetzung verlangt. Damit wurde
auf
die
Kritik
reagiert,
dass
man
andernfalls
jegliche
Information
zum
Geschäftsgeheimnisgeheimnis erklärten könnte.487 Die Definition orientiert sich an dem objektiven Geschäftsgeheimnisbegriff der Richtlinie. Hier findet sich im Gegensatz zum subjektiven Geheimhaltungswillen die objektive Voraussetzung der angemessenen Geheimhaltungsmaßnahme wieder. Allerdings ist zweifelhaft, ob § 2 Nr. 1 c GeschGehG mit Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie vereinbar ist, weil die Richtlinie Mindestanforderungen festsetzt, sodass keine Einengung des Geheimnisbegriffes durch die Hinzunahme des Kriteriums des berechtigten Interesses erfolgen darf.488 Entgegen dem bisherigen Recht wird von § 2 Nr. 1 GeschGeh kein Unternehmensbezug gefordert. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass auch Privatgeheimnisse geschützt werden, da dies dem systematischen Zusammenhang sowie Erwägungsgrund 14 der Richtlinie widersprechen würde.489 a) Erlaubte Handlungen § 3 GeschGehG nennt erlaubte Handlungen, nach denen die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses zulässig ist. Im Gegensatz zur Richtlinie, die von Erwerb spricht, verwendet das Gesetz den Begriff der Erlangung, um nicht nur, wie die Richtlinie, den rechtsgeschäftlichen Erwerb zu erfassen, sondern jegliche Kenntnisnahme eines Geschäftsgeheimnisses abzudecken.490 b) Handlungsverbote und Ausnahmetatbestände § 4 GeschGehG enthält Handlungsverbote zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse und § 5 GeschGehG Ausnahmetatbestände. Für Arbeitnehmer, die sich zum Hinweisgeben entscheiden, wird insbesondere die unbefugte Nutzung oder Offenlegung nach § 4 II GeschGehG einschlägig sein, weil sie durch die Nutzung oder Offenlegung gegen ihre Verschwiegenheitspflicht verstoßen. § 5 GeschGehG sieht drei Ausnahmetatbestände vor, die allesamt zum Schutz eines berechtigten Interesses erfolgen müssen. Berechtigtes Interesse meine „jedes von der Rechtsordnung gebilligte Interesse.“491 Ursprünglich war § 5 GeschGehG als Rechtfertigung ausgestaltet.492 Mit § 5 Nr. 2 GeschGehG ist ein äußerst weit gefasster Ausnahmegrund gegeben, nach dem kein Verstoß gegen ein Verbot vorliegen soll, wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder
487
Siehe hierzu die Diskussion im Bundestag, Protokollnr. 19/30, S. 13, 17. Ohly, GRUR 2019, 441 (444). Ohly, GRUR 2019, 441 (442). 490 Bundesrat Drucksache 382/18, S. 21. 491 Bundesrat Drucksache 382/18, S. 25. 492 Ohly, GRUR 2019, 441 (448). 488 489
98
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
sonstigen Fehlverhaltens erfolgt, wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung war – entsprechend Art. 5 lit. b der Richtlinie – eine Rechtfertigung nur vorgesehen für den Fall, dass der Hinweisgeber in der Absicht handelte, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Nunmehr wird lediglich verlangt, dass die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Mithin ist ein Abstellen auf die Gesinnung im Sinne einer Absicht, das öffentliche Interesse zu schützen, entfallen. Nach der Begründung des Ausschusses seien nunmehr auch Mischmotivationen erfasst.493 Die Bundesregierung vertrat den Standpunkt, dass dadurch die Situation des Hinweisgebers verschlechtert werde, da er nunmehr beweisen müsse, dass die Offenlegung dem öffentlichen Interesse diene, wobei er vor der Änderung nur seine subjektive Zweckrichtung beweisen habe müssen.494 Es dürfte einem Hinweisgeber allerdings regelmäßig schwerer fallen, seine innere Gesinnung nachzuweisen, als nachzuweisen, dass eine Meldung dem öffentlichen Interesse diene. Die Problematik der Regelung liegt darin, dass Begrifflichkeiten verwendet werden, die schwer zu subsumieren sind. Der Begriff des sonstigen Fehlverhaltens ist schwer zu bestimmen. Nach der Gesetzesbegründung kann damit auch unethisches Verhalten gemeint sein.495 Beispielhaft werden für ein sonstiges Fehlverhalten auch Auslandsaktivitäten eines Unternehmens genannt, die nach dem dortigen Recht nicht rechtswidrig sind, aber dennoch von der Allgemeinheit als Fehlverhalten angesehen werden.496
Als
Beispiele
werden
Kinderarbeit
oder
gesundheits-
und
umweltschädliche
Produktionsbedingungen genannt, aber auch die systematische und unredliche Umgehung von Steuertatbeständen.497 Über den Rechtfertigungsgrund lässt sich allerdings, je nach Auslegung, jegliches Hinweisgeben
rechtfertigen.
Hinzu
kommt,
dass
auch
das
GeschGehG
keine
Verhältnismäßigkeitsprüfung vorsieht, sodass auch kein Vorrang der innerbetrieblichen Abhilfe und kein stufenweises Vorgehen, wie es der bisherigen deutschen und auch der europäischen Rechtsprechung entsprechen würde, vorgesehen ist.498 Daneben ist der Adressatenkreis, an den das Geheimnis gelangen darf, durch die Vorschrift nicht beschränkt, sodass beispielsweise auch eine Weitergabe an Medien ohne weiteres möglich ist. So begrüßenswert eine Regelung zum Schutz von Whistleblowern ist, ist diese doch zu weit geraten. Sie lässt ein abgestuftes Vorgehen vermissen und zieht keine Grenzen in Bezug auf den Gegenstand der Meldung.
493
BT-Drs. 19/8300, S. 2. BT-Drs. 19/8300, S. 12 f. Bundesrat Drucksache 382/18, S. 26. 496 Bundesrat Drucksache 382/18, S. 26. 497 Bundesrat Drucksache 382/18, S. 26. 498 So kritisch auch Ohly, GRUR 2019, 441 (448). Zur deutschen Rechtsprechung siehe das Kapitel Rechtsprechung zum Whistleblowing bei Arbeitnehmern, S. 70 ff.; zur europäischen Rechtsprechung insbesondere des EGMR siehe das Kapitel Rechtsprechung des EGMR S. 204 ff. 494 495
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
99
c) Beurteilung der Regelungen zu Hinweisgebern Das GeschGehG verpasst es, einen Vorrang innerbetrieblicher Whistleblowing-Systeme vorzusehen, wie er in der deutschen Rechtsprechung statuiert wurde. Dadurch, dass die Richtlinie kein abgestuftes Vorgehen mit einem vorrangigen internen Klärungsversuch vorsieht, steht sie im Widerspruch zur EGMR-Rechtsprechung in der Sache Heinisch, sodass auch durch das nationale Recht der bereits erwähnte Auslegungskonflikt nicht gelöst wird.499 Darüber hinaus wurde es versäumt, umfassendere Schutzregelungen zum Whistleblowing zu treffen. Die Regelung beschränkt sich auf einen Rechtfertigungstatbestand, der zu breit gefasst ist. d) Ansprüche des Geheimnisinhabers Abschnitt 2 nennt die Ansprüche des Geschäftsgeheimnisinhabers bei rechtswidriger Erlangung, Nutzung
oder
Offenlegung,
also
beispielsweise
Auskunfts-,
Unterlassungs-
und
Schadensersatzansprüche. e) Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Geheimnisschutz Der öffentlich-rechtliche Geheimnisschutz, der durch das IFG und andere spezielle Gesetze wie dem VIG und dem UIG besteht, wird im Rahmen dieser Arbeit unter dem Feld der Information verortet, da es hierbei insbesondere um Informationsansprüche gegen staatliche Stellen geht. Nach § 1 II GeschGehG gehen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Geheimhaltung, Erlangung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen dem Gesetz vor. Damit ist das Gesetz beispielsweise nicht anwendbar auf Informationsansprüche gegen staatliche Stellen, öffentlichrechtliche
Vorschriften
zur
Geheimhaltung
von
Geschäftsgeheimnissen
oder
Verschwiegenheitspflichten für Angehörige des öffentlichen Dienstes. Dies entspreche auch den Erwägungsgründen 11 und 18 der Richtlinie.500
III.
Strafrechtlicher Geheimnisschutz nach (bisherigem) nationalen Recht
§ 17 UWG a.F Durch die Umsetzung der Geschäftsgeheimnisrichtlinie ist der strafrechtliche Geheimnisschutz in den §§ 17 ff. UWG a.F. durch § 23 GeschGehG ersetzt worden. Dennoch lohnt eine Betrachtung des mittlerweile obsoleten Rechts, da anhand dessen der Geheimnisschutz beim Whistleblowing maßgeblich diskutiert wurde und § 23 GeschGehG § 17 UWG a.F. im Wesentlichen entspricht.501 § 17 UWG a.F. war der Kerntatbestand des Geheimnisschutzes im nationalen Recht. § 17 UWG a.F. wurde bereits angesprochen im Rahmen der Frage, ob sitten- und rechtswidrige Geheimnisse einen Schutz erfahren können.502 Nach § 17 I UWG a.F. machte sich strafbar, wer als eine bei einem
499
Zur Rechtssache Heinisch und dem dort angenommenen Vorrang des innerbetrieblichen Abhilfeversuchs siehe das Kapitel Der Fall Heinisch, S. 206 ff. Bundesrat Drucksache 382/18, S. 18. 501 BT-Drs. 19/4724, S. 40. 502 Siehe hierzu das Kapitel Schutzwürdigkeit rechtswidriger Geheimnisse, S. 85 ff. 500
100
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Unternehmen beschäftigte Person ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihr oder ihm im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut worden oder zugänglich geworden war, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an jemand zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilte. Der Anwendungsbereich von § 17 UWG a.F. war in Bezug auf den Geheimnisschutz enger als die allgemeine Verschwiegenheitspflicht, adressierte ersterer doch nur Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, während sich die Verschwiegenheitspflicht auf alle Vorgänge im Betrieb erstreckt.503 § 17 I UWG a.F. stellte ein Sonderdelikt dar, das als Täter nur die Beschäftigten eines Unternehmens erfasste. Tatobjekt war das Geschäfts- und Betriebsgeheimnis, das im Rahmen des Dienstverhältnisses dem Täter anvertraut oder zugänglich geworden war. Tathandlung nach § 17 UWG a.F. war die unbefugte Mitteilung an einen Dritten. Bezüglich des Merkmals Unbefugtheit wurde diskutiert, ob dieses Tatbestandsmerkmal wäre. Wäre dies der Fall gewesen, so hätten Strafrecht und Arbeitsrecht divergiert. Im Arbeitsrecht wird nämlich unterschieden zwischen der Schutzwürdigkeit eines Geheimnisses an sich und der Frage, ob beziehungsweise wie es nach außen gegeben werden darf.504 § 17 UWG a.F. betraf jedoch die Frage, ob ein Geheimnis geschützt gewesen sei und gerade nicht die Weitergabe.505 Somit trat die überwiegende Meinung für eine Berücksichtigung auf Rechtfertigungsebene ein, damit der Tatbestand nicht „vorschnell normativiert“ werde.506 Die Unbefugtheit wurde nicht als Tatbestandsmerkmal begriffen,507 sondern auf Ebene der Rechtfertigung berücksichtigt.508 § 23 GeschGehG Nach § 23 GeschGehG macht sich strafbar, wer zur Förderung des eigenen oder fremden Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber eines Unternehmens Schaden zuzufügen ein Geschäftsgeheimnis erlangt, nutzt, offenlegt oder als eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person, ein Geschäftsgeheimnis, das ihr im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses anvertraut oder zugänglich geworden ist, während der Geltungsdauer des Beschäftigungsverhältnisses offenlegt. Aus der Systematik des GeschGehG ergibt sich, dass nur eine auch zivilrechtlich rechtswidrige Handlung nach dem GeschGehG, wie sie in den Handlungsverboten in § 4 GeschGehG zum Ausdruck kommt, den Straftatbestand erfüllen kann.509 Im Vergleich zu der Lage unter Geltung des § 17 UWG a.F. hat sich der Whistleblowerschutz dadurch verbessert, dass auch bei Eingreifen von § 5 GeschGehG eine Strafbarkeit entfällt.510
503
Kreis, Whistleblowing, S. 53; Kania/Seidel/Schlegel, in: Küttner, Personalbuch, Verschwiegenheitspflicht, Rn. 6; Reichhold, in: Moll, § 48, Rn. 38; Richters/Wodtke, NZA-RR 2003, 281 (283). Kreis, Whistleblowing, S. 57. 505 Kreis, Whistleblowing, S. 57; Lutterbach, Whistleblowing, S. 57; Kiethe/Hohmann, NStZ 2006, 185 (188). 506 Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 100. 507 So aber Ohly, GRUR 2014, 1 (6); Erb, in: FS Roxin, S. 1103 (1107f.). 508 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Altaufl., § 17 UWG, Rn. 21. 509 BT-Drs. 19/4724, S. 40. 510 BT-Drs. 19/4724, S. 40. 504
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
101
§ 203 I StGB Nach § 203 I StGB macht sich strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis offenbart, das ihm in seiner Funktion in einem der in der Vorschrift genannten Katalogberufe anvertraut oder sonst bekanntgeworden ist. Diese Vorschrift entfaltet beim Whistleblowing nur dann Relevanz, wenn der Hinweisgeber einen der genannten Berufe ausübt. § 202d StGB a) Tatbestand des § 202d StGB Der 2015 eingefügte Straftatbestand des § 202d StGB sieht vor, dass sich strafbar macht, wer Daten (§ 202 a II StGB), die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen.511 § 202d III StGB sieht eine Ausnahme für Handlungen vor, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. Dazu sollen insbesondere solche Handlungen von Amtsträgern oder deren Beauftragten zählen, mit denen Daten ausschließlich der Verwertung
in
einem
Besteuerungsverfahren,
einem
Strafverfahren
oder
einem
Ordnungswidrigkeitsverfahren zugeführt werden sollen, sowie beruflichen Handlungen der in § 53 I 1 Nr. 5 StPO genannten Personen, mit denen Daten entgegengenommen, ausgewertet oder veröffentlicht werden.512 Tatobjekt sind nicht öffentlich zugängliche Daten. Vortat kann jede rechtswidrige Tat sein (§ 11 I Nr. 5 StGB). Für die Erfüllung des Straftatbestandes bedarf es einer DreiPersonen-Konstellation. Zunächst gibt es den Inhaber der Daten, der diese rechtmäßig besitzt. Von diesem erlangt eine weitere Person die Daten durch irgendeine rechtswidrige Tat. Von dieser Person verschafft dann der Täter sich selbst oder einem anderen die Daten oder überlässt diese einem anderen, verbreitet sie oder macht sie sonst zugänglich.513 Die Gesetzesbegründung zeigt, dass damit der gewerbsmäßige Handel mit rechtswidrig erhobenen Daten unter Strafe gestellt werden sollte.514 b) Verfehlte Bezeichnung Verfehlt erscheint schon die Bezeichnung als Datenhehlerei. Im Hinblick auf die Wortwahl Hehlerei ist zunächst zweifelhaft, ob eine Hehlerei von Daten überhaupt möglich ist. Hehlerei i.S.v. § 259 StGB wird deshalb bestraft, weil sich damit eine rechtswidrige Vermögenslage verfestigt und der Eigentümer nicht mehr über sein Eigentum verfügen kann. Wenn man Daten kopiert, verbleiben die ursprünglichen Daten weiterhin beim Inhaber, er erleidet insofern keinen Verlust, obgleich der Verfügungsberechtigte
511
Die Vorschrift wurde „huckepack“ mit dem auch selbst sehr umstrittenen Gesetz zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung eingeführt, BGBl. 2015 I 2218, in Kraft getreten am 18.12.2015. Zu den einzelnen Voraussetzungen siehe auch OLG Stuttgart, Urteil vom 15.11.2018 - 2 U 30/18, GRUR 2019, 422. 512 BT-Drs. 18/5088, S. 48. 513 Damit werden Teile der von § 202c I StGB erfassten Handlungen aufgegriffen, siehe Singelnstein, ZIS 2016, 432 (433). 514 BT-Drs. 18/1288, S. 1, wobei hierbei die Kreditkartendaten und Login-Daten im Vordergrund standen.
102
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
zweifelsohne ein Interesse daran hat, dass seine Daten nicht verbreitet werden.515 Damit begründet, anders als bei der Hehlerei nach § 259 StGB, nicht der Verlust der Daten einen Nachteil, sondern vielmehr eine Verwendung dieser Daten.516 c) Systematische Bedenken Darüber hinaus begegnet die systematische Verortung Bedenken. Der Gesetzgeber verwendet im Datenschutzrecht, aber auch in diversen strafrechtlichen Vorschriften zum Geheimnisschutz ein Konzept, das die besondere Schutzwürdigkeit der Daten berücksichtigt, seien dies die personenbezogenen oder sensiblen Daten im Datenschutzrecht oder das Privatgeheimnis in den §§ 201 ff. StGB.517 Demgegenüber steht ein Konzept, das Daten und Datenverarbeitung vor bestimmten Einwirkungen schützt, wie dies in §§ 303a und 303b StGB und §§ 202a ff. StGB der Fall ist.518 Damit erscheint aber die Einordnung des § 202d StGB in die §§ 202a ff. StGB unharmonisch, geht es doch bei § 202d StGB um die inhaltsbezogenen Interessen und nicht um die Wahrung der Integrität des Datenbestandes.519 d) Inhaltliche Kritikpunkte In der Tat hätte man, anstelle des weiten objektiven Tatbestand, eine Einschränkung auf besonders sensible Daten oder personenbezogene Daten vornehmen können. Damit wäre dem Schutzkonzept, das in anderen Rechtsgebieten wie dem Urheberrecht und dem Datenschutzrecht existiert, gefolgt worden und die besondere Schutzwürdigkeit bestimmter Inhalte, die für den Betroffenen entscheidend ist, hätte Berücksichtigung gefunden.520 Das Tatobjekt der Hehlerei sind Sachen, somit körperliche Gegenstände, sodass Daten als Tatobjekte nicht erfasst werden.521 Anders als bei Sachen, kommt es dem Verfügungsberechtigten bei Daten darauf an, dass keiner Kenntnis von ihnen nehmen kann.522 Insofern fügt sich die Bezeichnung des § 202d StGB äußert unharmonisch in den Gebrauch des Begriffes Hehlerei im StGB ein.523 Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Vorschrift das formelle Datengeheimnis, welches durch die Vortat bereits verletzt wurde, vor einer Aufrechterhaltung oder Vertiefung dieser Verletzung schützen.524 Hier zeigt sich abermals, dass eine Parallele zur Sachhehlerei verfehlt erscheint. Haben Dritte einmal Kenntnis von Daten, kann man die Exklusivität der Datennutzung nicht wiederherstellen.525 Häufig 515
Beck/Meinicke, DGRI Stellungnahme, S. 4; Singelnstein, ZIS 2016, 432 (433). Vgl. Buermeyer, SZ vom 4.10.2015; Brodowski/Marnau, NStZ 2017, 377 (377). 517 Singelnstein, ZIS 2016, 432 (434). 518 Singelnstein, ZIS 2016, 432 (434). 519 Singelnstein, ZIS 2016, 432 (434). 520 Singelnstein, ZIS 2016, 432 (435). 521 Brodowski/Marnau, NStZ 2017, 377 (377); zur Diskussion um ein Eigentum beziehungsweise Besitz an Daten siehe beispielsweise Hoeren, MMR 2019, 5; Determann, ZD 2018, 503. 522 Singelnstein, ZIS 2016, 432 (433). 523 Es ist jedoch zu beachten, dass der Begriff Hehlerei in der Literatur z.B. auch bereits im Zusammenhang mit Geheimnissen bei der Geheimnishehlerei nach § 17 II Nr. 2 UWG a.F. gebraucht wurde, vgl. Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, § 17 UWG, Rn. 1 und auch in diesem Zusammenhang nicht passend erscheint. 524 BT-Drs. 18/5088, S. 45 ff. 525 Stuckenberg, ZIS 2016, 526 (532). 516
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
103
werden Daten auch nicht als identische Kopie weiterverwendet, sondern die Originaldaten aus der Vortat weiterbearbeitet und daraus neue Daten erstellt.526 In solchen Fällen käme es dann zu keiner strafbaren Datenhehlerei, sondern zu einer straflosen Ersatzhehlerei. § 202d StGB müsste insofern uminterpretiert werden, als dass „Daten“ (§ 202 a II StGB) gespeicherte und übertragene Informationen meint, die unmittelbar aus der Vortat herrühren müssen, sodass nicht bei äquivalentem Informationsgehalt und lediglich veränderter Kodierungsform Straflosigkeit gegeben ist.527 Insofern erfasst der Straftatbestand nicht die Kernproblematik, dass Informationen weiterverarbeitet werden und neuen Daten mit identischen Informationsgehalt geschaffen werden, was aber aus Sicht des Betroffenen keinen Unterschied macht, da die Information unwiderruflich in der Welt ist. Gleichzeitig verbleiben bei § 202d StGB Strafbarkeitslücken, wenn zum Beispiel mit Hilfe einer eigenen intellektuellen Leistung Datenderivate entstehen.528 Es wird von anderer Seite sogar bezweifelt, dass aufgrund der bestehenden rechtlichen
Regeln
im Strafrecht,529 im
Urheberrecht
und
im
Datenschutzrecht,530 eine
Strafbarkeitslücke bestehe und die Konfliktlage durch eine strafrechtliche Norm adäquat zu lösen sei.531 § 202d StGB erfasst somit nicht die eigentliche Problematik, fügt sich äußerst unharmonisch in die Regelungen des StGB ein und ist dabei gleichzeitig zu weit in seinem Anwendungsbereich, gerade im Hinblick auf den investigativen Journalismus.532 Die Vorschrift hat inhaltlich vielfach Kritik erfahren.533 Aktuell ist eine Verfassungsbeschwerde anhängig, die sich auf die Verletzung der Pressefreiheit, der Berufsausübungsfreiheit, des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots (Art. 103 II GG) und bei Personen, die ohne beruflichen Bezug mit Journalisten zusammenarbeiten, auf die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) stützt.534 e) Bedrohung des investigativen Journalismus Insbesondere der investigative Journalismus ist durch diese Vorschrift bedroht. Dabei ist es gerade diesem Berufszweig zu verdanken, dass in jüngster Zeit große, weltweite Skandale an das Tageslicht kamen – zu denken ist hierbei beispielsweise an die sogenannten Panama Papers und Paradise Papers.535 Diese Skandale basieren darauf, dass die Informationen durch sogenannte Leaks an die Journalisten gelangten.536 Der investigative Journalismus arbeitet häufig mit Informationen, die widerrechtlich durch
526
Brodowksi/Marnau, NStZ 2017, 377 (380). Brodowksi/Marnau, NStZ 2017, 377 (380). 528 Brodowksi/Marnau, NStZ 2017, 377 (380). 529 § 202a I StGB, § 202b StGB, § 202 StGB, § 303a StGB, siehe Beck/Meinicke, DGRI Stellungnahme, S. 3. 530 § 106 ff. UrhG; in Bezug auf § 43, 44 BDSG a.F.; siehe Beck/Meinicke, DGRI Stellungnahme, S. 3. 531 Beck/Meinicke, DGRI Stellungnahme, S. 3 ff.; Dix/Kipker/Schaar, ZD 2015, 300 (304). 532 Siehe hierzu sogleich das Kapitel Bedrohung des investigativen Journalismus, S. 103 ff. 533 Dix/Kipker/Schaar, ZD 2015, 300; Singelnstein, ZIS 2016, 432; Stuckenberg, ZIS 2016, 526. 534 Verfassungsbeschwerde Az. 1 BvR 2821/6, S.4; siehe hierzu auch Herfurth/Drews, ZD-Aktuell 2017, 05490. 535 Siehe zu den Panama Papers Obermayer/Obermaier, Panama Papers; Obermayer/Obermaier, SZ vom 5.11.17. 536 Siehe zu dem Begriff der Leaks Meister, No News without Secrets, S. 27, der Leak als zielgerichtete Enthüllung eines Insiders, also eines (ehemaligen) Regierungsbeamten oder Angestellten, an einen Journalisten von vertraulichen Informationen, deren Veröffentlichung gegen Gesetze, Verordnungen oder Konventionen verstößt, ohne dabei die vorgegebenen, ordentlichen Wege zu nutzen, beschreibt. 527
104
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
solche Leak-Quellen an sie weitergegeben wurden. Das Gesetz selbst sieht Ausnahmefälle in § 202d III StGB vor. Nach § 202d III 1 StGB gilt § 202d I StGB nicht, wenn die Handlung ausschließlich
der
§ 202d III 2 StGB
Erfüllung nennt
rechtmäßiger
Beispiele
für
dienstlicher
solche
oder
dienstlichen
beruflicher und
Pflichten
beruflichen
dient.
Pflichten.
In 202d III 2 Nr. 2 StGB werden als Ausnahme berufliche Handlungen von Personen genannt, die gemäß § 53 I 1 Nr. 5 StPO bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben. Es kann jedoch schwerfallen, darzulegen, dass diese Akteure ausschließlich in Erfüllung dieser Pflichten gehandelt haben. Wird von einem umweltpolitisch-aktiven Journalisten beispielsweise eine Umweltstraftat veröffentlicht, mag man ihm ein gewisses persönliches Interesse daran nicht absprechen. Es ist fraglich, ob das Merkmal der Ausschließlichkeit in einem solchen Fall erfüllt ist. Die Vorschrift ist diesbezüglich zu ungenau. Gerade bei nicht-hauptberuflichen Journalisten und Bloggern ist es zweifelhaft, ob für sie die Ausnahme gilt. Zum Teil wird angenommen, dass eine effektive Interpretation der Pressefreiheit diesen Mangel beheben könnte.537 So wünschenswert eine solche Interpretation wäre, besteht für den Journalisten dennoch die Unsicherheit, ob die unbestimmte Norm auch tatsächlich so interpretiert wird. Es ist also unklar, welche beruflichen Tätigkeiten dem Tatbestandsausschluss unterfallen und welche Rechtmäßigkeitsanforderungen die Ausnahme fordert.538 Dabei sollten Strafgesetze stets so bestimmt formuliert sein, dass sie erkennen lassen, ob man sich strafbar macht oder nicht.539 Zudem stellen sich für Enthüllungsplattformen wie Wikileaks Probleme,540 da Daten, die solche Enthüllungsplattformen erhalten, regelmäßig aus rechtswidrigen Vortaten stammen. Der Betreiber einer solchen Plattform macht sich nun bei Verwendung solcher Daten strafbar, sofern man die Tätigkeit für derartige Webseiten nicht (ggf. in verfassungskonformer Auslegung) als berufsmäßiges Mitwirken an der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten im Sinne von § 53 I 1 Nr. 5 StPO versteht.541 f) Keine Auswirkung auf das Whistleblowing? Es gibt Stimmen, die die Lage für Whistleblower nicht kritisch einschätzen. Die Ansicht beruht auf einer Interpretation des Tatbestandsmerkmals „erlangen“. Der Vortäter muss die Daten durch seine Tat erlangt haben. Als Straftaten hierfür kommen nach dieser Ansicht nicht Fälle in Betracht, in denen die Daten dem Täter anvertraut oder sonst zugänglich gemacht wurden, wie dies bei § 94 StGB der Fall
537
Roßnagel, NJW 2016, 533 (537). Singelnstein, ZIS 2016, 432 (436). Lex certa/Bestimmtheitsgebot, siehe hierzu beispielhaft Schmitz, in: MüKo StGB, § 1 StGB, Rn. 43. 540 Roßnagel, NJW 2016, 533 (537). 541 Zu der Frage, inwieweit Whistleblowing über Enthüllungsplattformen gefördert werden sollte siehe unten das Kapitel Neue Arenen als Bedrohung für den Geheimnisschutz und für Rechte der Betroffenen, S. 119 ff. 538 539
C. Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
105
wäre. Denn dann habe der Täter diese nicht „durch“ seine Straftat erlangt.542 Die Vertreter dieser Ansicht merken jedoch selbst an, dass unsicher ist, ob die Norm in der Praxis so interpretiert wird.543 Letztendlich führt allein schon die Unsicherheit über die Auslegung des Straftatbestandes dazu, dass Journalisten aus Furcht vor einer möglichen Strafbarkeit nicht mehr bereit sein könnten, Informationen entgegenzunehmen und Whistleblower-Meldungen journalistisch zu verarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies ist im Hinblick auf die Pressefreiheit höchst bedenklich. Eine Strafbarkeit droht zudem auch externen Experten oder Beratern, die von Journalisten konsultiert werden.544 Auf subjektiver Ebene wird eine Bereicherungsabsicht oder Schädigungsabsicht verlangt. Eine Bereicherungsabsicht wird regelmäßig schon dann gegeben sein, wenn es dem Täter auf die Erlangung eines vermögenswerten Vorteils ankommt. Wenn ein Whistleblower beispielsweise einer Journalistin Daten zuspielt, die diese an den Redakteur eines Magazins weitergibt und dieser Redakteur kopiert die Daten auf seinen USB-Stick, hat der Redakteur sich die Daten verschafft und die Journalistin hat sie ggf. aus einer rechtswidrigen Vortat des Whistleblowers erlangt. Da der Redakteur, wie im Bereich der Medien allgemein, die Daten letztendlich aus Profitgründen zur Auflagensteigerung veröffentlichen wollen wird, kann auch von einer Bereicherungsabsicht ausgegangen werden.545 Auch wenn der Straftatbestand der Datenhehlerei nicht unmittelbar Whistleblowing im Betrieb strafrechtlich einschränkt, stellt er gleichwohl potentiell ein Mittel dar, um Enthüllungsplattformen und investigativen Journalismus zu unterdrücken.
IV.
Zivilrechtlicher Geheimnisschutz
Akzessorisch
zum
bisherigen
rein
strafrechtlichen
Geheimnisschutz,
ist
nunmehr
im
Geschäftsgeheimnisgesetz der zivilrechtliche Geheimnisschutz samt Schadensersatzanspruch in § 10 GeschGehG kodifiziert. Ein zivilrechtlicher Anspruch auf Schadensersatz besteht auch nach § 823 II BGB i.V.m. mit den Vorschriften des 15. Abschnitts des StGB, mit dem ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 I analog korrespondiert.546 Aus der Verletzung des Arbeitsvertrages kann ein Schadensersatzanspruch nach § 280 I BGB beziehungsweise §§ 280 I, 241 II BGB folgen.547 Ferner kommen Ansprüche aus § 823 I,548 § 812 I 1 Alt. 2 BGB sowie § 687 II BGB in Betracht, wenn
542
Brodowski/Marnau, NStZ 2017, 377 (383 f.). Brodowksi/Marnau, NStZ 2017, 377 (383). 544 Buermeyer, SZ vom 4.10.2015. 545 So das treffende Beispiel auf der Website netzpolitik.org, . 546 BGH, Urteil vom 19.11.1982 – I ZR 99/80, GRUR 1983, 179 (181); Ohly, GRUR 2014, 1 (7); Ohly, in: Ohly/Sosznitza, § 17 UWG, Rn. 4; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Altaufl., § 17 UWG, Rn. 53; von Busekist/Racky, ZRP 2018, 135 (136). 547 Ohly, GRUR 2014, 1 (8); von Busekist/Racky, ZRP 2018, 135 (136). 548 Vom BGH wurde offengelassen, ob das Geschäftsgeheimnis als absolutes Recht einzuordnen ist, BGHZ 38, 391 (393). 543
106
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
man mit der herrschenden Meinung annimmt, dass das Unternehmensgeheimnis ein absolutes Recht darstellt.549
V.
Zusammenfassung
Die Geheimnisschutzrichtlinie hat den Geheimnisschutz im deutschen Recht verändert und ihm einen starken zivilrechtlichen Impuls gegeben. Für Whistleblower hat sich die Situation insofern verbessert, als nunmehr ein Rechtfertigungsgrund für Hinweisgeber besteht, sodass das Sanktionsrisiko gemindert wurde. Dennoch wurde es versäumt, eine umfassendere Schutzvorschrift einzuführen und zudem steht die aktuelle Gesetzeslage im Widerspruch zur Rechtsprechung, die differenziertere Kriterien für das Whistleblowing gefunden hat.
Information Hinweisgebung ist nichts anderes als die Weitergabe von Informationen. Diese Informationen können als Geheimnisse, oder weil sie personenbezogene Daten sind, besonders geschützt sein. Dann steht ihre Weitergabe mit den Geheimnisschutzvorschriften in Konflikt. Auf den Geheimnisschutz wurde vorstehend eingegangen. Der Schutz personenbezogener Daten wird Gegenstand der Betrachtungen zum Datenschutz sein. Unter dem Stichwort der Information soll im Folgenden insbesondere auf das Informationsinteresse des Arbeitgebers und der Öffentlichkeit eingegangen werden. Dieses Informationsinteresse spielt für die Abwägung beim Whistleblowing eine große Rolle und kann beispielsweise den Geheimnisschutz zurücktreten lassen.
I.
Informationsinteresse des Arbeitgebers
Der Erfolg eines Unternehmens hängt auch von der Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ab. Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, von Missständen im Betrieb zu erfahren. Der Whistleblower stellt hierfür eine wichtige Informationsquelle dar. In Unternehmen werden häufig Hinweisgebersysteme eingerichtet, die einen Informationskanal eröffnen, sodass die Information über einen Missstand an die richtige Stelle im Unternehmen gelangt.
II.
Das öffentliche Informationsinteresse
Die Information, die durch eine Whistleblower-Meldung weitergegeben wird, kann nicht nur für den Arbeitgeber und das Unternehmen von Bedeutung sein. Vielmehr können Whistleblower-Meldungen von Interesse für die Öffentlichkeit sein. Durch den Entschluss des Whistleblowers, sich direkt, oder durch den Arbeitgeber, an die Öffentlichkeit zu wenden, gelangen Missstände an die Öffentlichkeit. Ein Beispiel jüngeren Datums, das das öffentliche Informationsinteresse an Whistleblower-Meldungen illustriert, ist folgender Fall, der durch Angestellte einer Apotheke aufgedeckt wurde. Der Inhaber der Apotheke streckte jahrelang, von der staatlichen Apothekenaufsicht unentdeckt, Krebsmedikamente, die er bei den Krankenkassen aber voll abrechnete und sich so bereicherte.550
549 550
BGH, Urteil vom 25.01.1955 - I ZR 15/53, GRUR 1955, 388 (389). Schröm/Schenck, Die Zeit vom 5.11.2017, S. 15 ff.; Deiseroth, Whistleblower-Enthüllungen.
D. Information
107
Begriff Mit dem Begriff des öffentlichen Informationsinteresses wird abermals ein Begriff in die Untersuchung eingeführt, der rechtlich nicht klar umrissen ist. So wird der Begriff als „schillernde Kategorie, deren juristischer Gehalt nur unklar umschrieben ist“ bezeichnet.551 Wenn man das öffentliche Informationsinteresse als legitimes Interesse der Öffentlichkeit beschreibt, über einen bestimmten Umstand informiert zu werden, lassen sich hieraus bereits mehrere Voraussetzungen für die Handhabung des Begriffes gewinnen. Das öffentliche Informationsinteresse wird daran gebunden, ob es vornehmlich darum geht, zur öffentlichen Meinungsbildung einen Beitrag zu leisten.552 Es geht somit um die Befugnis der Öffentlichkeit, über gewisse Informationen aus dem politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich informiert zu werden. So können sich sowohl viele individuelle Meinungen als auch die öffentliche Meinung bilden.553 Das öffentliche Informationsinteresse erstreckt sich auf eine große Bandbreite von Sachverhalten.554 Diese können nicht abschließend genannt werden. Die Informationsinhalte beeinflussen das Gewicht des Informationsinteresses.555 In Bezug auf die Presse ist ein solches besonders hoch, wenn die Demokratiefunktion der Medien betroffen ist, ebenso kann es bei wirtschaftlichen Sachverhalten mit Öffentlichkeitsbezug und bei Informationen, die die kulturelle Gemeinsamkeit stärken und soziale Orientierung bieten, vorliegen.556 Auch bei Straftaten und Gerichtsverfahren ist ein öffentliches Informationsinteresse anerkannt, sofern nicht nur das Unterhaltungsbedürfnis der Allgemeinheit damit befriedigt wird.557 Besondere Bedeutung entfaltet das öffentliche Informationsinteresse bei Berichterstattungen über Prominente. Fortwährender Streitpunkt ist hierbei das öffentliche Informationsinteresse einerseits und der Schutz der Privatheit Prominenter andererseits. Als prägend für diese Thematik ist die Entscheidungsfolge zu Veröffentlichungen in der Presse über Caroline von Monaco zu bezeichnen.558 Die Vielzahl der gerichtlichen Entscheidungen zu Berichterstattungen über Prominente559 führen dazu, dass das öffentliche Informationsinteresse in diesem Bereich besonders häufig erwähnt wird, obgleich 551
Beater, ZUM 2005, 602 (603). BVerfGE 7, 198 (212). 553 Beater, Medienrecht, S. 376, Rn. 965. 554 Kreis, Whistleblowing, S. 2. 555 Beater, Medienrecht, S. 382 ff. 556 Beater, Medienrecht, S. 382 ff. Die sog. Wirtschaftsfunktion ist beispielsweise gegeben, wenn Verbraucher über unlautere Geschäftspraktiken aufgeklärt werden, siehe Beater, Medienrecht, S. 383. Die sog. Integrationsfunktion ist erfüllt, wenn das Bedürfnis nach gemeinsamen Themen befriedigt und dadurch eine Art „sozialer Kitt“ geschaffen werde, so Beater, Medienrecht, S. 384; siehe zur Integrationsfunktion auch Beater, Medienrecht, S. 18. 557 Beater, Medienrecht, S. 387, Rn. 995; EGMR, Urteil vom 7.2.2012 - Rs. 40660/08 und 60641/08, von Hannover/Deutschland Nr. 2, NJW 2012, 1053 (1056). 558 Siehe z.B. BGH, Urteil vom 1.7.2008 - VI ZR 67/08, NJW 2008, 3141; BGHZ 171, 27; BVerfG, Beschluss vom 26.2.2008 - 1 BvR 1602/07, NJW 2008, 1793. Siehe zu den Entscheidungen unter Privatheitsgesichtspunkten Dörr/Aernecke, A Never Ending Story: Caroline v. Germany, in: Dörr/Weaver, The Right to Privacy in the Light of Media Convergence, S. 114. Im Urteil BVerfGE 101, 361 (382 ff.) wurde klargestellt, dass sich der Schutz der Privatheit nicht auf das Zuhause als räumlich geschützten Ort beschränkt, sondern dass die Privatsphäre über den häuslichen Bereich hinaus Schutz erfährt; siehe zum räumlichen Rückzugsbereich auch Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 GG, Rn. 149. 559 Siehe hierzu zusammenfassend Beater, Medienrecht, S. 388 f. 552
108
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
es nicht auf diesen Bereich beschränkt ist. Aufgrund seiner Bedeutung für Berichterstattungen ist das öffentliche Informationsinteresse ein feststehender Begriff des Medienrechts.560 Deshalb erscheint es angezeigt, kurz auf die Bedeutung der Medien in der Gesellschaft einzugehen und zu beleuchten, inwiefern Whistleblower in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind. Relevanz weiterer Akteure für die öffentliche Meinungsbildung Das öffentliche Informationsinteresse wird im Medienrecht verwandt, um die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer medialen Äußerung zu bestimmen. Die Presse ist in der demokratischen Gesellschaft „ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung.“561 Als solches kommt ihr eine tragende Rolle bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit zu. Das öffentliche Informationsinteresse ist dependent von der journalistischen Sorgfaltspflicht; je sorgfältiger also die Recherche erfolgte und dadurch die der journalistischen Meldung zugrundeliegenden Tatsachen verifiziert werden, desto größer ist das Informationsinteresse.562 Whistleblower dienen oftmals als Informanten für die Presse, sodass die Rolle der Presse beim Whistleblowing mittelbar angesprochen wird. Das Handeln im öffentlichen Informationsinteresse ist aber nicht exklusiv den Medien vorbehalten.563 Vielmehr lässt ein Blick in die Rechtsprechung des BVerfG den Rückschluss zu, dass jegliche Äußerung dem öffentlichen Interesse dienen kann, unabhängig davon, wer sie getätigt hat. So führt das BVerfG in der sogenannten Lüth-Entscheidung aus, dass einer Meinungsäußerung dann ein besonderes Gewicht in der Abwägung und damit ein besonderer Schutz zukommt, wenn sie nicht nur zum Zwecke der privaten Auseinandersetzung getätigt wird, sondern der Redende einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten will.564 Daraus lässt sich erkennen, dass es nicht darauf ankommt, wer den Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung tätigt, sondern nur darauf, dass er zu diesem Zweck getätigt wird. Nicht nur die Medien beziehungsweise die Presse können einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten, jegliche Meinungsäußerung ist hierzu in der Lage. Damit können auch Whistleblower durch ihre Meldungen zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Gleichwohl ist es genuine Aufgabe der Medien beziehungsweise der Presse, diese Beiträge zu leisten.565
560
Beater, Medienrecht, S. 376, Rn. 965. BVerfGE 20, 162 (175). Fechner/Popp, AfP 2006, 213 (214). 563 Für eine Loslösung des öffentlichen Informationsinteresses von den Medien auch Fechner/Popp, AfP 2006, 213 (214). 564 BVerfGE 7, 198 (212). 565 BGHZ 31, 308 (312). Ganz anders noch die reichsgerichtliche Rechtsprechung, die es explizit ablehnte, dass es Aufgabe und vor allem Recht der Presse sei, Missstände im Interesse der Allgemeinheit zu veröffentlichen, siehe Beater, Medienrecht, S. 377, Rn. 968 unter Verweis auf die Rechtsprechung RGSt 30, 41 (42 f.). 561 562
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Verfassungsrechtliche Verankerung des öffentlichen Informationsinteresses Das öffentliche Informationsinteresse ist als schutzwürdiges rechtliches Gut anerkannt und erfährt auch verfassungsrechtlichen Schutz.566 Die konkrete verfassungsrechtliche Verankerung des öffentlichen Informationsinteresses ist umstritten. Zum Teil wird es in der Presse- und Rundfunkfreiheit verortet.567 Kritisch an dieser Ansicht ist, dass das öffentliche Informationsinteresse verstärkend bei der Abwägung zu Gunsten der Medienfreiheiten wirkt und daher nicht gleichzeitig in ihnen zu verorten sein soll.568 Teilweise wird eine Verankerung in der Informationsfreiheit angenommen.569 Hiergegen ließe sich einwenden, dass das öffentliche Informationsinteresse dem Kollektiv zustehe und nicht dem Einzelnen, die Informationsfreiheit aber gerade den Zugang des Einzelnen auf Information umfasse.570 Zum Teil wird ein Stützen auf die Informationsfreiheit zusammen mit dem Demokratieprinzip und den Medienfreiheiten vorgeschlagen, um der Bedeutung der Informationen für die Demokratie Rechnung zu tragen.571 Wie Eichhoff zutreffend anmerkt, werde durch diese grundrechtliche Anbindung deutlich, dass das öffentliche Informationsinteresse all die Themen umfasse, die für die Bürger von Interesse seien und über die die Medien die Bürger informieren; zugleich werde auch deutlich, dass das Informationsinteresse auch der freiheitlichen Demokratie diene.572 Das öffentliche Informationsinteresse in der Abwägung beim Whistleblowing Die Veröffentlichung von Missständen kann mit Betriebs- und Staatsgeheimnissen sowie mit Persönlichkeitsrechten
in
Konflikt
treten.
Dementsprechend 573
Informationsinteresse in Spannung mit diesen Interessen.
steht
auch
das
öffentliche
Das öffentliche Informationsinteresse
streitet für die Freiheiten nach Art. 5 I GG.574 Daher kann in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des externen Whistleblowing, bei dem der Whistleblower in Ausübung seiner Meinungsäußerungsfreiheit die Öffentlichkeit informiert, angenommen werden, dass deren Informationsinteresse verstärkend wirkt. Ein öffentliches Informationsinteresse kann dabei in Bezug auf eine Äußerung nur existieren, wenn diese als Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung anzusehen ist.575 Dies ist dann nicht der Fall, wenn es sich um eine Äußerung im Rahmen einer rein persönlichen Auseinandersetzung handelt.576 In der Abwägung wirkt das öffentliche Informationsinteresse verstärkend aufseiten der Meinungsäußerung. Je größer das öffentliche Informationsinteresse ist, desto eher müssen gegenläufige Interessen, also beispielsweise
566
BVerfGE 20, 162 (214); Beater, Medienrecht, S. 376, Rn. 966. Eichhoff, Investigativer Journalismus, S. 284 unter Verweis auf die Andeutung BVerfGE 35, 202 (223); BVerfGE 101, 361 (387 f.). 568 Eichhoff, Investigativer Journalismus, S. 284. 569 Fechner/Popp, AfP 2006, 213 (213 f.). 570 Eichhoff, Investigativer Journalismus, S. 284; Fechner/Popp verstehen das öffentliche Informationsinteresse als kollektive Form der Informationsfreiheit, Fechner/Popp, AfP 2006, 213 (214). Siehe auch zur Durchsetzung der Demokratie und dem öffentlichen Informationsinteresse BVerfGE 27, 71 (81). 571 Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 284. 572 Eichhoff, Investigativer Journalismus, S. 284. 573 Beater, Medienrecht, S. 376, Rn. 965. 574 Rabe, Schutz der Persönlichkeit, S. 188. 575 Ladeur, JZ 2009, 966 (968); Rabe, Schutz der Persönlichkeit, S. 195. 576 BVerfGE 24, 278 (284 f.); BVerfGE 60, 234 (240); BVerfGE 61, 1 (11); BGHZ 139, 95 (107). 567
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Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Geheimhaltungsinteressen Informationsinteresse
wird
und von
Persönlichkeitsrechte, Fall
zu
Fall
zurücktreten.577
unterschiedlich
stark
Das im
öffentliche Rahmen
von
Verhältnismäßigkeitsüberlegungen gewichtet.578 Die Einführung von bindenden Maßstäben verbietet sich, weil diese zur Zensur führen würden.579 Wie in der Lüth-Entscheidung des BVerfG bereits festgestellt, aber auch in späteren Entscheidungen ausgeführt, kommt es für die Intensität des Schutzes von Meinungsäußerungen darauf an, ob es sich um einen Beitrag zu einer privaten Auseinandersetzung handelt oder ob der Beitrag gerade dem öffentlichen Informationsinteresse dienen soll.580 Rechtsprechung zum öffentlichen Informationsinteresse und öffentlichen Interesse im Zusammenhang mit Whistleblowing In der Rechtsprechung finden sich Beispiele dafür, dass das öffentliche Informationsinteresse herangezogen wurde, um die Rechtmäßigkeit des Whistleblowings zu bestimmen. Allerdings wird nicht nur das öffentliche Informationsinteresse als Abwägungsgesichtspunkt bemüht, sondern zum Teil auch auf das öffentliche Interesse als Abwägungsgesichtspunkt rekurriert. Somit soll die Untersuchung der hierfür relevanten Rechtsprechung erfolgen, um die Begrifflichkeiten in Bezug auf das Whistleblowing zu schärfen. a) Begriff des öffentlichen Interesses Der Begriff des öffentlichen Interesses ist nicht legaldefiniert. Zum Teil wird sogar angenommen, dies sei unmöglich.581 Unbestritten ist er jedoch Teil der juristischen Rechtspraxis und daher soll, in gebotener Kürze, eine Auseinandersetzung erfolgen. Für den Begriff des öffentlichen Interesses existieren sinnverwandte Variationen, namentlich der öffentliche Belang, das Gemeinwohl und das Wohl der Allgemeinheit.582 Das öffentliche Interesse, beziehungsweise seine sinnverwandten Variationen, sind an vielerlei Stellen im Recht wiederzufinden.583 In der Rechtsordnung werden die Begrifflichkeiten nicht einheitlich verwendet.584 Das Öffentliche scheint zunächst Gegenstück zum Privaten zu sein.585 Das Öffentliche und das Private sind jedoch im Verwendungszusammenhang des öffentlichen Interesses keine Antagonisten.586 In Bezug
577
BGHZ 131, 332 (342). Beater, Medienrecht, S. 379, Rn. 974. 579 Beater, Medienrecht, S. 380, Rn. 975 unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfGs BVerfGE 97, 228 (257). 580 BVerfGE 7, 198 (212); BVerfGE 60, 234 (240). 581 Luhmann, Der Staat 1962, 375. 582 Uerpmann, Öffentliche Interesse, S. 23 ff.; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 169. 583 So z.B. in § 679 BGB, §§ 153, 376 StPO, § 51 GewO; siehe hierzu ausführlich Kreis, Whistleblowing, S. 100 ff. 584 Uerpmann, Öffentliche Interesse, S. 24 ff. m.w.N. 585 So zum Beispiel in § 1 IV 2 BauGB; Häberle, Öffentliches Interesse, S. 61. So aber Leisner, Abwägungsstaat, S. 82 ff. 586 So wurde dies aber zu Zeiten des monarchistischen, obrigkeitsstaatlichen Staates aufgefasst. Hier war das öffentliche Interesse die Negation des privaten Interesses. Das Gemeinwohl war Einfallstor, häufig im Namen des Souveräns, für das Überrechtliche und Überwertige, Häberle, Öffentliches Interesse, S. 69. 578
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111
auf das öffentliche Interesse erhält es vielmehr die Bedeutung von allgemein und gemein.587 Zwar wurde das öffentliche Interesse in der Vergangenheit herangezogen, um die Freiheiten des Einzelnen zu begrenzen.588 Es ist mittlerweile jedoch anerkannt, dass die Freiheitsbetätigung selbst ein öffentliches Rechtsgut ist.589 In diversen Verwendungszusammenhängen lassen sich Interessen aber in öffentliche und private Interessen unterscheiden.590 Das Verständnis der Grundrechte als Abwehrrechte gegenüber dem Staat gewährt dem Einzelnen einen gesicherten Bereich, in dem er seine privaten Interessen verfolgen kann. Ein Eingriff in die Grundrechte wird dabei häufig durch staatliche Interessen gerechtfertigt.591
Gleichwohl
können
hinter
den
öffentlichen
Interessen,
Grundrechtseinschränkung herangezogen werden, auch Individualinteressen stehen.
592
die
für
die
Die Funktion der
Grundrechte erschöpft sich nicht in einer bloßen Abwehrmöglichkeit gegen den Staat. Sie können auch dann herangezogen werden, wenn ein Dritter, also ein Privater, die Grundrechte beeinträchtigt. Diese sogenannte Schutzpflichtenfunktion der Grundrechte war nicht von Anfang an anerkannt und entwickelte sich erst über die Jahre hinweg, maßgeblich getragen von der Rechtsprechung des BVerfG.593 Obgleich die dogmatische Begründung nicht unumstritten ist,594 ist doch anerkannt, dass eine Schutzpflichtendimension der Grundrechte existiert595 und dass diese auch subjektiv-rechtlich verbürgt ist.596 Damit wird deutlich, dass die Grundrechte neben den Allgemeininteressen auch den Schutz des Individuums zum Ziel haben und dass Individualinteressen sowohl für die Eingriffsabwehr, als auch für die Eingriffsrechtfertigung Relevanz entfalten können.597 Damit verschwimmen die Grenzen zwischen privaten und öffentlichen Interessen.598
587
Uerpmann, Öffentliche Interesse, S. 28. Häberle, Öffentliches Interesse, S. 89; Iro, Öffentliches Interesse, S. 15. Iro, Öffentliches Interesse, S. 15; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 189 f. 590 Siehe zu den folgenden Fallgruppen Uerpmann, Öffentliche Interesse, S. 39 ff. 591 Uerpmann, Öffentliche Interesse, S. 62. 592 Uerpmann, Öffentliche Interesse, S. 62. 593 Die Entwicklung hin zu einer Schutzpflichtfunktion der Grundrechte nahm ihren Anfang mit der Erkenntnis, dass die Grundrechte eine objektive Wertordnung innerhalb der Demokratie darstellen. Aus dieser Lehre vom objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte folgte letztendlich dann unter anderem die staatliche Schutzpflicht in Bezug auf Grundrechte, Stern, DÖV 2010, 241 (241); Dietlein, Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 51 ff. Zur Entwicklung hin zu einer objektiven Wertordnung siehe insbesondere die Lüth-Entscheidung des BVerfG BVerfGE 7, 198, aber auch schon die Entscheidungen BVerfGE 2, 1 (12) und BVerfGE 5, 85 (134) und auch in darauffolgenden Urteilen, so Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 207 ff. Nachdem anerkannt war, dass die Grundrechte eine objektive Wertordnung darstellen, ging das BVerfG den entscheidenden Schritt weiter und nahm in seiner Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch eine Schutzpflichtenfunktion an. Es leitete die Schutzpflicht aber noch nicht aus der objektiven Wertordnung der Grundrechte ab, sondern direkt aus Art. 2 II 1 GG, darüber hinaus solle sie sich auch aus der ausdrücklichen Vorschrift des Art. 1 I 2 GG ergeben, siehe BVerfGE 39, 1. 594 Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 217 ff. und 230 ff. der schon die (fehlende) Dogmatik zur objektivrechtlichen Wertordnung bemängelt, Klein, NJW 1989, 1633 (1635). 595 Böckenförde, Der Staat 1990, 1 (3 f.; 12 ff.); Calliess, JZ 2006, 321 (323 ff.); auch Alexy, mit seiner Weiterentwicklung der Wertetheorie durch einen Prinzipiencharakter der Grundrechte, siehe Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 411 ff. 596 Böckenförde, Der Staat 1990, 1 (12 ff.); Klein, NJW 1989, 1633 (1635 f.); Uerpmann, Öffentliche Interesse, S. 67. 597 Uerpmann, Öffentliche Interesse, S. 67. 598 Uerpmann, Öffentliche Interesse, S. 67. 588 589
112
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen b) Whistleblowing und öffentliche Interessen
Whistleblowing kann je nach Einzelfall verschiedenen öffentlichen Interessen dienen. So gibt es beispielsweise Fälle, in denen Gesundheitsgefahren für die Allgemeinheit durch das Whistleblowing aufgedeckt und diese Gefahren nur aufgrund der Hinweisgebung beseitigt wurden. Überwiegend werden Gefahren für die Allgemeinheit nur mittelbar durch das Whistleblowing beseitigt, indem die Öffentlichkeit von den Gefahren erfährt und so Handlungsdruck auf die Verantwortlichen ausgeübt wird, oder aber die Verantwortlichen ohne Information der Öffentlichkeit auf die Gefahren aufmerksam werden und Abhilfe schaffen. In Korruptionsfällen dient das Whistleblowing auf diese Art und Weise dem öffentlichen Interesse, denn indem das korrupte Verhalten aufgedeckt wird, werden gegebenenfalls Kosten eingespart, das Vertrauen in die Wirtschaft gestärkt und ein fairer Wettbewerb erhalten. Losgelöst vom konkreten Fall dient das Whistleblowing aber stets dann dem öffentlichen Interesse, wenn man bedenkt, dass die Öffentlichkeit ein Interesse daran hat, dass aufgestellte Regeln eingehalten werden und dass jeder Regelverstoß ein Verstoß gegen das öffentliche Interesse darstellt.599 In ihrer Dissertation hat Kreis eingehend dargelegt, dass das Whistleblowing, das auf Regelverstöße aufmerksam macht, der Rechtsdurchsetzung dient. Dabei ist das Inkenntnissetzen der zuständigen Stellen bereits ein Teil der Rechtsdurchsetzung. 600 Kreis hat in ihrer Untersuchung des Whistleblowings treffend darauf hingewiesen, dass Whistleblowing beispielsweise sowohl die Ermöglichung der Ausübung persönlicher Freiheit als auch die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft schützen könne, wobei beides letztendlich öffentliche Interessen seien.601 Kreis selbst beschränkt ihre Untersuchung auf das öffentliche Interesse an der „Einhaltung der selbst aufgestellten Regeln“ im Sinne eines Beitrags des Whistleblowings zur Rechtsdurchsetzung und schließt explizit die Frage aus, ob auch aus anderen Gründen als dem rechtsstaatlichen Informationsbedürfnis Whistleblowing zulässig sein müsste.602 Die Rechtsprechung beschränkt sich allerdings, wie sich im weiteren Verlauf zeigen wird, nicht auf die Rechtsdurchsetzung in Bezug auf Whistleblowing. c) Handhabung des öffentlichen Interesses aa) Abstrakte und konkrete Bestimmung des öffentlichen Interesses Die Handhabung des öffentlichen Interesses ähnelt der des öffentlichen Informationsinteresses. Das öffentliche Interesse ist „Synthesebegriff für alle relevanten Einzelinteressen“ und bedingt in gesetzlichen Tatbeständen und juristischen Dogmatiken den Zugang zur Abwägung.603 Als Tatbestandsmerkmal sorgt es somit für Flexibilität.604 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, die als Schranken-Schranke für Grundrechtseingriffe dient, kann legitimer Zweck das öffentliche Interesse
599
Kreis, Whistleblowing, S. 19. Kreis, Whistleblowing, S. 19. Kreis, Whistleblowing, S. 18. 602 Kreis, Whistleblowing, S. 18 f. 603 Uerpmann, Öffentliche Interesse, S. 290; Kreis, Whistleblowing, S. 106. 604 Kreis, S. 105; Häberle, Öffentliches Interesse, S. 233 ff. 600 601
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sein.605 Im Rahmen einer Abwägung ergibt sich das öffentliche Interesse.606 Die hierbei relevanten Interessen können öffentlicher oder privater Natur sein.607 Damit ist auch das öffentliche Interesse, wie das öffentliche Informationsinteresse, durch Abwägung im Einzelfall näher zu bestimmen. Streitet ein öffentliches Interesse für einen Eingriff in ein Grundrecht, dann muss seine konkrete Belastung und nicht seine abstrakte Bedeutung eruiert werden.608 Gleichwohl kann in einem ersten Schritt die abstrakte Bedeutung des öffentlichen Interesses bestimmt werden, wobei kein abschließendes, eindeutiges Stufenverhältnis der öffentlichen Interessen existiert.609 Die konkrete Gefahrenlage nimmt Einfluss auf das Gewicht der mit einem Grundrechtseingriff verfolgten öffentlichen Interessen.610 Für das Gewicht des öffentlichen Interesses im Einzelfall ist zudem das Ausmaß relevant, mit dem die grundrechtsbelastende Maßnahme den legitimen Zweck fördert.611 bb) Kollision von Grundrechten Aus grundrechtlicher Sicht kann es zu einer Kollision zwischen Grundrechten des einen Grundrechtsträgers mit Grundrechten eines anderen Grundrechtsträgers kommen, die dann im Wege der praktischen Konkordanz aufzulösen ist. Dabei können auch sonstige Verfassungsgüter mit in die Abwägung genommen werden. Der Grundrechtsschutz ist somit abhängig von den Interessen der Gemeinschaft, Allgemeinheit beziehungsweise Öffentlichkeit. Das ließe sich auch aus dem „ApothekerUrteil“ des BVerfG erkennen, in dem die Wahl des „gröbsten und radikalsten Mittel“ möglich ist, wenn ein „überragend wichtiges Gemeinschaftsgut“ diese Maßnahme rechtfertigen könne.612 Dabei kann ein Allgemeininteresse beziehungsweise ein Gemeinwohlbelang nicht nur dem Grundrecht in der Abwägung gegenüberstehen, sondern auch für das Grundrecht des Grundrechtsträgers streiten. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn es sich um die Kommunikationsgrundrechte wie etwa die Meinungsfreiheit handelt oder andere Grundrechte, die positive Freiheiten enthalten.613 d) Rechtsprechung zum öffentlichen Informationsinteresse Im Folgenden soll zunächst auf die Rechtsprechung, die das öffentliche Informationsinteresse beim Whistleblowing aufgreift, eingegangen werden. Anschließend soll die Rechtsprechung herangezogen werden, die sich auf das öffentliche Interesse beim Whistleblowing bezieht. Das öffentliche Interesse wird sowohl vom BAG als auch vom EGMR argumentativ dazu bemüht, die Loyalitätspflicht zu begrenzen.614 Gegenstand der Betrachtung ist nur die Rechtsprechung der deutschen Gerichte. Die
605
Kluckert, JuS 2015, 116 (117); BVerfGE 124, 300 (311). Uerpmann, Öffentliche Interesse, S. 36. 607 Uerpmann, Öffentliche Interesse, S. 36. 608 Kluckert, JuS 2015, 116 (117); Payandeh, AöR 2011, 578 (606). 609 Kluckert, JuS 2015, 116 (118). 610 Kluckert, JuS 2015, 116 (118); BVerfGE 120, 378 (428). 611 Kluckert, JuS 2015, 116 (119). 612 Rusteberg, in: Broemel u.a., Kollektivität, S. 17 unter Berufung auf BVerfGE 7, 377 (408). 613 Rusteberg, in: Broemel u.a., Kollektivität, S. 23. 614 Kreis, Whistleblowing, S. 80 unter Verweis auf die Rechtsprechung des BAG, Urteil vom 7.12.2006 - 2 AZR 400/05, NZA 2007, 502 und EGMR, Urteil vom 21.7.2011 – 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 606
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Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Rechtsprechung des EGMR wird gesondert im Kapitel Whistleblowing auf europäischer Ebene behandelt.615 aa) BGH vom 20.1.1981: Wallraff-Entscheidung Der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff arbeitete unter dem Decknamen „Hans Esser“ bei der BildZeitung und veröffentlichte seine dort gemachten Erfahrungen und Kritik nach Abschluss seiner Tätigkeit, worauf die Bild-Zeitung eine Unterlassungsklage anstrengte.616 Die Besonderheit in diesem Fall bestand darin, dass es sich nicht um die Veröffentlichung von Rechtsverstößen handelte, sondern um die Aufdeckung von nicht sorgfältiger journalistischer Arbeit.617 In seiner Entscheidung führte der BGH aus, dass sich ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Tätigkeit „über solche Vorgänge in dem Unternehmen kritisch äußern darf, an dem die Allgemeinheit ernstlich, also nicht nur aus Neugierde, interessiert ist, weil diese auch sie unmittelbar angehen.“618 Zumindest soll dies dann der Fall sein, wenn es sich bei den Vorgängen um gewichtige Missstände handelt, durch die die Öffentlichkeit selbst betroffen sei.619 Das BVerfG hob in der nachfolgenden Verfassungsbeschwerde die Entscheidung des BGH teilweise auf. In Bezug auf das öffentliche Informationsinteresse nahm es an, dass der BGH dieses zu stark gewichtet hätte. Zwar hob das BVerfG hervor, dass einer Meinungsäußerung umso mehr Gewicht zukomme, je mehr es sich nicht um eine private Äußerung, sondern um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung handele. Vorliegend seien aber die Informationen widerrechtlich und unter Täuschung erlangt worden, sodass ihre Veröffentlichung grundsätzlich nicht erfolgen dürfe, es sei denn, die widerrechtlich erlangte Information würde ihrerseits widerrechtliche Zustände oder Verhaltensweisen offenlegen, sodass daran ein überragendes öffentliches Interesse bestehe.620 Nach der Entscheidung des BVerfG ist also ein Beitrag zur öffentlichen Meinung, wenn die Information selbst widerrechtlich erlangt wird, dann höher zu gewichten, wenn dadurch rechtswidrige Zustände oder Verhaltensweisen offenbart würden. bb) BAG vom 5.2.1981:- Chefarzt-Fall In dem unveröffentlichten Urteil des BAG621 geht das Gericht explizit auf das öffentliche Interesse ein, in dem es ausführt, dass der Arbeitnehmer an die Öffentlichkeit gehen dürfe, wenn es sich um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage handele.622 Inhaltlich ging es darum, dass ein Chefarzt Missstände in der Klinik an die Presse gegeben hatte, um die Durchsetzung von Forderungen aus Privatliquidationen gegenüber der Klinik zu erreichen und dafür gekündigt wurde.623
615
Europarechtliche Anforderungen an das Whistleblowing, S. 201 ff. Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 119, Rn. 99. Wendeling-Schröder, Autonomie, S. 37f.; Kreis, Whistleblowing, S. 19 f. 618 BGHZ 80, 25 (30 f.). 619 BGHZ 80, 25 (30 f.). 620 BVerfGE 66, 116 (139). 621 BAG, Urteil vom 5.2.1981 –2 AZR 1135/78, AP LPVG NW § 72 Nr. 1. 622 Brungs, Whistleblowing, S. 239; Mückenberger, KJ 1983, 81 (84); Berthold, Whistleblowing, S. 38. 623 Sachverhalt nach der Zusammenfassung bei Berthold, Whistleblowing, S. 38. 616 617
D. Information
115
e) Rechtsprechung zum öffentlichen Interesse aa) LAG Baden-Württemberg vom 3.2.1987: Gammelfleisch Zuallererst wurde das öffentliche Interesse im Hinblick auf Whistleblowing-Fälle wohl in einem Urteil des LAG Baden-Württemberg berücksichtigt.624 In seinen Leitsätzen führte das Landesgericht aus „Eine Anzeige zum Nachteil des Arbeitgebers wegen Verstoßes gegen Vorschriften zum Schutz von Leben und Gesundheit, zB gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften, berechtigt den Arbeitgeber weder zu einer außerordentlichen noch ordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers.“625 Einer als „Abpackerin“ im Bereich „Frischfleisch“ Angestellten in einem Kaufhaus war fristlos gekündigt worden, nachdem sie eine Meldung über die gesundheitsgefährdende Erneutverpackung von Hackfleisch machte. Die Angestellte hatte Hackfleisch vom Vortrag aus der Verkaufstheke auszupacken. Sodann wurde dieses Hackfleisch mit frischem Hackfleisch vermischt und neu etikettiert auf das Datum des fraglichen Tages. Die Angestellte beobachtete diese Praktiken und meldete sie dem Wirtschaftskontrolldienst. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Abteilungsleiter der Abteilung „Frischfleisch“ ein Ermittlungsverfahren ein. Als der Personalleiter hiervon Kenntnis erlangte, sprach der Arbeitgeber unter Einschaltung des Betriebsrates die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus.626 Der Arbeitgeber hatte gegenüber dem Betriebsrat den Sachverhalt so dargestellt, als habe die Angestellte sofort einen einmaligen Verstoß gegen die Bestimmungen der Hackfleischordnung dem Wirtschaftskontrolldienst gemeldet; er verschwieg dabei, dass die Angestellte selbst zu diesem Missstand durch das Auspacken der Ware ihren Beitrag leisten musste. Die Kündigung wurde dann letztendlich für unwirksam erklärt.627 Von Interesse für die vorliegende Thematik sind die Ausführungen des Gerichts zu Whistleblowing und der Öffentlichkeit. Die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung begründete das Gericht damit, dass es entschuldbar sei, wenn eine Angestellte nicht erst intern versuche, Abhilfe zu schaffen, wenn bei ihr der Eindruck bestehe, der Betriebsleitung selbst seien die Manipulationen in der Abteilung „Frischfleisch“ bekannt und diese habe sie gebilligt. Insofern hätte sie sich in einem solchen Fall nicht zuerst an den Geschäftsführer oder die Unternehmensführung wenden müssen. Der Personalleiter war auch tatsächlich nach einem Gespräch mit der Angestellten im Jahr 1985 über die Missstände in der Abteilung informiert worden. Das Gericht stellte heraus, dass Gegenstand des Hinweises nicht lediglich die Verletzung von Vorschriften gewesen sei, die für die Allgemeinheit nur von untergeordneter Bedeutung
seien.
Durch
die
Meldung
der
Angestellten
wurden
mögliche
Gesundheitsbeeinträchtigungen von Kunden verhindert. Zudem hätten solche Gesundheitsschädigungen für den Arbeitgeber eine Rufschädigung und eine Gefährdung seines Vermögens bedeuten können. Ein möglicher Reputationsschaden des Arbeitgebers beim Wirtschaftskontrolldienst und die durch die
624
Siehe hierzu Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 38; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 3.2.1987 - 7 (13) Sa 95/86, NZA 1987, 756; Kreis hält dieses Urteil als bezeichnend dafür, dass „öffentliche Interessen als Fremdkörper in arbeitsrechtlichen Konflikten gesehen werden“, Kreis, Whistleblowing, S. 17. 625 LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 3.2.1987 - 7 (13) Sa 95/86, NZA 1987, 756 (756). 626 Vgl. LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 3.2.1987 - 7 (13) Sa 95/86, NZA 1987, 756 (756). 627 LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 3.2.1987 - 7 (13) Sa 95/86, NZA 1987, 756 (756).
116
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Meldung ausgelösten Maßnahmen würden demgegenüber unbedeutend erscheinen. Das Urteil trifft eine Aussage darüber, wann ein interner Abhilfeversuch entbehrlich ist. Das ist der Fall, wenn aus der Gesamtschau der Situation der berechtigte Eindruck beim Whistleblower besteht, dass die Betriebsleitung selbst über den Missstand informiert ist und ihn sogar billigt. Zudem legitimiert die Verhinderung der Gesundheitsgefährdung der Allgemeinheit ein solches Vorgehen. bb) LAG Schleswig-Holstein vom 15.11.1995: BSE-Fall Im bereits erwähnten Fall der Tierärztin Margit Herbst628 stellte das LAG Schleswig-Holstein fest, dass Frau Herbst ihre Verschwiegenheitspflicht ohne zwingenden Grund verletzt und zudem die Bevölkerung durch die Ausführungen zum Verdacht auf BSE geängstigt habe. Sie hätte zuerst innerdienstlich Aufklärung betreiben und Abhilfe schaffen müssen. Die fristlose Kündigung sei damit rechtmäßig erfolgt.629 Die Ausführungen des LAG Schleswig-Holstein verwundern, hatte Frau Herbst doch ihren Verdacht zuerst ihren Vorgesetzten mitgeteilt, woraufhin sie versetzt wurde.630 Zudem erscheint der Verdacht von Frau Herbst nicht aus der Luft gegriffen. Die Schadensersatz- und Unterlassungsklagen der Schlachthofbetreiberin hatten keinen Erfolg, die Behauptungen von Frau Herbst wurden als wahr angesehen.631 Das LAG Schleswig-Holstein ließ dabei das öffentliche Interesse zu Lasten der Klägerin einfließen, indem es argumentierte, dass durch die unbedachten Äußerungen der Arbeitnehmerin die Ängste der Öffentlichkeit angeheizt wurden.632 Dieser Fall hätte angesichts der drohenden Gesundheitsgefahren durch die Verbreitung von BSE auch genau gegenteilig entschieden werden können, wäre das öffentliche Interesse des Gesundheitsschutzes beziehungsweise das öffentliche Informationsinteresse an dem Missstand ausreichend berücksichtigt worden. cc) LAG Köln vom 2.2.2012: Bustürenfall In einem Fall vor dem LAG Köln wurde ebenfalls ausführlich auf das öffentliche Interesse eingegangen.633 Ein Fahrausweisprüfer/Busfahrer, der bei einem Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs nach Tarifvertrag beschäftigt war, richtete ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft, in dem er darauf hinwies, dass sein Arbeitgeber über Jahre vorsätzlich verkehrs- und betriebsuntaugliche Linienbusse im Verkehr einsetzte. Die Staatsanwaltschaft leitete aufgrund des Schreibens ein Ermittlungsverfahren ein, das jedoch mangels hinreichenden Tatverdachtes nach § 170 II StPO eingestellt wurde. Nachdem der Fahrausweisprüfer/Busfahrer auf die angeblichen Missstände hingewiesen hatte, kam es zu einem tragischen Unfall. Ein Jugendlicher zog den Nothahn an einer 628
LAG Schleswig-Holstein vom 15.11.1995-3 Sa 404/95105; siehe hierzu auch die Einleitung, die Ausführungen zum Sachverhalt, sowie die Entscheidungsgründe in Deiseroth, Whistleblowing in Zeiten von BSE, S. 141 ff. 629 Vgl. Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 39 und die Entscheidungsgründe in Deiseroth, Whistleblowing in Zeiten von BSE, S. 141 ff. 630 Vgl. Deiseroth, Whistleblowing in Zeiten von BSE, S. 17 ff. 631 Vgl. Schulz, Whistleblowing in der Wissenschaft, S. 40; siehe die Entscheidungsgründe zum Urteil des Landgericht Kiel vom 19.1.1996, in: Deiseroth, Whistleblowing in Zeiten von BSE, S. 146 ff. 632 Brungs, Whistleblowing, S. 238 f. 633 LAG Köln, Urteil vom 2.2.2012 - 6 Sa 304/11, NZA-RR 2012, 298; siehe auch die Zusammenfassung bei Scheurer, ZTR 2013, 291 (292).
D. Information
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Bustüre, sprang aus dem fahrenden Bus und verstarb dabei. Nach diesem Unfall richtete der Fahrausweisprüfer/Busfahrer ein Schreiben an die Polizei, in dem er unter Bezugnahme auf den Unfall davon berichtete, dass die Werkstatt, die die Busse des Unternehmens wartete, Veränderungen an den Sicherheitseinrichtungen des Busses vorgenommen hätte. So bremsten die Fahrzeuge nicht mehr wie bisher ab, wenn jemand unbefugt den Nothahn betätigte. Ohne die Veränderung hätte, nach Ansicht des Fahrausweisprüfers/Busfahrers, der Bus also bei Betätigung des Nothahnes abgebremst und der Jugendliche hätte entweder aufgrund der Vollbremsung den Nothahn gar nicht weiter betätigen können, oder aber er wäre zumindest nur aus einem Bus mit erheblich verringerter Geschwindigkeit gesprungen. Daraufhin wurde abermals ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, in dem ein Sachverständiger feststellte, es bestehe gar keine Koppelung zwischen Bremsanlage und Nothahn. Der Fahrscheinprüfer/Busfahrer wurde mehrmals fristlos gekündigt. Dagegen erhob er Klage. Das LAG Köln nahm in seinem Urteil Bezug auf die bisherige Rechtsprechung der deutschen Gerichte, aber auch der Rechtsprechung des EGMR.634 „Eine Rechtfertigung der Strafanzeige kann sich insbesondere aus dem öffentlichen Interesse einer Aufklärung der Vorwürfe ergeben. Wenn der EGMR in besonderem Maße Allgemeininteressen in die Abwägung der gegenläufigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einbezieht, dann steht dies den von BVerfG und BAG entwickelten Kriterien nicht entgegen, sondern kann als ergänzende Fortentwicklung angesehen werden. Mit den vom EGMR betonten Aspekten werden die bereits von den deutschen Gerichten herausgearbeiteten Grundsätze weiter präzisiert […] Letztlich entscheidend ist eine durch die Grundrechte der Beteiligten geprägte umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit.“635 Dabei nennt das LAG Köln als hohes Gut die Verkehrssicherheit, die die Anzeige als im öffentlichen Interesse stehend erscheinen lasse.636 Das Verhalten des Klägers stellt dem LAG Köln zufolge einen wichtigen Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 BGB dar. Er hatte wissentlich unwahre Tatsachen behauptet, indem er eine Manipulation der Sicherheitstechnik durch die Werkstatt in seinem Schreiben darlegte. Ihm hätte bewusst sein müssen, dass seine Vorwürfe einer sachlichen Grundlage entbehrten. Es habe keine sorgfältige Prüfung stattgefunden, ob die Informationen zutreffend und zuverlässig sind. Bei der Interessenabwägung bezog das LAG Köln in die Abwägung mit ein, dass der Kläger sich nicht an die Presse gewandt hatte, sondern seine Vorwürfe mit Bitte um vertrauliche Behandlung an die Ermittlungsbehörden richtete und sich der angerichtete Schaden somit in Grenzen hielt. In seiner weiteren Rechtsprechung blieb das LAG Köln bei seiner Linie und legte abermals dar, dass ein Whistleblower die Offenlegung in gutem Glauben vorgenommen haben und er überzeugt gewesen sein müsse, dass die Information wahr beziehungsweise zutreffend sei, im öffentlichen Interesse läge und
634
Siehe hierzu unten insbesondere das Kapitel Fall Heinisch, Seite 206. LAG Köln, Urteil vom 2.2.2012 - 6 Sa 304/11, NZA-RR 2012, 298 (300 ff.). 636 LAG Köln, Urteil vom 2.2.2012 - 6 Sa 304/11, NZA-RR 2012, 298 (301). 635
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Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
keine anderen, diskreteren Mittel existieren würden, um gegen den angeprangerten Missstand vorzugehen, wozu auch der Versuch der vorherigen innerbetrieblichen Klärung gehöre.637 dd) BAG vom 7.12.2006 In dem Urteil des BAG vom 7.12.2006 führte das Gericht aus, dass die streitgegenständliche Strafanzeige gegen die gesetzliche Vertreterin eines gemeinnützigen Vereins die Wahrnehmung eines staatsbürgerlichen Rechts darstelle. „Dessen Ausübung lag im vorliegenden Fall umso mehr im öffentlichen Interesse und bedurfte deshalb auch arbeitsrechtlichen Schutzes, als der Bekl. auch von Gerichten in Strafverfahren festgesetzte Bußgelder vereinnahmt hat.“638 Offenbar besteht hier das öffentliche Interesse deshalb, weil Bußgelder vereinnahmt wurden. Nicht allein ausschlaggebend scheint für das öffentliche Interesse zu sein, dass ein strafbares Verhalten aufgedeckt wurde.639 ee) BAG vom 15.12.2016 Eine Anwältin lehrte an einer Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Ihre Lehrtätigkeit wurde nach einer Evaluationsordnung ihrer Arbeitgeberin bewertet. Die Bewertung wurde an Mitarbeiter der Arbeitgeberin weitergeleitet, woraufhin die Arbeitnehmerin, da sie dies für rechtswidrig hielt, Strafantrag wegen einer Straftat nach § 44 I BDSG a.F. stellte. Daraufhin wurde sie von der Arbeitgeberin ordentlich gekündigt. Das BAG sah die Kündigung als wirksam an. Dabei erkannte das BAG entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG ein Recht zur Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte durch Stellung einer Strafanzeige zwar an, nahm jedoch an, dass dieses Recht eingeschränkt werden
könne,
wenn
sich
die
Reaktion
als
unverhältnismäßig
und
die
vertragliche
Rücksichtnahmepflicht verletzend darstelle. Als Kriterien, wann ein solcher Fall gegeben sei, wurden die Motivation, ein fehlender innerbetrieblicher Abhilfeversuch und haltlose Vorwürfe genannt. Explizit erwähnt wird im Zusammenhang mit dem innerbetrieblichen Abhilfeversuch, dass zum einen zu berücksichtigen sei, ob wirksame Mittel zur Verfügung standen, um etwas gegen den angeprangerten Missstand zu tun; andererseits sei auch das öffentliche Interesse an der Information zu berücksichtigen.640 Damit wurde explizit für die Abwägung festgestellt, dass an der Information der Missstände ein öffentliches Interesse bestehen müsse.641 Indem das Gericht ausführt, dass eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht vorliegt, wenn die Haltlosigkeit des Vorwurfs für den Hinweisgeber erkennbar war und dann ein vermeidbarer und damit schuldhafter Irrtum über die Voraussetzungen der Strafbarkeit vorliege,642 lehnt es sich bei der Beurteilung an den Maßstab des vermeidbaren Verbotsirrtums nach § 17 StGB an.643
637
Vgl. hierzu LAG Köln, Urteil vom 5.7.2012 - 6 Sa 71/12, CCZ 2013, 224, mit Anmerkung Stück; siehe hierzu auch Scheurer, ZTR 2013, 291 (292 ff.). BAG, Urteil vom 7.12.2006 - 2 AZR 400/05, NZA 2007, 502 (503). 639 Kreis, Whistleblowing, S. 37. 640 BAG, Urteil vom 15.12.2016 - 2 AZR 42/16, NZA 2017, 703 (704). 641 Siehe hierzu auch Reinhardt-Kasperek/Denninger, BB 2018, 2484 (2485); Gerdemann, RdA 2019, 16 (17). 642 BAG, Urteil vom 15.12.2016 - 2 AZR 42/16, NZA 2017, 703 (704). 643 So Gerdemann, RdA 2019, 16 (18). 638
D. Information
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ff) Fazit In der deutschen Rechtsprechung hat sich keine klare Linie herausgebildet, nach der das öffentliche Informationsinteresse beziehungsweise das öffentliche Interesse Wirkung für die Rechtmäßigkeit der Hinweisgebung entfalten. Zum Teil wird auf das öffentliche Informationsinteresse, zum Teil auf das öffentliche Interesse abgestellt. Letztendlich lässt sich jedoch anhand der Verwendung der Begriffe in der Rechtsprechung erkennen, dass in Bezug auf Whistleblowing das öffentliche Informationsinteresse und das öffentliche Interesse regelmäßig beide gegeben sind. Denn das öffentliche Informationsinteresse als Interesse der Öffentlichkeit, von einem Missstand zu erfahren, wird stets dann gegeben sein, wenn die Meldung im öffentlichen Interesse liegt, weil beispielsweise das öffentliche Interesse an dem Gesundheitsschutz der Allgemeinheit oder der effektiven Korruptionsbekämpfung gegeben ist. Immer dann, wenn es im allgemeinen Interesse liegt, dass ein Missstand beseitigt wird, wird auch ein Interesse der Öffentlichkeit gegeben sein, von diesem Missstand zu erfahren. Gleichzeitig ist kaum ein Fall denkbar, bei dem die Öffentlichkeit ausschließlich ein Interesse an der Information über einen Missstand hat, ohne dass ein Interesse besteht, den Missstand zu beseitigen. Entscheidend ist, dass in der Rechtsprechung teilweise weder das öffentliche Informationsinteresse, noch das öffentliche Interesse ausreichend gewichtet oder einbezogen wurden. Hier bedarf es einer gesetzlichen Regelung, die dieses Defizit aufgreift und für Klarheit sorgt.
III.
Neue Arenen als Bedrohung für den Geheimnisschutz und für Rechte der Betroffenen
Die Informationskanäle haben sich in der heutigen digitalen Gesellschaft stark verändert, und diese Veränderungen wirken sich auch auf das Whistleblowing aus. Während sich Whistleblower vor Jahrzehnten an die Öffentlichkeit wenden konnten, indem sie die Presse informierten oder sich an die Staatsanwaltschaft wandten, bieten heutzutage das Internet und die fortschreitende Digitalisierung neue Möglichkeiten.644 Ein Symptom dieser Veränderung sind Enthüllungsplattformen wie Wikileaks. Wikileaks und Cypherpunks Wikileaks
steht
in
der
Tradition
der
sogenannten
Cypherpunks.645
Entwicklungen
wie
Verschlüsselungstechniken und TOR-Netzwerke machen es heutzutage jedem möglich, sich anonym im Internet zu bewegen und Meldungen abzusetzen, die einen unbeschränkten Rezipientenkreis erreichen. Waren Verschlüsselungstechnologien einst nur Staatschefs und militärischen Geheimnisträgern zur Verfügung gestanden, kann heutzutage jedermann sie für sich nutzen, der die nötige digitale Kompetenz hat.646 Auch Whistleblower können von diesen Möglichkeiten profitieren. Edward Snowden nutzte die Techniken, um seine Geheimpapiere dem Journalisten Glenn Greenwald und der Filmemacherin Laura
644
Zu diesen Veränderungen der traditionellen Presse durch das Internet siehe Benkler, in: Brevini/Hintz/Mc Curdy, Beyond Wikileaks, S. 21. 645 Borchers, in: Geiselberger/Gilmer, Wikileaks, S. 55 (57). 646 Siehe zu der Geschichte Cypherpunks Fischermann, Die Zeit online vom 19.09.2013.
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Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Poitras zukommen zu lassen.647 Leaks auf Enthüllungsplattformen wie Wikileaks können anonym hochgeladen werden. Zwar eröffnet die Digitalisierung letztendlich diese Möglichkeiten, die Entwicklung hierzu nahm aber schon vor Jahrzehnten ihren Anfang und ist im Kern auf die CypherpunkBewegung zurückzuführen. Ihren Anfang nahm diese bei den Wissenschaftlern Eric Hughes und Tim May, ersterer ein Mathematiker an der University of Berkeley, letzterer ein Physiker. Beide gründeten 1992 eine Bewegung, die sich zum Ziel setzte, selbst eine Infrastruktur für ein gesetzloses und freies Internet zu schaffen.648 Ziel war es dabei auch, die Privatheit zu verteidigen.649 Grundlegend für ihre Bewegung waren die Ideen und Ideologien des „libertarianism“.650 Um ihr Ziel zu erreichen, entwarfen die Cypherpunks Verschlüsselungstechnologien.651 Während Verschlüsselungstechnologien bis in die 1970er Jahre nahezu ausschließlich von Militär und Geheimdiensten genutzt wurde, trieben die Cypherpunks eine private Nutzung dieser Technologien voran. Mit der Einführung einer E-MailVerteiler-Liste aus dem Jahr 1992 formten sich die Cypherpunks mehr und mehr zu einer wachsenden Bewegung.652 Auch Wikileaks-Gründer Julian Assange trat dieser Liste bei und sieht sich selbst als Teil dieser Bewegung.653 Somit können Entwicklungen wie der Aufbau der Online-Plattform Wikileaks als Produkt der Cypherpunks-Bewegung gesehen werden. Durch die Möglichkeit des, häufig anonymen, Meldens von Missständen über das Internet wurde das Whistleblowing revolutioniert. Dadurch entstehen transnationale Arenen mit einer unbeschränkten Anzahl von Adressaten und Rezipienten, die die Grenzen nationaler Jurisdiktionen sprengen.654 Eine auf dieser Art und Weise verbreitete Information ist nicht wieder rückholbar, ihre Verbreitung ist nicht eindämmbar und nicht in geregelte Bahnen zu lenken. Sie verbreitet sich schnell und erreicht eine unbegrenzte Anzahl von Personen, was eine sehr effiziente Form der Verbreitung darstellt.
647
Wobei dies fast daran gescheitert wäre, dass Glenn Greenwald nicht das Verschlüsselungstool PGP (Pretty Good Privacy) hatte, siehe Timm, in: Bell/Owen, Journalism after Snowden, S. 130. 648 Fischermann, Die Zeit online vom 19.09.2013. 649 „We the Cypherpunks are dedicated to building anonymous systems. We are defending our privacy with cryptography, with anonymous mail forwarding systems, with digital signatures, and with electronic money.“, Hughes, A Cypherpunk’s manifesto. 650 Fischermann, Die Zeit online vom 19.09.2013. Berühmte Vertreter der libertären Denkrichtung sind die Autorin Ayn Rand und der Anarchokapitalist Murray Rothbard, siehe hierzu den Vortrag von Emanuel Löffler auf der republica 2017, abrufbar unter . 651 In deren Folge konnten sich Techniken wie das Tor-Netzwerk und Bitcoins entwickeln. Die Kryptologie bildet eine eigene Wissenschaft, die sich mit Verschlüsselung beschäftigt. Bereits vor 2.500 Jahren wurden Verschlüsselungstechniken benutzt, um Informationen vor dem Zugriff Unberechtigter zu schützen. Die Regierung von Sparta nutzte dazu zylinderförmige Gegenstände, sogenannte Skytala oder auch spartanische Stabbriefe, die mit einem Pergament umwickelt waren, und auf denen längs die Informationen geschrieben waren. Der Empfänger brauchte somit einen Zylinder desselben Umfangs, siehe hierzu Beutelspacher, Kryptologie, S. 3 f.; Westerbarkey, Geheimnis, S. 24. 652 . 653 Siehe nur Assanges Buch Cypherpunks. 654 Fischer-Lescano, Blätter für deutsche und internationale Politik 2013, 63 (63). Die Anonymität des eigenen Handelns ist zur Grundlage einer „vollkommen neuen Dimension des politischen Engagements an der Schnittstelle von Online- und Offline-Welt geworden“, so Kersten. JuS 2017, 193 (193), bei der Gruppen wie Anonymous in Erscheinung treten.
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121
Problematik bei Hinweisen an Enthüllungsplattformen Missstandshinweise an Onlineplattformen wie Wikileaks sind aus mehreren Gründen problematisch. Derartige Hinweise können, insbesondere aufgrund der Anonymität der Hinweisgeber, erschwert auf die Authentizität der Informationen hin überprüft werden, und insbesondere bei komplexen oder großen Informationsmengen wird die Beurteilung der Geheimhaltungsbedürftigkeit nur durch einen kursorischen Überblick, sofern ein solcher überhaupt stattfindet, erfolgen können. Zudem sind der Zeitpunkt der Veröffentlichung und die Editierung dazu geeignet, die Wirkkraft und auch den Aussagegehalt eines Leaks zu verändern. Die Motive für die Art und Weise der Veröffentlichung bleiben dabei zuweilen intransparent und es kann angezweifelt werden, ob Zweck der Veröffentlichung die bloße Information über einen Missstand ist. Gerade in jüngster Vergangenheit machte Wikileaks negative Schlagzeilen, als es die gesamten Dokumente und E-Mails aus der Hackerattacke gegen Sony auf seiner Plattform veröffentlichte. Als Grund für das Publikmachen gab Wikileaks an, Sony sei ein geheimniskrämerischer internationaler Konzern, der im Rahmen seiner Lobbyarbeit starken Einfluss auf die US-Regierung nehme.655 Ein solches Motiv für die Veröffentlichung wirft die Frage auf, ob es sich hierbei noch um eine rechtmäßige Verbreitung handeln kann. Ebenso kritisch ist die Einmischung von Wikileaks in den US-Wahlkampf zu sehen, in dem die Plattform E-Mails von Hillary Clinton veröffentlichte und ihr so schadete.656 Bei Informationen, die über solche Plattformen veröffentlicht werden, stellt sich, wie bereits erwähnt, stets die Frage nach der Authentizität. Zweifel diesbezüglich sind begründet, gab es doch schon Fälle, wie den des erfundenen Briefs der Bank Julius Bär an Angela Merkel. Aufgrund zahlreicher Rechtschreibfehler in dem Schreiben hätten Bedenken an der Echtheit des Dokuments aufkommen müssen, dennoch wurde es von Wikileaks veröffentlicht.657 Neben der erschwerten Überprüfbarkeit der Authentizität der veröffentlichten Informationen aufgrund der Anonymität der Hinweisgeber, ist es für natürliche und juristische Personen kaum möglich, ihre Gegenrechte geltend zu machen.658 Sie können nur versuchen, gegen die Veröffentlichungsplattform selbst vorzugehen.659 Vergleich von Enthüllungsplattformen und Pressearbeit Es ist bereits angeklungen, dass sich die Arbeit von Enthüllungsplattformen von der Arbeit der Presse in wesentlichen Punkten unterscheidet. Während die Presse es als ihre genuine Aufgabe sieht, 655
Vgl. Kreye, SZ vom 17.04.2015. Vogt, Zeit online 1.3.2018. 657 Siehe hierzu Simonet, Implementierung Whistleblowingsysteme, S. 70. 658 Auf diesen Aspekt in Zusammenhang mit Anonymität hinweisend Kersten, JuS 2017, 193 (194). 659 Freilich zeigt sich dieses Problem nicht nur in Zusammenhang mit Whistleblowing-Plattformen und anonymen Hinweisen auf diesen, sondern beispielsweise auch in sozialen Netzwerken. Hier sollte das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) Abhilfe schaffen, indem es eine Möglichkeit eröffnet, gegen HateSpeech und Fake-News vorzugehen. Kritik hat das Gesetz unter anderem dadurch erfahren, dass die Anonymität stark beeinträchtigt würde, so der Sonderbeauftragte der UN für Meinungsfreiheit, David Kaye, siehe Krempl, heise online vom 9.6.2017. Siehe zur Kritik am NetzDG auch Nolte, ZUM 2017, 552. Bedeutend für die Eröffnung des Anwendungsbereiches ist gemäß § 1 I NetzDG die Abgrenzung zwischen sozialen Netzwerken, bei denen der Anwendungsbereich eröffnet ist und Plattformen mit journalistischredaktionell gestaltenden Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden (§ 1 I 2 NetzDG). 656
122
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Informationen zusammen zu tragen, zu editieren und zu überprüfen, stehen diese Aufgaben bei Enthüllungsplattformen nicht im Vordergrund. Während beispielsweise die Veröffentlichungen zu den Panama Papers monatelange Journalistenarbeit und Recherche erforderten, landen auf Wikileaks vielfach Dokumentpakete, die sich sozusagen im Rohzustand befinden. Und selbst wenn vereinzelt den Veröffentlichungen auf Enthüllungsplattformen eine Recherche oder Editierung vorausging, wie dies bei den sogenannten Collateral Murder Videos der Fall war, bei denen versucht wurde, die Identität der dort gezeigten Opfer zu klären und Journalisten an den Ort des Geschehens geschickt wurden,660 ist dies bei dem Großteil der Enthüllungen auf Plattformen nicht möglich. Dies macht häufig schon die schiere Masse an Daten, die hochgeladen werden, unmöglich. Hinzu kommt, wie das Beispiel der Enthüllungsplattform Wikileaks eindrücklich illustriert, dass die Motive der Plattformbetreiber zum einen äußerst intransparent sind und zugleich bestimmend dafür sein können, warum manche Informationen veröffentlicht werden und manche nicht. Zwar bergen Veröffentlichungen in der Presse die Gefahr, nicht nur der Aufdeckung von Missständen zu dienen, sondern den Verkauf durch möglichst spektakuläre Berichte anzutreiben. Zu Recht wird in diesem Zusammenhang kritisiert, dass die Presse und die Medien im Allgemeinen als Helden im Kampf gegen den Missbrauch von Macht gesehen werden und jegliche Gefahr ausgeblendet wird.661 Dennoch unterscheidet sich die traditionelle Presse von Enthüllungsplattformen wie Wikileaks in den genannten Punkten. Beim Vergleich zwischen Presse und Enthüllungsplattformen wurde deutlich, dass die neuen Arenen und Akteure nicht gleichermaßen eine Kontrollfunktion, wie sie die Presse innehat, ausüben können.662 Ein wesentlicher Unterschied ist, dass Veröffentlichungen auf Wikileaks und anderen, ähnlich gestalteten Kanälen regelmäßig keine Recherche vorangeht. Oft werden nur die Dokumente hochgeladen, aus denen jeder Nutzer seine eigenen Erkenntnisse ziehen kann. Ohne eine eingehende Sichtung und Bewertung der Dokumente und ohne eine Verifizierung und Kontextualisierung lässt sich daraus jedoch schwerlich ein Geheimhaltungsbedürfnis identifizieren. Diese Praktiken unterscheiden sich im hohen Maße vom Qualitätsjournalismus.663 Auch die legitimen Geheimhaltungsinteressen Dritter können dabei übergangen werden. Die genannten Aspekte sprechen dafür, keine journalistischredaktionelle Tätigkeit zu bejahen, sodass keine Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken i.S.v. Art. 85 DSGVO, §§ 9c, 57 RStV vorliegt und somit auch diese Form des Journalismus nicht unter das Presse- oder Medienprivileg fällt.664
660
Christensen/Jónsdóittir, International Journal of Communication 2014, 2258 (2259). So z.B. Sagar, Secret and Leaks, S. 7; kritische zu Wikileaks und die Rolle der Medien auch Simonet, Implementierung Whistleblowingsysteme, S. 68 ff. 662 Dagegen Trips-Herbert, ZRP 2012, 199 (201); Schmale/Tinnefeld, MMR 2011, 786 (790). 663 Tinnefeld, DuD 2012, 891 (893). 664 So auch Tinnefeld/Buchner, in: Beck OK Datenschutzrecht, BDSG Medien, Rn. 52, die von „datengesteuertem Journalismus“ sprechen. 661
D. Information
IV.
123
Hinweisgebersysteme als geregelte Informationskanäle
Hinweisgebersysteme als Compliance-Maßnahme Wenn der Arbeitgeber vermeiden möchte, dass Hinweisgeber sich an die Öffentlichkeit wenden und dabei gegebenenfalls Geheimnisse offenbaren, kann er versuchen, eigene Informationskanäle in Form eines Hinweisgebersystems im Unternehmen zu implementieren. Solche Hinweisgebersysteme werden häufig als Compliance-Maßnahme in Unternehmen eingeführt. Whistleblowing kann von Unternehmen also auch zur Selbstkontrolle gefördert werden.665 Hefendehl spricht in diesem Zusammenhang gar von einem gegenwärtigen Trend.666 Dabei können sich die Missstände, die über solche Hinweisgebersysteme gemeldet werden können, auf rechtswidriges Verhalten beziehen. Darüber hinaus legen Ethikrichtlinien Verhaltensvorschriften für die Beschäftigten fest.667 Verstöße gegen solche Richtlinien können ebenfalls Gegenstand von Meldungen sein. Die Vorteile von Compliance für Unternehmen bestehen darin, dass sie zu einer verbesserten Durchsetzbarkeit von Nebenpflichten, zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und der Vereinheitlichung multinationaler Unternehmen führen.668 Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen Hinweisgebersysteme können zentral oder dezentral eingerichtet werden. Eine zentrale Einrichtung bedeutet, dass die Meldungen bei einer zentralen Stelle eingehen, die für das Unternehmen im Ganzen oder einen bestimmten Lebensbereich zuständig ist. Eine dezentrale Einrichtung liegt vor, wenn jede Organisationseinheit, also der einzelne Betrieb, jeweils eine eigene Whistleblowing-Stelle betreibt.669 Die verschiedenen Verfahren variieren dabei von einer reinen Mensch-zu-Mensch-Kommunikation bis hin zu technischen Systemunterstützungen.670 Ebenso ist es möglich, zwischen internen und externen Hinweisgebersystemen zu unterscheiden. Ein externes System kann dann vorliegen, wenn eine externe Stelle die Funktion übernimmt, die in einem internen System etwa die unternehmensbezogene Compliance-Stelle innehat. Risikobehaftet sind externe Stellen insoweit, als auf diesem Weg Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aus dem Unternehmen nach außen gelangen können.671 Informationen,
die
über
Hinweisgebersysteme
weitergegeben
werden
können,
können
unterschiedlichster Natur sein. Es kann sich um strafbares Verhalten handeln, wobei gerade wirtschaftsstrafrechtliche Delikte wie Betrug oder Korruption von großer Relevanz sein können. Es
665 Dabei kann auch der Staat die Strategie der privaten Selbstkontrolle verfolgen, indem er Unternehmen durch verschiedene Instrumente wie z.B. rechtliche Verpflichtungen oder „soft law Techniken“ dazu bringt, eine solche Kontrolle auszuführen; vgl. dazu Kölbel/Herold, MschrKrim 2010, 424 (428-429). 666 Vgl. Hefendehl, in: FS Amelung, S. 617. 667 Vgl. Borgmann, NZA 2003, 352 (352). 668 Schneider, Arbeitsrechtliche Implementierung, S. 26 ff. 669 Vgl. Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, § 6, Rn. 17 f. 670 So können sich bei der Deutschen Bahn Hinweisgeber an anonym vom Unternehmen bestellte Ombudsleute wenden. Die Hochtief AG bevorzugt dagegen eine Telefonhotline, die zur Rechtsabteilung oder einem internen Anwalt führt; siehe hierzu Breinlinger/Kader, RDV 2006, 60 (61). 671 Vgl. Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, § 6, Rn. 14.
124
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
kann sich aber auch um sonstige, nicht strafrechtlich bewehrte Rechtsverstöße handeln. Ferner kann es sich um Verstöße gegen unternehmensinterne Ethikregeln handeln, die in einem Verhaltenskodex definiert wurden. Hinweisgebersysteme können sich somit von Organisation zu Organisation unterscheiden. Gemeinsam ist allen Hinweisgebersystemen, dass in ihnen Fehlverhalten gemeldet werden kann und so ein Kommunikationskanal besteht, der von der Organisation zu diesem Zweck geschaffen wurde. Anreiz oder Verpflichtung zur Einführung? Typischerweise ist ein Mittel zur Einführung eines Hinweisgebersystems ein unternehmensinterner Verhaltenskodex.672 Anlass für die Einführung sind zum Teil Regelungen aus anderen Rechtskreisen, wie zum Beispiel der US-amerikanische Sarbanes-Oxley-Act und andere Gesetze wie etwa der Public Company Accounting and Investor Protection Act.673 Es kann sich für Unternehmenseinheiten von USAktiengesellschaften, beziehungsweise Nicht-US-Unternehmen, die aber an einer US-Börse notiert sind, aus dem Sarbanes-Oxley Act (SOX) sogar die Pflicht ergeben, Verfahren zur Entgegennahme, Speicherung und Bearbeitung von Beschwerden einzuführen; nämlich dann, wenn sie im Anwendungsbereich des SOX, dem US-amerikanischen Kapitalmarkt, operieren wollen und Zugang zu diesem begehren.674 Gegenstand von Meldungen dürfen die Bereiche Rechnungslegung, interne Rechnungslegungskontrollen und Wirtschaftsprüfungsangelegenheiten sein. Angestellte des Emittenten sollen so vertraulich und anonym Beschwerden in Bezug auf fragliche Rechnungslegungs- oder Wirtschaftsprüfungsangelegenheiten einreichen können.675 Der SOX enthält zudem Schutzvorschriften vor Vergeltungsmaßnahmen für diejenigen, die Beweise für Betrug vorlegen. Das Listed Company Manual der New York Stock Exchange sieht eine Verpflichtung zur Einführung eines Verhaltenskodexes für an der NYSE gelistete Unternehmen vor.676 Im deutschen Recht kann sich beispielsweise aus Normen wie § 91 II AktG, § 12 AGG und § 52a II BImSchG ein Anreiz zur Einführung eines Hinweisgebersystems ergeben, wobei zum Teil auch von einer Pflicht ausgegangen wird.677 Dem Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 130 OWIG) und dem
672
Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 32, Rn. 101. Breinlinger/Kader, RDV 2006, 60 (62); oder aber auch der „Corporate Governance Codex“ der New York Stock Exchange, vgl. Schmidl, DuD 2006, 353 (354). 674 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 72; Donato, Whistleblowing, S. 49. Sec. 301 (4) SOX sieht die Verpflichtung zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems vor, siehe Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, S. 71; Idler/Waeber, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kapitel 21, Rn 27; Briegel, Einrichtung und Ausgestaltung Whistleblowing-Systeme, S. 132; Neumann, Whistleblowing, S. 172; Tinnefeld/Rauhofer, DuD 2008, 717 (720). 675 Buchert, in: Hauschka, § 42, Rn. 66 ff. 676 Fahrig, Einführung Verhaltenskodex, S. 42 ff; von der Verpflichtung kann jedoch beispielsweise als „Foreign Private Issuer“ wiederum abgewichen werden, vgl. Fahrig, Einführung Verhaltenskodex, S. 45. 677 Vgl. zur Aufzählung Kozak, Whistleblowerschutz, S. 218 und Fahrig, Einführung Verhaltenskodex, S. 38; Schneider, Arbeitsrechtliche Implementierung, S. 49 ff; ablehnend für eine Verpflichtung aus § 130 OWiG Schneider, Arbeitsrechtliche Implementierung, S. 54; Hauschka/Moosmayer/Lösler, in Hauschka, § 1 , Rn. 30. Zu den vereinzelt bestehenden Pflichten zur Einführung eines Hinweisgebersystems und zu weiteren Anreizen siehe das Kapitel Bestehende Regeln zum Whistleblowing, S. 59 ff. 673
D. Information
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Gesellschaftsrecht (§§ 76 I, 93 I, 91 II AktG) kann keine Pflicht entnommen werden.678 Richtigerweise sehen diese Vorschriften lediglich Maßnahmen vor, die Rechtskonformität zu wahren. Welche Maßnahmen dafür ergriffen werden, steht aber im Ermessen des Unternehmens.679 Je nach Gefährdungspotential eines Unternehmens kann sich allenfalls bei einer Ermessensreduzierung auf Null eine Verpflichtung ergeben, ein Hinweisgebersystem zu betreiben.680 Der Deutsche Corporate Governance Kodex ist ein durch eine Regierungskommission erstellter Katalog von Regeln zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften.681 Gemäß Nr. 4.1.3 Satz 2 und 3 des Deutschen Corporate Governance Kodex sollen börsennotierte Unternehmen angemessene, an der Risikolage des Unternehmens orientierte Maßnahmen im Sinne eines Compliance Management Systems implementieren und Beschäftigten auf geeignete Weise die Möglichkeit einräumen, geschützt Hinweise auf Rechtsverstöße im Unternehmen geben zu können. Auch Dritten soll diese Möglichkeit eingeräumt werden. Konkrete Vorgaben zum Schutz von Hinweisgebern fehlen hier jedoch.682 Eine allgemeine Pflicht zur Einführung eines Compliance-Systems aus dem, ohnehin nicht verbindlichen, Deutschen Corporate Governance Kodex besteht jedoch nicht; er begründet keine verbindlichen Pflichten, sondern ist sogenanntes „soft law“.683 Nur in dem beschränkten Anwendungsbereich der genannten Vorschriften des Finanz- und Versicherungsbereich besteht eine Pflicht zur Einführung eines Hinweisgebersystems.684 Vorteile von Hinweisgebersystemen Unabhängig vom Bestehen einer Verpflichtung zur Einführung von Ethikrichtlinien und Hinweisgebersystemen, existieren für Unternehmen viele Gründe, die für eine Einführung sprechen. Wird das Hinweisgebersystem im Rahmen von Compliance-Maßnahmen eingeführt und hierbei auch ein Verhaltenskodex implementiert, so dient dies der Klarstellung, welchen Pflichten die Arbeitnehmer unterliegen und an wen sie sich bei Missständen wenden können. Dies fördert die Rechtssicherheit. Besteht in einem Unternehmen ein Hinweisgebersystem, wird damit von höchster Stelle kommuniziert, dass Hinweise erlaubt und erwünscht sind. Für den Hinweisgeber wird es so leichter, eine Meldung zu machen, weil bei einer positiv besetzten Hinweiskultur weniger Sanktionen, gerade auch im zwischenmenschlichen Bereich, drohen.685 Daneben kann ein Hinweisgebersystem auch eine positive Außenwirkung entfalten, indem es das Vertrauen in das rechtmäßige Handeln des Unternehmens 678
Hauschka/Moosmayer/Lösler, in Hauschka, § 1, Rn 31. So Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 73. 680 Wybitul, ZD 2011, 118 (118), Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann sind skeptisch und verlangen außergewöhnliche Umstände, die eine solche Reduzierung bedingen, siehe Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 73. 681 Grützner/Jakob, in: Grützner/Jacob, Compliance A-Z, Deutscher Corporate Governance Kodex. 682 Groß/Platzer, NZA 2017, 1097 (1097). 683 So Kozak, Whistleblowerschutz, S. 219; Fahrig, Einführung Verhaltenskodex, S. 39; Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 15, Rn 45; Rudkowski/Schreiber, Aufklärung, S. 4. 684 Kreß, Criminal Compliance, S. 228. Siehe hierzu auch das Kapitel Bestehende Regeln zum Whistleblowing, S. 59 ff. 685 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 87, Rn 2f. 679
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Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
stärkt.686 In einem gerichtlichen Verfahren kann ein Verhaltenskodex darüber hinaus als Beweishilfe dienen.687 Compliance-Systeme, die Hinweisgebersysteme vorsehen, stellen effektive Mittel zur Aufklärung von Missständen und Straftaten im Betrieb dar. Eine Whistleblowing-Klausel dient dazu, dass der Arbeitgeber von Missständen im Betrieb erfährt und diese beseitigen kann. Eine solche Klausel ist als vom Arbeitgeber vorgesehene Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht zu sehen.688 Es besteht auch kein strafrechtliches Sanktionsrisiko für den Hinweisgeber, wenn im Betrieb ein Hinweisgebersystem implementiert wurde und dies im vorgesehenen Rahmen genutzt wird.689 Ein entscheidender Vorteil von Hinweisgebersystemen liegt außerdem in der Lenkung des Informationsflusses. Über die Einrichtung eines Hinweisgebersystems wird ein Informationskanal eröffnet, der Informationen an die dafür vorgesehene Stelle in der Organisation bringt und so gewährleistet, dass eine Information nicht verloren geht. Auch kann dies dazu beitragen, dass eine Information den unternehmensinternen Bereich nicht verlässt und nicht an unerwünschte Informationskanäle wie die Presse gelangt. Hinweisgebersysteme stellen also effektive Mittel zur Risikofrüherkennung dar.690 Gleichzeitig sorgen sie dafür, dass es zu weniger strafbaren oder anderweitig normwidrigen Handlungen kommt, da jederzeit damit gerechnet werden muss, dass solche Handlungen aufgedeckt werden.691 Hinweisgebersysteme bieten somit sowohl für Arbeitnehmer, als auch für Arbeitgeber Vorteile. Wege zur Einführung von Hinweisgebersystemen Hinweisgebersysteme werden häufig im Rahmen eines Verhaltenskodex in Unternehmen implementiert.692 Es sind verschiedene Wege denkbar, wie eine korrespondierende Ethikrichtlinie in das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingeführt werden kann, sei es durch Betriebsvereinbarung, individualvertragliche Vereinbarung, durch Tarifvertrag oder einseitig durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO.693 Durch das Direktionsrecht lassen sich viele compliance-typische Regelungen einführen. Dazu zählen die Verpflichtung zur Meldung von Missständen, die schwere Schäden, also Personen oder schwere 686
Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 85, Rn 50; Briegel, Einrichtung und Ausgestaltung Whistleblowing-Systeme, S. 94. So Fahrig, Einführung Verhaltenskodex, S. 58. 688 Fahrig, Einführung Verhaltenskodex, S. 86. 689 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 89ff. 690 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 75, Rn 16f. 691 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 81, Rn 35. 692 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 32, Rn 101. 693 Barthel/Huppertz, AuA 2006, 204 (204); dabei kann auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bezüglich einzelner Regelungen gemäß § 87 I Nr. 1 BetrVG bestehen (vgl. dazu dieselben, S. 205). Außerdem kann sich ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von Hinweisgebersystemen durch Ethikrichtlinien aus § 87 I 1 Nr. 6 BetrVG ergeben, vgl. hierzu z.B. ArbG Wuppertal, Beschluss vom 15.6.2005, NZA-RR 2005 476 (480), wobei die Folgeinstanz dies nicht zu entscheiden hatte; Schmidl, DuD 2006, 353 (353). Zur Einführung über das Direktionsrecht, siehe Fahrig, NJOZ 2010, 975 (977); Schneider, Arbeitsrechtliche Implementierung, S. 106; darüber hinaus ist die Einführung eines Verhaltenskodexes durch Änderungskündigung möglich, vgl. Fahrig, Einführung Verhaltenskodex, S. 110 ff.; siehe hierzu insgesamt auch Schneider, Arbeitsrechtliche Implementierung, S. 94 ff. 687
D. Information
127
Sachschäden, für das Unternehmen erwarten lassen. Seine Grenzen findet das Weisungsrecht in Gesetzen, Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und dem Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber darf also einseitig durch das Weisungsrecht Konkretisierungen der arbeitsvertraglichen Pflichten vornehmen, aber keine neuen Pflichten schaffen oder bestehende erweitern oder ändern.694 WhistleblowingKlauseln, die eine weitgehende allgemeine Anzeigepflicht für alle Beschäftigen vorsehen, sind keine Konkretisierung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht nach § 241 II BGB.695 Es ist also nicht möglich, durch das Direktionsrecht eine Pflicht zur Meldung jeglicher, auch unerheblicher Verstöße und zur Meldung von außerbetrieblichem Fehlverhalten einzuführen.696 Die Möglichkeit zur Einführung über das Direktionsrecht besteht mithin gerade nicht bei einem „Bagatell-Schaden“, für den auch aus dem Arbeitsvertrag keine Anzeigepflicht besteht.697 Innerhalb der genannten Grenzen muss zudem über das „billige Ermessen“ nach § 315 III 1 BGB und § 106 S. 1 GewO eine Interessenabwägung stattfinden.698 Ethikrichtlinien können, wie bereits erwähnt, auch durch Betriebsvereinbarungen eingeführt werden. Dies stellt in der Praxis den Regelfall dar.699 Voraussetzung hierfür ist, dass im Unternehmen ein Betriebsrat besteht. Ebenso können Regelungen zu Hinweisgebersystemen in einem Tarifvertrag geregelt werden.700 Daneben besteht die Möglichkeit, für Regelungen zum Hinweisgebersystem über individualvertragliche Regelungen Verbindlichkeit zu schaffen.701 Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Einführung von Hinweisgebersystemen und Ethikrichtlinien Bei Bestehen eines Betriebsrates stellt sich zudem die Frage nach seinen Beteiligungsrechten bei der Einführung von Hinweisgebersystemen. Solche können sich aus § 87 I Nr. 1 BetrVG und, wenn technische Einrichtungen verwendet werden, darüber hinaus aus § 87 I Nr. 6 BetrVG ergeben.702 In Bezug auf Ethikrichtlinien ist anzumerken, dass ein Mitbestimmungsrecht nicht nur dann besteht, wenn die Ethikrichtlinien durch Betriebsvereinbarung implementiert werden, sondern auch dann, wenn sie individualvertraglich oder im Rahmen des Weisungsrechts eingeführt werden.703 Dies gilt insbesondere dann, wenn der Kodex die Pflicht vorsieht, Verstöße gegen seine Regelungen zu melden.704 Keine 694
Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 204, Rn 152; Schneider, Arbeitsrechtliche Implementierung, S. 99; Schulz, Ethikrichtlinien, S. 70, 72. Schneider, Arbeitsrechtliche Implementierung, S. 108. Zum Teil wird differenziert zwischen der Einordnung einer Meldepflicht als Nebenleistungspflicht i.S.v. § 241 I BGB und einer Nebepflicht nach § 241 II BGB. Erstere soll vorliegen, wenn die Information die Erfüllung von Hauptleistungspflichten betrifft, letztere, wenn sie dem Schutz des Integritätsinteresses des Arbeitgebers dient, siehe Rudkowski/Schreiber, Whistleblowing, S. 12f.; Reichhold, in: FS Bauer, S. 843 (844). Bissels/Lützeler nehmen eine solche Differenzierung nicht vor, Bissels/Lützeler, BB 2012, 189 (190). 696 Rudkowski/Schreiber, Whistleblowing, S. 12. 697 Schneider, Arbeitsrechtliche Implementierung, S. 107. 698 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 205, Rn 154. 699 Schneider, Arbeitsrechtliche Implementierung, S. 164. 700 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 213, Rn 175. 701 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 206, Rn 157f. 702 Vgl. Fahrig, NJOZ 2010, 975 (978). 703 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 216, Rn 183. 704 „Honeywell-Beschluss“ BAG, Beschluss vom 22.7.2008 – 1 ABR 40/07, NZA 2008, 1248, siehe auch BB 2008, 2520 (2523) mit Anmerkung Sittard. 695
128
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Mitbestimmung besteht nach § 87 I HS 1 BetrVG, wenn nur der Verweis auf ohnehin bestehende gesetzliche Pflichten erfolgt.705 a) § 87 I Nr. 1 BetrVG Eine Mitbestimmungspflicht nach § 87 I Nr. 1 BetrVG ergibt sich bei Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer, soweit deren Zusammenleben und -wirken im Unternehmen tangiert werden.706 Ein Mitbestimmungsrecht besteht, wenn durch die Ethikrichtlinie, oder auch getrennt davon, eine Meldepflicht eingeführt wird.707 Umstritten ist hingegen, ob bei bloßen Appellen zum Whistleblowing eine Mitbestimmungspflicht besteht. Teilweise wird dies abgelehnt.708 Wenn das Whistleblowing in das Ermessen des Beschäftigten gestellt werde, würden keine neuen Verhaltensregelungen aufgestellt, sondern nur die ohnehin bestehenden Nebenpflichten verdeutlicht, sodass auch keine Mitbestimmungspflicht greife.709 Die Gegenmeinung nimmt auch hier eine Mitbestimmungspflicht an.710 Das BAG sieht dies ebenso und verlangt gerade keine verbindliche Handlungspflicht.711 Neben dem „Ob“, also der Auferlegung einer Meldepflicht, ist auch das „Wie“, also die Art und Weise wie gemeldet werden kann, mitbestimmungspflichtig.712 b) § 87 I Nr. 6 BetrVG Eine Mitbestimmung besteht nach § 87 I Nr. 6 BetrVG bei der Einrichtung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Dabei soll es nach Rechtsprechung des BAG genügen, dass die technischen Einrichtungen objektiv zur Überwachung geeignet sind; eine tatsächliche Überwachung ist nicht von Nöten.713 Der Wortlaut „dazu bestimmt sein“ lässt zwar zu, dass ein subjektives Element in Form einer Verwendungsabsicht Berücksichtigung findet. Gleichzeitig lässt sich der Wortlaut auch so verstehen, dass sich das „dazu bestimmt sein“ auf die Einrichtung bezieht, sodass diese „dazu bestimmt sein“ müssen, Arbeitnehmer zu überwachen.714 Sinn und Zweck der Regelung sprechen zudem für die objektive Auffassung, die nur auf die Verwendungsmöglichkeit zur Überwachung abstellt. Ebenfalls
705
BAG, Beschluss vom 22.7.2008 – 1 ABR 40/07, NZA 2008, 1248 (1253); Reinhard, NZA 2016, 1233 (1233); Fahrig, NJOZ 975 (978); Köhler/Häferer, GWR 2015, 159 (159). 707 BAG, Beschluss vom 22.7.2008 – 1 ABR 40/07, NZA 2008, 1248; Reinhard, NZA 2016, 1233 (1234); Köhler/Häferer, GWR 2015, 159 (160); Fahrig, NJOZ 2010, 975 (979). 708 Barthel/Huppertz, AuA 2006, 204 (205); Simon, DB 2005, 1800 (1801). 709 So Schneider, Arbeitsrechtliche Implementierung, S. 198. 710 Dzida, NZA 2008, 1265 (1268); Köhler/Häferer, GWR 2015, 159 (160). 711 BAG, Beschluss vom 22.7.2008 - – 1 ABR 40/07, NZA 2008, 1248 dem beipflichtend Dzida, NZA 2008, 1265 (1268); Reinhard, NZA 2016, 1233 (1235); a.A. Fahrig, NJOZ 2010, 975 (976). 712 BAG, Beschluss vom 22.7.2008 - – 1 ABR 40/07,, NZA 2008, 1248; Fahrig, NJOZ 2010, 975 (978); Reinhard, NZA 2016, 1233 (1235). Andere nehmen für den Fall, dass durch das Hinweisgebersystem nur ein zusätzlicher Meldeweg eröffnet wird, gerade keine Mitbestimmung an, Neufeld/Knitter, BB 2013, 821 (823). Richtigerweise ist bei der Implementierung eines solchen Meldeweges genauso die Ordnung im Betrieb betroffen, so auch Reinhard, NZA 2016, 1233 (1235). 713 BAG, Beschluss vom 9.9.1975 – 1 ABR 20/74, NJW 1976, 261; BAG, Beschluss vom 10.7.1979 – 1 ABR 97/77, AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 3; BAG, Beschluss vom 27.1.2004 – 1 ABR 7/03, NZA 2004, 556; siehe hierzu auch Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 499ff., Rn. 713 ff. 714 Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 517, Rn. 756. 706
D. Information
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gegen ein Abstellen auf die subjektive Verwendungsabsicht spricht, dass es in der Hand des Arbeitgebers läge, ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hätte oder nicht, könnte der Arbeitgeber doch seine Absicht auch leicht verbergen und so ein potentiell zur Überwachung geeignetes Instrument im Betrieb mitbestimmungsfrei zum Einsatz kommen.715 Die Mitbestimmung soll also Schutz vor der anonymen technischen Überwachung und Datenverarbeitung bieten.716 Bei anonymen WhistleblowingSystemen könnte die Eignung zur Überwachung entfallen, weil kein Rückbezug zur Person aufgrund der Anonymisierung möglich ist. Allerdings besteht bei anonymen technischen Hinweisgebersystemen unter Umständen die Möglichkeit, zu registrieren, von welchem Anschluss der Hinweis abgesetzt wurde, sodass auch hier § 87 I Nr. 6 BetrVG Anwendung finden könnte.717 Vom BAG wurde zudem anfangs ein Unmittelbarkeitserfordernis dergestalt angenommen, dass die technische Einrichtung nicht nur Überwachungsaufgaben
sein
objektiv, sondern auch
musste.
718
Das
BAG
unmittelbar
zog
mehrere
geeignet für die Jahrzehnte
das
Unmittelbarkeitserfordernis nicht mehr heran, sodass in der Literatur zwischenzeitlich davon ausgegangen wurde, dieses sei aufgegeben worden.719 Mittlerweile verwendet das BAG das Unmittelbarkeitserfordernis
aber
wieder.720
Dementsprechend
kann
nicht
von
gefestigten
Voraussetzungen des Mitbestimmungsrechtes gesprochen werden. Da Arbeitnehmer vor dem Risiko, während der Arbeit überwacht zu werden, effektiv geschützt werden sollten und das Mitbestimmungsrecht in § 87 I Nr. 6 BetrVG auch dazu dient, Arbeitnehmer vor Kontrolleinrichtungen, die stark in deren persönlichen Bereich eingreifen, zu schützen,721 sollte das Mitbestimmungsrecht nicht durch das Unmittelbarkeitserfordernis beschränkt werden. Es genügt, wenn die Gefahr der Überwachung besteht, auch wenn die Kontrolleinrichtung hierfür nicht unmittelbar geeignet ist. § 87 I Nr. 6 BetrVG kann durch eine großzügige Auslegung des Begriffes „Überwachung“ für diverse Sachverhalte, in denen Arbeitnehmerdaten verarbeitet werden, fruchtbar gemacht werden.722 Allerdings ist es müßig, die Regelung stets hart an der Wortlautgrenze anzuwenden, nur um die Problematik zu umgehen, dass kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in Datenschutzangelegenheiten besteht. Deshalb wäre es sinnvoll, eine Neuregelung zu schaffen, die den Herausforderungen, die der Arbeitnehmerdatenschutz hervorbringt, durch ein Mitbestimmungsrecht begegnet, ohne dass hierzu der beschränkte Kontext der Überwachung bemüht werden muss.723
715
Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 517, Rn. 756 mit weiteren Literaturnachweisen. Raif, in: Kramer, IT-Arbeitsrecht, C Kollektives Arbeitsrecht, Rn 57. 717 So Schneider, Arbeitsrechtliche Implementierung, S. 211; ArbG Wuppertal vom 15.6.2005, NZA-RR 2005, 476 (480). 718 BAG, Beschluss vom 9.9.1975 - – 1 ABR 20/74, NJW 1976, 261. 719 Klebe, NZA 1985, 44 (45); siehe zum Streitstand auch Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 519, Rn. 757. 720 BAG, Beschluss vom 10.12.2013 – 1 ABR 43/12, NZA 2014, 439. 721 BT-Drs. VI/1786, S. 49. 722 Körner, Beschäftigtendatenschutz DSGVO, S. 85. 723 So auch Körner, Beschäftigtendatenschutz DSGVO, S. 85f. 716
130
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen c) Folgen der fehlenden Mitbestimmung
Besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates und wurde die Mitbestimmung dennoch unterlassen, entsteht zum einen keine Bindungswirkung auf individualrechtlicher Ebene. Zum anderen hat der Betriebsrat das Recht, ein Beschlussverfahren nach § 2a BetrVG beim Arbeitsgericht anzuregen, um das Mitbestimmungsrecht feststellen zu lassen.724 Die Berücksichtigung der Mitbestimmung, wenn ein solches Mitbestimmungsrecht besteht, ist Wirksamkeitsvoraussetzung für Maßnahmen, die nachteilig für den Arbeitnehmer sind.725 Grundrechtliche Relevanz von Ethikrichtlinien und Hinweisgebersystemen Die Einführung von Ethikrichtlinien ist von der unternehmerischen Entscheidungs- und Betätigungsfreiheit nach Art. 12 I, Art. 14 GG erfasst.726 Von den Ethikrichtlinien, die ein bestimmtes Verhalten im Unternehmen fordern und festlegen, kann die Berufsausübungsfreiheit der Beschäftigten nach Art. 12 I GG betroffen sein.727 Enthält eine Meldung des Whistleblowers Informationen über einen Dritten, so wird dieser in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG betroffen sein. Zum einen kommt hier der Aspekt der Ehrverletzung in Betracht, wenn die Whistleblowing-Meldung dazu geeignet ist, das Bild seiner Persönlichkeit in der Öffentlichkeit nachteilig zu beeinflussen, was bei Anschuldigungen bezüglich Straftaten regelmäßig der Fall sein dürfte.728 Bei verunglimpfenden und wahrheitswidrigen Behauptungen kommt das allgemeine Persönlichkeitsrecht zum Tragen.729 Darüber hinaus kann Meldegegenstand auch etwas sein, das der persönlichen Lebenssphäre des Gemeldeten zuzurechnen ist. So kann es sein, dass eine Ethikrichtlinie selbst ein Verhalten verbietet, das diesem Bereich zuzurechnen ist. Eine Meldung darüber, dass der Gemeldete gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, kann dann das allgemeine Persönlichkeitsrecht betreffen. Jedoch ist zu beachten, dass Bestimmungen in der Ethikrichtlinie selbst den Grundrechten genügen müssen. So wurde beispielsweise eine Bestimmung, die besagt, dass Mitarbeiter nicht mit jemanden ausgehen oder eine Liebesbeziehung eingehen dürfen, der Einfluss auf deren Arbeitsbedingungen nehmen kann, als Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewertet.730 Bei jeder Whistleblowing-Meldung werden auch Daten über den Dritten weitergegeben werden, sodass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG, des Gemeldeten betroffen ist. Die Art. 29 Datenschutzgruppe mahnte an, dass in Regelungen zu Hinweisgebersystemen der Schutz des Beschuldigten, insbesondere im Hinblick auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung
724
Köhler/Häferer, GWR 2015, 159 (161); Grambow, BB 2017, 1909 (1909f.). BAGE 3, 207 (212); BAGE 58, 156 (165); BAGE 76, 234 (239); BAGE 101, 288 (295f.); Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 231, Rn 225. 726 Fahrig, Einführung Verhaltenskodex, S. 75. 727 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 188, Rn 102; Fahrig, Einführung Verhaltenskodex, S. 75. 728 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 GG, Rn 170; Steigert, Datenschutz, S. 35. 729 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 GG, Rn 142. 730 Wal Mart, vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2005 – 10 TaBV 46/05, NZA-RR 2006, 81. 725
D. Information
131
Berücksichtigung finden müsse.731 Daneben ist auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Whistleblowers betroffen, der bei einer Meldung regelmäßig personenbezogene Daten über sich selbst weitergibt. Hinweisgebersysteme weisen also eine grundrechtliche Relevanz auf, die es zu beachten gilt. Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen in Unternehmen a) Whistleblowing-Stellen Maßgeblich für den Erfolg des Hinweisgebersystems ist die Stelle, an die sich der Whistleblower bei seiner Hinweisgebung wenden kann. Die möglichen Whistleblowing-Stellen unterscheiden sich bezüglich ihrer Fachkompetenz, ihrer Kenntnis über das Unternehmen und die Ausgestaltung der Vertraulichkeit, wobei einige Whistleblowing-Stellen auf Grund der beruflichen Tätigkeit der beschäftigten Personen ein noch höheres Maß an Vertraulichkeit aufweisen können. Freilich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass bei Whistleblowing-Stellen stets auch die Unternehmensstruktur und die Unternehmensgröße zu berücksichtigten ist. Ebenso kann die Unternehmensform, etwa bei der Aktiengesellschaft, bei der Auswahl der geeigneten Whistleblowing-Stelle eine Rolle spielen.732 Es verbietet sich eine Generallösung für alle Unternehmen. a) Beauftragte im Unternehmen Im Unternehmen gibt es Beauftragte für spezielle Materien. Zu nennen sind hier beispielsweise der betriebliche
Datenschutzbeauftragte,733
der
Geldwäschebeauftragte
(§ 7 GWG),
der
Sicherheitsbeauftragte (§ 22 SGB VII), der Immissionsschutzbeauftragte (§ 58 BImSchG) und der Strahlenschutzbeauftragte (§ 43 Strahlenschutzverordnung).734 Für bestimmt Missstände ist es aus Kompetenzgesichtspunkten förderlich, sich an den jeweiligen Beauftragten zu wenden. Als allgemeine Whistleblowing-Stelle können diese Beauftragten jedoch nicht dienen. b) Internes Hinweisgebersystem Der Vorteil eines unternehmensinternen Systems ist es, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Fachkenntnis und das Wissen über das Unternehmen vorliegen. Es kommen diverse Stellen im Unternehmen als Hinweisgeberstellen eines internen Hinweisgebersystems in Betracht. So empfiehlt beispielsweise der SOX das Audit Committee als Whistleblowing-Stelle.735 Das Audit Committee bietet den Vorteil, dass die Meldung regelmäßig die Organe der Gesellschaft mit Haftungsrisiko erreicht, da es selbst ein Ausschuss beim Aufsichtsrat ist.736 Auch nach deutschem Recht ist die Einrichtung von
731
Siehe Stellungnahme der Art. 29 Datenschutzgruppe, WP 117, S. 7. Vgl. etwa Casper, in: Liber amoricum für Martin Winter, 2011, 77 (96). Siehe hierzu ausführlich unter Hinweis auf die Ungeeignetheit als Whistleblowing-Stelle das Kapitel Datenschutzbeauftragter, S. 301. 734 Aufzählung nach Fritz, in: Maschmann, S. 125; Dendorfer-Ditges, in: Moll, § 35, Rn. 142. 735 Vgl. Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme, S. 94. Das Audit-Committee ist ein Ausschuss des Aufsichtsrat, der sich gemäß dem Deutschen Corporate Governance Kodex vor allem mit Fragen der Rechnungslegung beschäftigt, siehe Grützner/Jacob, Compliance A-Z, Prüfungsausschuss. 736 Vgl. Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme, S. 113. 732 733
132
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Prüfungsausschüssen möglich.737 Der Aufsichtsrat selbst ist als allgemeine Whistleblowingstelle ungeeignet. Missstände stünden regelmäßig nur in Ausnahmefällen mit der Tätigkeit der Leistungsebene in Zusammenhang, sodass thematisch der Aufsichtsrat schon ungeeignet sei.738 Umstritten ist zudem, ob der Aufsichtsrat berechtigt ist, Hinweise von Whistleblowern ohne Mitwirkung des Vorstandes entgegenzunehmen.739 Nach vorzugswürdiger Ansicht hat der Aufsichtsrat nur die Aufgabe, das Hinweisgebersystem bezüglich seiner Funktion und Wirksamkeit zu überwachen.740 Lediglich für Missstände, die sich auf Organe des Unternehmens beziehen, könne der Aufsichtsrat taugliche Whistleblowing-Stelle sein.741 Dementsprechend ist auch das Audit Commitee als Ausschuss beim Aufsichtsrat ungeeignet, obgleich nach § 301 SOX verlangt wird, dass dieses Meldungen entgegennimmt.742 Unternehmen haben oftmals eine Compliance-Abteilung mit einem Compliance-Officer. Er ist verantwortlich für das Compliance-System und meldet an die Geschäftsleitung.743 Für den ComplianceOfficer als zuständige Stelle spricht, dass dieser die zu beachtenden Vorschriften aufgrund seiner Tätigkeit genau kennt.744 Gleichzeitig ist der Compliance-Officer aufgrund seiner Aufgabenstellung noch mehr als der „normale“ Arbeitnehmer dazu angehalten, größere Anstrengungen auf sich zu nehmen, um innerbetrieblich dem Missstand abzuhelfen.745 Zudem ist der Compliance-Officer beziehungsweise die Compliance-Abteilung bestens vertraut mit dem Unternehmen, besitzt also die nötige Fachkompetenz.746 Die Problematik bei unternehmensinternen Hinweisgebersystemen ist allerdings das Misstrauen und die geringere Akzeptanz gegenüber solchen Systemen. So werden potentielle Hinweisgeber oftmals Bedenken hegen, ob ihre Meldungen tatsächlich vertraulich behandelt werden, oder aber nicht doch eine Rückverfolgung stattfindet.747 Tatsächlich kann in einem internen Hinweisgebersystem bei Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft keine Vertraulichkeit gesichert sein, da der empfangenden Stelle weder ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, noch die Beschlagnahme von Dokumenten verhindert werden kann.748 Dementsprechend ist es auch nicht von Nutzen, wenn der Compliance-
737
Ein Hauptunterschied zwischen dem deutschen und dem US-amerikanischen Recht besteht darin, dass es nicht, wie in Deutschland, eine Trennung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand existiert, sondern ein „Board of Directors“ besteht, das das Audit Committee bestellt, siehe hierzu Buchert, in: Hauschhka/Moosmayer/Lösler, § 42, Rn. 67. 738 Buchert, in: Hauschhka/Moosmayer/Lösler, § 42, Rn. 15. 739 Siehe hierzu Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, S. 161, Rn 16 mit weiteren Nachweisen. 740 Buchert, in: Hauschhka/Moosmayer/Lösler, § 42, Rn. 67. 741 Buchert, in: Hauschhka/Moosmayer/Lösler, § 42, Rn 16. 742 Schürle/Fleck, CCZ 2011, 218 (218). 743 Mengel/Hagemeister, BB 2007, 1386 (1386). 744 So Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme, S. 115. 745 Vgl. Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme, S. 114; Dann/Mengel, NJW 2010, 3265 (3267); strafrechtlich kann sich sogar eine Garantenstellung des Compliance-Officers ergeben, vgl. BGH, Urteil vom 17.7.2009 – 5 StR 394/08, NJW 2009, 3173. 746 Süße, in: Schettgen-Sarcher/Bachmann/Schettgen, S. 201. 747 Buchert/Jacob-Hofbauer, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, S. 264, Rn 18. 748 Buchert/Jacob-Hofbauer, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, S. 264, Rn 18.
D. Information
133
Officer die Rechtsanwaltszulassung besitzt. Es ist umstritten, ob auf den Syndikusanwalt § 53 StPO Anwendung findet. Im Hinblick auf die Unsicherheit bezüglich der Anwendung der Norm auf den Syndikusanwalt sollte jedoch davon ausgegangen werden, dass er nicht in deren Schutzbereich fällt.749 Für kleine Unternehmen sind interne Hinweisgebersysteme zudem regelmäßig kaum realisierbar aufgrund des unverhältnismäßig hohen Aufwands und der hohen Kosten. c) IT-gestützte Systeme von Dritten Eine neuere Entwicklung sind Systeme, die von einem Dritten vertrieben und betrieben werden.750 Diese Systembetreiber sorgen nach eigenen Angaben für Datensicherheit und Datenschutz. Ein Beispiel hierfür ist die Business Keeper AG.751 Bei IT-basierten Systemen, bei denen die Meldungen zum Beispiel per E-Mail erfolgen, besteht der Vorteil, dass sie rund um die Uhr verfügbar sind, dass Meldungen einfach möglich sind, dass sie ein multilinguales Angebot bereithalten können und durch Verschlüsselungstechniken und gesicherte zertifizierte Datenbanken die Datensicherheit in hohem Maße gewährleistet werden kann.752 Problematisch aus Sicht des Unternehmens kann sein, dass so Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse an Unternehmensexterne weitergegeben werden. Hier ist auch aus diesem Grund darauf zu achten, dass kein Unbefugter Zugriff auf Daten hat. Die Mitarbeiter dieser externen Unternehmen müssen rechtlich geschult sein. Ihnen werden regelmäßig spezielle Kenntnisse zum Unternehmen und Fachkenntnisse fehlen. Die rein technische Entgegennahme von Hinweisen durch externe Callcenter stellt hingegen keinesfalls eine vorzugswürdige Whistleblowing-Stelle dar. Neben der fehlenden Kompetenz und dem fehlenden Unternehmensbezug, kommt hier die hohe Fluktuation der Mitarbeiter als zu berücksichtigender Nachteil hinzu.753 d) Ombudsperson Denkbar sind dezentrale Ombudspersonen in den verschiedenen Unternehmen, aber auch eine unternehmens- bzw. konzernweite Ombudsstelle. Vorreiter beim Einsatz von Ombudspersonen war in Deutschland die Deutsche Bahn AG.754 Ombudspersonen sind (unternehmens-) externe Stellen. Hierbei kann
es
sich
beispielsweise
um
einen
Anwalt
oder
einen
Mitarbeiter
einer
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft handeln.755 Die Ombudsperson-Idee stammt aus Skandinavien und übertrug sich von dort auf diverse Staaten.756 Ambivalent wird die Stellung der Ombudsperson als
749
Süße, in: Schettgen/Sarcher, Bachmann, Schettgen, S. 212; der angestellte Unternehmensjurist falle wohl schon formal nicht unter den Begriff des Rechtsanwalts im Sinne von § 53 I Nr. 3 StPO, siehe Park, Durchsuchung und Beschlagnahme, § 3 Beschlagnahme, Rn 550. 750 Sethe, in: FS Weber, S. 189 (196). 751 Siehe hierzu das Kapitel Datenschutz durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen nach Art. 25 DSGVO, S. 303 ff. 752 Buchert/Jacob-Hofbauer, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, S. 265, Rn 25. 753 Buchert/Jacob-Hofbauer, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, S. 264, Rn 22. 754 Vgl. Buchert/Jacob-Hofbauer, Hinweisgebersysteme im Unternehmen, S. 230. 755 Vgl. Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme, S. 116. 756 Sommermann, Die Bedeutung der Rechtsvergleichung, S. 16.
134
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
Unternehmensanwalt beurteilt. Zum Teil wird diese Funktion abgelehnt aufgrund eines drohenden Interessenkonflikts.757 Der Einsatz von Ombudspersonen als Whistleblowing-Stelle bietet zahlreiche Vorteile. Sie können, sofern sie nicht von seiner Schweigepflicht durch den Hinweisgeber befreit wurden, die Identität des Hinweisgebers dadurch schützen, dass sie die Meldung zwar an das Unternehmen weitergeben, aber jegliche Hinweise, die Rückschlüsse auf die Identität des Informanten zulassen würden, aussparen.758 Einer möglichen Denunziation könnte dadurch begegnet werden, dass die Verschwiegenheit für den Fall nicht gelten soll, in denen der Hinweisgeber sich nach §§ 186 ff. StGB strafbar macht.759 Vertraulichkeit kann ebenfalls, wenigstens teilweise, gesichert werden. Beauftragt man Anwaltskanzleien als Stellen, so wird der Geheimnisschutz über § 203 Nr. 2 StGB abgesichert.760 Die jüngere Rechtsprechung hat jedoch den Schutz von Ombudspersonen massiv eingeschränkt. Das LG Bochum entschied, dass Rechtsanwälte, die als von einem Unternehmen beauftragte Ombudspersonen tätig werden, nicht unter den Schutz von § 53 I StPO, sowie § 97 I Nr. 3 StPO fallen.761 Zwischen Ombudsperson und Hinweisgeber fehle es an der erforderlichen individuell begründeten Vertrauensbeziehung.762 Eine Zusicherung von Anonymität in Hinweisgebersystemen würde darüber hinaus auch keine Drittwirkung gegenüber Strafverfolgungsbehörden entfalten, sodass eine Beschlagnahme stattfinden könne.763 Ein weiterer Vorteil besteht in der Tatsache, dass Ombudspersonen in Anwaltskanzleien die juristische Kompetenz besitzen, um den Beratungsbedarf des Whistleblowers zu befriedigen. Sie können die Schwere des Verdachts einschätzen und Fragen nach etwaiger eigener Strafbarkeit beantworten.764 Mittäter werden sich in der Regel ausschließlich an eine neutrale Stelle wenden wollen. Sie können gemeinsam mit der Ombudsperson das weitere Vorgehen, auch in eigener Sache, besprechen.765 Gleichwohl besteht hier das Problem der mangelnden Fachkompetenz, wie es bei unternehmensexternen Stellen stets der Fall sein dürfte.766 Auch wird von manchen Autoren ein größerer bürokratischer Aufwand befürchtet.767
757
Ablehnend Buchert/Jacob-Hofbauer, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, S. 269, Rn 46; befürwortend Schemmel/Ruhmansseder/Witzigmann, S. 323. 758 Vgl. Buchert/Jacob-Hofbauer, Hinweisgebersysteme im Unternehmen, S. 232. 759 Dagegen Buchert/Jacob-Hofbauer, Hinweisgebersysteme im Unternehmen, S. 232. 760 Buchert, in: Hauschka, § 42, Rn 38 ff. 761 LG Bochum, Beschluss vom 16.3.2016 – II-6 Qs 1/16, NStZ 2016, 500. Siehe hierzu auch Lilie-Hutz/Ihwas, NZWiSt 2018, 349 mit vielen weiteren Nachweisen zur aktuellen Rechtsprechung. 762 BGH, Urteil vom 30.11.1989 – III ZR 112/88, NJW 1990, 510 (512). 763 Sotelsek, Besprechung des Urteils LG Bochum, Beschluss vom 16.3.2016 – II-6 Qs 1/16, NStZ 2016, 500 (503). 764 So Buchert/Jacob-Hofbauer, Hinweisgebersysteme im Unternehmen, S. 231. 765 Süße, in: Schettgen-Sarcher/Bachmann/Schettgen, S. 205. 766 Vgl. Sethe, in: FS Weber, S. 189 (209). 767 So Casper, in: Liber amoricum für Martin Winter, 2011, 77 (97).
D. Information
135
e) Betriebsrat Es erscheint nicht vorzugswürdig, den Betriebsrat als Whistleblowing-Stelle zu benennen. Der Betriebsrat hat zur Aufgabe die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten. Ihm fehlt es damit an der nötigen Neutralität, da bei der Ermittlung zu einem Missstand auch die Arbeitgeber- und Unternehmensinteressen ausreichend zu berücksichtigen sind.768 f) Fazit Es sind diverse Gestaltungsmöglichkeiten für Whistleblowing-Stellen in Unternehmen denkbar. Bei jeglicher Gestaltung bestehen Vor- und Nachteile, sodass im Einzelfall entschieden werden muss, welche Ausgestaltung vorzugswürdig ist. Wirkung von Hinweisgebersystemen in Unternehmen Perspektivisch zu erwarten ist, dass durch den gesteigerten Einsatz von unternehmensinternen Hinweisgebersystemen die Bereitschaft zum externen Whistleblowing abnimmt. Es ist zu erwarten, dass ein Hinweisgeber, der davon ausgehen kann, dass seine informationelle Privatheit, aber auch die dezisionale Privatheit, zum Beispiel im Hinblick auf die Vertraulichkeit, bestmöglich innerhalb des Systems geschützt werden, sich nicht mit seiner Meldung nach außen wendet. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Unternehmen sozusagen aus ihren eigenen Fehlern, durch die sie zumeist erst über die Hinweisgebersysteme erfahren, lernen. Ein Unternehmen wird häufig erst durch das Whistleblowing auf seine eigenen Schwachstellen und Missstände aufmerksam und kann sie für die Zukunft beheben.769 Man könnte dies als Präventionswirkung des Whistleblowings bezeichnen. Unter diesem Aspekt schützt das Whistleblowing die Öffentlichkeit auch in Zukunft vor möglichen Gefahren. Whistleblower sehen zum Teil nicht nur aus Angst vor Sanktionen vom Whistleblowing ab, sondern auch, weil sie glauben, es würde sowieso nichts nützen.770 Die Implementierung eines Hinweisgebersystems setzt ein Zeichen, dass durchaus die Meldung von Missständen erwünscht ist und auch Erfolg verspricht. Insofern ist die Einführung eines Hinweisgebersystems auch geeignet, die dezisionale Dimension der Privatheit zu stärken, indem sie die Entscheidung zum Whistleblowing erleichtert und der Whistleblower sich freier für oder gegen das Whistleblowing entscheiden kann. Zugleich wird durch die Implementierung eines Hinweisgebersystems auch das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung des Whistleblowers reduziert, weil die Straftatbestände, die den Geheimnisverrat zum Gegenstand haben, bei einer Weitergabe der Informationen über das System nicht einschlägig sein dürften.771 In Zusammenschau mit den arbeitsrechtlichen Pflichten ist bei einem, vom Unternehmen implementierten Hinweisgebersystem davon auszugehen, dass wenn dieses ordnungsgemäß, nach den
768
So auch Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme, S. 116 Zu dieser Wirkung Sethe, in: FS Weber, S. 189 (199ff.9 770 Vgl. Strack, in: von Arnim, S. 110. 771 Vgl. Kozak, Whistleblowerschutz, S. 101. 769
136
Kapitel 2: Whistleblowing innerhalb von Arbeitsverhältnissen
gestellten Voraussetzungen genutzt wird, kein Verstoß gegen die Loyalitäts- beziehungsweise die Verschwiegenheitspflicht vorliegen kann.772 Somit kann einer vorschriftsgemäßen Nutzung des Hinweisgebersystems auch keine Kündigung folgen.773
V.
Fazit
Die Ausführungen im Rahmen der Information haben gezeigt, dass sowohl der Arbeitgeber, als auch die Öffentlichkeit ein Interesse an Informationen haben, die Gegenstand von WhistleblowingMeldungen sind. Bei der Öffentlichkeit kann sowohl das öffentliche Informationsinteresse als auch das öffentliche Interesse für das Whistleblowing streiten. Diese Interessen wurden von der Rechtsprechung bislang jedoch so uneinheitlich berücksichtigt, dass es einer gesetzlichen Regelung hierzu bedarf. Wesentlich kommt es darauf an, wie die Information verbreitet wird. Während die Unterscheidung zwischen internem und externem Whistleblowing bereits im Rahmen des Kapitels „Macht in Arbeitsverhältnissen“ berücksichtigt wurde, wurde hier noch eine genauere Betrachtung des externen Whistleblowingkreises angefügt. Hier zeigt sich, dass es nicht nur darauf ankommt, dass eine Information an die Öffentlichkeit gelangt, sondern vielmehr wie sie an die Öffentlichkeit gelangt. Neben der Meldung an Strafverfolgungsbehörden besteht die Möglichkeit, dass sich der Whistleblower an die Medien oder Enthüllungsplattformen wie Wikileaks wendet. Insbesondere Meldungen an letztere sind problematisch, da die Öffentlichkeit Missstände regelmäßig ohne journalistische Bearbeitung und Kontextualisierung mitgeteilt bekommt, sodass auch Interessen, die der Veröffentlichung entgegenstehen, nicht entdeckt oder übergangen werden. Somit muss eine Whistleblowingregelung, insbesondere beim externen Whistleblowing, auch den Adressatenkreis berücksichtigen. Möchte der Arbeitgeber verhindern, dass Hinweisgeber sich an die Öffentlichkeit wenden, kann er selbst Informationskanäle in Form eines Hinweisgebersystems schaffen und so den Anreiz setzen, dass der Hinweisgeber sich an interne Stellen wendet.
772 773
Zu den Arbeitnehmern so Wisskirchen/Körber/Bissels, BB 2006, 1567 (1571). Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme, S. 102.
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis Während Beamte in der wissenschaftlichen Literatur zum Whistleblowing im Vergleich zu Arbeitnehmern eher ein Schattendasein fristen,774 darf hieraus nicht geschlossen werden, dass Beamte als Whistleblower keine gravierenden Missstände aufgedeckt hätten. Ein Blick in die jüngere Geschichte der Bundesrepublik offenbart, dass die Aufdeckung eines der größten Spendenskandale einem Beamten zu verdanken ist. In den 80er Jahren sorgte der sogenannte Flick-Spendenskandal für Aufsehen, bei dem der Anwalt, Regierungsdirektor und Leiter der Steuerfahndung Klaus Förster aufdeckte, dass Friedrich Karl Flick illegale Parteispenden an Spitzenpolitiker tätigte.775 Der Skandal führte dazu, dass der damalige Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff zurücktrat und wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Auch sein Vorgänger Hans Friedrichs wurde wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Doch für den Steuerfahnder Klaus Förster nahm die Affäre kein gutes Ende. Er sah keinen anderen Weg, als aus dem Dienst auszuscheiden. Seine Vorgesetzten hatten versucht, ihn von den Hausdurchsuchungen in der Flick-Zentrale abzuhalten und ihn einzuschüchtern.776 Er wurde auf den Posten eines stellvertretenden Finanzamtvorstehers versetzt.777 Hätte Förster dem Druck der Vorgesetzten nachgegeben, wäre die Affäre wohl nicht ans Licht gekommen. Das Beispiel illustriert einmal mehr, dass Whistleblower sich häufig dazu gezwungen sehen, ihre bisherige Arbeit aufzugeben, sei es aufgrund rechtlicher Konsequenzen oder aber aufgrund zwischenmenschlicher Konsequenzen, wie Mobbing und einem vergifteten Arbeitsklima. Im Folgenden soll untersucht werden, inwiefern sich die Situation von Beamten beim Whistleblowing von der Situation bei Arbeitnehmern unterscheidet. Bevor näher auf die Stellung des Beamten im staatlichen Gefüge und seine Rechte und Pflichten eingegangen werden kann, muss festgelegt werden, was unter dem Begriff des Beamten zu verstehen ist. Unterschieden wird zwischen Beamten im statusrechtlichen, im haftungsrechtlichen und im strafrechtlichen Sinn. Der statusrechtliche Begriff umfasst den Beamten, der sich in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis befindet, das mit Aushändigung der Ernennungsurkunde begonnen hat.778 Der statusrechtliche Begriff liegt dem Beamtenbegriff dieser Arbeit zugrunde und ist für die im Folgenden behandelten Rechte und Pflichten aus dem BBG maßgebend. Daneben existiert der staats- beziehungsweise haftungsrechtliche Begriff, von dem neben den Beamten im statusrechtlichen Sinn auch die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, Beliehene und andere Private, soweit sie von der zuständigen Stelle mit der Ausübung einer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit betraut sind, erfasst sind.779 Der strafrechtliche Beamtenbegriff ist sehr weit und meint neben den Beamten im statusrechtlichen Sinn auch andere Amtsträger nach § 11 I Nr. 2 StGB.780 Des Weiteren wird zwischen 774
Ausnahmen hiervon sind beispielsweise Herold, ZBR 2013, 8; Lopacki, ZBR 2016, 3239 (334); Hans, Whistleblowing durch Beamte. 775 Neumann, Whistleblowing, S. 83; siehe zum Skandal auch Seipel, Der Mann, der Flick jagte. 776 Seipel, Der Tagesspiegel vom 8.10.2006; Leyendecker, SZ vom 17.05.2010. 777 Deiseroth/Falter, Whistleblower in der Steuerfahndung, S. 52. 778 Battis, in: Battis, § 4 BBG, Rn. 2. 779 Battis, in: Battis, § 4 BBG, Rn. 2. 780 Battis, in: Battis, § 4 BBG, Rn. 2.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Sixt, Whistleblowing im Spannungsfeld von Macht, Geheimnis und Information, DuD-Fachbeiträge, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32552-7_3
138
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Bundes-, Landes- und Kommunalbeamten unterschieden. Die Untersuchung des Whistleblowings bei Beamten soll anhand des Bundesbeamten erfolgen, für den andere Gesetze einschlägig sind als für Landes- und Kommunalbeamte.781 Die Ergebnisse sind aber ganz überwiegend auf andere Beamte übertragbar.
Interessenfeld beim Whistleblowing durch Beamte Beim Whistleblowing durch Beamte bestehen Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zum Whistleblowing durch Arbeitnehmer. Diese spiegeln sich schon im jeweiligen Interessenfeld wider.
I.
Beamte und Grundrechte
Auf der Ebene des Grundgesetzes streiten für den Whistleblower im Arbeitsverhältnis die Meinungsfreiheit, die Gewissensfreiheit und das Petitionsrecht. Insofern ist zunächst zu untersuchen, ob auch das Whistleblowing durch Beamte durch Grundrechte gedeckt sein kann. Dabei ist eingangs anzumerken, dass die spezifischen beamtenrechtlichen Pflichten mit den Grundrechten in Spannung stehen können. Dieses Spannungsverhältnis spiegelt sich auch im Interessenfeld bereits wider. Detailliert darauf eingegangen wird im Rahmen des Machtverhältnisses bei Beamten, wo die beamtenrechtlichen Pflichten im Fokus stehen. Zunächst soll jedoch die Thematik der Grundrechte bei Beamten näher betrachtet werden. Vom besonderen Gewaltverhältnis zum Sonderstatusverhältnis Dass sich Beamte überhaupt auf Grundrechte berufen können, bedarf einer näheren Betrachtung, vergegenwärtigt man sich, dass der Beamte in die Sphäre der staatlichen Gewalt eingegliedert ist. Durch seine Eingliederung in die staatliche Sphäre tritt er als für den Staat handelnder Amtswalter auf. Er ist Teil der vollziehenden Gewalt, die gemäß Art. 1 III GG an die Grundrechte unmittelbar gebunden ist. Aufgrund der unmittelbaren Grundrechtsgebundenheit stellt sich die Frage, ob sich deshalb der Beamte nicht zugleich auf die Grundrechte berufen kann. Die Frage der Grundrechtsgeltung ist verwoben mit der Rechtsstellung des Beamten. Um die besondere Rechtsstellung des Beamten gegenüber normalen Bürgern zu kennzeichnen, wurde bereits in der konstitutionellen Monarchie im 19. Jahrhundert der Begriff des „besonderen Gewaltenverhältnisses“ geprägt.782 Dieser sollte als Gegensatz zum allgemeinen Gewaltverhältnis dienen.783 Umschrieben wird mit dem Terminus des besonderen Gewaltverhältnisses das Verhältnis bestimmter Bürger, beispielsweise Soldaten, Beamte und Strafgefangene, zu dem Staat, während das allgemeine Gewaltverhältnis das Verhältnis zum Staat kennzeichnet, dem alle Bürger unterworfen sind.784 Die Grundrechtsgeltung und die Geltung des Gesetzesvorbehalts wurden im besonderen Gewaltverhältnis verneint und belastende Maßnahmen 781
Auf die Landesgesetze wird in der Untersuchung nicht näher eingegangen. Prinzipiell lässt sich jedoch ein weitgehender Gleichlauf der Bundes- und Landesgesetze feststellen. Der Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses in diesem Zusammenhang geht insbesondere auf Otto Mayer zurück, siehe von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 41; Sademach, DVP 2013, 6 (7). 783 So bereits die Unterscheidung in § 2 des zehnten Titels des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten von 1794, siehe Sademach, DVP 2013, 6 (7). 784 Merten, Das besondere Gewaltverhältnis, S. 53 (56 f.); Sademach, DVP 2013, 6 (6). 782
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Beamte
139
konnten ohne gesetzliche Ermächtigung stattfinden.785 Tatsächlich habe sich die Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis bei genauerer Betrachtung nicht einmal der Frage einer Grundrechtsgeltung angenommen, sie sei nicht einmal im Rahmen des allgemeinen Gewaltverhältnisses als zentrales Thema adressiert worden, sodass erst recht im besonderen Gewaltverhältnis keine vertiefte Auseinandersetzung damit stattgefunden habe.786 Dort wo die Frage der Grundrechtsgeltung adressiert wurde, fand ein Bezug der Grundrechte auf das allgemeine Gewaltverhältnis statt.787 In der Weimarer Republik wirkte dieses Verständnis vom besonderen Gewaltverhältnis fort.788 Gleichwohl
wurde,
beispielsweise
mit
Art. 130 WRV,
das
Beamtenverhältnis
in
den
Anwendungsbereich von Grundrechten einbezogen, sodass die Geltung gewisser Grundrechte im Beamtenverhältnis angenommen wurde.789 Doch selbst dort, wo in der Weimarer Republik die Grundrechtsgeltung generell bejaht wurde, erfolgte eine Restriktion auf Schrankenebene.790 Um das Verständnis des besonderen Gewaltverhältnisses als grundrechtsausschließende Rechtsstellung zu untermauern, bildete sich in der Weimarer Republik die sogenannte Verzichtstheorie heraus, die annahm, dass der Beamte mit Eintritt in das öffentliche Dienstverhältnis auf seine Grundrechte verzichte.791 Aus heutiger Sicht erscheint diese Theorie nicht mehr haltbar, ist doch schon zweifelhaft, ob Grundrechte überhaupt in dieser grundsätzlichen Weise dispositiv sind. Zumindest aber kann ein solcher Verzicht nicht konkludent durch den Eintritt in das Dienstverhältnis erfolgen, sondern muss sich in irgendeiner Form zusätzlich manifestieren. Ein kompletter Verzicht müsste zudem immer für den Einzelfall festgestellt werden.792 Unter Geltung des Grundgesetzes verschob sich die herrschende Lehre hin zu einer Bejahung der Grundrechtsgeltung im besonderen Gewaltverhältnis, und auch die Geltung des Gesetzesvorbehalts wurde angenommen.793 Diese Auffassung entspricht den grundgesetzlichen Normen Art. 19 IV GG, Art. 1 III GG und Art. 20 III GG.794 Auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes fand die Theorie vom besonderen
Gewaltverhältnis
allerdings
noch
Anhänger.795
Die
sogenannte
Strafgefangengenentscheidung des BVerfG entzog ihr schließlich den Boden der Argumentation.796 In der Strafgefangenenentscheidung hielt das BVerfG fest, dass eine Einschränkung der Grundrechte nur 785
Sademach, DVP 2013, 6 (6); Klein, DVBl 1987, 1102 (1102); Ronellenfitsch, DÖV 1981, 933 (935). Von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 289. Von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 289. 788 Sademach, DVP 2013, 6 (7). 789 Von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 291; Schmidt, Erscheinungsbild, S. 110. 790 Von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 292. 791 So z.B. Krüger, DVBl 1950, 625 (628 ff.); schon im Jahr 1964 kritisch hierzu Cornelius/Gester/Woesch, Meinungsfreiheit Beamte, S. 19 ff. 792 Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 118, Rn. 203. 793 Sademach, DVP 2013, 6 (7); Ronellenfitsch, DÖV 1981, 933 (935 ff.). 794 Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 118, Rn. 202; das besondere Gewaltverhältnis wurde mit der sogenannten Strafvollzugsentscheidung des BVerfG aufgegeben, BVerfGE 33, 1; so von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 5 und S. 81 ff. 795 Siehe hierzu Ronellenfitsch, DÖV 1981, 933 (936 f.); von Kielmannsegg, JA 2012, 881 (882). 796 BVerfGE 33, 1; siehe hierzu auch Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 114 f.; Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht, S. 188; Battis, in: Battis, § 4 BBG, Rn. 29. 786 787
140
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
durch einen gemeinschaftsbezogenen Zweck möglich sei, der seinerseits wiederum von der grundrechtlichen Werteordnung gedeckt sein müsse. Grundrechte eines Strafgefangenen dürfen nach dem BVerfG nur durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.797 Ausgehend von dieser Entscheidung bildete sich die herrschende Meinung heraus, dass im besonderen Gewaltverhältnis dieselben Grundrechtsschranken, namentlich verfassungsunmittelbare und -mittelbare Schranken und der Gesetzesvorbehalt Anwendung fänden und das besondere Gewaltverhältnis eben keine eigenständige Grundrechtsschranke darstelle.798 Somit bedarf es auch bei Beamten zur Beschränkung der Grundrechte eines Gesetzes.799 Hierbei ist die Funktionsfähigkeit der Verwaltung von großer Bedeutung, sowie die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 V GG, auf die sogleich noch ausführlich eingegangen werden soll. Der Dienst kann es erfordern, dass die Grundrechte stärker
als
bei
allgemeinen
Staatsbürgern
eingeschränkt
werden.800
Im
Nachgang
der
Strafgefangenenentscheidung wurde mehrfach angenommen, das besondere Gewaltverhältnis sei nun endgültig überkommen und beseitigt.801 Um diese Abkehr auch terminologisch zu vollziehen, wurden neue Begrifflichkeiten wie Sonderstatusverhältnis,802 oder Sonderrechtsverhältnis803 geprägt.804 Doch das besondere Gewaltverhältnis scheint, bei genauerer Betrachtung, auch heute noch durch.805 So wurde im Sondervotum des „Kopftuchurteils“ angenommen, der Beamte ordne sich freiwillig in den Staat ein und könne sich daher nicht in gleicher Weise wie der normale Bürger auf die freiheitssichernde Funktion der Grundrechte berufen.806 Auch in der Strafgefangenenentscheidung wurde dem Gesetzgeber die Möglichkeit offengelassen, Generalklauseln bei der Einschränkung von Grundrechten zu erlassen, auch wenn diese möglich eng begrenzt sein sollen.807 Zum Teil wird in der Unterscheidung zwischen Amts- und persönlicher Rechtsstellung eine Anknüpfung an die grundrechtsrelativierende Historie des besonderen Gewaltverhältnisses gesehen.808 Diese wirkt sich auch beim grundrechtlichen Schutz im Beamtenverhältnis aus. Somit gelten zwar die Grundrechte unzweifelhaft im Beamtenverhältnis und die für Bürger geltenden Grundrechtsschranken kommen zur Anwendung. Weitergehende Einschränkungen als bei Bürgern sind aber regelmäßig deshalb möglich, weil die besondere Situation der Eingliederung in den Staat auf Verhältnismäßigkeitsebene berücksichtigt werden kann.
797
BVerfGE 33, 1 (11). Sademach, DVP 2013, 6 (8). So die herrschende Ansicht Schulz, Whistleblowing, S. 114; Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht, S. 188; Battis, in: Battis, § 4 BBG, Rn. 29; Schmidt, Beamtenrecht, S. 40, Rn. 111. 800 Schmidt, Beamtenrecht, S. 40, Rn. 111; Hesse, Verfassungsrecht, S. 144 f., Rn. 323 f. 801 BVerfGE 116, 69 (80). 802 Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. 3 GG, Rn. 47; Hesse, Verfassungsrecht, S. 144, Rn. 322; Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 118, Rn 204 ff. 803 Rottmann, Beamte als Staatsbürger, S. 226. 804 Nach Battis folgt aus der unterschiedlichen Begrifflichkeit keine rechtliche Veränderung, Battis, in: Battis, § 4 BBG, Rn 23. 805 Siehe zu letzterem Gas, Gemeinwohl, S. 267 ff.; Schmidt, Erscheinungsbild, S. 114; Ronellenfitsch, DÖV 1981, 933 (938f.). 806 So das Votum von Jentsch/di Fabio/Mellinghoff, BVerfGE 108, 282 (315 ff.). 807 BVerfGE 33, 1 (11). Siehe zu den Generalklauseln auch Sademach, DVP 2013, 6 (9). 808 Gas, Gemeinwohl, S. 272. 798 799
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Beamte
141
Grundrechtlicher Schutz im Beamtenverhältnis Von der Frage der Grundrechtsgeltung und der Möglichkeit der Einschränkung im Beamtenverhältnis ist die Frage zu unterscheiden, wie sich der grundrechtliche Schutz im Beamtenverhältnis konkret gestaltet. Nach der heute herrschenden Meinung wird nicht mehr negiert, dass der Beamte Träger von Grundrechten ist. Der Beamte ist also sowohl Träger als auch Adressat von Grundrechten.809 Zum Adressaten wird er in der Rolle des für den Staat handelnden Amtswalters. Als Amtswalter trägt er maßgeblich zur Funktionsfähigkeit der Verwaltung bei. Der Beamte bleibt jedoch innerhalb und außerhalb des Dienstes auch Privater, sodass er grundrechtsfähig und -berechtigt ist.810 Je nachdem, ob der Beamte in der Situation Adressat oder Träger von Grundrechten ist, kann er durch die Grundrechte geschützt sein oder nicht. Die Abgrenzung zwischen Amtswalter und Privatperson bereitet naturgemäß Schwierigkeiten, sodass in der Literatur Modelle entworfen wurden, um eine Zuordnung zu erleichtern. Zum einen wurde eine Differenzierung zwischen dem Grund- und dem Betriebsverhältnis vorgenommen.811 Während im Betriebsverhältnis der Beamte dem „Betrieb“ zu dienen habe, sei er selbst ein persönliches Mittel zur Aufgabenerfüllung des Betriebs.812 Das Grundverhältnis hingegen umfasse den persönlichen Rechtskreis des Beamten, seine individuellen Rechte.813 Ein weiterer Ansatz die Abgrenzungsproblematik zu lösen, stammt von Isensee, der drei Sphären entwickelte: den Amtsbereich, den Bereich des Dienstverhältnisses und den Privatbereich.814 Im Amtsbereich sei der Beamte Amtswalter, damit Teil des Staates und somit Adressat der Grundrechte.815 In der Sphäre des Amtsbereiches könne sich der Beamte damit nicht auf Grundrechte berufen, es sei denn, er sei durch eine dienstbezogene Weisung auch in seiner Privatsphäre betroffen. 816 Im Dienstbereich hingegen sei eine Berufung auf die Grundrechte grundsätzlich möglich, was sich daraus ergebe, dass das Dienstverhältnis eine persönliche Rechtsstellung sei, aus der dem Einzelnen subjektive öffentliche Rechte entstehen würden.817 Im Privatbereich könne sich der Beamte grundsätzlich wie jeder andere Private auf die Grundrechte berufen. Jedoch dürfe auch hier nicht die besondere beamtenrechtliche Pflichtenbindung außer Acht gelassen werden.818 Die Theorie Isensees adressiert im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen Amts- und Dienstbereich die Frage der Grundrechtsgeltung 809
Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 113, Rn. 193. Der öffentliche Arbeitgeber ist über Art. 1 III GG ebenso unmittelbar an die Grundrechte gebunden, wobei dies sowohl im Beamtenverhältnis als auch im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gilt, siehe Graser, Whistleblowing, S. 110; Deiseroth/Dürr, Berufsethische Verantwortung, S. 357; a.A.: Bieler/Braun, Öffentliches Dienstrecht, Rn. 67. 810 Vgl. Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 113, Rn. 193. 811 Ule, VVDStRL 1957, 133 (151 f.). 812 Ule, VVDStRL 1957, 133 (152). 813 Siehe hierzu auch Schmidt, Erscheinungsbild, S. 124. 814 Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 113, Rn 194; Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, § 32, S. 1567 ff., Rn 80 ff. 815 Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, § 32, S. 1568, Rn 81; Isensee, ZBR 2004, 3 (6). 816 Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 114, Rn 195 ff.; Werres, ZBR 2006, 288 (291). Die Differenzierung zwischen innerdienstlichem und außerdienstlichem Handeln wird darüber hinaus auch für die Frage nach der Erfüllung des Tatbestandes von § 77 BBG bedeutsam. 817 So Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, § 32, S. 1568, Rn 82. 818 Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 115, Rn 198.
142
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
und im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen Dienst- und Privatbereich die Frage des Grundrechtsschutzes.819 Zur Differenzierung, welcher der drei Bereiche einschlägig ist, bedarf es der Bestimmung im Einzelfall. Eine eindeutige Zuordnung kann Schwierigkeiten bereiten; dies wird kritisiert.820 Gewisse Kriterien erleichtern die Beurteilung. Hierzu zählen die Art des Beamtenverhältnisses, der Dienstrang sowie die Betroffenheit Dritter in ihren Grundrechten. Ebenso kann es hilfreich sein zu unterscheiden, ob der Beamte „in Ausübung“ eines öffentlichen Amtes handelt oder „bei Gelegenheit“.821 Nach dem BVerwG kommt es bei der Unterscheidung zwischen innerdienstlicher und außerdienstlicher Pflichtverletzung auf die materielle Dienstbezogenheit an, also darauf, ob durch das Verhalten des Beamten irgendwelche innerdienstlichen Pflichten verletzt werden oder nicht.822 Ein außerdienstliches Verhalten liegt dann vor, wenn es als Verhalten eines Privatmannes anzusehen ist. So wurde ein Leserbrief eines Beamten, in dem dieser in beleidigender Form die Erfüllung der Fürsorgepflicht durch einen höheren Dienstvorgesetzten kritisierte, als innerdienstliche Pflichtverletzung angesehen.823 Das Whistleblowing fällt typischerweise in den Dienstbereich. Es weist eindeutig eine Dienstbezogenheit auf, wenn der Hinweisgeber Missstände aus der Verwaltung meldet. Letztendlich ist damit ein Ausgleich im Wege der praktischen Konkordanz zu suchen zwischen den grundrechtlichen Gewährleistungen einerseits und der Funktion des Sonderstatusverhältnisses andererseits.824 Auswirkungen des Beamtenverhältnisses auf die Privatheit des Beamten Die Aufteilung in einen Amts-, Dienst-, und einen Privatbereich führt zu einer, sich vom allgemeinen Staatsbürger unterscheidenden Ausprägung von Privatheit. Der Beamte ist Teil der Exekutive und damit Teil des Staates, gleichzeitig ist der Beamte nicht „der Staat“, sondern ist ein davon zu unterscheidendes Subjekt.825 Das Amt erfordert vom Beamten eine Aufspaltung in zwei Rollen: den Amtsträger und die Privatperson, den Bürger. Nur in seiner Rolle als Bürger, in der er sich auf die Grundrechte berufen kann, verbleibt dem Beamten ein Bereich des Privaten. Allerdings kann der Dienst Einfluss auf den Bereich des Privaten nehmen, indem die Dienstpflichten sich auf den Privatbereich auswirken.826 Dennoch gilt, dass jedem „[…] einzelnen Bürger eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungskräftig vorbehalten ist, also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit besteht, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist.“827 In seinem Amt hingegen muss 819
Schmidt, Erscheinungsbild, S. 129. Rogosch, DÖD 1996, 81 (83). 821 Dieser Unterscheidungsmaßstab spielt auch im Staatshaftungsrecht eine Rolle, siehe Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 116, Rn. 199 ff. 822 Vgl. BVerwGE 31, 199 (200). 823 Vgl. BVerwGE 31, 199 (201f.). 824 Hesse, Verfassungsrecht, S. 146, Rn. 325. 825 Müller, ZBR 1965, 65 (65). 826 Werres, ZBR 2006, 288 (291f.). 827 So das BVerfG in der sog. Elfes-Entscheidung BVerfGE 6, 32 (41); siehe hierzu auch Wilhelm, Freie Meinung, S. 14. Die Entscheidung des BVerfG betraf keinen Beamten, sondern bezog sich auf alle Bürger. Die Aussage der Entscheidung muss jedoch auch für Beamte gelten, die trotz ihres Amtes auch 820
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Beamte
143
der Beamte aufgehen, dementsprechend ist im Amt auch kein Platz für eigene Motive und Handlungsziele.828 Private Interessen dürfen keinen Eingang in das Amt finden. Die Interessen, die der Beamte im Amt verfolgen muss, sind die des Gemeinwohls. Der Beamte kann nicht frei entscheiden und handeln, er ist durch die Folgepflicht gebunden und in seiner dezisionalen Privatheit beschränkt. Eine derartige Beschränkung der Privatheit, die sich auch aus der Gemeinwohlbindung ergibt, existiert im Arbeitsverhältnis nicht. Gleichwohl bleibt anzumerken, dass im Beamtenverhältnis keine hermetische Abtrennung der Privatsphäre und der Amts- beziehungsweise Dienstsphäre erfolgen kann. Zum einen müssen Amtspflichten, wie beispielsweise die Treue zur Verfassung, auch im Privaten Berücksichtigung finden, zum anderen erfordert das Amt ein eigenverantwortliches Handeln des Beamten. Dieses ist aber gerade Einfallstor für Wertungen und eigenständige Überlegungen des Beamten. Diese verschiedenen Pflichten können beim Whistleblowing kollidieren, indem der Beamte sich in dem Konflikt befinden kann, dass er einerseits das Ansehen des Beamtentums durch sein Hinweisgeben nicht beschädigt und den Weisungen des Dienstherrn Folge zu leisten hat und andererseits eigenverantwortlich handelt und einen Hinweis gibt, der gegebenenfalls sogar dem Gemeinwohl dient. Zusammenfassend besteht in der Aufspaltung in die Rolle des Amtswalters und der Privatperson und der damit einhergehenden Beschränkung der Privatheit einer der Hauptunterschiede zum Arbeitsverhältnis. Denn der Beamte muss, anders als der Arbeitnehmer, auch im Privatleben darauf achten, dass er das Ansehen des Beamtentums nicht beschädigt. Eine solche Pflicht besteht für Arbeitnehmer nicht. Der Beamte ist nicht nur innerhalb seines Dienstverhältnisses verpflichtet, den Weisungen des Dienstherrn Folge zu leisten, sondern er ist auch durch die Gemeinwohlbindung beschränkt. Der Arbeitnehmer ist zwar gegenüber seinem Arbeitgeber weisungsgebunden. Er muss jedoch nicht zum Wohle der Allgemeinheit handeln. Berufungsmöglichkeiten des Beamten auf Grundrechte beim Whistleblowing Die Grundrechte gelten, wie bereits dargelegt, auch im Beamtenverhältnis. Eine Einschränkung der Grundrechte ist aufgrund der den Beamten treffenden Pflichten aber möglich. Hierzu bedarf es eines Gesetzes. Die §§ 60 ff. BBG dienen als grundrechtsbeschränkende Regelungen für die Grundrechte, die einen Schrankenvorbehalt vorsehen. Grundrechte ohne Schrankenvorbehalt können über Art. 33 V GG eingeschränkt werden.829 Dabei setzt bei Normen grundrechtsbeschränkenden Inhalts, die Ausdruck eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums sind, schon der hergebrachte Grundsatz selbst Grenzen.830 Demgegenüber gilt bei einfachgesetzlichen Regeln, die nicht Ausdruck eines hergebrachten Grundsatzes sind, dass diese nur über Art. 2 I GG als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung bei Grundrechten, die unter Gesetzesvorbehalt stehen, ausübungsbeschränkend wirken können. Im
Privatpersonen bleiben. Isensee, ZBR 2004, 3 (6). Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 26, Rn. 16; Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 114; Hans, Whistleblowing, S. 78. Siehe zu Art. 33 V GG ausführlich das Kapitel Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums als Besonderheit, S. 148. 830 Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht, S. 188, Rn. 2. 828 829
144
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Folgenden gilt es zunächst zu bestimmen, auf welche Grundrechte der Beamte sich beim Whistleblowing berufen kann. Diese Grundrechte sind dann in die Abwägung einzustellen. Anschließend soll auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums eingegangen werden. Für alle folgenden Betrachtungen ist zu beachten, dass Whistleblowing ein Phänomen ist, das aus beamtenrechtlicher Sicht verschiedene Verhaltensweisen unter dem Begriff Whistleblowing vereint und verschiedene Rechte und Pflichten tangiert. a) Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 5 I 1 HS 1 GG „Ich hab‘ hier bloß ein Amt und keine Meinung“ – dieser Ausspruch von Oberst Wrangel in Friedrich Schillers
Wallenstein831
erfasst
den
neuralgischen
Punkt
der
Grundrechtsausübung
im
Beamtenverhältnis. Im Amtsbereich kann sich der Beamte nicht auf die Meinungsfreiheit berufen. Es würde die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und ihr einheitliches Handeln nach außen, ihre Integrität, beeinträchtigen, könnte jeder Beamte stets seine persönliche Auffassung äußern und sich gegen das Handeln der Verwaltung positionieren, von der er ein Teil ist. In gewissen Situationen erscheint es bei näherer Betrachtung angebracht und unter Umständen sogar hilfreich, wenn der Beamte seine Auffassung äußert. Dies ist dann der Fall, wenn er konstruktive Kritik und Anregungen geben kann, wenn er auf Verborgenes aufmerksam machen kann und im Grundsatz auch dann, wenn kollusiv zusammengewirkt wird, um Missstände zu verschleiern. Wilhelm führt treffend aus: „Dort wo ein Befehl oder eine dienstliche Anordnung kritiklos, ohne Widerspruch und ohne Entgegensetzen einer eigenen Überzeugung befolgt werden müssen, ist der Schaden, auf Dauer gesehen, immer größer als der augenblickliche Nutzen.“832 Auf der einen Seite beanspruchen die beamtenrechtlichen Pflichten und hier insbesondere die Amtsverschwiegenheit Geltung, um die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu sichern, ihre Integrität nach außen zu wahren. Inwiefern das Grundrecht der Meinungsfreiheit Geltung beanspruchen kann, soll im Folgenden erläutert werden. Darüber hinaus soll im Rahmen der einfachgesetzlichen Rechte und Pflichten untersucht werden, inwiefern diese Raum für Kritik und Meinungen lassen und ob sie diese unter Umständen sogar einfordern. Wie festgestellt kann der Beamte sich in der Sphäre der Amtsausübung nicht auf die Grundrechte berufen. Dementsprechend sind amtliche Stellungnahmen keine Meinungsäußerungen im Sinne von Art. 5 I GG.833 Dagegen kann sich der Beamte im Privaten frei äußern. Zu diesem privaten Kreis zählen Familie und andere Vertraute. Aus diesem Kreis wird eine Meinung regelmäßig nicht an die Öffentlichkeit gelangen oder von Dritten als dienstliche Äußerung aufgefasst werden.834 Die Einordnung, in welcher Sphäre eine Äußerung getätigt wird, ist nicht in jedem Fall einfach und eindeutig zu treffen. Die Zuordnung zu einer bestimmten Sphäre und damit die Frage, ob der Beamte sich bei seiner Äußerung auf die Meinungsfreiheit berufen kann, gestaltet sich oftmals deshalb schwierig, weil
831
Schiller, Wallenstein, S. 172, Wallensteins Tod, 1. Akt, 5. Auftritt. Wilhelm, Freie Meinung, S. 85. 833 Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, § 32, S. 1568, Rn 81. 834 Finger, ZBR 1965, 225 (228). 832
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Beamte
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Meinungsäußerungen Ausdruck einer persönlichen inneren Auffassung oder Motivation sind und in unterschiedlichen Kontexten getätigt werden.835 Orientierung bieten kann zum einen die entsprechende Stellung beziehungsweise der Rang des Beamten und auch die Sachnähe seines Aufgabenfeldes zu der von ihm behandelten Frage.836 Eigenmächtige Äußerungen sollen somit dann eine Amtsausübung darstellen, wenn sie die Autorität des Amtes837 erkennen lassen und sich auf das Amt beziehen.838 Eine reine staatliche Funktionserfüllung soll dann nicht gegeben sein, wenn sich der Amtsträger einerseits in seiner Rolle als Staatsbürger und Grundrechtsträger äußert und andererseits in seiner Rolle als Amtswalter, selbst dann, wenn er dabei seine durch die Rolle als Amtswalter gewonnene (oder vermeintlich gewonnene) Expertise noch bekräftigt.839 Für die Bestimmung, in welche Sphäre die Äußerung fällt, kann auf den Empfängerhorizont abgestellt werden.840 Wird eine Äußerung in den Dienststellen während der Dienststunden getätigt, kann dies ein Indiz sein, dass es sich um eine dienstliche Meinungsäußerung handelt.841 Wie sich anhand der Kategorisierungsversuche zeigt, ist eine schematische, allgemeingültige Zuordnung nicht möglich. Wie bereits im Rahmen der Betrachtungen zur Meinungsfreiheit bei Arbeitnehmern festgestellt, ist das Whistleblowing als Meinungsäußerung zu qualifizieren. Zu unterscheiden ist zwischen internem und externem Whistleblowing. Fraglich ist, ob das interne Whistleblowing allein als staatliche Funktionserfüllung einzuordnen ist, sodass schon der Schutz der Meinungsfreiheit von Anfang an nicht gegeben ist. In Bezug auf das Whistleblowing bedeutet dies, dass festzustellen ist, ob der Beamte sich beim Whistleblowing lediglich in seiner Rolle als Amtswalter äußert oder auch als Staatsbürger und Grundrechtsträger. Wie dargelegt,842 drückt der Whistleblower mit seinem Hinweis auch ein Werturteil aus, sodass der Schutzbereich der Meinungsfreiheit eröffnet ist. Für eine weite Eröffnung des Schutzbereiches der Meinungsfreiheit spricht, dass ihr im Katalog der grundrechtlichen Freiheiten eine besondere Bedeutung zukommt, die beschnitten würde, wenn man die Meinungsfreiheit schon gar nicht zur Anwendung kommen ließe, indem man das Vorliegen eines Werturteils negieren würde. Auch beim Beamten kann somit bei einem Hinweis über einen Missstand ein persönliches Werturteil als dem Hinweis inhärent angenommen werden. Damit ist ein internes Whistleblowing aber gerade nicht als bloße Funktionserfüllung des Amtswalters zu sehen, sondern es spiegelt sich darin auch der Staatsbürger und Grundrechtsträger wider, sodass die Meinungsäußerungsfreiheit Anwendung findet. Somit zeigt sich beim internen Whistleblowing die Zweiteilung in Amtsträger und Privatperson in einer Person.
835
Von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 416. Finger, ZBR 1965, 225 (227). Zum Begriff der Amtsautorität im soziologischen Sinn siehe Sofsky, Figurationen der Macht, S. 43 ff. 838 Vgl. von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 417, so zB. bei Verwendung der Dienstuniform, vgl. derselbe, S. 421. 839 Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, Art. 5 GG, Rn. 153. 840 So von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 417. 841 Cornelius/Gester/Woesch, Meinungsfreiheit Beamte, S. 36. 842 Siehe das Kapitel Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 I 1 Alt. 1 GG, als Recht des Arbeitnehmers, S. 43. 836 837
146
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Zu klären bleibt, ob sich der Beamte beim externen Whistleblowing auf die Meinungsäußerungsfreiheit berufen kann. Die Weitergabe von Informationen an die Öffentlichkeit, die der Beamte im Rahmen seiner amtlichen Tätigkeit erfahren hat, wird als „Flucht in die Öffentlichkeit“ bezeichnet und kann einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht darstellen.843 Die „Flucht in die Öffentlichkeit“ stellt somit eine Problematik beim externen Whistleblowing dar. Eine Meldung an die Öffentlichkeit kann nicht als Äußerung im Rahmen der Amtsausübung eingeordnet werden, wenn sie entgegen dem Willen der Vorgesetzten beziehungsweise des Dienstherrn erfolgt. Im Allgemeinen kann angenommen werden, dass ein externes Whistleblowing dem Willen des Dienstherrn beziehungsweise Vorgesetzten widerspricht, es sei denn besondere Umstände, beispielsweise dass es explizite Aufgabe des Beamten ist, auf Missstände öffentlich hinzuweisen, sprechen dafür, dass die Hinweisgebung mit dem Willen des Dienstherrn oder Vorgesetzten übereinstimmt. Beim externen Whistleblowing drohen stets der Verrat von Geheimnissen sowie ein Reputationsverlust. Insofern unterscheidet sich das Whistleblowing bei Beamten im Grunde nicht von dem Whistleblowing bei Arbeitnehmern. Mithin zeigt sich, dass sowohl beim internen als auch beim externen Whistleblowing die Möglichkeit besteht, dass sich der Beamte auf die Meinungsäußerungsfreiheit berufen kann. Eingeschränkt wird die Meinungsfreiheit durch die beamtenrechtlichen Gesetze, die allgemeine Gesetze im Sinne von Art. 5 II GG darstellen.844 Nach der Wechselwirkungslehre müssen diese Schranken wiederum im Lichte der Meinungsfreiheit ausgelegt werden, beziehungsweise Gesetze, die keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums darstellen, müssen an den Anforderungen des Art. 5 II GG gemessen werden.845 Im Rahmen der einfachgesetzlichen Pflichten wird näher hierauf eingegangen. Ist eine einfachgesetzliche Norm Ausdruck eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums, so hat dies Auswirkungen auf die Gewichtung der einfachgesetzlichen Vorschriften gegenüber dem Grundrecht, indem diese dadurch verstärkt werden.846 b) Gewissensfreiheit gemäß Art. 4 I GG Ebenso wie bei Arbeitnehmern kann bei Beamten der Entschluss zum Whistleblowing eine Gewissensentscheidung darstellen. Zwischen der Folgepflicht des Beamten, nach der er Weisungen des Dienstherrn Folge zu leisten hat und der Gewissensfreiheit kann ein Spannungsverhältnis entstehen. Gerade in Abhängigkeitsverhältnissen, wie auch das Sonderstatusverhältnis des Beamten eines ist, werden Gewissenskonflikte durch die Tatsache entstehen, dass in ihnen aufgrund der Pflichtenbindung
843
Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht, S. 198, Rn. 25; anders Weiß, der den Kern des disziplinaren Unrechts bei einer (pflichtwidrigen) Flucht in die Öffentlichkeit nicht in einem Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht oder die Dienstweggebundenheit sieht, sondern in einem Verstoß gegen die Treuepflicht, die eine Ausprägung im achtungs- und vertrauensvollen Verhalten (nun § 61 I 3 BBG) erfährt, siehe Weiß, ZBR 1984, 129 (132); derselbe will darüber hinaus von einer pflichtwidrigen Flucht in die Öffentlichkeit nicht nur den dienstlichen Geheimnisschutz umfasst sehen, sondern auch Tatsachen, die bereits offenkundig sind, aber keine Aufmerksamkeit bekamen, vgl. Weiß, ZBR 1984, 129 (131). 844 Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 116. 845 Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 116. 846 Hans, Whistleblowing, S. 80.
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Beamte
147
oftmals keine Verhaltensalternative zur Verfügung steht.847 Wie Arbeitnehmer können Beamte, die sich aus Gewissensgründen verpflichtet fühlen, einen Hinweis zu geben, einen regelrechten „Drang zur Mitteilung im Herzen“848 empfinden. Daneben können Beamte die Ausführung einer Tätigkeit verweigern. Verweigert der Beamte seine Tätigkeit aus Gewissensgründen, liegt darin eine Verletzung seiner Folgepflicht nach § 62 I 1 BBG.849 Der Beamte muss, wenn er sich aus Gewissensgründen weigert eine Anordnung zu befolgen, alle zumutbaren Möglichkeiten ausgenutzt haben, seinen Gewissenskonflikt „mit den Mitteln des Beamtenrechts“ zu lösen.850 c) Petitionsrecht gemäß Art. 17 GG Das Petitionsrecht stellt sowohl bei Beamten als auch bei Arbeitnehmern eine Möglichkeit zum Whistleblowing dar. Dem Wortlaut nach gilt Art. 17 GG für „jedermann“. Der Beamte kann sich wie jedermann auf das Petitionsrecht berufen, er muss jedoch Beschränkungen hinnehmen.851 Kollidiert das Petitionsrecht mit den hergebrachten Grundsätzen nach Art. 33 V GG, ist dies durch den Grundsatz der praktischen Konkordanz zu lösen.852 Die Ausübung des Petitionsrechts nach Art. 17 GG ist als externes Whistleblowing einzuordnen. Beim externen Whistleblowing können somit sowohl Art. 5 I 1 HS 1 GG als auch Art. 17 GG einschlägig sein. Soweit in der Äußerung eine Petition zu sehen ist, geht Art. 17 GG der Meinungsäußerungsfreiheit vor, jedoch können nach dem BVerfG auch beide nebeneinander anwendbar sein, wenn die Meinungsäußerung „im formellen und inhaltlichen Zusammenhang“ mit der Petition steht.853 d) Art. 2 I i.V.m. Art. 20 III GG Der Beamte ist wie jedermann grundrechtlich geschützt, wenn er eine Strafanzeige stellt.854 e) Widerstandsrecht, Art. 20 IV GG Da jeder Bürger nach Art. 20 IV GG Widerstand unter den dort genannten Voraussetzungen leisten darf, sind auch Beamte hierzu berechtigt. Im Unterschied zu Arbeitnehmern kann sich bei Beamten bei Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, für die Beamte einzutreten verpflichtet sind, das Widerstandsrecht sich sogar zu einer Widerstandspflicht verdichten, sodass Ungehorsam und aktiver Widerstand gefordert sind.855
847
Siehe hierzu Podlech, Grundrecht Gewissensfreiheit, S. 33. Vgl. Beer, in: FS Schmid, S. 338. 849 Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 115 zur alten Rechtslage; Hans, Whistleblowing, S. 79. 850 BVerwG, Urteil vom 29.6.1999 - 1 D 104/97, NJW 2000, 88 (89). Als Möglichkeit den Konflikt zu lösen, nennt das Urteil die Umsetzung und die Remonstration, BVerwG, Urteil vom 29.6.1999 - 1 D 104/97, NJW 2000, 88 (89). 851 Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 117. 852 Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 117. 853 Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S, 117. 854 Wilhelm, Freie Meinung, S. 79. 855 Stamer, Pflichten Beamte, S. 148; Günther meint, der Beamte sei nach Kräften zum Widerstand gehalten, Günther, ZBR 1988, 297 (299). 848
148
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Die Norm des Art. 20 IV GG ist nicht von Anfang an im Grundgesetz enthalten gewesen, sondern wurde erst nachträglich im Rahmen der Einführung der Notstandsregelungen im Jahr 1968 eingefügt.856 Die Väter und Mütter des Grundgesetzes lehnten die Aufnahme eines Widerstandsrechts in das Grundgesetz ab.857 Die Befürwortung eines Widerstandsrechts, das zugleich den Beamten die Pflicht auferlegen sollte, die verfassungsmäßige Ordnung aufrechtzuerhalten, speiste sich aus dem Ereignis des KappPutsches, bei dem im Jahr 1920 Militärs und Zivilisten die bestehende Ordnung der Weimarer Republik zu stürzen versuchten.858 Die Befürworter konnten sich jedoch erst viel später durchsetzen. Mit der letztlich doch erfolgten Einführung eines Widerstandsrechts in das Grundgesetz, erhoffte man sich einen volkspädagogischen Nutzen, indem die staatsbürgerliche Verantwortung jedes Einzelnen normiert wurde.859 f) Fazit Es zeigt sich, dass Beamte sich beim Whistleblowing auf die Grundrechte berufen können. In der Hinweisgebung ist eine Meinungsäußerung zu sehen. Die Grundrechte können jedoch, im Vergleich zu Arbeitnehmern, stärker beschränkt werden.
II.
Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums als Besonderheit
Neben den Grundrechten der Meinungsfreiheit, der Gewissensfreiheit und dem Petitionsrecht besteht bei den Beamten die Besonderheit, dass im Grundgesetz eine spezielle Regelung für den öffentlichen Dienst besteht, Art. 33 V GG. In Art. 33 V GG wird die Aufgabe des Gesetzgebers niedergelegt, das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. In Art. 33 V GG ist mithin ein Regelungsauftrag zu sehen, der durch die Schaffung besonderer beamtenrechtlicher Regelungen, wie beispielsweise den Normen des BBG, erfüllt wurde.860 Es bestehen spezifische Berufspflichten und Prinzipien, die eine Konkretisierung beziehungsweise einfachgesetzliche Ausgestaltung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 V GG sind.861 Die Verwendung des Wortes „hergebrachte“ dient als Anknüpfungspunkt für die Geschichte des Beamtentums.862 Hiermit wird punktuell eine historische Interpretation verlangt.863 Statt „hergebracht“ wurde in den Ausschussberatungen auch das Wort „überliefert“ verwendet.864 Das BVerfG umschreibt in einem Leitsatz die hergebrachten Grundsätze des
856
Huster/Rux, in: BeckOK Grundgesetz, Art. 20 IV GG, Rn. 225. Wassermann, Recht Gewalt Widerstand, S. 105. 858 Siehe Wassermann, Recht Gewalt Widerstand, S. 105. Der Kapp-Putsch scheiterte auch am Widerstand der Beamten. Von Borch schreibt den Beamten in seinem Werk „Obrigkeit und Widerstand“, in dem er politische beziehungsweise geschichtssoziologische Betrachtungen anstellt, den Beamten eine essentielle Rolle als Widerstandskämpfer zu, von Borch, Obrigkeit und Widerstand. 859 Wassermann, Recht Gewalt Widerstand, S. 106. 860 Vgl. Stamer, Pflichten Beamte, S. 20. 861 Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 25 ff., Rn. 41; Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, § 32, S. 1556, Rn. 62; Stamer, Pflichten Beamte, S. 21. 862 Vgl. Rottmann, Beamte als Staatsbürger, S. 13. 863 Reimer, Juristische Methodenlehre, S. 44, Rn. 52; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 261. 864 Vgl. Krause, Hergebrachte Grundsätze, S. 6. 857
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Beamte
149
Berufsbeamtentums folgendermaßen: „In Art. 33 Abs. 5 GG handelt es sich nur um einen Kernbestand von Strukturprinzipien, die allgemein oder doch ganz überwiegend und während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind.“865 Würde man diese Grundsätze beseitigen, würde man das Wesen des Berufsbeamtentums insgesamt antasten.866 In der Weimarer Reichsverfassung existierten einige Grundsätze, die auch heute noch als Grundprinzip im Beamtenrecht fungieren. So führte das BVerfG aus: „Als hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums galten bereits unter der Weimarer Reichsverfassung u.a. die Pflicht zu Treue und Gehorsam gegenüber dem Dienstherrn und zu unparteiischer Amtsführung, fachliche Vorbildung, hauptberufliche Tätigkeit, lebenslängliche Anstellung, Rechtsanspruch auf Gehalt, Ruhegehalt, Witwen- und Waisenversorgung.“867 Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass kennzeichnend für die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums das Über-/ Unterordnungsverhältnis zwischen Beamtem und Dienstherr ist. Auf Seiten des Beamten bestehen die Pflichten zur pflichtgemäßen Diensterfüllung, die Treuepflicht und die Folgepflicht. Auf Seiten des Dienstherrn steht dem eine Fürsorge- und Schutzpflicht für seine Beamten gegenüber.868 Aus der Tatsache, dass es sich bei den hergebrachten Grundsätzen nur um einen Kernbestand von Strukturprinzipien handelt, ergibt sich, dass nicht alle einfachgesetzlichen Regelungen zum Beamtenrecht solche sind, die als hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums anerkannt sind.869 Eine abschließende Aufzählung der Grundsätze existiert nicht.870 Art. 33 V GG ist, soweit die persönliche Rechtsstellung der Beamten betroffen ist, nach der Rechtsprechung ein grundrechtsgleiches Recht. Der Beamte kann sich im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 I Nr. 4a GG darauf berufen.871 Durch Art. 33 V GG ist der Beamte gleichwohl stark verfassungsrechtlich gebunden.872 Das grundrechtsgleiche Recht des Art. 33 V GG unterliegt den Schranken kollidierenden Verfassungsrechts.873 Dienstpflichten, die zu den hergebrachten Grundsätzen zählen, sind grundrechtsgemäß und dennoch kann es im Einzelfall zu einer Kollision mit anderen Grundrechten kommen, die dann im Wege der praktischen Konkordanz gelöst werden muss.874 Hierbei dürfen zum einen nicht die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums um ihre Geltung gebracht werden und zum anderen sind die §§ 60 ff. BBG grundrechtsgemäß
865
BVerfG, Beschluss vom 2.12.1958 – 1 BvL 27/55, NJW 1959, 189 (189). BVerfGE 114, 258 (286); Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 24, Rn. 37; Lecheler, AöR 1978, 349 (351). 867 BVerfGE 9, 268 (286). 868 Vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, Art. 33 GG, Rn. 66. 869 Lecheler, AöR 1978, 349 (351). 870 Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, § 32, S. 1558, Rn. 65. 871 BVerfGE 3, 58 (136 f.); BVerfGE 8, 1 (17 ff.); BVerfGE 43, 154 (167); BVerfGE 64, 367 (375); Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 22, Rn. 32; Hense, in: BeckOK Grundgesetz, Art. 33 GG, Rn. 35; Rottmann, Beamte als Staatsbürger, S. 20. 872 Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 21, Rn. 32. 873 Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 21, Rn. 32. 874 Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, § 32. 866
150
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
auszulegen.875 Somit können die aus Art. 33 V GG folgenden Rechte und Pflichten dem Whistleblowing entgegenstehen, sie können jedoch auch zum Whistleblowing berechtigen.
III.
Befugnisse des Dienstherrn
Bevor auf die Befugnisse des Dienstherrn eingegangen wird, bedarf es einer Erläuterung, wer Dienstherr sein kann. Das Beamtenverhältnis, das heutzutage als Sonderstatusverhältnis eingeordnet wird, ist ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis.876 Gegenstück des Beamten in diesem Verhältnis ist sein Dienstherr. In § 2 BBG ist die Dienstherrnfähigkeit geregelt. Demnach sind dienstherrnfähig der Bund sowie bundesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, denen dieses Recht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes verliehen wurde beziehungsweise die das Recht bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BBG innehatten. Der Dienstherr handelt durch seine Organe, die begrifflich in § 3 BBG näher bestimmt sind. Die dort aufgezählten Organe sind die oberste Dienstbehörde, Dienstvorgesetzte, Vorgesetzte. Die oberste Dienstbehörde des Beamten ist die oberste Dienstbehörde des Dienstherrn, in deren Geschäftsbereich die Beamten ein Amt wahrnehmen, § 3 I BBG. Der Dienstvorgesetzte oder die Dienstvorgesetzte sind diejenigen, die die Zuständigkeit für die beamtenrechtlichen Entscheidungen über die persönlichen Angelegenheiten der ihm oder ihr nachgeordneten Beamten innehaben, § 3 II BBG. Vorgesetzte sind diejenigen, die dienstliche Anordnungen erteilen dürfen, § 3 III BBG. Die Anordnungsbefugnis ist umfassend.877 Im Arbeitsverhältnis besteht als Pendant das Direktionsrecht.878 Der Dienstherr hat, wie der Arbeitgeber, ein Interesse daran, dass Interna nicht nach außen an die Öffentlichkeit gelangen. Ebenso soll die Reputation des Beamtentums nicht beschädigt werden und das Vertrauen der Allgemeinheit in das Beamtentum aufrechterhalten werden.
IV.
Geheimnisschutz im Beamtenverhältnis
Während im Arbeitsverhältnis die Pflicht zur Verschwiegenheit des Arbeitnehmers besteht, existiert im Beamtenverhältnis die Pflicht zur (Amts-) Verschwiegenheit. Diese ist als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nach Art. 33 V GG anerkannt. Es bleibt zu untersuchen, ob beziehungsweise wie sich die Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers von der (Amts-) Verschwiegenheitspflicht des Beamten unterscheidet. Geheimnisse, die im Beamtenverhältnis an die Öffentlichkeit gelangen können, sind regelmäßig Amtsgeheimnisse und Staatsgeheimnisse, während im Arbeitsverhältnis der Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen droht.
875
Stamer, Pflichten Beamte, S. 25; Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 331, Rn. 199. Zur Kollision von beamtenrechtlichen Pflichten und Grundrechten des Beamten siehe auch die Rechtsprechung des BVerwG, Urteil vom 15.3.1973 - II C 7/71, NJW 1973, 1242 (1242); siehe hierzu auch die vorangegangene Rechtsprechung wie etwa BVerwG, Urteil vom 22.2.1962 - II C 145/59, NJW 1962, 1532; BVerwG, Urteil vom 25.2.1971 - II C 11/70, NJW 1971, 1229. 876 Zur Natur des Beamtenverhältnisses als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis zugleich das Kapitel Das Beamtenverhältnis als Dienst- und Treueverhältnis, S. 153 ff. 877 Simianer, ZBR 2004, 149 (149). 878 Simianer, ZBR 2004, 149 (149).
A. Interessenfeld beim Whistleblowing durch Beamte
V.
151
Information und Beamtenverhältnis
Die Öffentlichkeit hat bei Beamtenverhältnissen ein Informationsinteresse daran, von Missständen zu erfahren. Dieses Interesse steht im Gegensatz zu den Geheimnisschutzinteressen des Staates. Das Handeln der Verwaltung kann ebenso wie das Handeln Privater öffentliche Interesse berühren. Die Ausrichtung des Handelns des Beamten auf das Gemeinwohl führt zu einer Gemeinwohlbindung. Nähere Betrachtungen zu diesen Aspekten werden im Kapitel zur Information im Beamtenverhältnis erfolgen.
VI.
Einfachgesetzliche Rechte und Pflichten
Der Beamte ist wie der Arbeitnehmer in ein Verhältnis eingebunden, in dem er besonderen Pflichten unterliegt.879 Die Rechte und Pflichten in den jeweiligen Verhältnissen unterscheiden sich jedoch graduell.880
VII.
Fazit
Deutlich wurde, dass obgleich Gemeinsamkeiten mit Arbeitsverhältnissen bestehen, auch wesentliche Unterschiede, die vornehmlich in der Natur des Beamtenverhältnisses als Sonderstatusverhältnis begründet liegen, gegeben sind. Die Grundrechtsgeltung bedurfte einer Begründung und die Grundrechte sind weitergehend einschränkbar als bei Arbeitnehmern. Die Grundrechte, auf die sich Beamte beim Whistleblowing berufen können, sind zunächst einmal dieselben, die auch beim Arbeitnehmer dabei in Betracht kommen. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, die die Grundrechte des Beamten beschränken können, sind in einfachgesetzlichen Regeln und Pflichten ausgestaltet worden, die es noch näher zu betrachten gilt. Eine Besonderheit besteht gegenüber Arbeitnehmern ferner darin, dass der Beamte Amtswalter und Privatperson in einem ist und einer Gemeinwohlbindung unterliegt, die es bei Arbeitnehmern nicht gibt. Der Geheimnisschutz im Beamtenverhältnis hat einen anderen Bezugspunkt als im Arbeitsverhältnis. Er zielt auf die Protektion von Staatsgeheimnissen und Amtsgeheimnissen ab.
Macht im Beamtenverhältnis Im Folgenden soll das Beamtenverhältnis als Machtverhältnis näher betrachtet werden und die Unterschiede zum Arbeitsverhältnis aufgezeigt werden. Dies soll zunächst einmal anhand der Erläuterungen zum Wesen des Beamtenverhältnisses geschehen. Anschließend wird detailliert auf die Rechte und Pflichten des Beamten eingegangen, die das Machtverhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten prägen. Dabei wird erläutert, inwiefern das Whistleblowing bei Beamten aufgrund der Rechte und Pflichten, die den Beamten treffen beziehungsweise ihm zustehen, möglich ist.
879 880
Siehe zu den Parallelen auch Löffler, NJW 1964, 1100 (1101). Löffler, NJW 1964, 1100 (1101).
152
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
I.
Wesen des Beamtenverhältnisses
Das Beamtenverhältnis als Teil der Verwaltungshierarchie Das Beamtentum ist als Korrektiv, als machtbegrenzender Faktor gegenüber den politischen Kräften, die im Staat wirken, zu sehen.881 Das Beamtenverhältnis ist ein subordinationsrechtliches Verhältnis, bei dem der Dienstherr dem Beamten übergeordnet ist.882 Es fügt sich in ein Organisationssystem ein, das hierarchisch aufgebaut ist. Der hierarchische Aufbau der Verwaltung ist bildlich gesprochen wie eine Pyramide, an deren Spitze die Entscheidungs- und Weisungsbefugnis gebündelt vorliegen. Von dieser Machtbündelung an der Spitze leitet sich die Macht der darauffolgenden Stufen ab, bis sie in der Amtsmacht beim jeweiligen Beamten ankommt.883 Der hierarchische Aufbau der Verwaltung geht einher mit einem Verlust von Handlungsfreiheit des Einzelnen. Die Einschränkung der Handlungsfreiheit stabilisiert die Organisation und wahrt ihre Identität nach außen.884 Nachteilig an dieser
Art
der
Machtbündelung
ist,
dass
für
Diskussionen
wenig
Raum
bleibt,
die
Informationsverarbeitungskapazität der Hierarchiespitze begrenzt ist und sie der Innovation und dem eigenen Denken hinderlich sein kann.885 Eine absolute Machtbindung an die Spitze, also ein absoluter und blinder Gehorsam würde fordern, dass der Beamte uneingeschränkt an jede Anordnung der in der Hierarchie über ihm stehenden Ebenen gebunden ist.886 Wäre dies der Fall, dann hätte der Beamte selbst keinerlei Macht, das Verhältnis zwischen Dienstherr und Beamten wäre unausgeglichen. Der Beamte wäre ein reines Werkzeug des Dienstherrn. Diese Vorstellung passt nicht in das heutige demokratische Staatsgefüge und zu der Stellung, die der Beamte darin einnimmt. Historisch betrachtet war die Treuepflicht des Beamten einst auf den Fürsten ausgerichtet.887 Diese Ausrichtung wandelte sich zu einer Ausrichtung auf den Staat, bei der der Beamte nach den Interessen des Gemeinwesens handeln sollte.888 Zum Wohl der Allgemeinheit muss sich der Beamte im Ernstfall 881
Summer, ZBR 1999, 181 (181); BVerfGE 7, 155 (162); BVerfGE 99, 300 (315); kritisch im Hinblick auf diese Rolle des Beamtentums im Staat, Bull, Vom Staatsdiener, S. 48, der davon ausgeht, dass die Beamten keine „Zensoren der Regierungspolitik“ seien. 882 Schmidt, Beamtenrecht, S. 28, Rn. 72. 883 Bank, ZBR 1963, 161 (161). 884 Siehe hierzu Mirow/Matzler, in: Knoblach u.a., S. 27 (31). 885 Mirow/Matzler, in: Knoblach u.a., S. 27 (32). 886 Dabei ist festzuhalten, dass nicht alle Macht tatsächlich in der Spitze konzentriert ist. Luhmann führt hierzu aus: „Damit [gemeint ist alle Macht an der Spitze] wurde jedoch lediglich eine juristische Konstruktion der Delegation des Rechts zur Machtausübung bzw. eine formalorganisatorische Festlegung von Rangverhältnissen und Entscheidungskompetenzen gegeben, die nicht zugleich als Festlegung realer Kausalprozesse mißverstanden werden darf. Es ist bei einigermaßen komplexen Systemen undenkbar, alle Macht des Systems als Ursache an der Spitze zu versammeln und von dorther auszugeben.“, so Luhmann, Macht im System, S. 93. Luhmann verwendet diesbezüglich den Begriff der „Reflexivität“ der Machtverhältnisse, siehe Luhmann, Macht im System, S. 88 ff. 887 Hattenhauer, Geschichte des Beamtentums, S. 53. Das zeigt schon die etymologische Bedeutung des Wortes Beamter, dessen Grundbedeutung „die sich um den Herrn bewegen“ ist. Dies lässt sich ableiten aus dem Ursprung des Wortes Amt aus dem germanischen „ampahtja“ beziehungsweise dem keltischen „ambacti“, im althochdeutschen „ampakt“, siehe hierzu Stein, Grenzen dienstlicher Weisungen, S. 38 mit weiteren Ausführungen. 888 Hattenhauer, Geschichte des Beamtentums, S. 188 ff.; Uerpmann, Öffentliche Interesse, S. 48; Summer, ZBR
B. Macht im Beamtenverhältnis
153
auch gegen seinen Dienstherrn positionieren und für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten. Der Beamte soll sich an das Gesetz halten und sich gegen ein Handeln der übergeordneten Exekutivebenen, das gegen das Gesetz verstößt, wehren.889 Kurz: der Beamte übernimmt Verantwortung.890 Um diese Verantwortung wahrnehmen zu können, um abgesichert und unabhängig zu sein, wird ihm eine gesicherte Rechtsstellung durch das Lebenszeitprinzip garantiert.891 Auf den einzelnen Beamten, manche sagen auf seine „ethisch fundierte Persönlichkeit“892 kommt es insbesondere auch dann an, wenn Missstände vorliegen, die unter Umständen sogar von den höheren Hierarchieebenen (mit-) verursacht wurden. Dann dient der einzelne Beamte als Korrektiv in der Hierarchie. Ob tatsächlich davon ausgegangen werden kann, dass der einzelne Beamte eine ethisch fundierte Persönlichkeit mitbringen, also auch Verantwortung im ethisch-philosophischen Sinn übernehmen muss, sei dahingestellt. Jedenfalls trifft ihn aber eine juristische Verantwortung aus den Rechten und Pflichten.893 Im Folgenden soll beleuchtet werden, wie die Machtverteilung im Beamtenverhältnis ausgestaltet ist, welche Rechte und Pflichten die Parteien treffen und wie das Whistleblowing sich hierin einfügen lässt. Das Beamtenverhältnis als Dienst- und Treueverhältnis Im Gegensatz zum Arbeitsverhältnis beruht das Beamtenverhältnis nicht auf dem Austausch von Leistungen. Art. 33 IV GG bezeichnet das Beamtenverhältnis als Dienst- und Treueverhältnis.894 Das Beamtenverhältnis wird maßgeblich durch die wechselseitigen Pflichten bestimmt.895 Der Beamte erfüllt seine Pflichten in diesem Treueverhältnis und erfährt im Gegenzug die Fürsorge des Dienstherrn. Einfachgesetzlich ist das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis in § 4 BBG normiert.896 Ausgestaltet ist das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis in den §§ 60 ff. BBG, dem sechsten Abschnitt des BBG.897 Das Verhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten ist geprägt durch die allgemeine Treuepflicht.898 Die allgemeine beamtenrechtliche Treuepflicht ist hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums. Sie wird ansonsten nicht einfachgesetzlich normiert, aus ihr folgen jedoch andere einfachgesetzlich 1999, 181 (182). Summer, ZBR 1999, 181 (182). Zum Begriff der Verantwortung siehe Klement, Verantwortung, S. 29 ff. Der Begriff der Verantwortung changiert von einem Rechtsbegriff bis hin zu einer abstrakt gesellschaftlichen Wertidee, so Summer, ZBR 1999, 181 (184). 891 Summer, ZBR 1999, 181 (182). 892 Bank, ZBR 1963, 161 (161). 893 Summer, ZBR 1999, 181 (184). 894 In Art. 33 IV GG ist ansonsten ein Funktionsvorbehalt zu sehen, „der den Tätigkeitsbereich der Beamten gewährleistet“, so wörtlich Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, § 32, S. 1556, Rn. 62. 895 Vgl. Stamer, Pflichten Beamte, S. 18. 896 Ebenso in § 3 I BeamtStG 897 Grigoleit, in: Battis, § 60 BBG, Rn. 2; vgl. auch Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 104 ff. 898 Kritisch zur Ableitung einer allgemeinen Treuepflicht und für eine Neuerschließung: Lecheler, ZBR 1972, 228 (229); sowie von Kielmannsegg, der keine geradlinige historische Entwicklung einer solchen Pflicht erkennen kann und deshalb skeptisch ihr gegenüber ist, vgl. von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 311. Er sieht darin ein institutionelles, staats- und verfassungsbezogenes Treueverhältnis, vgl. derselbe S. 312; so auch Lecheler, ZBR 1972, 228 (230); Krause, Hergebrachte Grundsätze, S. 187 ff. 889 890
154
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
normierte Pflichten, wie beispielsweise die politische Treuepflicht oder die Folgepflicht gegenüber dem Dienstherrn.899 In der allgemeinen Treuepflicht selbst ist keine konkrete Pflicht zu sehen, sondern vielmehr ein Strukturprinzip der beamtenrechtlichen Pflichten.900 Damit kommt der Treuepflicht eine Auffangfunktion zu.901 Bislang fehlt eine allgemeingültige Definition der allgemeinen Treuepflicht. Das BVerwG umschreibt sie wie folgt: Die allgemeine Treuepflicht verpflichtet den Beamten dazu, sowohl in als auch außerhalb des Dienstes alles zu vermeiden, „was die dienstlichen Interessen schädigen und damit das Wohl der Allgemeinheit gefährden könnte“.902 Im Beamtenverhältnis existiert, wie erwähnt, kein unbedingter Gehorsam. Vielmehr kommt dem Beamten eine eigene Verantwortung für das Wohl der Allgemeinheit zu. Würde ein unbedingter Gehorsam,903 eine absolute Treue gegenüber dem Dienstherrn gelten, dann könnte der Beamte keine eigene Verantwortung mehr für sein Handeln übernehmen.904 Würde er für sein eigenes Handeln keine Verantwortung übernehmen können und müssen, hätte dies „blinden Gehorsam“ zur Folge.905 Oder in den Worten des BayVfGH, der vom BVerfG in der Entscheidung zitiert wird: „Verantwortung kann nicht tragen, wer in seiner Entscheidung inhaltlich in vollem Umfang an die Willensentscheidung eines anderen gebunden ist.“906 Dadurch wird deutlich, dass der Bezugspunkt der Treue des Beamten nicht der Dienstherr, sondern die Verfassung ist.907 Für diese Verfassung muss der Beamte eintreten, sobald sie gefährdet ist. Im Grundsatz hat er aber seinem Dienstherrn Folge zu leisten. Der Beamte ist dabei für seine Handlungen persönlich verantwortlich. Er nimmt innerhalb der Exekutive aufgrund seiner Rechte und Pflichten eine wichtige Rolle als Rechtsstaatlichkeitsgarant ein.908 Durch seine Fach- und Sachnähe zur exekutiven Arbeit und Abschottung des internen Verwaltungshandelns nach außen hat der
899
Stamer, Pflichten Beamte, S. 40 ff.; Werres, Beamtenverfassungsrecht, S. 26, Rn 42; Battis, in: Battis, § 4 BBG, Rn 4; kritisch dazu, dass aus der Treuepflicht ohne Dazwischentreten des Gesetzgebers Pflichten folgen können, Lecheler, ZBR 1972, 228 (231); zur Folgepflicht siehe ausführlich Folgepflicht nach § 62 BBG, S. 161. 900 So Stamer, Pflichten Beamte, S. 41. 901 Battis, in: Battis, § 4 BBG, Rn. 4. 902 BVerwGE 30, 29 (31). 903 In Bezug auf Beamte soll anstelle von Loyalität (obwohl dieser Begriff auch in Bezug auf Beamte verwendet wird, siehe z.B. Lemhöfer, in: FS Fürst, S. 205) von der Folgepflicht gesprochen werden. In den beamtenrechtlichen Vorschriften der heutigen Zeit wird der früher gängige Begriff des Gehorsams vermieden, was wohl auf den überhöhten Gebrauch im Deutschen Beamtengesetz von 1937 zurückzuführen ist, siehe Simianer, ZBR 2004, 149 (151). § 1 III DBG forderte den „unbedingten Gehorsam und äußerste Pflichterfüllung“. Es existierte dabei gemäß § 7 II 2 DBG als Gehorsamsgrenze der vom Beamten erkennbare Strafverstoß, Günther, JA 2013, 672 (677). Dementsprechend wird in der Literatur dafür votiert, dass der Begriff Gehorsam gemieden werden solle, da dieser im Dritten Reich im Deutschen Beamtengesetz von 1937 überbetont wurde und daher eine Verknüpfung zu der problematischen Rolle des Beamtentums in der NSZeit bestehe, siehe hierzu Simianer, ZBR 2004, 149 (151) und auch Günther, ZBR 1988, 297 (298). 904 Siehe hierzu Romann, Remonstrationsrecht, S. 11 ff.; zum Spannungsfeld auch Czisnik, ZBR 2000, 397 (398). 905 Romann, Remonstrationsrecht, S. 12. 906 BVerfGE 9, 268 (281 f.). 907 Zur Entwicklung weg von einer personenbezogenen Treue hin zu einer staatsbezogenen Verfassungstreue siehe Lecheler, ZBR 1972, 228 (229 f.). 908 So Günther, DÖV 2012, 678 (685).
B. Macht im Beamtenverhältnis
155
Beamte oftmals als einziger Kenntnis von etwaigen Missständen. Es kommt also gerade auf die Meldung des Beamten an, wenn Unrecht in der Verwaltung aufgedeckt werden soll.909 Beim Beamten als Hinweisgeber stellt sich die Frage, inwieweit er trotz seiner Gebundenheit an die Entscheidungen des Dienstherrn und seiner allgemeinen Treuepflicht, aufgrund der ihm zukommenden Verantwortung, sich zur Meldung von Missständen entschließen kann. Rechte und Pflichten des Beamten Das Beamtenverhältnis wird durch diverse Rechte und Pflichten des Beamten einfachgesetzlich ausgestaltet. Im Folgenden sollen sie daraufhin untersucht werden, inwiefern sie Whistleblowing ermöglichen oder diesem entgegenstehen. a) Pflicht zur Amtsverschwiegenheit nach § 67 I 1 BBG § 67 BBG regelt die Amtsverschwiegenheitspflicht bei Beamten. Sie zählt zu den hergebrachten Grundsätzen
des
Berufsbeamtentums
gemäß
Art. 33 V GG.910
Ihr
kommt
innerhalb
der
beamtenrechtlichen Rechte und Pflichten große Bedeutung zu.911 Nach § 67 I 1 1 BBG haben die Beamten über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Die Amtsverschwiegenheitspflicht gilt über das Dienstende hinaus, § 67 I 1 BBG.912 Die Amtsverschwiegenheitspflicht ist sowohl im Machtgefüge zu betrachten als auch unter dem Aspekt des Geheimnisschutzes. Im Rahmen des Machtverhältnisses kann sie in Konflikt zu anderen Rechten und Pflichten des Beamten treten, sodass die Amtsverschwiegenheitspflicht nicht losgelöst von den anderen Rechten und Pflichten betrachtet werden kann.913 Die Amtsverschwiegenheitspflicht steht diametral dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber.914 Zwischen der Amtsverschwiegenheitspflicht und dem Grundrecht des Beamten auf Meinungsäußerungsfreiheit besteht ein Spannungsfeld. aa) Schutzzweck Sinn
und
Zweck
der
Amtsverschwiegenheitspflicht
ist
im
Sinne
der
deutschen
und
kontinentaleuropäischen Rechtstradition der ungestörte Verwaltungsablauf, indem die Gewährleistung und Erfüllung öffentlicher Aufgaben sichergestellt und keine gläserne Verwaltung ermöglicht werden, sodass die öffentliche Verwaltung rechtsstaatlich einwandfrei, zuverlässig, frei von sachfremden Einflüssen und unparteiisch arbeiten kann.915 Die verwaltungsinterne Zusammenarbeit kann demnach 909
Cornelius/Gester/Woesch sprechen vom „Sachverstand des kleinen Mannes“, auf den nicht verzichtet werden könne, vgl. Cornelius/Gester/Woesch, Meinungsfreiheit Beamte, S. 38. 910 BVerfGE 28, 191 (201). 911 Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunack, § 67 BBG, Rn. 1. 912 BVerwG, Urteil vom 25.11.1982 – 2 C 19/80, NJW 1983, 2343. 913 Zum öffentlichen Informationsinteresse und der Friktion mit der Amtsverschwiegenheitspflicht siehe ausführlich das Kapitel Informationsinteresse der Öffentlichkeit S. 257. 914 Siehe hierzu ausführlich unten unter Amtsverschwiegenheitspflicht und Informationsinteresse der Öffentlichkeit S. 264. 915 BVerfGE 28, 191 (198); BVerwG, Urteil vom 25.2.1971 – II C 11/70, NJW 1971, 1229 (1230); Gutjahr/Kese, apf BW 2013, 65 (67); Plog/Wiedow, § 67, Rn 7 , Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunack, § 67 BBG,
156
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
nur funktionieren, wenn grundsätzlich Vertraulichkeit gewahrt wird.916 Heutzutage darf zumindest angezweifelt werden, dass dieser Begründungsstrang in seiner Absolutheit Geltung beanspruchen kann, wenn man bedenkt, dass das Amtsgeheimnis durch die gesetzlichen Bemühungen zur Stärkung der Informationsfreiheit und zur Schaffung eines Zugangs zu amtlichen Informationen, auf den Prüfstand gestellt wird.917 Es kann nicht ohne Weiteres behauptet werden, dass ein Informationszugang der Bürger zu amtlichen Informationen den Verwaltungsablauf per se beeinträchtigt. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, eine Balance zwischen Informationszugang und reibungslosem Verwaltungsablauf zu finden. Die Amtsverschwiegenheitspflicht erschöpft sich aber nicht im Schutz der Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Sie schützt darüber hinaus die informationelle Selbstbestimmung und sichert das Vertrauen der Bürger in die Verwaltung, insbesondere, dass die dort gespeicherten Daten geschützt sind.918 Bei den Beamten besteht zudem selbst ein Interesse, dass sie in ihren Persönlichkeitsrechten geschützt werden.919 bb) Schutzgegenstand § 67 I 1 BBG besagt, dass Beamte über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren haben. Schutzgegenstand sind damit Angelegenheiten, die in oder bei Gelegenheit amtlicher Tätigkeit bekannt wurden. Angelegenheit im Sinne der Vorschrift meint Tatsachen und Werturteile mit Tatsachengehalt.920 Dies ergibt sich aus der Zusammenschau mit § 67 II Nr. 2 BBG, der explizit von Tatsachen spricht, sowie der korrespondierenden Strafvorschrift des § 353b StGB, die ebenfalls Geheimnisse als Tatsachen auffasst.921 Die Formulierung „bei Gelegenheit“ legt die Amtskausalität fest; es muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Kenntnis über die Angelegenheit und der amtlichen Tätigkeit bestehen.922 cc) Ausnahmen von der Amtsverschwiegenheitspflicht Ausnahmen von der Amtsverschwiegenheitspflicht bestehen nach § 67 II BBG. Nach § 67 II 1 BBG gilt die Amtsverschwiegenheitspflicht nicht, soweit die Mitteilung im dienstlichen Verkehr geboten ist (Nr. 1), Tatsachen mitgeteilt werden, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen (Nr. 2) oder bei begründetem Verdacht von Korruptionsstrafbarkeiten (Nr. 3).923 § 67 II 2 BBG stellt klar, dass im Übrigen die gesetzlich begründeten Pflichten, geplante Rn 1, Lopacki, ZBR 2016, 329 (333); Grigoleit, in: Battis, § 67 BBG, Rn 3. Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunack, § 67 BBG, Rn 1; Leppek, in: Brinktrine/Schollendorf, § 67 BBG, Rn 1. 917 Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Informationsinteresse der Öffentlichkeit und Informationszugang, S. 257ff. 918 Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 109; Stamer, Pflichten Beamte, S. 167; Battis, § 67 BBG, Rn 2. 919 Stamer, Pflichten Beamte, S. 168 f. unter Bezugnahme auf das Urteil des VG Frankfurt vom 30.8.1989 – III/2 E 2426/87, NVwZ 1990, 1204; Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunack, § 67 BBG, Rn 1. Kein Anspruch besteht jedoch auf anonymes Handeln innerhalb und außerhalb der Behörde, siehe Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunack, § 67 BBG, Rn 1. 920 Leppek, in: Brinktrine/Schollendorf, § 67 BBG, Rn 5. 921 Leppek, in: Brinktrine/Schollendorf, § 67 BBG, Rn 5; Kiraly, Whistleblower, S. 4. 922 BT-Drucks. 16/7076, S. 116; Battis, § 67 BBG, Rn 6. 923 Siehe zu § 67 II 1 Nr. 3 BBG ausführlich das Kapitel Korruptionsbekämpfung als normierte Ausnahme des 916
B. Macht im Beamtenverhältnis
157
Straftaten anzuzeigen und für die Erhaltung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einzutreten (§ 60 I 3 BBG), von § 67 I BBG unberührt bleiben. § 67 III 1 BBG besagt, dass die Beamten ohne Genehmigung über Angelegenheiten nach § 67 I BBG weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben dürfen. Die Genehmigung erteilt gemäß § 67 III 2 BBG die oder der Dienstvorgesetzte oder, wenn das Beamtenverhältnis beendet ist, die oder der letzte Dienstvorgesetzte. Ausschlusstatbestandsmerkmal der Gebotenheit der Mitteilung Nach § 67 II 1 Nr. 1 BBG besteht keine Verschwiegenheitspflicht, wenn die Mitteilung im dienstlichen Verkehr geboten ist.924 Die Verschwiegenheitspflicht dient, wie dargelegt, der Funktionsfähigkeit der Verwaltung und soll die Vertraulichkeit der Kommunikation sichern. Gleichzeitig soll sie nicht jegliche Kommunikation unmöglich machen. Dementsprechend dient der Ausschlusstatbestand der Gebotenheit als Korrektiv. Der dienstliche Verkehr meint die dienstlichen Beziehungen zu Vorgesetzten, Untergebenen und Mitarbeitern, aber auch zu anderen Behörden.925 Die Ausnahme der Gebotenheit soll die Amtsverschwiegenheit personell und institutionell für die Fälle öffnen, in denen die Amtsträger unter sich sind. Dabei muss die Mitteilung der dienstlichen Unterrichtung dienen.926 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Mitteilung eines Missstandes im dienstlichen Verkehr geboten sein kann. Dazu ist zunächst zu differenzieren zwischen internen und externen Whistleblowing-Meldungen. Externe Whistleblowing-Meldungen als Meldungen an externe Stellen, wie die Staatsanwaltschaft oder die Presse, können schon dem Wortlaut nach nicht geboten sein, da sie keine Meldungen im dienstlichen Verkehr darstellen. Zudem würde eine Ausnahme dieser Meldungen von der Amtsverschwiegenheitspflicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechen, die Vertraulichkeit und Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu wahren. Fraglich ist somit allein, ob interne Missstandsmeldungen im dienstlichen Verkehr geboten sind. Das Tatbestandsmerkmal des dienstlichen Verkehrs ist wenig aussagekräftig. Es ist sowohl einer weiten als auch einer engen Wortlautauslegung zugänglich. Einer weiten Auslegung würde es entsprechen, dem dienstlichen Verkehr private Handlungen gegenüberzustellen, sodass jegliches Handeln in amtlicher Zuständigkeit dem dienstlichen Verkehr unterfallen würde.927 Begrenzt man den dienstlichen Verkehr dagegen eng auf das Handeln innerhalb einer Behörde, wäre damit jegliche Kommunikation zwischen zusammenarbeitenden Behörden durch die Verschwiegenheitspflicht erschwert.928 Sinn und Zweck der Amtsverschwiegenheitspflicht ist unter anderem, wie eingangs erwähnt, die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Dabei soll zum einen die innerbehördliche Kommunikation durch Geheimnisschutz, S. 252 Gutjahr/Kese, apf BW 2013, 65 (67). Battis, § 67 BBG, Rn 8. Zum Grundsatz der Verschwiegenheit zwischen Kollegen siehe OVG NRW Beschluss vom 7.5.2013 - 1 A 2400/11, NVwZ-RR 2013, 850. 926 Battis, § 67 BBG, Rn. 8. 927 Düwel, Amtsgeheimnis, S. 82. 928 Düwel, Amtsgeheimnis, S. 82. 924 925
158
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Verschwiegenheitspflichten nicht unnötig behindert werden und zum anderen die Verwaltung nicht sachfremden Einflüssen ausgesetzt werden. Dies würde dafür sprechen, dass innerhalb des dienstlichen Bereiches die Amtsverschwiegenheitspflicht bei normalen Amtsvorgängen nicht greift und nur eine Abschottung nach außen hin geboten erscheint.929 Allerdings soll auch innerhalb der Behörde nicht jede Information verbreitet werden, sondern Informationen sollen nur an die Stellen gelangen, die sich aufgrund ihrer Zuständigkeit mit der Information befassen müssen.930 Zudem dient die Amtsverschwiegenheitspflicht zugleich dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung, der bestmöglich dadurch verwirklicht werden kann, dass nur Stellen, die selbst mit der Angelegenheit aus dienstlichen Gründen befasst sind, im Fall der Missstandsmeldung also die Stellen, von denen Abhilfe zu erwarten ist, informiert werden dürfen. Dies spricht dafür, das Vorliegen einer Geheimhaltungspflicht danach zu beurteilen, ob die Stelle die Information aufgrund ihrer Tätigkeit erhalten muss oder nicht. Mithin sind Missstandsmeldungen nur dann geboten, wenn sie an die Stellen erfolgen, die mit der Abhilfe von Missstandsmeldungen betraut sind. Das ist jedenfalls der Vorgesetzte; es können aber auch zusätzliche Stellen innerhalb der Verwaltung eingerichtet werden, an die Missstandsmeldungen erfolgen können und an die eine solche Meldung dann geboten wäre.931 Folgerichtig entschied auch das OVG NRW, dass die richtige Stelle, an die sich ein Beamter zur Meldung von (vermeintlichen) Missständen zu wenden habe, der Vorgesetzte sei und eine Informierung des Kollegenkreises per E-Mail gerade nicht im Sinne von § 67 II 1 Nr. 1 BBG geboten sei.932 Aus dem Kriterium der Gebotenheit, das sich als erforderlich oder nötig verstehen lässt, lässt sich für das Whistleblowing ableiten, dass nur eine Missstandsmeldung geboten sein kann, die an Stellen erfolgt, von denen Abhilfe zu erwarten ist. Losgelöst von der konkreten Frage der Gebotenheit einer Missstandsmeldung wird dementsprechend allgemein eine Mitteilung nur an diejenigen Vorgesetzten, Untergebenen, Mitarbeiter, andere Behörden und solchen Kolleginnen und Kollegen für geboten erachtet, die selbst mit der betreffenden Angelegenheit aus dienstlichen Gründen befasst sind, bei denen also die Weitergabe der Geheimnisse zur dienstlichen Unterrichtung geschieht.933 Offenkundigkeit / Geheimhaltung der Bedeutung nach nicht notwendig Keine Amtsverschwiegenheitspflichtverletzung liegt des Weiteren vor, wenn die Tatsachen, die weitergegeben werden, bereits offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Zu den offenkundigen Tatsachen zählen Informationen, wenn sie allgemein oder einer unbegrenzten Zahl von Personen bekannt, also jederzeit feststellbar, sein können. Zu den offenkundigen Tatsachen zählen allgemeinkundige Tatsachen, also Tatsachen „von denen verständige und erfahrene 929
Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunack, § 67 BBG, Rn. 7. Leppek, in: Brinktrine/Schollendorf, § 67 BBG, Rn. 1. Zu den möglichen Whistleblowing-Stellen innerhalb der Verwaltung siehe das Kapitel WhistleblowingStellen, S. 131 ff. 932 OVG NRW, Beschluss vom 7.5.2013 - 1 A 2400/11, NVwZ-RR 2013, 850, siehe hierzu ausführlich das Kapitel Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch Verbreitung vermeintlicher Missstände beim Dienstherrn per E-Mail, S. 194. 933 So auch Düwel, Amtsgeheimnis, S. 81 ff.; Battis, § 67 BBG, Rn. 6; BGHZ 34, 184. 930 931
B. Macht im Beamtenverhältnis
159
Menschen regelmäßig ohne weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich durch Benützung allgemein zugänglicher, zuverlässiger Quellen unschwer überzeugen können.“934 Dies ist mit Sicherheit der Fall, wenn sie über die Massenmedien wie etwa Fernsehen, Radio oder vom Dienstherrn selbst veröffentlicht wurden.935 Ebenso unterfallen Tatsachen nicht der Amtsverschwiegenheitspflicht, die ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen, § 67 II 1 Nr. 2 Alt. 2 BBG. Dazu dürfen die Tatsachen aber unter keinem Gesichtspunkt aus irgendeinem Grund jetzt oder später Bedeutung gewinnen.936 Dass die Tatsachen ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen, setzt voraus, dass ihr Bekanntwerden nicht dazu geeignet ist, private oder öffentliche Interessen zu verletzen.937 Missstandsmeldungen bergen in der Regel das Risiko, Interessen zu verletzen, sodass die Ausnahme zumindest für das Whistleblowing kaum einschlägig sein dürfte. Korruptionsbekämpfung Nach § 67 II 1 Nr. 3 BBG entfällt die Amtsverschwiegenheitspflicht zudem, wenn gegenüber der zuständigen obersten Dienstbehörde, einer Strafverfolgungsbehörde oder einer von der obersten Dienstbehörde bestimmten weiteren Behörde oder außerdienstlichen Behörde oder Stelle ein begründeter Verdacht einer Korruptionsstrafbarkeit angezeigt wird. Die Ausnahme erfasst damit sowohl Fälle des internen als auch des externen Whistleblowings.938 Freiheitlich-demokratische Grundordnung und Anzeige von Straftaten Nach § 67 II 2 BBG bleiben die gesetzlichen Pflichten, geplante Straftaten anzuzeigen und für die Erhaltung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einzutreten, von § 67 I BBG unberührt. Besteht
nach
§ 138 StGB
die
Pflicht,
Straftaten
anzuzeigen,
so
gilt
hier
die
Amtsverschwiegenheitspflicht nicht, wie § 67 II 2 BBG klarstellt. Die
Pflicht zum
Grundordnung939
Bekennen geht
der
beziehungsweise Eintreten für Amtsverschwiegenheitspflicht
die freiheitlich-demokratische
vor.940
Die
Anwendung
der
Ausnahmevorschrift bereitet Schwierigkeiten. Zum einen ist unklar, was unter freiheitlichdemokratischer Grundordnung zu verstehen ist, zum anderen bleibt offen, wann die Schwelle erreicht ist, bei der der Beamte für den Erhalt der freiheitlich-demokratischen Grundordnung eintreten muss.941
934
Siehe BVerfGE 10, 177 (183); siehe zum Merkmal der Offenkundigkeit auch Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Braunack, § 67 BBG, Rn. 18. 935 Grigoleit in: Battis, § 67 BBG, Rn. 9; Beer, in: FS Schmid, S. 335. 936 BVerwG, Urteil vom 25.11.1982 – 2 C 19/80, NJW 1983, 2343 (2344). 937 BVerwG, Urteil vom 25.11.1982 – 2 C 19/80, NJW 1983, 2343. 938 Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Korruptionsbekämpfung als normierte Ausnahme des Geheimnisschutzes, S. 252 ff. 939 Siehe hierzu das Kapitel Bekennen beziehungsweise Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, § 60 I BBG, S. 179. 940 Grigoleit, in: Battis, § 67 BBG, Rn. 11. 941 Siehe dazu ausführlich unten Bekennen beziehungsweise Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, § 60 I BBG, S. 179 ff.
160
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis dd) Aussagegenehmigung
Die Amtsverschwiegenheitspflicht entfaltet auch vor Gericht und bei außergerichtlichen Aussagen ihre Wirkung. Gemäß § 67 III BBG darf der Beamte ohne Genehmigung über Angelegenheiten nach § 67 I BBG weder vor Gericht, noch außergerichtlich aussagen. Damit ist es einem Beamten untersagt, beispielsweise vor der Staatsanwaltschaft oder der Polizei, oder aber vor Journalisten auszusagen.942 Die Voraussetzungen, wann eine Aussagegenehmigung versagt werden kann, sind in § 68 BBG dargelegt. ee) Herausgabepflicht Eine weitere Stützung erfährt die Amtsverschwiegenheitspflicht in der Herausgabepflicht des § 67 IV BBG, nach der der Beamte dem Dienstvorgesetzten amtliche Schriftstücke, Zeichnungen, bildliche Darstellungen sowie Aufzeichnungen über dienstliche Vorgänge auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses herausgeben muss. Dabei kann es sich auch um Aufzeichnungen handeln, die zum persönlichen Gebrauch angefertigt wurden. In einem solchen Fall muss dem Herausgabeverlangen aber ein überwiegendes öffentliches Geheimhaltungsinteresse zugrunde liegen.943 ff) Korrespondierende Normen Mit der Amtsverschwiegenheitspflicht korrespondiert die verfahrensrechtliche Geheimhaltungspflicht nach § 30 VwVfG. Durch diese wird das Vertrauen des Bürgers geschützt, dass die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und die zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisse nicht durch die Behörde nach außen gelangen.944 Strafrechtlich abgesichert wird die Verschwiegenheitspflicht durch § 353b StGB.945 gg) Besondere Schweigepflichten Neben
der
allgemein
geltenden
Amtsverschwiegenheitspflicht
können
besondere
Geheimhaltungsgebote existieren, die sich aus Gesetz oder aufgrund allgemeiner oder spezieller Verwaltungsanordnung oder aus der Natur der Sache ergeben.946 Diese besonderen Pflichten gelten immer und müssen explizit aufgehoben werden. Die Ausnahmen nach § 67 II BBG finden hierauf keine Anwendung.947 Gesetzliche besondere Schweigepflichten sind im Bereich des Personaldatenschutzes geregelt, in § 35 I SGB I in Form des Sozialgeheimnisses, im Bereich des Steuerrechts mit dem Steuergeheimnis nach § 30 AO beziehungsweise in § 355 StGB, in § 32 BBankG in Form des Bankgeheimnisses, in § 353d StGB mit dem Prozessgeheimnis und in Art. 10 GG beziehungsweise § 206 II Nr. 1 StGB mit dem Postgeheimnis.948
942
Grigoleit, in: Battis, § 67 BBG, Rn. 12. Grigoleit in: Battis, § 67 BBG, Rn. 13. Grigoleit in: Battis, § 67 BBG, Rn. 2. 945 Siehe hierzu ausführlich das Kapitel zu § 353b I StGB, S. 239 f. 946 Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunack, § 67 BBG, Rn. 13. 947 Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunack, § 67 BBG, Rn. 13. 948 So die Aufzählung in Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunack, § 67 BBG, Rn. 13. 943 944
B. Macht im Beamtenverhältnis
161
hh) Flucht in die Öffentlichkeit und Amtsverschwiegenheitspflicht Whistleblowing-Meldungen eines Beamten über Missstände werden regelmäßig Informationen enthalten, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Wie oben dargelegt, ist der Beamte grundsätzlich nicht berechtigt, die Öffentlichkeit über Missstände zu informieren. Tut er dies trotzdem, so spricht man von einer „Flucht in die Öffentlichkeit“.949 Zum Teil wird die Druckausübung zur Durchsetzung der eigenen Interessen als zusätzliches Merkmal für die „Flucht in die Öffentlichkeit“ genannt.950 Mithin ist darin, wie beim externen Whistleblowing von Arbeitnehmern, eine Form der Machtausübung des Beamten auf den Dienstherrn zu sehen. Die „Flucht in die Öffentlichkeit“ kommt nicht nur im Rahmen der Verschwiegenheitspflicht zum Tragen. Auch andere beamtenrechtliche Pflichten, namentlich die Folgepflicht als Ausprägung der allgemeinen Treuepflicht und die Dienstweggebundenheit sind betroffen, wenn der Beamte sich mit Missständen an die Öffentlichkeit wendet.951 ii) Fazit Die Amtsverschwiegenheitspflicht ist für die Funktionalität der Verwaltung und die Wahrung der Vertraulichkeit von Nöten. Sie gilt allerdings nicht ausnahmslos. So unterliegt eine Mitteilung, die im dienstlichen Verkehr geboten ist, nicht der Amtsverschwiegenheitspflicht. Ist in der Verwaltung ein Hinweisgebersystem eingerichtet, ist auch eine Mitteilung innerhalb eines solchen Systems geboten. Eine explizite Ausnahme von der Amtsverschwiegenheitspflicht ist mit der Ausnahme in § 67 II Nr. 3 BBG zur Korruptionsbekämpfung getroffen worden. Hier wurde, europarechtlich motiviert, eine Ausnahme geschaffen, um die Korruption effektiv bekämpfen zu können. Daneben besteht auch keine Verschwiegenheitspflicht, wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedroht ist und bei der Anzeige von Straftaten. b) Folgepflicht nach § 62 BBG § 62 I 2 BBG trifft Aussagen zur Folgepflicht der Beamten. Demnach sind Beamte verpflichtet, den dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten Folge zu leisten und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt gemäß § 62 I 3 BBG dann nicht, wenn die Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind, was beispielsweise bei den Mitgliedern des Bundesrechnungshofes der Fall ist, sofern sie Prüfungsaufgaben gemäß § 3 IV 1 BRHG durchführen.952 Nach § 62 II BBG haben Beamte bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten. Die Folgepflicht konkretisiert die allgemeine Treue- und
949
Dammann/Kutscha, PersV 1977, 47 (52); Gutjahr, Whistleblowing im öffentlichen Sektor, S. 10. Weiß, ZBR 1984, 129 (130); Hans, Whistleblowing, S. 5. Siehe hierzu ausführlich noch bei den jeweiligen Pflichten Folgepflicht nach § 62 BBG, S. 161 sowie Einhaltung des Dienstweges nach § 125 BBG, S. 167. 952 Grigoleit, in: Battis, § 62 BBG, Rn. 6. 950 951
162
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Loyalitätspflicht, die im Beamtenverhältnis besteht und wurzelt in dieser.953 In ihr ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums zu sehen.954 aa) Sinn und Zweck der Folgepflicht Sinn und Zweck der Folgepflicht ist es, die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu sichern.955 Andernfalls ließe sich die demokratische Gewaltenteilung nicht durchsetzen, nach der die Exekutive der parlamentarischen Kontrolle nach Art. 20 I, 28 I 1, 2 GG unterliegt. Die Regierung ist in diesem System nach Art. 65 S. 1, 2 GG verantwortlich. Als Spitze der Hierarchie muss sie, um diese Verantwortung wahrnehmen zu können, bindende Weisungen erteilen können.956 Ein konsistentes Verwaltungshandeln, in dem gegenüber jedem Bürger das Recht gleiche Anwendung findet, in der für die Bürger Rechtssicherheit herrscht, entspricht dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 II 2, III, Art. 28 I 1 GG.957 Der Beamte muss Weisungen grundsätzlich Folge leisten, auch dann, wenn er mit der Entscheidung des Vorgesetzten nicht einverstanden ist.958 Voraussetzung für die Bindungswirkung ist, nach dem Prinzip der verwaltungsrechtlichen Zuständigkeit, dass sowohl der Vorgesetzte als auch der Beamte sachlich und örtlich zuständig sind.959 Die Begrenzung der Folgepflicht bereitet mangels umfangreicher Kodifizierung seit jeher Schwierigkeiten.960 Anders als bei der Amtsverschwiegenheitspflicht sieht das Gesetz keine umfangreichen Ausnahmetatbestände vor. bb) Weisung und Verschwiegenheitspflicht Als Weisungsgrundlage kommen vielerlei Sachverhalte in Betracht. Als eine mögliche Weisung steht es dem Dienstherrn auch zu, bestimmte Vorgänge und Umstände nach seinem organisatorischen Ermessen
als
besonders
geheimschutzbedürftig
auszugestalten.
Umfangreiche
Geheimnisschutzregelungen bei Nachrichtendiensten und Sicherheitsbehörden sind ein Beispiel für solche Weisungen. Die § 62 I 2 BBG unterfallende Weisung steht selbstständig neben der Amtsverschwiegenheitspflicht nach § 67 BBG.961 Somit kann dadurch explizit noch einmal zur Verschwiegenheit angewiesen werden. cc) Befolgungspflicht bei widerrechtlichen Weisungen Bei Missständen, die den Auslöser für Whistleblowing-Fälle bieten, kann es dazu kommen, dass der Beamte nicht nur den Missstand melden möchte, sondern sich auch einer (rechtswidrigen) Anordnung
953
Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 106. Stamer, Pflichten Beamte, S. 23, 145 ff.; Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarrecht, C Rn. 30. 955 Simianer, ZBR 2004, 149 (150). 956 Siehe Günther, ZBR 1988, 297 (298). 957 Günther, JA 2013, 672 (674). 958 Lopacki, ZBR 2016, 329 (333). 959 Stamer, Pflichten Beamte, S. 147; Werres, in: BeckOK Beamtenrecht, § 62 BBG, Rn. 10; Grigoleit, in: Battis, § 62 BBG, Rn. 4. Die amtliche Weisung meint die fachliche, die dienstliche die persönliche Weisung, siehe Grigoleit, in: Battis, § 62 BBG, Rn. 4 m.w.N. 960 Vgl. hierzu Günther, ZBR 1988, 297 (299). 961 Vgl. Plog/Wiedow, § 67 BBG, Rn. 11. 954
B. Macht im Beamtenverhältnis
163
widersetzen und diese nicht ausführen möchte.962 Im Folgenden soll daher erläutert werden, ob der Beamte auch dann eine Weisung befolgen muss, wenn diese widerrechtlich ist. Die Erfahrungen mit den zwei Diktaturen im 20. Jahrhundert in Deutschland haben gezeigt, dass die Rechtsstaatlichkeit verteidigt werden muss.963 Diese Aufgabe der Verteidigung muss die Verwaltung mittragen und damit auch der einzelne Beamte.964 Als Institution zur Machtbegrenzung der politischen Kräfte diente das Beamtenrecht schon im 19. Jahrhundert.965 Diese Wandlung hin zum Staatsdiener, der der Verfassung treu ist, vollzog sich, indem der Bezugspunkt der Pflichten und der Treue nicht mehr der Fürst, sondern der Staat war.966 Letztendlich bedeutet dies, dass sich der Staatsdiener auch gegen die politische Führung stellen muss, wenn dies für eine rechtsstaatliche Amtsführung notwendig ist.967 Die Frage nach den Grenzen der Folgepflicht stellt seit Jahrhunderten ein Thema der juristischen Diskussion dar; dies gilt verstärkt, seitdem die Verfassung zum Bezugspunkt der Treue wurde.968 Systematische Folgepflichtgrenzen Eine Anordnung ist nicht allein deshalb rechtlich bindend, weil sie von der zuständigen Dienststelle ausgeht.969 Denn dann wäre ein Beamter auch im formal legitimierten Unrechtsstaat dazu verpflichtet, der Weisung Folge zu leisten beziehungsweise würde seine Weisungsgebundenheit dazu beitragen, dass ein solcher entstehen kann.970 Mit anderen Worten ist für das Bestehen einer Weisungsgebundenheit der Inhalt
der
Weisung
entscheidend.
Vergegenwärtigt
man
sich
die
Ausnahme
von
der
Verschwiegenheitspflicht im Falle einer Gefährdung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, spricht dies dafür, dass der Beamte, wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung und damit der Rechtsstaat gefährdet ist, eine Weisung nicht befolgen muss. Diese Annahme deckt sich auch mit dem Widerstandsrecht, der Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, sowie der Rolle des Beamten als Diener des Gemeinwohls. Diese Folgepflichtgrenze wird durch eine weitergehende systematische Betrachtung gestützt. Die Folgepflicht steht mit anderen beamtenrechtlichen Pflichten in engem Zusammenhang. Zum einen trägt der Beamte nach § 63 I BBG für seine eigenen Handlungen die persönliche Verantwortung. Zum anderen besteht ein Remonstrationsrecht beziehungsweise eine Remonstrationspflicht nach § 63 II BBG971. Das Remonstrationsrecht enthält in § 63 II 4 BBG eine Ausnahme, nach der Beamte bei
962
Hans, Whistleblowing, S. 69. Im nationalsozialistischen Staat diente der „Führerbefehl“ als Rechtsquelle und Bezugspunkt der Treuepflicht des Beamten war der Führer. Gleichzeitig konnte ein Führerbefehl auch das Beamtenverhältnis beenden, siehe Summer, ZBR 1999, 181 (183). 964 Wickler, ThürVBl 2016, 29 (29). 965 Wickler, ThürVBl 2016, 29 (30). 966 Wickler, ThürVBl 2016, 29 (30). 967 Wickler, ThürVBl 2016, 29 (30). 968 Günther, JA 2013, 672 (672). 969 Siehe hierzu auch Bank, ZBR 1963, 161 (164); Stamer, Pflichten Beamte, S. 147. 970 Wickler, ThürVBl 2016, 29 (30). 971 Zum Verhältnis Remonstration zu Folgepflicht siehe unten Remonstrationsrecht und -pflicht nach § 63 II BBG S. 172. 963
164
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
einer erfolglos durchlaufenen Remonstration eine Anordnung dann nicht befolgen müssen, wenn das aufgetragene Verhalten für den Beamten erkennbar die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit beziehungsweise Ordnungswidrigkeit für die Beamten erkennbar ist. Dies lässt sich als allgemeiner Rechtsgedanke auch auf § 62 I 2 BBG übertragen.972 Deutlich wird aus dem Zusammenspiel der Rechte und Pflichten noch ein weiteres: Die Beamten sind nicht zu einem „blinden Gehorsam“ gezwungen. Mit der Remonstration steht ihnen eine Möglichkeit offen, dass sie gegen rechtswidrige Anordnungen protestieren können, obschon eine Remonstration den Beamten nur zeitlich begrenzt von der Folgepflicht befreit.973 Evidenz und schwerwiegender Verstoß als Folgepflichtgrenze Der Wortlaut der Folgepflicht enthält, neben der ausdrücklich normierten Ausnahme in § 62 I 3 BBG, keine explizit formulierten Ausnahmen. Diese können aber durch die weitere Auslegung der Vorschriften begründet werden. Als eine Folgepflichtschranke kann der Grundsatz der Rechtmäßigkeit dienen. Um die Funktionsfähigkeit der Verwaltung sicherzustellen, soll nicht bei jeder rechtswidrigen Weisung schon die Weisungsgebundenheit entfallen, sondern nur bei qualifizierter Rechtswidrigkeit. Eine solche sei gegeben, wenn die Rechtswidrigkeit evident sei oder bei schwerwiegenden Verstößen gegen elementare Verfassungswerte und Strafgesetze.974 Richtigerweise soll eine Gehorsamspflicht jedenfalls dann nicht bestehen, wenn das aufgetragene Verhalten strafbar oder ordnungswidrig ist oder gegen die Menschenwürde verstößt.975 Dadurch erfolgt ein Gleichlauf mit der Ausnahme, eine Weisung nach erfolgloser Remonstration zu befolgen.976 Ebenso bestünde eine Schnittmenge mit der Pflicht zum Eintreten
für
die
freiheitlich-demokratische
Grundordnung,
bei
der
auch
die
Amtsverschwiegenheitspflicht entfällt.977 Die von der herrschenden Meinung vertretene Folgepflichtschranke aus Evidenz und Schwere der Rechtsverletzung stellt eine Variation der gesetzlich normierten Folgepflichtschranken dar.978 Die 972
Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunack, S. 227, Rn. 6; für die Anwendung dieser Ausnahmen auch Battis, § 63 BBG, Rn. 6. Für eine nicht bindende Weisung bei erkennbarer Strafbarkeit auch Günther, ZBR 1988, 297 (299). Felix bezweifelt, dass neben den gesetzlichen Ausnahmetatbeständen noch eine weitere offensichtliche Rechtswidrigkeit gegeben sein kann, siehe Felix, Remonstrationsrecht, S. 57; kritisch hierzu auch Depenheuer, DVBl 1992, 404 (408). 973 Günther, JA 2013, 672 (676). 974 BVerfG, Beschluss vom 7.11.1994 – 2 BvR 1117/94, NVwZ 1995, 680 (681); BVerwG, Urteil vom 29.11.2002, ZBR 2002, 139 (140 ff.). Werres, in: BeckOK Beamtenrecht, § 62 BBG, Rn. 11; Günther, DÖV 2012, 678 (684); Weiß, ZBR 1994, 325 (333 f.); Depenheuer, DVBl 1992, 404 (411 f.); Hans, Whistleblowing, S. 69 f.; Claussen/Janzen nehmen eine Ausnahme bei offenkundiger Rechtswidrigkeit für den Fall an, dass erkennbar gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen wird, oder aber eine schwere Rechtsverletzung vorliegt, Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarrecht, C Rn. 33. Gegen eine qualifizierte Rechtswidrigkeit Felix, Remonstrationsrecht, S. 142 f. 975 Werres, in: BeckOK Beamtenrecht, § 62 BBG, Rn. 10. 976 Siehe hierzu das Kapitel Befolgen der rechtswidrigen Weisung nach Durchlaufen des Remonstrationsweges, S. 177 ff. 977 Siehe hierzu das Kapitel Freiheitlich-demokratische Grundordnung und Anzeige von Straftaten, S. S. 159 und das Kapitel Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, S. 181 978 Günther, DÖD 2011, 74 (82). Vor dem im folgenden erläuterten Beschluss des BVerfG wurde die Auffassung vertreten, die bloße Evidenz der Rechtswidrigkeit reiche bereits aus, um von der Folgepflicht zu entbinden, siehe Bank, ZBR 1963, 161 (165). Demgegenüber wurden schon damals Stimmen laut, die nur die
B. Macht im Beamtenverhältnis
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beiden Beschränkungen wurden vom BVerfG entsprechend der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach § 44 I VwVfG dann für unverbindlich gehalten, wenn die Weisung an einem schwerwiegenden Fehler leidet und dies offensichtlich ist.979 In der Literatur wurde diskutiert, wann ein schwerwiegender Verstoß vorliege.980 Ebenso ist die Grenze der Evidenz Gegenstand der Diskussion.981 Sinn und Zweck der Folgepflicht ist, wie bereits erwähnt, die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Gleichzeitig ist der Beamte als Teil der Exekutive gemäß Art. 20 III GG an Recht und Gesetz gebunden. Im Fall der widerrechtlichen Weisung stehen Funktionsfähigkeit und die Gesetzesbindung in Spannung. Die Lösung dieser Spannung durch das „austarierte Rechtsgefüge“,982 die Folgepflicht nicht schon bei jeder rechtswidrigen Weisung, sondern nur bei qualifizierter Rechtswidrigkeit entfallen zu lassen, muss vor diesem Hintergrund gesehen werden. Aus diesem Grund geht die Ansicht, die eine Folgepflichtgrenze schon bei einfacher Rechtswidrigkeit annimmt und in einem solchen Fall nur ein Folgerecht erkennt,983 fehl. Mittlerweile ist die Beschränkung der Folgepflicht bei qualifizierter Rechtswidrigkeit als Gewohnheitsrecht anerkannt.984 Damit müssen auch verfassungswidrige Weisungen, es sei denn sie erfüllen die Voraussetzungen einer qualifizierten Rechtswidrigkeit, befolgt werden.985 Die Folgepflicht entfällt dabei jedenfalls, wenn eine für den Beamten erkennbare Verletzung der Menschenwürde oder Straf- und Ordnungswidrigkeiten vorliegen. dd) Verbot der Befolgung nicht bindender Weisungen Es erscheint fraglich, ob ein Beamter eine unter den genannten Voraussetzungen nicht bindende Weisung nicht nur nicht befolgen muss, sondern auch nicht befolgen darf.986 Überzeugend erscheint die
Kombination aus Schwere und Evidenz genügen lassen wollten, wie z.B. Depenheuer, DVBl 1992, 404 (408); Weiß, ZBR 1994, 325 (332) m.w.N. 979 Simianer, ZBR 2004, 149 (159) unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 7.11.1994 - 2 BvR 1117/94, NVwZ 1995, 680 (681). Gegen eine Analogie wendet sich Günther, ZBR 1988, 297 (299f.). 980 Weiß wollte sich an die Nichtigkeitsgründe des § 44 II VwVfG anlehnen, wodurch bei Sittenwidrigkeit die Folgepflicht entfallen könnte, aber auch dann, wenn eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen würde. Daneben soll die Folgepflicht auch dann entfallen, wenn die Menschenwürde verletzt würde, Weiß, ZBR 1994, 325 (334). Günther verlangt eine unerträgliche Divergenz zwischen Anordnung und den wesentlichen Zwecken beziehungsweise Wertvorstellungen der Rechtsordnung, Günther, ZBR 1988, 297 (307). 981 Weiß nimmt an, dass Evidenz verlange, dass die schwerwiegende Rechtswidrigkeit objektiv erkennbar sei und bloße Bedenken gerade nicht genügen würden, Weiß, ZBR 1994, 325 (336). Depenheuer geht ebenfalls davon aus, dass bloße Bedenken nicht genügen, wobei Evidenz und Schwere voneinander abhängig seien, Depenheuer, DVBl 1992, 408 (412). Weiß hingegen tritt für die Unabhängigkeit der Faktoren Evidenz und Schwere ein, Weiß, ZBR 1994, 325 (336). Günther geht ebenfalls von einer objektiv zu bestimmenden Evidenz aus, die ex ante zu bestimmen ist, Günther, ZBR 1998, 297 (307). 982 Simianer, ZBR 2004, 149 (159). 983 Rux, DÖV 2002, 985 (989 ff.). 984 So Günther, DÖV 2012, 678 (684). 985 BVerfG, Beschluss vom 7.11.1994 - 2 BvR 1117/94, NVwZ 1995, 680 (680); Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunack, S. 227, Rn. 7; Weiß, ZBR 1994, 325 (337); Simianer, ZBR 2004, 149 (159); Battis stimmt dem zu, indem er davon ausgeht, dass jede rechtswidrige Weisung aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 20 III 2, I GG als verfassungswidrig aufgefasst werden könne, siehe Grigoleit, in: Battis, § 63 BBG, Rn. 6. 986 Günther, ZBR 1988, 297 (299).
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Argumentation, dass der Beamte in einem solchen Fall nicht von den allgemeinen Grundsätzen des Rechts befreit ist, sodass er sich unabhängig vom Ausschluss disziplinarrechtlicher Folgen strafbar machen kann und bei einer solchen Befolgung von Weisungen rechtswidrig handelt.987 Dies muss auch gelten, da der Ausschlusstatbestand die Erkennbarkeit der Straf- beziehungsweise Ordnungswidrigkeit oder des Verstoßes gegen die Menschenwürde fordert und daher der Beamte bewusst gegen Strafbeziehungsweise Ordnungswidrigkeitenvorschriften verstoßen beziehungsweise die Menschenwürde verletzen würde. Zudem spricht in einem solchen Fall für das Nichtausführen die Tatsache, dass der Beamte die persönliche Verantwortung für seine Handlungen trägt. Oftmals wird sich zum aktuellen Zeitpunkt allerdings nicht sicher feststellen lassen, ob eine Weisung oder eine Diensthandlung rechtmäßig ist oder nicht. Diese Problematik zeigt sich auch im Rahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr, bei der die objektive Rechtmäßigkeit sich nach dem zum Zeitpunkt der Maßnahme verfügbaren Sach- und Erkenntnisstand sowie der Frage, ob die Behörden vom Vorliegen der Gefahr ausgehen durften, beurteilt.988 Für das Beamtenverhältnis kann festgestellt werden, dass die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme sich nach dem Zeitpunkt der Vornahme richtet, selbst wenn sich dies im Nachhinein als falsch erweist.989 Durfte ein Beamter also annehmen, dass die Anordnung qualifiziert rechtswidrig ist, durfte und musste er sie auch nicht befolgen, selbst wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass er einem (vermeidbaren) Irrtum unterlag. ee) Gewissenskonflikt und grundrechtliche Grenze der Folgepflicht Gewissensgründe können der Auslöser dafür sein, dass der Beamte einer Weisung nicht Folge leisten will. Ein vorliegender Gewissenskonflikt ist allerdings nicht gleichbedeutend mit einer nicht bindenden rechtswidrigen Weisung. Ein Gewissenskonflikt kann mit einer solchen zusammenfallen, kann aber aufgrund der höchst subjektiven Natur von Gewissenskonflikten auch bei nicht qualifizierten Rechtsverletzungen und auch dann gegeben sein, wenn gar keine Rechtsverletzung vorliegt. Für den Fall, dass ein Gewissenskonflikt und zugleich eine qualifizierte unrechtmäßige Anordnung im Sinne des § 63 II 4 BBG vorliegt, bietet das Gesetz selbst eine Auflösung des Konflikts. Die Anordnung muss nicht befolgt werden. Für die übrigen Fälle gibt es keine gesetzliche Auflösung für die Kollision. Die Eidesformel in § 64 I BBG, gemäß der der Beamte sein Amt „gewissenhaft“ zu erfüllen habe, lässt nicht den Schluss zu, dass dem Beamten aus Gewissensgründen ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht.990 Bei amtlichen Weisungen kann sich der Beamte nicht einmal auf die Grundrechte berufen, da hier der Amtsbereich betroffen ist.991 Mithin sind subjektive Kriterien im Sinne von persönlichen Wert- oder Gerechtigkeitsvorstellungen des Beamten für die Verbindlichkeit von Weisungen irrelevant.992
987
So Felix, Remonstrationsrecht, S. 119. Siehe BVerwGE 45, 58; BVerwGE 47, 31 (49); BVerwGE 49, 36 (42 f.) sowie unter Berufung hierauf und in Bezug auf § 63 BBG Plog/Wiedow, § 63 BBG, Rn. 7. 989 So Plog/Wiedow, § 63 BBG, Rn 7 unter Bezugnahme auf BVerwGE 105, 269. 990 Günther, DÖD 2007, 163 (164). 991 Grigoleit, in: Battis, § 64 BBG, Rn. 2. 992 Herdegen, Gewissensfreiheit, S. 298. 988
B. Macht im Beamtenverhältnis
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ff) Widerstandsrecht und Folgepflicht Das Widerstandsrecht nach Art. 20 IV GG ist ebenfalls nicht dazu geeignet, den Beamten von seiner Folgepflicht zu entbinden. Wie eingangs erwähnt, unterliegt es engen Voraussetzungen. Es ist nur ultima ratio und kann nur ausgeübt werden, wenn offenkundige Verfassungswidrigkeit vorliegt und keine andere Abhilfe möglich erscheint. Dem Widerstandsrecht kommt neben der Folgepflicht somit keine eigenständige Bedeutung zu, würde doch eine mit einem solch schwerwiegenden und erkennbaren Mangel behaftete Weisung schon keine Verbindlichkeit beanspruchen können.993 gg) Fazit Die Folgepflicht gilt nicht bei qualifizierter Rechtswidrigkeit der Anordnung. Solche widerrechtlichen Weisungen müssen und dürfen auch nicht befolgt werden. Von einer qualifizierten Rechtswidrigkeit, bei der die Folgepflicht auch nach durchlaufener Remonstration entfällt, geht auch § 63 II BBG aus. Hier ist allerdings im Gegensatz zur Folgepflicht eine gesetzlich normierte Ausnahme getroffen worden. Für den Whistleblower sind diese Ausnahmen zur Folgepflicht deshalb bedeutend, weil er sich, neben seiner Meldung über Missstände, auch gezwungen sehen kann, eine Anordnung nicht auszuführen. Zudem zeigt diese Ausnahme einmal mehr, dass die beamtenrechtlichen Pflichten nicht ausnahmslos gelten können. c) Einhaltung des Dienstweges nach § 125 BBG § 125 I 2 BBG legt die Dienstweggebundenheit von Beamten fest. Diese können gemäß § 125 I 1 BBG Anträge und Beschwerden vorbringen. Hierbei haben sie nach § 125 I 2 BBG den Dienstweg einzuhalten. Nach § 125 I 3 BBG steht ihnen der Weg bis zur obersten Dienstbehörde offen. Richtet sich die Beschwerde gegen die unmittelbare Vorgesetzte oder den unmittelbar Vorgesetzten, kann die Beschwerde gemäß § 125 II BBG bei der oder dem nächsthöheren Vorgesetzten unmittelbar eingereicht werden. § 125 BBG behandelt zum einen das Recht auf Anträge und Beschwerden und zum anderen die Dienstweggebundenheit. Ein Verstoß gegen die Dienstwegbindung stellt ein Dienstvergehen dar, sodass eine disziplinarrechtliche Ahndung erfolgen kann.994 aa) Schutzzweck der Dienstweggebundenheit Sinn und Zweck der Dienstweggebundenheit ist zum einen das Geheimhaltungsinteresse, zum anderen die effektive Ausgestaltung, durch die Rückfragen vermieden werden.995 Zudem bleibt das Verfahren innerhalb der Verwaltung transparent und die Kompetenzen sind klar zugewiesen.996 Die Weisungshierarchie, die in der Exekutive besteht, ist auch eine Verantwortungskette, bei der die Weisungsgebundenheit, als Ausprägung der Weisungshierarchie, notwendige Voraussetzung für das Funktionieren einer parlamentarischen Demokratie sind.997 Sie ist Ausdruck des spezifischen 993
Grigoleit, in: Battis, § 63 BBG, Rn. 9. Lopacki, ZBR 2016, 329 (330). Vgl. Weiß, ZBR 1984, 129 (136). 996 Kunz, VR 2013, 289 (290). 997 Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, S. 1536, Rn. 20. 994 995
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Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Machtgefüges im Beamtentum. Zudem soll damit nach außen ein Bild einer geordneten Verwaltung vermittelt werden.998 Probleme kann die Dienstweggebundenheit dem Beamten bereiten, wenn für ihn nicht ersichtlich ist, wie der Dienstweg ausgestaltet ist und wer Vorgesetzter ist.999 bb) Ausnahmen von der Dienstweggebundenheit Nicht möglich ist aufgrund der Dienstweggebundenheit eine sofortige „Flucht in die Öffentlichkeit“. Der Beamte hat sich im Grundsatz an den Dienstweg, wie ihn § 125 BBG vorzeichnet,1000 zu halten. Die Dienstweggebundenheit gilt jedoch nicht ausnahmslos.1001 So hat die Rechtsprechung erkannt, dass es notwendig sein kann, dass die Öffentlichkeit direkt von einem Missstand erfährt, nämlich dann, wenn Verstöße gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorliegen.1002 Das Gesetz selbst sieht Möglichkeiten vor, wie der Beamte Beschwerden außerhalb eines Dienstweges vorbringen kann. Den Beamten steht bei Klagen aus dem Beamtenverhältnis offen, sich an die Verwaltungsgerichte zu wenden gemäß § 126 I BBG. Dies gilt ebenso für Klagen des Dienstherrn. Das Recht zu Anträgen und Beschwerden nach § 125 BBG und das Recht, sich an die Verwaltungsgerichte zu wenden, sind voneinander vollkommen unabhängig.1003 Nicht durch das Gesetz geregelt sind Ausnahmen von der Dienstweggebundenheit im Falle des Hinweisgebens. cc) Whistleblowing und Dienstweggebundenheit Die Dienstweggebundenheit ist nicht nur relevant für die Frage, ob sich der Beamte mit seiner Meldung an externe Stellen wenden darf. Darüber hinaus lassen sich aus ihr Rückschlüsse gewinnen, wann beim Beamten ein internes oder externes Whistleblowing vorliegt. Internes Whistleblowing ist demnach nur gegeben, wenn sich die Meldung an den dienstlichen Adressatenkreis richtet. Ein externes Whistleblowing kann damit anders als bei Arbeitnehmern sowohl innerhalb der Verwaltung als auch außerhalb der Verwaltung erfolgen.1004 Für das Whistleblowing stellt sich die Dienstweggebundenheit als Hemmnis dar. Nachteilig an ihr ist, dass es zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann.1005 Die Kommunikation muss auf dem Dienstweg erfolgen. Dadurch dauert die Kommunikation länger, als wenn jede Stelle direkt angesprochen werden könnte, und zudem kann die Kommunikation absichtlich verzögert oder verfälscht werden, beispielsweise um eine Aufdeckung von Missständen zu verhindern. Abgemildert seien die nachteiligen Auswirkungen des theoretisch strikten Konstrukts der Dienstweggebundenheit dadurch, dass in der Praxis eine freiere Kommunikation außerhalb des
998
Lopacki, ZBR 2016, 329 (330). So Gutjahr/Kese, apf BW 2013, 65 (66). Zu den Begrifflichkeiten Dienstvorgesetzter und Vorgesetzter vgl. § 3 BBG. 1001 Für eine Lockerung der Dienstweggebundenheit ist Deiseroth, vgl. Deiseroth, Betrifft Justiz 2004, 296 (299). 1002 BVerfGE 28, 191 (202). Siehe hierzu das Kapitel Der Fall Pätsch, Seite 189; siehe auch Battis, § 125 BBG, Rn 6. 1003 Vgl. Plog/Wiedow, § 125 BBG, Rn. 6. 1004 Graser, Whistleblowing, S. 152. 1005 Kunz, VR 2013, 289 (290). 999
1000
B. Macht im Beamtenverhältnis
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Dienstweges gepflegt werde.1006 Für den Whistleblower ist in der Praxis die abweichende Handhabung der Dienstweggebundenheit jedoch nicht nur von Vorteil. Gerade wenn sich eine lasche Handhabung etabliert hat, kann es dennoch sein, dass in Fällen von unliebsamer Hinweisgebung der Whistleblower sanktioniert wird und im Vorfeld das Sanktionsrisiko für ihn nicht erkennbar ist. dd) Fazit Nur
die
Rechtsprechung
sieht für das Whistleblowing
relevante
Ausnahmen von
der
Dienstweggebundenheit vor. Ansonsten erweist sich die Dienstweggebundenheit beim Whistleblowing als Hemmnis. d) Achtungs- und vertrauensvolles Verhalten gemäß § 61 I 3BBG In § 61 I BBG werden die wichtigsten Amtswalterpflichten niedergelegt. Beamte haben sich mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf zu widmen, § 61 I 1 BBG. Sie haben das ihnen übertragene Amt uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen, § 61 I 2 BBG. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss nach § 61 I 3 BBG der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert. Die Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten zählt zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums.1007 Sie gilt sowohl innerdienstlich als auch außerhalb des Dienstes.1008 aa) Schutzzweck Die Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten dient unter anderem dazu, den Betriebsfrieden zu wahren.1009 Es soll durch diese Vorschrift nicht nur ein gutes Betriebsklima zwischen Dienstherrn beziehungsweise Vorgesetzten und Beamten bestehen, sondern auch zwischen den Beamten untereinander. bb) Die Pflicht als Gestaltungsnorm für das Whistleblowing Die Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten verbietet nicht, Kritik am Vorgesetzten zu üben.1010 Eine Verdächtigung gegenüber anderen Beamten oder Vorgesetzten, die jeglichem Anlass entbehrt und somit unbegründet ist, verstößt aber gegen diese Pflicht.1011 Insofern lässt sich bei Beamten, wie auch bei Arbeitnehmern, die Grenze der Gutgläubigkeit ziehen. Somit erfolgen auch bei Beamten Meldungen, die wissentlich unwahr sind oder leichtfertig getätigt werden, nicht berechtigt und verstoßen nach der Rechtsprechung gegen die Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten.1012 In der Literatur wird die Grenze zum Teil schon bei einer fahrlässigen Herangehensweise gezogen.1013 Zu der
1006
Kunz, VR 2013, 289 (290). Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, § 32, S. 1558, Rn. 65. Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 362, Rn 206 und S. 377, Rn. 208. 1009 Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarrecht, C Rn. 30. 1010 Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 362, Rn. 206 m.w.N. 1011 Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarrecht, C Rn. 30 und 50. 1012 BVerwG, Urteil vom 13.12.2000 - 1 D 34/98, NJW 2001, 3280; siehe hierzu auch Gutjahr, Whistleblowing, S. 34. 1013 Vgl. Herold, ZBR 2013, 8 (12). 1007 1008
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Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten gehört die Pflicht, sich im Vorfeld einer Meldung über die Richtigkeit des Meldungsinhaltes Gewissheit zu verschaffen und dazu alle zur Verfügung stehenden Beweismöglichkeiten zu nutzen.1014 Bei einem konkreten Anhaltspunkt für ein Fehlverhalten eines anderen Beamten darf der Beamte eine Meldung an seinen Vorgesetzten tätigen. Dies erfolgt selbst dann berechtigt, wenn sich der Verdacht nicht bestätigt.1015 Der Beamte darf seinen Vorgesetzten außerdienstlich kritisieren, solange er damit keine Gehässigkeit oder Hetze betreibt.1016 Die Kritik darf zudem nicht unsachlich, herabsetzend, verächtlich machend oder beleidigend sein.1017 Wendet sich der Beamte an externe Stellen, kommt es wie beim Arbeitnehmer darauf an, an welche Öffentlichkeit er sich wendet. In einer Strafanzeige gegen Kollegen oder Vorgesetzte kann nicht grundsätzlich ein Verstoß gegen die Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten gesehen werden. Dennoch darf eine Strafanzeige und die damit verbundene Gefahr, dass innerdienstliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, nur ultima ratio sein. Ein vorheriger interner Klärungsversuch ist somit nötig. Es muss vor der Erstattung einer Strafanzeige alles Zumutbare unternommen werden, um verwaltungsintern Klärung herbeizuführen.1018 Sollte die interne Aufklärung ergeben haben, dass die Anschuldigungen nicht zutreffen, soll es dem Beamten versagt sein, eine Strafanzeige zu stellen.1019 cc) Fazit In der Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten kann somit eine Ausgestaltungsnorm für das Whistleblowing gesehen werden. Zum einen regelt die Pflicht, in welcher Art und Weise Kritik geübt werden kann. Zum anderen gebietet sie eine vorrangige interne Klärung. Vor allem zeitigt die Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten Auswirkung bei der Berücksichtigung der Motivation des Whistleblowers. e) Uneigennützigkeit und Handeln nach bestem Gewissen Die Formulierung der Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen, unterstreicht die Eigenverantwortlichkeit der Beamten.1020 Beamte müssen ihr Amt uneigennützig und nach bestem Gewissen wahrnehmen. Das uneigennützige und gewissenhafte Handeln tritt in Ergänzung zum Gebot der Unparteilichkeit und Gerechtigkeit aus § 60 I 2 BBG.1021 In der Uneigennützigkeit zeigt sich, dass der Beamte sein Handeln nach öffentlichen Interessen zu richten hat.1022 Er darf als „Diener
1014
Vgl. Herold, ZBR 2013, 8 (12). Vgl. Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarrecht, C Rn. 30. 1016 Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 377, Rn. 208. 1017 Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarrecht, C Rn. 46; Cornelius/Gester/Woesch, Meinungsfreiheit Beamte, S. 38. 1018 BVerwG, Urteil vom 13.12.2000 - 1 D 34/98, NJW 2001, 3280. 1019 Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarrecht, C Rn. 51. 1020 Grigoleit, in: Battis, § 61 BBG, Rn. 3. 1021 Grigoleit, in: Battis, § 61 BBG, Rn. 7; Steiner, DÖD 2013, 133 (134). 1022 Steiner, DÖD 2013, 133 (134). 1015
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der Allgemeinheit“ bei der Erledigung seiner Aufgaben keine eigennützigen Motive verfolgen.1023 Uneigennütziges Handeln setze voraus, dass jede Amtshandlung vermieden werde, die dem eigenen Vorteil diene.1024 So sei schon ein Verhalten, dass nur den Verdacht der Bestechlichkeit erwecke, nicht erlaubt.1025 Das Merkmal der Uneigennützigkeit soll mithin dazu dienen, Interessenkollisionen zu vermeiden und Korruption schon in den Anfängen zu bekämpfen. Die Verpflichtung nach bestem Gewissen zu handeln solle als Überprüfungsmöglichkeit dienen, dass der Beamte tatsächlich uneigennützig, gerecht und gemeinwohlorientiert gehandelt habe.1026 Nicht missverstanden werden dürfe die Pflicht als Öffnung für moralische, persönliche Entscheidungen des Beamten, bei denen er geltendes Recht missachtet.1027 Für das Whistleblowing gewinnt die Norm dadurch Bedeutung, dass sich aus ihr ableiten lässt, dass der Beamte den Vorgesetzten auf Missstände hinzuweisen hat und auch ein etwaiger Gewissenskonflikt dem Vorgesetzten offengelegt werden muss.1028 Aus der Pflicht zum uneigennützigen Handeln könnte zudem eine weitere Voraussetzung für das Whistleblowing bei Beamten gewonnen werden. Die Pflicht könnte dazu führen, dass die Motive des Beamten für sein Whistleblowing zwingend zu berücksichtigen sind. Erfolgt das Whistleblowing aus Eigennutz, dann könnte es demnach nicht berechtigt erfolgen. Die Gegenauffassung vertritt, dass sich das Handeln des Beamten an den objektiven Maßstäben der „Sachrichtigkeit, Rechtstreue, Gerechtigkeit, Objektivität und dem Allgemeinwohl zu orientieren“ habe,1029 sodass inhaltlich richtige, aber aus Rache oder Missgunst getätigte Meldungen dennoch zulässig sein sollten, da solche Motive die Zulässigkeit nicht beeinflussen könnten.1030 Bei Arbeitnehmern hat die Rechtsprechung des BAG festgelegt, dass Motive zu berücksichtigen seien, wobei dies durchaus kritisch gesehen werden muss.1031 Zwar befinden sich Beamte, anders als Arbeitnehmer, in einem Treueverhältnis, das an den Beamten gesteigerte Pflichten stellt und explizit die Uneigennützigkeit und das Handeln nach bestem Gewissen als Pflicht normiert. Der Beamte soll idealerweise vorbildhaft handeln und im Gefüge des Staates dafür sorgen, dass rechtmäßig gehandelt wird. Der Korruption soll kein Nährboden gegeben werden. Doch auch bei Beamten sollte, entsprechend der hier vertretenen Auffassung zu Arbeitnehmern, keine Berücksichtigung der Motive erfolgen, solange der Beamte auf einen Missstand hinweist, da häufig nur auf diese Weise ein Missstand beseitigt werden kann.
1023
Steiner, DÖD 2013, 133 (135). Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 377, Rn. 203. 1025 Vgl. Grigoleit, in: Battis, § 61 BBG, Rn. 7. 1026 Grigoleit, in: Battis, § 61 BBG, Rn 8; Steiner, DÖD 2013, 133 (138). 1027 Steiner, DÖD 2013, 133 (138). 1028 So auch Steiner, DÖD 2013, 133 (138). 1029 Herold, ZBR 2013, 8 (11) unter Verweis auf Branahl, HFR 2012, 1 (7); Hennemann, Betrifft Justiz 2011, 137. 1030 Herold, ZBR 2013, 8 (11). 1031 Siehe hierzu die Erläuterungen im Kapitel zum Urteil des BAG vom 4.07.1991: Motiv des Whistleblowers bedeutend, S. 72. 1024
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Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis f) Persönliche Verantwortlichkeit nach § 63 I BBG
§ 63 I BBG stellt klar, dass Beamte für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung tragen. „Dienstliche Handlungen“ ist ein weiter Begriff, der „jedes dem Beamten in Ausübung oder in Zusammenhang mit dem Dienst zuzurechnende Tätigwerden oder Verhalten […], das in einem Tun, Dulden oder Unterlassen bestehen kann“ erfasst.1032 Die Bindung an Gesetz und Recht nach Art. 1 III, 20 III GG schlägt sich in der persönlichen Verantwortung nieder, die der Amtswalter für sein Handeln trägt.1033 Die Weisungsgebundenheit lässt die persönliche Verantwortung des Beamten nicht entfallen.1034 Der Beamte kann sich nicht mit Verweis auf eine Weisung seiner Verantwortung entledigen.1035 In der Pflicht zur persönlichen Verantwortlichkeit ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums zu sehen.1036 In ihr wird auch ein wesentlicher Unterschied zwischen Angestellten und Beamten offenbar. Erstere sind bei Anordnung nicht persönlich verantwortlich.1037 Die Verantwortung verlangt, dass der Beamte stets seine Handlungen tatsächlich und rechtlich gewissenhaft überprüft und den Sachverhalt stets sorgfältig aufklärt.1038 g)
Remonstrationsrecht und -pflicht nach § 63 II BBG
Die Remonstrationspflicht stellt eine Ausgleichsnorm zwischen der persönlichen Verantwortung nach § 63 I BBG und der Folgepflicht nach § 62 BBG dar.1039 § 63 II BBG regelt das Remonstrationsrecht beziehungsweise die Remonstrationspflicht von Beamten. Demnach haben sie Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen gemäß § 63 II 1 BBG unverzüglich bei der oder dem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn ihre Bedenken fortbestehen, gemäß § 63 II 2 BBG an die nächsthöhere Vorgesetzte oder den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamten sie nach § 63 II 3 BBG ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Nach § 63 II 4 BBG gilt dies nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamten erkennbar ist. Erfasst sind von der Remonstration sowohl dienstliche Handlungen nach außen, als auch Anordnungen, die verwaltungsinterne Maßnahmen tangieren.1040 Damit umfasst die Remonstration auch Eingriffe in die Rechtssphäre des Beamten.1041
1032
Wickler, ThürVBl 2016, 29 (32). Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, S. 1537, Rn. 23; Lindner, ZBR 2016, 1 (2). 1034 Depenheuer, DVBl 1992, 404 (405). 1035 Summer, ZBR 1999, 181 (182). 1036 Stamer, Pflichten Beamte, S. 23. 1037 Simianer, ZBR 2004, 149 (151). 1038 So Felix, Remonstrationsrecht, S. 8. 1039 Bäcker, Die Verwaltung 2014, 499 (512); Romann, Remonstrationsrecht, S. 1 ff. 1040 Günther, DÖD 2013, 309 (311); Bank, ZBR 1963, 161 (163). 1041 Plog/Wiedow, § 63 BBG, Rn. 11, auch wenn der Beamte im letzteren Fall nicht von der Verantwortung befreit werden kann, weil für ihn keine Pflicht besteht, die eigenen Rechte zu wahren, so Plog/Wiedow, § 63 BBG, Rn. 11. 1033
B. Macht im Beamtenverhältnis
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Die Remonstration ist stufenförmig ausgestaltet.1042 Der Beamte wendet sich zunächst an seinen unmittelbaren Vorgesetzten, § 63 II 1 BBG, dann an die nächsthöhere Ebene von Vorgesetzten, § 63 II 2 BBG. Für den Fall, dass eine Gefahr im Verzug ist oder die Entscheidung des oder der nächsthöheren Vorgesetzten nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, sieht § 63 III BBG eine Abkürzung des Remonstrationsverfahrens vor.1043 Die Bedenken sind dann auf dem Dienstweg beim unmittelbaren Vorgesetzten zu erheben, wenn die dienstliche Anordnung durch einen höheren Vorgesetzten angeordnet wurde.1044 Dabei ist anzumerken, dass es dem jeweiligen Vorgesetzten, der die Bedenken des hierarchisch niedriger gestellten Beamten teilt, ebenso frei steht, selbst zu remonstrieren, sodass das Verfahren nur auf die nächste Ebene verschoben wird.1045 Es kann sich also eine regelrechte Remonstrationskette ergeben. Der durch die Remonstration bezweckte Rechtsstaatsschutz läuft dann leer, wenn die Rechtswidrigkeit von der Minister- beziehungsweise Staatssekretärsebene selbst hervorgerufen oder unterstützt wird.1046 In den Regelungen zur Remonstration ist kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 V GG zu sehen.1047 aa) Remonstration als ausgleichendes Mittel zwischen Folgepflicht und Verantwortung Die Remonstration kann als „conditio sine qua non“ des eigenverantwortlichen Beamten bezeichnet werden.1048 Sie bietet das ausgleichende Mittel zwischen der Folgepflicht in der beamtenrechtlichen Hierarchie und der persönlichen Verantwortlichkeit des Beamten. Ergeht eine rechtswidrige Anordnung, ist sie das Mittel, mit der der Beamte gegen die Anordnung vorgehen und seiner Verantwortung gerecht werden kann.1049 Wird die Anordnung bestätigt, so ist der Beamte grundsätzlich von seiner Verantwortung befreit. Damit wird die Verantwortung an den Vorgesetzten weitergereicht.1050 Durch die Vorgaben des Remonstrationsverfahrens wird aber erreicht, dass sich sowohl der Beamte als auch der Vorgesetzte vertieft mit der Anordnung auseinandersetzen. Somit wird durch das Remonstrationsverfahren eine Selbstkontrolle der Verwaltung bezweckt.1051 Mithin ist die Remonstration ein Bestandteil der verwaltungsinternen Rechtsfindung und trägt zur Rechtswahrung bei.1052 In Zusammenschau mit der Folgepflicht ergibt sich folgendes Bild: Durch die Folgepflicht mit gleichzeitiger Möglichkeit zur Remonstration wird eine Selbstkontrolle der Verwaltung betrieben und die Remonstration kommt dem Beamten zugute, der nicht haftungs- oder disziplinarrechtlich sanktioniert werden kann, wenn eine rechtswidrige Weisung gegeben ist und er die Remonstration
1042
Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 389, Rn. 211. Siehe auch Peters/Grunewald/Lösch, in: Lenders/Peters/Weber/Grunewald/Lösch, § 63 BBG, Rn. 705. 1044 Wickler, ThürVBl 2016, 29 (35). 1045 Bank, ZBR 1963, 161 (164). 1046 Wickler, ThürVBl 2016, 29 (32). 1047 Günther, DÖV 2012, 678 (683); Gutjahr/Kese, apf BW 2013, 65 (69). 1048 So Romann, Remonstrationsrecht, S. 13. 1049 Romann, Remonstrationsrecht, S. 43. 1050 Romann, Remonstrationsrecht, S. 71; damit ist er auch von der Verantwortung befreit, wenn die Diensthandlung letztendlich rechtswidrig ist, aber das Remonstrationsverfahren erfolglos blieb, siehe hierzu Romann, Remonstrationsrecht, S. 83. 1051 Romann, Remonstrationsrecht, S. 72. 1052 Günther, DÖD 2013, 309 (310 ff.). 1043
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wahrnimmt.1053 Die Remonstration dient also dem Ausgleich zwischen der Folgespflicht und der persönlichen Verantwortung des Beamten.1054 bb) Remonstrationsrecht und Remonstrationspflicht Es ist umstritten, ob in der Vorschrift ein Recht oder auch eine Pflicht zu sehen ist. Die Remonstration wird heute überwiegend sowohl als Pflicht als auch als Recht angesehen.1055 Als Recht kann die Remonstration eingeordnet werden, weil sie den Beamten von der persönlichen Verantwortung befreit, sodass auch ein subjektiver Anspruch darauf bestehen muss, seine Bedenken im Rahmen einer Remonstration vorzutragen, um diese Verantwortung wahrnehmen und sich gegebenenfalls von ihr lösen zu können.1056 Für die Annahme einer Pflicht spricht, dass der Beamte die Pflicht hat, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten und dabei verpflichtet sein kann, eine Remonstration vorzubringen, die verhindert, dass gegen diese Grundordnung durch eine rechtswidrige Weisung verstoßen wird. Des Weiteren spricht dafür auch der Wortlaut der Vorschrift („haben […] geltend zu machen“).1057 Der Annahme einer Verpflichtung zur Remonstration wird entgegengehalten, dass die Remonstration keine Pflicht begründen könne, wenn sie doch nur dem Interesse des Beamten diene, ihn von der Verantwortung zu befreien.1058 Allerdings negiert diese Auffassung, dass die Remonstration ein wichtiges Mittel für die Selbstkontrolle der Verwaltung ist. Dieses Mittel der Selbstkontrolle ist mit der Verantwortung in der Verwaltung verwoben. Die Verantwortung kann durch die Remonstration weitergegeben werden bis zur Spitze. Dies entspricht der demokratischen Grundstruktur der Verwaltung, in der der Minister neben der Anordnungsbefugnis auch die Verantwortung in der Hierarchiespitze trägt.1059 Ferner wird gegen eine Pflicht eingewendet, dass der Wortlaut „haben“ nicht dazu ausreiche, eine Pflicht zu begründen, wenn man bedenke, dass niemand verpflichtet sein könne, Bedenken zu haben.1060 Auch dieses Argument geht fehl. Es besteht gerade keine Verpflichtung Bedenken zu haben, sondern eine Verpflichtung bei Bedenken zu remonstrieren.
1053
Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 389, Rn. 211. Felix, Remonstrationsrecht, S. 24. 1055 Für eine Pflicht und ein Recht Gutjahr/Kese, apf BW 2013, 65 (69); Weiß, ZBR 1994, 325 (327); Günther, DÖD 2013, 309 (309). Anders jedoch unter anderem Felix, Remonstrationsrecht, S. 146 ff, die darin nur ein Recht in Kombination mit einer Obliegenheit sehen will; gegen eine Pflicht aus § 63 BBG Kawik, ZBR 2015, 243 (247); so wohl auch Peters/Grunewald/Lösch, in: Lenders/Peters/Weber/Grunewald/Lösch, § 63 BBG, Rn. 702, die nur von Remonstrationsrecht sprechen. 1056 So auch Felix, Remonstrationsrecht, S. 146 ff. 1057 Grigoleit, in: Battis, § 63 BBG, Rn. 4.; Quambusch, PersV 2003, 364; Lindner, ZBR 2015, 412; Günther, ZBR 1988, 297 ff.; Gutjahr/Kese, apf BW 2013, 65 (69); Weiß, ZBR 1994, 325 (327). Felix, Remonstrationsrecht, S. 148, die aber dennoch nicht eine Pflicht erkennen will, sondern eine rechtliche Obliegenheit, vgl. Felix, Remonstrationsrecht, S. 148 ff. 1058 So Kawik, ZBR 2015, 243 (247). 1059 Lindner, ZBR 2015, 412 (414). 1060 Kawik, ZBR 2015, 243 (247). 1054
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cc) Begriff der Bedenken und Umfang der Prüfung Auslegungsbedürftig ist, was mit dem Begriff der Bedenken in § 63 II BBG gemeint ist und welcher Umfang der Prüfung aus der Vorschrift folgt. Die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit verlangen eine vorangegangene Prüfung der Rechtmäßigkeit. Der Auftrag zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der dienstlichen Handlungen ergibt sich aus Art. 20 III GG und § 63 I BBG, die zur rechtsstaatlichen Amtsführung verpflichten.1061 Zunächst stellt sich die Frage, ob schon bei Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit eine Remonstration erfolgen kann.1062 Allerdings spricht hiergegen zum einen der Wortlaut der Vorschrift, zum anderen auch ihr Sinn und Zweck. Die persönliche Verantwortung trägt der Beamte nach § 63 I BBG nur für die Rechtmäßigkeit der Handlung.1063 Auch § 63 II BBG statuiert eindeutig, dass „Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen“ von den Beamten geltend zu machen sind. Zudem muss der Beamte Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit einer Anordnung nicht einfach hinnehmen. Er kann und muss die Aussprache hierüber mit dem Vorgesetzten aufgrund seiner Beratungs- und Unterstützungspflicht suchen.1064 Der Beamte hat unzweckmäßige Weisungen zu befolgen.1065 Der Remonstrationsweg ist nur für Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit eröffnet. Über den Umfang dieser Rechtmäßigkeitsprüfung sagt § 63 I BBG jedoch nichts aus.1066 Es sind im Wesentlichen zwei Umfänge denkbar. Zum einen kann eine ausführliche, allumfassende Rechtmäßigkeitsprüfung erfolgen, zum anderen nur eine summarische Prüfung. Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass die Prüfung dem Wortlaut nach die Rechtmäßigkeit und damit nicht nur die Gesetzmäßigkeit umfasst. Der Beamte darf seine Prüfung nicht nur auf die Übereinstimmung mit dem Gesetz beschränken, sondern muss auch die Grundrechte beachten.1067 Dies ergibt sich aus der Zusammenschau der Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit der Pflicht zum gerechten Handeln und der persönlichen Verantwortung des Beamten.1068 Zum Teil wird hieraus noch weitergehend abgeleitet, dass die Prüfungspflicht so umfassend sei, dass der Beamte die Normen in formeller und materieller Hinsicht auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen müsste.1069 Ebenso müssten Gewohnheitsrecht, Europarecht, allgemeine Regeln des Völkerrechts,
1061
Wickler, ThürVBl 2016, 29 (33). Für eine Zweckmäßigkeitsprüfung jedoch Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 388, Rn. 211, der diese aus der Beratungs- und Unterstützungspflicht herleiten möchte; Bank, ZBR 1963, 161 (163). 1063 Kawik, ZBR 2015, 243 (245). 1064 Kawik, ZBR 2015, 243 (244); Grigoleit, in: Battis, § 63 BBG, Rn. 5 und § 62 BBG, Rn. 2; Wickler, ThürVBl 2016, 29 (33); Leuze DöD 1995, 1 (6). 1065 BayVGH, Entscheidung vom 7.11.1960 - Vf. 33-VI-60, VerwRspr 1961, 300. 1066 Zu dieser Problematik siehe Romann, Remonstrationsrecht, S. 44. 1067 Lindner, ZBR 2016, 1 (2); für eine Prüfpflicht, die sich auf die gesamten Anforderungen, die sich aus der verfassungsmäßigen Ordnung ergeben, bezieht auch Wickler, ThürVBl 2016, 29 (33). 1068 So auch Lindner, ZBR 2016, 1 (2). 1069 Grigoleit, in: Battis, § 63 BBG, Rn. 3; Romann, Remonstrationsrecht, S. 47. 1062
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verfassungsrechtliche Prinzipien, Rechtsverordnungen und Satzungen mitbedacht werden.1070 Einer solch weitgehenden Prüfungspflicht wird entgegengehalten, dass diese in der Praxis kaum erfüllbar sei, zumal wenn man bedenke, dass nicht jeder Beamte eine juristische Vorbildung besitze. Zudem würde durch solche umfassenden Prüfungen die Funktionsfähigkeit der Verwaltung beeinträchtigt.1071 Die Beamten könnten schlicht überfordert sein, eine solche Prüfung vorzunehmen. Der Problematik der Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung und der Überforderung des Beamten lässt sich durch das Hinzunehmen einer subjektiven Komponente begegnen. Demnach ist der Beamte nur dann verantwortlich, wenn auch ein Verschulden gegeben ist.1072 Die Prüfpflicht muss sich danach ausrichten, in welcher Position der Beamte tätig ist und welche Vorbildung er hat, mit anderen Worten danach, was ihm subjektiv zugemutet werden kann, zu überprüfen.1073 Nicht ausschlaggebend ist aber, welches Wissen der Beamte tatsächlich besitzt, sondern welches Wissen er angesichts seiner Stellung besitzen müsste.1074 Zwar kann durch eine umfassende Prüfpflicht die Funktionsfähigkeit der Verwaltung beschränkt werden. Allerdings wären die Auswirkungen auf die von den Beamten getragene Verantwortung und die sich durch rechtswidriges Handeln ergebenden Gefahren für den Rechtsstaat gravierender. Eine summarische Prüfung wäre nur auf das Vorliegen offensichtlicher und gröbster Fehler beschränkt. 1075 Die Remonstration als Instrument der Selbstkontrolle wäre in ihrer Effektivität stark beschnitten.1076 Zudem müsste sich dann die persönliche Verantwortlichkeit des Beamten ebenfalls an diesem Maßstab orientieren.1077 Darüber hinaus würde es ein Klima begünstigen, in dem der einzelne Beamte weniger Anreiz verspüren könnte, sich vertieft mit seinen Bedenken auseinanderzusetzen.1078 Aufgrund der Tatsache, dass Missstandsaufklärung erstrebenswert ist und etwaige Schäden auf diese Art im Vorfeld vermieden werden können, sollte die Remonstration als Mittel in der Verwaltung gestärkt werden. Nur so sind die Beamten gehalten und in der Lage dazu, ihre Verantwortung für den Rechtsstaat durch das Mittel der Remonstration effektiv wahrzunehmen. Sie sind das Korrektiv, das dem Machtmissbrauch entgegensteht. Daher erscheint es vorzugswürdig, eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung anzunehmen. Eine weitere Unklarheit besteht bezüglich der Frage, ob die Rechtmäßigkeitsprüfung eines auslösenden Momentes, genauer gesagt, ob sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit bedarf, oder ob sie stets durchgeführt werden soll. Zum Teil wird angenommen, dass Beamte davon ausgehen dürfen, dass die dienstliche
1070
So Kawik, ZBR 2015, 243 (246); Wickler, ThürVBl 2016, 29 (33). Kawik, ZBR 2015, 243 (246). Romann, Remonstrationsrecht, S. 66; Kawik, ZBR 2015, 243 (246). 1073 Romann, Remonstrationsrecht, S. 67. 1074 Romann, Remonstrationsrecht, S. 67. 1075 Kawik, ZBR 2015, 243 (246). 1076 Kawik, ZBR 2015, 243 (246). 1077 Kawik, ZBR 2015, 243 (246). 1078 Kawik, ZBR 2015, 243 (246). 1071 1072
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Anordnung durch die Vorgesetzten auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft wurde.1079 Dieser Annahme stehe jedoch die Verantwortung des Beamten entgegen, die stets wahrgenommen werden muss, sodass Zweifel vielmehr nur die Prüfungsintensität erhöhen müssen.1080 dd) Irrtümer bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit Es wird bei der Überprüfung vorkommen, dass sich der Beamte irrt. Irrtümer bei Rechtsmeinungen wurden von der Rechtsprechung im Bereich der Amtshaftung diskutiert. Hier führte der BGH aus: „Bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung hat jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes die Gesetzesund Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach aufgrund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründet einen Schuldvorwurf.“1081 Dieser Maßstab für die Prüfung lässt sich nicht nur auf den Spezialfall der Remonstration bei Beamten übertragen, sondern kann als allgemeiner Maßstab für das Whistleblowing bei Beamten verwendet werden. Bei der Beurteilung, ob ein Missstand gegeben ist, wird der Beamte häufig nicht vollends sicher sein, ob seine Auffassung der Wirklichkeit entspricht. Daher ist Whistleblowing immer mit einem Irrtumsrisiko verbunden. Ein Ausgleich kann durch einen Verschuldensmaßstab in der ex-ante-Perspektive gefunden werden. ee) Befolgen der rechtswidrigen Weisung nach Durchlaufen des Remonstrationsweges Entsprechend den Ausführungen zur Folgepflicht des Beamten bei rechtswidrigen Weisungen, die nach § 63 II 4 BBG entfällt, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit beziehungsweise Ordnungswidrigkeit für den Beamten erkennbar ist, muss der Beamte im Übrigen, also wenn die Voraussetzungen des § 63 II 4 BBG nicht gegeben sind, eine rechtswidrige Weisung befolgen, wenn alle vorgeschriebenen Schritte des Remonstrationsverfahrens durchlaufen wurden und die Remonstration erfolglos ist. Abgesehen von dieser Ausnahme und dem Fall, dass die Weisung schon an sich unverbindlich ist, muss der Beamte die Weisung aber befolgen. Sind die zwei Stufen der Remonstration durchlaufen, ist der Beamte von seiner Verantwortung befreit. ff) § 63 BBG als Whistleblowing-Regelung Zum Teil wird angenommen, dass im Remonstrationsrecht keine Whistleblowing-Regelung gesehen werden kann.1082 Begründet wird dies damit, dass zum einen nichts enthüllt werde, da eine bereits bekannte Tatsache nur rechtlich neu beziehungsweise anders bewertet werde und dass es bei der Remonstration zuvorderst nur um die Entbindung von der Verantwortung gehe.1083 Gegen Ersteres lässt 1079
Leuze, DÖD 1995, 1 (6 f.). Wickler, ThürVBl 2016, 29 (33). BGHZ 119, 365 (369); siehe hierzu auch Kawik, ZBR 2015, 243 (247). 1082 Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu den BT-Drucksachen 18/3043 und 18/3039, da hier die Entlastung des Beamten von der eigenen Verantwortung im Vordergrund stehe, vgl. DGB, Stellungnahme S. 2. 1083 DGB, Stellungnahme, S. 2; Hans, Whistleblowing, S. 90. 1080 1081
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sich einwenden, dass es dem Vorgesetzten nicht zwangsläufig bewusst sein muss, dass seine Anordnung rechtswidrig ist. Die Remonstration ist gerade ein Mittel, ihn darauf hinzuweisen und diese Art von Missstand verwaltungsintern zu bereinigen. Vor allem letzteres Argument, die Remonstration bestünde vorrangig zum Entbinden von Verantwortung, greift zu kurz. Wenn es auch zutreffend ist, dass die Remonstration den Beamten von Verantwortung entbindet, so dient die Remonstration doch auch dazu, Bedenken auf geregelte Art und Weise der Stelle zu melden, von der Abhilfe möglich ist. Keinesfalls stellt die Remonstration eine umfassende, abschließende Whistleblowing-Regelung dar. Dafür ist der Anwendungsbereich der Remonstration zu eng. Sie kann nur stattfinden, wenn eine Anordnung an den Beamten ergangen ist, gegen die er remonstrieren kann. In allen Fällen, bei denen die Schwelle der Nicht-Rechtmäßigkeit nicht überschritten wird, bei denen also die Schwere des Verstoßes nicht genügt, um die Remonstrationspflicht auszulösen, wäre zudem keine Remonstration möglich,1084 die Aussprache mit dem Vorgesetzten kann jedoch immer gesucht werden. Zudem kann der Beamte auch Missstände entdecken, die nicht im Zusammenhang mit einer Weisung stehen.1085 Außerdem ist die Situation denkbar, dass Vorgesetzte die Remonstration leerlaufen lassen, wenn sie sich zusammenschließen und bewusst rechtswidrig handeln wollen.1086 Die zeitliche Komponente der Remonstration lässt den Schluss zu, dass es sich zumindest um keine effektive WhistleblowingRegelung handeln kann. Remonstrationen sind langwierig, eine effektive Missstandsbekämpfung ist nicht möglich. Somit ist es zutreffend, dass die Remonstration alleine keine abschließende Whistleblowing-Regelung ist. Sie ist aber dennoch eine wichtige Regelung im Spannungsfeld zwischen Folgepflicht und Verantwortung und muss daher mitberücksichtigt werden, wenn die Möglichkeiten zum Whistleblowing beim Beamten eruiert werden. gg) Sanktionierung Kommt der Beamte seiner Remonstrationspflicht nach, dann kann er disziplinarrechtlich nicht mehr belangt werden.1087 Es liegt auch keine Amtspflichtverletzung nach Art. 34 S. 2 GG, § 839 BGB vor, wenn der Beamte ordnungsgemäß remonstriert hat beziehungsweise subjektiv kein Verschulden vorliegt und er die Rechtswidrigkeit der Anordnung nicht erkennen konnte.1088 In beiden Fällen durfte und musste er davon ausgehen, dass er der Anordnung seines Vorgesetzten Folge zu leisten habe. Im Innenverhältnis muss der Beamte, wenn er remonstriert hat, ebenfalls nicht haften. Eine Dienstpflichtverletzung ist aber gegeben, wenn er schuldhaft nicht remonstriert.1089
1084
So Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 109. Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 253. 1086 Auf diese Gefahr hinweisend Quambusch, PersV 2003, 364 (364). 1087 Romann, Remonstrationsrecht, S. 84. 1088 Romann, Remonstrationsrecht, S. 86; Günther, ZBR 1988, 297 (324); so auch die Rechtsprechung BGHZ 63, 319 (324); BGH, Urteil vom 16.12.1976 - III ZR 3/74, NJW 1977, 713; BGH, Beschluss vom 11.12.2008 - III ZR 216/07, NVwZ-RR 2009, 363; OLG Bremen, Urteil vom 23.1.2019 - 1 U 25/18, BeckRS 2019, 2028. 1089 Romann, Remonstrationsrecht, S. 89; Günther schlägt vor, eine Haftung nur dann anzunehmen, wenn eine Remonstration die Anordnung korrigiert hätte, siehe Günther, ZBR 1988, 297 (312); wie aber angesichts der 1085
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h) Bekennen beziehungsweise Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, § 60 I BBG Nach § 60 I 1 BBG dienen Beamte dem ganzen Volk, nicht einer Partei. § 60 I 2 BBG sieht vor, dass Beamte ihre Aufgaben gerecht und unparteiisch zu erfüllen und bei ihrer Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen haben. § 60 I 3 BBG legt fest, dass sich Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Einhaltung eintreten müssen.1090 Die Pflicht für die freiheitlich-demokratische Grundordnung jederzeit einzutreten, ist nach § 7 I Nr. 2 BBG Voraussetzung dafür, in das Beamtenverhältnis berufen zu werden. Im Bekennen beziehungsweise Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist eine Normierung der Verfassungstreuepflicht des Beamten zu sehen, die sich aus der allgemeinen Treuepflicht ableiten lässt.1091 Die Verpflichtung, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten, zählt zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums.1092 Die durch das Amt ausgeübte Staatsgewalt darf allein dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Dementsprechend ist es dem Amtswalter verboten, aus Eigennutz zu handeln.1093 Lediglich im Privaten kann er eigene Interessen verfolgen.1094 aa) Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Nicht aus dem Gesetz unmittelbar erkennbar ist, was unter freiheitlich demokratischer Grundordnung zu verstehen ist. Für den Beamten kommt es aber entscheidend darauf an. Die Wortlautauslegung hilft insofern nicht weiter, als mit „freiheitlich“ und „demokratisch“ bei der Begrifflichkeit zwei ihrerseits unbestimmte Begriffe verwendet werden.1095 Systematisch betrachtet fällt auf, dass der Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowohl in § 7 BBG, § 60 BBG als auch in Art. 18 und 21 GG verwendet wird. Gebraucht wird er zudem in Art. 10 II 2 GG, Art. 11 II GG, Art. 87a GG und Art. 91 II GG. Es wird davon ausgegangen, dass der Begriff der freiheitlichdemokratischen Grundordnung jedenfalls im Grundgesetz einheitlich verwendet wird.1096 Gemein sei den Vorschriften, die den Begriff verwenden, dass sie dem „Schutz der Fundamente der verfassungsmäßigen Ordnung dienen“.1097 Der Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung
vielen Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen zu bestimmen sein soll, ob die Remonstration Erfolg gehabt hätte, bleibt offen; insofern als unpraktikabel und bedenklich bezeichnet von Romann, Remonstrationsrecht, S. 89. 1090 Die Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht des Beamten, die ebenfalls aus § 60 BBG folgt, nämlich aus Absatz 2, wird vornehmlich im Zusammenhang mit politischen Äußerungen und Tätigkeiten diskutiert; so z.B. in Grigoleit, in: Battis, § 60 BBG, Rn. 17. 1091 Battis, in: Battis, § 7 BBG, Rn. 10. 1092 Lecheler, AöR 1978, 349 (354); Stamer, Pflichten Beamte, S. 23; BVerfGE 39, 334 (335). 1093 Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, S. 1535, Rn. 16. 1094 Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, S. 1536, Rn. 18. 1095 Siehe zum Begriff der Demokratie Hesse, Verfassungsrecht, S. 58, Rn. 127 f. 1096 Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, Art. 21 GG, Rn. 519; Gusy, AöR 1980, 279 (279). 1097 Hesse, Verfassungsrecht, S. 59, Rn. 128.
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ist vor dem Hintergrund einer streitbaren Demokratie zu sehen und als Gegensatz zum totalitären Staat.1098 Das BVerfG definierte in seinem Urteil vom 23.10.1952 die freiheitlich demokratische Grundordnung wie folgt: „[…] Ordnung […], die unter Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt.“ Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung seien zumindest zu rechnen: „die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzesmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“1099 Das BVerfG stellte im NPD-Urteil vom 17.1.2017 heraus, dass der Begriff der freiheitlichdemokratischen Grundordnung eine „Konzentration auf wenige, zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind“ erfordert.1100 Der Kritik aus dem Schrifttum, die Aufzählung einzelner Rechtsinstitute im Urteil aus dem Jahr 1952 sei zu wenig konturiert, beliebig, unvollständig,1101 setzt das Gericht nun entgegen, dass eine Unterscheidung erfolgen müsse zwischen den Kernelementen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und den hieraus entstandenen, fallbezogenen Ableitungen.1102 Zudem stellt das Gericht fest, dass keine Deckungsgleichheit mit dem Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung nach Art. 79 III GG bestehe, sondern die freiheitlich demokratische Grundordnung vielmehr nur eine Teilmenge der dort aufgeführten Rechtsgüter sei.1103 Zentral für die freiheitlich-demokratische Grundordnung sei die Menschenwürde gemäß Art. 1 I GG und die von ihr umfasste Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität und die elementare Rechtsgleichheit.1104 Das Urteil des BVerfG, in dem dieses die freiheitlich-demokratische Grundordnung definierte, hatte das Verbot der Sozialistischen Reichspartei (SRP) nach Art. 21 II GG zum Gegenstand. Man könnte den Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wie er durch die BVerfG-Rechtsprechung für Art. 21 II GG festgelegt wurde, auf die übrigen Fälle seiner Verwendung und damit auf das BBG erstrecken.1105 Allerdings erscheint es zweifelhaft, dass eine Eintretenspflicht nach § 60 BBG und eine
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Warg, NVwZ-Beilage 2017, 42 (43); Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, Art. 18 GG, Rn. 58. BVerfGE 2, 1 (12 f.); wiederholt werden diese Prinzipien in § 4 II BVerfSchG; dem Begriff sich anschließend Schmidt, Beamtenrecht, S. 114, Rn. 330; siehe zum Begriff auch Werres, in: BeckOK Beamtenrecht, § 60 BBG, Rn. 11. 1100 BVerfGE 144, 20 (205). 1101 Zur Kritik siehe beispielsweise Gusy, AöR 1980, 279 (285 ff.); Kalla/Zillmann, BRJ 2012, 176 (176). 1102 BVerfGE 144, 20 (205). 1103 BVerfGE 144, 20 (206); siehe auch Warg, NVwZ-Beilage 2017, 42 (43). 1104 BVerfGE 144, 20 (206). 1105 So beispielsweise Battis, in: Battis, § 7 BBG, Rn. 14. 1099
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Ausnahme von der Amtsverschwiegenheitspflicht nur dann gegeben sein soll, wenn die hohen Voraussetzungen, die der Begriff nach Art. 21 II GG erfordert, erfüllt sind.1106 Dies erscheint nach Bäcker insofern bedenklich, als Art. 21 II GG als ultima ratio diene für den Fall, dass eine Partei für verfassungswidrig erklärt werden soll, was jedoch nicht einer vergleichbaren Interessenssituation bei § 67 BBG entspreche.1107 Bäcker versucht sodann eine Annäherung über die Treuepflicht des Beamten, sodass eine Eintretenspflicht für die gesamte verfassungsmäßige Ordnung bestehe, was jedoch auch kein Erkenntnisgewinn sei, da der Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung seinerseits zu unbestimmt sei, um konkrete Voraussetzungen abzuleiten.1108 Bäcker geht letztendlich von einer Begrifflichkeit aus, die sich um das Demokratieprinzip und das Freiheitsprinzip ansiedele, da nur so ein Ausgleich zwischen der zu engen Begrifflichkeit im Sinne des SRP-Urteils und der zu weiten Begrifflichkeit, die die gesamte Verfassung einschließlich der verfassungsmäßigen Ordnung umschließe, getroffen werden könne.1109 Dementsprechend soll auch das Eintreten für Freiheits- und Gleichheitsrecht des Grundgesetzes möglich sein.1110 Es zeigt sich somit, dass bezüglich der Begrifflichkeit der freiheitlich-demokratischen Ordnung Unsicherheit besteht. Zuzustimmen ist Bäcker, dass die Voraussetzungen im SRP-Urteil zu hoch gegriffen erscheinen für eine Ausnahme von der Amtsverschwiegenheitspflicht und für die Eintretenspflicht nach § 60 BBG. Mit der Pflicht nach § 60 BBG, mit seinem gesamten Verhalten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten, kann nicht gemeint sein, sich nach der rechtsstaatlichen Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit zu verhalten. Die Norm hätte praktisch keinen Anwendungsbereich. Es spricht einiges dafür, die Eintretenspflicht zum Erhalt der Demokratie und der Freiheitsrechte zu bejahen, zählen diese doch zum Kern der verfassungsmäßigen Ordnung. bb) Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung Fraglich ist, was es bedeutet, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. § 67 II 2 BBG besagt, dass die Pflicht für die Erhaltung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einzutreten, unberührt bleibt durch die Amtsverschwiegenheitspflicht. Aus der Pflicht zum Bekennen und zum Eintreten für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung könnten, neben der Ausnahme zur Amtsverschwiegenheitspflicht,
Anhaltspunkte
gewonnen
werden
für
Ausnahmen
von
der
Remonstrationspflicht und der Dienstweggebundenheit. Hiernach könnte auch ein sofortiges (externes) Whistleblowing bei Beamten zu rechtfertigen sein. Allerdings nimmt die herrschende Ansicht für den Fall, dass die Amtsverschwiegenheitspflicht hinter der Pflicht zum Eintreten für die freiheitlichdemokratische Grundordnung zurücksteht, an, dass der Beamte zuerst den internen Abhilfeversuch 1106
In diesem Sinn auch Bäcker, Die Verwaltung 2015, 508 f. So Bäcker, Die Verwaltung 2015, 499 (508) für den Fall Pätsch, in dem die Verletzung von Art. 10 GG gerügt wird. 1108 Bäcker, Die Verwaltung 2015, 509 f. 1109 Bäcker, Die Verwaltung 2015, 510. 1110 Dem zustimmend auch Albrecht, DPolBl 2017, 26 (27). 1107
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durch die einzelnen Hierarchieebenen durchlaufen muss, bevor er sich an die Öffentlichkeit wendet.1111 Bäcker hingegen nimmt an, dass bei nicht bestehender Amtsverschwiegenheitspflicht nicht die Verpflichtung folgen könne, den innerdienstlichen Abhilfeweg zu wählen. Der Beamte könne nicht zur Remonstration verpflichtet sein, da sonst die Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht bedeutungslos sei. Insofern müssen auch die Folgepflicht aus § 62 BBG und die Dienstwegbindung nach § 125 BBG entfallen.1112 Dies erscheint folgerichtig, wenn man annimmt, dass sich das Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerade von der verfassungsmäßigen Ordnung als Bezugspunkt für die Rechtmäßigkeitsverantwortung des Beamten unterscheidet. Die Eintretenspflicht für die freiheitlich-demokratische Grundordnung wird herausgestellt. Der Normalfall, bei dem der Beamte die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seines Handelns trägt, bei Bedenken gegen diese Rechtmäßigkeit remonstriert, den Dienstweg einhält und seinen Vorgesetzten berät und unterstützt, bewegt sich sozusagen unterhalb dieser Ebene. i)
Unterstützung und Beratung der Vorgesetzten gemäß § 62 I 1 BBG
Nach § 62 I 1 BBG haben Beamte ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. In Zusammenhang mit der Beratungs- und Unterstützungspflicht des Vorgesetzten stehen der hergebrachte Grundsatz des Berufsbeamtentums, die Interessen des Dienstherrn wahrzunehmen, sowie die allgemeine Treuepflicht.1113 Ein eigenständiger Verstoß gegen diese Norm ist allerdings nur dann gegeben, wenn damit nicht zugleich auch ein Verstoß gegen schwerwiegende materielle Pflichten beziehungsweise Kernpflichten erfolgt.1114 Mit der Beratungs- und Unterstützungspflicht des Beamten soll erreicht werden, dass dieser, auch ohne Aufforderung dazu, in dieser Weise von sich aus tätig wird.1115 Jeder Beamte ist mit seinem Fachgebiet in der Regel sehr gut vertraut, sodass er sein Wissen und seine Erfahrung an seinen Vorgesetzten weitergeben kann. Dabei kann es auch erforderlich sein, dass der Beamte Kritik übt oder Vorschläge zur Verbesserung tätigt.1116 Die Verwaltung soll eine Einheit darstellen, die einen einheitlichen Willen bildet, wobei jeder mit der Sache befasste Beamte zu dieser Willensbildung seinen Beitrag leistet.1117 Zu dieser Willensbildung trägt die Beratung und Unterstützung bei.1118 Dies entspricht dem Bild des mitdenkenden und nicht blind gehorsamen Beamten.1119 Letztendlich lässt sich auch die Beratungs- und Unterstützungspflicht als Mittel zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung begreifen.1120
1111
So BVerfGE 28, 191 (204); Scheurer, ZTR 2013, 291 (293 f.); Herold, ZBR 2013, 8 (10 ff.). Bäcker, Die Verwaltung, 2015, 499 (510). 1113 Stamer, Pflichten Beamte, S. 23, S. 137; BVerwGE 14, 21 (24). 1114 So Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunback, S. 233, Rn. 18. 1115 Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunback, S. 231, Rn. 14. 1116 Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 383, Rn. 210. 1117 Steiner, ZBR 2014, 109 (110). 1118 Steiner, ZBR 2014, 109 (110). 1119 Steiner, ZBR 2014, 109 (114). 1120 Steiner, ZBR 2014, 109 (112). 1112
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Gerade beim Whistleblowing kann es die Beratungs- und Unterstützungspflicht erfordern, dass der Beamte den Vorgesetzten auf Missstände hinweist und die Klärung anstrebt. Aus der Pflicht zur Unterstützung und Beratung wird eine Unterrichtungspflicht des Beamten gegenüber seinem Vorgesetzten abgeleitet. Aus der Beratungs- und Unterstützungspflicht kann in Bezug auf das Whistleblowing die Pflicht konstruiert werden, den Vorgesetzten unverzüglich über Missstände zu informieren, wie dies auch bei Beschwerden im Rahmen der Remonstrationspflicht vorgesehen ist. So wird in der Literatur teilweise aus § 62 I 1 BBG eine allgemeine Anzeigepflicht abgeleitet.1121 Jedenfalls kann es bei schweren Verfehlungen zu einer Anzeigepflicht kommen, gerade auch in Zusammenschau mit der Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten, um den Betriebsfrieden zu wahren. Für den Vorgesetzten lässt sich aus der Beratungs- und Unterstützungspflicht ein Informationsrecht ableiten. Er soll durch die Beamten ausreichend und wahrheitsgemäß informiert werden.1122 Ebenso soll die Beratungs- und Unterstützungspflicht zum eigenständigen Denken der Beamten führen, das sich nicht mit der Meinung des Dienstherrn decken muss und dazu, dass der Beamte selbst auf eine recht- und zweckmäßige Aufgabenerfüllung hinwirkt.1123 Dadurch besteht ein Zusammenhang mit der Folge- und Remonstrationspflicht.1124 Bei den Hinweisen nach der Beratungs- und Unterstützungspflicht ist die Dienstwegbindung zu beachten.1125 Dadurch steht die Beratungs- und Unterstützungspflicht einem externen Whistleblowing entgegen. Bezweckt wird die verwaltungsinterne Klärung durch die Unterstützung, Beratung und Unterrichtung des Vorgesetzten. j)
Recht auf Anträge und Beschwerden, § 125 I 1 BBG
Beim Recht auf Anträge und Beschwerden muss es sich um Anregungen, Bitten, Vorschläge oder Beschwerden handeln, die der Beamte in seiner Eigenschaft als Beamter vorbringt.1126 Zu diesen Beschwerden kann eine Missstandsmeldung zählen. Darunter fallen auch Beschwerden, bei denen der Missstand den Beamten nur mittelbar betrifft.1127 Ihm dürfen aus den Anträgen oder Beschwerden keine Benachteiligungen erwachsen und er darf auch nicht dienstlich gemaßregelt werden.1128 Adressat ist zunächst einmal nur der unmittelbare Vorgesetzte. Nur ihm gegenüber besteht eine Pflicht zur Mitteilung von Missständen.1129 Allerdings kann der unmittelbare Vorgesetzte übergangen werden, wenn er den Missstand ausgelöst hat.1130
1121
So z.B. Kiraly, Whistleblower, S. 12; Lopacki sieht die Beratungs- und Unterstützungspflicht als zentrale Norm für das interne Whistleblowing, siehe Lopacki ZBR 2016, 329 (331). 1122 Stamer, Pflichten Beamte, S. 138; BVerwGE 46, 116 (120). 1123 So Stamer, Pflichten Beamte, S. 139. 1124 Stamer, Pflichten Beamte, S. 139; Köhler, in: Hummel/Köhler/Mayer/Baunback, S. 231, Rn. 14. 1125 Lopacki, ZBR 2016, 329 (331). 1126 Vgl. Plog/Wiedow, § 125 BBG, Rn. 8. 1127 So Plog/Wiedow, § 125 BBG, Rn. 8; Lopacki, ZBR 2016, 329 (330). 1128 Vgl. Plog/Wiedow, § 125 BBG, Rn. 7. 1129 Lopacki, ZBR 2016, 329 (330). 1130 Lopacki, ZBR 2016, 329 (330), der auch auf die entsprechenden Regelungen in den Landesbeamtengesetzen § 101 II BremBG, § 101 II HmbBG, § 101 II LBG M-V, § 104 II NBG hinweist.
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Als Beschwerdegegenstand kommt jede Maßnahme des Dienstherrn in Betracht.1131 Inhalt des Antrags oder der Beschwerde muss stets ein bestimmtes Verlangen sein.1132 Die Anträge und Beschwerden unterliegen der Verschwiegenheits-, Mäßigungs-, und Wahrheitspflicht.1133 Insofern stellt sich die Frage, wie weit der Beamte bei kritischen Äußerungen gehen darf. Innerdienstlich kann der Beamte freimütig, deutlich, aber immer sachlich kritisieren. Dazu können auch harte Worte gehören und das Anliegen darf mit Nachdruck verfolgt werden. Stets muss ein Antrag beziehungsweise eine Beschwerde einem sachlichen Grund und der Rechtswahrung dienen.1134 Ist sich der Beamte über die Tatsachen, die seiner Meldung zugrunde liegen, unsicher, so kann er die Meldung zwar tätigen, muss aber deutlich machen, dass er die Tatsache nicht sicher weiß.1135 Die Meldung muss dann von der empfangenden Stelle einer sachlichen Prüfung unterzogen werden und der Beamten muss beschieden werden.1136 k) Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht nach § 60 II BBG Nach § 60 II BBG haben Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben.1137 Unter politischer Betätigung versteht man ein Tätigwerden im öffentlichen Bereich, das auf die Durchsetzung innen- und außenpolitischer Themen gerichtet ist.1138 Die Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht zielt auf eine Trennung von Amt und politischer Betätigung ab.1139 Der Beamte muss also, sobald er eine Amtshandlung vornimmt, sich jeglicher politischer Betätigung enthalten. Wenn er sich jedoch politisch betätigen möchte, darf er dabei nicht sein Amt in Anspruch nehmen und auch nicht seine Amtsbezeichnung dafür verwenden, um politische Ziele zu erreichen.1140 Die Grenzziehung bereitet hier Schwierigkeiten. So soll es nach der Rechtsprechung des VG Berlin dem Beamten erlaubt sein, einen kritischen rechtspolitischen Leserbrief mit seiner Bezeichnung als Beamter zu unterzeichnen.1141 Dem Beamten ist es nicht gänzlich versagt, seine Stellung zu nennen.1142 Als Faustformel kann dienen, dass der Beamte sich nicht „erkennbar mit dem Flair seines Dienstherren
1131
Hans, Whistleblowing, S. 88. Hebeler, in: Battis, § 125 BBG, Rn. 7; Plog/Wiedow, § 125 BBG, Rn. 8. So Hebeler, in: Battis, § 125 BBG, Rn. 7. 1134 Vgl. zu den Voraussetzungen Plog/Wiedow, § 125 BBG, Rn. 9. 1135 Vgl. Plog/Wiedow, § 125 BBG, Rn. 9. 1136 Hebeler, in: Battis, § 125 BBG, Rn. 13. 1137 Zum Teil wird angenommen, dass die Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht verfassungswidrig sei, da sie gegen eine bestimmte Meinungsrichtung gerichtet sei und daher kein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 II GG darstelle, siehe Sieweke, ZBR 2010, 157 (159). Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur nimmt jedoch das Vorliegen eines allgemeinen Gesetzes und die Verfassungsmäßigkeit an, siehe BVerfGE 39, 334 (367); Weiß, ZBR 1988, 109 (111). 1138 VGH Mannheim, Urteil vom 26.11.1982 - 4 S 819/80, NJW 1983, 1215 (1217); siehe auch Sieweke, ZBR 2010, 157 (158). 1139 Lemhöfer, in: FS Fürst, 205 (211). 1140 Weiß, ZBR 1988, 109 (119); Sieweke, ZBR 2010, 157 (160). 1141 VG Berlin, Urteil vom 13.12.2007 - 85 A 6.07. 1142 Siewke, ZBR 2010, 157 (160). 1132 1133
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umgibt, um sich „mit dem Amt im Rücken“ im Meinungskampf erhofftermaßen besser durchsetzen zu können.“1143 Grenzen zieht die Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht bei der Kritik durch den Beamten. Kritik muss konstruktiv und sachlich sein und darf nicht diffamieren.1144 Das BVerfG befasste sich in einer Rechtssache auch mit der internen Kritik an Vorgesetzten und führte dazu in einem Leitsatz aus: „Der Beamte darf ein vermeintlich verfassungswidriges Verhalten seiner Behörde intern kundtun. Dies mag die Pflicht zur Loyalität gegenüber seinem Dienstherrn sogar gebieten. Den Beamten trifft jedoch bei Meinungsäußerungen in Form und Inhalt eine Mäßigungspflicht auch und erst Recht bei Kritik am Vorgesetzen.“1145 Somit kann in der Mäßigungspflicht eine Einschränkung der Meinungsfreiheit zu sehen sein.1146 Die Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht betrifft also vornehmlich die Art und Weise des Hinweisgebens. l)
Anregungs- und Beschwerderecht beim Personalrat, § 68 I Nr. 3 BPersVG
Neben den beamtenrechtlichen Rechten und Pflichten im BBG existiert eine Norm im BPersVG, die für das Whistleblowing bei Beamten fruchtbar gemacht werden kann. Die Personalvertretung hat nach § 68 I Nr. 3 BPersVG Anregungen und Beschwerden von Beschäftigten entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlung mit dem Dienststellenleiter auf ihre Erledigung hinzuwirken. Die besondere Bedeutung der Vorschrift ergibt sich daraus, dass dem BPersVG ein Beschwerdeverfahren, wie es nach §§ 84, 85 BetrVG besteht, fremd ist.1147 Mit den Beschwerden kann der Beschwerdeführer rügen, dass er oder ein anderer Beschäftigter vom Leiter oder von Beschäftigten der Dienststelle benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt wird. 1148 Eine eigene Beschwer ist nicht notwendige Voraussetzung.1149 Ebenso wenig muss die Beschwerde einer bestimmten Form genügen.1150 Der Personalrat muss die Eingabe entgegennehmen und wenn sie berechtigt erscheint, mit dem Dienstleiter in Verhandlungen treten und so die Erledigung anstreben.1151 Hierbei gilt keine Dienstwegbindung.1152 Allerdings ist die Personalvertretung nicht dazu befugt, beamtenrechtliche Beschwerden nach § 125 BBG entgegenzunehmen.1153 Mit der Personalvertretung besteht also in der Verwaltung bereits eine Stelle, die zur Aufgabe hat, mit Beschwerden von Beamten umzugehen. Ob diese sich als allgemeine Whistleblowing-Stelle eignen würde, soll im späteren Verlauf noch genauer betrachtet werden.
1143
Weiß, ZBR 1988, 109 (119). Siewke, ZBR 2010, 157 (159). 1145 BVerfG, Beschluss vom 20.9.2007 - 2 BvR 1047/06, NVwZ 2008, 416. 1146 Britz, PersV 2005, 56 (56). 1147 Vgl. Gräfl, in: Richardi/Dörner/Weber, § 68 BPersVG, Rn. 24. 1148 Vgl. Gräfl, in: Richardi/Dörner/Weber, § 68 BPersVG, Rn. 25. 1149 Gräfl, in: Richardi/Döner/Weber, §68 PersVG, Rn. 25. 1150 Gräfl, in: Richardi/Döner/Weber, §68 PersVG, Rn. 25. 1151 Vgl. Hebeler, in: Battis, § 125 BBG, Rn. 8. 1152 Lopacki, ZBR 2016, 329 (331); Romann, Remonstrationsrecht, S. 109. 1153 Hans, Whistleblowing, S. 95. 1144
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Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn – Schutzmöglichkeit beim Whistleblowing?
Die Fürsorgepflicht wird vom BVerfG als „Korrelat zum hergebrachten Grundsatz der Treuepflicht des Beamten“ bezeichnet.1154 Sie prägt das Machtverhältnis zwischen Beamten und Dienstherr maßgeblich. In der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums zu sehen.1155 Daneben wird sie durch Art. 33 IV GG vorgegeben.1156 Das BVerfG führte zur Fürsorgepflicht aus: „Der Grundsatz der Fürsorgepflicht verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten gegen unberechtigte Anwürfe in Schutz zu nehmen, ihn entsprechend seiner Eignung und Leistung zu fördern, bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen.“1157 Der Beamte habe dabei aus Art. 33 V GG einen Anspruch darauf, dass die Fürsorgepflicht ausgeübt werde.1158 Ebenso wie den Arbeitgeber eine Schutzpflicht nach § 618 BGB trifft, trifft den Dienstherrn eine Schutzpflicht für den Beamten aus seiner Fürsorgepflicht. Inhaltlich fällt diese Schutzpflicht nicht hinter die arbeitgeberliche zurück.1159 Einfachgesetzlich ist die Fürsorgepflicht in § 78 BBG normiert. Nach § 78 S. 1 BBG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienstund Treueverhältnisses für das Wohl der Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung. In Bezug auf das Whistleblowing ist die Fürsorgepflicht in verschiedenen Kontexten relevant. Als Pendant zur Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten bildet die Fürsorgepflicht die Pflicht des Dienstherrn, die Ehre des Beamten in der Öffentlichkeit zu schützen und das Verbot, Nachteiliges über den Beamten zu verbreiten.1160 Diese Pflicht des Dienstherrn kann beim Whistleblowing dann zum Tragen kommen, wenn der Beamte in der Öffentlichkeit unberechtigterweise als Denunziant dargestellt wird. Dem Dienstherrn ist es auch nicht erlaubt, sich nachteilig über den Beamten zu äußern. Daneben kann es dazu kommen, dass der Hinweisgeber im Nachgang seiner Whistleblowing-Meldung durch den Kollegenkreis oder durch Vorgesetzte gemobbt wird. Es wurde bereits im Rahmen der Betrachtungen zu Arbeitnehmern festgestellt, dass Hinweisgeber häufig Opfer von Mobbing sind. Gerade der Beamte, der seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt, also remonstriert, die Aussprache über Missstände mit dem Vorgesetzten, entsprechend der Beratungs- und Unterstützungspflicht, sucht und persönliche Verantwortung übernimmt, läuft Gefahr, das Ziel von Mobbingattacken zu werden. 1161 Mobbing ist aus der Perspektive der Grundrechte vornehmlich als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einzuordnen, sodass aus der Fürsorgepflicht ein besonderer Schutz des
1154
BVerfGE 43, 154 (165). Lecheler, AöR 1978, 349 (355); Rottmann, Beamte als Staatsbürger, S. 19; BVerfGE 43, 154 (165). Vgl. Grigoleit, in: Battis, § 78 BBG, Rn. 2. 1157 BVerfGE 43, 154 (165). 1158 BVerfGE 43, 154 (167); siehe hierzu auch Bochmann, ZBR 2003, 257 (262) m.w.N. und Stimmen aus der Literatur. 1159 BverwGE 106, 272 (275); siehe auch Bochmann, ZBR 2003, 257 (262). 1160 Vgl. Grigoleit, in: Battis, § 61 BBG, Rn. 9. 1161 Vgl. Bochmann, ZBR 2003, 257 (261). 1155 1156
B. Macht im Beamtenverhältnis
187
allgemeinen Persönlichkeitsrechts folgt.1162 Freilich können beim Mobbing neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch Verletzungen der Ehre und der Gesundheit in Betracht kommen.1163
II.
Strafrechtlicher Ehrschutz als Grenze des Whistleblowings im Beamtenverhältnis
Beamte trifft wie Arbeitnehmer das Risiko, sich nach §§ 164, 186, 187 StGB strafbar zu machen. Ebenso erweisen sich besonders die Fälle als problematisch, in denen das Whistleblowing im Nachhinein als unberechtigt erscheint.1164
III.
Mögliche Sanktionierung des Whistleblowings
Beamte können anders als Arbeitnehmer nicht so schnell „gekündigt“ werden. Während bei Arbeitnehmern im Vorfeld einer Kündigung allenfalls Abmahnungen erteilt werden, besteht beim Beamten ein „Vorfeldnetz von Disziplinarmaßnahmen“.1165 Eine Lösung des Dienstverhältnisses ist also ungleich schwerer möglich. Hier unterscheidet sich das Machtverhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn maßgeblich vom Machtverhältnis Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Gleichwohl kann den Beamten eine disziplinarrechtliche Sanktion erwarten, wenn das Whistleblowing als Dienstvergehen qualifiziert wird.1166 § 77 BBG regelt die Nichterfüllung von Pflichten. Nach § 77 I 1 BBG begehen Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Nach § 77 I 2 BBG ist dies außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen, wenn die Pflichtverletzung nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Nach § 77 III BBG richtet sich die Verfolgung von Dienstvergehen nach dem Bundesdisziplinargesetz. Der Verweis in § 77 III BBG führt zu den Disziplinarmaßnahmen in §§ 5 ff. BDG. Hier sind als mögliche Disziplinarmaßnahmen bei Dienstvergehen genannt der Verweis (§ 6 BDG), die Geldbuße (§ 7 BDG), die Kürzung der Dienstbezüge (§ 8 BDG), die Zurückstufung (§ 9 BDG) sowie die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG). Die jeweilige Disziplinarmaßnahme richtet sich danach, ob ein schwerwiegendes Dienstvergehen vorliegt oder eines von geringem Ausmaß. Auf ein Dienstvergehen geringeren Ausmaßes folgen Disziplinarmaßnahmen wie der Verweis oder eine Geldbuße.1167 Als Schutzregelung kann bei Beamten § 13 BDG angesehen werden, der besagt, dass eine Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen ergehen müsse, § 13 S. 1 BDG, und dass die Maßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen sei, § 13 S. 2 BDG, sowie das Persönlichkeitsbild des Beamten angemessen berücksichtigt werden müsste, § 13 S. 3 BDG. Des Weiteren müsse gemäß § 13 S. 4 BDG berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der 1162
Bochmann, ZBR 2003, 257 (262). Wittinger/Herrmann, ZBR 2002, 337 (338). Siehe zum strafrechtlichen Ehrschutz bei Arbeitnehmern die Ausführungen unter Falsche Verdächtigung und strafrechtlicher Ehrschutz als Grenze des Whistleblowings S. 65. 1165 So treffend Summer, ZBR 1999, 181 (186). 1166 Graser, Whistleblowing, S. 134 ff. 1167 Lopacki, ZBR 2016, 329 (336). 1163 1164
188
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Allgemeinheit beeinträchtigt habe.1168 Insofern scheint der Beamte vor überzogenen disziplinarischen Sanktionen geschützt. Eine weitere Besonderheit im Beamtenverhältnis besteht darin, dass nach § 17 I 1 BDG die Pflicht des Dienstvorgesetzten besteht, bei tatsächlichen Anhaltspunkten, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Eine solche Pflicht zur Ermittlung ist dem Arbeitsverhältnis fremd.1169 Zwar besteht mit § 14 BDG ein Doppelbestrafungsverbot, sodass, wenn gegen einen Beamten im Strafoder Bußgeldverfahren unanfechtbar eine Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme verhängt wurde, wegen desselben Sachverhalts kein Verweis und keine Geldbuße verhängt werden und auch keine Kürzung des Ruhegehalts erfolgen darf und eine Kürzung der Dienstbezüge nur ausgesprochen werden darf, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten. Im Beamtenverhältnis können aber dienstrechtliche Nachteile und disziplinarrechtliche Sanktionen nebeneinander treten. Kritik ruft hierbei die Tatsache hervor, dass bei der Auswahl und Bemessung von Disziplinarmaßnahmen nicht berücksichtigt wird, ob und welche dienstrechtlichen Nachteile der Beamte bereits erlitten hat. Ein Beispiel für einen dienstrechtlichen Nachteil ist eine Versetzung, die für den Beamten unter Umständen mit einem Verlust der Beförderungsmöglichkeit oder etwa längeren Dienstwegen einhergeht.1170 Somit zeigt sich, dass es bei Beamten im Wesentlichen darauf ankommt, welche dienstrechtlichen Nachteile und disziplinarrechtlichen Sanktionen ausgewählt werden und wie § 13 BDG konkret gehandhabt wird. Insofern stellt sich die Frage, ob die Sanktionierung des Whistleblowings bei Beamten mehr oder weniger drastisch ist als die bei Arbeitnehmern, wo Whistleblowing regelmäßig zur Kündigung führt. In der Rechtsprechungspraxis bei Beamten lassen sich tatsächlich Fälle finden, in denen
Whistleblowing
milde
geahndet
wurde
und
insbesondere
einfache
Verschwiegenheitspflichtverletzungen regelmäßig nur mit Verweis oder Geldbuße geahndet wurden.1171 Eine Entfernung aus dem Dienst als Pendant zur Kündigung bei Arbeitnehmern, kommt beim Whistleblowing regelmäßig nicht in Betracht. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach dem BDG ist in § 30 Nr. 3 BBG als Beendigungsgrund für das Beamtenverhältnis aufgeführt. Eine Beendigung dieser Art kann dann eintreten, wenn ein Urteil eines Disziplinargerichts dies als Konsequenz eines schweren Dienstvergehens bestimmt.1172 Die Voraussetzungen hierfür sind allerdings hoch. Eine Entfernung aus dem Dienst kommt beispielsweise in Betracht bei Straftaten gegen das Eigentum wie Unterschlagung, Bestechung, sittlichen Verfehlungen oder aber bei vorsätzlichen
1168
Siehe hierzu auch Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 104. Vgl. Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 103. So Hummel/Köhler/Mayer, Einführung, S. 67. 1171 So Lopacki, ZBR 2016, 329 (336) unter Berufung auf die Rechtsprechung des BVerwG, Beschluss vom 10.10.1989 – 2 WDB 4/89, NVwZ 1990, 762; BVerwGE 86, 188; BVerwG, Beschluss vom 28.5.1991 - 1 WB 87/90, NVwZ 1992, 65; siehe auch OVG Koblenz, Urteil vom 4.12.1998 - 2 A 11514–98, NVwZ-RR 1999, 648 (648). 1172 Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 621, Rn. 294. 1169 1170
B. Macht im Beamtenverhältnis
189
Verstößen im Kernbereich beamtenrechtlicher Pflichten.1173 Zwar kann es beim Whistleblowing durchaus zu Verstößen gegen die beamtenrechtlichen Pflichten kommen. Es bedarf jedoch einer endgültigen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses durch das Dienstvergehen beziehungsweise einer unzumutbaren Belastung und eines großen Ansehensverlustes, wenn der Beamte weiterverwendet wird.1174 Damit wird der Beamte im Vergleich zum Arbeitnehmer in seiner Existenz nicht so leicht gefährdet. Bei der allgemein herrschenden Rechtsunsicherheit in Bezug auf Möglichkeiten und die Ausgestaltung von berechtigtem Whistleblowing ist schwer abschätzbar, was als Sanktion angemessen erscheint. Zutreffend kann die Annahme sein, dass ein Beamter weniger häufig aus dem Dienst entfernt, als ein Arbeitnehmer gekündigt wird.1175 Allerdings bestehen bei Beamten vielfältigere Möglichkeiten zur Sanktionierung. Diese stellen spezifische Möglichkeiten zur Machtausübung über den Beamten durch den Dienstherrn dar. Beim Beamten besteht die Möglichkeit der Abordnung oder dauerhaft der Versetzung nach §§ 27 beziehungsweise 28 BBG.1176 Jaeckel bezeichnete diese Möglichkeiten in einer Festansprache zur Verleihung des Deutschen Whistleblowerpreises 2009 als „Fallstricke des Öffentlichen Dienstrechts“.1177 Will sich der Beamte gegen eine Abordnung oder Versetzung wehren, muss er klagen.1178 Und alleine die Möglichkeit, dass eine Abordnung beziehungsweise Versetzung erfolgen kann, ist geeignet, den Beamten aus Angst vor einer solchen, in seiner dezisionalen Privatheit einzuschränken. Mithin bestehen beim Beamten andere Sanktionsmöglichkeiten als bei Arbeitnehmern, die aber ebenso geeignet sind, Beamte in ihrer dezisionalen Privatheit zu beschränken. Gleichwohl kann konstatiert werden, dass zumindest das Risiko einer Existenzgefährdung, wie sie bei Arbeitnehmern durch die Kündigung eintritt, äußerst minimiert ist.
IV.
Rechtsprechung zum Whistleblowing bei Beamten und Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes
Der Fall Pätsch Werner Pätsch wurde in einem vor wenigen Jahren erschienen Artikel in der Zeitung „Die Zeit“ als Edward Snowden der Sechziger und erster Whistleblower in der Bundesrepublik bezeichnet.1179 Er hatte sich 1963 an die Medien gewandt, um auf ein aus seiner Sicht verfassungswidriges Verhalten des
1173
Siehe zu diesen Beispielen und weiteren Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 621, Rn. 294; BVerfG, Beschluss vom 19.2.2003 - 2 BvR 1413/01, NVwZ 2003, 1504 (1504). 1174 BVerfG, Beschluss vom 19.2.2003 - 2 BvR 1413/01, NVwZ 2003, 1504 (1504). Mit dem Kernbereich ist „derjenige Pflichtenkreis des Beamten gemeint, der im Mittelpunkt der ihm übertragenen und im Einzelnen geregelten dienstlichen Aufgaben steht.“ BVerwG, Urteil vom 23.8.1988 - 1 D 13687, NJW 1989, 851 (851). 1175 Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 104. 1176 Zu den Begrifflichkeiten siehe Grigoleit, in: Battis, § 27 BBG, Rn. 5 f. sowie § 28 BBG, Rn. 2 f. 1177 Rede abgedruckt in Deiseroth/Falter, Whistleblower in der Steuerfahndung, S. 51 ff. 1178 Nach § 126 IV BBG entfällt dabei die aufschiebende Wirkung. 1179 Vgl. Jobst, Die Zeit vom 7.11.2013.
190
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Bundesamtes für Verfassungsschutz, bei dem er als Angestellter im öffentlichen Dienst tätig war,1180 aufmerksam zu machen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz sollte an der Post- und Fernmeldeüberwachung von deutschen und nicht-deutschen Bürgern partizipiert haben.1181 Werner Pätsch hatte sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des BGH, in dem er wegen vorsätzlicher Verletzung der Amtsverschwiegenheitspflicht (§ 353b StGB) zu einer Gefängnisstrafe von 4 Monaten verurteilt worden war, an das BVerfG gewandt und rügte mit der Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Art. 2 II, Art. 5 I, Art. 10 und Art. 103 II GG. Der BGH hatte Pätsch nach § 353b StGB verurteilt, weil er als Beamter ein Amtsgeheimnis einem Unbefugten offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen, nämlich die Zusammenarbeit mit den Abwehrdiensten der Alliierten, gefährdet habe. Dabei wurde im BGH-Urteil anerkannt, dass jedermann das Recht habe, Missstände im öffentlichen Leben zu rügen, selbst wenn dadurch Geheimnisse offenbart würden.1182 Es sei aber hierzu auf das unschädlichste Mittel zurückzugreifen, dass die Petition nach Art. 17 GG sei. Sollte diese erfolglos sein, stehe der Weg in die Öffentlichkeit offen. Allerdings gelte dieses abgestufte Vorgehen nicht ohne Ausnahme. Bei einem schweren Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung, die größtenteils gleichbedeutend sei mit der freiheitlichdemokratischen Grundordnung, dürfe sich der Hinweisgeber direkt an die Öffentlichkeit wenden.1183 Im Urteil des BGH wurde zudem diskutiert, ob illegale Staatsgeheimnisse einen Geheimnisschutz erfahren würden. Dies wurde zur damaligen Zeit in der Literatur bereits teilweise abgelehnt.1184 Adolf Arndt hatte diesbezüglich den Satz geprägt: in einer Demokratie gebe es an Staat nicht mehr als seine Verfassung zum Entstehen bringe.1185 Der BGH folgte damals jedoch der Mittelmeinung nach Jeschek, der davon ausging, es gehe letztlich um die Frage, ob das Wohl des Staates an der Rechtsordnung seine Grenze finde oder in politischen Existenzfragen ohne Rücksicht auf Recht oder Unrecht schutzwürdig sei. Die Aufdeckung von Verstößen gegen elementarste Rechtsgrundsätze im staatlichen Bereich könne nicht als Landesverrat strafbar sein.1186 Die sich anschließende rechtliche und öffentliche Diskussion
1180
Pätsch rügte auch, dass keine Gleichbehandlung von Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes erfolgen dürfe. Das BVerfG führte dazu aus, dass es zwar zunächst zutreffend sei, dass sich auch im Bereich des öffentlichen Dienstes, Beamte und Angestellte in ihrem Rechtsstatus wesentlich voneinander unterschieden. Jedoch sei eine Entwicklung dahin zu erkennen, dass Angestellten des öffentlichen Dienstes immer häufiger bestimmte Beamtenpflichten auferlegt würden, weil in der öffentlichen Verwaltung auch immer häufiger neben Beamten Angestellte beschäftigen würden. Art. 33 IV GG habe diesem Umstand Rechnung getragen, indem er dieses Vorgehen als Ausnahme zulasse. Wenn Angestellte des öffentlichen Dienstes aber im selben Umfang wie Beamte Aufgaben wahrnehmen würden, dann träfen diese auch die entsprechenden Pflichten. Dies gelte auch und besonders für die Verschwiegenheitspflicht, siehe BVerfGE 28, 191 (198). 1181 Vgl. hierzu Jobst, Die Zeit vom 7.11.2013; Deiseroth, in: Deiseroth/Falter, Whistleblower in der Sicherheitspolitik, S. 27. 1182 BGH, Urteil vom 8.11.1965 - 8 StE 1/65, NJW 1966, 1227 (1230). 1183 BGH, Urteil vom 8.11.1965 - 8 StE 1/65, NJW 1966, 1227 (1227; 1231). 1184 Vgl. BGH, Urteil vom 8.11.1965 - 8 StE 1/65, NJW 1966, 1227 (1232). 1185 Arndt, NJW 1963, 24 (25). 1186 Vgl. BGH, Urteil vom 8.11.1965 - 8 StE 1/65, NJW 1966, 1227 (1230).
B. Macht im Beamtenverhältnis
191
führte 1968 zur Einführung des § 93 II StGB, der klarstellt, dass „Tatsachen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung (…) verstoßen“ keine Staatsgeheimnisse sind.1187 Der BGH ging in seiner Entscheidung auch auf die beamtenrechtlichen Pflichten nach dem BBG ein. Er stellte dabei der Verschwiegenheitspflicht die Pflicht gegenüber, bei Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung für deren Einhaltung einzutreten. Des Weiteren führte er aus, dass das besondere Gewaltverhältnis und die sich daraus ergebende Treuepflicht das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung einschränken könnten.1188 Nach dem BGH solle der Beamte ebenso wie der NichtBeamte verpflichtet sein, zuerst die Möglichkeiten des Art. 17 GG auszuschöpfen, bevor er den einschneidenden
Schritt
einer
Meldung
an
die
Öffentlichkeit
tätige.1189
Bei
schweren
Verfassungsverstößen trete aber die Verschwiegenheitspflicht hinter dem Recht zur öffentlichen Rüge aufgrund der Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung zurück.1190 Dies gelte auch für die Angestellten des öffentlichen Dienstes.1191 Das BVerfG sah die Verfassungsbeschwerde als unbegründet an.1192 Ein Verstoß gegen Art. 5 I GG sei nicht gegeben, wenn der Beamte beziehungsweise Angestellte des öffentlichen Dienstes, der glaube ein verfassungswidriges Verhalten seiner Behörde in einem Einzelfall festgestellt zu haben, im Grundsatz zunächst die innerbehördlichen Abhilfemöglichkeiten auszuschöpfen habe, bevor er sich an die Öffentlichkeit wenden dürfe. Unter Bezug auf seine bisher erfolgte Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit und zu den allgemeinen Gesetzen führte das BVerfG weiter aus, dass die allgemeinen Gesetze stets aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung gerade dieses Grundrechts für den freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt werden müssten, wie es in der Lüth-Entscheidung vorgezeichnet wurde. Bei der Güterabwägung müsse die Meinungsfreiheit aber zurücktreten, weil im konkreten Fall schutzwürdigere Interessen von höherem Rang durch seine Betätigung verletzt würden. Hiernach sei auch der Fall zu beurteilen, dass ein Amtsträger Amtshandlungen seiner Behörde, die unter Verstoß gegen die Verfassung begangen worden seien, der Öffentlichkeit unterbreiten darf. Das BVerfG ging auch darauf ein, dass die Aufmerksamkeit und das Verantwortungsbewusstsein des Staatsbürgers, der Missstände nicht nur zur Kenntnis nehme, sondern sich auch für deren Abstellung einsetze, ein wesentlicher Bestandteil der freiheitlich demokratischen Grundordnung sei.1193 Insofern verdiene das Grundrecht der Meinungsfreiheit besonderen Schutz, wenn es diesem Ziel diene und könne auch einem Träger des öffentlichen Amtes nicht versagt werden. Dennoch dürfe die öffentliche Rüge verfassungswidrigen Handelns nicht unbeschränkt zulässig sein, es seien auch die öffentlichen Interessen zu berücksichtigen. Eine Stelle, an die sich der Beamte oder Angestellte des öffentlichen
1187
Vgl. Beer, in: FS Schmid, S. 333. Vgl. BGH, Urteil vom 8.11.1965 - 8 StE 1/65, NJW 1966, 1227 (1231). Vgl. BGH, Urteil vom 8.11.1965 - 8 StE 1/65, NJW 1966, 1227 (1232). 1190 Vgl. BGH, Urteil vom 8.11.1965 - 8 StE 1/65, NJW 1966, 1227 (1232). 1191 Vgl. BGH, Urteil vom 8.11.1965 - 8 StE 1/65, NJW 1966, 1227 (1232). 1192 Siehe BVerfGE 28, 191 (196). 1193 BVerfG 28, 191 (202). 1188 1189
192
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Dienstes wenden könne, sei der Vorgesetzte. Sollte dieser nicht so reagieren, wie es die Sachlage erfordere, oder verspreche seine Unterrichtung offensichtlich keinen Erfolg, so solle der Beamte oder Angestellte des öffentlichen Dienstes den Dienstweg bis zu dem für die Tätigkeit der Behörde parlamentarisch verantwortlichen Minister weiterverfolgen. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, sich an einen Abgeordneten oder mit einer Petition an das Parlament als solches zu wenden. Pätsch hätte im vorliegenden Fall diesen Weg beschreiten müssen, er habe dies jedoch nicht einmal versucht. Seine Meldung an Außenstehende habe die Pflicht zur Geheimhaltung verletzt, die Zusammenarbeit mit den Alliierten erschwert und den Arbeitserfolg des Bundesamtes für Verfassungsschutz gefährdet. Mithin seien die verfassungsrechtlichen Abwägungen des BGH nicht zu beanstanden.1194 Die Entscheidungen des BGH und des BVerfG stellen wichtige Meilensteine in der Entwicklung der Voraussetzungen für das Whistleblowing bei Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes dar. Das BVerfG stellte in seiner Entscheidung klar, dass Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes, die entsprechende Aufgaben wahrnehmen, der Dienstweggebundenheit, der Verschwiegenheitspflicht und der Loyalitätspflicht zum Dienstherrn unterliegen. Eine Flucht in die Öffentlichkeit ist grundsätzlich nur nach Beschreitung der einzelnen Stufen als letztes Mittel möglich, wenn keine Abhilfe geschaffen wurde. Eine Ausnahme von dieser Dienstweggebundenheit oder der Verschwiegenheitspflicht kann allenfalls dann vorliegen, wenn ein schwerer Verstoß gegen den Kernbereich der Verfassung oder bedeutende Verfassungswerte gegeben ist. Obgleich im Grundsatz keine Einwände gegen ein stufenweises Vorgehen für Hinweisgeber aufgrund der Interessenabwägung bestehen, ist die Anwendung der in der Entscheidung gefundenen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des Whistleblowings im konkreten Fall kritisch zu sehen. Es lässt sich zunächst einmal darüber streiten, ob im vorliegenden Fall tatsächlich kein schwerer Verfassungsverstoß vorlag. Aufgrund der durch den NSA-Skandal eingetretenen Sensibilisierung für eine kritische Betrachtung jeglicher Form der Überwachung durch den Staat mag es Unbehagen bereiten, dass Alliierte und Bundesamt für Verfassungsschutz die Fernsprechüberwachung ohne Wissen der Bevölkerung auf Bundesgebiet durchführen konnten. Die Alliierten waren zur Überwachung nach dem Besatzungsstatut ermächtigt. Das Grundgesetz untersagte diese Überwachung in Art. 10 GG jedoch, sodass ein solches Vorgehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz verwehrt blieb. Um dennoch abhören und überwachen zu können, bat das Bundesamt die Alliierten um Hilfe.1195 Durch die Hintertür umging somit das Bundesamt das Grundgesetz und hielt sein Vorgehen streng geheim. Hierin einen lediglich einfachen Verfassungsverstoß zu sehen, erscheint bedenklich. Nicht in die Abwägung mit einbezogen wurde das öffentliche Informationsinteresse am Bekanntwerden einer solchen Überwachung. Vielmehr wurden nur die Zusammenarbeit mit den Alliierten und die Gefährdung der Arbeitsweise des Bundesamtes für Verfassungsschutz als Faktoren angesehen. Doch 1194 1195
Zur Sachverhaltszusammenfassung vgl. BVerfGE 28, 191. Jobst, Die Zeit vom 7.11.2013.
B. Macht im Beamtenverhältnis
193
auch die gewählte Regierung in einer Demokratie trifft die zentrale Pflicht, ohne jede Ausnahme das geltende Recht zu beachten. Tut sie dies nicht, so hat die Öffentlichkeit davon zu erfahren, schon allein um diesen Umstand in die laufende demokratische Meinungs- und Willensbildung miteinfließen lassen zu können.1196 Der möglichst ungestörte Ablauf der Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der Arbeitserfolg und die Zusammenarbeit sind dann nicht schützenswert, wenn sie ihrerseits auf illegalen Praktiken beruhen.1197 Als öffentliches Interesse wurde das öffentliche Interesse an der ungestörten und möglichst wirksamen Tätigkeit der Behörde ins Feld geführt, zu Lasten des Hinweisgebers.1198 An der Abstellung auf den Einzelfall erscheint problematisch, dass gerade die geheimen Praktiken des Bundesamtes für Verfassungsschutz es kaum wahrscheinlich erscheinen lassen, dass weitere Fälle ohne die Meldung eines Internen überhaupt bekannt würden. Zumindest können die Gerichte mit ihren Prüfungsmöglichkeiten nicht annehmen, dass es sich um einen Einzelfall handelt. Gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass die Regierung zunächst jegliche Überwachung vehement abstritt, erscheint fraglich, ob der Missstand ohne Handeln des Werner Pätsch jemals an die Öffentlichkeit gelangt wäre.1199 Anzeigepflicht bei Korruption Der BGH bejahte eine Pflicht, eine dienstliche Manipulation bei der Auftragsvergabe, also Korruption, zu melden, auch für Manipulationen, die nicht den zugewiesenen Arbeitsbereich des Beamten betreffen.1200 Der Beamte war als Sachgebietsleiter tätig gewesen und fungierte als Teil eines Systems der Vorteilsnahmen und -gewährungen, bei dem gewisse Unternehmen bei der Auftragsvergabe bevorzugt wurden. Er selbst erhielt durch manipulierte Vergaben Bauleistungen und war wegen Bestechlichkeit nach § 332 StGB verurteilt worden. Der Vornahme einer Diensthandlung nach den §§ 331 bis 335 StGB steht gemäß § 336 StGB das Unterlassen der Handlung gleich. Der BGH gab in seiner Entscheidung der Vorinstanz Recht, die eine Dienstpflicht des Beamten angenommen hatte, das ihm bekannte Korruptionssystem bei den vorgesetzten Behörden anzuzeigen oder auf sonstige geeignete Weise den stattfindenden Manipulationen entgegenzutreten. Zuvor war eine Dienstpflicht vom BGH bereits für Vorgesetzte im Rahmen deren Dienstaufsicht bejaht worden.1201 Ein Beamter verletzte seine Treue-, Beratungs- und Unterstützungspflicht nach §§ 60, 62 BBG, wenn er es unterlasse, korruptionsverdächtige Umstände oder sogar klar erkennbares Korruptionsgeschehen seinen Vorgesetzten zu melden. In erster Linie gelte dies für den Bereich, in dem dem Beamten die Aufgaben zur Erledigung in eigener Zuständigkeit übertragen seien. Bei schweren Verfehlungen, die die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gefährden, soll dies jedoch auch für den Bereich außerhalb seines eigentlichen
1196
So Deiseroth, Frankfurter Hefte 2014, S. 7; Schmid, JZ 1970, 683 (687). So Schmid, JZ 1970, 683 (686). BVerfGE 28, 191 (204). 1199 So auch Schmid, JZ 1970, 683 (687). 1200 Siehe BGH, Beschluss vom 4.5.2004 - 4 StR 49/04, NStZ 2004, 565. 1201 Vgl. BGH, Urteil vom 8.6.1999 - 1 StR 210–99, NStZ 1999, 560. 1197 1198
194
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Aufgabenkreises gelten.1202 Der BGH stellt zugleich klar, dass für den Beamten grundsätzlich keine allgemeine Pflicht bestehe, ihm bekannt gewordene Straftaten bei den Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen.1203 Publizierung von internen Vorgängen in der Öffentlichkeit als Pflichtverletzung In einer im MDR gesendeten Fernsehsendung wurde die Behauptung aufgestellt, die Verkehrsüberwachung werde vielerorts nur zur „Abzocke“ eingesetzt und nicht an tatsächlichen Unfallschwerpunkten. Ein Polizeihauptkommissar, als „Insider“ bezeichnet, wurde interviewt, wobei er mit abgedunkeltem Gesicht und verzerrter Stimme gezeigt wurde. Er äußerte sich dabei negativ über Zielvereinbarungen und kritisierte die Behördenleitung. Trotz der Unkenntlichmachung wurde der Polizeihauptkommissar, der als Dienststellenleiter tätig war, von Kollegen erkannt. Im vorliegenden Fall wurde eine Dienstpflichtverletzung aufgrund der „Flucht in die Öffentlichkeit“ angenommen. Der Beamte sei zur Loyalität gegenüber seinem Dienstherrn im Interesse eines geordneten Ablaufs der Verwaltung und zur Wahrung der Vertraulichkeit verpflichtet. Dementsprechend habe er Gehorsam und Zurückhaltung gegenüber seinem Vorgesetzten zu wahren, wenn er mit der getroffenen Entscheidung nicht einverstanden sei. Es wurde hierbei Bezug genommen auf die disziplinarrechtliche Rechtsprechung, die in der Publizierung von internen Vorgängen eine Pflichtverletzung durch „Flucht in die Öffentlichkeit“ sieht. Wenn sich der Beamte zum Zweck der Verstärkung durch eine Lobby an die außerdienstliche Öffentlichkeit wende, stelle dies eine Pflichtverletzung dar.1204 Solch ein Verhalten belaste den dienstlichen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess mit der Gefahr sachfremder Erwägungen.1205 Das BVerfG führte weiter aus, dass der Beamte sich wie jeder andere Staatsbürger auf Art. 5 I GG berufen könne. Dabei müsse er aber die Grenzen beachten, die sich aus seiner Dienstpflicht ergeben. Hier wurde nicht auf eine allgemein-politische Frage hin Stellung genommen, sondern es wurden durch den Polizeihauptkommissar innerdienstliche, die polizeiliche Organisation und Arbeit betreffende Entscheidungen seines Vorgesetzten öffentlich kritisiert. Dies stelle eine Verletzung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, Loyalität und Zurückhaltung dar.1206 Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch Verbreitung vermeintlicher Missstände beim Dienstherrn per E-Mail In einem Fall, mit dem sich das OVG NRW zu beschäftigen hatte, hatte ein Beamter E-Mails, die Dateien, private Fotos einer Kollegin, die EC-Kartennummer einer Kollegin, eine an ihren Vorgesetzten gerichtete Beschwerde einer Kollegin über „Bossing-Attacken“ eines männlichen Kollegen sowie ein System-Kennwort enthielten, an mehrere Kollegen weitergeleitet. Der Beamte gab an, er habe dies
1202
Vgl. BGH, Beschluss vom 4.5.2004 - 4 StR 49/04, NStZ 2004, 565. Vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30.4.1997 - 2 StR 670/96, NJW 1997, 2059. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006 - 2 BvR 1780/04, NVwZ 2006, 1282; BVerwG, Beschluss vom 10.10.1989 - 2 WDB 4/89, NVwZ 1990, 762; der Beschluss des BVerwG vom 10.10.1989 beschäftigt sich mit der Mäßigungspflicht von Soldaten bei öffentlicher Kritik in dienstlichen Angelegenheiten. 1205 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006 - 2 BvR 1780/04, NVwZ 2006, 1282. 1206 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006 - 2 BvR 1780/04, NVwZ 2006, 1282. 1203 1204
B. Macht im Beamtenverhältnis
195
getan, um auf Missstände im behördlichen Datenschutz hinzuweisen und so Schaden von der Behörde abzuwenden. Der Vorgesetzte beziehungsweise der zuständige Datenschutzbeauftragte hätten beide ihre Aufgaben im Bereich des Datenschutzes nicht ausreichend wahrgenommen. Das Gericht bezweifelte anhand der Tatsache, dass er die Inhalte an fünf bis sieben Kollegen per E-Mail versandte und mit ironischen Begleitbemerkungen versah, dass der Beamte tatsächlich auf Missstände aufmerksam machen wollte. Vielmehr sei darin ein Bloßstellen der Kollegen zu sehen. Es führte weiter aus, jedem Beamten müsse der angemessene Weg nach § 62 I 1 BBG bekannt sein, wonach ein Beamter aufgrund seiner Beratungs- und Unterstützungspflicht seinen Vorgesetzten auf rechtswidrige Umstände hinzuweisen habe. Wenn dieser Weg nicht zur Abstellung der angenommenen rechtswidrigen Umstände führe, so bliebe immer noch das Remonstrationsrecht nach § 63 II BBG. Die Verbreitung vermeintlicher Missstände sei nicht dienstlich geboten i.S.v. § 67 II 1 Nr. 1 BBG. Mithin liege ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht vor.1207 Wissentlich unwahre oder leichtfertige Erstattung einer Strafanzeige gegen den Vorgesetzten Der Beamte hatte eine ihm aufgetragene Zustellung bestimmter Sendungen nicht ausgeführt, er hatte seine Zustelltätigkeit trotz wiederholter Aufforderung überhaupt nicht mehr ausgeführt und hatte trotz besseren Wissens gegen seinen Vorgesetzten Strafanzeigen wegen Nötigung, Postunterdrückung und Falschaussage gestellt. Das Verfahren gegen den Vorgesetzten war wegen Fehlens zureichender Anhaltspunkte eingestellt worden. Eine Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauensvollen Verhalten nach § 61 I 3 BBG sei – so das BVerwG in seiner Entscheidung – dann gegeben, wenn der Beamte wegen innerdienstlicher Vorgänge gegen seinen Vorgesetzten oder einen anderen Mitarbeiter seines Dienstherrn wissentlich unwahre oder leichtfertig in schwerwiegender Weise verdächtigende Strafanzeigen erstatte.1208 Diese Annahme verstoße auch nicht gegen das Recht aus Art. 2 I GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, das dem Einzelnen ein Recht gewähre, Strafanzeigen zu stellen. Denn vom verfassungsrechtlichen Schutz seien nur Anzeigen erfasst, die nicht wissentlich unwahr seien und leichtfertig schwerwiegende Verdächtigungen enthielten.1209 Auch müsse der Beamte zunächst alle verwaltungsinternen Klärungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben und sich um eine Klärung der streitigen Angelegenheit durch seine Verwaltung bemüht haben, bevor er Anzeige erstatte.1210 Der Beamte wollte sich auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, das Gericht stellte jedoch mit Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesdisziplinargerichts klar, dass eine Rechtfertigung wie sie im Strafrecht nach § 193 StGB vorgesehen sei, im Disziplinarrecht keine Entsprechung finde. Wegen der mehrmaligen Verweigerung der Ausführung der aufgetragenen Tätigkeit wurde ein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht angenommen.1211
1207
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.5.2013 - 1 A 2400/11, NVwZ-RR 2013, 850. BVerwG, Urteil vom 13.12.2000 - 1 D 34/98, NJW 2001, 3280. So BVerwG, Urteil vom 13.12.2000 - 1 D 34/98, NJW 2001, 3280. 1210 Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2000 - 1 D 34/98, NJW 2001, 3280 (3280); siehe auch BVerwG, Urteil vom 15.11.2000 - 1 D 65.98, BeckRS 2000, 30424556. 1211 Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2000 - 1 D 34/98, NJW 2001, 3280. 1208 1209
196
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis Pflicht zur Namensnennung des Denunzianten bei ungerechtfertigter Bezichtigung eines Beamten
Ein Landesbeamter des Straßenverkehrsamts wurde zu Unrecht beschuldigt, er verteile gegen Geld Fahrerlaubnisse. Der Beamte erfuhr von der Denunziation durch die Personaldezernentin. Daraufhin versuchte er, den Namen des Denunzianten zu erfahren, was erfolglos war. Deshalb zog er vor Gericht. Der Fall ging bis vor das BVerwG, das in seinen Leitsätzen ausführte: „Wird ein Beamter bei seinem Dienstherrn leichtfertig oder wider besseres Wissen der Korruption bezichtigt, muss der Dienstherr ihm den Denunzianten nennen, auch wenn diesem Vertraulichkeit zugesichert worden war.“1212 Das BVerwG erkannte in seinem Urteil die besondere Bedeutung der Vertraulichkeitszusicherung bei der Korruptionsbekämpfung, bei der der Staat auf Hinweise von Dritten angewiesen ist, die diese nur geben würden, wenn sie sich sicher sein können, dass ihre Identität geschützt wird. Dies gelte unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Meldungen. Bei leichtfertigen oder wider besseres Wissen erfolgenden Meldungen würden aber die Interessen des Betroffenen überwiegen, sodass es zu einer Identitätspreisgabe kommen dürfe, damit dieser sich gegen die Anschuldigungen zur Wehr setzen könne.1213 Kritik an Vorgesetzten, Dienstherrn und Kollegen Das BVerwG beschäftigte sich mit dem Umfang beziehungsweise der Art und Weise von Beschwerden und Eingaben gegenüber Vorgesetzten und Dienstherrn.1214 Dabei hielt es fest, dass ein Beamter seine Rechte und Interessen gegenüber seinen Vorgesetzten und Dienstherrn in Beschwerden und Eingaben mit Nachdruck verfolgen dürfe und dabei mit freimütiger und offener Kritik sowie unter Umständen auch mit harten Worten für seine Sache eintreten dürfe. Kritische Wertungen gegenüber Vorgesetzten und Kollegen müssten eine sachliche Grundlage haben und auch für die Gegenseite erkennbar dem sachlichen Ziel der Rechtswahrung dienen. Der Beamte dürfe hierbei seine Meinung zu tatsächlichen Umständen auch ohne Rücksicht auf deren Erweisbarkeit vorbringen, wenn er von ihrer Richtigkeit ausgehe und dafür tatsächliche Anhaltspunkte habe. Aus der Wahrnehmung des Rechts dürften dem Beamten keine Nachteile (insbesondere dienstliche Maßregelungen) entstehen. Jedoch werde die Grenze zur Zulässigkeit dann überschritten, wenn der Beamte wider besseres Wissen oder unter Verletzung der ihm zuzumutenden Sorgfalt unwahre Behauptungen aufstelle, Vorgesetzte oder Kollegen diffamiere oder vorsätzlich gegen Strafbestimmungen verstoße.1215
V.
Exempel: Soldaten
Das Wehrdienstverhältnis stellt neben dem Beamtenverhältnis eine weitere Form eines Gehorsams- und Treueverhältnisses und damit eines Abhängigkeitsverhältnisses dar.1216 Es stimmt mit dem Beamtenverhältnis insofern überein, als es ebenfalls ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis ist,
1212
BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - 2 C 10/02, NJW 2003, 3217. BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - 2 C 10/02, NJW 2003, 3217 (3218). BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 A 4/04, NVwZ-RR 2006, 485. 1215 Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 A 4/04, NVwZ-RR 2006, 485 (486). 1216 Vgl. Löffler, NJW 1964, 1100 (1101). 1213 1214
B. Macht im Beamtenverhältnis
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wenngleich gegenüber diesem eine stärkere Gehorsamspflicht vorherrscht.1217 „Neben der Ähnlichkeit der Stellung des Soldaten mit der des Beamten ergeben sich auch wesentliche Verschiedenheiten. Sie sind für den Dienst etwa durch die Begriffspaare „Befehl und Gehorsam“ einerseits und „dienstliche Anordnung und Prüfungspflicht“ andererseits deutlich gekennzeichnet. Die Berücksichtigung der besonderen militärischen Verhältnisse erfordert daher auch Abweichungen vom Beamtenrecht.“1218 Im Mittelpunkt des Gehorsamsverhältnisses steht der Befehl, der in § 2 Nr. 2 WStG legaldefiniert ist als „eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten, die ein militärischer Vorgesetzter (§ 1 III des Soldatengesetzes) einem Untergebenen schriftlich, mündlich oder in anderer Weise, allgemein oder für den Einzelfall und mit dem Anspruch auf Gehorsam erteilt.“ In der Praxis wird der Befehl noch untergliedert in Vor-, Einzel-, Gesamt- und Dauerbefehl sowie in Kommando und Weisung.1219 Zudem stand die Ausgestaltung des heutigen Wehrdienstverhältnisses mit dem Soldatengesetz, dem Wehrpflichtgesetz und dem Gesetz über den Wehrbeauftragten des Bundes unter dem starken Einfluss der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Gesetze müssen als Produkte einer rechtlichen Reform gesehen werden, die sich vom alten Militärstrafrecht in der NS-Zeit distanzieren musste und den Bedenken gegenüber einer Remilitarisierung, den Vorstellungen der Alliierten und den schmerzlichen Erfahrungen in der NS-Zeit genügen musste.1220 Gehorsam und Treue im Wehrdienstverhältnis Die Grundlagen des Wehrdienstverhältnisses bilden der Gehorsam, die Treue und die Kameradschaft.1221 Der militärische Gehorsam kann als Sonderfall des Rechtsgehorsams bezeichnet werden.1222 Während dem Beamtenverhältnis eine spezielle Kameradschaft fremd ist, bestehen in beiden Verhältnissen Gehorsams- und Treuepflichten. Allerdings wird sich der Soldat schneller in einer Ausnahmesituation wiederfinden, die von ihm als unerträglich empfunden wird, als der Beamte, sodass es auch zu Konflikten mit diesen Pflichten kommen kann. Oder wie Johst es zusammenfasst: „Vereinfacht gesagt, verlangt die Logik des Militärischen den unbedingten Gehorsam und führt gleichzeitig rascher zur Ausnahmesituation des unerträglichen Gehorsams.“1223 Typischerweise stellt sich somit die Frage, wann ein Soldat die Befolgung des Befehls verweigern darf. Hierbei ist zu
1217
Schmidt, Beamtenrecht, S. 29, Rn. 79; Schwartz, Handeln Weisung Befehl, S. 45. BT-Drs. 2/1700, S. 16. Dau, in: MüKO StGB, § 2 WStG, Rn. 8. 1220 Zu dieser Ausgangslage siehe Johst, Begrenzung des Rechtsgehorsams, S. 124. Drei Punkte der Reform erwiesen sich in diesem Zusammenhang als besonders konfliktträchtig. Zum einen wurde diskutiert, ob nur Soldaten oder auch Wehrdienstleistende einen Eid ablegen sollten. Unter den Befürwortern für eine umfassende Eidablegung wurde herausgestellt, dass der Eid das Verhältnis zu den staatsbürgerlichen Aufgaben festlege und dadurch eine moralische Bindung an die Pflichten eintrete. Dennoch setzte sich eine umfassende Eidesablegung nicht durch und es findet sich heute in § 9 I SG nur die Verpflichtung zum Diensteid für Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit wieder, während Wehrdienstleistende nach Absatz 2 nur ein Gelöbnis abzugeben haben. Des Weiteren wurde die Frage, wann ein verbrecherischer Befehl vorliege, als problematisch erachtet und schließlich auch die Frage des Beschwerdeweges diskutiert, Johst, Begrenzung des Rechtsgehorsams, S. 126. 1221 Löffler, NJW 1964, 1100 (1104). 1222 So bezeichnend Johst, Begrenzung des Rechtsgehorsams, S. 113. 1223 Johst, Begrenzung des Rechtsgehorsams, S. 125. 1218 1219
198
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
differenzieren zwischen Recht- und Zweckmäßigkeit und Verbindlichkeit des Befehls.1224 Grund für eine solche Differenzierung ist, dass es für die Funktionsfähigkeit der Armee von großer Bedeutung ist, dass Befehlen nicht der Gehorsam verweigert wird und somit grundsätzlich jeder Befehl verbindlich ist.1225 Gesetzlich normierte Ausnahmen von der grundsätzlichen Verbindlichkeit des Befehls enthält § 11 SG. Nach § 11 I 3 Alt. 1 SG liegt ein Ungehorsam dann nicht vor, wenn der Befehl, der nicht befolgt wird, die Menschenwürde verletzt. Nach § 11 II 1 SG darf ein Befehl nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen wird. Einem Befehl muss nach § 11 I 3 2. Alt. SG kein Gehorsam geleistet werden, wenn er nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt wurde. Bei Befehlen, die rechtswidrig, aber verbindlich sind, kommt eine Rechtfertigung beziehungsweise eine Entschuldigung auf strafrechtlicher Ebene in Betracht.1226 Ein Befehl, der gegen die Vorgaben des § 10 SG, der das Innenverhältnis betrifft, verstößt, kann somit dennoch nach außen hin Gehorsam produzieren.1227 Bei Beamten können Weisungen, die qualifiziert rechtswidrig sind, keine Befolgung beanspruchen. Ähnlichkeiten bestehen beim Wehrdienstverhältnis und Beamtenverhältnis insofern, als sowohl die Weisung als auch der Befehl nur unter hohen Voraussetzungen nicht befolgt werden müssen. Im Beamtenverhältnis trägt der Beamte die Verantwortung für sein Handeln und kann sich dieser nur durch eine Remonstration entledigen.§ 10 V 1 SG besagt, dass der Vorgesetzte im Wehrdienstverhältnis die Verantwortung für seine Befehle trägt. Mit dieser Pflicht korrespondiert jedoch die Pflicht des Soldaten nach § 11 I 2 SG, die Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen. Durch die Art der Ausführung wird deutlich, dass vom Soldaten ein „mitdenkender Gehorsam“ gefordert wird.1228 Somit ist weder im Beamtenverhältnis noch im Wehrdienstverhältnis ein blinder Gehorsam vorgesehen. Konflikt zwischen Gehorsam und Gewissen Für den Soldaten äußerst belastend ist es, wenn es zu Konflikten zwischen der Gehorsamspflicht und seinem Gewissen kommt. Hierbei stellt sich zunächst die Frage nach der Anwendbarkeit der Grundrechte im Wehrdienstverhältnis. Im Beamtenverhältnis kann sich der Beamte außerhalb des Amtsbereiches auf die Grundrechte berufen, diese sind aber stärker einschränkbar. Die Grundrechte des Soldaten werden zum einen durch das Grundgesetz selbst in Art. 17a GG explizit eingeschränkt. Gleichwohl bleiben sie auch im Soldatenverhältnis anwendbar. So wird beispielsweise die Gewissensfreiheit nicht durch die explizite Normierung der Kriegsdienstverweigerung nach Art. 4 III GG verdrängt.1229 Der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr kommt nach Art. 12a, 65a,
1224
Schwartz, Handeln Weisung Befehl, S. 47. Schwartz, Handeln Weisung Befehl, S. 47f.; Dau, in: MüKO StGB, § 2 WStG, Rn. 27. Zum Streitstand, ob eine Entschuldigung oder eine Rechtfertigung gegeben sein kann, siehe Schwartz, Handeln Weisung Befehl, S. 76 ff. Für eine Rechtfertigung Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32, Rn. 89. 1227 Risken, Grenzen amtlicher Weisungen, S. 61. 1228 Schwartz, Handeln Weisung Befehl, S. 55. 1229 BVerwGE 127, 302 (304 f.). 1225 1226
B. Macht im Beamtenverhältnis
199
73 Nr. 1, 87a und 115a GG Verfassungsrang zu1230, sodass die Gewissensfreiheit damit im Wege der praktischen Konkordanz in Ausgleich gebracht werden muss.1231 Der Konflikt zwischen Gehorsam und Gewissen zeigte sich in einem Fall bei einem Major, der an einem militärischen Softwareprojekt mitarbeitete. Es war möglich, dass das Softwareprojekt auch im Irakkrieg Einsatz finden könnte. Der Major empfand den Irakkrieg als völkerrechtswidrig, und er verweigerte aus Gewissensgründen die Mitarbeit am Projekt. Daraufhin wurde er durch das Truppendienstgericht auf den Dienstgrad eines Hauptmanns degradiert, und ihm wurde ein Verstoß gegen die Pflicht zum treuen Dienst nach § 7 SG, zum Gehorsam nach § 11 I 1 SG und gegen die Achtungs- und Vertrauenswahrnehmung nach § 17 II 1 SG vorgeworfen.1232 Das BVerwG gab dem Major vollumfänglich recht.1233 In seinem Urteil machte es unter anderem Ausführungen zum Gehorsam. Nach § 11 I SG unterliegt der Soldat der Gehorsamspflicht und muss Befehle vollständig, gewissenhaft und unverzüglich ausführen. Nach dem BVerwG ist dieser Gehorsam aber nicht gleichbedeutend mit „blindem“ oder „unbedingtem“ Gehorsam, wie er in Art. 64 I der Reichsverfassung von 1871 oder dem Diensteid der Soldaten der deutschen Wehrmacht vom 20.8.1934 vorgesehen war.1234 Das BVerwG nennt noch weitere Ausnahmen von der Pflicht zur Befolgung von Befehlen. Zum einen bestehe diese nicht bei objektiv unmöglichen, sich inhaltlich widersprechenden oder sinnlos gewordenen Befehlen.1235 Unverbindlich sei auch ein Befehl, dessen Erteilung oder Ausführung als Handlung im Sinne von Art. 26 I 1 GG zu qualifizieren sei. Ebenso unverbindlich sei ein Befehl, dessen Erteilung oder Ausführung gegen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts gemäß Art. 25 GG verstoße. Zudem bestehe Unverbindlichkeit, wenn der Befehl unzumutbar sei.1236 Eine Konfliktlösung kann unter Umständen erreicht werden, indem dem Soldaten eine gewissenschonende Handlungsalternative angeboten wird.1237 Das BVerwG prüfte im Urteil jedoch nicht, ob tatsächlich ein Verstoß gegen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts vorlag, da sich der Soldat gegenüber der von seinem Vorgesetzten beanspruchten Verbindlichkeit der Befehle jedenfalls auf Art. 4 I GG berufen könne.1238 Einfachgesetzliche Rechte und Pflichten § 6 SG führt aus, dass der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte hat wie jeder andere Staatsbürger. Seine Rechte sind gemäß § 6 S. 2 SG im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkbar.
1230
BVerfGE 69,1 (58). Kotzur, JZ 2006, 25 (29 f.). 1232 Vgl. BVerwGE 127, 302 (308); siehe auch die Besprechung bei Kotzur, JZ 2006, 25 (26). 1233 Kritisiert wurde die Entscheidung des BVerwG dahingehend, dass nicht näher begründet werde, warum es genüge, dass nur abstrakt die Möglichkeit bestehe, dass das Projekt dem Irakkrieg diene. Zwar könne die ernsthafte Möglichkeit ausreichen. Für die ernsthafte Möglichkeit müsse jedoch ein gewichtiger beziehungsweise qualitativer Beitrag gegeben sein, siehe Düwel, Amtsgeheimnis, S. 53. 1234 BVerwGE 127, 302 (310). 1235 BVerwGE 86, 18. 1236 BVerwGE 127, 302 (315 ff.). 1237 BVerwGE 127, 302 (304). 1238 BVerwGE 127, 302 (318). 1231
200
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis a) Verschwiegenheitspflicht
Soldaten trifft nach § 14 SG ähnlich den Beamten eine Verschwiegenheitspflicht. Der Soldat hat nach § 14 I 1 SG auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst über die ihm bei oder bei Gelegenheit seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. § 14 I 2 SG normiert Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht für die Fälle, dass Mitteilungen im dienstlichen Verkehr geboten sind (Nr. 1), Tatsachen mitgeteilt werden, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen (Nr. 2) oder für Fälle, in denen ein durch Tatsachen begründeter Verdacht einer Korruptionsstrafbarkeit nach §§ 331 bis 337 StGB angezeigt wird gegenüber der zuständigen obersten Dienstbehörde, einer Strafverfolgungsbehörde oder einer von der obersten Dienstbehörde bestimmten weiteren Behörde oder außerdienstlichen Stelle (Nr. 3). Damit besteht ein weitgehender Gleichlauf der Verschwiegenheitspflichten bei Beamten nach § 67 BBG und der von Soldaten. b) Recht zur Beschwerde und Petition Mit der Wehrbeschwerdeordnung besteht für die Bundeswehr ein Normenkatalog, der umfangreiche Regeln rund um das Beschwerderecht des Soldaten enthält. Die Wehrbeschwerdeordnung steht im Spannungsverhältnis zur militärischen Disziplin.1239 Nach § 1 S. 1 WBO kann sich der Soldat beschweren, wenn er glaubt, von Vorgesetzten oder von Dienststellen der Bundeswehr unrichtig behandelt oder durch pflichtwidriges Verhalten von Kameraden verletzt zu sein. § 2 WBO sieht ein Benachteiligungsverbot vor, nach dem niemand dienstlich gemaßregelt oder benachteiligt werden darf, weil seine Beschwerde nicht auf dem vorgeschriebenen Weg oder nicht fristgerecht eingelegt worden ist, oder weil er eine unbegründete Beschwerde erhoben hat. In § 4 WBO ist die Vermittlung und Aussprache vorgesehen. Hier kann vor Einlegung der Beschwerde ein Vermittler angerufen werden, wenn der Beschwerdeführer sich persönlich gekränkt fühlt und ihm ein gütlicher Ausgleich möglich erscheint. Als Vermittler dient dabei ein vom Beschwerdeführer gewählter Soldat, der dessen persönliches Vertrauen genießt und an der Sache selbst nicht beteiligt ist. Adressat der Beschwerde ist gemäß § 5 I 1 WBO grundsätzlich der nächste Dienstvorgesetzte, nach Satz 2 ist es aber auch möglich, die Beschwerde an eine andere zuständige Stelle zu richten. Geklärt wird der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt gemäß § 10 I 1 WBO durch mündliche oder schriftliche Verhandlung. Dabei muss sich die Untersuchung nach § 14 WBO auch stets darauf erstrecken, ob mangelnde Dienstaufsicht oder sonstige Mängel im dienstlichen Bereich vorliegen. Der Beschwerdeführer erhält nach § 12 WBO einen begründeten schriftlichen Bescheid, wobei bei Zurückweisung der Beschwerde über den zulässigen Rechtsbehelf, dessen Frist und die zulässige Einlegungsstelle dafür schriftlich zu belehren ist. Bei einem Dienstvergehen ist dem Beschwerdeführer zudem nach § 13 II 2 WBO mitzuteilen, ob gegen den Betroffenen eine Disziplinarmaßnahme verhängt worden ist. Soweit die Beschwerde sich als begründet erweist, ist gemäß § 13 I 1 WBO für Abhilfe zu sorgen. Dabei sind nach Satz 2 unzulässige oder
1239
Johst, Begrenzung des Rechtsgehorsams, S. 133.
B. Macht im Beamtenverhältnis
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unsachgemäße Befehle aufzuheben. Bei einem ausgeführten oder erledigten Befehl ist nach § 13 I 3 WBO auszusprechen, dass er nicht hätte ergehen dürfen. Nach § 16 II WBO kann auch dann eine weitere Beschwerde eingelegt werden, wenn über die Beschwerde nicht innerhalb eines Monats entschieden wurde. Sinn und Zweck der Beschwerdeordnung ist unter anderem, einer „Verschleppung“ der Beschwerde durch Vorgesetzte dadurch zu begegnen, dass eine Verkürzung des Beschwerdeweges auf zwei Instanzen erfolgt.1240 Neben der Möglichkeit der Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung besteht für Soldaten zudem ein spezialgesetzliches Petitionsrecht nach § 7 WBeauftrG.1241 Demnach hat jeder Soldat das Recht, sich einzeln ohne Einhaltung des Dienstweges unmittelbar an den Wehrbeauftragten zu wenden. Der Wehrbeauftragte ist im Grundgesetz in Art. 45b GG verankert. Seine Aufgaben sind in Art. 45b GG mit dem Schutz der Grundrechte und seiner Rolle als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle umschrieben. Genauer umschrieben werden diese Aufgaben in § 1 WBeauftrG. Es wäre denkbar, dass in der Verwaltung ein der Wehrbeschwerdeordnung ähnliches System etabliert und in einer Dienstanordnung festgelegt würde.1242 Eine ähnliche Regelung scheint aufgrund der Erfahrungen mit Mobbing im Amt sogar geboten.1243 Bei Beamten ist zudem zu untersuchen, ob externe Stellen als Whistleblowing-Stellen in Betracht kämen und beispielsweise eine dem Wehrbeauftragten entsprechende Funktion eingerichtet werden könnte.
VI.
Europarechtliche Anforderungen an das Whistleblowing
Das deutsche Recht wird heutzutage maßgeblich vom europäischen Recht beeinflusst. Dies zeigt sich besonders stark im Arbeitsrecht,1244 wird aber auch im Beamtenrecht deutlich. Dabei unterscheidet der EuGH in seiner Rechtsprechung nicht zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Beschäftigten, sondern fasst alle unter den Begriff des Arbeitnehmers.1245 Auch der Beamtenbegriff, den der EGMR bei Anwendung der EMRK vorsieht, ist nicht kongruent mit dem deutschen Beamtenbegriff.1246 Da auf europäischer Ebene die deutsche Abgrenzung zwischen Beamten einerseits und Angestellten des öffentlichen Dienstes und Arbeitnehmern andererseits verschwimmt, wird die europäische Rechtsprechung zum Whistleblowing gesamt im Anschluss an die Betrachtungen zum Machtverhältnis bei Beamten vorgenommen. Dies zum einen deshalb, weil so bereits sowohl das Machtverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, als auch das Machtverhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn untersucht und gegenübergestellt wurde, sodass ein gesamtheitlicher
1240
Johst, Begrenzung des Rechtsgehorsams, S. 133f. Schmidt-Radefeldt, BeckOK GG, Art. 45b GG, Rn. 10; Schick, Petitionen, S. 95. So Czisnik, ZBR 2000, 397 (399). 1243 Siehe Czisnik, ZBR 2000, 397 (399 ff.), die sogar einen eigenen Entwurf für eine Beschwerdeordnung in der Verwaltung entwirft. 1244 Siehe nur beispielhaft zu den aktuellen Entwicklungen Schubert/Jerchel, EuZW 2017, 551. 1245 Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 384. 1246 Haug, NJW 2018, 2674 (2677). 1241 1242
202
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Vergleich mit der europäischen Rechtsprechung nun möglich ist. Zum anderen soll im Anschluss an die Rechtsprechung zum Whistleblowing auf europäischer Ebene noch eine knappe Betrachtung der Rechtsstellung von EU-Beamten erfolgen, da sich auf Ebene der Europäischen Union, obgleich das Europarecht keine Unterscheidung zwischen Arbeitnehmer und Beamten vorsieht, dennoch ein eigenes Beamtenrecht entwickelt hat.1247 Whistleblowing und EMRK a) Rang der EMRK im deutschen Rechtssystem Die EMRK ist ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag zugunsten Dritter, der für die Vertragsstaaten mit Ratifizierung verbindlich wird.1248 Die Besonderheit der EMRK besteht darin, dass sie, obgleich sie ein völkerrechtlicher Vertrag ist, nicht die Beziehungen zwischen Staaten fokussiert, sondern die Beziehung zwischen Individuen und Vertragsstaaten zum Gegenstand hat.1249 Durch die Ratifizierung hat sie in Deutschland den Rang eines innerstaatlichen Gesetzes erlangt, was zu ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit und der Möglichkeit der Geltendmachung vor deutschen Gerichten führt.1250 Die deutschen Gerichte legen das nationale Recht völkerrechtsfreundlich aus, sodass es mit dem Völkerrecht in Einklang steht.1251 Dies führt zu einer Beeinflussung der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes.1252 Die EMRK ist für die Hoheitsträger nicht unmittelbar verbindlich, aber ihre Ausstrahlungswirkung hat die europäischen Grundrechtsordnungen enorm beeinflusst.1253 Das BVerfG führte zur Berücksichtigung der Entscheidungen des EGMR durch die deutschen Gerichte aus: „Zur Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) gehört die Berücksichtigung der Gewährleistungen der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Entscheidungen des Europäischen
Gerichtshofs
für
Menschenrechte
im
Rahmen
methodisch
vertretbarer
Gesetzesauslegung. Sowohl die fehlende Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des Gerichtshofs als auch deren gegen vorrangiges Recht verstoßende schematische „Vollstreckung“ können gegen Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen.“1254 Dies führt zur Problematik, dass die von deutschen Gerichten getroffenen Feststellungen zum und Voraussetzungen für das Whistleblowing relativiert werden können. Es wird zwar durchaus von Fall zu Fall möglich sein, die Rechtsprechung des EGMR im Rahmen konventionsfreundlicher Auslegung möglichst schonend in das
1247
Siehe hierzu das Kapitel Der EU-Beamte als Grundrechtsträger, S. 217ff. Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig, Einleitung, Rn 1, 32; Schiedermair, Schutz des Privaten, S. 162. Die Beeinflussungen durch die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR finden daher nicht nur in den Mitgliedsstaaten der EU statt, sondern in allen 47 Staaten, die die EGMR ratifiziert haben. 1249 Hager, Rechtsmethoden in Europa, S. 224. 1250 Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig, Einleitung, Rn. 33. 1251 Vgl. Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig, Einleitung, Rn. 33; BVerfGE 111, 307 (317); siehe auch das Urteil des BVerfG zum Streikrecht bei Beamten, BVerfG, Urteil vom 12.6.2018 - 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15, EuZW 2018, 637, mit Anmerkung Wienbracke, der annimmt, dass das BVerfG an der Grenze der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes angekommen sei und die EMRK mangels Anwendungsvorrang zurücktreten musste, Wienbracke, EuZW 2018, 637 (654). 1252 Schlachter, RdA 2012, 108 (109). 1253 Schiedermair, Schutz des Privaten, S. 162 ff. 1254 BVerfGE 111, 307 (323 f.). 1248
B. Macht im Beamtenverhältnis
203
ausdifferenzierte nationale Rechtssystem einzupassen, wie dies das BVerfG fordert.1255 Es können jedoch auch Konflikte entstehen, die nicht auf diesem Wege auflösbar sind. Im Folgenden wird aufgezeigt werden, inwiefern sich die Rechtsprechung zum Whistleblowing des EGMR in das nationale Rechtsgefüge einfügen lässt. b) Anwendbarkeit der EMRK auf nationale Beamte Nach Art. 34, 35 EMRK kann jede natürliche Person eine Individualbeschwerde zum EGMR einlegen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Person in einem von der EMRK garantierten Recht verletzt zu sein behauptet und alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft sind. Die Beschwerde muss innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung erfolgen. Gemäß Art. 1 EMRK sichern die hohen Vertragsparteien allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen die in Abschnitt I der EMRK bestimmten Rechte und Freiheiten zu. Die EMRK findet Anwendung auf Beamte. Beamte üben zwar selbst ebenfalls Hoheitsgewalt aus, doch parallel zur Möglichkeit sich auf Grundrechte zu berufen, lässt sich auch die Anwendbarkeit der EMRK auf Beamte begründen.1256 Für eine Anwendbarkeit spricht zudem der Umkehrschluss aus Art. 11 II 2 EMRK, der rechtmäßige Einschränkungen des Rechts für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei und der Staatsverwaltung erlaubt. Die EMRK sieht explizit in Art. 8 EMRK einen Schutz des Privaten vor.1257 Dabei umfasst dieser Schutz das Familienleben, den Schutz privater Räume, den Schutz der Korrespondenz mit modernen Kommunikationsmitteln sowie den Schutz des Privatlebens, der sehr vielfältig ist.1258 Besonders bedeutend für das Whistleblowing ist die Meinungsfreiheit aus Art. 10 EMRK. Nach Art. 10 I 1 EMRK hat jede Person ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Gemäß Art. 10 I 2 EMRK schließt dieses Recht die Meinungsfreiheit sowie die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Art. 10 II EMRK besagt, dass die Ausübung der in Art. 10 I EMRK genannten Freiheiten mit Pflichten und Verantwortung verbunden ist. Daher kann sie gemäß Art. 10 II EMRK gesetzlich vorgesehene Beschränkungen erfahren, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der
1255
BVerfGE 128, 326 (371.) unter Berufung auf BVerfGE 111, 307 (327). Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 143; Widmaier, ZBR 2002, 244 (246); von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 138: siehe auch beispielsweise, EGMR, Urteil vom 28.10.1999 - 28396/95, Wille/Lichtenstein, NJW 2001, 1195. Die EMRK sieht, wie das deutsche Recht, für das Beamtenverhältnis zum Teil ebenfalls Besonderheiten vor. So kann die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in Art. 11 EMRK nach Art. 11 II 2 EMRK bei Streitkräften, der Polizei und Staatsverwaltung Einschränkungen erfahren. Ein Pendant zur Figur des Sonderstatusverhältnisses existiert allerdings nach der Rechtsprechung zur EMRK nicht, siehe Vgl. von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 136. 1257 Schiedermair, Schutz des Privaten, S. 167 ff. 1258 Siehe zu allem ausführlich Schiedermair, Schutz des Privaten, S. 167 ff. 1256
204
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Unparteilichkeit der Rechtsprechung. Die Grundsätze in Art. 10 II EMRK gelten auch für Beamte. Ein Eingriff in Art. 10 EMRK liegt zum einen bei Disziplinarmaßnahmen vor, kann aber auch in dem Unterlassen einer Einstellung oder Beförderung zu sehen sein, sofern der Konnexität durch den Dienstherrn schriftlich Ausdruck verliehen wird.1259 Art. 10 EMRK kommt nicht nur Bedeutung in Bezug auf die Rechte und Pflichten des Beamten im Allgemeinen zu. An die Befugnis zur Weitergabe von Informationen, die vom Schutz des Art. 10 EMRK umfasst ist, lässt sich der Schutz von Whistleblowern anknüpfen.1260 Ein Eingriff ist dann gegeben, wenn dem Whistleblower aufgrund der Weitergabe der Informationen Nachteile entstehen und der Staat keinen Schutz vor solchen Nachteilen bietet.1261 c) Rechtsprechung des EGMR zum Whistleblowing aa) Der Fall Guja/Moldawien Im Fall Guja/Moldawien rügte der Vorsitzende der Presseabteilung der Generalstaatsanwaltschaft, Iacob Guja, die Verletzung der Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK. Er war entlassen worden, nachdem er zwei Briefe verbreitet hatte, die nach seiner Meinung Beweise dafür lieferten, dass ein hoher Politiker versucht hatte, Druck auf laufende, strafrechtliche Ermittlungen auszuüben und deren Einstellung zu bewirken.1262 Iacob Guja wurde aufgrund der Veröffentlichung gekündigt, die Wirksamkeit der Kündigung wurde durch die nationalen Gerichte bestätigt. Daraufhin wandte er sich an den EGMR. Die moldawische Regierung war im Verfahren der Auffassung, dass Art. 10 EMRK unanwendbar sei, da Guja zum einen nicht der Autor des journalistischen Artikels über die Missstände sei und zum anderen die Kündigung nicht wegen der Wahrnehmung der Meinungsfreiheit ausgesprochen worden sei, sondern weil interne Regelungen des Büros der Generalstaatsanwaltschaft verletzt wurden. Der EGMR wiederholte, dass Art. 10 EMRK sich auf den Arbeitsplatz im Allgemeinen und auf Angestellte des öffentlichen Dienstes im Besonderen erstrecke. Art. 10 EMRK schütze auch die Übermittlung von Informationen. Der EGMR stellte hier die Voraussetzungen für die Prüfung einer Verletzung von Art. 10 EMRK auf, die auch im Fall Heinisch1263 angewendet wurden. Nach dem EGMR stellt die Kündigung dann einen Verstoß gegen Art. 10 EMRK dar, wenn sie nicht „gesetzlich vorgesehen“ ist, ein legitimes Ziel nach Art. 10 II EMRK verfolgt und in einer „demokratischen Gesellschaft“ zur Erreichung dieses Zieles oder dieser Ziele „notwendig“ ist. Der EGMR stellte fest, dass die Kündigung aufgrund der Veröffentlichung der Briefe einen Eingriff durch die öffentlichen Behörden darstelle. Als legitimes Ziel wurde vom EGMR die Verhinderung der Veröffentlichung von Dokumenten, die der Geheimhaltung unterliegen,
1259
Werres, DÖV 2011, 873 (877f.) unter Verweis auf die Rechtsprechung EGMR, Entscheidung vom 13.2.2007 - . 30067/04, Erdel v Deutschland; EGMR, Entscheidung vom 24.11.2005 - 27574/02, Otto v Deutschland,; EGMR, Urteil vom 28.10.1999 - 28396/95, Wille/Lichtenstein, NJW 2001, 1195. 1260 Schlachter, RdA 2012, 108 (110). 1261 Vgl. Schlachter, RdA 2012, 108 (110). 1262 EGMR, Urteil vom 12.2.2008 – 14277/04, Guja/Moldawien, BeckRS 2011, 77277. 1263 Siehe hierzu unten das Kapitel Der Fall Heinisch, S. 206.
B. Macht im Beamtenverhältnis
205
ausgemacht. Sodann prüfte das Gericht, ob der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft zur Erreichung dieses Zieles notwendig gewesen sei. Der EGMR führte aus, dass Angestellte beziehungsweise Arbeitnehmer eine Loyalitätspflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber haben und dass dies in besonderem Maße für Angestellte des öffentlichen Dienstes beziehungsweise Beamte gelte.1264 Es wurde herausgestellt, dass Angestellte des öffentlichen Dienstes und Beamte oftmals einen Zugang zu Informationen haben, die aus verschiedenen legitimen Gründen von der Regierung geheim gehalten werden wollen. Der EGMR nahm an, dass die Veröffentlichung von Missständen durch Beamte oder Angestellte des öffentlichen Dienstes unter gewissen Umständen Schutz genießen sollte. Ein solcher Umstand könne sich daraus ergeben, dass der Veröffentlichende die einzige Person sei oder einer kleinen Gruppe von Personen angehöre, die über den Missstand Bescheid wissen und im öffentlichen Interesse den Vorgesetzten oder die Öffentlichkeit im Allgemeinen informieren. Dies sei besonders im Hinblick auf Korruptionsfälle der Fall, die regelmäßig von solchen Angestellten entdeckt würden.1265 Der EGMR führte des Weiteren aus, dass der Hinweisgeber zunächst intern den Missstand melden solle und nur wo das unpraktikabel erscheine, er sich als ultima ratio an die Öffentlichkeit wenden dürfe. Auf den Fall bezogen führt der EGMR aus, dass weder das moldawische Recht, noch die verwaltungsinternen Regeln eine Norm enthielten, die die Übermittlung oder Weitergabe von Missständen zum Inhalt habe. Darüber hinaus habe der Generalstaatsanwalt Kenntnis vom Missstand gehabt und habe dennoch nicht darauf reagiert. Ebenso sei das öffentliche Interesse am Bekanntwerden des Missstandes zu berücksichtigen. In einer Demokratie seien Handlungen oder Unterlassungen der Regierung das Objekt genauer Untersuchung, nicht nur durch die judikativen und legislativen Instanzen, sondern auch durch die Medien und die Öffentlichkeit. Das Interesse der Öffentlichkeit an einer bestimmten Information könne sogar die rechtlich auferlegte Vertraulichkeit aufheben. Die Briefe hatten Hinweise darauf enthalten, dass Druck auf die Ermittlungsbehörden ausgeübt werden sollte, die Ermittlungen gegen die Polizisten nicht weiter zu betreiben. Die Einmischung von Politikern in das Strafverfolgungssystem war zu dieser Zeit in Moldawien ein in der Presse vielfach diskutiertes Thema, nicht zuletzt weil der Präsident eine Kampagne gegen diesen Missstand ausgerufen hatte und auch Nicht-Regierungsorganisationen ihre Bedenken äußerten, dass es zu einem Zusammenbruch der Gewaltenteilung und der richterlichen und justiziellen Unabhängigkeit kommen könnte. Die Briefe würden diese Bedenken untermauern und die Öffentlichkeit hätte somit ein Interesse daran, von diesen Missständen zu erfahren. Das Interesse der Öffentlichkeit
würde
das
Geheimhaltungsinteresse
überwiegen.
Die
Wahrnehmung
der
Meinungsfreiheit gehe mit der Pflicht und Verantwortung einher, dass die Informationen wahr und
1264
Eine Pflicht zur Loyalität, Diskretion und Zurückhaltung bei Arbeitnehmern wurde in EGMR, Urteil vom 26.9.1993 - 7/1994/454/535, Vogt/Deutschland, NJW 1996, 375 festgestellt. Frau Vogt war eine Lehrerin an einer öffentlichen Schule, die aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der NSDAP entlassen worden war. Aus dem Fall lässt sich erkennen, dass auch im zivilen öffentlichen Dienst Loyalität gefordert wird, vgl. von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 142. 1265 Dabei bezog sich der EGMR auf die European Civil Law Convention of Corruption des Council of Europe.
206
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
zutreffend seien. Schließlich müsse ein etwaiger Schaden gegen das Interesse der Öffentlichkeit abgewogen werden. Auch das Motiv des Hinweisgebers spiele für die Frage eine Rolle, ob die Enthüllung geschützt sein solle oder nicht. Ein Schutz entfalle, wenn aus Rache, persönlicher Abneigung oder zur Erlangung persönlicher Vorteile, wie etwa finanzieller Vergünstigung, gehandelt werde. Guja handelte nicht aus solchen Motiven. Schließlich wurde noch festgestellt, dass mit der Kündigung die schwerst mögliche Sanktion gewählt wurde. Diese Maßnahme habe zudem abschreckende Wirkung auf andere Angestellte im Büro des Generalstaatsanwalts und würde sie unter Umständen davon abhalten, Missstände zu melden. Guja wurde in seinem Recht aus Art. 10 EMRK verletzt. In der Entscheidung Guja/Moldawien ist exemplarisch die Auswirkung des öffentlichen Informationsinteresses auf die Abwägung zu erkennen, aufgrund derer Geheimhaltungsinteressen zurücktreten können. Ebenso können dadurch Loyalitätsinteressen nachrangig werden. Das öffentliche Informationsinteresse ist auch der deutschen Rechtsprechung als Abwägungsmaterial nicht fremd, wird aber nicht einheitlich angewandt.1266 bb) Der Fall Heinisch Sachverhalt Viel Aufsehen erregte in der juristischen Fachliteratur und auch in der Öffentlichkeit der Fall Heinisch.1267 Brigitte Heinisch, die als Altenpflegerin im öffentlichen Dienst beschäftigt war, zog vor den
Europäischen
Gerichtshof
für
Menschenrechte
und
machte
eine
Verletzung
ihrer
Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 10 EMRK geltend. Sie forderte Schadensersatz und eine Entschädigung dafür, dass die fristlose Kündigung, die damit begründet wurde, dass Frau Heinisch Anzeige gegen ihren Arbeitgeber gestellt hatte und die deutschen Gerichte sich weigerten, ihre Weitbeschäftigung anzuordnen, gegen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verstoße. Ihre Arbeitgeberin war die Vivantes GmbH, die zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich dem Land Berlin gehörte. Frau Heinisch hatte sich mehrmals bei ihrem Arbeitgeber, einem staatlichen Unternehmen der Altenpflege, über unzureichende Personalausstattung und die Missachtung von Pflegestandards beschwert. Frau Heinisch selbst war wegen Überlastung erkrankt und zeitweise arbeitsunfähig. Die Arbeitgeberin hielt die Beschwerden für unberechtigt. Tatsächlich lagen auch laut dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) schwerwiegende Mängel bei der Pflege vor, auf deren Abhilfe gedrängt wurde. Frau Heinisch suchte einen Rechtsanwalt auf, um sich rechtlich beraten zu lassen. Der Rechtsanwalt wandte sich an die Vivantes GmbH, um von ihr unter Fristsetzung zu erfahren, wie sie die Mängel beseitigen wolle und wie sich strafrechtliche Folgen für das Personal vermeiden ließen. In diesem Zusammenhang wies er auch auf die Gefahr negativer Publicity und möglicher Strafanzeigen hin. Nachdem die Frist verstrichen war, erstattete Frau Heinisch Strafanzeige. Als Grund für diese 1266
Siehe hierzu das Kapitel Rechtsprechung zum öffentlichen Informationsinteresse und öffentlichen Interesse im Zusammenhang mit Whistleblowing, S. 110 ff. 1267 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501; zur umfangreichen Diskussion siehe beispielhaft Brock, öAT 2011, 243; Kiraly, RdA 2012, 236.
B. Macht im Beamtenverhältnis
207
Anzeige nannte sie die Nichterbringung zugesagter und abgerechneter Pflegeleistungen und die Anweisung an das Personal zur entsprechenden Falschdokumentation. Ihr Rechtsanwalt gab zudem an, dass die Anzeige auch seine Klientin vor strafrechtlichen Folgen aufgrund der Missstände bewahren sollte. Das eingeleitete Verfahren wurde ohne Ergebnis eingestellt. Die Arbeitgeberin kündigte Frau Heinisch zunächst ordentlich, da sie mehrmals krankheitsbedingt ausgefallen war. Daraufhin gab Frau Heinisch mit anderen Personen gemeinschaftlich ein Flugblatt heraus, auf dem sie die Rücknahme ihrer Kündigung forderte und auch auf die Mängel hinwies. Frau Heinisch wurde wegen des Verdachts, die Erstellung und Verbreitung des Flugblattes initiiert zu haben, fristlos gekündigt. Daraufhin erschien ein neues Flugblatt, auf dem über die fristlose Kündigung von Frau Heinisch informiert wurde. Ebenso wurde über die Kündigung in einer Fernsehsendung und diversen Zeitungsartikeln Bericht erstattet. Frau Heinisch ging gegen die Kündigung vor, ihre Klage bliebt jedoch in zweiter Instanz vor dem LAG Berlin erfolglos. Das LAG ließ die Revision zum BAG nicht zu.1268 Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil nicht an. Schließlich zog Frau Heinisch vor den EGMR. Der EGMR bejahte eine Verletzung der Meinungsfreiheit in Art. 10 EMRK, weil durch die deutschen Gerichte die Meinungsfreiheit, auf die sich Frau Heinisch als Whistleblowerin berufen konnte, im Vergleich zu den Arbeitgeberinteressen zu wenig gewichtet wurde.1269 Eingriff in Art. 10 EMRK Die Kündigung als Eingriff in Art. 10 EMRK stellt nach dem EGMR dann keinen Verstoß gegen Art. 10 EMRK dar, wenn sie „gesetzlich vorgesehen“ ist, ein legitimes Ziel nach Art. 10 II EMRK verfolgt und in einer „demokratischen Gesellschaft“ zur Erreichung dieses Zieles oder dieser Ziele „notwendig“ ist.1270 Das Merkmal „gesetzlich vorgesehen“ ist nach dem Urteil des EGMR erfüllt. Die Rechtsprechung des BVerfG lasse für den Anzeigenden erkennen, dass eine Anzeige einen wichtigen Grund für eine Kündigung darstellen könne. Das innerstaatliche Recht müsse gerade nicht jede Eventualität regeln.1271 Als legitimes Ziel wurde der Schutz des Ansehens und der Interessen des Arbeitgebers genannt.1272 Damit hatte der EGMR zu überprüfen, ob der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war, also insbesondere, ob zwischen Eingriff und verfolgtem Ziel ein angemessenes Verhältnis gegeben war.1273 Letztendlich erfolgte dabei eine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Offenbarung des Missstandes.1274
1268
Deiseroth/Falter, Whistleblower in der Pflege, S. 14. EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501; siehe hierzu auch die Besprechung des Urteils von Schlachter, RdA 2012, 108; Bauer, NZA-Editorial 15/2011, III. 1270 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1271 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1272 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1273 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1274 Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 257. 1269
208
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Kriterien Der EGMR stellt Kriterien auf, nach denen ein Eingriff in Art. 10 EMRK nicht als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig erscheint.1275 Demnach darf aufgrund der Loyalitäts- und Diskretionspflicht die Information der Öffentlichkeit nur als ultima ratio erfolgen. Zunächst sollen Vorgesetzte oder andere zuständige Stellen beziehungsweise Einrichtungen informiert werden, es sei denn, dies ist eindeutig unpraktikabel.1276 Es darf also keine andere Möglichkeit zur Aufdeckung des Missstandes bestehen.1277 Von Relevanz ist die Authentizität der Informationen.1278 Unbegründete oder böswillige Anschuldigungen sollen sanktioniert werden können, sie stellen kein berechtigtes Whistleblowing dar. Ebenso müssten die Motive Berücksichtigung finden. Eine Meldung, die aufgrund persönlichen Grolls oder Feindschaft, oder aufgrund der Erwartung eines Vorteils, wie etwa eines finanziellen Gewinns erfolge, sei nicht geschützt. Mit anderen Worten muss die Meldung aus gutem Glauben heraus erfolgen, sie muss für wahr gehalten werden, im öffentlichen Interesse liegen und es darf kein anderes, diskreteres Mittel vorliegen, um den Missstand öffentlich zu machen.1279 Der EGMR nimmt des Weiteren eine Schadensabwägung vor und wägt dabei den Schaden des Arbeitgebers, der ihm gegebenenfalls aus der Veröffentlichung des Missstandes entstanden ist, gegen das Interesse der Allgemeinheit über die Kenntnis des Missstandes ab.1280 Zusammengefasst stellt der EGMR folgende Kriterien auf: das öffentliche Interesse an der Meldung, der Vorrang des internen Whistleblowings, die Authentizität der gemeldeten Informationen, die Motivation des Whistleblowers und die Schwere der Sanktion des Whistleblowings, sowie die Schwere des Schadens des Arbeitgebers. Unter Anwendung der Kriterien auf den konkreten Fall stellte der EGMR fest, dass ein milderes Mittel nicht zur Verfügung stand. Frau Heinisch hatte sich zunächst an ihren Vorgesetzten gewendet, um diesen auf die Missstände hinzuweisen. Dabei hatte sie zwar nicht konkret den Missstand als Betrug bezeichnet, doch hatte sie intern über den Sachverhalt, der dem Betrugstatbestand zugrunde lag, informiert. Frau Heinisch durfte anschließend davon ausgehen, dass der Hinweis an den Vorgesetzten im Hinblick auf die Ermittlung und Beseitigung der Missstände nicht wirksam war.1281 Während die deutschen Gerichte noch annahmen, dass das Whistleblowing unverhältnismäßig sei, weil Frau Heinisch innerbetrieblich nie den Vorwurf des Betruges erhoben habe, ging der EGMR davon aus, dass es unerheblich sei, dass sie erst in ihrer Strafanzeige das Verhalten des Arbeitgebers rechtlich als Betrug bewertet habe. Daraus lässt sich ableiten, dass geringere Anforderungen an den innerbetrieblichen Abhilfeversuch zu stellen sind. Es kann nach dem EGMR insbesondere nicht verlangt werden, dass der Whistleblower eine 1275
Vgl. Scheurer, ZTR 2013, 291 (291); Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 257; Forst, NJW 2011, 3477 (3479). EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1277 Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 257. 1278 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1279 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1280 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1281 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1276
B. Macht im Beamtenverhältnis
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rechtliche Bewertung vornimmt. Dies gilt unabhängig von anwaltlichem Beistand.1282 Mithin hatte Frau Heinisch das interne Whistleblowing versucht, doch dieses war fruchtlos geblieben. Die Informationen, die Frau Heinisch an die Ermittlungsbehörden weitergab, wurden als authentisch erachtet, nicht zuletzt, da der MDK ebensolche Mängel selbst festgestellt hatte.1283 Dabei darf eine Strafanzeige auch ein gewisses Maß an Polemik beinhalten, solange sie nicht gänzlich eines sachlichen Hintergrundes entbehrt und keinen grundlosen persönlichen Angriff darstellt.1284 Die Flugblätter hatte Frau Heinisch hingegen erst nach dem Erhalt ihrer ordentlichen Kündigung verteilt. Auf sie wurde somit nicht weiter eingegangen. Der EGMR stellte zudem heraus, dass das deutsche Recht keine Regelung beinhalte, die einen Regelungsmechanismus für das Hinweisgeben und die Korrektur des Missstandes biete. Frau Heinisch hatte im guten Glauben gehandelt und der Wahrheitsgehalt des Hinweises war erfüllt. Der EGMR berücksichtigt auch die Arbeitgeberinteressen. Er macht Ausführungen zum wirtschaftlichen Interesse bei staatlichen Unternehmen. Auch ihnen steht ein Interesse an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu. Der EGMR verweist jedoch abermals auf den Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in die Qualität der Leistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge, das für das Funktionieren und die Wirtschaftlichkeit des gesamten Sektors bedeutsam sei.1285 Insgesamt überwiege
also
das
Informationsinteresse
der
demokratischen
Gesellschaft
die
Arbeitgeberinteressen.1286 Gegenüber Frau Heinisch erging mit der Kündigung die härteste mögliche Sanktion, die auch entmutigend gegenüber anderen Angestellten wirken musste, die auf Missstände hinweisen wollen.1287 Die innerstaatlichen Gerichte hatten nach dem EGMR keine gerechte Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und der Meinungsfreiheit von Frau Heinisch vorgenommen.1288 Öffentliches Interesse In der Heinisch-Entscheidung des EGMR stellte dieser ein Kriterium im Rahmen der Interessenabwägung auf, nach dem das Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung des Missstandes zu berücksichtigen sei, das über das allgemeine Aufklärungs- und Verfolgungsinteresse an Straftaten hinausgehe. In der Entscheidung begründete der EGMR das öffentliche Interesse damit, dass die Pflegebedürftigen besonders schutzwürdig wären. Diesbezüglich müssten auch die Interessen des Unternehmens an seinem guten Ruf und die Geschäftsinteressen zurücktreten.1289 Anders als die deutschen Gerichte stellt der EGMR hier also auf den Inhalt der Whistleblowing-Meldung ab, wobei
1282
So Kerwer, in: FG Knemeyer, 581 (596). EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1285 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1286 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1287 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1288 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. 1289 EGMR, Urteil vom 21.7.2011 - 28274/08, Heinisch/Deutschland, NJW 2011, 3501. Diese Erwägung trafen die nationalen Gerichte nicht, Schubert, in: German Yearbook of International Law 2011, 753 (756). 1283 1284
210
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
sich aus den Pflegemissständen der Zusammenhang zum öffentlichen Interesse ergibt.1290 Die Aussage, dass das öffentliche Interesse offensichtlich gegeben sei, wenn die Pflege durch eine staatliche Einrichtung vorgenommen werde und es somit um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Dienste des Staates ginge, darf nicht als Beschränkung des Kriteriums auf Fälle im Bereich des öffentlichen Dienstes missverstanden werden.1291 Auswirkungen auf das nationale Recht Die Entscheidung des EGMR wurde sowohl positiv1292 als auch negativ1293 aufgenommen. Im Schrifttum wurde herausgearbeitet, dass die Entscheidung des EGMR nicht deshalb im Widerspruch zur deutschen Rechtsprechung stehe, weil sie bei Kündigungen aufgrund Strafanzeigen nicht Art. 2 I GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip als verletzt ansehe, sondern die Meinungsfreiheit. Die EMRK kenne schließlich schlichtweg kein solches Auffanggrundrecht.1294 Die Kriterien, die im Fall Heinisch für die Abwägung aufgestellt wurden, decken sich weitgehend mit den Kriterien der nationalen Rechtsprechung. Auch die deutsche Rechtsprechung greift auf die Motivation des Whistleblowers zurück.1295 Ebenso besteht im deutschen Recht der Vorrang der innerbetrieblichen bzw. innerdienstlichen Abhilfe. Bezüglich der Rechtsprechung im Fall Heinisch wurde in der Literatur konstatiert, dass sich die Rechtsprechung der nationalen Gerichte und die Rechtsprechung des EGMR im Einklang befänden.1296 Der Grund dafür, dass das LAG in der Vorinstanz dennoch zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Kündigung rechtmäßig gewesen sei, läge darin, dass es eine fehlerhafte Subsumtion und Anwendung der Grundsätze vorgenommen hätte.1297 Tatsächlich decken sich die Kriterien weitgehend. Die Problematik liegt also vielmehr auf der Ebene der Handhabung der Kriterien und der Abwägung im Einzelfall. Eine gesetzliche Regelung kann Divergenzen bei der Abwägung nicht gänzlich vermeiden, weil letztendlich der Entscheidung ob Whistleblowing berechtigt erfolgt, immer ein Abwägungselement inhärent sein muss, um den Einzelfall erfassen zu können. Dieses Abwägungselement wird immer dazu führen, dass Kriterien von Fall zu Fall anders gewichtet werden können. Eine gesetzliche Regelung kann aber dem Abwägenden dabei helfen, sich die in die Abwägung einzustellenden Kriterien noch einmal zu vergegenwärtigen und so die Rechtssicherheit in Bezug auf das Whistleblowing erhöhen. Zudem kann durch eine gesetzliche Regelung die Grundannahme gestärkt werden, dass Whistleblowing ein wertvolles Instrument zum Aufdecken und Beseitigen von Missständen ist.
1290
Kreis, Whistleblowing, S. 41. So auch Kerwer, in: FG Knemeyer, 581 (596). So z.B. zustimmend Ulber, NZA 2011, 962. 1293 Bauer, NZA-Editorial 15/2011, III; 1294 Vgl. Forst, NJW 2011, 3477 (3480). 1295 Siehe hierzu das Kapitel BAG vom 4.07.1991: Motiv des Whistleblowers bedeutend, S. 72 f. 1296 Ulber, NZA 2011, 962 (964); Schmitt, RdA 2017, 365 (367). 1297 Ulber, NZA 2011, 962 (964). 1291 1292
B. Macht im Beamtenverhältnis
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cc) Der Fall Sosinowska/Polen Eine polnische Lungenärztin war disziplinarrechtlich sanktioniert worden, weil sie gegenüber dem Klinikdirektor und an außenstehende Experten Bedenken über den Standard der medizinischen Versorgung und die therapeutischen Entscheidungen ihres Vorgesetzten äußerte. Sie wurde von dem regionalen medizinischen Gericht in Katowice sanktioniert, weil sie ihren Vorgesetzten diskreditiert hatte und damit gegen Vorschriften des medizinischen Ethikkodexes verstoßen hatte. Ihr gegenüber wurde vom Gericht eine Verwarnung (sogenannte „nagana“) verhängt. Im arbeitsrechtlichen Verfahren wurde ihre Entlassung jedoch als nicht gerechtfertigt angesehen. Das oberste medizinische Gericht sah die Kündigung hingegen als gerechtfertigt an. Sosinowska wandte sich an den EGMR, um die Verletzung in Art. 10 EMRK durch die Sanktion der medizinischen Gerichte geltend zu machen. Das Gericht stellte fest, dass die Vorschriften des medizinischen Ethikkodexes in das Recht auf freie Meinungsäußerung eingreifen und dass dies dem legitimen Ziel diene, die Rechte und den Ruf anderer zu schützen. Somit stellte sich dem EGMR nun die Frage, ob dies in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sei. Der EGMR wies darauf hin, dass es bedeutend sei, dass die von der Klägerin behaupteten Tatsachen der Wahrheit entsprächen. Die nationalen Gerichte hatten der Kritik die Objektivität und Legitimität abgesprochen, weil ein andauernder Konflikt zwischen Sosinowksa und ihren Vorgesetzten bestand.1298 Vor den medizinischen Disziplinargerichten war nie auf den guten Glauben, in dem die Aussagen getätigt wurden, eingegangen worden. Ebenso war die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht berücksichtigt worden. Nicht berücksichtigt worden war auch, dass die Kritik an der medizinischen Versorgung der Patienten im öffentlichen Interesse lag. Insofern unterstrich der EGMR wie schon im Fall Heinisch die Bedeutung des öffentlichen Interesses. Der EGMR urteilte, dass Frau Sosinowska in ihrem Recht aus Art. 10 EMRK verletzt wurde.1299 dd) Der Fall Matúz/Ungarn Matúz war als TV-Journalist bei einem staatlichen Fernsehunternehmen beschäftigt. Nachdem ein neuer Kulturdirektor 2003 seine Arbeit aufgenommen hatte, nahm Matúz an, dass dieser die Zensierung einer Fernsehsendung betreiben würde. Matúz richtete eine Beschwerde an den Präsidenten des Fernsehunternehmens, erhielt hierauf aber keine Antwort. 2004 veröffentlichte Matúz ein Buch, in dem er Auszüge verschiedener Interviews abdruckte, die in der Sendung nicht gezeigt werden durften. Darüber hinaus enthielt das Buch interne Briefe zwischen dem Kulturdirektor und dem editor-in-chief über vorgeschlagene Programmänderungen. Matúz gab in der Einleitung und einer Zusammenfassung der Ereignisse seine persönliche Meinung zu dem Thema wieder. Im Vorwort des Buches wurde angegeben, das Buch enthalte Beweise für die Zensur. Nach Veröffentlichung des Buches wurde Matúz entlassen mit der Begründung, er habe gegen die Geheimhaltungsvereinbarung seines Arbeitsvertrages
1298 1299
Vgl. Nußberger, RdA 2012, 270 (273 f.). Vgl. zu Sachverhalt und Entscheidung EGMR vom 18.10.2011 – Beschwerdenummer 73571, abrufbar unter .
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Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
verstoßen. Matúz ging gegen seine Kündigung gerichtlich vor, unterlag jedoch in den Instanzen und wandte sich schließlich mit der Rüge einer Verletzung von Art. 10 EMRK an den EGMR. 1300 Dieser stellte fest, dass die Kündigung mit der Veröffentlichung des Buches begründet worden war, sodass Art. 10 EMRK einschlägig sein könnte. Die Kündigung stellte einen Eingriff in Art. 10 EMRK dar. Nach den in der Entscheidung Guja/Moldawien festgelegten Voraussetzungen wurde festgestellt, dass Matúz gegen Regeln aus dem ungarischen Labour Code verstoßen hatte, sodass der Eingriff gesetzlich vorgesehen war. Das legitime Ziel, das damit verfolgt wurde, war die Verhinderung einer Veröffentlichung von geheimhaltungsbedürftigen Informationen. Ausführlich eingegangen wurde sodann auf die Frage, ob der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig gewesen sei. Als zentrales Problem sah der EGMR die Frage an, wie weit die Loyalität von Journalisten, die bei solchen Unternehmen angestellt seien, reichen müsse. Hierbei führte das Gericht weiter aus, dass im vorliegenden Fall ein Journalist als normaler Arbeitnehmer bei einem staatlichen Unternehmen angestellt sei. Dies sei zu unterscheiden von der Konstellation, in der ein Arbeitnehmer oder Beamte, der im öffentlichen Dienst beschäftigt ist und als einzige Person, oder als einer von wenigen, von einem Missstand Kenntnis erhält, illegale Handlungsweisen oder Fehlverhalte aufdeckt. Auf den Fall bezogen stellte der EGMR fest, dass das Buch aufgrund des öffentlichen Interesses an den Vorkommnissen in einem staatlichen Fernsehunternehmen Informationen über Dritte enthalten durfte. Zudem hätte berücksichtigt werden müssen, dass Matúz von Beruf Journalist und auch Vorsitzender der Gewerkschaft war und dass ihm daher ein Recht und sogar eine Pflicht zustand, die in Frage stehenden Dokumente zu veröffentlichen und seine Meinung zum Geschehen abzugeben. Seine Loyalitäts- und Zurückhaltungspflicht musste gegen den öffentlichen Charakter des Fernsehunternehmens abgewogen werden. Von den Gerichten hätte zudem das öffentliche Interesse an dem Geschehen berücksichtigt werden müssen. Und obwohl Matúz mit der Veröffentlichung gegen seine Verschwiegenheitspflicht aus dem Arbeitsvertrag verstoßen hatte, war die Information über die Zensur bereits in dem Online-Magazin veröffentlicht worden. Darüber hinaus war die Veröffentlichung nicht aus niederen Motiven wie etwa Rache oder zur Erlangung eines persönlichen Vorteils erfolgt, sondern war vorangetrieben worden durch den Umstand, dass niemand auf die Beschwerde von Matúz und den Brief des chief-in-editor reagiert hatte. Die heimischen Gerichte waren jedoch davon ausgegangen, dass die Veröffentlichung ausreichte, um abzuleiten, dass diese allein zum Schaden beziehungsweise Nachteil des Arbeitgebers erfolgte. Es wurde nicht der Vortrag von Matúz berücksichtigt, er habe sein Recht zur freien Meinungsäußerung wahrgenommen. Die Gerichte beschränkten sich auf den Umstand, er habe gegen arbeitsvertragliche Vorschriften verstoßen. Der oberste Gerichtshof war sogar davon ausgegangen, dass keine Grundrechte betroffen seien. Matúz wurde in seinem Recht aus Art 10 EMRK verletzt.1301
1300
Der Fall ist abrufbar unter . 1301 Der Fall ist abrufbar unter .
B. Macht im Beamtenverhältnis
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ee) Der Fall Bucur & Toma/Rumänien Bucur arbeitete in der Telefonüberwachung der militärischen Einheit des rumänischen Geheimdienstes. Bei seiner Arbeit stolperte er über einige Unregelmäßigkeiten. Er stellte fest, dass die Telefone von Journalisten, Geschäftsleuten und Politikern überwacht wurden, besonders nachdem eine Berichterstattung in den Medien viel Aufmerksamkeit erfahren hatte. Es wurden auch Privatkonversationen unter Familienmitgliedern aufgezeichnet. Er meldete diese Vorkommnisse an Kollegen und seinen Vorgesetzten und wurde nach seinen eigenen Angaben dafür verwarnt. Nachdem dieser Aufdeckungsversuch gescheitert war, wandte er sich an ein Mitglied des Parlaments, das in der parlamentarischen Kommission, die zuständig für den Geheimdienst war, saß. Dieses riet ihm, in einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit zu gehen, da eine Meldung an die parlamentarische Kommission aufgrund der engen Beziehung zwischen dem Vorsitzenden der Kommission und dem Präsidenten des Geheimdienstes keinen Erfolg haben würde. Bucur hielt die Pressekonferenz ab und gab an, er täte dies, um den Gesetzen seines Landes und insbesondere der Verfassung zu Durchsetzung zu verhelfen. Bucur wurde strafrechtlich verfolgt und aufgrund der Sammlung und Weitergabe von geheimen Informationen zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.1302 Der EGMR sah in der Verurteilung einen Eingriff in Art. 10 EMRK. Das legitime gesetzliche Ziel sei die Verhinderung und Bestrafung der Gefährdung der nationalen Sicherheit. Jedoch war die Maßnahme in einer Demokratie in jedem Fall nicht notwendig. Es gab keine vom Gesetz vorgesehenen Hinweisgebermöglichkeiten. So blieb Bucur nur die Möglichkeit, sich an seine Vorgesetzten zu wenden, die jedoch selbst in den Missstand verstrickt waren. Er hatte das Mitglied des Parlaments aufgesucht, das ihm jedoch riet, den Weg in die Öffentlichkeit zu suchen, sodass auch der EGMR davon ausging, dass eine Meldung an die parlamentarische Kommission nicht zum Erfolg geführt hätte. Das öffentliche Interesse an einer Meldung der Vorkommnisse bestand ebenfalls, gerade im Hinblick darauf, dass Rumänien unter dem kommunistischen Regime eine enge Überwachung erfahren hatte. Daneben bestand das öffentliche Interesse auch deshalb, weil jedermanns Telefon hätte abgehört werden können. Es war des Weiteren keine Genehmigung der Überwachung durch die Staatsanwaltschaft erfolgt und es bestand auch keine Gefahr für die nationale Sicherheit, die eine solche Überwachung gerechtfertigt hätte. Der EGMR ging davon aus, dass die veröffentlichten Informationen zutreffend gewesen seien und dass der Schaden, den der Geheimdienst erlitt, dem öffentlichen Interesse an der Enthüllung illegaler Aktivitäten im Geheimdienst in der Abwägung unterliegen würde. Zudem handelte Bucur in gutem Glauben, was sich unter anderem auch daran zeigte, dass er nicht direkt an die Presse ging, sondern sich erst an ein Mitglied des Parlaments wandte. Somit wurde Bucur in seinem Recht aus Art. 10 EMRK verletzt.1303
1302
Der Fall ist in französischer Sprache unter folgendem Link abrufbar: http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001115844#{"itemid":["001-115844"]}; eine englische Zusammenfassung ist unter folgendem Link abrufbar: . 1303 Der Fall ist in französischer Sprache unter folgendem Link abrufbar: . eine englische Zusammenfassung ist unter folgendem Link abrufbar: . 1304 EGMR, Urteil vom 17.9.2015 – 14464/11, Langner/Deutschland, NZA 2017, 237 (239). 1305 EGMR, Urteil vom 17.9.2015 – 14464/11, Langner/Deutschland, NZA 2017, 237 (239).
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Europäisches Beamtenrecht a) Europäisches Beamtentum und nationales Beamtentum Auf EU-Ebene besteht eine eigene EU-Verwaltung, zu der sich als Teildisziplin der Europawissenschaften das europäische Verwaltungsrecht bildete.1306 Anders als in Mitgliedsstaaten fehlten bei der Entwicklung einer europäischen Verwaltung ein Staat und eine Gesellschaft, die sich in der Verwaltung widerspiegeln, die aber zugleich auch durch diese Verwaltung geformt werden.1307 Die Exekutive der EU besitzt ein eigenes Beamtentum. In der Entwicklung dieses Beamtentums standen am Anfang die Beamten der EG, deren Berufung aufgrund des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaften für Kohle und Stahl 1952 erfolgte.1308 Es sollte bis zur Einführung des Montanstatuts 1956 dauern, bis das Dienstverhältnis nicht mehr durch individuelle Personalverträge geregelt wurde, sondern eine Kodifikation diese Aufgabe übernahm.1309 Hier zeigt sich ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen deutschem und europäischem Beamtentum. Während das deutsche Beamtentum mit seinen hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums auf die Weimarer Republik rekurriert, kann von einem Beamtentum auf europäischer Ebene als geschlossenes Bild erst ab dem Ende der sechziger Jahre gesprochen werden.1310 Mittlerweile umfasst der europäische öffentliche Dienst etwa 60 000 aktive Bedienstete, wovon in der größten Institution, der Kommission, etwa 30 000 Beamte sind1311 und unterliegt eigenen Normen. Das europäische Dienstrecht entfaltet keine unmittelbaren Wirkungen für die Mitgliedstaaten und beansprucht seine Geltung lediglich für die bei den europäischen Institutionen Beschäftigten.1312 Mit dem Vertrag von Lissabon wurde Art. 298 AEUV eingeführt. Art. 298 I AEUV führt aus, dass sich die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zur Ausübung ihrer Aufgaben auf eine offene, effiziente und unabhängige Verwaltung stützen.1313 Art. 339 AEUV normiert eine Geheimhaltungspflicht für Beamte, die besagt, dass Auskünfte, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, auch nach Beendigung der Amtstätigkeit nicht preiszugeben sind.1314 Gleichzeitig gibt es für Beamte der EU ein eigenständiges Beamtenrecht. Maßgeblicher Normenapparat im europäischen Beamtenrecht ist das heutzutage auf Art. 336 AEUV beruhende Statut der Beamten der Union (BSt).1315 Hierbei handelt es sich um Sekundärrecht.1316 Das 1306
Siehe zu dieser Entwicklung ausführlich Saurer, Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 6 f. Stevens/Stevens, Brussels Bureaucrats?, S. 25. Gauer, Reform des europäischen Dienstrechts, S. 19. 1309 Das Montanstatut war wesentlich beeinflusst vom römischen Recht und führte Rechtsgrundsätze, wie etwa das Laufbahnprinzip und das Lebenszeitprinzip auf, vgl. Gauer, Reform des europäischen Dienstrechts, S. 19. 1310 Schröder, ZBR 1974, 173 (173). 1311 Eggers/Lindner, in: Grabitz/Hilf/Nettesheims, Art. 336 AEUV, Rn. 2. 1312 Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 1. 1313 Bedeutenden Einfluss bei der Schaffung der Norm hatte Skandinavien, siehe Saurer, Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 16. 1314 Der Begriff Berufsgeheimnisse hat einen weiteren Schutzbereich, als der Wortlaut vermuten lässt und erfasst auch Amts- und Geschäftsgeheimnisse, sowie sonstige vertrauliche Informationen, siehe Jaeckel, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 339 AEUV, Rn. 19. 1315 Abrufbar unter . 1316 Eggers/Lindner, in: Grabitz/Hilf/Nettesheims, Art. 336 AEUV, Rn. 34. Mithin sind im europäischen 1307 1308
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Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Beamtenstatut der EU gilt nach Art. 1 BSt für alle Beamten der Gemeinschaften, wobei Beamter der Gemeinschaften im Sinne des Statuts nach Art. 1a Nr. 1 BSt derjenige ist, der bei einem Organ der Gemeinschaften durch eine Urkunde der Anstellungsbehörde dieses Organs nach den Vorschriften des Statuts unter Einweisung in eine Dienstplanstelle zum Beamten ernannt worden ist. Nationale Beamte sind mithin nicht vom Geltungsbereich des Beamtenstatuts erfasst. Fraglich erscheint, warum Regelungen, die nicht für nationale Beamte, sondern nur für EU-Beamte Geltung beanspruchen, überhaupt für die Schaffung einer nationalen gesetzlichen Regelung berücksichtigt werden sollen. Diese Regelungen können jedoch Impulsgeber und richtungsweisend sein.1317 Das europäische Dienstrecht kann dem nationalen Dienstrecht als Orientierungshilfe dienen.1318 Dabei darf jedoch nie der wesentliche Unterschied zwischen europäischem Beamtenrecht und dem Beamtenrecht einer gewachsenen Rechtsstruktur, wie dem deutschen Recht, außer Acht gelassen werden: Die EU besitzt keinen dem deutschen vergleichbaren Verwaltungsapparat, und das europäische Beamtenrecht ist zwangsläufig auf andere Verhältnisse ausgerichtet, als sie in einem Mitgliedsstaat zu finden sind.1319 In supranationalen Organisationen besteht für deren Bedienstete die Besonderheit, dass sie gegenüber ihrer Organisation und ihrem Heimatstaat loyal gebunden sein können und gleichwohl unabhängig von ihrem Heimatstaat agieren müssen.1320 In supranationalen Organisation prallen verschiedene
nationale
Vorstellungen
und
Rechtsauffassungen
aufeinander
und
die
Nationalitätenverteilung spielt eine Rolle.1321 Es mangelt an einer Ausrichtung auf ein System, wie es die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in Deutschland für das deutsche Beamtenrecht vorsehen.1322 Das europäische Beamtenrecht wird dominiert von konkreten und detaillierten Regelungen, im Gegensatz zu den Grundprinzipien im deutschen Beamtenrecht.1323 Es zeigt sich, dass sich das europäische Beamtenrecht schon strukturell vom deutschen Beamtenrecht unterscheidet. Gleichwohl bestehen Gemeinsamkeiten. Diese sind im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die europäischen beamtenrechtlichen Regelungen auch von den mitgliedsstaatlichen Regelungen zum Beamtenrecht beeinflusst wurden, wobei die maßgebliche Beeinflussung vom deutschen und französischen Beamtenrecht herrührt.1324 So existieren auch im europäischen Beamtenrecht ein Alimentations-, Laufbahn- und Lebenszeitprinzip.1325
Beamtenrecht die wesentlichen Regelungen im Sekundärrecht zu finden. Das Primärrecht schweigt sich weitestgehend zur Ausgestaltung des Beamtenrechts aus, mit Ausnahme von Art. 339 AEUV. 1317 Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S 248; Alber, ZBR 2002, 225 (225); Schröder, ZBR 1974, 173 (179). 1318 Reithmann, ZBR 2015, 217 (217); Alber, ZBR 2002, 225 (225). 1319 Vgl. Von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 146. 1320 Diese Probleme trafen bereits 1920 die Bediensteten des Sekretariats des Völkerbundes, siehe Saurer, Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 205; Gauer, Reform des europäischen Dienstrechts, S. 18. 1321 Gauer, Reform des europäischen Dienstrechts, S. 17. Zu den Unterschieden im Beamtentum der einzelnen europäischen Staaten, siehe Voßkuhle, in: FS Scholz, S. 189 (199 f.); Demmke, ZBR 2013, 217. 1322 Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 58. 1323 Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 58; Beilke, Fortentwicklung, S. 218. 1324 Kämmerer, EuR 2001, 27 (30); Steinle, in: Streinz, Art. 336 AEUV, Rn. 7; Reithmann, ZBR 2015, 217 (218). 1325 Beilke, Fortentwicklung, S. 218.
B. Macht im Beamtenverhältnis
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Vor dem Hintergrund dieser strukturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten soll in Bezug auf Regelungen, die Relevanz für das Whistleblowing bei Beamten entfalten, ein Vergleich mit dem europäischen Beamtenrecht erfolgen. Dabei soll ein knapper Überblick über die relevante Rechtsprechung gegeben werden. Dass Whistleblowing auch auf europäischer Ebene existiert, zeigt ein Beispiel, das auch hierzulande Aufmerksamkeit erfahren hat. Paul von Buitenen informierte als EUBeamter den Europäischen Rechnungshof und das Europäische Parlament über Misswirtschaft und Korruption in der EU-Kommission.1326 Die Sanktion für diese Meldung war eine Suspendierung vom Dienst. Gleichwohl trat aufgrund dieses Skandals die Kommission unter Jaques Santer geschlossen zurück.1327 Folge des Korruptionsskandals war eine Reform des europäischen Dienstrechts nach den Vorschlägen der EU-Kommission unter Romano Prodi aus dem Jahr 2000.1328 b) Einfluss des europäischen Beamtenrechts auf das nationale Beamtenrecht Mehrfach wurden bereits die Unterschiede zwischen dem nationalen deutschen Beamtenrecht und dem europäischen Beamtenrecht hervorgehoben. Neben der unterschiedlichen Entstehungsgeschichte und dem Fehlen beziehungsweise Vorhandensein von Grundprinzipien wie den hergebrachten Grundsätzen, besteht ein weiterer Unterschied in der Verwaltungstätigkeit. Während die europäische Verwaltung vornehmlich die Rechtssetzung vorbereitet und das gesetzte Recht in den Mitgliedsstaaten vollzogen wird, dominiert in der nationalen Verwaltung der Vollzug von Recht.1329 Aus diesen Gründen sind europäische Entwicklungen im Bereich des Dienstrechtes nicht einfach auf das nationale Recht zu übertragen und damit kann das europäische Beamtenrecht das nationale Beamtenrecht nicht direkt beeinflussen.1330 Umgekehrt hat das nationale Beamtenrecht der Mitgliedstaaten durchaus Einfluss auf das europäische Beamtenrecht ausgeübt, da dieses Produkt der Erfahrungen aus den nationalen Beamtenrechtsordnungen ist.1331 Gleichwohl lassen sich Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem europäischen Dienstrecht für eine Reform des nationalen Rechts fruchtbar machen.1332 c) Der EU-Beamte als Grundrechtsträger EU-Beamte können sich trotz ihrer Eingliederung in eine grundrechtsgebundene Verwaltung auf die Grundrechte berufen.1333 Die Europäische Grundrechtecharta hat durch den Vertrag von Lissabon Rechtsverbindlichkeit erhalten, was dazu führt, dass die EU, wie viele ihrer Mitgliedsstaaten, einen eigenen Grundrechtekatalog besitzt.1334 Die Rechtsverbindlichkeit ergibt sich aus Art. 6 I EUV, der besagt, dass die Union die Rechte, Freiheiten und Grundsätze, die in der Charta der Grundrechte der EU 1326
Siehe hierzu van Buitenen, Unbestechlich in Europa. Vgl. Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 25; van Buitenen, Unbestechlich in Europa; Deiseroth, Betrifft Justiz, 2000, 266 (267). 1328 Vgl. Kilb, NVwZ 2003, 682 (682). 1329 Gauer, Reform des europäischen Dienstrechts, S. 27; Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 124 f. 1330 Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 125; Wolff, ZBR 2014, 1 (1). 1331 So richtig auch Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 125. 1332 So auch Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 125. 1333 Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 36; für die Meinungsfreiheit ausdrücklich durch EuGH festgehalten in der Rechtsache Connolly, siehe ausführlich hierzu das Kapitel Connolly/Kommission, S. 229. 1334 Vgl. Terhechte, in: von der Groebe/Schwarze/Hatje, Vorbemerkung zur Charta der Grundrechte, Rn. 1. 1327
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Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
niedergelegt sind, anerkennt und dass die Charta der Grundrechte und die Verträge rechtlich gleichrangig sind. Die europäische Rechtsprechung ist von Anfang an davon ausgegangen, dass der EUBeamte Grundrechtsträger ist.1335 Die Grundrechte der EU-Grundrechtecharta finden nach Art. 6 I EUV und Art. 51 I 1 GrCh im innerdienstlichen Verhältnis Anwendung und haben Einfluss auf innerdienstliche Weisungen und Entscheidungen.1336 In der GrCh ist der Schutz des Privaten in Art. 7 und Art. 8 GrCh niedergelegt.1337 Der Schutz des Art. 7 GrCh läuft weitestgehend gleich mit dem Schutz des Privaten aus Art. 8 EMRK.1338 Art. 8 GrCh umfasst demgegenüber den Datenschutz.1339 Das Verhältnis zwischen EMRK und EU-Grundrechtecharta bestimmt Art. 52 III GrCh. Dieser besagt, dass soweit die Charta Rechte enthält, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, sie die gleiche Bedeutung und Tragweite haben, wie sie ihnen in der Konvention verliehen wird. Darüber hinaus heißt es, dass dieser Bestimmung nicht entgegensteht, dass die Union einen weitergehenden Schutz gewährt.1340 In der EU-Grundrechtecharta sind die für das Whistleblowing bedeutenden Kommunikationsfreiheiten in Art. 11 GrCh niedergelegt. Art. 11 I GrCh besagt, dass jede Person das Recht auf freie Meinungsäußerung hat und dass dieses Recht die Meinungsfreiheit und die Freiheit einschließt, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Die Rechtsprechung des EGMR zur Meinungsfreiheit des Art. 10 EMRK ist nach Art. 52 III GrCh auch zur Interpretation des Art. 11 GrCh heranzuziehen.1341 Möchte der Beamte seine Meinung öffentlich äußern, so gilt auch für ihn das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit. Allerdings stehen dem, wie auch im deutschen Recht, beamtenrechtliche Grundsätze der Loyalität und Unparteilichkeit entgegen.1342 Das Beamtenstatusrecht ist ebenso grundrechtskonform auszulegen.1343 d) Rechte und Pflichten des Beamten nach dem Beamtenstatut (BSt) Art. 336 AEUV besagt, dass das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen nach Anhörung der betroffenen Organe das Statut der Beamten der Europäischen Union und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten
1335
Von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 147. Vgl. hierzu auch Reithmann, in: von der Groeben/Hatje/Schwarze, Art. 336 AEUV, Rn. 10. Siehe hierzu Schiedermair, Schutz des Privaten, S. 339 ff. 1338 So Schiedermair, Schutz des Privaten, S. 344; siehe zum Schutzumfang von Art. 8 EMRK das Kapitel Anwendbarkeit der EMRK auf nationale Beamte, S. 203. 1339 Siehe hierzu ausführlich Schiedermair, Schutz des Privaten, S. 348 ff. 1340 Die EU-Grundrechtecharta findet gemäß Art. 6 EUV auf die Organe Anwendung. Nach Art. 6 III EUV sind die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten ergeben, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts, siehe hierzu Ullrich, Dienstrecht internationaler Organisationen, S. 82. 1341 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht, Band 6, Rn. 1743. 1342 Die in Art. 17a BSt normiert sind, siehe dazu unten unter Rechte und Pflichten der Beamten; vgl. Eggers/Lindner, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 336 AEUV, Rn. 43. Zum Teil wurde vorgeschlagen, die Meinungsäußerungsfreiheit in einem Artikel des AEUV ausdrücklich festzulegen, dass sich Beamte auf die Meinungsäußerungsfreiheit berufen können, So Hjelm-Wallén, CONV 637/03. 1343 Siehe Von Kielmannsegg, Näheverhältnis, S. 148. 1336 1337
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der Union erlassen. Das EU-Beamtenstatut ist beeinflusst durch die französischen und deutschen beamtenrechtlichen Grundsätze, wie beispielsweise den Grundsatz der Weisungsgebundenheit, der Loyalitätspflicht und der Fürsorge.1344 Beamter im Sinne des Beamtenstatuts ist, wer bei einem Organ der Union zum Beamten ernannt worden ist, Art. 1a BSt. Hierin zeigt sich einer der Hauptunterschiede zum deutschen Beamtenrecht. Die Beamten der Union sind bei einem Organ der Union ernannt und damit nicht bei einer administrativen Einheit.1345 Dienstherr auf Unionsebene ist das Organ der Union, für das der Beamte tätig ist.1346 Dabei treffen die EU-Beamten Pflichten, die deutliche Parallelen zum deutschen Beamtenrecht aufweisen.1347 Art. 11 ff. BSt regeln die Pflichten des Beamten. aa) Loyalitätspflicht, Art. 11 BSt In Art. 11 I BSt sind grundlegende Pflichten des Beamten normiert. Demnach hat sich der Beamte bei Ausübung seines Amtes und in seinem Verhalten von den Interessen der Gemeinschaft leiten zu lassen; er darf von keiner Regierung, Behörde, Organisation oder Person außerhalb des Organs Weisungen anfordern oder entgegennehmen. Der Beamte führt darüber hinaus die ihm aufgetragenen Aufgaben objektiv, unparteiisch und unter Einhaltung seiner Loyalitätspflicht gegenüber der Union aus. Hierin zeigt sich, dass auch im EU-Beamtenverhältnis eine Loyalitätspflicht als Nebenpflicht besteht. Diese umfasst, dass die Beamten im Privaten sich so verhalten müssen, dass die Organisation nicht in ihrem Ansehen geschädigt wird.1348 Insofern ist in dieser Vorschrift eine Einschränkung der Meinungsfreiheit zu sehen. Auch wenn das Dienstverhältnis des EU-Beamten im Statut nicht explizit als Treueverhältnis bezeichnet ist, kann in ihm ein solches gesehen werden.1349 Die Funktionsfähigkeit der EU wird dadurch garantiert, dass der Beamte sich bei der Amtsausübung nur von den Interessen der EU leiten lassen darf.1350 Im Gegensatz zu nationalen Beamten wird das Verhalten des EU-Beamten auch von den übrigen Mitgliedsstaaten beurteilt, sodass dies bei fehlerhaften Verhalten Auswirkungen auf die Zusammenarbeit innerhalb der EU, sowohl zwischen den Organen als auch zwischen den Mitgliedsstaaten haben kann. Somit muss der Beamte auch sein außerdienstliches Verhalten an den Interessen der EU orientieren und sollte beispielsweise keine nationalen Vorurteile äußern. 1351 Somit ist die in Art. 11 BSt normierte Loyalitätspflicht bei den Meinungsäußerungen des Beamten zu beachten.1352 Ebenso wie im deutschen Recht ist sachliche Kritik zulässig.1353
1344
Reithmann, ZBR 2015, 217 (218). Niedobitek, in: FS Siedentopf, S. 87 (96). 1346 Der Begriff des Dienstherrn existiert auf Unionsebene als solcher allerdings nicht, siehe Niedobitek, in: FS Siedentopf, S. 87 (97). 1347 So auch Kilb, NVwZ 2003, 682 (683). 1348 So Ullrich, Dienstrecht internationaler Organisationen, S. 367. 1349 Rogalla, Dienstrecht europäische Gemeinschaften, S. 132; Euler, Europäisches Beamtenstatut, Exkurs nach Art. 24, S. 222; EuGH, Entscheidung vom 14.12.1966, BeckRS 2004, 73033, ECLI:EU:C:1966:55, (Alfieri). 1350 Euler, Europäisches Beamtenstatut, S. 142. 1351 Euler, Europäisches Beamtenstatut, Art. 11, S. 147. 1352 Kühling, Kommunikationsfreiheit, S. 457. 1353 So Kühling, Kommunikationsfreiheit, S. 457, der auf das Negativbeispiel der Rechtssache 1345
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Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis bb) Art. 12 BSt
Art. 12 BSt legt dem Beamten die Pflicht auf, sich jeglicher Handlung und jeglichen Verhaltens, die dem Ansehen des Amtes abträglich sein könnten, zu enthalten. Früher enthielt das Beamtenstatut in Art. 12 BSt zusätzlich den Passus, dass zum außerdienstlichen Wohlverhalten auch gehöre, dass sich der Beamte jeglicher Äußerung enthalte, die dem Amt abträglich sein könne. In der Begründung der Verordnung zur Änderung des Beamtenstatuts wurde festgestellt, dass die Meinungsfreiheit ein Grundrecht des Beamten sei.1354 cc) Art. 12a BSt Im europäischen Dienstrecht hervorzuheben ist eine Regelung, die sich explizit mit Mobbing und sexueller Belästigung beschäftigt. Art. 12a I BSt stellt ausdrücklich fest, dass der Beamte sich jeder Form von Mobbing und sexueller Belästigung zu enthalten hat. Diese Pflicht steht in Zusammenhang mit der in Art. 12 BSt normierten allgemein gefassten Mäßigungspflicht.1355 Nach Art. 12 a II Bst dürfen einem Beamten, der Opfer von Mobbing oder sexueller Belästigung geworden ist, von Seiten des Organs keine Nachteile entstehen. Einem Beamten, der über Mobbing oder sexuelle Belästigung ausgesagt hat, dürfen von Seiten der Organe keinerlei Nachteile entstehen, sofern er in gutem Glauben gehandelt hat. Nach Art. 12a III BSt wird mit Mobbing ein ungebührliches Verhalten bezeichnet, das über einen längeren Zeitraum wiederholt oder systematisch in Verhaltensweisen, mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, Handlungen oder Gesten zum Ausdruck kommt, die vorsätzlich begangen werden und die Persönlichkeit, die Würde oder die physische und psychische Integrität einer Person angreifen. Die Vorschrift dient mithin dem Persönlichkeitsschutz des Betroffenen. Nach der Reform des Beamtenstatuts im Jahr 2004 vollzog sich im Bereich des Mobbings ein Wandel weg von der Voraussetzung, dass die Wirkung des Mobbingangriffs auf Schutzgüter wie die Würde oder die Persönlichkeit beabsichtigt sein musste, hin zu einem Vorsatz bezüglich der Umstände.1356 dd) Art. 17 BSt Art. 17 I BSt besagt, dass der Beamte sich jeder nicht genehmigten Verbreitung von Informationen, von denen er im Rahmen seiner Aufgaben Kenntnis erhält, enthalten muss, es sei denn, diese Informationen sind bereits veröffentlicht oder der Öffentlichkeit zugänglich. Hierin kann eine Regelung, die für das externe Whistleblowing von Bedeutung ist und zugleich eine Normierung der Verschwiegenheitspflicht gesehen werden, die neben der Verschwiegenheitspflicht nach Art. 339 AEUV besteht. Nach Art. 339 AEUV sind Mitglieder der Organe der Union, Mitglieder der Ausschüsse sowie die Beamten und sonstigen Bediensteten verpflichtet, auch nach Beendigung ihrer Amtstätigkeit Auskünfte, die
Williams/Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 26.11.1991 verweist, bei der es gerade zu beleidigenden und ausfallenden Äußerungen kam, die disziplinarrechtlich geahndet wurden. KOM (2002) 213 endg. – Rats.Dok. Nr. 8456/02 vom 15.2.2002, S. 2; siehe hierzu auch Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 247. 1355 Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 46. 1356 Reithmann, ZBR 2015, 217 (219); siehe auch Reithmann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 336 AEUV, Rn. 70. 1354
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ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, nicht preiszugeben. Die Verschwiegenheitspflicht ist eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit. ee) Art. 17a Bst Das Statut macht in Art. 17 a I BSt deutlich, dass EU-Beamte ein Recht auf freie Meinungsäußerung haben, allerdings nur unter gebührender Beachtung der Grundsätze der Loyalität und Unparteilichkeit. Nach Art. 17a II BSt unterrichtet der Beamte, der die Absicht hat, eine Angelegenheit, die die Arbeit der Union betrifft, der Öffentlichkeit bekannt zu machen, zuvor die Ausgangsbehörde. Weiter heißt es, dass wenn die Anstellungsbehörde nachweisen kann, dass diese Angelegenheit den Interessen der Union ernstlich schaden könnte, sie den Beamten innerhalb von dreißig Tagen schriftlich über ihre Entscheidung unterrichtet. Ist dem Beamten innerhalb des angegebenen Zeitraums eine solche Entscheidung nicht zugegangen, gilt dies als Nichterhebung von Einwänden seitens der Anstellungsbehörde. In Art. 17a II BSt kann eine Regelung zum externen Whistleblowing bei EUBeamten gesehen werden. Art. 17a BSt stärkt die Grundrechte, indem er die Meinungsfreiheit ausdrücklich nennt.1357 Gleichwohl beschränkt er auch die Meinungsäußerungsfreiheit. In Art. 17a BSt kommt der allgemeine Mäßigungsgedanke, der in Art. 12 BSt als Mäßigungspflicht normiert ist, zum Tragen.1358 Kritisch zu sehen ist, dass die „Interessen der Union“, die einer Bekanntmachung entgegenstehen können, ein sehr weiter Begriff ist, bei dem auch die Gefahr besteht, dass die Interessen der Union mit den Interessen der beurteilenden Personen verschmelzen.1359 Gerade wenn die beurteilenden Personen selbst in einen Skandal oder Missstand verwickelt sind oder aber auch nur generell das Bekanntwerden eines Skandals verhindern wollen, wird ihnen die Vertuschung durch eine solch weite Formulierung vereinfacht. ff) Art. 19 BSt In Art. 19 BSt ist ein Aussageverbot für Beamte festgesetzt. Der Artikel besagt, dass der Beamte die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen nicht ohne Zustimmung seiner Anstellungsbehörde vor Gericht vorbringen oder über sie aussagen darf. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die Interessen der Gemeinschaft es erfordern und die Versagung für den Beamten keine strafrechtlichen Folgen haben kann. Aus dem Wortlaut des Art. 19 BSt wird deutlich, dass grundsätzlich die Zustimmung zur Aussage erteilt werden soll, es sei denn, die in Art. 19 S. 2 BSt normierte Ausnahme ist gegeben.1360 Von dieser
1357
Reithmann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 336 AEUV, Rn. 67; dies war im Vorfeld der Schaffung der Regelung auch gefordert worden, siehe z.B. die Contribution submitted by MS Lena Hjelm-Wallén, CONV 637/03, CONTRIB 284, abrufbar unter . 1358 Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 47. 1359 Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 47. 1360 Euler, Europäisches Beamtenstatut, Art. 19, S. 187.
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Ausnahme besteht wiederum eine Rückausnahme für den Fall, dass die Versagung für den Beamten strafrechtliche Folgen haben könnte.1361 Mit den Interessen der Gemeinschaft sind öffentliche und nicht private Interessen gemeint.1362 Im Vergleich zu Art. 17 BSt, der die Verschwiegenheitspflicht gegenüber jedermann normiert, fällt auf, dass Art. 19 BSt dem Wortlaut nach nur die dem Beamten bei seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen adressiert, wohingegen Art. 17 BSt sich sowohl auf Tatsachen, die dem Beamten bei oder bei Gelegenheit seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind, bezieht. Damit könnte eine abgestufte Geheimhaltung normiert worden sein, bei der die bei Gelegenheit bekannt gewordenen Tatsachen als weniger schutzwürdig eingestuft werden.1363 gg) Art. 21 BSt Eine Beratungs- und Unterstützungspflicht, wie sie das deutsche Beamtenrecht kennt, existiert auch im europäischen Beamtenrecht. Art. 21 I BSt besagt, dass ein Beamter, ungeachtet seines dienstlichen Ranges, seinen Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen hat. Er ist zudem für die Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben verantwortlich. Art. 21 II BSt legt fest, dass der mit der Leitung eines Dienstbereiches beauftragte Beamte seinen Vorgesetzten für die Ausübung der ihm übertragenen Befugnisse und für die Ausführung der Anordnungen verantwortlich ist. Dabei befreit ihn die Verantwortung seiner Untergebenen nicht von der eigenen Verantwortung. Unter Art. 21 BSt fällt auch die Pflicht, Anweisungen des Vorgesetzten zu befolgen.1364 Damit besteht auch im europäischen Beamtenrecht eine Treue- und Gehorsamspflicht, die sich mittelbar aus Art. 21 BSt ergibt.1365 Art. 21 BSt ist vor dem Hintergrund der Reformbemühungen nach dem Skandal der Santer-Kommission zu betrachten. Mit Art. 21 BSt wurde klargestellt, dass die lückenlose Verantwortung in der Hierarchie gilt, die sowohl den ausführenden Beamten beziehungsweise seine Stelle als auch die Vorgesetzten trifft.1366 hh) Art. 21a BSt Ein Remonstrationsrecht enthält Art. 21a BSt. Es korrespondiert mit der Pflicht, Anweisungen des Vorgesetzten zu befolgen. Nach Art. 21a I BSt hat ein Beamter, wenn er eine ihm erteilte Anordnung für fehlerhaft hält oder der Meinung ist, dass ihre Ausführung schwerwiegende Nachteile zur Folge haben könnte, seinem Vorgesetzten seine Auffassung mitzuteilen. Bestätigt der unmittelbare Vorgesetzte seine Anordnung und hält der Beamte diese Bestätigung nicht für eine geeignete Antwort auf seine Bedenken, so benachrichtigt er vorbehaltlich Art. 21a II BSt schriftlich den nächsthöheren Vorgesetzten. Bestätigt dieser die Anordnung schriftlich, so muss der Beamte sie ausführen, sofern sie 1361
Euler, Europäisches Beamtenstatut, Art. 19, S. 189. Euler, Europäisches Beamtenstatut, Art. 19, S. 190. So Brückner, Recht der Beamten, S. 47. 1364 Vgl. Eggers/Lindner, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 336 AEUV, Rn. 41. 1365 Rogalla, Dienstrecht europäische Gemeinschaften, S. 137; Kühling, Kommunikationsfreiheit, S. 399; Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 43. 1366 So Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 43; Brückner, Recht der Beamten, S. 35. 1362 1363
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nicht offenkundig rechtswidrig ist oder gegen die Sicherheitsvorschriften verstößt. Allerdings könnte der Beamte sich bei offenkundiger Rechtswidrigkeit oder Verstoß gegen die Sicherheitsvorschiften auf den Anschein der Rechtmäßigkeit berufen, weil jedenfalls zwei Vorgesetzte dann ebenfalls die Weisung für rechtmäßig gehalten hatten.1367 Zumindest würde in einem solchen Fall der Beamte sich nicht nach Art. 22 BSt schadensersatzpflichtig machen, da hierfür grobes Verschulden Voraussetzung ist.1368 Art. 21a II BSt legt fest, dass wenn der unmittelbare Vorgesetzte der Auffassung ist, die Anordnung sei unverzüglich auszuführen, der Beamte sie ausführen muss, sofern sie nicht offenkundig rechtswidrig ist oder gegen Sicherheitsvorschriften verstößt. Der Beamte kann dabei verlangen, dass die Anordnung schriftlich erteilt wird. Der
europäische
Beamte 1369
weisungsgebunden.
ist
in
dem
Treue-
beziehungsweise
Gehorsamsverhältnis
Diese Weisungsgebundenheit kann in Konflikt zu der ebenfalls bestehenden
Bindung an Recht und Gesetz treten.1370 Eine Auflösung dieses Konflikts bietet das Remonstrationsrecht nach Art. 21a BSt. Dabei besteht nach dem Wortlaut „hat“ nicht nur ein Remonstrationsrecht, sondern auch eine Remonstrationspflicht. Auslösendes Moment hierfür sind schwerwiegende Nachteile als Folge der Ausführung der Anordnung oder die Fehlerhaftigkeit der Anordnung. „Fehlerhaft“ im Sinne von Art. 21a BSt kann als rechtswidrig verstanden werden. Unter „schwerwiegende Nachteile“ ist Unzweckmäßigkeit zu verstehen.1371 ii) Art. 22a BSt Eine weitere Regelung zum Whistleblowing kann in Art. 22a BSt gesehen werden. Diese Regelung löste insbesondere in Bezug auf ihre Wirksamkeit Diskussionsbedarf aus.1372 Art. 22a I 1 BSt besagt, dass ein Beamter, der in Ausübung oder anlässlich der Ausübung seines Dienstes Kenntnis von Tatsachen erhält, die die Möglichkeit rechtswidriger Handlungen vermuten lassen, unverzüglich seinen unmittelbaren Vorgesetzten oder die weiteren genannten Stellen unterrichtet. Von rechtswidrigen Handlungen sind unter anderem Betrug, Korruption zum Nachteil der Interessen der Union oder Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Ausübung dienstlicher Pflichten, die eine schwerwiegende Verletzung der Dienstpflichten des Beamten der Union darstellen können, umfasst. Art. 22a I 3 BSt besagt, dass dies auch gilt, wenn das Mitglied eines Organs oder eine andere Person, die im Dienst des Organs steht oder für ein Organ einen Auftrag ausführt, erheblich gegen entsprechende Dienstpflichten verstößt. Art. 22a BSt wurde im Zuge einer Reform eingeführt, deren Auslöser der Rücktritt der Europäischen Kommission unter ihrem Präsidenten Jaques Santer im Jahr 1999 war. Der Rücktritt erfolgte als 1367
Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 40. Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 40. Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 39. 1370 Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 36. 1371 So Rogalla, Dienstrecht europäische Gemeinschaften, S. 137 unter Berufung auf Brückner, Recht der Beamten, allerdings noch zum alten Art. 21 II und III. 1372 Vgl. Reithmann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 336 AEUV, Rn. 66. Siehe die PWC-Studie des Directorate General for Internal Policies 2011; siehe auch Rohde-Liebenau, Whistleblowing Rules. 1368 1369
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Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Reaktion auf Betrügereien, Vetternwirtschaft und Mobbing in den europäischen Institutionen. 1373 Der Whistleblower kann sich gemäß Art. 22a I BSt an fünf verschiedene Stellen wenden. Dies sind zum einen sein Vorgesetzter, der Generaldirektor, falls er es als zweckdienlich erachtet aber auch der Generalsekretär oder Personen in vergleichbaren Positionen oder aber das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF).1374 Dieses beschäftigt sich nicht nur mit Betrug, sondern auch mit Korruption und anderen illegalen Tätigkeiten, die die finanziellen Interessen der Union gefährden.1375 Nach Art. 86 II BSt kann das OLAF auch eine Verwaltungsuntersuchung einleiten, wenn ihm Tatsachen zur Kenntnis gebracht werden, die auf eine Verletzung der Dienstpflichten schließen lassen. Dadurch, dass das OLAF auch für Untersuchungen aufgrund von Meldungen über die Verletzung von Dienstpflichten zuständig ist, ist sein Aufgabenbereich nicht klar umgrenzt. Dies kann wiederum dem Whistleblower Schwierigkeiten bereiten, sich mit seiner Meldung an die richtige Stelle zu wenden.1376 In Art. 22a BSt ist eine Meldepflicht für Whistleblower zu sehen.1377 Dafür spricht der Wortlaut, der feststellt, dass der Whistleblower die entsprechenden Stellen „unterrichtet“. Auslösendes Moment für die Meldepflicht ist die Möglichkeit, dass solche rechtswidrigen Handlungen vorliegen und der Beamte davon Kenntnis erhält. Unter Möglichkeit dürfte ein begründeter Verdacht zu verstehen sein.1378 Ebenso hat der Beamte die betreffenden Stellen zu unterrichten, wenn Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Ausübung dienstlicher Pflichten eine schwerwiegende Verletzung der Dienstpflichten der Beamten der Union vermuten lassen. Nach Art. 22a III %St dürfen dem Beamten seitens der Organe keine nachteiligen Auswirkungen aufgrund der Tatsache erwachsen, dass er Informationen gemäß Art 22a I und Art. 22a II BSt weitergeben hat, sofern er dabei in Treu und Glauben gehandelt hat. In der Rechtsprechung der europäischen Gerichte wurde herausgearbeitet, wann der Beamte in Treu und Glauben handelt. So wurde in der Entscheidung Bermejo Garde/EWSA ein Handeln in Treu und Glauben bejaht, wenn die Unregelmäßigkeiten offenkundig schwerwiegend sind und die Anschuldigungen auf zutreffenden Tatsachen beruhen beziehungsweise sich auf eine hinreichend tatsächliche Grundlage stützen.1379 Dabei muss der Beamte auch prüfen, ob die Informationen zutreffend und glaubwürdig sind, sofern dies nach den Umständen möglich ist.1380 Ist die Meldung aus persönlicher Vorteilsaussicht oder aber persönlichen
1373
Kilb, NVwZ 2003, 682 (683). Das OLAF (Akronym nach Office européen de lutte antifraude) hat seine Rechtsgrundlage in Art. 317, 325 AEUV und in VO 1073/1999/EG, siehe hierzu auch Saurer, Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 440. 1375 Verordnung Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und Rats und Verordnung (EU/Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, siehe auch Harden, Protecting Whistleblower, S. 7. 1376 Zu dieser Problematik auch Harden, Protecting Whistleblower, S. 7. 1377 Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 49; Harden, Protecting Whistleblower, S. 6. 1378 Harden spricht von einer „reasonable suspicion“, Harden, Protecting Whistleblower, S. 6. 1379 Vgl. EuGH, Jahresbericht 2012, S. 222. 1380 Vgl. EuGH, Jahresbericht 2012, S. 222; siehe auch Rohde-Liebenau, Whistleblowing Rule, S. 42; an das OLAF kann sich gemäß Art. 90a II auch jede Person, die in den Anwendungsbereich des Statuts fällt, mit einer Beschwerde gegen eine sie beschwerende Maßnahme wenden. 1374
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Vorwürfen und Animositäten heraus entstanden, so scheidet ein Handeln nach Treu und Glauben aus.1381 Im Zusammenhang mit der Motivation wurde festgestellt, dass Meldungen aufgrund des Mäßigungsverbots nur getätigt werden dürfen, wenn dies erforderlich ist, um eigene Interessen zu verteidigen.1382 Sind die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, kann sich der Whistleblower nicht auf Art. 22a BSt berufen. Erfolgt eine Meldung entgegen der Voraussetzungen des Art. 22a, 22b beziehungsweise 24 BSt, so liegt ein Verstoß gegen Art. 12 BSt vor, auch wenn die weitergegebenen Informationen zutreffend sind.1383 Dem Beamten dürfen nach Art. 12 III BSt keine nachteiligen Auswirkungen aufgrund der Weitergabe der Informationen nach Art. 12 I und Art. 12 II BSt erwachsen. Kritisch zu sehen ist, dass Art. 22a BSt kompliziert verfasst wurde und schwer verständlich ist. Dabei soll dieser Artikel potentiellen Whistleblowern Orientierung bieten. Unklar ist, wann die Schwelle zur „Möglichkeit“ überschritten ist, die verdachtsauslösender Moment ist. Die Regelung birgt große Unsicherheit und lastet es dem Whistleblower an, zu entscheiden, ob das auslösende Moment der „Möglichkeit“ bereits erreicht ist. Ebenso schwierig zu beurteilen dürfte sein, wann Verhaltensweisen eine Verletzung der Dienstpflichten vermuten lassen. Des Weiteren bleibt offen, wer die mit dem Generalsekretär vergleichbaren Personen sind, an die sich der Whistleblower wenden kann. jj) Art. 22b BSt Art. 22b BSt bietet Schutz vor nachteiligen Auswirkungen des Hinweisgebens. Art. 22b BSt wurde ebenfalls im Nachgang des Rücktritts der EU-Kommission unter Jaques Santer im Jahr 2004 erlassen.1384 Beide Regelungen hatten inhaltlich in der Praxis aber bereits seit 1999 als nicht gesetztes Recht im Rahmen einer Kommissionsentscheidung existiert. Ihre Setzung wurde vorgenommen, um ihnen zu besserer Durchsetzungskraft zu verhelfen.1385 Nach Art. 22b BSt dürfen dem Beamten, der Informationen gemäß Art. 22a BSt an den Präsidenten der Kommission, den Präsidenten des Rechnungshofes, den Präsidenten des Rates, den Präsidenten des Europäischen Parlaments oder an den Europäischen Bürgerbeauftragten weitergegeben hat, keine nachteiligen Auswirkungen seitens des Organs erwachsen. Dies gilt aber nur, soweit die Bedingungen der Art. 22a Abs. 1 lit. a und lit. b BSt erfüllt sind. Nach lit. a muss der Beamte die weitergegebenen Informationen und jede darin enthaltene Anschuldigung nach Treu und Glauben im Wesentlichen für wahr halten und nach lit. b muss der Beamte zuvor die gleichen Informationen dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung oder seinem Organ übermittelt und abgewartet haben, bis das Amt beziehungsweise Organ binnen der Frist, die es in Anbetracht der Komplexität des Falls festgelegt hat, geeignete Maßnahmen ergriffen hat. Der Beamte wird über die Frist binnen 60 Tagen unterrichtet.
1381
Vgl. EuGH, Jahresbericht 2012, S. 222. Vgl. Reithmann, EuR 2015, 763 (776) in Bezug auf die Rechtssache de Brito Sequeira Carvalho/Kommission, ECLI:EU:F:2013:126. 1383 Vgl. Reithmann, EuR 2015, 763 (776) in Bezug auf die Rechtssache de Brito Sequeira Carvalho/Kommission, ECLI:EU:F:2013:126. 1384 Rohde-Liebenau, Whistleblowing Rules, S. 42. 1385 Rohde-Liebenau, Whistleblowing Rules, S. 2. 1382
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Die Whistleblowing-Regelungen haben nur einen beschränkten Anwendungsbereich. Art. 22b BSt sieht nur einen Meldeweg vor, der zum Präsidenten der Kommission beziehungsweise des Rechnungshofes, des Rates oder des Europäischen Parlaments und zum Europäischen Bürgerbeauftragten führt. Art. 22a BSt zeichnet den Weg zu Vorgesetzten beziehungsweise dem Generaldirektor vor, sowie an das OLAF. Nicht geregelt ist damit das externe Whistleblowing an Medien und andere Stellen. Offenbar wird die in Art. 22a und Art. 22b BSt vorgesehene Möglichkeit zum Whistleblowing auch nicht genutzt.1386 Es wurde auch in den entsprechenden Gerichtsverfahren kaum auf die WhistleblowingArtikel des Statuts Bezug genommen.1387 Kritisiert wird auch, dass der Fokus der Regelungen auf der Meldepflicht liege und wichtige Fragen, wie etwa die Möglichkeit von anonymen Meldungen, unbeantwortet blieben.1388 kk) Art. 22c BSt Art. 22c I BSt besagt, dass in Einklang mit den Art. 24 BSt und Art. 90 BSt, jedes Organ ein Verfahren zur Bearbeitung von Beschwerden von Beamten über ihre Behandlung nach oder infolge der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gemäß Art. 22a und 22b BSt einzuführen hat. Sinn und Zweck der Regelung ist es, die Stellung des Hinweisgebers durch ein gesondertes Verfahren für seine Beschwerden zu stärken.1389 Das betreffende Organ gewährleistet, dass solche Beschwerden vertraulich behandelt und, wenn dies durch die Umstände gerechtfertigt ist, vor Ablauf der in Art. 90 BSt festgelegten Pflichten bearbeitet werden. Art. 90 II BSt führt des Weiteren aus, dass die Anstellungsbehörde eines jeden Organs interne Regelungen festlegt, die die Unterrichtung der Hinweisgeber über die Bearbeitung der von ihnen gemeldeten Angelegenheiten vorsehen. Daneben sollen auch der Schutz der berechtigten Interessen dieser Beamten und ihrer Privatsphäre und das Verfahren zur Bearbeitung von Beschwerden gemäß Art. 22c I BSt in diesen internen Regelungen kodifiziert werden. ll) Art. 24 BSt In Art. 24 BSt ist die Beistandspflicht normiert. Die Union leistet nach Art. 24 I BSt ihren Beamten Beistand, insbesondere beim Vorgehen gegen die Urheber von Drohungen, Beleidigungen, übler Nachrede und Verleumdungen. Die Beistandspflicht gilt ihrem Grundsatz nach nur bei Angriffen von Dritten, anderen Bediensteten, Vorgesetzten und Kollegen und gerade nicht im Verhältnis zwischen Beamtem und Anstellungsbehörde.1390 Die Aufzählung in Art. 24 I BSt ist nur beispielhaft.1391 In Art. 24 BSt wird der allgemeine Rechtsgrundsatz des Rechts auf Fürsorge und Beistand konkretisiert.1392 Dieser entsteht nach dem EuGH aus den Grundsätzen der guten Verwaltungsführung
1386
So PWC-Studie des Directorate General for internal Policies 2011, S. 5. PWC-Studie des Directorate General for internal Policies 2011, S. 27. PWC-Studie des Directorate General for internal Policies 2011, S. 6 f. 1389 So Reithmann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 336 AEUV, Rn. 66. 1390 Reithmann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 336 AEUV, Rn. 72. 1391 Euler, Europäisches Beamtenstatut, Art. 24, S. 217. 1392 Vgl. Ullrich, Dienstrecht internationaler Organisationen, S. 200; Karpenstein spricht von einem „positivrechtlichen Ausdruck“ den die Fürsorgepflicht in der Beistandspflicht finde, Karpenstein, in: Grabitz/Hilf, 1387 1388
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und der Gerechtigkeit.1393 Dabei ist der Umfang der Beistandspflicht nicht so groß wie der Umfang der aus Art. 33 V GG abgeleiteten Fürsorgepflicht. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass sich daraus keine weitergehenden Ansprüche außerhalb des Beamtenstatuts ergeben.1394 Beim Whistleblowing kann es typischerweise dazu kommen, dass Kollegen, Bedienstete, aber auch Vorgesetzte einen Beamten anschuldigen. Wie bereits mehrfach aufgezeigt, können solche Anschuldigungen der Tatsachengrundlage entbehren, aus einem Irrtum heraus entstehen, schlichtweg nur aus einer Vermutung heraus getätigt werden oder aber denunzierend sein. Insofern ist es notwendig, dass die Verwaltung dem Angeschuldigten beisteht. Dies kann sie dadurch tun, dass sie alle zweckdienlichen Maßnahmen ergreift, um festzustellen, ob die Anschuldigungen begründet sind. Dies ergibt sich nicht nur aus Art. 24 BSt, sondern unabhängig davon auch aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Gerechtigkeit und guten Verwaltungsführung.1395 e) Auswahl allgemeiner Rechtsgrundsätze im Dienstrecht der europäischen Union Die Rechte und Pflichten des EU-Beamten werden nicht nur durch das Beamtenstatut und die Grundrechte, wie sie in der Grundrechtecharta niedergelegt sind, beeinflusst. Ebenso kommen die allgemeinen Rechtsgrundsätze im Beamtenverhältnis zum Tragen.1396 Das Beamtenstatut stellt, wie bereits erwähnt, kein europäisches Primärrecht dar. Über das Beamtenstatut hinaus bestehen jedoch auch allgemeine Rechtsgrundsätze im europäischen Dienstrecht, die von Bedeutung für das Beamtenrecht der EU sind und die zum Teil in der Grundrechtecharta der EU mittlerweile normiert sind.1397 Allgemeine Rechtsgrundsätze können dem Völkerrecht entnommen werden.1398 Allgemeine Rechtsgrundsätze können sich dabei aus dem Konsens, der den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten gemein ist, ergeben, sowie aus den Rechtsgrundsätzen, die auch in den internationalen Übereinkommen und den Deklarationen zu den Menschenrechten, Grundfreiheiten und den übrigen rechtsstaatlichen Grundsätzen niedergelegt sind.1399 Sie unterliegen den Schranken der Grund- und Menschenrechte, der Wesensgehaltsgarantie der Grundrechte und den vereinzelt explizit normierten Schranken.1400 Die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Übermaßverbots, der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Verteidigungsrechte finden nach EuGH, EuG und EuGöD Anwendung.1401 Ebenso ist der
Art. 236 EGV, Rn. 50. EuGH, Entscheidung vom 11.7.1974, BeckRS 2004, 73278, ECLI:EU:C:1974:80, (Pierre Guillot/Kommission); vgl. Ullrich, Dienstrecht internationaler Organisationen, S. 200. 1394 Vgl. Ullrich, Dienstrecht internationaler Organisationen, S. 200. 1395 Siehe hierzu EuGH, Entscheidung vom 11.7.1974, BeckRS 2004, 73278, ECLI:EU:C:1974:80, (Pierre Guillot/Kommission). 1396 Reithmann, in: von der Groeben/Hatje/Schwarze, Art. 336 AEUV, Rn. 11. 1397 Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 336 AEUV, Rn. 6; vgl. zu den allgemeinen Grundsätzen, Lindemann, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 81 ff. 1398 So Ullrich, Dienstrecht internationaler Organisationen, S. 76. 1399 Vgl. Ullrich, Dienstrecht internationaler Organisationen, S. 79. 1400 Siehe zu den einzelnen Schranken ausführlich Ullrich, Dienstrecht internationaler Organisationen, S. 87 ff.; zur Wesensgehaltsgarantie auch EGMR, Urteil vom 9.2.2007- 46726/99, Podkolzina v. Latvia, BeckRS 2013, 11456. 1401 So Steinle, in: Streinz, Art. 336 AEUV, Rn. 4. 1393
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Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung für das Beamtenverhältnis von Bedeutung.1402 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt insbesondere im Disziplinarrecht zum Tragen, obschon es sich bei den Disziplinarmaßnahmen um Ermessensentscheidungen handelt.1403 Das Treueverhältnis des Beamten ist ebenfalls allgemeiner Rechtsgrundsatz im europäischen Dienstrecht.1404 Die Treuepflicht findet ihre Normierung insbesondere in den erwähnten Art. 11, 12, 12b und 17a BSt und tangiert dabei auch die freie Meinungsäußerung.1405 Allerdings darf nach der Rechtsprechung die Treuepflicht nicht so ausgelegt werden, dass sie im Widerspruch zur Freiheit der Meinungsäußerung steht.1406 Ebenso besteht ein Grundsatz der allgemeinen Mäßigungspflicht, der aus der Verpflichtung zur Wahrung des guten Rufs und des Ansehens abgeleitet wird und der die Meinungsfreiheit einschränkt.1407 Aus der Loyalitätspflicht folgt unter anderem, dass der Beamte seinen Vorgesetzten über Missstände informieren muss.1408 Der Treue- beziehungsweise Loyalitätspflicht entspricht als Pendant die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten.1409 Die Fürsorgepflicht selbst ist nicht ausdrücklich im Beamtenstatut normiert, wird aber zum Teil aus Art. 24 BSt und der darin normierten Beistandspflicht hergeleitet.1410 Aus dem Grundsatz der Fürsorgepflicht leitet sich insbesondere ab, dass die Behörde bei ihren Entscheidungen, die den Beamten betreffen, sämtliche Umstände berücksichtigen muss, die geeignet sind, ihre Entscheidung zu beeinflussen und sie dabei sowohl das dienstliche Interesse als auch das Interesse des Beamten berücksichtigen muss.1411 Betrachtet man die allgemeinen Rechtsgrundsätze, so ist stets vor Augen zu halten, dass das europäische Beamtenrecht eine vornehmlich durch rechtspolitische Erwägungen geschaffene Normenstruktur auf sekundärrechtlicher Ebene ist. Anders als im deutschen Beamtenrecht wird das europäische Beamtenrecht nicht durch hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums oder eines vergleichbaren Systems mitgestaltet. Insofern können die zugrundeliegenden allgemeinen Rechtsgrundsätze nicht die gleiche Auswirkung auf das europäische Beamtenrecht haben, wie dies beim deutschen Beamtenrecht mit den hergebrachten Grundsätzen der Fall ist. Somit verbietet sich eine Gleichsetzung der Wirkung
1402
Reithmann, in: von der Groeben/Hatje/Schwarze, Art. 336 AEUV, Rn. 11. So Ullrich, Dienstrecht internationaler Organisationen, S. 141. Frenz, Handbuch Europarecht Band 6, Rn. 1688; EuGH, Entscheidung vom 14.12.1966, BeckRS 2004, 73033, ECLI:EU:C:1966:55, (Alfieri). 1405 So Reithmann, EuR 2015, 763 (775) in Bezug auf EuGöD, Urteil vom 23.10.2013, BeckRS 2013, 82194, ECLI:EU:F:2013:159, (Gomes Moreira/ECDCm). 1406 EuGH, Urteil vom 13.12.1989, BeckRS 2004, 70615, ECLI:EU:C:1989:638, (Oyowe und Traore/Kommission). 1407 Siehe EuG, Urteil vom 26.11.1991, ECLI:EU:T:1991:61, (Calvin Williams/Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften ) und Ullrich, Dienstrecht internationaler Organisationen, S. 88. 1408 Vgl. Eggers/Lindner, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 336 AEUV, Rn. 42. 1409 Frenz, Handbuch Europarecht Band 6, Rn. 1690; Ullrich, Dienstrecht internationaler Organisationen, S. 367. 1410 So wohl Steinle, in Streinz, Art. 336 AEUV, Rn. 14. 1411 Vgl. Eggers/Lindner, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 336 AEUV, Rn. 93 in Bezug auf EuGH, Urteil vom 4.2.87, ECLI:EU:C:1987:61, (Maurissen/Rechnungshof); sowie Reithmann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 336 AEUV, Rn. 71. 1403 1404
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von allgemeinen Rechtsgrundsätzen im europäischen Beamtenrecht mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im deutschen Beamtenrecht.1412 f) Rechtsschutzmöglichkeiten des EU-Beamten Die Gerichte, die sich mit dem Dienstrecht der EU-Beamten befassen und befassten sind der EuGH, das EuG und das EuGöD. Zunächst war der EuGH für die Dienstrechtsstreitigkeiten zuständig, bis diese Aufgabe im Jahr 1989 aufgeteilt wurde. Seitdem ist das EuG erstinstanzlich zuständig.1413 Der EuGH fungiert als Revisionsinstanz. Im Jahr 2005 wurde mit der Schaffung des EuGöD ein dreistufiger Instanzenzug geschaffen, in dem das EuGöd fortan die unterste Instanz bildete.1414 Das EuGöD war bis zu seiner Eingliederung beim EuG zum 1.9.2016 das einzige selbstständige Fachgericht auf EUEbene.1415 Nunmehr ist das EuG für Beamtensachen zuständig.1416 Der Beschwerdeweg und der Rechtsschutz des EU-Beamten sind in Art. 90 ff. BSt geregelt. Dem EU-Beamten steht ein sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergebendes Recht auf Anhörung zu. Dieses wurde im Urteil des EuGH aus dem Jahr 1963 als im Verwaltungsrecht der Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft allgemein anerkannter Rechtssatz bezeichnet.1417 Im europäischen Dienstrecht besteht zudem ein verwaltungsinternes Beschwerdeverfahren nach Art. 90 und 91 BSt. Im Primärrecht existiert mit Art. 270 AEUV eine ausschließliche Zuständigkeit der Unionsgerichtsbarkeit für alle Rechtsstreitigkeiten zwischen der Union und ihren Bediensteten.1418 g) Der EU-Ombudsmann Der EU-Ombudsmann ist dafür zuständig, Fälle von Misswirtschaft in der EU zu untersuchen. Er dient auch als Whistleblowing-Stelle, da sich EU-Beamte als EU-Bürger mit einer Beschwerde direkt an ihn wenden können.1419 Der Ombudsmann kann auf den Hinweis eines Whistleblowers selbst tätig werden und eine Untersuchung anregen.1420 Kennzeichnend für den Ombudsmann sind seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit.1421 h) Rechtsprechung der europäischen Gerichte zum EU-Beamtenrecht aa) Connolly/Kommission Bernhard Connolly war ein Beamter der Kommission der EU, der in der Vorbereitung der Arbeiten des Währungsausschusses, des Unterausschusses für Währungspolitik und für weitere für die
1412
Siehe auch Mehde, in: Terhechte, § 38, Rn. 59. Siehe hierzu auch Reithmann, ZBR 2015, 217 (225). 1414 Siehe hierzu Ullrich, Dienstrecht internationaler Organisationen, S. 398 sowie Hakenberg, EuZW 2006, 391. 1415 Siehe zur Umstrukturierung die zugrundliegende Verordnung 2016/1192 vom 6.07.2016; siehe auch Reithmann, ZBR 2015, 217 (217). 1416 Eggers/Lindner, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 270 AEUV, Rn. 3. 1417 EuGH, Urteil vom 4.7.1963, BeckRS 2004, 70761, ECLI:EU:C:1963:15, (Alvis/Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft); siehe hierzu auch Saurer, Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 209 ff. 1418 Wegener, in: Calliess/Ruffert, Art. 270 AEUV, Rn. 1. 1419 PWC-Studie des Directorate General for internal Policies 2011, S. 12. 1420 PWC-Studie des Directorate General for internal Policies 2011, S. 13. 1421 Harlow/Rawlings, Process and Procedure, S. 79. 1413
230
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Währungspolitik zuständige Stellen tätig war. Er veröffentlichte während seines Urlaubs ein Buch mit dem Titel „The rotten heart of Europe. Dirty war for Europe`s money“, welches sich mit der Entwicklung der Prozesse der europäischen Integration im Bereich Wirtschaft und Währung beschäftigte. Zuvor hatte er mehrmals Aufsatzentwürfe vorgelegt, deren Veröffentlichung aber nach Art. 17 II BSt untersagt wurde. Connolly kritisierte die geplante Währungsunion und stellte fest, dass die wirtschaftliche und monetäre Union eine Gefahr für die Demokratie, die Freiheit und letztendlich für den Frieden sei. Er verfasste seine Werke auf der Grundlage seiner beruflichen Erfahrung, die er im Dienst gesammelt hatte. Für die Veröffentlichung des Buches hatte er keine Zustimmung beantragt. Nach dem Urlaub kehrte er in den Dienst zurück. Die Veröffentlichung seines Buches sorgte für großes Aufsehen in der Presse und Connolly selbst gab der „Times“ ein Interview, nachdem diese zuvor Auszüge aus dem Buch veröffentlicht hatte. Gegen Connolly wurde wegen Zuwiderhandlung gegen Artikel 11, 12 und 17 BSt ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Er wurde zudem zunächst vorläufig aus dem Dienst entlassen, bis beschlossen wurde, dass als Disziplinarstrafe die Entfernung aus dem Dienst ohne Aberkennung des Ruhegehaltsanspruches verhängt werden sollte. Die Kommission gab an, Connolly habe mit der Veröffentlichung, die seiner persönlichen Ansicht entspreche und nicht die Ansicht der Kommission widerspiegele, die Interessen der Gemeinschaften schwer verletzt und das Ansehen und den Ruf der Kommission schwer beschädigt sowie das Ansehen der Beamten beeinträchtigt. Connolly erhob im Jahr 1996 Klage beim EuG, um sich gegen die Entfernung aus dem Dienst zu wehren. Diese Klage wurde jedoch vom EuG abgewiesen. Daraufhin legte Connolly Rechtsmittel beim EuGH gegen die Entscheidung des EuG ein. Der EuGH wies dieses Rechtsmittel zurück und bestätigte das Urteil des EuG.1422 Connolly sah in den Art. 12 und Art. 17 BSt eine Vorzensur, die gegen Art. 10 EMRK verstößt. Der EuGH setzte sich mit den Grundrechten auseinander, insbesondere mit der Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK. Er führte aus, dass die Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehörten, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern habe. Dabei lasse sich der Gerichtshof von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedsstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die Mitgliedsstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. Er bezieht sich dabei auch auf die Rechtsprechung des EGMR. Der EuGH führt weiter aus, dass Beamten und Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften das Recht auf freie Meinungsäußerung zustehe, wie in der Entscheidung Oyowe und Traore/Kommission entschieden.1423 Davon eingeschlossen sei die mündliche oder schriftliche Äußerung von Ansichten, die sich von denjenigen unterschieden, die das Gemeinschaftsorgan, bei dem sie beschäftigt seien, vertrete. Gleichwohl dürften Beamte wegen ihrer
1422
EuGH, Urteil vom 6.3.2001, EuR 2001, 542, ECLI:EU:C:2001:127, (Connolly/Kommission); siehe hierzu auch Alber, ZBR 2002, 225 (226). 1423 S. EuGH, Urteil vom 13.12.1989, BeckRS 2004, 70615, ECLI:EU:C:1989:638, (Oyowe und Traore/Kommission).
B. Macht im Beamtenverhältnis
231
Stellung Pflichten unterworfen werden, wie sie in Art. 11 und 12 BSt vorgesehen sind. Sinn und Zweck solcher Verpflichtungen sei es, das Vertrauensverhältnis aufrecht zu erhalten. Als legitimes Ziel für Einschränkungen der Meinungsfreiheit diene auch der Schutz der Rechte anderer im Sinne von Art. 10 II EMRK. Im vorliegenden Fall wären das die Institutionen, die mit im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben vertraut seien, auf deren ordnungsgemäße Erfüllung der Bürger zählen können müsse. Somit dürfe ein Beamter seine Verpflichtungen, insbesondere aus den Art. 11, 12 und 17 BSt, nicht durch schriftliche oder mündliche Äußerungen verletzen und damit die Vertrauensbeziehung mit seinem Gemeinschaftsorgan zerstören. Connolly hat gegen Art. 12 BSt verstoßen, weil die Veröffentlichung zahlreiche aggressive, herabwürdigende und oft beleidigende Behauptungen enthalten habe, die durch die Presse eine erhebliche Verbreitung erfahren hätten. Somit sei nicht nur in der Zuwiderhandlung gegen Art. 17 II BSt und in der Äußerung einer abweichenden Ansicht ein Grund für die Entfernung aus dem Dienst zu sehen, sondern auch in der heftigen Kritik und der Beleidigung der Mitglieder der Kommission und des Dienstvorgesetzten. Dadurch sei das Vertrauensverhältnis in nicht wieder gut zu machender Weise zerstört worden. In Bezug auf die Tatsache, dass Art. 17 II BSt klarstelle, dass eine Erteilung der Zustimmung als Grundsatz gelte und dass sie nur ausnahmsweise versagt werden könne, wird weiter ausgeführt, dass eine Zustimmung nur dann versagt werden könne, wenn die Veröffentlichung geeignet sei, den Interessen der Gemeinschaft einen schweren Schaden zuzufügen. In Anbetracht all dieser Voraussetzungen kommt der EuGH zu dem Schluss, dass das EuG zu Recht entschieden habe, dass Connolly nicht in seiner Meinungsfreiheit verletzt worden sei.1424 bb) Bermejo Garde/EWSA Moises Bermejo Garde war Beamter beim Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss im Bereich des juristischen Dienstes. Ein neuer Generalsekretär trat seinen Dienst an, und die Beziehung zwischen Bermejo Garde und dem Generalsekretär verschlechterte sich zusehends. Bermejo Garde warf ihm vor, er würde unzulässigen Druck auf den juristischen Dienst ausüben. Deshalb verfasste er ein Schreiben, das er an den Präsidenten des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, sowie an die Präsidenten der drei Sozialgruppen richtete. In dem Schreiben zählte Bermejo Garde zahlreiche schwerwiegende Rechtswidrigkeiten, die der Generalsekretär und in geringem Umfang der Referatsleiter begangen hatten, auf. Er berief sich dabei ausdrücklich auf Art. 22a BSt. Darüber hinaus beantragte er Beistand nach Art. 24 BSt und verlangte das Ergreifen notwendiger Maßnahmen zur Beendigung des Mobbings durch den Generalsekretär. Bermejo Garde hatte des Weiteren geplant, den anderen Mitgliedern des Präsidiums einen Umschlag mit einer Kopie des Schreibens in ihren Räumen zu hinterlegen und hatte diese auch per E-Mail darüber benachrichtigt. Die Aktion wurde jedoch von dem Präsidenten und den drei Vorsitzenden der Ausschüsse verhindert. Es wurden interne Untersuchungen eingeleitet, die zu dem Schluss kamen, dass die Mobbingvorwürfe unbegründet seien 1424
EuGH, Urteil vom 6.3.2001, EuR 2001, 542, ECLI:EU:C:2001:127, (Connolly/Kommission).
232
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
und vielmehr als Meinungsverschiedenheiten zu qualifizieren seien. Der Präsident forderte Bermejo Garde auf, sein Schreiben zurückzunehmen, was dieser jedoch ablehnte. Bermejo Garde beharrte weiterhin darauf, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Der Präsident gab in seiner Entscheidung bekannt, dass er sämtliche Anträge von Bermejo Garde zurückweise. Bermejo Garde wurde nach Konsultation und Zustimmung des Generalsekretärs im dienstlichen Interesse und mit sofortiger Wirkung in eine andere Dienststelle versetzt. Bermejo Garde legte daraufhin gegen die Entscheidungen des Präsidenten, die Beendigung seiner früheren Tätigkeit und die Versetzung Beschwerde nach Art. 90 II BSt ein. Das Gericht legte im Folgenden Voraussetzungen fest, nach denen ein Beamter in Treu und Glauben vom Recht auf Weitergabe nach den Art. 12a und 22a BSt Gebrauch machen kann. Die Unregelmäßigkeiten, die der Beamte übermittelt, müssen offensichtlich schwerwiegenden Charakter haben. Daneben muss die Authentizität oder zumindest die Glaubhaftigkeit der weitergegebenen Informationen gegeben sein. Die Ausübung der Freiheit der Meinungsäußerung, zu der die Möglichkeit eines Beamten gehört, Mobbing oder rechtswidrige Handlungen oder eine schwerwiegende Verletzung der Dienstpflichten der Beamten anzuzeigen, sei mit Pflichten und Verantwortlichkeiten verbunden, und wer beschließe, solche Informationen weiterzugeben, müsse, soweit die Umstände dies zulassen, genau prüfen, ob sie genau und glaubhaft seien. Insofern müsse sich der Beamte vergewissern, dass seine Anschuldigungen auf genauen Tatsachen beruhen oder sich zumindest auf eine ausreichende Tatsachengrundlage stützen. Es sei auch erforderlich, dass sich der Beamte an die zuständige Stelle oder Behörde gewendet habe, nämlich seinen unmittelbaren Vorgesetzten oder Generaldirektor oder, falls er dies für zweckdienlich hält, den Generalsekretär oder Personen in vergleichbaren Positionen oder gleich direkt an das OLAF. Der Beamte dürfe keine persönlichen Vorwürfe machen wollen oder aus Feindseligkeit heraus handeln, oder wegen der Aussicht auf einen persönlichen, insbesondere finanziellen Vorteil. Ist so ein Beweggrund gegeben, handelt der Beamte nicht in Treu und Glauben. Auf den Fall bezogen, sah das Gericht keine Unregelmäßigkeiten. Zudem hatte Bermejo Garde sein Schreiben nicht nur an die zuständigen Stellen, sondern auch andere Mitglieder des Präsidiums gerichtet, um so dem Schreiben eine besonders große Aufmerksamkeit zu verschaffen. Dadurch verstieß er gegen die Pflicht, größtmögliche Vorsicht und Zurückhaltung bei der Veröffentlichung von Anschuldigungen walten zu lassen, wie sie im Urteil Nijs/Rechnungshof1425 herausgearbeitet wurden. Die Klage von Bermejo Garde war nicht erfolgreich.1426
1425
EuGH, Urteil vom 13.1.2011, ECLI:EU:F:2011:2, (Nijs/Rechnungshof). Siehe für die deutsche Zusammenfassung 1426 EuGH, Urteil vom 25.9.2012, ECLI:EU:F:2012:135, (Bermejo Garde/ESWA). Zur Meinungsäußerungsfreiheit im Zusammenhang mit Art. 17 Abs. 2 des Beamtenstatuts siehe z.B. auch, EuGH, Urteil vom 13.12.2001, ECLI:EU:C:2001, (Czwick/Kommission).
B. Macht im Beamtenverhältnis
233
cc) Strack/Kommission Guido Strack war als Beamter bei der Kommission tätig und informierte OLAF über Missstände in seiner Behörde. Für die Aufgabe der Rechtskonsolidierung wurde im Wege eines öffentlichen Vergabeverfahrens ein privates Unternehmen beauftragt. Strack stellte fest, dass der beauftragte externe Dienstleister seine Arbeiten mangelhaft ausführte. Das Amt handelte mit dem Dienstleister einen vertraglichen Kompromiss aus, der bei nochmaliger mangelhafter Leistung Sanktionen vorsah. Nachdem abermals die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Leistung nicht eingehalten wurden, schlug Strack vor, die vorgesehenen Sanktionen durchzuführen. Die Behörde vereinbarte jedoch mit dem Dienstleister Änderungen über das Preissystem, das nach Auffassung von Strack zu unbegründeten Gewinnsteigerungen für den Dienstleister führte. Daraufhin unterrichte Strack das OLAF. Dieses sah jedoch keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten und stellte die Ermittlungen ein. Es folgte ein über zehn Jahre andauernder Rechtsstreit. Strack leidet heute unter Depressionen und seine Ehe ist zerbrochen. Er ist frühpensioniert, seit die EU-Kommission seine Krankheit als berufsbedingt anerkannt hat.1427 Strack hatte als EU-Beamter zunächst das Verfahren der Verwaltungsbeschwerde nach Art. 90 II BSt zu durchlaufen, bevor er gegen die Kommission klagen konnte. Im Rahmen der Verwaltungsbeschwerde machte er seinen Anspruch auf Dokumentenzugang geltend. Anschließend erhob Strack mehrere Klagen gegen die Kommission. Für Strack hatte sein Whistleblowing negative Konsequenzen. Er erhielt negative Beurteilungen, wurde nicht mehr befördert und seine Bewerbung auf eine andere Stelle wurde negativ beschieden.1428 Deshalb begehrte er die Aufhebung seiner dienstlichen Beurteilung1429 und erhob Klage
gegen
seine
Nichtbeförderung.1430
Des
Weiteren
wandte
er
sich
gegen
die
Einstellungsentscheidung des OLAF. Er machte geltend, die Entscheidung gegen eine weitere Untersuchung habe auch für ihn bindende Rechtswirkung, da sie ihm den Rechtsstatus des Whistleblowers entziehe.1431 Er war der Meinung, das OLAF sei seiner Meldung nicht ordnungsgemäß nachgegangen. Eine solche Behandlung habe für ihn nachteilige Auswirkungen im Sinne von Art. 24 III BSt. Er stehe nun als jemand da, der Dritte zu Unrecht beschuldigt habe und es gebe für ihn keine Möglichkeit, dieses Bild gerade zu rücken oder seine Verbreitung zu verhindern. Dadurch könnten Beurteilung und Beförderung gefährdet sein. Somit müsse er gegen die angefochtene Maßnahme vorgehen können. Strack forderte, er solle dieselben Schutzmaßnahmen erhalten können, die er für den Fall, dass das OLAF den Fall weiter untersucht hätte, erhalten hätte. Die Kommission hingegen war der Auffassung, dass Strack nicht als Denunziant dastehe. Das Gericht stellte fest, dass Strack immer noch den Schutz von Art. 22a und 22b BSt genieße. Mithin lässt sich aus der Entscheidung ableiten, dass der
1427
Vgl. Beck, SZ vom 24.9.2011. PWC-Studie des Directorate General for internal Policies 2011, S. 28. EuG, Urteil vom 30.1.2008, ECLI:EU:T:2008:18, (Strack/Kommission). 1430 EuG, Urteil vom 30.1.2008, ECLI:EU:T:2008:20, (Strack/Kommission). 1431 EuG, Beschluss vom 22.3.2006, BeckRS 2010, 91971, ECLI:EU:T:2006:93, (Strack/Kommission). 1428 1429
234
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Whistleblower-Schutz aus Art. 22a und 22b BSt unabhängig von dem Ergebnis der Ermittlungen zu gewähren ist.1432 Die Entscheidung wurde in höherer Instanz bestätigt. Strack hatte angeführt, die streitige Entscheidung sei eine ihn beschwerende Maßnahme. Dafür nannte er diverse Gründe. Zum einen sah Strack das öffentliche Interesse an Anzeigen und den effet utile durch die seiner Meinung nach nicht ordnungsgemäß durchgeführten Ermittlungen gefährdet, sodass sich daraus eine beschwerende Maßnahme ergebe. Auch aus der Nichtbeachtung der Informationspflicht nach Art. 22b I b BSt ergebe sich die Beschwer. Zudem habe das OLAF keine geeigneten Maßnahmen im Sinne von Art. 22a und 22b BSt getroffen. Die nachteiligen Auswirkungen, die sich aus der Rechtswidrigkeit der Entscheidung und auch aus dem Umstand, dass er nun als Denunziant gelte, ergäben, hätten zudem seinen Gesundheitszustand verschlechtert. Außerdem seien in erster Instanz Verfahrensfehler des Gerichts vorgelegen. Strack erhob zahlreiche weitere Klagen, die er zum Teil auf die Whistleblowing-Regelungen des BSt stützte. So war Stracks Bewerbung auf eine freie Planstelle negativ beschieden worden. Strack behauptete, die Ablehnung seiner Bewerbung hinge damit zusammen, dass Personen im Entscheidungsprozess zur Bewerberauswahl beteiligt gewesen seien, die zugleich durch die durch seinen Hinweis an das OLAF ausgelösten Ermittlungen betroffen gewesen seien. Daher verlange er im Rahmen des Art. 22a III BSt Schutz vor negativen Auswirkungen, die sich aufgrund seines Hinweises ergeben hätten. Das Gericht sah jedoch keine Kausalität zwischen der Ablehnung seiner Bewerbungen und der Beteiligung der Personen am Entscheidungsprozess zur Bewerberauswahl.1433 Strack sah sich des Weiteren in der Beistandspflicht nach Art. 24 BSt verletzt, da er meinte, in seiner Ehre verletzt und immateriell geschädigt worden zu sein, indem die Kommission seine Erklärungen im abschließenden Final Case Report verfälscht habe. Das Gericht in erster und zweiter Instanz sprach Strack ab, dass die Maßnahmen ihn unmittelbar und individuell beträfen. Diese seien daher nicht als beschwerende Maßnahmen zu bewerten. Immaterielle und ideelle Interessen würden hierfür nicht ausreichen. Strack hätte nur Beschwerdepunkt geltend machen können, die ihn persönlich betreffen. Nachteilige Auswirkungen verliehen einer Maßnahme nicht den Charakter einer beschwerenden Maßnahme. Gegen solche Auswirkungen könne der Hinweisgeber gesondert vorgehen. Somit sei ihm der Beschwerdeweg nach Art. 90 BSt, der eine beschwerende Maßnahme voraussetzt, verwehrt. Das Gericht wies Stracks Rechtsmittel als insgesamt unbegründet zurück.1434
1432 1433 1434
EuG, Beschluss vom 22.3.2006, BeckRS 2010, 91971, ECLI:EU:T:2006:93, (Strack/Kommission) EuGÖD, Urteil vom 25.9.2008, , BeckEuRS 2008, 479852, ECLI:EU:F:2008:123 (Strack/Kommission). Siehe hierzu den Beschluss in zweiter Instanz, EuGH, Beschluss vom 8.3.2007, ECLI:EU:C:2007:156, (Strack/Kommission); siehe hierzu auch Reithmann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 336 AEUV, Rn. 66.
B. Macht im Beamtenverhältnis
235
Es folgten diverse weitere Klagen, wie beispielsweise auf Dokumentenzugang.1435 Strack wandte sich auch mit mehreren Beschwerden an den Europäischen Bürgerbeauftragten, unter anderem aufgrund der Verweigerung des Dokumentenzugangs.1436 Der Europäische Bürgerbeauftragte hatte festgestellt, dass die Kommission und das OLAF Strack in seinem Recht auf Dokumentzugang verletzt habe.1437 Letztendlich dauerten die diversen Rechtsstreitigkeiten über ein Jahrzehnt an. Erst im Jahr 2016 wurde ein letztes Urteil gefällt.1438 Der Fall zeigte, dass der Whistleblower-Schutz nach Art. 22a und 22b BSt nicht ausreichend ist. Der Whistleblower erhält allenfalls dann Schutz, wenn seine Hinweise tatsächlich einen Missstand aufdecken. Das Risiko, dass ein Verdacht fälschlicherweise, wenn auch in gutem Glauben erhoben wurde, trägt der Whistleblower. dd) De Brito Sequeira Carvalho/Kommission Nach der Rechtsprechung des EuGöD muss ein Whistleblower das Mäßigungsgebot beachten und darf nur Anschuldigungen erheben, wenn diese erforderlich sind, um seine Interessen zu verteidigen.1439 Dabei kann er den Schutz aus der Whistleblowing-Regelung des Art. 22a BSt, nach der ihm durch die Weitergabe von Informationen keinerlei nachteilige Auswirkungen treffen dürfen, nur erhalten, wenn und soweit er die Voraussetzungen der Norm auch selbst befolgt. Dadurch ist eine Weitergabe von Informationen, die nicht von Art. 22a, 22b und 24 BSt gedeckt sind, ein Verstoß gegen Art. 12 BSt des Beamtenstatuts, unabhängig davon, ob die Informationen zutreffend sind oder nicht.1440 ee) Cwik/Kommission Der Beamte Michael Cwik hatte die Zustimmung zur Veröffentlichung eines Artikels beantragt, der auf einem von ihm im Rahmen eines Kongresses gehaltenen Vortrag mit dem Titel „Die Notwendigkeit einer wirtschaftspolitischen Feinsteuerung auf lokaler und regionaler Ebene in der Währungsunion der Europäischen Union“ basierte. Die erste Fassung, zu der er die Zustimmung zur Veröffentlichung beantragte, wurde abgelehnt, sodass er diese noch einmal überarbeitete. Ihm wurde jedoch abermals die Zustimmung zur Veröffentlichung versagt. Als Begründung wurde angegeben, dass in dem Artikel ein Standpunkt
vertreten
werde,
der
dem
der
Dienststelle
widerspreche.1441
Cwik
legte
Verwaltungsbeschwerde gegen die Entscheidung ein, die aber zurückgewiesen wurde, woraufhin er Klage erhob. Er erhielt vor dem EuG Recht.1442 Das Gericht führte aus: „In einer demokratischen 1435
EuGH, Urteil vom 26.4.26, ECLI:EU:T:2016:242, (Strack/Kommission). Weitere Klagen ECLI:EU:F:2014:52 und ECLI:EU:F:2010:96. 1436 Beschwerde Az. 1434/2004/PB. Weitere Beispiele für Beschwerden Az. 3402/2004/PB; Az. 0144/2005/PB. 1437 Siehe hierzu, Schulzki-Haddouti, auf heise online vom 17.8.2015. 1438 EuG, Urteil vom 26.4.2016, ECLI:EU:T:2016:242, (Strack/Kommission). Siehe zur Chronologie die Website . 1439 So Reithmann, EuR 2015, 763 (776) in Bezug auf die Rechtssache de Brito Sequeira Carvalho/Kommission, ECLI:EU:F:2013:126. 1440 So Reithmann, EuR 2015, 763 (776) in Bezug auf die Rechtssache de Brito Sequeira Carvalho/Kommission, ECLI:EU:F:2013:126. 1441 EuG Urteil vom 14.7.2000, ECLI:EU:T:2000:193, (Cwik/Kommission); siehe auch Alber, ZBR 2002, 225 (226). 1442 Der EuGH bestätigte das Urteil des EuG und wies das Rechtsmittel der Kommission zurück, siehe Urteil
236
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Gesellschaft, die auf der Wahrung der Grundrechte beruht, kann die Tatsache, daß ein Beamter Ansichten öffentlich äußert, die von denen des Organs, für das er arbeitet, abweichen, nicht schlechthin als im Sinne von Artikel 17 Absatz 2 des Statuts geeignet angesehen werden, die Interessen der Gemeinschaften zu beeinträchtigen. Offensichtlich besteht der Nutzen der freien Meinungsäußerung gerade in der Möglichkeit, Meinungen zu äußern, die sich von den auf offizieller Ebene vertretenen unterscheiden. Ließe man es zu, daß die Meinungsäußerungsfreiheit allein deshalb eingeschränkt werden könnte, weil die betreffende Meinung von dem von den Organen eingenommenen Standpunkt abweicht, so liefe dies darauf hinaus, daß diesem Grundrecht sein Gehalt genommen würde.“1443 ff) Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf das nationale Beamtenrecht Die Rechtsprechung des EuGH nimmt Einfluss auf das nationale Beamtenrecht.1444 Dabei unterscheidet die Rechtsprechung nicht zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Beschäftigten, sondern fasst alle unter den Begriff des Arbeitnehmers.1445 Eine Überprüfung der Unionsrechtskonformität von einzelnen nationalen Vorschriften erfolgt in der Rechtsprechung des EuGH nur punktuell.1446 i)
Sanktionen im europäischen Dienstrecht
Auf Ebene des europäischen Dienstrechtes besteht mit Anhang IX zum Beamtenstatut eine eigene Disziplinarordnung. In Art. 9 des Anhangs werden die möglichen Disziplinarstrafen aufgeführt. In Art. 9 I lit. h ist die Entfernung aus dem Dienst als mögliche Sanktionsmaßnahme bei Fehlverhalten des Beamten genannt. Art. 10 S. 1 legt fest, dass die verhängte Disziplinarstrafe der Schwere des Dienstvergehens entsprechen muss. Wie schwer das Dienstvergehen wiegt und welche Disziplinarstrafe angemessen ist, lässt sich anhand der in Art. 10 S. 2 genannten Kriterien beurteilen. Dort sind unter anderem als Kriterien genannt: die Gründe des Beamten für das Dienstvergehen (lit. d), der Grad der persönlichen Verantwortung des Beamten (lit. f) sowie das Ausmaß, in dem das Dienstvergehen die Integrität, den Ruf oder die Interessen der Organe beeinträchtigt (lit. c). Eine Disziplinarstrafe kann gemäß Art. 86 I BSt gegen Beamte oder ehemalige Beamte verhängt werden, die vorsätzlich oder fahrlässig die ihnen vom Statut auferlegten Pflichten verletzen. Einwirkungen des Europarechts auf das nationale Dienstrecht Das europäische Beamtenrecht kann allenfalls mittelbar auf das nationale Beamtenrecht Einfluss nehmen, indem es als Impulsgeber dient. Dabei muss aber stets überprüft werden, ob der Impuls in das nationale deutsche Beamtenrecht umgesetzt werden kann. Mithin kann nicht von einem gewichtigen
vom 13.12.2001, ECLI:EU:C:2001:701, (Kommission/Cwik). Siehe hierzu die deutsche Zusammenfassung unter , EuG, Urteil vom 14.7.2000, ECLI:EU:T:2000:193, (Cwik/Kommission); siehe auch Alber, ZBR 2002, 225 (227). 1444 Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 384. 1445 Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 384. 1446 Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 384 f. 1443
B. Macht im Beamtenverhältnis
237
Einfluss des europäischen Beamtenrechts auf das nationale Beamtenrecht gesprochen werden. Anders ist hingegen die Einwirkung der GrCh und der EMRK auf das nationale Beamtenrecht zu beurteilen. Die Europäische Union hat zwar weder die Regelungskompetenz für das nationale Beamtenrecht noch hat sie sich die Harmonisierung der Dienstverhältnisse zum Ziel gesetzt, vgl. Art. 3 EUV.1447 Ein mittelbarer Einfluss kann aber ausgemacht werden.1448 Die Einwirkungen des europäischen Rechts auf das
nationale
Beamtenrecht
zeigen
sich
beispielsweise
im
Streikrecht1449
und
im
Diskriminierungsrecht.1450 Es zeichnet sich dabei eine Annäherung von Beamten und Angestellten ab.1451 Einflussmöglichkeiten ergeben sich vor allem über die Beschäftigungsverhältnisse, zu denen auch das Beamtenverhältnis zählt, die Grundfreiheiten, das Diskriminierungsrecht und die Grundrechte.1452 Auf die Beeinflussung durch die EMRK wurde bereits zu Anfang eingegangen. Der Einfluss der Unionsgrundrechte ist im Vergleich geringer. Zum einen lässt sich ein weitgehender Gleichlauf zwischen Unionsgrundrechten und deutschen Grundrechten ausmachen.1453 Zum anderen wird der Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte durch Art. 51 GrCh auf die Durchführung des Unionsrechts begrenzt, sodass beispielsweise das Besoldungsrecht nicht vom Anwendungsbereich erfasst wird.1454 Die
beamtenrechtliche
Treuepflicht
berührt
weder
die
Arbeitnehmerfreizügigkeit
noch
Diskriminierungsaspekte, sodass sich keine Auswirkungen des Unionsrechts ergeben.1455 Daher ist der Einfluss des Unionsrechts auf das nationale Beamtenrecht eher gering. Fazit Insbesondere die EGMR-Rechtsprechung in der Rechtssache Heinisch wurde in Deutschland mit großem Interesse verfolgt. Der EGMR hat Kriterien für die Beurteilung von Whistleblowing vorgegeben, die auch im deutschen Recht über die unionsrechtskonforme Auslegung Geltung beanspruchen. Sie unterscheiden sich jedoch nicht grundlegend von den deutschen Kriterien. Das spezifische Recht der europäischen Beamten enthält Regelungen zum Whistleblowing, die dieses allerdings nicht vollumfassend regeln. Gerade der Blick auf die Rechtsprechung zeigt, dass die Regeln in der Praxis nicht immer zu einem ausreichenden Schutz für Hinweisgeber führen. Die vereinzelten Regeln im Beamtenstatut zeigen deutlich, dass deren Einführung nicht den benötigten Schutz bietet und
1447
Wolff, ZBR 2014, 1 (1). Wolff, ZBR 2014, 1 (1). 1449 Eine große Besonderheit besteht im europäischen Recht im Hinblick auf die Grundrechte von Beamten dahingehend, dass Beamte der EU streiken können. Ein Recht auf Streik ist auch in Art. 28 Grundrechtecharta normiert, Frenz, Handbuch Europarecht Band 6, Rn. 1705. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das Streikverbot bei Beamten hatte keinen Erfolg, siehe BVerfG, Urteil vom 12.6.2018 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15, NVwZ 2018, 1121. 1450 Demmke, ZBR 2013, 217 (218); Wolff, ZBR 2014, 1. 1451 Demmke, ZBR 2013, 217 (225). 1452 Aufzählung nach Wolff, ZBR 2014, 1 (2). 1453 Wolff, ZBR 2014, 1 (6). 1454 Wolff, ZBR 2014, 1 (6). 1455 Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 248. 1448
238
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
sie vielmehr eine schnelle Reaktion auf politische Skandale darstellen. Datenschutzrechtliche Aspekte werden überhaupt nicht adressiert und es wird nur punktuell der Whistleblowerschutz geregelt.
Geheimnisse im Beamtenverhältnis I.
Amtsgeheimnisse und Staatsgeheimnisse
In der Hierarchie der Verwaltung besteht ein Kommunikationsmonopol der Spitze für den Außenverkehr.1456 Es ist dem einzelnen Beamten nicht erlaubt, sich selbstständig an die Öffentlichkeit zu wenden.1457 Der Informationsfluss in der Verwaltung soll geregelt fließen. Zentral für diese Ausgestaltung
ist
der
Schutz
von
Amtsgeheimnissen,
der
unter
anderem
durch
die
Amtsverschwiegenheitspflicht abgesichert wird. Dadurch wird eine Geheimsphäre ausgebildet. Der Schutz von Staatsgeheimnissen ist notwendige Bedingung für und zugleich ein Instrument des (demokratischen) staatlichen Handelns.1458 Der Staat der Öffentlichkeit, wie ihn die demokratische Republik und das Grundgesetz vorsehen, erfordert Transparenz und Geheimhaltung zugleich.1459 Im Staat besteht eine Geheimsphäre, die auf der staatlichen Souveränität basiert.1460 Gleichzeitig stellt die Geheimhaltung eine Bedrohung für die Demokratie dar, wenn sie zu stark ausgeprägt ist.1461 Sie schneidet in einem solchen Fall die Bürger von einer Partizipation und einer durch sie ausgeübten Kontrolle ab und macht das staatliche Handeln intransparent. Max Weber führte in diesem Zusammenhang aus: „Jede Steigerung der Pflicht des ´Amtsgeheimnisses´ ist ein Symptom entweder für die Absicht der Herrschenden, die Herrengewalt straffer anzuziehen, oder für ihren Glauben an deren wachsende Bedrohlichkeit.“1462 Der Geheimhaltung selbst kommt kein genuiner, verfassungsrechtlicher Wert zu, ein solcher kann sich aber dadurch ergeben, dass die Geheimnisse der staatlichen Aufgabenwahrnehmung und damit dem Gemeinwohl dienen.1463
1456
Siehe hierzu Kühl, in: Knoblach u.a., S. 165 (170). Nach § 70 BBG entscheidet die Leitung der Behörde, wer den Medien Auskünfte erteilt. Im Beamtenverhältnis führt dies dazu, dass der Beamte seiner Amtsverschwiegenheitspflicht unterliegt und nur die Behördenleitung Auskunft geben darf und dass auch die Behördenleitung darüber entscheidet, ob Auskunft gegeben wird, Battis, §70 BBG, Rn. 2; Günther, NVwZ 2018, 1109, (1109). 1458 Voigt, in: Voigt, Staatsgeheimnisse, S. 10. 1459 Dietrich, RW 2016, 566 (566). 1460 Keber, in: Dörr/Weaver, S. 344 (345f.). Man kann beim Staat nicht von Privatheit sprechen, wenn man die Privatheit in der Tradition autonomer Individuen sieht und sie an die Grundrechte rückanbindet. 1461 Der Jurist Richard Schmid führte aus: „Von jeher lag eine der Gefahren der Demokratie im Geheimniswesen. Das Geheimnis ist ein wichtiges Attribut der Macht und sucht sich wie die Macht auszubreiten. Bei der Gestapo war sogar der Name des Beamten, zu dem man geladen war, ein Staatsgeheimnis; an der Türe durfte kein Name sichtbar sein. Der Hang zum Geheimniswesen ist latent in jeder staatlichen Bürokratie vorhanden; daher die geheimen Räte.“, Schmid, Der Spiegel vom 19.12.1962, S. 18. 1462 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 548. 1463 Benedikt, Geheimnisschutz, S. 21; Mayer-Metzner, Auskunft aus Dateien der Sicherheits- und Strafverfolgungsorgane, S. 166. 1457
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
I.
239
Strafrechtlicher Geheimnisschutz
§ 353b I StGB a) Tatbestand des § 353b I StGB Der Geheimnisschutz im Beamtenverhältnis erfährt auch eine strafrechtliche Normierung. Ist der Hinweisgeber ein Amtsträger, setzt er sich bei Weitergabe der Informationen dem Risiko aus, sich nach § 353b StGB strafbar zu machen. In § 353b StGB wird das Geheimnis im Rahmen eines Amtsdeliktes geschützt. Nach § 353b I 1 StGB macht sich strafbar, wer ein Geheimnis, das ihm als Amtsträger (Nr. 1), für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (Nr. 2), oder Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt (Nr. 3) anvertraut oder bekanntgemacht worden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet. Eine Strafbarkeit ist nach § 353b I 2 StGB auch bei fahrlässiger Gefährdung öffentlichen Interessen gegeben. Mithin wird hier ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht in den Fällen strafrechtlich geahndet, in denen eine Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen besteht.1464 Als Täter kommen bei diesem echten Sonderdelikt nur die im Tatbestand genannten Personengruppen in Betracht, zu denen gemäß § 353b I 1 Nr. 1 die Amtsträger zählen.1465 Umstritten ist, welches Rechtsgut durch § 353b StGB geschützt werden soll.1466 Der Schutz des öffentlichen Interesses vor Gefahren, die aus der Verletzung der Amtsverschwiegenheitspflicht entstehen, soll nach einer Ansicht Sinn und Zweck der Strafvorschrift sein.1467 Eine weitgehende Ansicht sieht den Schutz der Geheimnisse und Nachrichten, sowie das Vertrauen der Allgemeinheit in die Verschwiegenheit der amtlichen Stellen als Schutzgut an.1468 Nach dem BVerfG ist Sinn und Zweck der Vorschrift die Aufrechterhaltung und das einwandfreie Funktionieren einer geordneten Verwaltung.1469 b) Geheimnisbegriff Dienstgeheimnisse sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die dem Täter gerade aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Behörde oder Einrichtung und/oder in Ausübung seines Amtes zugänglich geworden sind und die ihrer Natur nach oder aufgrund einer Rechtsvorschrift oder aufgrund einer besonderen Anordnung der Geheimhaltung bedürfen.1470 Ein Geheimnis ist gerade nur einem begrenzten Personenkreis bekannt.1471 Für die Voraussetzung „anvertraut oder sonst bekannt geworden“, genügt es, wenn ein innerer Zusammenhang mit dem Dienst besteht.1472 Schafft ein Beamter ein Geheimnis erst
1464
Vgl. Kiraly, Whistleblower, S. 34. Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 353b StGB, Rn. 8f. Perron/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 353b StGB, Rn. 1. Amtsträger sind in § 11 I Nr. 2 StGB legaldefiniert. 1466 Einen Überblick über die einzelnen Ansichten gibt Puschke, in: MüKo StGB, § 353b, Rn. 2. 1467 Vgl. Heger, in: Lackner/Kühl, § 353b, Rn 1; Perron/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 353b, Rn. 1. 1468 So z.B. Fischer, § 353b, Rn. 2. 1469 BVerfGE 28, 191 (200). 1470 So die Definition nach Heger, in: Lackner/Kühl, § 353b, Rn 6 und Puschke, in: MüKO StGB, § 353b StGB, Rn. 20. 1471 Perron/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 353b StGB, Rn. 4. 1472 Heger, in: Lackner/Kühl, § 353b StGB, Rn. 7. 1465
240
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
durch eine eigene Entscheidung, so ist ihm das Geheimnis aber weder „anvertraut“, noch „sonst bekannt geworden“.1473 Insofern unterscheidet sich § 353b StGB von der Amtsverschwiegenheitspflicht nach § 67 BBG, bei der auch eigenes dienstliches Verhalten „bekannt geworden“ sein kann.1474 Die Offenkundigkeit einer Tatsache schließt ein Geheimnis aus.1475 Offenkundigkeit ist dann gegeben, wenn das Geheimnis in den Medien, im Internet, beispielsweise auch auf Internetplattformen wie Wikileaks, veröffentlicht wurde.1476 Darüber hinaus muss die Geheimhaltungsbedürftigkeit gegeben sein.1477 Die Unbefugtheit ist nach der herrschenden Meinung nur allgemeines Deliktsmerkmal der Rechtswidrigkeit ohne eigenständige Bedeutung.1478 Fasst man es jedoch als echtes Tatbestandsmerkmal auf, ergibt sich ein Gleichlauf mit § 67 II 1 Nr. 1 BBG, insofern als dann beide Ausnahmen schon auf Tatbestandsebene ausgeschlossen wären und nicht erst auf der Rechtfertigungsebene angesiedelt sind.1479 c) Tathandlung des § 353b I StGB § 353b I StGB stellt das unbefugte Offenbaren eines Dienstgeheimnisses unter Strafe. Tathandlung ist das Offenbaren, mit dem das Geheimnis auf irgendeine Art und Weise an einen anderen gelangt, der davon bislang noch keine Kenntnis hatte.1480 d) Taterfolg: Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen Für die Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen wird eine konkrete unmittelbare Gefährdung gefordert.1481 Aus dem Wortlaut lässt sich schließen, dass weder die Gefährdung privater Interessen, noch die Gefährdung öffentlicher Interessen, die nicht die Schwelle der Wichtigkeit überschreiten, erfasst sein sollen.1482 Doch auch diese Erkenntnis bringt keine Klarheit. Insbesondere die Schwelle der Wichtigkeit ist unbestimmt. Eine Annäherung kann nur mit Hilfe fallbezogener Rechtsprechung erfolgen.1483 Anerkannt als wichtige öffentliche Interessen wurden unter anderem die innere und äußere Sicherheit
1473
der
Bundesrepublik
Deutschland,1484
die
Zusammenarbeit
mit
ausländischen
So OLG Dresden, Beschluss vom 11.9.2007 - 2 Ws 163/07, NJW 2007, 3509. Siehe im Zusammenhang mit dem Urteil hierzu Plog/Wiedow, § 67 BBG, Rn. 15. Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 353b StGB, Rn. 11; Puschke, in: MüKO StGB, § 353b StGB, Rn. 23; BGHSt 48, 28 (30f); BGHSt 48, 126 (129f.). 1476 Schuldt, Geheimnisverrat, S. 75; 1477 Perron/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 353b StGB, Rn. 5; Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 353b StGB, Rn. 10; Puschke, in: MüKO StGB, § 353b StGB, Rn. 24; BGHSt 46, 339 (341). 1478 Perron/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 353b StGB, Rn. 8; Heger, in: Lackner/Kühl, § 353b, Rn. 13; Fischer, § 353b StGB, Rn. 18. 1479 Schuldt, Geheimnisverrat, S. 81; Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 353b StGB, Rn. 21; Puschke spricht der Unbefugtheit zum einen die Funktion als tatbestandseinschränkendes Merkmal für befugte Weitergaben und zum anderen als allgemeines Deliktsmerkmal der Rechtswidrigkeit, siehe Puschke, in: MüKO StGB, § 353b StGB, Rn. 38. 1480 Perron/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 353b StGB, Rn. 8; Puschke, in: MüKO StGB, § 353b StGB, Rn. 35. 1481 Perron/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 353b StGB, Rn. 9. 1482 Schuldt, Geheimnisverrat, S. 87 f.; Perron/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 353b StGB, Rn. 9 wollen damit „alle öffentlichen Belange von einigem Rang“ als erfasst ansehen. 1483 Schuldt, Geheimnisverrat, S. 88. 1484 BGHSt 10, 108 (109). 1474 1475
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
241
Nachrichtendiensten (im Fall Pätsch)1485 und die Sicherstellung ungestörter und effektiver Ermittlungen.1486 Keine Gefährdung öffentlicher Interessen im Sinne des § 353b StGB wurde hingegen im Fall eines Datenschutzbeauftragten, der datenschutzrechtliche Verstöße eines Mitgliedes der sächsischen Landesregierung der Öffentlichkeit bekannt machte, angenommen. Hierzu führte der BGH aus: „Ein Amtsträger, der wie der Angekl. zur Kontrolle der Gesetzestreue eines anderen Amtsträgers berufen ist, kann wichtige öffentliche Interessen nicht durch die Offenbarung eines Gesetzesverstoßes gefährden, wenn er die Öffentlichkeit – wie ersichtlich hier – auch als Verbündeten gewinnen will, um auf ein gesetzesmäßiges Verhalten hinzuwirken.“1487 Der Angeklagte selbst habe dadurch ein wichtiges öffentliches Interesse verfolgt, sodass eine mittelbare Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen verneint werden müsse, da in einem solchen Fall kein Verlust des Vertrauens der Öffentlichkeit hinsichtlich der Integrität des Datenschutzbeauftragten angenommen werden könne.1488 Mithin stellt der BGH klar, dass ein Datenschutzbeauftragter ausnahmsweise berechtigt sei, sein Schweigen über personenbezogene Daten zu brechen und zwar dann, wenn der Amtsträger, den er in datenschutzrechtlicher Hinsicht überprüfen solle, sich datenschutzwidrig verhalte. Aufgrund des datenschutzwidrigen Verhaltens seien die personenbezogenen Daten des Amtsträgers und die Integrität seines Amtes nicht schützenswert.1489 In der Literatur regten sich Stimmen, die darauf hinwiesen, dass sich aus diesem Fall keine generelle Aussage dahingehend gewinnen ließe, dass eine Missstandsmeldung dann keinen Verstoß gegen öffentliche Interessen darstelle, wenn die Aufdeckung des Missstandes selbst im öffentlichen Interesse liege.1490 Nach einer an die Rechtsprechung angelehnten Ansicht soll eine mittelbare Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen für die Verwirklichung des Taterfolgs genügen.1491 Aus der Zusammenschau der entsprechenden Rechtsprechung lässt sich folgern, dass es im Kern um das Vertrauen der Allgemeinheit in die Fähigkeit des Staates zur Geheimhaltung geht.1492 Dementsprechend wird in der Rechtsprechung das Schutzgut der Vorschrift, die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung, herangezogen. Dabei sei es irrelevant, ob die Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen unmittelbare oder mittelbare Konsequenz des Geheimnisbruchs sei.1493 Ob das Vertrauen erschüttert wurde, soll anhand der Reaktion der Öffentlichkeit festgestellt werden.1494 Welche Reaktion die Öffentlichkeit zeigt, liegt jedoch außerhalb des Einflusses des Täters und hängt von vielerlei Ursachen, wie beispielsweise
1485
BGHSt 20, 342 (382). BGHSt 46, 339 (345). 1487 BGH, Urteil vom 9.12.2002 - 5 StR 276/02, NJW 2003, 979 (980). Albrecht geht davon aus, dass sich dieser Gedanke auch auf das Dienstrecht übertragen lasse, freilich nur dann, wenn eine Art Garantenstellung gegeben sei, siehe Albrecht, DPolBl 2017, 26 (26). 1488 BGH, Urteil vom 9.12.2002 - 5 StR 276/02, NJW 2003, 979 (980). 1489 Vgl. Geis, MMR 2003, 330 (333). 1490 Bäcker, Die Verwaltung 2015, 499 (503) FN 16; Herold, ZBR 2013, 8 (10). 1491 BGHSt 11, 401 (404f.); BGH, Urteil vom 22.6.2000 - 5 StR 268/99, NStZ 2000, 596 (598). 1492 So das Ergebnis der Analyse von Schuldt, siehe Schuldt, Geheimnisverrat, S. 90. 1493 BVerfGE 28, 191 (200); siehe hierzu auch Schuldt, Geheimnisverrat, S. 90. 1494 Siehe hierzu Schuldt, Geheimnisverrat, S. 90 unter Verweis auf OLG Köln Urteil vom 30.6.1987 - Ss 234/87, NJW 1988, 2489 (2490f.). 1486
242
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
der Presseberichterstattung, ab.1495 Zudem ist fraglich, ob das Vertrauen wirklich durch einen Einzelfall konkret gefährdet werden könne, handele es sich dabei doch um ein abstraktes Systemvertrauen in das Wirksamwerden von Normen und Institutionen.1496 Auch der Wortlaut von § 353b StGB lässt keinen Anknüpfungspunkt für mittelbare Gefährdungen erkennen.1497 Systematisch passt die Auffassung nicht zu § 203 II StGB, weil so sich divergierende Strafrahmen bei der Verletzung von Privatgeheimnissen ergeben, die nicht begründet werden können. Sowohl § 353b I StGB als auch § 203 II StGB können Privatgeheimnisse zum Gegenstand haben. In § 353b I StGB wird die Offenbarung mit einem vier Jahre erhöhten Strafrahmen im Vergleich zu § 203 II StGB bestraft.1498 Die Zusammenschau mit anderen Amtsdelikten zeigt, dass ihre Erfüllung regelmäßig zu einem Vertrauensverlust führen kann, sodass dies kein Spezifikum des § 353b StGB darstellt, gleichwohl aber nur bei diesem angenommen wird.1499 Die Auffassung der Rechtsprechung birgt zudem die Gefahr, dass das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen leerläuft, wirkt sich doch in der Regel jeglicher Geheimnisbruch negativ auf das Vertrauen in die Verwaltung und die Geheimhaltungsfähigkeit des Staates aus.1500 Die Rechtsprechung versucht diesem Ergebnis mit einer Gesamtwürdigung im Einzelfall Einhalt zu gebieten.1501 e) Subjektiver Tatbestand Subjektiv verlangt § 353b I 1 StGB Vorsatz hinsichtlich der objektiven Tatumstände der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen.1502 Nach § 353b I 2 StGB findet bei Fahrlässigkeit in Bezug auf die Gefährdung öffentlicher Interessen ein milderer Strafrahmen Anwendung.1503 f) Konflikt zwischen Pressefreiheit und Geheimnisschutz Bis zum Jahr 1979 existierte § 353c StGB, welcher auch als „Maulkorb-Paragraph“ betitelt wurde und es Nicht-Amtsträgern wie etwa Journalisten verbieten sollte, Dienstgeheimnisse zu veröffentlichen oder weiterzugeben.1504 Im Unterschied zu § 353b StGB konnte sich nach § 353c StGB jedermann strafbar machen, der unbefugt Amtsgeheimnisse offenbarte, die wichtige öffentliche Interessen gefährdeten. § 353c StGB kam ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik und wurde gestrichen.1505 Auslöser für die
1495
Schuldt, Geheimnisverrat, S.92; gegen eine „Ersetzung der Rechtsanwendung durch Demoskopie“ Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 353b StGB, Rn. 28. 1496 Schuhmann, NStZ 1985, 170 (172); siehe hierzu auch Schuldt, Geheimnisverrat, S. 94. 1497 Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 353b StGB, Rn. 28. 1498 Schuldt, Geheimnisverrat, S. 93; Perron/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 353b StGB, Rn. 6a. 1499 Perron/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 353b StGB, Rn. 6a. 1500 Schuldt, Geheimnisverrat, S. 91. 1501 BGH, Urteil vom 22.6.2000 - 5 StR 268/99, NStZ 2000, 596 (598); BVerfGE 115, 166 (202). 1502 Puschke, in: MüKO StGB, § 353b StGB, Rn. 47f. 1503 Puschke, in: MüKO StGB, § 353b StGB, Rn. 48; Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 353b StGB, Rn. 39f. Vertritt man die Auffasung, dass die Unbefugtheit ein echtes Tatbestandsmerkmal ist, muss sich auch hierauf der Vorsatz beziehen, Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 353b StGB, Rn. 40. 1504 Vgl. Beer, in: FS Schmid, S. 334. 1505 Vgl. Schueler, Die Zeit vom 11.1.1980; Beer, in: FS Schmid, S. 334.
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Streichung von § 353c StGB war ein Lauschangriff des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf den Diplom-Ingenieur Karl Traube, weil befürchtet wurde, dass dieser Atomgeheimnisse an Terroristen verrate. Der Verfassungsschützer Karl Dirnhofer sollte geheime Unterlagen über den Fall Traube an den Journalisten Hans Georg Faust weitergegeben haben. Pressefreiheit und Geheimnisschutz standen jedoch auch in jüngster Vergangenheit in Konflikt. Im Jahr 2005 veröffentlichte das Magazin „Cicero“ einen Artikel über den Terroristen Abou Mousab al Zarqawi, in dem es auch aus Verschlussakten des Bundeskriminalamtes zitierte. Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Journalisten und den Chefredakteur des „Cicero“ wegen Beihilfe zum Verrat von Dienstgeheimnissen (§ 353b StGB) eingeleitet. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahren wurden die Wohnungen der Journalisten durchsucht und Daten von einer Festplatte, sowie weitere zwölf Kisten mit Unterlagen aus der Wohnung eines Journalisten beschlagnahmt.1506 Gegen einen der Journalisten und den Chefredakteur wurde Anklage erhoben, das LG Potsdam lehnte jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Beihilfe zur Verletzung von Dienstgeheimnissen mangels hinreichendem Tatverdacht ab. Gegenüber dem Chefredakteur wurde das Verfahren nach § 153a StPO eingestellt. Der Chefredakteur erhob Verfassungsbeschwerde zum BVerfG gegen den Beschluss des Amtsgerichts, der die Durchsuchung der Redaktionsräume des „Cicero“ anordnete. Das BVerfG stellte einen Verstoß gegen die Pressefreiheit nach Art. 5 I 2 GG fest. In seinem Urteil hob das BVerfG die Rolle der freien Medien als schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Grundordnung hervor.1507 Eine Durchsuchung von Redaktionsräumen könne eine einschüchternde und damit beeinträchtigende Wirkung haben. Zudem könnte sie potentielle Informanten von der Hinweisgebung abhalten, weil diese befürchten könnten, dass ihre Identität aufgedeckt werde, sodass keine Informationen mehr geliefert würden, wenn aufgrund der Durchsuchung die Anonymität nicht aufrechterhalten werde könne.1508 Die der Durchsuchungsanordnung zugrundeliegende Beweislage reiche unter Berücksichtigung der Pressefreiheit nicht für eine Durchsuchung und Beschlagnahme aus.1509 Dem Informantenschutz sei bei Anwendung und Auslegung der Normen zur Durchsuchung und Beschlagnahme
nicht
ausreichend
Rechnung
getragen
worden.1510
Durchsuchungen
und
Beschlagnahmen seien in einem Ermittlungsverfahren zudem verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dazu dienen, den Informanten zu ermitteln.1511 Fortan muss eine Beihilfe zum Geheimnisverrat durch Journalisten die Schwelle überwinden, dass „tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer vom Geheimnisträger bezweckten Veröffentlichung des Geheimnisses und damit einer beihilfefähigen Haupttat“ gegeben sind.1512 Eine bloße Veröffentlichung von Dienstgeheimnissen
1506
Siehe zum Sachverhalt BVerfG, Urteil vom 27.2.2007 - 1 BvR 538/06, NJW 2007, 1117, sowie Schmidt-De Caluwe NVwZ 2007, 640 (640). BVerfG, Urteil vom 27.2.2007 - 1 BvR 538/06, NJW 2007, 1117 (1118). 1508 BVerfG, Urteil vom 27.2.2007 - 1 BvR 538/06, NJW 2007, 1117 (1118). 1509 BVerfG, Urteil vom 27.2.2007 - 1 BvR 538/06, NJW 2007, 1117 (1119). 1510 BVerfG, Urteil vom 27.2.2007 - 1 BvR 538/06, NJW 2007, 1117 (1120). 1511 BVerfG, Urteil vom 27.2.2007 - 1 BvR 538/06, NJW 2007, 1117 (1120). 1512 BVerfG, Urteil vom 27.2.2007 - 1 BvR 538/06, NJW 2007, 1117 (1120). 1507
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Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
durch Journalisten genüge gerade nicht, um eine Beihilfestrafbarkeit zu erfüllen. Diese vom BVerfG gestellten Anforderungen dürften praktisch kaum erfüllbar sein.1513 Kritisiert wurde das Urteil des BVerfG dahingehend, dass der Schutz der Pressefreiheit undifferenziert und unabhängig von dem öffentlichen Interesse an Offenbarung aber auch Geheimhaltung gefordert werde.1514 Im Nachgang des „Cicero“-Urteils wurde 2012 § 353b IIIa StGB eingefügt.1515 Demnach sind Beihilfehandlungen von Personen nach § 53 I 1 Nr. 5 StPO nicht rechtswidrig, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung eines Geheimnisses oder des Gegenstandes oder der Nachricht, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken. Demnach darf aber der Berufsgeheimnisträger im Sinne von § 53 I 1 Nr. 5 StPO nicht selbst in den Geheimnisverrat verwickelt sein.1516 Der Chefredakteur des Cicero, Bruno Schirra, verlor aufgrund der Ermittlungen seine Existenzgrundlage, da fortan Informanten, die für die von ihm behandelten Themen Islamismus, Terrorismus, Geheimdienste und Korruption unerlässlich sind, nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten wollten.1517 Der befürchtete chilling-effect trat in diesem Fall also ein. § 203 II StGB Nach § 203 II 1 Nr. 1 StGB werden Amtsträger wegen Verletzung von Privatgeheimnissen bestraft, wenn sie unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnis offenbaren, das ihnen als Amtsträger anvertraut oder bekannt geworden ist. Im Gegensatz zu § 353b StGB nennt § 203 II StGB nicht die Gefährdung wichtiger öffentliche Interessen, sodass sich in Bezug auf Privatgeheimnisse ein unterschiedlicher Anwendungsbereich ergibt.1518 Für Hinweisgeber besteht daher ein Strafbarkeitsrisiko, wenn sie ein Geheimnis im Sinne des § 203 II StGB als Amtsträger offenbaren. Kein Offenbaren liegt gegenüber dem in § 203 III 1 StGB genannten Personenkreis vor. Mit der Neufassung von § 203 III 2 StGB ist das Offenbaren gegenüber sonstigen Personen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, nicht mehr unbefugt.1519 Adressiert sind damit insbesondere externe Dienstleister.1520 § 93 ff. StGB Der Staatsgeheimnisschutz ist in §§ 93 ff. StGB geregelt. Die §§ 93 ff. StGB stellen zwar keine Amtsdelikte dar, dennoch scheint es geboten, den Staatsgeheimnisschutz unter dem Geheimnisschutz bei Beamten zu verhandeln, da Beamte aufgrund ihrer Nähe zum Staat häufiger als Arbeitnehmer Kenntnis von Staatsgeheimnissen haben dürften.
1513
Schnöckel, DÖV 2013, 381 (383). Schnöckel, DÖV 2013, 381 (384f.). Siehe Puschke, in: MüKO StGB, § 353b StGB, Rn. 57. 1516 Puschke, in: MüKO StGB, § 353b StGB, Rn. 57. 1517 Schuldt, Geheimnisverrat, S. 27. 1518 Schuldt, Geheimnisverrat, S. 73. 1519 BT-Drs. 18/11936. Grosskopf/Momsen, CCZ 2018, 98 (99). Kritisch zur missglückten Begrifflichkeit der „sonstigen Personen“ und weiteren Kritikpunkten Hoeren, MMR 2018, 12 (14; 15ff.). 1520 Grosskopf/Momsen, CCZ 2018, 98 (99). 1514 1515
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
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a) „Weltbühnenurteil“ und publizistischer Landesverrat in der Weimarer Republik als Nährboden für den totalitären Staat Der sogenannte „publizistische Landesverrat“ beschäftigte Gerichte bereits in der Weimarer Republik. Neuralgischer Punkt war dabei, ob auch die Berichterstattung über rechtswidrige Zustände Landesverrat sei.1521 Die strafrechtliche Sanktionierung des Geheimnisverrates birgt dabei stets die Gefahr, dass sie politisch instrumentalisiert wird, um unliebsame Oppositionelle mundtot zu machen. Carl von Ossietzky sagte einst: „In Deutschland gilt derjenige als gefährlicher, der auf den Schmutz hinweist, als der, der ihn gemacht.“1522 Carl von Ossietzky, der als Chefredakteur für die „Weltbühne“ arbeitete, erfuhr am eigenen Leib, welche Konsequenzen die Offenbarung von Missständen haben kann. Er wurde zu Zeiten der Weimarer Republik im Jahr 1931 vom Reichsgericht wegen Verrats militärischer Geheimnisse nach § 1 II des Spionagegesetzes von 1914 verurteilt.1523 Ossietzky hatte die verbotene Aufrüstung der Wehrmacht aufgedeckt, indem er über den heimlichen Aufbau einer Panzertruppe und Armee und über die Kooperation zwischen deutschem und sowjetischem Militär informierte. Die Aufdeckung fiel in eine Zeit großer Unruhen. So gab es mit den sogenannten „Freikorps“, die sich aus den Überresten der aufgelösten Armee zusammensetzten, Gruppierungen, die sich gegen die Weimarer Verfassung wandten.1524 Es bildeten sich zudem paramilitärische Gruppierungen, die als schwarze Reichswehr bezeichnet wurden und von der deutschen Reichswehr unterstützt wurden.1525 Dabei war es Deutschland unter den Auflagen des Versailler Vertrages verboten, seine Reichswehr über das im Friedensvertrag festgelegte Maß aufzustocken. Vertraglich geregelt waren auch Ausbildung und Ausrüstung des Militärs.1526 Journalisten deckten die geheimen Rüstungen des Militärs auf, gegen sie wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet und es begann eine Serie von Landesverratsprozessen.1527 Dabei ging die Justiz davon aus, dass jeglicher Bericht über Verstöße gegen die Rüstungsbeschränkungen des Versailler Vertrages den Geheimnisschutz des damaligen § 92 I StGB erfüllen würde.1528 Das Urteil gegen Carl von Ossietzky1529 erging damals geheim, stützte sich jedoch im Wesentlichen auf ein vorangegangenes Urteil.1530 In diesem hatten die Journalisten Jacob und Küster aufgedeckt, dass während eines Reichswehrmanövers sogenannte Zeitfreiwillige umgekommen waren, die nach dem
1521
Schuldt, Geheimnisverrat, S. 31f. So zitiert von Hofmann, ZCG 2006, 121 (126). Müller/Jungfer, NJW 2001, 3461 (3463). Carl von Ossietzky wurde nach 227 Tagen im Gefängnis im Rahmen einer Amnesie zunächst entlassen, jedoch in der Reichstagsbrandnacht wieder inhaftiert und starb schließlich 1938 in einem Konzentrationslager. Für seine Arbeit erhielt Ossietzky Jahre später den Friedensnobelpreis. Sieher hierzu Müller/Jungfer, NJW 2001, 3461 (3464); Deiseroth, Frankfurter Hefte, 1/2, 2014, S. 8; Heiliger, KJ 1993, 194 (194). 1524 Unger, in: Bannenberg/Brettel, FS Rössner, 943 (944). 1525 Unger, in: Bannenberg/Brettel, FS Rössner, 943 (944). 1526 Müller/Jungfer, NJW 2001, 3461 (3462). 1527 Müller/Jungfer, NJW 2001, 3461 (3462) zum Prozess gegen Berthold Jacob und Fritz Küster; siehe auch Unger, in: Bannenberg/Brettel, FS Rössner, 943 (944). 1528 Unger, in: Bannenberg/Brettel, FS Rössner, 943 (945). 1529 RG-Urteil vom 23.11.1931 im sogenannten Weltbühnen-Prozess, siehe hierzu ausführlich Müller, in: FS Schmid, S. 297ff. 1530 Nämlich auf RGSt 62, 65 (sogenannter „Ponton-Prozess“ gegen Berhold Jacob und Fritz Küster) vgl. Unger, in: Bannenberg/Brettel, FS Rössner, 943 (945); sowie Müller/Jungfer, NJW 2001, 3461 (3462). 1522 1523
246
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Versailler Friedensvertrag überhaupt nicht eingezogen hätten werden dürfen.1531 Dabei wurde die „Treuepflicht“ im Urteil soweit ausgedehnt, dass es nicht mehr auf eine Bindung an das Gesetz ankam, sondern allein auf die Treue zum Staat, die auch geschuldet sein sollte, wenn dieser gegen das Gesetz handelte und wenn das Staatswohl selbst dadurch gefährdet wurde.1532 Damit waren also auch „illegale“ Staatsgeheimnisse geschützt. Die Justiz trug mit den Urteilen dazu bei, dass sich ein totalitärer nationalsozialistischer Staat herausbilden konnte. Durch die Loslösung von Recht und Gesetz und die politisch beeinflusste und gewollte Bestrafung des Offenbarens von rechtswidrigen Geheimnissen wurde der Nährboden für einen totalitären Staat geschaffen. Der Begriff des Staatsgeheimnisses wurde dadurch soweit ausgedehnt, dass das Offenbaren gesetzeswidriger Handlungen mit Strafe bedroht war. Das besondere Verhältnis zwischen Staatsgeheimnis und demokratischem Staat erkannte der Jurist Richard Schmid, indem er treffend ausführte, der Demokratie sei eigen ein „[…] Spannungsverhältnis zwischen Staatsgeheimnis einerseits und der Öffentlichkeit andererseits, die doch die Lebensluft der Demokratie ist“.1533 Prägnant fasste er seine Erkenntnisse zusammen: „Die Demokratie lebt von der Öffentlichkeit und stirbt an der Heimlichkeit.“1534 Es dauerte bis zum Jahre 1968, bis sich mit dem Strafrechtsänderungsgesetz die Erkenntnis durchsetzen konnte, dass es keine verfassungswidrigen Staatsgeheimnisse geben könne.1535 b) Geheimnisbegriff der §§ 93 ff. StGB § 93 StGB definiert den Begriff des Staatsgeheimnisses. Staatsgeheimnisse sind gemäß § 93 I StGB Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und die vor einer fremden Macht geheimgehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. Damit ist das Geheimsein der Information Tatbestandsvoraussetzung, unabhängig von einer formellen Sekretur.1536 Der Personenkreis kann ein größerer sein, solange eine Geheimhaltung besteht und auch möglich ist.1537 Zugänglichkeit meint eine sinnliche Wahrnehmbarkeit.1538 Problematisch sind die sogenannten „Mosaikgeheimnisse“, bei denen durch Kombination von Einzelinformationen der Rückschluss auf Staatsgeheimnisse möglich wird. Durch das Tatbestandsmerkmal „zugänglich“ sollte ein Ausschluss dieser Geheimnisse erfolgen.1539 Dennoch soll nach der herrschenden Lehre weiterhin das systematische 1531
Schuldt, Geheimnisverrat, S. 31. Müller/Jungfer, NJW 2001, 3461 (3462), die das Reichsgericht (RGSt 62, 65 (67)) folgendermaßen zitieren: „Dem eigenen Staat hat jeder Staatsbürger die Treue zu halten. Das Wohl des eigenen Staates wahrzunehmen, ist für ihn höchstes Gebot.“ „Die … Anerkennung des Gedankens, dass die Aufdeckung […] gesetzwidriger Zustände dem Reichswohl niemals abträglich […] sein könne, weil das Wohl des Staates in seiner Rechtsordnung festgelegt sei und sich in deren Durchführung verwirkliche, ist abzulehnen.“ 1533 Schmid, Der Spiegel vom 19.12.1962, S. 17. 1534 Schmid, Der Spiegel vom 19.12.1962, S. 18. 1535 Unger, in: Bannenberg/Brettel, FS Rössner, 943 (946). 1536 Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 93 StGB, Rn. 12; Dietrich, RW 2016, 566 (571). 1537 Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 93 StGB, Rn. 12. 1538 Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 93 StGB, Rn. 12. 1539 BT-Drs. V/2860, S. 15; Ellbogen, in: BeckOK StGB, § 93 StGB, Rn. 9. Die „Mosaiktheorie“ lehnt zudem die vier nicht tragenden Richter im „Spiegel-Fall“ ab, BVerfGE 20, 162 (180), siehe hierzu auch Schuldt, Geheimnisverrat, S. 35. 1532
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
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Zusammenstellen offener Tatsachen ausreichen, wenn hierdurch neue Erkenntnisse gewonnen werden.1540 Nicht notwendig für das Vorliegen eines Staatsgeheimnisses ist, dass es sich bei dem begrenzten Personenkreis um staatliche Stellen oder besondere Geheimnisträger handelt.1541 In der Praxis ist es regelmäßig schwierig zu beurteilen, ob ein Staatsgeheimnis vorliegt oder nicht.1542 Eine dem Staatsgeheimnisschutz genuine Problematik ist dabei, dass was schützenswert ist, in hohem Maße davon abhängt, wie das aktuelle Werteverständnis des Staates ist.1543 Als Zäsur der jüngeren Vergangenheit sind die Terroranschläge am 11.9.2001 zu begreifen, die sowohl in Deutschland,1544 als auch in den USA1545 zu Reaktionen auf diese neuen Bedrohungen und dabei zu Beschränkungen beziehungsweise Eingriffen in die bürgerlichen Freiheiten, in die Privatsphäre und zur Beeinträchtigung des demokratische Rechtsstaates führten.1546 Die Schwierigkeiten ergeben sich darüber hinaus unter anderem aus den verwendeten Rechtsbegriffen wie „fremde Macht“ und „äußere Sicherheit“.1547 Trotz ihrer Unschärfe genügen sie aber dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 II GG, weil durch die Merkmale der Gefahr eines schweren Nachteils eine Begrenzung möglich ist.1548 Für die Einschätzung, ob die (abstrakte) Gefahr eines schweren Nachteils vorliegt, soll nach herrschender Meinung eine saldierende Betrachtung vorgenommen werden, die negative und positive Auswirkungen berücksichtigt.1549 Die
1540
Fischer, § 93 StGB, Rn. 4; Lampe/Hegemann, in: MüKO StGB, § 93 StGB, Rn. 12. Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 93 StGB, Rn. 7. 1542 Das zeigt auch beispielhaft der Fall der Internetplattform „netzpolitik.org“, bei dem gegen Blogger wegen Landesverrat ermittelt wurde. Sie hatten vertrauliche Dokumente des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Auszügen öffentlich gemacht und kritisiert. Inhaltlich handelte es sich bei den Dokumenten um den Wirtschaftsplan des Bundesamtes für Verfassungsschutz, sowie um eine Konzeptualisierung einer Referatsgruppe zur erweiterten Fachunterstützung im Internet, siehe hierzu Dietrich, RW 2016, 566 (567). Dabei geriet auch der ehemalige Bundesjustizminister Maas in Bedrängnis, dem durch den Generalbundesanwalt vorgeworfen wurde, er habe Druck ausgeübt, dass die politisch unerwünschten Ermittlungen eingestellt würden. Generalbundesanwalt Range verlor sein Amt und letztendlich wurden die Ermittlungen auch tatsächlich eingestellt, siehe Rückert, Die Zeit online vom 9.3.2017. Der Fall exemplifiziert jedoch eindrücklich, wie die Auffassungen zum Vorliegen eines Staatsgeheimnisses divergieren können. 1543 Lampe/Hegemann, in: MüKO StGB, Vor §§ 93ff. StGB, Rn. 1. 1544 In Deutschland durch die Stärkung der präventiven Abwehrmechanismen, TerrorBekämpfG vom 9.1.2002, BGBl I S. 361, 3142 und StrÄndG vom 22.8.2002, BGBl I S. 3390; Antiterrordateigesetz vom 22.12.2006, BGBl I S. 3409, siehe hierzu auch Lampe/Hegemann, in: MüKO StGB, Vor §§ 93ff. StGB, Rn. 22, Fn 41. 1545 Die veränderte Auffassung zur nationalen Sicherheit hat auch Auswirkungen auf Whistleblower. In den USA wurden in der Obama Administration mehr Whistleblower unter dem Espionage Act von 1917 angeklagt, als während des gesamten vorherigen Zeitraums seit Verabschiedung des Gesetzes, Meister, No News without Secrets, S. 40. Begrifflich vollzog sich im Bereich der nationalen Sicherheit eine Verschiebung weg vom neutralen bis positiv konnotierten und damit auch schützenswerten Whistleblower hin zu dem Begriff des negativ konnotierten und strafbewehrten Begriffs des Spions. Sowohl in Großbritannien als auch in den Vereinigten Staaten von Amerika genießen Beamte und Angestellte im Geheimdienst- und nationalen Sicherheitsbereich nicht denselben Schutz wie Whistleblower aus anderen Sektoren. So schließt beispielsweise der Public Interest Disclosure Act in Großbritannien Mitglieder der Sicherheits- und Geheimdienste aus, siehe hierzu Kagiaros, IJHR 2015, 408 (408 f.). 1546 Siehe hierzu Lachenmann, DöV 2016, 501; de Lagasnerie, Kunst der Revolte, S. 23ff. unter Bezugnahme auf die Enthüllungen durch Edward Snowden und Chelsea Manning, der dabei aber so weit gehen möchte, eine vollständige Transparenz des Staates zu fordern. 1547 Dietrich, RW 2016, 566 (570); Lampe/Hegemann, in: MüKO StGB, Vor §§ 93ff. StGB, Rn. 21ff. 1548 Lampe/Hegemann, in: MüKO StGB, § 93 StGB, Rn. 22. 1549 Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 93 StGB, Rn. 27; Ellbogen, in: BeckOK StGB, § 93 StGB, Rn. 16. 1541
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unbestimmten Tatbestandsmerkmale müssen verfassungskonform ausgelegt werden, sodass bereits auf dieser Ebene kollidierende Verfassungspositionen im Wege der praktischen Konkordanz berücksichtigt werden müssen.1550 Somit kommen bereits hier die Pressefreiheit und das öffentliche Informationsinteresse zum Tragen.1551 In Bezug auf den Geheimnisbegriff unterscheiden sich nach § 93 I StGB Staatsgeheimnisse von Dienstgeheimnissen dadurch, dass sie vor einer fremden Macht geheimgehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. Sind die offenbarten Geheimnisse Staatsgeheimnisse, findet §§ 93 ff. StGB Anwendung, ansonsten kann § 353b StGB einschlägig sein.1552 c) Illegale Staatsgeheimnisse, § 93 II StGB § 93 II StGB benennt nur begrenzte Ausnahmefälle, in denen kein Staatsgeheimnis vorliegt und somit kein Geheimnisverrat begangen werden kann. § 93 II StGB steht im Einklang mit dem Widerstandsrecht nach Art. 20 IV GG1553 und der beamtenrechtlichen Pflicht zum Eintreten für die freiheitlichdemokratische Grundordnung. Allerdings gilt die Ausnahme der illegalen Geheimnisse vom Geheimnisschutz nicht absolut. Nach § 97a StGB ist auch der Verrat von illegalen Geheimnissen unter Strafe gestellt, wenn das Geheimnis einer fremden Macht oder deren Mittelsmännern mitgeteilt wird. Dadurch wird deutlich, dass die Ausnahme des § 93 II StGB auf der Erwägung beruht, dass die Bekanntmachung der Missstände, die die Voraussetzungen des § 93 II StGB erfüllen, für das öffentliche Informationsinteresse und die öffentliche Meinungsbildung relevant sind. Letztendlich wird damit die Wiederherstellung des Rechts bezweckt.1554 Werden die Geheimnisse aber, wie in § 97a StGB unter Ausschluss der Öffentlichkeit unmittelbar an die fremde Macht verraten, greifen die genannten Erwägungen nicht und das Verhalten ist strafbewehrt.1555 Die Information über einen Verstoß gegen einfache Gesetze kann aber demnach weiterhin ein schutzwürdiges Staatsgeheimnis sein.1556 In allen Fällen, die unter der Schwelle eines Verstoßes gegen die
freiheitlich
demokratische
Grundordnung
liegen,
besteht
der
Konflikt
zwischen
Geheimhaltungsinteresse und Offenbarungsinteresse beziehungsweise Informationsinteresse weiter.1557 Dieser Konflikt kann in gewissen Ausnahmefällen, in denen das öffentliche Informationsinteresse
1550
Dietrich, RW 2016, 566 (586). Dietrich, RW 2016, 566 (570). Schuldt, Geheimnisverrat, S. 73. 1553 Dietrich, RW 2016, 566 (570). 1554 Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 93 StGB, Rn. 33. 1555 Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 97a StGB, Rn. 1. 1556 Beer, in: FS Schmid, S. 333. 1557 Lampe/Hegemann, in: MüKo StGB, § 93 StGB, Rn 34; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 93 StGB, Rn. 27. 1551 1552
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
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vorliegt, obwohl die Voraussetzungen des § 93 II StGB nicht erfüllt sind, auf der Rechtfertigungsebene gelöst werden. Dabei kann sich der Grundsätze des rechtfertigenden Notstandes bedient werden.1558 d) Tatbestand des Landesverrats nach § 94 StGB Nach § 94 StGB macht sich des Landesverrats strafbar, wer ein Staatsgeheimnis einer fremden Macht oder Mittelsmännern mitteilt, oder sonst an einen Unbefugten gelangen lässt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt. Ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall ist nach § 94 II 2 Nr. 1 StGB dann gegeben, wenn der Täter eine verantwortliche Stellung missbraucht, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen besonders verpflichtet. Zur Erfüllung des § 94 II 2 Nr. 1 StGB genügt allerdings noch nicht, dass der Täter Beamter ist.1559 e) Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses, § 97b StGB In § 97 b StGB ist geregelt, wie zu verfahren ist, wenn der Veröffentlichende einem Irrtum unterliegt und irrigerweise annimmt, es handle sich um ein Staatsgeheimnis im Sinne von § 97a StGB. Wenn ihm dieser Irrtum vorzuwerfen ist (§ 97 b 1 Nr. 1 StGB), er nicht in der Absicht handelt, dem vermeintlichen Verstoß entgegenzuwirken (§ 97 b 1 Nr. 2 StGB), oder die Tat nach den Umständen kein angemessenes Mittel zu diesem Zweck ist, wird er wie ein Landesverräter nach den §§ 94 bis 97 StGB bestraft.1560 Als angemessenes Mittel nennt das Gesetz in § 97 b I 2 StGB die Anrufung eines Mitglieds des Bundestages. Daneben muss angemessenes Mittel auch die Anrufung der zuständigen Behörde sein.1561 Nur wenn diese Adressaten keine Reaktion zeigen, darf eine Offenbarung erfolgen.1562 An § 97b StGB wird auch Kritik geübt. Zum einen ist die dogmatische Beurteilung des § 97b StGB unklar,1563 zum anderen wird er von Teilen der Literatur als teilweise verfassungswidrig angesehen, oder eine verfassungskonforme Auslegung für notwendig gehalten.1564 In einem Gesetzesentwurf der Partei Bündnis 90/Die Grünen aus dem Jahre 2014 wurde die Einführung eines § 97c StGB vorgeschlagen, der das Offenbaren von Staatsgeheimnissen straflos stellen sollte, wenn damit Grundrechtsverletzungen, sonstige schwere Rechtsverletzungen oder schwere Straftaten aufgeklärt, verhindert oder beendet
1558
Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 93 StGB, Rn. 27, die von „ultima ratio“ sprechen; So Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 94 StGB, Rn. 27. 1560 Siehe hierzu auch Unger, in: Bannenberg/Brettel, FS Rössner, 943 (944). 1561 Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 97b StGB, Rn. 7 unter Berufung auf BT-Drs. V/2860, S. 21. 1562 Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 97b StGB, Rn. 7. 1563 Mit der Gesetzesbegründung wird teilweise davon ausgegangen, dass es sich um einen selbstständigen Tatbestand handele, siehe BT-Drs. V2860, S. 20 sowie Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 97b StGB, Rn. 1. Teilweise wird eine Sonderregelung des Erlaubnistatbestands- und des Erlaubnisirrtums angenommen, Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 97b StGB, Rn. 23 ff. 1564 Fischer, § 97b StGB, Rn. 8. Siehe hierzu auch die Zusammenfassung des Streitstandes bei Kühl, in: Lackner/Kühl, § 97b StGB, Rn. 6. 1559
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werden sollten.1565 § 97b StGB hätte dann, aufgrund der genannten Bedenken, wegfallen sollen.1566 Der Gesetzesvorschlag konnte sich jedoch nicht durchsetzen.1567 f) Staatssicherheit und Pressefreiheit Die Veröffentlichung von Missständen durch die Presse kann Staatsgeheimnisse enthalten, wodurch die Sicherheit des Staates gefährdet werden kann. § 95 StGB erfasst dabei die Fälle des publizistischen Landesverrats.1568 Nach § 95 I StGB macht sich strafbar, wer ein Staatsgeheimnis, das von einer amtlichen Stelle oder auf Veranlassung geheimgehalten wird, an einen Unbefugten gelangen lässt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt. Diese Täter, die Geheimnisse an Unbefugte gelangen lassen oder öffentlich bekanntmachen, sollen nicht als Landesverräter bestraft werden, sondern nur mit dem Vergehen nach § 95 StGB sanktioniert werden.1569 Die praktische Bedeutung des § 95 StGB ist aufgrund der Berücksichtigung des Schutzbedürfnisses der Pressefreiheit im Rahmen der Definition von Staatsgeheimnissen gering.1570 Anstoß für die Schaffung der Vorschrift gab unter anderem das sogenannte Spiegel-Verfahren in den sechziger Jahren.1571 Das BVerfG hatte sich im sogenannten „Spiegel-Urteil“ mit der Rolle der Presse in der Demokratie und dem Schutz der nationalen Interessen zu befassen. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde waren unter anderem Durchsuchungen in den Räumen der Redaktion des Magazins „Der Spiegel“, die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Landesverrats durchgeführt wurden. Dieses war eingeleitet worden, weil im Spiegel ein Artikel mit dem Titel „Bedingt abwehrbereit“ erschienen war, der die militärische Situation der Bundesrepublik und der NATO erläuterte und dabei auch auf Probleme und Zukunftspläne einging.1572 Das BVerfG bezeichnete in seinem Urteil eine freie Presse als „Wesenselement“ einer freiheitlichen Demokratie und als „Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung“.1573 Es hob auch den Informantenschutz hervor: „Er ist unentbehrlich, da die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich darauf verlassen kann, daß das „Redaktionsgeheimnis“ gewahrt bleibt.“1574
1565
BT-Drs. 18/3039, S. 23. BT-Drs. 18/3039, S. 23. 1567 Vgl. BT-Drs. 18/5148. 1568 Lampe/Hegemann, in: MüKO StGB, § 95 StGB, Rn. 1. 1569 Lampe/Hegemann, in: MüKO StGB, § 95 StGB, Rn. 1. 1570 Lampe/Hegemann, in: MüKO StGB, § 95 StGB, Rn. 2. 1571 Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 95 StGB, Rn. 1. 1572 BVerfGE 20, 162 (163f.). 1573 BVerfGE 20, 162 (175f.). 1574 BVerfGE 20, 162 (176); siehe zum Schutz von Whistleblowern und der Rolle der Presse auch COE Parliamentary Assembly Resolution 1838 (2011), Nr. 8. Siehe zum Schutz von journalistischen Quellen auch das Urteil des EGMR, Urteil vom 27.3.1996 - 17488/90, Goodwin v. the United Kingdom, BeckRS 2012, 18728, in dem es auch um den Quellenschutz im Journalismus geht und die Rolle der Presse als „publicwatchdog“ hervorgehoben wird. 1566
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
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Zum Verhältnis zwischen Presse und Sicherheit äußerte sich das BVerfG dahingehend, dass auch bei Mitteilungen, deren Geheimhaltung dem Interesse der Landesverteidigung entspräche, die Pressefreiheit nicht automatisch zurücktreten müsse. Auch könne ein Zurücktreten der Pressefreiheit nicht mit dem allgemeinen Verweis darauf begründet werden, dass ohne den Bestand der Bundesrepublik Deutschland auch die Pressefreiheit nicht existieren könne. „Denn unter dem Bestand der Bundesrepublik Deutschland, den es zu schützen und zu erhalten gilt, ist nicht nur ihr organisatorisches Gefüge, sondern auch ihre freiheitliche demokratische Grundordnung zu verstehen. Dieser ist es eigen, daß die Staatsgeschäfte, einschließlich der militärischen, zwar von den hierfür zuständigen staatlichen Organen geführt werden, aber der ständigen Kritik oder Billigung des Volkes unterstehen.“1575 Es kann also grundsätzlich ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an geheimhaltungsbedürftigen, militärischen Tatsachen bestehen und die Presse kann zur Aufgabe haben, die Öffentlichkeit über diese Tatsachen zu unterrichten. In einem solchen Fall kommt dem Geheimhaltungsschutz nicht per se ein Vorrang zu. Sowohl die Sicherheit des Staates und das damit einhergehende Geheimhaltungsbedürfnis, als auch die Pressefreiheit sind keine Antipoden, sondern dienen dem Ziel der Sicherung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland.1576 Dann kann aber auch eine Meldung an die Medien, die das Potential besitzt, Sicherheitsinteressen des Staates zu gefährden, nicht per se verboten sein.1577 Allerdings stellten die Richter auch heraus, dass im freiheitlichen demokratischen Staat der Pressefreiheit die Mitverantwortung der Presse für die Staatssicherheit gegenüberstehe.1578 In einem zeitlich kurz darauffolgenden Verfahren äußerte sich das BVerfG abermals zum publizistischen Landesverrat: „Das Schutzgut, das im vorliegenden Fall der Pressefreiheit gegenübersteht, ist die Sicherheit der Bundesrepublik, die die Wahrung von militärischen und anderen Staatsgeheimnissen in gewissem Umfang zur Voraussetzung hat. Der Rang dieses Schutzgutes ist geeignet, die Pressefreiheit jedenfalls dann zurücktreten zu lassen, wenn die Bekanntgabe von Staatsgeheimnissen die Sicherheit der Bundesrepublik ernsthaft gefährden würde. Ob dies der Fall ist, muß jeweils besonders geprüft werden. Die konkrete Abwägung kann in dem einen Fall dazu führen, daß die Bedeutung des in Frage stehenden Geheimnisses für die Staatssicherheit so groß ist, daß sie das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurückzudrängen vermag; in anderen Fällen mag das Gewicht des Staatsgeheimnisses geringer sein, so daß das Interesse der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe im Hinblick auf die allgemeine politische Willensbildung wichtiger erscheinen mag.“1579 Im Spiegel-Fall hielt das BVerfG fest, dass Durchsuchungen und Beschlagnahmen mit dem alleinigen oder vorwiegenden Zweck, die Person des
1575
BVerfGE 20, 162 (178). BVerfGE 20, 162 (177f.). Für ein zulässiges ultima ratio Mittel auch COE Parliamentary Assembly Resolution 1729 (2010), Nr. 6.2.3. 1578 BVerfGE 20, 162 (212). 1579 BVerfGE 21, 239 (243f.). 1576 1577
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Informanten aufzudecken, unzulässig seien.1580 Im konkreten Fall der Durchsuchungen beim Spiegel sei dies aber nicht gegeben gewesen.1581 Es zeigt sich, dass es bei einer Bewertung der Pressefreiheit gegenüber den Sicherheitsinteressen des Staates auf eine Einzelabwägung ankommt, die die Gerichte vorzunehmen haben, wobei das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu berücksichtigen ist.1582 Dadurch besteht Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Reichweite einer zulässigen Berichterstattung. Die Problematik wird dadurch verschärft, dass das Bestreben nach Geheimhaltung regelmäßig in den Fällen besonders groß ist, in denen auch ein besonders hohes öffentliches Informationsinteresse besteht.1583 Fazit Deutlich wird, dass die Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses nur ultima ratio sein darf und es kein Recht auf Bekanntgabe „um jeden Preis“ gibt.1584 Dies steht in Einklang mit den in der PätschEntscheidung genannten Voraussetzungen für das Whistleblowing.1585 Der Staatsgeheimnisschutz in den §§ 93 ff. StGB ist im Hinblick auf die Presse restriktiver als § 353b StGB, der in § 353b IIIa StGB die Beihilfe zur Verletzung von Dienstgeheimnissen für Journalisten straflos stellt. Begründet liegt dies in den unterschiedlichen Schutzrichtungen der Geheimnisvorschriften.
Während
§ 353b StGB
das
Vertrauen
der
Allgemeinheit
in
die
Verschwiegenheit amtlicher Stellen bewahren soll, schützt der Staatsgeheimnisschutz die nationale Sicherheit.1586
II.
Korruptionsbekämpfung als normierte Ausnahme des Geheimnisschutzes
Der britische Historiker John Emerich Acton sagte einst: „Power tends to corrupt and absolute power tends to corrupt absolutely. “1587 Durch Korruption entstehen dem deutschen Staat jährlich Einbußen von mehreren Milliarden Euro.1588 Whistleblowing spielt eine entscheidende Rolle für die Aufdeckung von Korruptionsfällen.1589 Eine einheitliche Definition oder Legaldefinition von Korruption gibt es nicht.1590 Eine Möglichkeit, Korruption im engeren Sinne zu definieren, ist „Missbrauch einer besonderen Vertrauensstellung in einer Funktion in Wirtschaft, Verwaltung, Politik, Justiz oder auch
1580
BVerfGE 20, 162 (217); siehe hierzu auch Schuldt, Geheimnisverrat, S. 36. Diese Aussage wurde im „Cicero-Urteil“ noch einmal bestätigt, siehe BVerfGE 117, 244 (265). 1581 BVerfGE 20, 162 (217). 1582 Eichhoff, Investigativer Journalismus, S. 225; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 95 StGB, Rn. 4. 1583 Rösch, Geheimhaltung, S. 165. 1584 Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 93 StGB, Rn. 41; Dietrich, RW 2016, 566 (586). 1585 Dietrich, RW 2016, 566 (587). 1586 Dietrich, RW 2016, 566 (595). 1587 Acton, Essays on freedom and power, S. 364. 1588 Vgl. Faust, Innovative Verwaltung 2009, 22 (22), nach der Pressemitteilung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2011 kostet Korruption die EU 120 Milliarden Euro, der Bericht ist abrufbar unter . 1589 Zu den Korruptionsfällen bei Siemens, Mannesmann und VW siehe Neumann, Whistleblowing, S. 74 ff. 1590 Das Wort Korruption stammt von lateinisch corruptio bzw. corrumpere ab, was als Verderben übersetzt werden kann, siehe von Alemann, in: Heun u.a., Evangelisches Staatslexikon, S. 1331.
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
253
nichtwirtschaftlichen Organisationen und Vereinigungen.“1591 Korruption ziele darauf ab, einen materiellen oder immateriellen Vorteil zu erlangen, auf den kein rechtlich oder sachlich-objektiv begründeter Anspruch besteht.1592 Korruptionsstraftatbestände und Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht Ein Fall von Korruption ist jedenfalls dann gegeben, wenn einer der Straftatbestände des §§ 331337 StGB erfüllt ist.1593 Für Fälle von Korruptionsstraftaten nach §§ 331-337 StGB besteht nach § 67 II 1 Nr. 3 BBG ein Anzeigerecht für Beamte; diese werden von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden.1594 Hiervon nicht erfasst sind Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes.1595 Die Anzeige von Begleitdelikten, die typischerweise mit Korruptionsdelikten einhergehen, wie beispielsweise die Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) oder der Betrug (§ 263 StGB), ist allerdings nicht über die Ausnahme des § 67 II 1 Nr. 3 BBG möglich. Für diese Delikte gilt die Verschwiegenheitspflicht weiterhin.1596 Gleichzeitig stellt das Anzeigerecht bei Korruptionsstrafbarkeiten eine Möglichkeit für den Beamten dar, seine Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung wahrzunehmen, da das Anzeigerecht die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und das Vertrauen der Allgemeinheit in eine korruptionsfreie und damit unabhängige Verwaltung schützt.1597 Die Beamten können sich mit ihrem Hinweis auf Korruption an die zuständige oberste Dienstbehörde, eine Strafverfolgungsbehörde oder eine von der obersten Dienstbehörde bestimmte Behörde oder außerdienstliche Stelle beziehungsweise bei Landesbeamten an eine durch das Landesrecht bestimmte weitere Behörde oder außerdienstliche Stelle wenden, soweit der Korruptionsverdacht durch Tatsachen begründet ist. Diese breite Aufzählung legt nahe, dass die Dienstweggebundenheit hier nicht gilt.1598 Letztendlich ruft ein Korruptionsverdacht externe Ermittlungen hervor, sodass auch dies für eine mögliche Erstmeldung an externe Stellen wie etwa Strafverfolgungsbehörden spricht.1599 Eine Meldung an die Medien oder eine andere, nicht genannte Öffentlichkeit, wie etwa an Enthüllungsplattformen wie Wikileaks, ist grundsätzlich nicht zulässig.1600 In Betracht kommt eine Einschaltung der Medien lediglich in den Fällen, in denen dies auch beim Whistleblowing außerhalb der Korruptionsbekämpfung erlaubt ist, mithin lediglich als ultima ratio.1601 Des Weiteren sind nur Meldungen geschützt, die auf einem durch Tatsachen begründeten Verdacht gestützt sind. Somit sind denunziatorische Meldungen
1591
Grützner/Jacob, in: Grützner/Jacob, Compliance von A-Z, Korruption. Grützner/Jacob, in: Grützner/Jacob, Compliance von A-Z, Korruption. 1593 Kiraly, Whistleblower, S. 3. 1594 Für Soldaten gilt § 14 I Nr. 3 Soldatengesetz, vgl. Kiraly, RdA 2012, 236 (237); Forst, EuZA 2013, 37 (42). Zudem bestehen Verwaltungsvorschriften (z.B. VwV Anti-Korruption, Sächs.ABl., S 1847) bzw. -richtlinie (z.B. KorruR Bayern, AZ. B III 2-515-238); siehe hierzu auch Lopacki, ZBR 2016, 329 (332). 1595 Kiraly, RdA 2012, 236 (237). 1596 Lopacki, ZBR 2016, 329 (332f.). 1597 Vgl. Herold, ZBR 2013, 8 (12). 1598 So Plog/Wiedow, § 67 BBG, Rn. 22a. 1599 Vgl. Király, DÖV 2010, 894 (895). 1600 So auch Kiraly, Whistleblower, S. 21; Herold, ZBR 2013, 8 (12). 1601 Siehe hierzu das Kapitel Der Fall Pätsch, S. 189. 1592
254
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
beziehungsweise leichtfertige Falschmeldungen nicht vom Tatbestand des § 67 II Nr. 3 BBG erfasst.1602 Die Ansprechperson für Korruptionsbekämpfung, an die sich der Beamte nach §67 II 1 Nr. 3 BBG
wenden kann, ist je nach Aufgabe und Größe der Dienststelle einzurichten1603. Anzeigepflicht für Korruptionsstraftaten Der BGH stellte schon 2004 fest, dass eine Pflicht des Beamten zur Anzeige eines Korruptionsverdachts besteht. Das Gericht hielt fest, dass eine Verletzung der Beratungs- und Unterstützungspflicht und der Treuepflicht gegeben seien, wenn der Hinweisgeber es unterlasse, korruptionsverdächtige Umstände oder sogar klar erkennbares Korruptionsgeschehen seinen Vorgesetzten zu melden.1604 Der BGH bejahte eine solche Anzeigepflicht in jedem Fall für den Bereich, in dem dem Beamten Aufgaben zur Erledigung in eigener Zuständigkeit übertragen sind. Er nahm darüber hinaus, unter Verweis auf die dies vertretende Literatur, auch eine innerbehördliche Anzeigeverpflichtung außerhalb dieses Bereichs an, wenn eine schwere Verfehlung gegeben sei.1605 Eine solche Pflichtverletzung konnte nach dem BGH auch bei einem gewissen Ausmaß eines Korruptionsgeflechts, wie es im zugrundliegenden Fall wohl gegeben war, vorliegen.1606 Korruptionsbekämpfung auf internationaler Ebene Auf EU-Ebene wurde bereits 2014 von der Kommission eine verstärkte Korruptionsbekämpfung gefordert.1607
Auf
internationaler
Zivilrechtsübereinkommen,
Ebene
verschiedene
existieren,
neben
Maßnahmen
dem und
bereits
erwähnten
Regelwerke
zur
Korruptionsbekämpfung.1608 Die Vereinten Nationen schufen bereits 2003 eine UN-Konvention gegen Korruption, die 2005 in Kraft trat.1609 Deutschland ratifizierte diese als letztes EU-Land erst 2014.1610 Zuvor musste der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung in § 108e StGB neu geregelt werden, der einer Umsetzung entgegenstand.1611 Die Konvention sieht unter anderem die Förderung von Verhaltenskodizes vor.1612 In den Ausnahmen zur Amtsverschwiegenheitspflicht manifestiert sich der Einfluss des europäischen Rechts. Die Normen wurden durch die Umsetzung von Art. 9 des Zivilrechtsübereinkommens des 1602
So auch Király, DÖV 2010, 894 (896). BMI, Richtlinie der Bundesregierung für Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30.7.2004, S. 1, 5.1.a). 1604 BGH, Beschluss vom 4.05.2004 - 4 StR 49/04, RDV 2005, 20. 1605 BGH, Beschluss vom 4.05.2004 - 4 StR 49/04, RDV 2005, 20. 1606 BGH, Beschluss vom 4.05.2004 - 4 StR 49/04, RDV 2005, 20 ff. 1607 Vgl. Bericht der Kommission vom 3.02.2014, abrufbar unter , sowie Priebe, EuZW 2014, 241. 1608 Vgl. hierzu auch Groneberg, Whistleblowing, S. 47 ff. und hier z.B. auch die OECD-Konvention über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, S. 50 ff. 1609 Vgl. Groneberg, Whistleblowing, S. 47 ff. 1610 Vgl. Transparency International Deutschland Pressemitteilung vom 12.11.2015, abrufbar unter . 1611 Vgl. Transparency International Deutschland , FD-StrafR 2014, 360955. 1612 Vgl. FD-StrafR 2014, 360955. 1603
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
255
Europarats über Korruption eingeführt.1613 Ungeklärt bleibt aber, welche Auswirkungen dieses Anzeigerecht auf die Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten, die Beratungs- und Unterstützungspflicht sowie die Dienstweggebundenheit hat, die neben der Verschwiegenheitspflicht beim Whistleblowing zur Korruptionsbekämpfung ebenfalls zu beachten sein können.1614 Aufgrund des Sinn und Zwecks des den Normen zugrundliegenden Zivilrechtsübereinkommens des Europarats, den Whistleblower umfassend zu schützen und jegliche Benachteiligung in solchen Fällen zu verhindern, kann in der Korruptionsmeldung nach § 67 II 1 Nr. 3 BBG kein Verstoß gegen andere beamtenrechtliche Pflichten zu sehen sein.1615 Hinzu kommt, dass der Hinweis auf einen Korruptionsfall auch nach der Beratungs- und Unterstützungspflicht gegenüber dem Vorgesetzten geboten ist. Ein Hinweis an den Vorgesetzten ist weiterhin möglich, obgleich dieser in den Normen nicht explizit als Stelle genannt wird, da er schon vor Inkrafttreten der speziellen Ausnahmen zur Korruptionsbekämpfung als zuständige Stelle fungierte.1616 International gibt es weitere Bestrebungen die Korruption zu bekämpfen. So beschlossen die G20 Staaten im Jahr 2010 eine „G20 Agenda for Action on Combating Corruption, Promoting Market Integrity and Supporting a Clean Business Environment”. Bestandteil der Agenda war auch die Stärkung der Rolle und der Schutz des Hinweisgebers.1617 Fazit So positiv die Verankerung eines Schutzes für Hinweisgeber in Fällen von Korruptionsstrafbarkeiten ist, so lückenhaft ist der allgemeine Schutz von Whistleblowern im deutschen Recht. Es besteht mit den oben genannten Regelungen nur ein sehr begrenzter Schutz in Fällen von Korruptionsstrafbarkeit. Dabei wurde nur der Fall geregelt, dass sich der Hinweisgeber an die Strafverfolgungsbehörden wendet. Hier wäre für einen effektiven Schutz angezeigt, dass ein Hinweisgebersystem implementiert wird.1618 Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist sehr begrenzt und erfasst nicht einmal ähnliche Delikte, wie die Unterschlagung nach § 244 StGB, den Betrug nach § 263 StGB und die Untreue nach § 266 StGB.1619
III.
§ 8 PKGrG
Im Gesetz über die parlamentarische Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes existiert mit § 8 PKGrG eine Hinweisgebervorschrift. Demnach ist es Angehörigen der Nachrichtendienste gestattet, sich in dienstlichen Angelegenheiten sowie bei innerdienstlichen Missständen, jedoch nicht im eigenen oder Interesse anderer Angehöriger dieser Behörden, ohne Einhaltung des Dienstweges unmittelbar an das Parlamentarische Kontrollgremium zu wenden, § 8 S. 1 PKGrG. Wegen der Eingabe dürfen die Hinweisgeber gemäß § 8 S. 2 PKGrG nicht dienstlich oder inhaltlich gemaßregelt werden. Der Name der mitteilenden Person wird gemäß § 8 S. 4 PKGrG nur
1613
Herold, ZBR 2013, 8 (9). Vgl. Király, DÖV 2010, 894 (894). So Király, DÖV 2010, 894 (895). 1616 Vgl. Király, DÖV 2010, 894 (895). 1617 Fifka in: Fifka/Falke, S. 9 ff. 1618 Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 255; Abraham, ZRP 2012, 11 (12). 1619 Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 255. 1614 1615
256
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
bekannt gegeben, soweit es für die Aufklärung des Sachverhaltes erforderlich ist. Mit der Einführung der Vorschrift sollte die Hinweisgebung erleichtert werden. So fiel auch die Vorgabe nach § 8 S. 3 PKGrG a.F. weg, die Eingaben zugleich an die Leitung des betroffenen Dienstes zu richten.1620 Nach der Neufassung bildet gemäß § 8 S. 4 PKGrG die Vertraulichkeit der Meldung den Normalfall.1621 Durch die grundsätzlich vertrauliche Behandlung und vor allem durch das in § 8 S. 2 PKGrG enthaltene Nachteilsverbot steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Hinweisgeber für diesen Weg der Hinweisgebung entschließen. Für die Tätigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums sind Informationen von Hinweisgebern von großer Wichtigkeit, stellen sie doch eine wichtige Informationsquelle neben dem Informationskanal der Bundesregierung dar.1622 Die Norm spiegelt die Erkenntnis wider, dass Hinweisgeber eine wichtige Informationsquelle darstellen, die es zu erschließen gilt. Damit eine Erschließung möglich ist, muss aber, zumindest im Grundsatz, Vertraulichkeit und Sanktionslosigkeit gewährleistet sein. Interessanterweise konnte sich diese Erkenntnis in einem Bereich durchsetzen, in dem der Ausgleich zwischen Geheimhaltung und Information schon aufgrund der Aufgabe der Nachrichtendienste äußerst schwer zu schaffen ist. „Ein „öffentlicher Geheimdienst“ wäre ein Widerspruch in sich.“1623 Gleichwohl bedarf auch dieser Bereich der Exekutive der Kontrolle, die das Parlamentarische Kontrollgremium wahrnimmt. Die Eröffnung eines Informationskanals zu dieser Kontrollinstitution zeugt davon, dass die Erkenntnis sich durchsetzt, dass ein geregelter Informationsfluss von Vorteil ist. Zum einen können dadurch Missstände erkannt und effektiv behoben werden. Zum anderen wird durch ein Angebot an Hinweisgeber, intern sanktionslos und vertraulich Hinweise zu geben, verhindert, dass diese sich an externe Stellen, insbesondere die Presse wenden. Zudem besteht beim BND seit Juni 2018 ein BND-Vertrauensanwalt.1624
IV.
Fazit
Für Beamte bestehen aufgrund ihrer Stellung als Amtsträger besondere Strafbarkeitsrisiken. Eine gesetzliche Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht besteht nur in Korruptionsfällen. Eine Besonderheit besteht beim Staatsgeheimnisschutz darin, dass der Geheimnisschutz zum Schutz öffentlicher Interessen notwendig sein und dadurch zugleich eine Kontrolle erschwert möglich sein kann. Partiell bestehen deshalb besonders geregelte Kontrollmöglichkeiten, wie etwa § 8 PKGrG. Die Schwierigkeit für die Schaffung weiterer Ausnahmen von der Amtsverschwiegenheitspflicht besteht darin, dass berechtigten Geheimhaltungsinteressen ausreichend Rechnung getragen werden muss.
Information Bereits näher betrachtet wurden im Rahmen von Whistleblowing in Arbeitsverhältnissen unter dem Begriffsfeld Information das Informationsinteresse des Arbeitgebers und das Informationsinteresse der
1620
BT-Drs. 18/9040, S. 14. BT-Drs. 18/9040, S. 14. Hornung, § 8 PKGrG, Rn. 1. 1623 Hornung, Einleitung PKGrG, Rn. 2. 1624 Siehe hierzu BT-Drs. 19/14980, S. 43. 1621 1622
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
257
Öffentlichkeit.1625 Das Whistleblowing im Beamtenverhältnis unterscheidet sich vom Whistleblowing in Arbeitsverhältnissen dadurch, dass im Beamtenverhältnis der Staat als Dienstherr involviert wird. Damit sind die Informationen, die durch das Whistleblowing weitergegeben werden, dem Staat zuzuordnen. Der Schutz, den diese Informationen erfahren, ist somit anders als der in Arbeitsverhältnissen.
Aber
auch
das
Informationsbegehren
und
vor
allem
die
Informationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit gegenüber dem Staat können anders ausgestaltet sein, wie im Folgenden gezeigt werden wird.
I.
Informationsinteresse der Verwaltung
Im Arbeitsverhältnis wurde deutlich, dass der Arbeitgeber selbst ein Interesse daran hat, von Missständen zu erfahren. Innerhalb der Verwaltung besteht ebenso ein Interesse an der Information über Missstände. Doch anders als beim Unternehmen werden hier die Informationskanäle durch die beamtenrechtlichen Rechte und Pflichten vorgezeichnet. Soweit der Anwendungsbereich der Remonstrationspflicht reicht, zeichnet diese den Informationskanal für die Fälle vor, in denen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Anordnung bestehen. Im Allgemeinen gibt die Dienstwegbindung die Informationswege in der Verwaltung vor. Auch die Amtsverschwiegenheitspflicht steht einer gänzlich freien Kommunikation innerhalb der Verwaltung entgegen, indem sie eine Ausnahme nur für den Fall vorsieht, dass die Mitteilung im dienstlichen Verkehr geboten ist. Existieren Stellen in der Verwaltung, an die Missstände gemeldet werden sollen, ist eine Meldung freilich geboten. Nach außen hin, also beim externen Whistleblowing, ist eine Kommunikation grundsätzlich, wie bereits gezeigt, nicht möglich.
II.
Informationsinteresse der Öffentlichkeit und Informationszugang
Informationsinteresse der Öffentlichkeit Auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wurde im Rahmen von Whistleblowing bei Arbeitsverhältnissen schon ausführlich eingegangen.1626 Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit steht im Beamtenverhältnis die Amtsverschwiegenheitspflicht diametral gegenüber.
Diese
Spannungslage besteht bei Hinweisgebern, die nicht gegen ihre Verschwiegenheitspflicht verstoßen möchten und dennoch die Öffentlichkeit informieren wollen. Hinzu tritt ein Interesse der Bürger an Informationen aus der Verwaltung. In Bezug auf die Verwaltung kann zudem aber auch ein Interesse der Öffentlichkeit daran bestehen, dass die Verwaltung funktionsfähig bleibt und deshalb nicht eine absolute Transparenz besteht. Dadurch, dass das Hinweisgeben von Beamten bislang in Deutschland äußerst restriktiv gehandhabt wird, ist dieses Interesse ausreichend geschützt.
1625 1626
Siehe hierzu das Kapitel Information, S. 106 ff. Siehe hierzu das Kapitel Das öffentliche Informationsinteresse, S. 106 ff.
258
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis Die Verwaltung zwischen Arkantradition und Transparenz
Innerhalb der Verwaltung besteht, wie gezeigt, ein Geheimhaltungsinteresse. Dem gegenüber steht die Forderung nach einer transparenten Verwaltung und auf einen Zugang zu den dort vorhandenen Informationen. In einem Rechtsstaat muss es dem einzelnen Bürger möglich sein, Einblick in die ihn betreffenden Akten zu erlangen, sodass ein absolutes Aktengeheimnis nicht existieren kann.1627 In Deutschland wird ein Akteneinsichtsrecht für Beteiligte eines Verfahrens durch § 29 VwVfG vorgesehen. Die Demokratie erfordert es außerdem, dass der Bürger sich über das Handeln des Staates informieren, sich so eine Meinung bilden und sein Recht, in der Demokratie auf das Staatshandeln Einfluss zu nehmen, wahrnehmen kann.1628 Das bedingt, dass ein Bürger sich auch ohne individuelle Betroffenheit
informieren
kann.1629
Jeglicher
Informationszugang
steht
allerdings
im
Spannungsverhältnis zu Geheimhaltungsinteressen, sodass dieser nicht unbeschränkt sein kann. Beim Informationszugang ist zudem dem Interesse nach Datenschutz Rechnung zu tragen. Ein unüberwindbarer Konflikt zwischen Informationszugang und Datenschutz besteht aber nicht, vielmehr kann dem Datenschutz beispielsweise durch Schwärzungen Rechnung getragen werden.1630 a) Grundrecht auf Informationsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG Im Grundgesetz geschützt und gleichwertig neben der Meinungs- und der Pressefreiheit ist die Informationsfreiheit in Art. 5 I 1 GG. Sie beinhaltet das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.1631 Eine Quelle ist nach ständiger Rechtsprechung dann allgemein zugänglich, wenn sie technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen.1632 Eine solche allgemein zugängliche Quelle ist bei Informationen gegeben, die die Verwaltung im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit zugänglich macht.1633 Amtliche Informationen sind nicht per se allgemein zugänglich. Der Staat hat das Bestimmungsrecht über die öffentlichen Informationen.1634 Das BVerfG führte aus: „Legt der Gesetzgeber die Art der Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und damit zugleich das Ausmaß der Öffnung dieser Informationsquelle fest, so wird in diesem Umfang zugleich der Schutzbereich der Informationsfreiheit eröffnet.“1635 Verknüpft hiermit ist die Frage, ob sich aus der Verfassung ein Grundrecht auf Informationszugang ableiten
1627
Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (984). Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (985). 1629 Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (985). 1630 Gurlit, Die Verwaltung 2011, 75 (95). 1631 BVerfGE 27, 71 (79). 1632 BVerfGE 27, 71 (83); BVerfGE 90, 27 (32); BVerfGE 103, 44 (60). 1633 Kugelmann, DÖV 2005, 851 (856). 1634 Schuldt, Geheimnisverrat, S. 115; BVerfGE 103, 44 (60). Das Bestimmungsrecht besteht nur in den von der Verfassung vorgegebenen Grenzen, siehe Schuldt, Geheimnisverrat, S. 115f.; Rossi, Informationszugangsfreiheit, S. 214; BVerfGE 103, 44 (61); BVerfGE 119, 309 (319). 1635 BVerfGE 103, 44 (61). 1628
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
259
lässt.1636 Nach überwiegender Ansicht besteht dieses nicht.1637 Auch aus den Grundrechten des Art. 5 III GG, Art. 12 GG, Art. 14 GG folgt kein Anspruch auf Informationszugang.1638 Ebenso wenig lässt sich ein solcher aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ableiten.1639 Mithin gibt Art. 5 I 1 GG nur ein Recht, sich aus bereits bestehenden allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten.1640 Aus der thematisch verwandten Informationsfreiheit lässt sich aus historischer Sicht kein Zugangsrecht zu Informationen herleiten, wurde die Informationsfreiheit aus „allgemein zugänglichen Quellen“ doch ursprünglich auf private Quellen wie Presseerzeugnisse und nicht auf amtliche Informationen bezogen.1641 Ein Recht auf Informationszugang aus der Informationsfreiheit und aus den übrigen Kommunikationsgrundrechten, wird aus dem Grund abgelehnt, dass die Kommunikationsgrundrechte Abwehrrechte darstellen würden, also Rechte des status negativus seien, wohingegen ein Recht auf Informationszugang ein Leistungsrecht, also ein status positivus sein müsse.1642 b) Die Entwicklung zu einfachgesetzlichen Informationsrechten Das Recht auf Informationsfreiheit ist eng verknüpft mit dem Prinzip der Transparenz der Verwaltung.1643 Historisch betrachtet nahm dieses Prinzip in Europa seinen Anfang in der schwedischen Druckfreiheitsverordnung (Tryckfrihetsförordningen) aus dem Jahre 1766. Zwei Jahrhunderte später, setzte sich dieses Prinzip im Jahr 1966 mit dem Freedom of Information Act auch in den USA durch.1644 Anders als in Schweden und den USA herrschte in Deutschland eine „Arkantradition“ vor, die sich
1636
Gegen eine solches Recht Kloepfer/Greve, NVwZ 2011, 577 (578); Kloepfer/Schärdel, JZ 2009, 453 (459); Kloepfer/Lewinski, DVBl 2005, 1277 (1277). Gefordert wurde ein verfassungsrechtlich kodifiziertes Recht auf Informationszugang von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 16/9607. Zuvor war ein Grundrecht auf Informationszugang auch Gegenstand der Diskussion der Gemeinsamen Verfassungskommission, siehe BT-Drs. 12/6000, siehe hierzu auch Kloepfer/Schärdel, JZ 2009, 453 (456). 1637 Siehe hierzu ausführlich Wirtz/Brink, NVwZ 2015, 1160 1638 Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 62. 1639 Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 62; Scherzberg, Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 320ff. 1640 BVerfGE 103, 44 (60); Kugelmann, DÖV 2005, 851 (856); Schuldt, Geheimnisverrat, S. 104. Scherzberg, Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 378ff. geht davon aus, dass Informationen im Machtbereich des Staates allgemein zugängliche Quellen seien. Zum Teil wird gleichfalls ein verfassungsunmittelbarer Informationsanspruch aus Art. 5 I 1 HS 2 GG bejaht, indem die amtlichen Informationen als allgemein zugängliche Quellen eingeordnet werden, mit dem Argument, ihre behauptete geheime Natur sei lediglich eine „Referenz an die Verwaltungstradition und ein Postulat unreflektierten eigenen Dafürhaltens“, Wegener, Geheime Staat, S. 480. 1641 Wirtz/Brink, NVwZ 2015, 1166 (1168); Sydow/Gebhardt, NVwZ 2006, 986 (989); Schoch sieht dies aus der historischen Perspektive nur bis zum Inkrafttreten des IFG als begründet, er sieht das Bestimmungsrecht über die Allgemeinzugänglichkeit staatlicher Informationen beim Gesetzgeber, Schoch, IFG, Einleitung, Rn. 69; gegen einen Anspruch auf Informationszugang aus der Informationsfreiheit auch Rossi, Informationszugangsfreiheit, S. 88. 1642 Kloepfer/Schärdel, JZ 2009, 453 (459); Kugelmann, DÖV 2005, 851 (856); Schoch, IFG, Einleitung, Rn. 68 ff.; BVerfGE 103, 44 (59 f.); BVerfGE 119, 309 (319). 1643 Greve, ZD 2014, 336 (337). 1644 Greve, ZD 2014, 336 (337). Im Nachgang der Watergate-Affaire und des My-Lai-Massakers, waren der Informationszugang in den USA erleichert worden. Mit den Terroranschlägen vom 11.9.2001 wurde der Informationszugang wieder beschränkt, Bräutigam, DÖV 2005, 376 (381); Schuldt, Geheimnisverrat, S. 111.
260
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
beispielsweise in der Norm des § 29 VwVfG widerspiegelt, der davon ausgeht, dass Behördenakten im Grundsatz geheim sind.1645 Eine Loslösung von der deutschen Arkantradition der Verwaltung und der beschränkten Aktenöffentlichkeit, hin zu einer transparenten Verwaltung zeichnete sich mit der Einführung dreier Gesetze
ab:
dem
Umweltinformationsgesetz,
Verbraucherinformationsgesetz.1646
Seinen
dem
Informationsfreiheitsgesetz
Ausgangspunkt
nahm
diese
und
dem
Entwicklung
eines
voraussetzungslosen Informationszugangs durch den Einfluss des europäischen Gesetzgebers.1647 Aufgrund der ersten europäischen Umweltinformationsrichtlinie wurde in Deutschland das UIG im Jahr 1994 eingeführt.1648 Mit § 3 I UIG besteht für jedermann ein Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, ohne dass hierfür ein rechtliches Interesse dargelegt werden muss. Auf einfachgesetzlicher Ebene bildeten sich in der Folge weitere Ansprüche auf Informationszugang heraus. Hier waren es vor allem einige Länder, die Informationsfreiheitsgesetze einführten, die über den Zugang zu Umweltinformationen hinausgingen.1649 Der Bund folgte diesem Beispiel. Das 2006 in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetz (IFG) verleiht jedermann einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber Behörden in § 1 IFG.1650 Damit kehrte sich das Regel-Ausnahmeverhältnis im Vergleich zu §§ 29, 30 VwVfG um.1651 War zuvor Geheimhaltung
die
Regel
und
ein
Informationsanspruch
die
Ausnahme,
machte
das
Informationsfreiheitsgesetz nun einen Informationsanspruch zum Regelfall und Geheimhaltung zur Ausnahme.1652 Damit ist es nunmehr an der Behörde, darzulegen, dass ausnahmsweise ein Informationsanspruch nicht besteht.1653 Adressat des IFG sind die Behörden des Bundes gemäß 1645
Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 16 mit Verweis auf Bull, ZG 2002, 201 (202 f.); Wegener, Geheime Staat, S. 3ff.; gegen einen ausschließlichen Rekurs auf § 29 VwVfG. Rossi, Informationszugangsfreiheit, S. 196. Der Grundsatz der beschränkten Aktenöffentlichkeit geht auf eine Entscheidung des BVerwG aus dem Jahr 1968 zurück, in der ein subjektiver Anspruch der Beteiligten im Verwaltungsverfahren auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über Anträge auf Akteneinsicht anerkannt wurde, BVerwGE 30, 154 (160). Dieser Grundsatz wurde in §§ 29, 30 VwVfG kodifiziert, siehe Schuldt, Geheimnisverrat, S. 105. 1646 Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 19; Karg, in: Gersdorf/Paal, § 5 UIG, Rn. 1; für das IFG siehe Hong, NVwZ 2016, 953. 1647 Richtlinie 90/313 EWG vom 7.6.1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt. 1648 Nunmehr erfolgte die Umsetzung auch aufgrund der Aarhus Konvention, Rossi, in: von Arnim, Transparenz contra Geheimhaltung, 43 (43). 1649 Gurlit, Die Verwaltung 2011, 75 (77). 1650 Der Anspruch besteht auch für juristische Personen des Privatrechts. Juristische Personen des öffentlichen Rechts werden jedoch auf die Amtshilfevorschriften, Auskunfts(verschaffungs)rechte oder Übermittlungsbefugnisse und -pflichten verwiesen, siehe BT.Drs. 15/4493, S. 7. Präzise sollte von Informationszugangsgesetzen gesprochen werden, Schuldt, Geheimnisverrat, S. 105. Kloepfer/Lewinski halten die Bezeichnung „Verwaltungsinformationszugangsgesetzen“ für rechtlich präziser, siehe Kloepfer/Lewinski, DVBl 2005, 1277 (1279). 1651 § 29 I Hs. 2 VwVfG sieht jedoch weiterhin ein rechtliches Interesse auf Informationszugang vor, sodass hier ein Wertungswiderspruch zu dem im Grundsatz bestehenden Zugang nach dem IFG besteht, siehe Schiedermair, in: BeckOK Datenschutzrecht, BDSG Informationsfreiheitsgesetz, Rn. 11. 1652 Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 21. 1653 BT-Drs. 15/4493, S. 9; Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 21. Daneben nennt § 1 III IFG selbst Ausnahmen, in denen das IFG keine Anwendung findet. Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen gehen demnach mit Ausnahme von § 29 VwVfG und § 25 SGB X dem IFG vor.
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
261
§ 1 I 1 IFG. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt das Gesetz gemäß § 1 I 2 IFG, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Bedient sich eine Behörde eines Privatrechtssubjekts zur Aufgabenerfüllung, ist auch dieses nach § 1 I 3 IFG Adressat der Norm. Die Informationspflicht trifft die Behörden, wobei Behörde nach § 1 IV VwVfG jede Stelle ist, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.1654 Ziel des IFG ist es, einen allgemeinen und voraussetzungslosen Zugang zu amtlichen Informationen des Bundes unter Berücksichtigung des Daten- und Geheimnisschutzes zu eröffnen. Das Informationszugangsrecht dient der effektiven Wahrnehmung
von 1655
Willensbildung.
Bürgerrechten,
insbesondere
der
demokratischen
Meinungs-
und
Nach der Gesetzesbegründung sei der Zugang zu Informationen insbesondere
„angesichts der wachsenden Informationsmacht des Staates“ wichtig.1656 Damit ist
das
Informationszugangsrecht von Bedeutung für die demokratische Freiheit und damit auch für die individuelle Freiheit.1657 Dem Einzelnen wird so ermöglicht, seine Individualinteressen besser verfolgen zu können.1658 Zudem unterliegt die Verwaltung so einer besseren Kontrolle.1659 Letztendlich bezwecken ein
Informationszugangsrecht
und
die
Informationsfreiheit
Informationsasymmetrie zwischen Bürger und Verwaltung.
1660
auch
einen
Ausgleich
der
Mit den einfachgesetzlichen
Informationsrechten wird dem Informationsinteresse des Bürgers an Vorgängen in der Verwaltung Rechnung getragen. Zu den Informationen, die solchen Informationszugangsansprüchen unterfallen, können auch Informationen über Whistleblower zählen.1661 c) Ausnahmen zu den Informationsrechten Aus der Tatsache, dass im Grundsatz ein unbeschränkter Informationszugang besteht, lässt sich jedoch keine unbeschränkte Transparenz staatlichen Handelns folgern. Die Tatsache, dass es eines Informationszugangsrechts bedarf, impliziert bereits, dass nicht vollkommene Transparenz gegeben sein kann, da es ansonsten eines solchen Rechtes nicht bedürfte.1662 Das Recht auf Informationszugang gilt nicht uneingeschränkt, wie durch die kodifizierten Ausnahmen im IFG deutlich wird. In §§ 3 und 4 IFG sind besondere öffentliche Belange geschützt, in §§ 5 und 6 IFG private Belange.1663 Beispiele aus dem Katalog sind die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch das Bekanntwerden der Information (§ 3 Nr. 2 IFG), die Beeinträchtigung behördlicher Beratungen (§ 3 Nr. 3b IFG) oder das Bestehen einer
1654
Nach der Gesetzesbegründung wurde der funktionelle Behördenbegriff zugrunde gelegt, wie ihn § 1 IV VwVfG vorsieht, siehe BT-Drs. 15/4493, S. 7. 1655 BT-Drs. 15/4493, S. 6. 1656 BT.Drs. 15/4493, S. 6. 1657 Hong, NVwZ 2016, 953 (953). 1658 Kugelmann, DÖV 2005, 851 (857). 1659 Kugelmann, DÖV 2005, 851 (857). 1660 Roßnagel, MMR 2007, 16 (18); Bäumler, NJW 2000, 1982 (1985). 1661 Greve, ZD 2014, 336 (337). 1662 Gusy, DVBl 2013, 941 (944f). 1663 Nach § 3 Nr. 7 IFG kann das Interesse eines Dritten, dass vertraulich erhobene oder übermittelte Informationen auch weiterhin vertraulich behandelt werden, einen Informationsanspruch ausschließen. Mit § 3 Nr. 7 IFG kann ein Schutz für Whistleblower und Informanten gewährt werden, siehe . Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (993). Der Dritte, von dem die Information stammt, kann aber kein Amtsträger sein.
262
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht beziehungsweise eines besonderen Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnisses (§ 3 Nr. 4 IFG). aa) Schutz personenbezogener Daten Personenbezogene Daten sind nach § 5 IFG gesondert geschützt; hier muss das Informationsinteresse das Interesse am Ausschluss des Informationszugangs überwiegen, mithin ist hier eine Abwägung vorgesehen.1664 Bei der Abwägung ist nach der Gesetzesbegründung das Informationsinteresse der Allgemeinheit zugunsten des Antragsstellers zu berücksichtigen.1665 Dies bedeutet allerdings nicht, dass nicht auch private Interessen bei der Abwägung Berücksichtigung finden können, spricht doch § 5 I 1 IFG selbst von den Informationsinteressen des Antragsstellers.1666 Die Vorschrift ermöglicht somit auch einen Whistleblower-Schutz, indem beispielsweise die Identität des Whistleblowers als schutzwürdiges Interesse einen Informationszugang beschränkt.1667 In § 5 II IFG ist eine Abwägung ausgeschlossen. Nach § 5 II IFG überwiegt das Informationsinteresse nicht bei Informationen aus Unterlagen, soweit sie mit dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen, oder bei Informationen, die einem Berufs- oder Amtsgeheimnis unterliegen. Das Berufsgeheimnis, von dem auch Informationen, die der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterfallen, umfasst sind, ist über § 5 II IFG vor dem Informationszugang geschützt. Der Schutz besteht beispielsweise dann, wenn ein Rechtsanwalt im Rahmen von § 1 I 3 IFG als Ombudsmann für die Annahme von Hinweisen in einer Behörde oder einem Unternehmen tätigt ist.1668 bb) Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ist explizit in § 6 S. 2 IFG geschützt, wonach Zugang nur dann gewährt werden darf, wenn der Betroffene eingewilligt hat. Kritisiert wurde im Gesetzgebungsverfahren unter anderem, dass dadurch kein effektiver Korruptionsschutz möglich sei.1669 Anders als beispielsweise nach dem UIG, findet im Rahmen des IFG keine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse statt, hinter das das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gegebenenfalls zurücktreten muss. In der Rechtsprechung wird über den Begriff des berechtigten Interesses Wertungsfragen Zugang verschafft.1670 § 6 S. 2 IFG enthält selbst keine Definition, was unter einem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zu verstehen ist, sodass bislang Rückgriff auf die von der Rechtsprechung verwendete Definition des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses genommen wurde.1671 Die
1664
Das Verhältnis zwischen Datenschutz und Informationsfreiheit kann zu Konflikten führen, siehe Roßnagel, MMR 2007, 16. Gleichwohl sind sie insofern „eher zwei Seiten einer Medaille, denn Gegensätze“ (Wegener, NVwZ 2015, 609 (614)), als sie beide auf eine Kommunikationsordnung abzielen, in der Informationen selbstbestimmt getauscht werden, siehe Roßnagel, MMR 2007, 16 (16 ff.); Gusy, DVBl 2013, 941 (943). 1665 BT-Drs. 15/4493, S. 13. 1666 So Schoch, IFG, § 5 IFG, Rn 41 f.; Greve, ZD 2014, 336 (339). 1667 Greve, ZD 2014, 336 (339). 1668 Greve, ZD 2014, 336 (339). 1669 Siehe zu den Kritikpunkten Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (993). 1670 Siehe hierzu die ausführliche Untersuchung von Helbach, Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, S. 188 f. 1671 Schaar, Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit, S. 18.
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
263
Änderungen, die sich durch die EU-Geschäftsgeheimnissschutzrichtlinie für den Begriff des Betriebsund Geschäftsgeheimnisses ergeben, wirken sich auch im Rahmen des § 6 S. 2 IFG aus, wenn man den Begriff einheitlich im Sinne der Richtlinie verwenden möchte. Hierbei kommt es zu Friktionen zwischen dem neuen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisbegriff wie ihn die Geheimnisschutz-Richtlinie prägt und dem öffentlich-rechtlichen Geheimnisschutz beziehungsweise Informationszugang. Der von der Richtlinie geforderte kommerzielle Wert führt zur Diskussion, ob auch ein negatives Interesse davon erfasst wird. Relevant werde dies im öffentlich-rechtlichen Bereich deshalb, weil es hier dem Antragssteller regelmäßig nicht um den kommerziellen Wert der Information gehe, sondern um den politischen beziehungsweise moralischen Inhalt, sodass in solchen Fällen typischerweise das negative Interesse betroffen sei, nicht aber zwangsläufig das kommerzielle.1672 Ebenso problematisch sind die von der Richtlinie geforderten Geheimhaltungsmaßnahmen. Bei den Informationszugangsrechten bestehe typischerweise ein Dreiecksverhältnis zwischen Antragssteller, der Behörde, bei der die Information vorliegt und dem Berechtigten, der Inhaber des Geheimnisses ist. Somit müsse der Berechtigte, der in diesem Fall nur Dritter ist, wenn es um den Informationszugang geht, die Geheimhaltungsmaßnahmen treffen.1673 Diese Problematik könne nur durch Heranziehung des (vermuteten) Willens gelöst werden, sodass wieder auf die alte Rechtslage rekurriert werden müsse.1674 d) Weitere Informationszugangsrechte Neben dem IFG existiert für den Bereich der Umweltinformationen das UIG. In §§ 8, 9 UIG finden sich Ausschlussgründe für den Informationszugang in diesem Bereich wieder. Das VIG wurde als Reaktion auf zahlreiche Lebensmittelskandale, wie beispielsweise der Umetikettierung von Fleischprodukten, erlassen.1675 Es gibt jedem Verbraucher in § 1 VIG einen Anspruch auf freien Zugang zu Informationen, die bei informationspflichtigen Stellen im Sinne des Gesetzes vorliegen. Nicht geregelt durch das VIG sind allerdings Befugnisse der Behörden zur Information der Öffentlichkeit.1676 Eine solche Regelung im VIG hätte zu einem verbesserten Verbraucherschutz beigetragen.1677 Im Europarecht wurde die Öffentlichkeit der Verwaltung zunächst für den spezifischen Bereich der Umweltinformationen vorgesehen.1678 Nunmehr ist ein allgemeines Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union in Art. 15 III AEUV zu finden. Sekundärrechtlich besteht eine Anspruchsgrundlage in Art. 2 I Informationszugangs-VO.1679
1672
Goldhammer, NVwZ 2017, 1809 (1812). Goldhammer, NVwZ 2017, 1809 (1813). Goldhammer, NVwZ 2017, 1809 (1813). 1675 BT-Drs. 16/5404, S. 1. 1676 BT-Drs. 16/5404, S. 1 f. 1677 Siehe hierzu Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 22. 1678 Gusy, DVBl 2013, 941 (941). 1679 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001; siehe hierzu auch Wegener, in: Callies/Ruffert, Art. 15 AEUV, Rn. 11. 1673 1674
264
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis Amtsverschwiegenheitspflicht und Informationsinteresse der Öffentlichkeit
Der Amtsverschwiegenheitspflicht steht ein Interesse der Öffentlichkeit an Information und Überwachung der Verwaltung gegenüber, das dem demokratischen Staat immanent ist.1680 Mit den diversen Gesetzen, die einen Informationszugangsanspruch gewähren, setzte eine Entwicklung ein weg von einem strikten Amtsgeheimnis beziehungsweise einer beschränkten Aktenöffentlichkeit hin zur Informationsfreiheit und einer öffentlichen und transparenten Verwaltung.1681 Dieses Interesse wird zum Teil dadurch befriedigt, dass Behörden und öffentliche Stellen nach Vorschriften wie denen des IFG verpflichtet sind, einen Zugang zu amtlichen Informationen der Bundesbehörden zu gewähren. Nach solchen Vorschriften bestehen unter anderem Einsichtsrechte in Unterlagen, sowie Auskunftsrechte.1682 In der Gesetzesbegründung des IFG wird ausgeführt, dass der Zugang zu Information und die Transparenz eine wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten sei. Das Gesetz diene vor allem der demokratischen Meinungs- und Willensbildung. Zudem würde die Kontrolle staatlichen Handelns verbessert und damit ein Mittel zur Korruptionsbekämpfung geschaffen. Eine Stärkung der Wahrnehmung der Bürgerrechte trete auch dadurch ein, dass das Regel-AusnahmeVerhältnis umgekehrt werde und nun die Behörde die Ausnahme vom Zugang darlegen müsse.1683 Das IFG zeigt, dass ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an Kenntnis von Vorgängen in den Behörden besteht, vor allem damit die Öffentlichkeit ihre Bürgerrechte wahrnehmen und sich eine eigene Meinung sowie einen eigenen Willen bilden kann. Dieses Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird aus denselben Gründen auch in Bezug auf Missstände in Behörden bestehen. Daher ist
es
nur
folgerichtig,
Ausnahmen
von
den
beamtenrechtlichen
Pflichten
wie
der
Amtsverschwiegenheitspflicht zuzulassen, für den Fall, dass ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit besteht. Bei Verstößen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung besteht ein solches öffentliches Informationsinteresse. Diese Ausnahmen sollten nicht nur für Verstöße gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung angenommen werden, sondern auch bei konkreten Gefahren für wichtige Rechtsgüter, wie beispielsweise Leben und Gesundheit. Denn auch in solchen Fällen besteht ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit.
III.
Hinweisgebersysteme in der Verwaltung als Informationskanäle
Bedarf an Hinweisgebersystemen in der Verwaltung Hinweisgebersysteme in Unternehmen werden häufig im Rahmen von Compliance-Maßnahmen eingefügt. Dabei werden Compliance-Maßnahmen in der Privatwirtschaft häufig deshalb ergriffen, weil gesetzliche Regelungen dies vorsehen.1684 Es stellt sich somit die Frage, inwiefern auch in der Verwaltung Hinweisgebersysteme zum Einsatz kommen können und sollten. Für öffentliche
1680
Stamer, Pflichten Beamte, S. 170. Siehe zur Entwicklung Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984. Vgl. Plog/Wiedow, § 67 BBG, Rn. 9; Schoch, Vorwort und § 1 IFG; vgl. zum Konflikt zwischen Transparenz und Datenschutz auch Greve, ZD 2014, 336. 1683 Siehe BT-Drs. 15/4493, S. 6. 1684 Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Hinweisgebersysteme als geregelte Informationskanäle, S. 123 ff. 1681 1682
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
265
Unternehmen besteht mit den Grundsätzen guter Unternehmens- und Beteiligungsführung im Bereich des Bundes bereits ein entsprechendes Regelwerk, das auch den Unternehmen in der Form der juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Beachtung empfohlen wird.1685 Während es bei öffentlichen Unternehmen noch sehr naheliegend erscheint, eine Compliance-Struktur zu errichten, stellt sich die Frage, ob dies bei den staatlichen Behörden ebenso erstrebenswert ist. Zu bedenken ist, dass der Staat gerade das Recht setzt, dessen Einhaltung durch die Compliance-Strukturen garantiert werden soll und dass seine entsprechenden Behörden den Vollzug des gesetzten Rechts als Aufgabe haben.1686 Gleichwohl kann es, gerade im Bereich der Korruptionsbekämpfung, der im öffentlichen Dienst ein großes Risiko darstellt, durchaus erstrebenswert sein, Compliance-Systeme und in diesem Rahmen auch Hinweisgebersysteme, einzurichten.1687 Zudem ist der Staat an Recht und Gesetz gemäß Art. 20 III GG gebunden, sodass die Einhaltung der gesetzlichen Regeln schon allein deshalb von Bedeutung ist.1688 Auch nach außen soll das Bild der gesetzestreuen Verwaltung aufrechterhalten werden, sodass das Vertrauen in den Staat bestehen bleibt. Verstärkt wird dieses Bedürfnis noch durch die Gemeinwohlbindung der Verwaltung. Daneben darf auch ein gewisses Maß an Transparenz in Bezug auf die Tätigkeit der Verwaltung gefordert werden, die sich auch in den Auskunftsansprüchen aus dem IFG und anderen Gesetzen verwirklicht. Hierin liegt ein das Haftungsrisiko erhöhender Faktor.1689 Der Bund hat bereits 2009 mit dem Public Corporate Governance Kodex ein Pendant zum Corporate Governance Kodex der Privatwirtschaft geschaffen, der Regelungen zum Teilbereich der Beteiligungsführung bei Bundesunternehmen enthält.1690 Es offenbart sich im öffentlichen Dienst das Bedürfnis, durch ein Compliance-System sicherzustellen, dass die maßgeblichen Gesetze und Normen durch den öffentlichen Rechtsträger, seine Organe und seine Beschäftigten eingehalten werden.1691 Besteht in der Verwaltung ein Hinweisgebersystem, das die Amtsverschwiegenheit und die Dienstweggebundenheit berücksichtigt, können Missstände in der Verwaltung behoben werden, die durch die Remonstration nicht beseitigt werden können. Ein solches Hinweisgebersystem ist auch dazu geeignet, die Hemmschwelle zur Missstandsmeldung in der Verwaltung zu senken. Denn ein weiterer Aspekt, der nicht unberücksichtigt bleiben darf, ist, dass sich der Beamte in der Praxis unter Umständen nicht trauen wird zu remonstrieren. Er könnte befürchten, als Querulant dazustehen.1692 Auf die Remonstration können Mobbing oder Ausgrenzung folgen. Selbst bei vom Gesetz vorgesehenen Meldemöglichkeiten wie der Remonstration, ist der Beamte vor derlei Benachteiligungen nicht
1685
Vgl. Burgi, CCZ 2010, 41 (42); Grundsätze abrufbar unter . 1686 Vgl. Burgi, CCZ 2010, 41 (44). 1687 Die Stadt Frankfurt am Main hat beispielsweise ein eigenes Antikorruptionsreferat, das Hinweise zu Korruption entgegennimmt, siehe hierzu auch Vogelsang/Nahrstedt/Fuhrmann, CCZ 2014, 181 (184). 1688 Heuking/von Coelln, DÖV 2012, 827 (831); Vogelsang/Nahrstedt/Fuhrmann, CCZ 2014, 181 (181). 1689 Heuking/von Coelln, DÖV 2012, 827 (834). 1690 Heuking/von Coelln, DÖV 2012, 827 (831); Burgi, CCZ 2010, 41 (43f.). 1691 Neufeld/Hitzelberger-Kijima, öAT 2015, 23 (23). 1692 Bank, ZBR 1963, 161 (164).
266
Kapitel 3: Whistleblowing im Beamtenverhältnis
geschützt. Ein Hinweisgebersystem und ein zugrundeliegendes Compliance-System können Schutz vor Nachteilen vorsehen und senden vor allem die Botschaft aus, dass Missstandsmeldungen erwünscht sind. Beteiligungsrechte der Personalvertretung Die Einführung eines Hinweisgebersystems im Rahmen eines Compliance-Systems im öffentlichen Dienst kann ebenso zu Beteiligungsrechten der Personalvertretung führen, wie dies in Unternehmen mit Betriebsrat der Fall ist. Anwendung findet hierbei das BPersVG. Wird ein Compliance-System in der Verwaltung eingeführt, kann dies dazu führen, dass gleichzeitig neue Stellen geschaffen werden, sodass dann ein Anhörungsrecht der Personalvertretung nach § 78 III BPersVG besteht.1693 Die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung sind in § 75 BPersVG geregelt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass sich hieraus Mitbestimmungsrechte für die Implementierung eines Hinweisgeber-Systems nur ableiten lassen, wenn man die Vorschrift ebenso großzügig auslegt, wie dies bei § 87 BetrVG geschieht.1694 § 75 III Nr. 15 BPersVG stellt das Pendant zu § 87 I Nr. 1 BetrVG dar und umfasst Regelungen der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten. Gerade wenn Hinweisgebersysteme eingeführt werden sollen, kommt parallel zu § 87 I Nr. 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht nach § 75 III Nr. 17 BPersVG in Betracht, der die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen, umfasst.1695 Bei der Einführung eines Hinweisgebersystems kann zudem das Ordnungsverhalten in der Dienststelle tangiert werden, sodass § 75 III Nr. 15 BPersVG einschlägig ist. Dies sei dann der Fall, wenn das System verpflichtend als einziger Meldeweg eröffnet wird.1696 Allgemein besteht ein Mitbestimmungsrecht, wenn beispielsweise ein Compliance-Beauftragter neu eingestellt wird, da es sich um eine Einstellung nach § 75 I Nr. 1 i.V.m. § 77 II BPersVG handelt.1697 Mögliche Hinweisgeberstellen in der Verwaltung Grundsätzlich kommen in der Verwaltung die gleichen Hinweisgeberstellen wie in Unternehmen in Betracht, sofern nicht auf die Stellen abgestellt wird, die denknotwendig nur bei Unternehmen gegeben sein können, wie beispielsweise auf den Aufsichtsrat1698 Wird eine Whistleblowing-Stelle in der Verwaltung extern eingerichtet, so bedarf es bei Beamten einer Klarstellung, dass die Meldung an diese Stelle nicht zu einer Verletzung des Dienstweges führt.1699 Ombudspersonen können beispielsweise 1693
Hitzelberger-Kijima, öAT 2015, 45 (45). Hitzelberger-Kijima nennt daneben die Möglichkeit eines Mitbestimmungsrechts bei einer Änderung der Ausstattung des Arbeitsplatzes oder eines Umbaus der Räumlichkeiten, die sich bei der Schaffung einer Compliance-Abteilung im Unternehmen ergeben könnten nach § 75 III Nr. 16 BPersVG, HitzelbergerKijima, öAT 2015, 45 (45). Dies kann aber nur bei tatsächlichem Vorliegen der genannten Voraussetzungen gegeben sein, die doch sehr speziell sind. 1695 So auch Hitzelberger-Kijima, öAT 2015, 45 (46). 1696 Hitzelberger-Kijima, öAT 2015, 45 (46). 1697 So auch Hitzelberger-Kijima, öAT 2015, 45 (45). 1698 Siehe zu den möglichen Hinweisgeberstellen und Arten von Hinweisgebersystemen im Unternehmen das Kapitel Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen in Unternehmen, S. 131 ff. 1699 Borckenstein, Korruptionsprävention in der öffentlichen Verwaltung, S. 100. 1694
C. Geheimnisse im Beamtenverhältnis
267
nicht nur bei Unternehmen eingesetzt werden, sondern können auch für die öffentliche Verwaltung zum Einsatz kommen.1700 Da die Ombudsperson häufig aber außerhalb des behördeninternen Bereichs steht, wird eine Meldung an sie als externes Whistleblowing und damit potentiell als Flucht in die Öffentlichkeit eingestuft.1701 Dieses Beispiel illustriert, dass es einer Klarstellung bedarf.
IV.
Fazit
Ein Spezifikum des Whistleblowings im Beamtenverhältnis ist, dass es im Kontext der Verwaltung eingebettet, einem ganz spezifischen Spannungsfeld zwischen Geheimnis und Information unterliegt. Neben dem Informationsinteresse des Dienstherrn und der Öffentlichkeit, kommt hier eine weitere Komponente hinzu. Es bestehen Informationsrechte der Bürger gegenüber dem Staat, und eine Geheimhaltung durch die Verwaltung unterliegt einer kritischen Betrachtung durch die Öffentlichkeit. Durch einzelne IFG-Normen wird gewährleistet, dass Informanten und Geheimnisse geschützt sind. Während die bestehenden Informationszugangsansprüche aufzeigen, inwiefern Bürger sich gestützt auf Informationsrechte informieren können, adressiert Whistleblowing sozusagen den gegenläufigen Informationsfluss,
inwiefern
die
Öffentlichkeit
informiert
werden
muss,
weil
sie
ein
Informationsinteresse hat. Wenn verhindert werden soll, dass Hinweisgeber sich an die Öffentlichkeit wenden, kann ein Hinweisgebersystem auch in der Verwaltung von Nutzen sein. Durch das Hinweisgebersystem werden geregelte Informationskanäle geschaffen, die die spezifischen beamtenrechtlichen Pflichten berücksichtigen können und mit denen zugleich ein Missstand effektiv bekämpft werden kann.
1700 1701
Abrahams, ZRP 2012, 11 (11). Auf diese Problematik hinweisend Herold, ZBR 2013, 8 (10).
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz Informationelle Privatheit Die informationelle Privatheit schützt vor unerwünschtem Zugang im Sinne eines Eingriffs in persönliche Daten.1702 Alan Westin definierte Privatheit in einer Weise, die die informationelle Dimension herausstellt, indem er sagte: „Privacy is the claim of individuals, groups or institutions to determine for themselves when, how, and to what extent information about them is communicated to others.“1703 Auf den deutschen Rechtskreis bezogen, bildet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einen wichtigen Bestandteil der Privatheit. Allerdings erschöpft sich die Privatheit nicht in diesem Recht. Insofern ist es zutreffend zu sagen, dass der Privatheitsschutz weiter geht als der Datenschutz.1704 Unter der informationellen Dimension der Privatheit lässt sich „die tatsächliche Möglichkeit der Einzelnen zur informationellen Selbstbestimmung und damit zur Entscheidung über die Preisgabe und Verwendung der eigenen personenbezogenen Daten“ verstehen.1705 Für den Zusammenhang zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der informationellen Privatheit ist es unabdingbar, sich genauer mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, seiner Entstehung und seinem Regelungsgehalt auseinanderzusetzen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurde vom BVerfG erstmals in seinem Volkszählungsurteil aus dem Jahr 1983 aufgegriffen.1706 Anlass für das Verfahren war das Volkszählungsgesetz, das Rechtsgrundlage für die für das Jahr 1983 geplante Volkszählung in der Bundesrepublik Deutschland war. Die Volkszählung wurde in der Bevölkerung mit großer Skepsis betrachtet. Das BVerfG führte dazu aus: „Die durch dieses Gesetz angeordnete Datenerhebung hat Beunruhigung auch in solchen Teilen der Bevölkerung ausgelöst, die als loyale Staatsbürger das Recht und die Pflicht des Staates respektieren, die für rationales und planvolles staatliches Handeln erforderlichen Informationen zu beschaffen.“1707 Das allgemeine Bewusstsein habe sich durch die Entwicklung der automatisierten Datenverarbeitung verändert.1708 Das BVerfG ließ letztlich die Volkszählung zu, allerdings stellte es Voraussetzungen für deren Durchführung auf. Es beschränkte sich aber nicht auf das Aufstellen von Voraussetzungen, sondern definierte allgemeine Maßgaben für Datenverarbeitungen und zeigte Gefahren auf, die sich aus der Datenverarbeitung ergeben können. Im konkreten Fall beurteilte es die Tatsache, dass keine Trennung der Datenerhebung für statistische Zwecke und für solche des Verwaltungsvollzuges erfolgte, als
verfassungswidrig.1709
Ferner
benannte
es
Gefahren
der
1702
modernen
Rössler, Der Wert des Privaten, S. 25. Westin, Privacy and Freedom, S. 7; damit kann er sogar als Vordenker des im Volkszählungsurteil geschaffenen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gelten, so von Lewinski, in: Stiftung Datenschutz. 1704 Genau umgekehrt sieht dies Albers, die formuliert: „Datenschutz ist aber weitaus mehr als Privatheitsschutz.“, siehe Albers, in: Friedwald (Hrsg.), Informationelle Selbstbestimmung, S. 11 (15). 1705 Sandfuchs, Privatheit wider Willen, S. 10. 1706 BVerfGE 65, 1. Siehe hierzu Podlech, Leviathan 1984, 85. 1707 BVerfGE 65, 1 (3). 1708 BVerfGE 65, 1 (3f.). 1709 BVerfGE 65, 1 (61ff.); siehe hierzu auch Buchner, Informationelle Selbstbestimmung, S. 31. 1703
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Sixt, Whistleblowing im Spannungsfeld von Macht, Geheimnis und Information, DuD-Fachbeiträge, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32552-7_4
A. Informationelle Privatheit
269
Informationsverarbeitungstechnologien, namentlich die unbegrenzte Speicherbarkeit, die schnelle Abrufbarkeit und den Aufbau von Informationssystemen, in denen die Daten zu einem vollständigen Persönlichkeitsprofil zusammengefügt werden könnten, ohne Kontrollmöglichkeit für die betroffene Person.1710 Eine der Kernaussagen des Urteils ist, dass es in der automatisierten Datenverarbeitung kein belangloses Datum mehr geben könne.1711 Zentraler Kern der Volkszählungsentscheidung ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG, das auf Vorarbeiten in der Literatur zurückgeht und das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG hergeleitet wurde.1712 Dabei erkannte das BVerfG, dass die bisherigen Konkretisierungen dieses Grundrechtes nicht abschließend seien und durch die neue Ausprägung besser auf neue Entwicklungen und moderne Gefährdungen reagiert werden könne.1713 Das Grundrecht gewährleistet das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Einschränkungen des Grundrechts seien nur aufgrund des überwiegenden Allgemeininteresses zulässig.1714 Damit umschrieb das Gericht den inhaltlichen Kern des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. In Zusammenhang mit dem Urteil wird von einer „Zäsur“ gesprochen.1715 Das BVerfG legte mit dem Urteil den Grundstein für den Datenschutz, wie er in Deutschland, in der nationalen Prägung, über Jahrzehnte geformt wurde. Für die Privatheitsforschung lässt sich ein Anknüpfungspunkt im Volkszählungsurteil finden. Insbesondere interessant ist hierfür folgende Passage des Urteils: „Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden.“ Das BVerfG äußerte sich weiter zu den Zusammenhängen zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Gesellschaftsordnung. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei mit einer Gesellschaftsordnung und einer diese ermöglichende Rechtsordnung unvereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen könnten, wer was wann bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung
eine
elementare
Funktionsbedingung
eines
auf
Handlungs-
und
Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlich demokratischen Gemeinwesens sei.1716 1710
Vgl. BVerfGE 65, 1 (42). Vgl. BVerfGE 65, 1 (45). 1712 Buchner, Informationelle Selbstbestimmung, S. 31. Siehe zu der Entwicklung ausführlich Hornung, Grundrechtsinnovationen, S. 266 f. Zu den Vorarbeiten zählt insbesondere das Gutachten von Steinmüller u.a.; es sei auch die Dissertation von Mallmann genannt, der an dem Gutachten als Mitautor mitwirkte und in seiner Dissertation ebenfalls das informationelle Selbstbestimmungsrecht abhandelte, Mallmann, Datenschutz in Verwaltungsinformationssystemen, S. 47 ff. 1713 Vgl. BVerfGE 65, 1. 1714 BVerfGE 65, 1. 1715 Vgl. Simitis, BDSG, Einleitung: Geschichte – Ziele – Prinzipien, Rn. 27. 1716 BVerfGE 65, 1 (43). 1711
270
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Das BVerfG stellt hier die Verbindung zwischen informationeller und dezisionaler Dimension der Privatheit her. Denn die Ungewissheit darüber, wer Kenntnis von Informationen hat, führt dazu, dass man sein eigenes Verhalten anpasst, gewisse Verhaltensweisen vermeidet und nicht mehr frei handelt und entscheidet. In diesem Fall ist neben der informationellen auch die dezisionale Dimension der Privatheit betroffen. Das Gericht äußerte sich auch zur Bedeutung des Datenschutzes für die freiheitlichdemokratische Grundordnung. Dabei wurde das informationelle Selbstbestimmungsrecht, das das BVerfG im Volkszählungsurteil ableitete, von seinen Wegbereitern in der Wissenschaft als notwendiges neues Instrument für den Datenschutz gesehen. Der bisherige Anknüpfungspunkt Privatsphäre wurde als inadäquat verworfen. Die Privatsphäre sei relativ, nicht genau begrenzbar und es müsse berücksichtigt werden, wem gegenüber die Privatsphäre zu wirken habe, es bedürfe also dem Einbezug der pragmatischen Informationsebene in die Privatsphäre.1717 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung deckt also vornehmlich die informationelle Dimension der Privatheit ab, greift aber auch Aspekte der dezisionalen Dimension der Privatheit auf. Die lokale Dimension der Privatheit wird hingegen von der Privatsphäre abgedeckt.
Gefährdung der informationellen Privatheit durch Hinweisgebersysteme Beim Whistleblowing in der Privatwirtschaft, aber zum Teil auch in der öffentlichen Verwaltung, kommen sogenannte Whistleblowing-Systeme oder Hinweisgebersysteme zum Einsatz. Bei Whistleblowing-Systemen oder Hinweisgebersystemen gibt das Unternehmen die Struktur vor, an welche Stelle und in welcher Form ein Whistleblower seine Meldung machen kann.1718 Beim Betrieb von
Hinweisgebersystemen
zur
Reglementierung
unerwünschten
Arbeitnehmer-
oder
Beamtenverhaltens, kann der Eindruck entstehen, dass die Unternehmensführung beziehungsweise der Dienstherr oder Vorgesetzte einen „panoptischen Blick“ auf die Beschäftigten haben kann.1719 Dies kann beim Betrieb von Hinweisgebersystemen dazu führen, dass die Beschäftigten ihr Verhalten anpassen und sich nicht mehr frei verhalten. Dieser Effekt kann in Bezug auf die Prävention von Fehlverhalten gewünscht sein, es kann aber auch dazu führen, dass Beschäftigte sich überhaupt nicht mehr frei verhalten und entscheiden. Letzteres dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn nicht transparent ist,
1717
Steinmüller u.a., Gutachten, S. 51. Das Gutachten wendet sich auch gegen die Privatheit als ersetzenden Begriff für Privatsphäre als Anknüpfungspunkt, da die Privatheit als Gegenpol zur Öffentlichkeit verstanden würde und somit eine Unterscheidung in den staatsfreien Bereich der Privatheit und dem staatszugehörigen Bereich der Öffentlichkeit erfolgen würde, Steinmüller u.a., Gutachten, S. 53. Hierzu sei angemerkt, dass die Auffassung zur damaligen Zeit berechtigt erscheint, sich die Privatheitsforschung allerdings weiterentwickelt hat und die Unterscheidung in Privatheit und Öffentlichkeit als Antipoden als überkommen gelten darf. Der Begriff der Privatheit darf heutzutage anders verstanden werden. Die Dichotomie Privatheit und Öffentlichkeit war lange Zeit äußerst potent. Historisch soll nach einer Auffassung diese Abgrenzung bereits in der griechischen Antike getroffen worden sein, nach anderer Ansicht bildete sie sich mit Entstehung der Industriegesellschaft oder des Kapitalismus heraus, siehe zum Meinungsstand Ochs/Löw, Un/Faire Informationspraktiken; Internet Privacy aus sozialwissenschaftlicher Perspektive, in: Internet Privacy, S. 17. Die Privatsphäre kann als vor- oder außergesellschaftliches Konstrukt begriffen werden, das in diversen Grundrechten, wie etwa der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG oder dem Schutz der Ehe und Familie nach Art. 6 GG ausgekleidet wird, so Nettesheim, Grundrechtsschutz der Privatheit, S. 17. 1718 Vgl. Pitroff, Whistleblowing-Systeme, S. 31. 1719 Vgl. Tinnefeld/Rauhofer, DuD 2008, 717 (722); siehe zum Panoptismus Foucault, Überwachen und Strafen.
B. Gefährdung der informationellen Privatheit …
271
wie die Daten über Hinweisgebersysteme erhoben, verarbeitet und genutzt werden, wer Zugang zu den Daten hat und welche Rechte die betroffene Person hat. Zum Schutz der informationellen Privatheit sind Vorkehrungen gegen diese Gefahr zu treffen. Ein Gegengewicht zu einer solchen Überwachung bilden die Benachrichtigungs- und Informationsrechte der betroffenen Person. Diese müssen den betroffenen Personen bekannt sein, damit die informationelle Privatheit effektiv gewährleistet wird. Ein transparentes und datenschutzkonformes System wird Missstände effektiv beseitigen und präventiv wirken.
Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern I.
Whistleblowing und Hinweisgebersysteme unter Geltung der EU-DatenschutzGrundverordnung
Nach jahrelangen Verhandlungen erging die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die seit dem 25.05.2018 Geltung beansprucht.1720 Verordnungen auf EU-Ebene gelten, anders als Richtlinien, in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbindlich und unmittelbar.1721 Die DSGVO hat Anwendungsvorrang vor bestehenden nationalen Regelungen. Die Mitgliedstaaten können also grundsätzlich nicht von den Vorgaben der DSGVO abweichen. Denn das Ziel der DSGVO ist es, das Datenschutzrecht in der Europäischen Union zu vereinheitlichen.1722 Die DSGVO lässt aber durch sogenannte Öffnungsklauseln dem nationalen Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum. Insofern weicht sie vom Charakter einer Verordnung, die als unmittelbar geltende Basisregelung keine Abweichungen zulässt, ab.1723 Auf Bestreben des Rates wurden sogenannte fakultative Öffnungsklauseln als Abweichungsmöglichkeiten von der DSGVO eingeführt, sodass den Mitgliedsstaaten ein Regelungsspielraum eröffnet wurde.1724 Aus Sicht des deutschen Gesetzgebers ist dies begrüßenswert, hatte doch Deutschland zahlreiche spezifische Regelungen im Datenschutzrecht bereits unter Geltung der zuvor geltenden Datenschutz-Richtlinie erlassen, die so zum Teil über die Öffnungsklauseln ihrem Inhalt nach beibehalten werden konnten. Die DSGVO stimmt zwar in ihren Grundsätzen mit unserem nationalen Datenschutzrecht überein, bleibt aber in ihrer Regelungstiefe hinter dem BDSG a.F. zurück. Daher war es entscheidend für den nationalen Gesetzgeber, inwiefern er bestehende Regeln beibehalten kann. Das nationale Datenschutzrecht wurde bis Mai 2018 durch das BDSG a.F. geregelt, welches mit Wirkung zum 25.05.2018 aufgehoben wurde. Der deutsche Gesetzgeber wurde tätig und beschloss das DSAnpUG-EU, mit dem auch das BDSG eine Neufassung erhielt.1725 Unternehmen müssen seit Geltung der DSGVO noch genauer darauf achten, die datenschutzrechtlichen Vorgaben einzuhalten. Andernfalls drohen nun nämlich empfindliche Bußgelder. Gemäß
1720
Verordnung (EU) 2016/679. Art. 288 AEUV. Siehe z,B. Erwägungsgrund 10. 1723 Kühling, NJW 2017, 1985 (1986). 1724 Kühling, NJW 2017, 1985 (1986). 1725 Bundesgesetzblatt 2017 Teil I Nr. 44, S. 2097ff. 1721 1722
272
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Art. 83 V DSGVO kann für die dort aufgezählten Verstößen, wie beispielsweise Verstöße gegen die Rechte der betroffenen Person gemäß Art. 12 bis 22 DSGVO, eine Geldbuße von bis zu 20 Millionen Euro verhängt werden, beziehungsweise im Fall eines Unternehmens bis zu 4% seines gesamten weltweiten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres, je nachdem welcher Betrag höher ist. Somit werden Unternehmen ein gesteigertes Interesse daran haben, dass Hinweisgebersysteme datenschutzkonform ausgestaltet werden und angesichts der drohenden Sanktionen ist eine solche Ausgestaltung auch von großer Bedeutung. Informationelle Selbstbestimmung und DSGVO Das deutsche Datenschutzrecht hat als vornehmlichen Bezugspunkt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
gemäß
Art. 2 I
i.V.m.
Art. 1 I GG.1726
Dabei
konkretisierten
die
datenschutzrechtlichen Bestimmungen nur den durch dieses Grundrecht gewährleisteten Schutz. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann für die DSGVO als unionsrechtliche Vorschrift allerdings kein Maßstab sein.1727 Aufgrund der unmittelbaren und weitreichenden Geltung der DSGVO wurde befürchtet, dass dadurch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und auch die übrigen Grundrechte, die in Bezug auf den Datenschutz relevant sind, obsolet würden.1728 Tatsächlich regelt die DSGVO
durch
Abweichungsmöglichkeiten
für
die
Mitgliedsstaaten,
den
sogenannten
Öffnungsklauseln, den Datenschutz nicht vollumfänglich, sodass in den Bereichen, in denen abweichende Vorschriften getroffen werden, ein Anwendungsbereich für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbleibt.1729 Zudem existieren Bereiche, in denen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zur Anwendung kommen kann, weil entweder keine unionsrechtliche Kompetenz besteht, wie zum Beispiel bei der nationalen Sicherheit, oder weil andere EU-Richtlinien Anwendung finden, wie dies bei der polizeilichen und justiziellen Datenverarbeitung der Fall ist.1730 Außerdem sei auch bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen die Rechtsprechung des BVerfG heranzuziehen.1731 Umgekehrt bedeutet dies aber, dass das europäische Recht am bedeutsamsten im Hinblick auf den Datenschutz ist.1732 Maßstab für die DSGVO ist nach Art. 6 III EUV und Art. 51 GrCh die GRCh.1733 Hier sind Art. 7 und 8 GrCh in Bezug auf den Datenschutz von besonderer Bedeutung. Art. 7 GrCh gewährleistet die Achtung des Privatlebens, des Familienlebens, der Wohnung und die Kommunikation, deren Schutz sich zu einem Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre zusammenfügt.1734 Art. 8 GrCh umfasst den Schutz personenbezogener Daten, wobei Art. 8 GrCh im Verhältnis zu 1726
Hierbei sei darauf hingewiesen, dass mit dem mehrdeutigen Begriff des Datenschutzes verschiedene Schutzgüter und Schutzkonzepte angesprochen werden, siehe von Lewinski, in: Auernhammer, Einführung, Rn. 16; ders., Matrix des Datenschutzes, S. 6 ff. 1727 Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 94f., Rn. 90a. 1728 Masing, SZ vom 9.1.2012, 10. 1729 Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 94 f., Rn. 90a; von Lewinsiki, in: Auernhammer, Einführung, Rn 39; 52. 1730 Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 95, Rn. 90b. 1731 Hoidn, in: Roßnagel, Europäische Datenschutz-Grundverordnung, S. 86, Rn. 65. 1732 Von Lewinski, in: Auernhammer, Einführung, Rn. 50 ff. 1733 Hoidn, in: Roßnagel, Europäische Datenschutz-Grundverordnung, S. 86, Rn. 65. Art. 16 I AEUV wiederholt das Grundrecht auf Datenschutz, Sobotta, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 16 AEUV, Rn. 8. 1734 Jarass, in: Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 7 GRCh, Rn. 2.
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
273
Art. 7 GrCh lex specialis ist. Allerdings werden beide durch den EuGH in Bezug auf den Datenschutz parallel angewandt.1735 Zum Teil wird davon ausgegangen, dass Art. 7 und Art. 8 GrCh dasselbe Schutzniveau gewährleisten würden, wie die deutschen Grundrechte.1736 Dennoch ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein über Jahrzehnte definiertes und konkretisiertes Recht, das in der kontinuierlichen Auslegung und Durchsetzung der Gerichtsinstanzen geformt wurde. Art. 7 GRCh und Art. 8 GrCh entstanden im Rahmen der GrCh erst Jahrzehnte später und unterliegen allein der Auslegung und damit Prägung durch den EuGH.1737 Ungeklärt ist auch, was Schutzgut des Datenschutzes auf Unionsebene ist.1738 So rückte in den bedeutenden Entscheidungen des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung und zum Recht auf Vergessenwerden Art. 7 GRCh in den Vordergrund.1739 Auch wenn der EuGH bislang eine datenschutzfreundliche Einstellung in seiner Rechtsprechung offenbarte, handelt es sich bislang doch um einen unterkomplexen Datengrundrechtsschutz, insofern als die deutschen Grundrechte ihre Tiefe durch ein Zusammenwirken der allgemeinen Gerichte mit den Verfassungsgerichten erhielten.1740 Somit unterscheiden sich der grundrechtliche Schutz nach dem Grundgesetz und der unionsgrundrechtliche Schutz graduell. Zweifellos haben die nationalen Grundrechte im Bereich des Datenschutzes durch Einführung der DSGVO an Bedeutung verloren. Inwieweit sich die befürchteten Konsequenzen, dass das BVerfG seine Kontrollfunktion zumindest teilweise einbüßt, dass der EuGH das Monopol der Auslegung der europäischen Grundrechte innehat und dass der Weg der Verfassungsbeschwerde nicht mehr eröffnet ist,1741 bewahrheiten, bleibt abzuwarten. Die Auswirkungen hängen stark davon ab, wie das BVerfG in Zukunft seine Rolle begreifen wird. Die Entwicklung in der Rechtsprechung des BVerfG seit den 60er Jahren zeigt, dass es im ständigen Konflikt zwischen der Anerkennung des Vorrangs des Unionsrechts und des Verlustes der eigenen Kompetenz stand. Aufgrund des Vorranges des Unionsrechts, erkannte das BVerfG an, dass ihm die Kompetenz fehle, EU-Verordnungen unmittelbar zu überprüfen.1742 Nachdem der EuGH entschied, dass es den nationalen Gerichten verwehrt sei, Handlungen der Gemeinschaftsorgane an nationalem Recht zu messen, sondern hierfür nur das Gemeinschaftsrecht
1735
Johannes, in: Roßnagel, Europäische Datenschutz-Grundverordnung, S. 83f. Johannes, in: Roßnagel, Europäische Datenschutz-Grundverordnung, S. 85, Rn. 64. 1737 Siehe allgemein zu diesen Unterschieden Masing, SZ vom 9.1.2012, 10. 1738 Stentzel, PinG 2015, 185 (189). 1739 Stentzel, PinG 2015, 185 (189); EuGH, Urteil vom 8.4.2014, NJW 2014, 2169, ECLI:EU:C:2014:238, (Digital Rights Ireland Ldt/Minister for Communications, Marine and Naturale Recourses ua); EuGH, Urteil vom 13.5.2014, NJW 2014, 2257, ECLI:EU:C:2014:317, (Google Spain SL u. Google Inc./Agencia Española de Protección de Datos [AEPD] u. Mario Costeja Conzález). 1740 Masing, SZ vom 9.1.2012, 10; Buchholtz, DÖV 2017, 837 (842). 1741 So zu den Konsequenzen Masing, SZ vom 9.1.2012, 10. Statt der Verfassungsbeschwerde wäre nur der Weg der Individualbeschwerde zum EGMR gegeben, der als Prüfungsmaßstab die EMRK hat, Buchholtz, DÖV 2017, 837 (841). 1742 BVerfGE 22, 293. 1736
274
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
einschlägig sei,1743 hielt das BVerfG mit seinem Solange I-Beschluss dagegen, in dem es eine Prüfungskompetenz annahm, solange die EG keinen eigenen Grundrechtskatalog habe.1744 In seinem Solange II-Beschluss führte es demgegenüber aus, dass solange in der EG ein wirksamer Grundrechtsschutz gewährleistet sei, das BVerfG nicht von seiner Prüfungskompetenz Gebrauch machen würde.1745 Die Solange-Rechtsprechung des BVerfG gibt eine Trennung zwischen dem Geltungsbereich des Grundgesetzes und dem der Unionsgrundrechte vor.1746 Inwiefern diese Trennung unter Geltung der DSGVO aufrechterhalten werden kann, bleibt abzuwarten. Gerade im Bereich von nationalen Spielräumen, die das Unionsrecht eröffnet, geht der EuGH davon aus, dass nationales Recht nur neben das Unionsrecht treten kann und nicht von diesem verdrängt wird, sodass stets die Bindung an die Unionsgrundrechte fortbesteht.1747 In seinem Urteil in der Rechtssache Åkerberg Fransson macht der EuGH deutlich, dass die nationalen Behörden und Gerichte nur dann nationale Schutzstandards für die Grundrechte anwenden dürften, „sofern durch diese Anwendung weder das Schutzniveau der Charta, wie sie vom Gerichtshof ausgelegt wird, noch der Vorrang, die Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt werden.“1748 Eine besondere Auswirkung zeitigt dieser Vorrang des Unionsrechts in sogenannten mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen, in denen verschiedene Persönlichkeitsinteressen
und
Freiheitsrecht
aufeinandertreffen.
Dort
wirkt
sich
der
Anwendungsvorrang insofern aus, als sich nicht feststellen lassen wird, ob höhere nationale Schutzstandards gegeben sind, weil in solchen Konfliktlagen ein Grundrecht gestärkt und ein Grundrecht geschwächt werden kann und so, je nachdem aus Perspektive welchen Grundrechtsträgers man die Situation betrachtet, ein Mehr oder Weniger an Grundrechtsschutz gegeben ist.1749 In solchen Fällen müsste dann der Anwendungsvorrang greifen, wodurch aber typische Kollisionsgrundrechte wie die Meinungs- und Informationsfreiheit verdrängt würden.1750 Aus nationaler Perspektive zu hoffen bleibt,
dass
sich
der
unionsrechtliche
Grundrechtsschutz
dem
komplexeren
deutschen
Grundrechtsschutz annähert und eine gegenseitige Befruchtung stattfindet.1751 Mit der Entscheidung „Recht auf Vergessen II“ des BVerfG aus dem November 2019, nahm das BVerfG, nach eigenen Angaben, eine Ergänzung der Solange-Rechtsprechung vor und keine Abkehr
1743
EuGH, Urteil vom 17.12.1970, NJW 1971, 343, ECLI:EU:C:1970:114, (Internationale Handelsgesellschaft); Hoidn, in: Roßnagel, Europäische Datenschutz-Grundverordnung, S. 87. 1744 BVerfGE 37, 271. 1745 BVerfGE 73, 339. 1746 Buchholtz, DÖV 2017, 837 (839); Thym, NVwZ 2013, 889 (892). 1747 Siehe hierzu ausführlich Buchholtz, DÖV 2017, 837 (839) unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH EuGH, Urteil vom 27.6.2006, ECLI:EU:C:2006:429 , (Parlament/Rat); EuGH, Urteil vom 26.2.2013, ECLI:EU:C:2013:105, (Åkerberg Fransson),. Das BVerfG stellte sich dem in seinem Urteil zur Anti-TerrorDatei entgegen, BVerfGE 133, 277. 1748 EuGH, Urteil vom 26.2.2013, ECLI:EU:C:2013:105, Rn. 29, (Åckerberg Fransson),. 1749 Buchholtz, DÖV 2017, 837 (841). 1750 Buchholtz, DÖV 2017, 837 (841); zur Konsequenz einer umfassenden Verdrängung siehe auch Masing, SZ vom 9.1.2012, 10. 1751 Erste Anzeichen hierfür sieht Winter beispielsweise in der Verwendung des Begriffs „praktische Konkordanz“ in der Rechtsprechung des EuGH, siehe Winter, NZA 2013, 473 (477).
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
275
von dieser. Nach dem BVerfG sind bei Anwendung unionsrechtlich vollständig vereinheitlichter Regelungen grundsätzlich nicht die deutschen Grundrechte Prüfungsmaßstab, sondern alleine die Unionsgrundrechte maßgeblich. Wenn jedoch ein Bereich des innerstaatlichen Rechts nicht vollständig durch das Unionsrecht determiniert ist und keine Vereinheitlichung stattfindet, sind Prüfungsmaßstab weiterhin die deutschen Grundrechte.1752 Letztlich kommt es durch Vorlage des BVerfG gemäß Art. 267 III AEUV so zu einer verstärkten Kooperation mit dem EuGH. Zugleich sichert sich das BVerfG aber auch seine Zuständigkeit, da das innerstaatliche Recht zunehmend von einem vollharmonisierenden und vereinheitlichten Unionsrecht geprägt wird und das BVerfG nunmehr selbst die Chartagrundrechte im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar als Prüfungsmaßstab heranzieht. Insgesamt lässt sich also feststellen, dass das Grundgesetz mit Einführung der DSGVO tatsächlich an Bedeutung im Bereich des Datenschutzes verloren hat. Dies könnte auch eine Neukonzeption des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nach sich ziehen.1753 Wie und vor allem in welchem Umfang die Bindung des Datenschutzes an das Grundgesetz erhalten werden kann, bleibt abzuwarten. Personenbezogene Daten Datenschutzrechtlich relevant und damit auch für die informationelle Privatheit bedeutend wird das Whistleblowing dadurch, dass es sich bei den Informationen, die ein Whistleblower weitergibt, um personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO handeln kann. Demnach sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Nach Art. 2 I DSGVO gilt die Verordnung für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung
personenbezogener
Daten,
sowie
für
die
nichtautomatisierte
Verarbeitung
personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Betreibt ein Unternehmen ein Hinweisgebersystem, werden personenbezogene Daten in diesem verarbeitet. Die personenbezogenen Daten können zum einen personenbezogene Daten desjenigen sein, dessen Verhalten Gegenstand der Whistleblowing-Meldung ist. Es können personenbezogene Daten von Beschuldigten oder auch Zeugen in der Meldung enthalten sein. Zum anderen können es aber auch persönliche Daten des Whistleblowers selbst sein, der diese angibt oder angeben muss. Beispielsweise kann dies der Name des Hinweisgebers sein, seine Stellung im Unternehmen und die Umstände des zu meldenden Missstandes. Ebenso denkbar ist, dass es sich um personenbezogene Daten von Dritten handelt, die zur Sachverhaltsaufklärung nötig sind, weil sie in einem Zusammenhang mit dem Missstand stehen. Häufig werden dabei gerade die Personen, deren Verhalten durch das Whistleblowing gemeldet wird, den Zugang zu ihren Daten regulieren wollen. Es kann aber auch ein Bedürfnis beim Whistleblower selbst bestehen, keine persönlichen Daten preisgeben zu wollen, etwa, weil man Anfeindungen im Betrieb befürchtet. Ein Interesse an dem Zugang zu den Daten, die über 1752 1753
BVerfG, Beschluss vom 6.11.19 – 1 BvR 276/17, NJW 2020, 314. So der Vorschlag von Albers, in: Friedwald (Hrsg.), Informationelle Selbstbestimmung im digitalen Wandel, S. 11ff.
276
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Hinweisgebersysteme erhoben, verarbeitet und genutzt werden, haben aber nicht nur der Arbeitgeber, der Whistleblower oder Dritte, die mit der Meldung in Zusammenhang stehen. Es können auch potentielle neue Arbeitgeber Interesse an dem Zugang zu Whistleblower-Datenbanken zeigen. In den USA existieren bereits sogenannte inoffizielle „blacklists“. Diese führen alle Whistleblower auf, die durch eine Meldung in Erscheinung traten, und führen dazu, dass neue Arbeitgeber aus demselben Industriezweig solche, durch Whistleblowing in Erscheinung getretene, Arbeitnehmer nicht mehr einstellen. Somit ist es den Arbeitnehmern nicht mehr möglich, in ihrer ursprünglichen Branche tätig zu sein.1754 Ebenso gibt es solche „blacklists“ in Großbritannien. In der Zeitung „The Guardian“ wurde die Frage aufgeworfen, woher die Unternehmen die Daten der Arbeitnehmer denn bekämen. Nach der Recherche der Journalisten gibt es Unternehmen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Daten über Arbeitnehmer
für
solche
„blacklists“
zu
sammeln
und
auf
Anfrage
eine
verdeckte
„Sicherheitsüberprüfung“ des Bewerbers durchzuführen. Dabei enthielten die Datenpakete über diese Personen Name, Adresse, Kommentare von Vorgesetzten und Zeitungsartikel über die Person. Oftmals waren die Personen, die auf der „blacklist“ geführt wurden, Gewerkschaftsmitglieder, die zuvor Gesundheits- und Sicherheitsrisiken gemeldet hatten.1755 Das Beispiel der „blacklists“ zeigt, dass für Hinweisgeber ein reales Risiko besteht, dass Whistleblowing sanktioniert wird und hierfür Informationen genutzt werden, die im Unternehmen verarbeitet wurden. Fehlende Vorschriften zum Whistleblowing in der DSGVO Bislang enthielt die Datenschutzrichtlinie (DSRL), die dem BDSG a.F. zugrunde lag, keine Whistleblowing-Vorschrift. Dennoch wurde unter Geltung der DSRL davon ausgegangen, dass diese, durch ihre allgemein gefassten Vorgaben, die Datenverarbeitung im Kontext des Whistleblowings ermöglichte, wobei Art. 7 lit. c beziehungsweise Art. 7 lit. f DSRL als einschlägige Vorschriften herangezogen wurden.1756 Auch die DSGVO enthält keine spezielle Norm zum Whistleblowing. Somit ist festzustellen, inwiefern die Datenverarbeitung beim Whistleblowing und in Hinweisgebersystemen auch nach der DSGVO rechtskonform möglich sein kann. Grundsätze der Datenverarbeitung nach Art. 5 DSGVO Bereits in der dem BDSG zugrundeliegenden Richtlinie befand sich in Art. 6 DSRL ein umfassender Prinzipienkatalog, der jedoch von Deutschland nur im Sinne des Grundsatzes der Datensparsamkeit nach § 3a I BDSG a.F. explizit als Norm gefasst wurde.1757 Nun besteht in der DSGVO mit Art. 5 DSGVO abermals ein umfassender Prinzipienkatalog, der die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, der Verarbeitung nach Treu und Glauben, der Transparenz, der Zweckbindung, der Datenminimierung, der Richtigkeit und der Speicherbegrenzung, der Integrität und Vertraulichkeit und der 1754
Siehe hierzu Alford, Whistleblowers, S. 19. Smith/Chamberlain, On the blacklist: how did the UK’s top building firms get secret information on their workers?, The Guardian, 27.02.2015. 1756 Noch zur Geltung des BDSG a.F., bei dem die personenbezogenen Daten in § 3 BDSG a.F. geregelt waren, Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, § 6, Rn 54ff.; Reufels/Deviard, CCZ 2009, 201 (203 ff.). 1757 Härting, DSGVO, S. 24, Rn. 81ff. 1755
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
277
Rechenschaftspflicht aufführt. Dieser Prinzipienkatalog ähnelt dem Katalog in Art. 6 DSRL.1758 Ist die Datenverarbeitung nach Art. 6 DSGVO rechtmäßig, kann sich die Unrechtmäßigkeit dennoch aus Art. 5 DSGVO ergeben.1759 Somit sind auch bei der Implementierung und Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen die Prinzipien nach Art. 5 DSGVO zu beachten. a) Prinzip der Rechtmäßigkeit, von Treu und Glauben und der Transparenz Art. 5 I lit. a DSGVO normiert die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben und Transparenz.1760 Das Prinzip der Rechtmäßigkeit besagt, dass personenbezogene Daten auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden müssen.1761 Für die Verarbeitung muss eine ausreichende Rechtsgrundlage i.S.v. Art. 6 I UA 1 DSGVO gegeben sein.1762 Bei Hinweisgebersystemen kommen verschiedene Erlaubnistatbestände in Betracht, sodass im Laufe der weiteren Betrachtungen auf diese gesondert eingegangen wird. Das Prinzip von Treu und Glauben ist schwer zu präzisieren.1763 Er ist nicht bedeutungsgleich mit dem Grundsatz von Treu und Glauben in § 242 BGB.1764 Mit dem Grundsatz von Treu und Glauben in Art. 5 I lit. a Var. 2 DSGVO wurde Art. 8 II 1 GrCh umgesetzt, der vorsieht, dass personenbezogene Daten nur nach Treu und Glauben verarbeitet werden dürfen.1765 In dem Grundsatz soll ein Auffangtatbestand zu sehen sein, der dann eingreift, wenn betroffenen Personen durch die Datenverarbeitung
ein
Nachteil
entsteht,
welcher
dem
von
der
DSGVO
vorgesehenen
Kräftegleichgewicht zwischen betroffener Person und Verantwortlichen widerspricht, ohne dass ein Verstoß gegen ein konkretes gesetzliches Verbot vorliegen muss.1766 Der Grundsatz der Transparenz bedeutet im Wesentlichen, dass keine heimliche Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgen darf und Informationspflichten gegenüber den von der Verarbeitung betroffenen Personen bestehen.1767 b) Prinzip der Zweckbindung, Art. 5 I lit. b DSGVO Nach Art. 5 I lit. b DSGVO besteht der Grundsatz der Zweckbindung, nach dem schon bei der Erhebung der personenbezogenen Daten der Zweck, zu dem diese Daten erhoben und verarbeitet werden feststehen muss.1768 Verhindert werden soll damit, dass bereits erhobene und gespeicherte Daten beliebig weiterverarbeitet werden können, ohne dass die betroffene Person einen Überblick darüber hat und auch gewinnen kann.1769 Für Hinweisgebersysteme werden die Daten regelmäßig zu den Zwecken der
1758
Härting, DSGVO, S. 26, Rn. 84f. Härting, DSGVO, S. 26, Rn. 86. 1760 Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5 DSGVO, Rn. 7. 1761 Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5 DSGVO, Rn. 8. 1762 So das enge Verständnis von Art. 5 I lit. a DSGVO, siehe hierzu Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5 DSGVO, Rn. 8 ff. 1763 Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5 DSGVO, Rn. 13. 1764 Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5 DSGVO, Rn. 13. 1765 Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 5 DSGVO, Rn. 44. 1766 Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5 DSGVO, Rn. 17. 1767 Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5 DSGVO, Rn. 18. 1768 Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5, Rn. 21. Dieser Grundsatz bestand schon nahezu wortgleich mit Art. 6 I 1 lit. b S. 1 DSRL, Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5, Rn 20. 1769 Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5 DSGVO, Rn. 22. 1759
278
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Missstandsbeseitigung erhoben werden, sodass es auf die Möglichkeiten einer Zweckänderung nach Art. 6 IV DSGVO nicht ankommt. c) Prinzip der Datensparsamkeit, Art. 5 I lit. c DSGVO Nach Art. 5 I lit. c DSGVO muss die Verarbeitung von personenbezogenen Daten dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein. Indem das Maß sich an dem Zweck der Verarbeitung zu orientieren hat, wird durch Art. 5 I lit. c DSGVO das Prinzip der Zweckbindung in Art. 5 I lit. b DSGVO ergänzt.1770 Das Prinzip der Datenminimierung begrenzt den Umfang der Daten selbst.1771 In Bezug auf Hinweisgebersysteme könnte es zur Wahrung des Prinzips der Datensparsamkeit notwendig sein, den Kreis der Personen, der für eine Meldung in Betracht kommt, zu beschränken. Eine pauschale Betrachtungsweise verbietet sich hierbei jedoch, es ist im Einzelfall nach den jeweiligen Umständen zu entscheiden.1772 In Erwägungsgrund 37 DSGVO zum Grundsatz der Datenminimierung nach Art. 5 I lit. c DSGVO werden auch Aussagen zur Speicherfrist getroffen. Hier heißt es, dass die Speicherfrist für personenbezogene Daten auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß beschränkt bleiben solle. Um sicherzustellen, dass die personenbezogenen Daten nicht länger als nötig gespeichert werden, solle der Verantwortliche Fristen für ihre Löschung oder regelmäßige Überprüfung vorsehen. In Art. 5 I lit. e DSGVO ist eine ausdrückliche Speicherbegrenzungspflicht vorgesehen, die grundsätzlich nur eine Speicherung erlaubt, welche die Identifizierung der Person nur so lange ermöglicht, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist. In Zusammenschau mit der Informationspflicht ergibt sich das Bild, dass die betroffene Person über die Speicherungsdauer zu informieren ist. Wenn dies nicht möglich ist, bestimmen Art. 13 II lit. a und Art. 14 II lit. a DSGVO, dass Kriterien genannt werden müssen, aus denen sich die Speicherdauer bemisst.1773 d) Prinzip der Integrität und Vertraulichkeit, Art. 5 I lit. f DSGVO Mit Art. 5 I lit. f DSGVO wird das Erfordernis aufgestellt, dass die angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten zu gewährleisten ist. Erwägungsgrund 39 S. 12 DSGVO umschreibt den Sinn und Zweck von Art. 5 I lit. f DSGVO folgendermaßen: „Personenbezogene Daten sollten so verarbeitet werden, dass ihre Sicherheit und Vertraulichkeit hinreichend gewährleistet ist, wozu auch gehört, dass Unbefugte keinen Zugang zu den Daten haben und weder die Daten noch die Geräte, mit denen diese verarbeitet werden, benutzen können.“1774 Art. 32 DSGVO greift das Prinzip der Integrität
1770
Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5 DSGVO, Rn. 56; Unter Geltung des BDSG a.F. wurde mit § 3a BDSG die Gefahr der personenbezogenen Datenverarbeitung durch die Instrumente der Pseudonymisierung und Anonymisierung zu begrenzen versucht. 1771 Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5 DSGVO, Rn. 55. 1772 DSK, Orientierungshilfe Whistleblowing-Hotlines, S. 8. 1773 Härting, DSGVO, S. 29, Rn. 105. 1774 Siehe hierzu auch Härting, DSGVO, S. 29, Rn. 106. Eine Verpflichtung zur Ergreifung der notwendigen technischen und organisatorischen Maßnahmen ergab sich unter Geltung des BDSG a.F. aus § 9 BDSG a.F. Die Anlage zu § 9 BDSG a.F. führte weiter aus, dass bei automatisierter Datenverarbeitung Maßnahmen in Form der Zutrittskontrolle, der Zugriffskontrolle, der Weitergabekontrolle, der Eingabekontrolle, der
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
279
und Vertraulichkeit auf und stellt die zentrale Vorschrift für die Sicherheit der Datenverarbeitung dar.1775 Auch in Hinweisgebersystemen muss die Integrität und Vertraulichkeit gewährleistet werden, worauf im weiteren Verlauf der Untersuchung noch detaillierter eingegangen wird.1776 e) Wegfall des Prinzips der Direkterhebung Nach § 4 II 1 BDSG a.F. waren die personenbezogenen Daten bei der betroffenen Person selbst zu erheben. Bei Hinweisgebersystemen ist es jedoch in der Regel so, dass der Whistleblower die Daten eines Betroffenen an die Whistleblowing-Stelle meldet, sodass Abweichungen vom Grundsatz der Direkterhebung notwendig sind. Das BDSG a.F. nannte Ausnahmen von diesem Grundsatz in § 4 II 2 BDSG a.F., wobei § 4 II 2 Nr. 2a BDSG a.F. eine Ausnahme zuließ, wenn die zu erfüllende Verwaltungsaufgabe ihrer Art nach oder der Geschäftszweck eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich machte (Nr. 2a).1777 Die DSGVO kennt den Direkterhebungsgrundsatz nicht, sodass es aus dem Wortlaut der Verordnung für eine nicht direkte Erhebung keiner besonderen Gründe bedarf.1778 Vorgeschlagen wird jedoch die Ableitung des Direkterhebungsgrundsatzes aus den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Transparenz.1779 Andere hingegen sehen keine Anhaltspunkte für eine solche Ableitung und gehen davon aus, dass gerade kein genereller Vorrang der Direkterhebung unter der DSGVO bestehe.1780 Da die DSGVO gerade nicht mehr explizit von einem Direkterhebungsgrundsatz ausgeht, spricht viel dafür, dass ein solcher auch nicht mehr anzunehmen ist. Im Hinblick auf anonyme Hinweise von Dritten in Hinweisgebersystemen, die personenbezogene Daten enthalten, besteht dann unter dem Gesichtspunkt eines Vorranges einer Direkterhebung keine Problematik mehr. Doch selbst wenn man, zumindest partiell, einen Direkterhebungsgrundsatz aus Art. 6 DSGVO und Art. 8 GrCh ableiten möchte,1781 kann bei anonymen Hinweisen im Einklang mit Art. 6 DSGVO und Art. 8 GrCh darauf geachtet werden, dass sich die Datenverarbeitungen im erforderlichen Rahmen halten.1782 Zum einen bestehen im Grundsatz weiterhin Informationspflichten nach Art. 14 DSGVO, es sei denn Ausnahmen nach Art. 14 V DSGVO greifen ein und bei Beschränkungen der Rechte der betroffenen Personen über Rechtsvorschriften nach Art. 23 DSGVO wäre dem Grundsatz, dass eine Direkterhebung weniger in Interessen der betroffenen Personen eingreift, Rechnung zu tragen.1783
Auftragskontrolle und der Verfügbarkeitskontrolle zu treffen sind. Jandt, in: Kühling/Buchner, Art. 32 DSGVO, Rn. 3; Wolff, in: Schantz/Wolff, Kapitel E, Rn 845. 1776 Siehe hierzu das Kapitel Regelungen zur Informationssicherheit, S. 307. 1777 Forst, RDV 2013, 122 (128); von Zimmermann, RDV 2006, 242 (246). 1778 Härting, DSGVO, S. 32, Rn. 120. 1779 Bäcker, in: Kühling/Buchner, Art. 13 DSGVO, Rn. 3. 1780 Kort, RdA 2018, 24 (26); Ziegenhorn/von Heckel, NVwZ 2016, 1585 (1588f.). 1781 So Bäcker, in: Kühling/Buchner, Art. 13 DSGVO, Rn. 3. 1782 Vgl. Bäcker, in: Kühling/Buchner, Art. 13 DSGVO, Rn. 3. 1783 Zum Zusammenspiel mit Art. 14 DSGVO und Art. 23 DSGVO siehe Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 14 DSGVO, Rn. 1. 1775
280
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz Räumlicher Anwendungsbereich der DSGVO
Hinweisgebersysteme können auch im internationalen Konzern implementiert und aus dem nichteuropäischen Ausland betrieben werden. Insofern ist fraglich, ob dann das europäische Datenschutzrecht greift. Unter Geltung des BDSG a.F. war dieses auf verantwortliche Stellen im Ausland grundsätzlich nur anwendbar, wenn die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der personenbezogenen Daten im Inland erfolgte nach § 1 V 2 BDSG a.F. Mit § 1 V 1 BDSG a.F. existierte jedoch für Unternehmen mit Sitz in der EU oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) die Ausnahme vom Territorialprinzip, sofern diese die Daten direkt in Deutschland erhoben, also nicht mittelbar über eine Niederlassung in Deutschland. Damit fand für diese europäischen Unternehmen deutsches Datenschutzrecht keine Anwendung. Beim Betreiben des Whistleblowing-Systems für deutsche Arbeitnehmer durch außereuropäische Unternehmen galt das Territorialprinzip aber uneingeschränkt und bei Datenerhebung in Deutschland fand das BDSG a.F. somit Anwendung.1784 Es kam also von Fall zu Fall darauf an, ob von
einer
Datenerhebung
in
Deutschland
auszugehen
war.1785
Nur
bei
Fehlen
jeder
Einwirkungsmöglichkeit auf die Datenerhebung in Deutschland, konnte davon ausgegangen werden, dass das Unternehmen nicht auf Mittel zur Erhebung in Deutschland zugriff.1786 Ebenso wurde angenommen, dass kein deutsches Datenschutzrecht anwendbar sei, wenn das deutsche Unternehmen nur Auftragsdatenverarbeitung für die ausländische verantwortliche Stelle betrieb.1787 In der DSGVO finden sich zur räumlichen Anwendbarkeit zwei Prinzipien in Art. 3 DSGVO wieder, die den räumlichen Anwendungsbereich der DSGVO bestimmen und eine Abkehr vom Territorialprinzip darstellen.1788 Das Niederlassungsprinzip1789 nach Art. 3 I DSGVO eröffnet die Anwendbarkeit, wenn ein Verantwortlicher oder Auftragsverarbeiter eine Niederlassung in der Union hat und im Rahmen der Tätigkeiten dieser Niederlassung personenbezogene Daten verarbeitet.1790 Dabei findet die DSGVO nach Art. 3 I DSGVO unabhängig davon Anwendung, ob die Verarbeitung innerhalb oder außerhalb der Union stattfindet. In Art. 3 II DSGVO ist das sogenannte Marktortprinzip niedergelegt. Bei dem Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter, der personenbezogene Daten von betroffenen Personen, die sich in der Union befinden, verarbeitet, der aber selbst nicht in der Union niedergelassen ist, ist der Anwendungsbereich der DSGVO dennoch eröffnet, wenn die Datenverarbeitung in Zusammenhang damit steht, dass betroffenen Personen Waren oder
1784
Von Zimmermann, RDV 2006, 242 (243). Siehe die Beispiele bei von Zimmermann, RDV 2006, 242 (243-244). 1786 Von Zimmermann, RDV 2006, 242 (243-244). 1787 Siehe zur Diskussion Voigt, ZD 2014, 15 (21). 1788 Klar, in: Kühling/Buchner, Art. 3 DSGVO, Rn. 6. 1789 Siehe hierzu auch Hornung, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 3 DSGVO, Rn. 18, der klarstellt, dass Art. 3 I DSGVO kein Sitz- sondern ein Niederlassungsprinzip enthalte. 1790 Klar, in: Kühling/Buchner, Art. 3 DSGVO, Rn. 2; Franzen, EuZA 2017, 313 (320). Die Niederlassung setzt gemäß Erwägungsgrund 22 DSGVO die „effektive und tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit durch eine feste Einrichtung voraus“. 1785
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
281
Dienstleistungen angeboten (Art. 3 II lit. a DSGVO), oder dass das Verhalten betroffener Personen beobachtet wird, soweit ihr Verhalten in der Union erfolgt (Art. 3 II lit. b DSGVO). Unter dem bislang geltenden Datenschutzrecht kam es auf den Aufenthaltsort der betroffenen Person nicht an.1791 Im Marktortprinzip ist eine Abkehr vom Territorialprinzip zu sehen.1792 Zudem genügt es unter Geltung der DSGVO für deren Anwendbarkeit, wenn eine Niederlassung nur die Auftragsverarbeitung für ein ausländisches Unternehmen erledigt.1793 Datenverarbeitung nach der DSGVO Die Datenverarbeitung ist in der DSGVO in Art. 4 Nr. 2 DSGVO geregelt. Nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO ist Verarbeitung jeder, mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte, Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, der Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung. Wie schon diese Aufzählung zeigt, ist der Begriff der Verarbeitung sehr umfassend. Während im BDSG a.F. die Verarbeitung von der Erhebung und Nutzung unterschieden wurde (§ 3 III, IV und V BDSG), umfasst der Begriff der Verarbeitung in der DSGVO auch die Erhebung und Nutzung.1794 Unter Geltung des BDSG a.F. mussten auch beim Whistleblowing die Schritte der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung unterschieden werden. Eine solche Differenzierung ist nun überflüssig. Der Verantwortliche beim Whistleblowing nach der DSGVO a) Verantwortlicher als Pflichtenadressat und internes Whistleblowing Zentraler Adressat für die nach der DSGVO bestehenden Pflichten ist der Verantwortliche. Nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist Verantwortlicher die natürliche oder juristische Person, Behörde oder Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet; sind die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung durch das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedsstaaten vorgegeben, so kann der Verantwortliche beziehungsweise können die bestimmten Kriterien seiner Benennung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedsstaaten vorgesehen werden. Der Verantwortliche ist derjenige, der für die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen verantwortlich ist.1795 Die Konzernunternehmen sind jeweils Verantwortliche gemäß Art. 4 Nr. 7 DSGVO.1796 Betreibt ein Unternehmen ein Hinweisgebersystem, ist es Verantwortlicher für die Datenverarbeitung.
1791
Härting, DSGVO, S. 58, Rn. 220. Klar, in: Kühling/Buchner, Art. 3 DSGVO, Rn. 6. Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 348, Rn. 494. 1794 Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 4 Nr. 2 DSGVO, Rn. 3; Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 4 Nr. 2 DSGVO, Rn 4. 1795 Hartung, in: Kühling/Buchner, Art. 4 Nr. 7 DSGVO, Rn. 1. 1796 Franzen, EuZA 2017, 313 (326). 1792 1793
282
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz b) Externes Whistleblowing und Verantwortlichkeit
Wenn sich ein Whistleblower eigenmächtig zum externen Whistleblowing entschließt, ist fraglich, ob davon ausgegangen werden kann, dass das Unternehmen, bei dem der Whistleblower angestellt ist, verantwortlich im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist. Entscheidend für die Verantwortlichkeit ist, dass ihm die wesentliche Entscheidungsbefugnis über Zwecke und Mittel der Verarbeitung zukommt.1797 Bei der Zuordnung der Verantwortlichkeit kann ein Rückgriff auf die Rechtsnormen im Zivil-, Straf-, oder Verwaltungsrecht erfolgen, wobei bei der Zuordnung innerhalb der Organisation als Bezugspunkt vornehmlich das Unternehmen beziehungsweise die Organisation als Verantwortlicher angesehen werden soll und nicht die einzelne, natürliche Person.1798 Allerdings kann eine solche Zuordnung nicht erfolgen, wenn die Einzelperson für eigene Zwecke, außerhalb ihres Tätigkeitsbereichs und außerhalb der möglichen Kontrolle ihrer Organisation die personenbezogenen Daten verarbeitet.1799 Doch genau das ist der Fall, wenn der Whistleblower eigenmächtig eine externe Whistleblowing-Meldung absetzt.1800 Unterstrichen wird diese Annahme noch durch Art. 29 DSGVO, der die gesetzlichen Weisungsbefugnisse des Verantwortlichen statuiert und besagt, dass der Auftragsverarbeiter und jede dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter unterstellte Person, die Zugang zu personenbezogenen Daten hat, diese ausschließlich auf Weisung des Verantwortlichen verarbeiten darf.1801 Beim externen Whistleblowing nimmt der Whistleblower aber regelmäßig keine Datenverarbeitung auf Weisung eines anderen hin vor. Auch kann nicht angenommen werden, dass der Whistleblower, weil er eine natürliche Person und kein Unternehmen ist, kein Verantwortlicher sein kann. Grundsätzlich können auch natürliche Personen Verantwortliche im Sinne der DSGVO sein. Art. 2 II lit. c DSGVO, die sogenannte „Haushaltsausnahme“, die einen Ausnahmetatbestand der Datenverarbeitung durch natürliche Personen enthält, greift nur, wenn die Verarbeitung zur Ausübung ausschließlich persönlicher und familiärer Tätigkeiten erfolgt und ist restriktiv zu handhaben.1802 Erwägungsgrund 18 DSGVO konkretisiert, dass jeglicher Bezug zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit fehlen muss. Die Ausnahme greift daher nicht ein.1803 Externes Whistleblowing erfolgt in der Regel gegen den Willen des Arbeitgebers, also außerhalb des Tätigkeitsbereichs des Beschäftigten. Der externe Whistleblower ist somit verantwortlich im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Hierin ist ein großes Risiko zu sehen. Zum einen wird dem Whistleblower häufig nicht bewusst sein, dass er die Verantwortung für die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen trägt und zum anderen verfügt er, als natürliche Person, vermutlich nicht über das nötige datenschutzrechtliche Wissen; ganz anders als Unternehmen, die sich zudem häufig bezüglich der Datenschutzkonformität beraten lassen. Aus Sicht der betroffenen Person wäre es erstrebenswert, dass 1797
Hartung, in: Kühling/Buchner, Art. 4 Nr. 7 DSGVO, Rn. 7. Hartung, in: Kühling/Buchner, Art. 4 Nr. 7 DSGVO, Rn. 9. Hartung, in: Kühling/Buchner, Art. 4 Nr. 7 DSGVO, Rn. 10. 1800 So auch Edwards, Whistleblowing, S. 176. 1801 Edwards, Whistleblowing, S. 176. 1802 Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner, Art. 2 II lit. c DSGVO, Rn. 23. 1803 Edwards, Whistleblowing, S. 178. 1798 1799
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
283
das Unternehmen der Verantwortliche ist, ist es doch in der Regel in Haftungsfällen liquider. Besteht demgegenüber ein Hinweisgebersystem im Unternehmen, kann davon ausgegangen werden, dass eine Meldung den Zwecken der Compliance und der Missstandsaufarbeitung im Unternehmen dient und dass das Unternehmen verantwortlich ist im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Interne Meldungen liegen in der Regel im Interesse des Unternehmens.1804 Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nach der DSGVO Die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung ist in Art. 6 DSGVO geregelt, der als Grundstruktur ein Verbotsprinzip festlegt. In Art. 6 I DSGVO sind abschließend die Erlaubnistatbestände geregelt. Dabei wird durch die Verwendung des Wortes „mindestens“ in Art. 6 I S. 1HS 1 DSGVO deutlich, dass eine Datenverarbeitung auch auf mehrere der Rechtsgrundlagen gestützt werden kann.1805 a) Einwilligung, Art. 6 I S. 1 lit. a DSGVO Nach Art. 6 I S. 1 lit. a DSGVO ist die Verarbeitung dann rechtmäßig, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben hat. Damit eine wirksame Einwilligung vorliegt, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein, die sich aber erst aus der Zusammenschau mehrerer Artikel der DSGVO, namentlich
Art. 4 Nr. 11 DSGVO
und
Art. 7 DSGVO
mit
Erwägungsgründen,
ergeben.1806
Art. 7 I DSGVO legt beispielsweise dem Verantwortlichen auf, den Nachweis zu erbringen, dass die betroffene Person in die Verarbeitung eingewilligt hat. Art. 4 Nr. 11 DSGVO legt fest, dass eine Einwilligung der betroffenen Person jede freiwillige, für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung ist, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist.1807 Unter Geltung der Richtlinie sprach § 4a BDSG a.F. nur davon, dass die Einwilligung „auf einer freien Entscheidung“ beruhen müsse. Mit der DSGVO wurden die Voraussetzungen an die Einwilligung erhöht. Gerade im Hinblick auf das Über-/ Unterordnungsverhältnis im Arbeitsverhältnis und die wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, wurde bereits unter Geltung des BDSG a.F. diskutiert, ob im Arbeitsverhältnis tatsächlich eine freie Einwilligung möglich ist. Der Druck, der auf dem Arbeitnehmer lastet, könnte die Freiwilligkeit ausschließen.1808 Diese Diskussion setzt sich unter Geltung der DSGVO fort. Während der Kommissionsentwurf noch vorsah, dass aufgrund des Ungleichgewichts zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Einwilligung gerade „keine rechtliche
1804
Edwards, Whistleblowing, S. 177f. Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO, Rn. 13. Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO, Rn. 18. 1807 Däubler weist darauf hin, dass es bei der freien Willensbekundung gerade nicht auf die Abwesenheit von Zwang ankäme, wie ein Blick auf die anderen sprachlichen Fassungen des Art. 4 Nr. 11 DSGVO zeige, siehe Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 132f., Rn. 150. 1808 So Schmidl, DuD 2006, 353 (355); Vgl. Arbeitsbericht der ad-hoc Arbeitsgruppe „Beschäftigtendatenschutz“ des Düsseldorfer Kreises, S. 4, Schmidl, DuD 2006, 353 (354). 1805 1806
284
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Handhabe für die Verarbeitung personenbezogener Daten“ sein könne, ist diese Auffassung in Erwägungsgrund 43 DSGVO nicht mehr enthalten, sodass angenommen werden könne, dass die Einwilligung im Grundsatz einen möglichen Erlaubnistatbestand im Beschäftigungsverhältnis darstelle.1809 Dem wird entgegengehalten, dass in Erwägungsgrund 43 DSGVO die dort genannte Datenverarbeitung durch Behörden nur ein Beispielsfall sei, sodass ein klares Ungleichgewicht auch im Arbeitsverhältnis
vorliegen
könne
und
aufgrund
der
typischen
Asymmetrie
des
Beschäftigungsverhältnisses in der Regel auch vorliege, sodass die Einwilligung als Rechtsgrundlage im Arbeitsverhältnis ausscheide.1810 Erwägungsgrund 155 DSGVO verweist auf die Öffnungsklausel des Art. 88 DSGVO, der den Mitgliedsstaaten Spielraum im Beschäftigtendatenschutz lässt, sodass die Frage der Einwilligung als Erlaubnistatbestand in diesem Kontext eine Frage des nationalen Rechts ist, sofern dieses wie in Deutschland existiert.1811 Dementsprechend wird hierauf im Rahmen der Ausführungen zu § 26 BDSG näher eingegangen.1812 Für die DSGVO bleibt festzuhalten, dass diese jedenfalls nicht davon ausgeht, dass es absolut unzulässig ist, die Einwilligung als Erlaubnistatbestand im Arbeitsverhältnis heranzuziehen. Allerdings bestehen weitere Argumente dagegen, die Einwilligung als Ermächtigungsgrundlage für die Datenverarbeitungen beim Whistleblowing heranzuziehen. Die Grundproblematik in jedem Unternehmen besteht darin, dass Einwilligungen von einer Vielzahl von Beschäftigten einzuholen wären.1813 Zwar würde der Whistleblower für die Verarbeitung seiner eigenen persönlichen Daten vermutlich einwilligen. Diejenigen Arbeitnehmer, die von einer Datenverarbeitung betroffen sein könnten, die aufgrund eines Hinweises erfolgt, könnten aber nicht allesamt einwilligungsbereit sein, sodass der Arbeitgeber vor der Verarbeitung stets sehr genau darauf achten müsste, wer eingewilligt hat und wer nicht. Dies kann bei größerem Personalbestand einen erheblichen Aufwand bedeuten, zumal die Einwilligung jederzeit widerruflich ist gemäß Art. 7 III DSGVO.1814 Zudem würde es dann bei Heranziehen
der
Einwilligung
als
Ermächtigungsgrundlage
dazu
kommen,
dass
die
Datenverarbeitungen im Hinweisgebersystem des Betriebs auf uneinheitliche Erlaubnistatbestände zu stützen wären und somit schwierig zu überblicken wären, sobald auch noch andere Ermächtigungsgrundlagen herangezogen werden müssten.
1809
Buchner/Kühling, in: Kühling/Buchner, Art. 7 DSGVO, Rn. 77. Körner, Beschäftigtendatenschutz DSGVO, S. 78. 1811 Buchner/Kühling, in: Kühling/Buchner, Art. 7 DSGVO, Rn. 77. 1812 Siehe hierzu das Kapitel Beschäftigtendatenschutz nach § 26 BDSG, S. 318 ff. 1813 Schmidt/Jakob, DuD 2011, 88 (89). 1814 Zu dieser Gefahr zur alten Rechtslage z.B. Kort, ZD 2016, 3 (6). Die explizite Möglichkeit des Widerrufs ist neu. Bislang war unter Geltung des BDSG a.F. von der Rechtsprechung zum Teil davon ausgegangen worden, dass es eines plausiblen Grundes für den Widerruf bedürfe, siehe BAG, Urteil vom 11.12.2014 - 8 AZR 1010/13, ZD 2015, 330. Körner weist daraufhin, dass das Urteil im Spezialfall des § 22 KunstUrhG erging und zudem der Wegfall der Einwilligung durch Widerruf im konkreten Fall zu einem unverhältnismäßigen Aufwand für das Unternehmen geführt hätte, das einen kompletten Werbefilm neu hätte drehen müssen, obwohl der Kläger im Video kaum identifizierbar gewesen sei, Körner, Beschäftigtendatenschutz DSGVO, S. 79. 1810
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
285
Bei den personenbezogenen Daten des Beschuldigten kann im Hinblick auf die Freiwilligkeit der Einwilligung keine solche gegeben sein. Interne Ermittlungen gegen einen Betroffenen sind für diesen keinesfalls lediglich vorteilhaft.1815 Eine Einwilligung wäre aber gemäß § 26 II 2 BDSG jedenfalls gerade dann freiwillig, wenn sie wirtschaftlich oder rechtlich vorteilhaft ist, oder wenn der damit gleichgelagerte Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer verfolgt werden. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann die Einwilligung dennoch freiwillig sein, wie die Verwendung des Wortes „insbesondere“ in § 26 II 2 BDSG zeigt. Beim Beschuldigten ist aber gerade keine freiwillige Einwilligung denkbar. Weiß ein Beschuldigter von der ihn betreffenden Meldung, wird er die Datenverarbeitung zulassen, schon allein um sich nicht verdächtig zu machen. Verweigert er eine Einwilligung, dann wird dies den Anschein erwecken, dass er etwas zu verbergen habe oder schuldig sei.1816 Zudem müsste die Einwilligung stets im Vorfeld der Datenverarbeitung abgegeben werden. 1817 Der Beschuldigte wäre bei der Einholung einer Einwilligung dadurch bereits gewarnt, dass Ermittlungen gegen ihn aufgenommen wurden, was den Ermittlungserfolg beeinträchtigen kann. Möglich ist es, eine Einwilligung im Arbeitsvertrag vorzusehen. Der Arbeitnehmer kann im Moment der Einwilligung auch nicht überblicken, welche personenbezogenen Daten letztendlich im Einzelfall erhoben werden.1818 Zudem muss eine solche Klausel auch den AGB-Bestimmungen genügen, wobei problematisch sein könnte, dass keine ausreichende Transparenz im Sinne von § 307 BGB gegeben sein könnte, da die später zu erfassenden Daten kaum im Vorfeld präzisiert werden können.1819 Die Einwilligung muss stets bestimmt genug sein, also erkennen lassen, zu welchem Zweck die Daten erhoben, verarbeitet und genutzt werden.1820 Dies dürfte somit bei Hinweisgebersystemen schwerfallen. Bei Einwilligungen, die zusammen mit einer anderen Erklärung erklärt werden, ist das Ersuchen um Einwilligung nach Art. 7 II 1 DSGVO in verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu formulieren. Somit müsste man die Einwilligung gesondert für jede Verarbeitung einholen. Bei einem Hinweisgebersystem kann man also kaum eine Einwilligung des Whistleblowers implementieren, die vor jedem Anruf oder jeder E-Mail einzeln eingeholt werden kann. Nach Art. 7 IV DSGVO besteht ein Kopplungsverbot,1821 nach dem bei der Beurteilung der Freiwilligkeit einer Einwilligung diese regelmäßig dann nicht vorliegt, wenn unter anderem die Erfüllung eines Vertrages von der Einwilligung abhängt. Der Wortlaut der Norm lässt es zu, dass auch das Bewerbungsverfahren von der Norm erfasst wird. Zwar ist in diesem Stadium gerade noch kein Vertrag geschlossen, doch das Schutzinteresse des Bewerbers ist sehr hoch und ihm steht ein großes
1815
Ströbel/Böhm/Breunig/Wybitul, CCZ 2018, 14 (16). So Forst, RDV 2013, 122 (128). Vgl. Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 127, Rn. 137. 1818 Vgl. Schmidl, DuD 2006, 353 (355). 1819 Kania/Seidel/Schlegel, in: Küttner, Personalbuch, Whistleblowing, Rn. 17. 1820 Vgl. Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 132, Rn 148. 1821 Buchner/Kühling, in: Kühling/Buchner, Art. 7 DSGVO, Rn. 8; Körner, Beschäftigtendatenschutz DSGVO, S. 77. 1816 1817
286
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Informationsinteresse des Arbeitgebers gegenüber, die es in Ausgleich zu bringen gilt,1822 sodass auch Sinn und Zweck der Regelung für eine Anwendbarkeit sprechen. Art. 7 IV DSGVO erschwert es, die Einwilligung
zur
Datenverarbeitung
im
Rahmen
eines
Hinweisgebersystems
an
einen
Arbeitsvertragsschluss zu koppeln. Hier wird die Beurteilung der Freiwilligkeit im Einzelfall schneller zur Verneinung der Freiwilligkeit führen. b) Vertrag oder vorvertragliche Maßnahme, Art. 6 I S. 1 lit. b DSGVO Der Erlaubnistatbestand des Art. 6 I S. 1 lit. b DSGVO deckt sich nahezu wortgleich mit dem des Art. 7 DSRL, der sich unter anderem in § 28 I 1 Nr. 1 BDSG a.F. niedergeschlagen hatte.1823 § 28 I 1 Nr. 1 BDSG a.F. legte fest, dass das Erheben, Speichern, Verändern oder die Übermittlung personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung der Geschäftszwecke zulässig war, wenn es für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen notwendig war. In Bezug auf das Whistleblowing wurde er als möglicher Erlaubnistatbestand durch § 32 BDSG a.F., der eine Regelung, die allein das Beschäftigungsverhältnis erfasste und damit spezieller war, verdrängt. § 32 BDSG a.F. wurde dementsprechend als Konkretisierung des § 28 I 1 Nr. 1 BDSG a.F., der sich allgemein auf rechtsgeschäftliche
Schuldverhältnisse
bezog,
aufgefasst.1824
Zwischen
dem
Wortlaut
des
§ 28 I 1 Nr. 1 BDSG a.F. und Art. 6 I S. 1 lit. b DSGVO besteht ein Unterschied insoweit, als Ersterer von der Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Schuldverhältnisses spricht, während Letzterer die Formulierung „Erfüllung eines Vertrages“ verwendet. Von der Erfüllung des Vertrages sollen auch die Erfüllung von Nebenpflichten und die Beendigung und Abwicklung des Vertrages erfasst sein.1825 Nunmehr besteht mit § 26 BDSG eine Vorschrift zur Datenverarbeitung für die Zwecke des Beschäftigtenverhältnisses, auf den im Rahmen der Betrachtungen zu den Vorschriften des BDSG eingegangen wird.1826 Dieser ist maßgeblich. In der DSGVO selbst besteht kein spezieller Artikel zum Beschäftigungsverhältnis, sodass auf Ebene der DSGVO als Rechtsgrundlage Art. 6 I S. 1 lit. b DSGVO herangezogen werden könnte. Art. 6 I S. 1 lit. b Alt. 2 DSGVO kommt allerdings nicht in Betracht, da es hier um vorvertragliche Verhältnisse
geht,
die
auf
Anfrage
des
Betroffenen
initiiert
werden
müssen.1827
Art. 6 I S. 1 lit. b Alt. 1 DSGVO könnte herangezogen werden. Es wird allerdings vertreten, dass das Beschäftigungsverhältnis gerade nicht unmittelbar betroffen sei, wenn das Unternehmen über die Einrichtung eines Hinweisgebersystems die Datenerhebung beziehungsweise -verarbeitung veranlasst habe, beziehungsweise diese ihr zurechenbar sei.1828 Zudem verlange Art. 6 I S. 1 lit. b DSGVO, dass 1822
Körner, Beschäftigtendatenschutz DSGVO, S. 77. Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO, Rn. 25. BT Drucks. 16/13657, S. 20, sowie Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme, S. 148; Steigert, Datenschutz, S. 134. 1825 Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO, Rn 33. 1826 Siehe hierzu das Kapitel Beschäftigtendatenschutz nach § 26 BDSG, S. 318ff. 1827 Vgl. Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO, Rn 28; Kreß, Criminal Compliance, S. 162. 1828 DSK, Orientierungshilfe Whistleblowing-Hotlines, S. 4. Anders jedoch Kreß, Criminal Compliance, S. 263. 1823 1824
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
287
die Datenverarbeitung zum Zweck der Vertragserfüllung erforderlich sei.1829 Für Datenverarbeitungen in Hinweisgebersystemen lässt sich dies nicht ohne Weiteres annehmen. Bei Art. 6 I S. 1 lit. b DSGVO findet keine Interessenabwägung statt, anders als bei Art. 6 I S. 1 lit. f DSGVO. Aus der Tatsache, dass bei Art. 6 I S. 1 lit. b DSGVO auf die Interessenabwägung verzichtet wurde, lässt sich aber schließen, dass „die konkrete Verarbeitung bereits absehbar im Vertrag angelegt ist und damit auf den Willen der betroffenen Person zurückgeführt werden kann.“1830 In solchen Fällen sei es nämlich ohne Weiteres möglich, die Einwilligung der betroffenen Person einzuholen.1831 Hiervon kann im Hinblick auf das Whistleblowing nicht ausgegangen werden. Wie bereits aufgezeigt,1832 kann eine Einwilligung beim Whistleblowing nicht von jeder betroffenen Person eingeholt werden. c) Rechtliche Verpflichtung, Art. 6 I 1 lit. c DSGVO Nach
Art. 6 I 1 lit. c DSGVO
stellt
eine
rechtliche
Erlaubnistatbestand für die Datenverarbeitung dar.
1833
Verpflichtung
einen
eigenständigen
Schon nach Art. 7 lit. c DSRL war die
Verarbeitung zulässig, wenn sie für die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich war. Entscheidend für die Anwendbarkeit von Art. 6 l S. 1 lit. c DSGVO ist, was unter rechtlicher Verpflichtung zu verstehen ist. Hierzu bedarf es einer Rechtspflicht kraft objektiven Rechts.1834 Mit anderen Worten ist eine gesetzliche Verpflichtung notwendig.1835 Mithin genügt gerade keine vertragliche Verpflichtung.1836 Es wurde bereits gezeigt, dass nur in Ausnahmefällen eine Verpflichtung zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems in Betracht kommt, sodass auch nur für diese Fälle Art. 6 I 1 lit. c DSGVO als Erlaubnistatbestand dienen kann.1837 Bezüglich der Pflicht zur Einführung von Hinweisgebersystemen im Unternehmen besteht grundsätzlich keine solche Pflicht. Anreize oder Verpflichtungen aus ausländischem Recht nach dem SOX oder dem NYSE existieren jedoch durchaus. Unter Geltung des BDSG a.F. wurde angenommen, dass ausländische Rechtsvorschriften gerade keine Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 4 I BDSG a.F. darstellen würden und diese Pflichten nur zugunsten des Datenverarbeiters im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen seien.1838 Unter Geltung der DSGVO kann im Rahmen des Art. 6 I 1 lit. c DSGVO nichts anderes angenommen werden. Auch hier begründen ausländische Rechtsvorschriften keine rechtliche Verpflichtung im Sinne
1829
Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 I DSGVO, Rn. 24. Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 I DSGVO, Rn. 15. 1831 Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 I DSGVO, Rn. 15. 1832 Siehe hierzu das Kapitel Einwilligung, Art. 6 I S. 1 lit. a DSGVO, S. 283 ff. 1833 Schulz, in: Gola, Art. 6 DSGVO, Rn. 39. Art. 6 I 1 lit. c DSGVO spricht im Gegensatz zu § 4 I BDSG a.F., der sowohl von „anordnen“ als auch von „erlauben“ spricht, nur von „anordnen“. Hieraus wird geschlossen, dass die DSGVO somit strenger sei, siehe Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO, Rn. 31. 1834 Schulz, in: Gola, Art. 6 DSGVO, Rn. 41. 1835 Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 I DSGVO, Rn. 51. 1836 Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO, Rn. 16. 1837 Soweit aufgrund der Hinweisgeberrichtlinie eine Pflicht zur Einführung eines Hinweisgebersystemes besteht, greift Art. 6 I 1 lit. c DSGVO ebenfalls; siehe zur Hinweisgeberrichtlinie ausführlich das Kapitel Richtlinie 2019/, S. 349 ff. 1838 Mengel, CCZ 2008, 85 (89); Kreß, Criminal Compliance, S. 228. 1830
288
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
der DSGVO. Eine rechtliche Verpflichtung kann sich nach Art. 6 III DSGVO nur aus Unionsrecht oder mitgliedsstaatlichem Recht ergeben. Wird durch eine gesetzliche Regelung, wie beispielsweise durch ein nationales Hinweisgebergesetz, die Verpflichtung aufgestellt, dass ein Hinweisgebersystem im Unternehmen zu implementieren ist, wäre dieses Gesetz eine rechtliche Verpflichtung im Sinne von Art. 6 I 1 lit. c DSGVO. Für die rechtliche Verpflichtung erforderlich ist, dass sich die dort vorgesehene Verpflichtung unmittelbar auf die Datenverarbeitung bezieht.1839 Dem Betrieb von Hinweisgebersystemen ist immanent, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten stattfindet. Daher bezieht sich die Pflicht zur Einrichtung und zum Betrieb eines Hinweisgebersystems auch unmittelbar auf die Datenverarbeitung. Dabei folgt die Kompetenz im Rahmen des Unionsrechts oder mitgliedsstaatlichen Rechts, spezifische Regelungen zur Anpassung der Anwendung der DSGVO festzulegen, aus Art. 6 III 3 DSGVO.1840 In dem nicht abschließenden Katalog von Art. 6 III 3 DSGVO sind Konkretisierungen zu sehen, die nicht verbindlich sind und als Leitbild dienen.1841 Allerdings sieht Art. 6 III 4 DSGVO vor, dass das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen muss und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen muss. Ein Hinweisgebergesetz, das die Implementierung von Hinweisgebersystemen vorsieht, kann einem im öffentlichen Interesse liegendem Ziel dienen, beispielsweise wenn Hinweise dazu führen, dass Missstände beseitigt werden, die Gefahren für Gesundheit oder Leben darstellen.1842 Bei internen Hinweisgebersystemen lässt sich nicht annehmen, dass ihre Implementierung durch ein Gesetz dem öffentlichen Informationsinteresse oder der Rechtsdurchsetzung als öffentlichem Interesse dienen. Es bedarf bei internen Hinweisgebersystemen stets noch der Entscheidung des Betreibenden, ob er mit einem Missstand an die Öffentlichkeit gehen will und diese davon unterrichten will. Auch führen interne Hinweisgebersysteme nicht zwangsläufig dazu, dass Recht durchgesetzt wird. Somit lässt sich nicht allgemein annehmen, dass ein Gesetz, das die Implementierung von Hinweisgebersystemen vorsieht, dem öffentlichen Interesse dient. Legt man den Fokus bei Hinweisgebergesetzen auf den Zweck des Schutzes von Hinweisgebern, dann lässt sich zwar argumentieren, dass der Schutz von Hinweisgebern dem öffentlichen Interesse und dem öffentlichen Informationsinteresse dient, zumindest mittelbar, weil so das Hinweisgeben sanktionslos möglich ist. Dieser gesetzlich vorgesehene Schutz von Hinweisgebern führt aber nicht unmittelbar zur
1839
Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO, Rn. 76. Die Unmittelbarkeit wird beispielsweise für handwerks- und gewerberechtliche Regelungen (§§ 11, 11a GewO; § 22 GastG), für § 138 StGB und beispielsweise §§ 28a, 23a SGB IV im Sozialrecht bejaht, siehe hierzu ausführlich Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO, Rn. 17. 1840 Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO, Rn. 93. 1841 Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO, Rn. 94. 1842 Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Rechtsprechung zum öffentlichen Informationsinteresse und öffentlichen Interesse im Zusammenhang mit Whistleblowing, S. 110 ff.
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
289
Verpflichtung zur Verarbeitung personenbezogener Daten. Art. 6 I 1 lit. c DSGVO kann somit hierauf keine Anwendung finden. d) Wahrung lebenswichtiger Interessen, Art. 6 I 1 lit. d DSGVO Nach Art. 6 I 1 lit. d DSGVO ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie erforderlich ist, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Personen oder einer anderen natürlichen Person zu schützen. Erwägungsgrund 112 DSGVO nennt die körperliche Unversehrtheit und das Leben als Beispiele. Art. 6 I 1 lit. d DSGVO kommt ein Ausnahmecharakter zu.1843 Dieser Erlaubnistatbestand ist demnach nicht dazu geeignet, hierauf Hinweisgebersysteme zu stützen.1844 Ein möglicher Anwendungsbereich könnte sich allenfalls bei Hinweisgebermeldungen bei Gesundheitsgefahren für die Allgemeinheit oder ähnlich gravierenden Missständen ergeben. Da solche Missstände jedoch keinesfalls den Regelfall darstellen, lässt sich ein Hinweisgebersystem im Allgemeinen hierauf nicht stützen. e) Im
öffentlichen
Interesse
liegende
Aufgabe
und
Ausübung
öffentlicher
Gewalt,
Art. 6 I 1 lit. e DSGVO Nach Art. 6 I 1 lit. e DSGVO ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Für Behörden ist dieser Erlaubnistatbestand von großer Relevanz.1845 Was unter öffentlichem Interesse zu verstehen ist, können die Mitgliedsstaaten festlegen, die Verordnung schweigt dazu.1846 Beim Whistleblowing kommt auf den ersten Blick die erste Alternative in Betracht. Whistleblowing kann, wie bereits erläutert, im öffentlichen Interesse liegen.1847 Fraglich erscheint allerdings, ob eine Aufgabe i.S.v. Art. 6 I 1 lit. e DSGVO gegeben ist. Schon unter Art. 7 lit. e DSRL wurde die Auffassung vertreten, die sich auf Art. 6 I 1 lit. e DSGVO übertragen lässt, dass die Vorschrift „eindeutig die öffentlichen Aufgaben im Blick [hat], die in den Mitgliedsstaaten klassischerweise als Staatsaufgabe verstanden und administrativ ausgeführt werden.“1848 Wenn der Whistleblower eigenmächtig außerhalb des Hinweisgebersystems externes Whistleblowing betreibt, ist er der Verantwortliche der Datenverarbeitung. Nach Art. 6 III DSGVO könnten die Union oder Mitgliedsstaaten Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung gemäß Art. 6 I 1 lit. e DSGVO vorsehen. Es kann dabei nicht davon ausgegangen werden, dass einem Whistleblower eine Aufgabe im Sinne von Art. 6 I 1 lit. e DSGVO übertragen wurde.1849 Die Anwendbarkeit der Norm scheitert aus vielerlei Hinsicht. Hinweisgeber werden aus eigenem Antrieb tätig, sodass ihnen keine Aufgaben übertragen
1843
Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO, Rn. 107. Kreß, Criminal Compliance, S. 264. Roßnagel, DuD 2017, 290 (292). 1846 Kühling/Martini, Die DSGVO und das nationale Recht, S. 31; Roßnagel, DuD 2017, 290 (292). , S. 106. 1848 Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO, Rn. 111. 1849 Edwards, Whistleblowing, S. 181. 1844 1845
290
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
werden.1850 Nach Art. 6 I 1 lit. e DSGVO bräuchte es zudem für die Aufgabenübertragung eine gesetzliche Regelung, mit der Hinweisgebern die Aufgabe übertragen würde. Dies würde einer gesetzlichen Verpflichtung zum Whistleblowing gleichkommen, wobei weitgehend umstritten, ob eine gesetzliche Pflicht zum Whistleblowing eingeführt werden könnte,1851 doch wäre in einem solchen Fall vielmehr der Anwendungsbereich von Art. 6 I 1 lit. c DSGVO eröffnet. Art. 6 I 1 lit. e DSGVO zielt zudem auf Behörden und beliehene Unternehmen ab,1852 nicht auf Privatpersonen. f) Interessenabwägung, Art. 6 I 1 lit. f DSGVO Nach Art. 6 I 1 lit. f DSGVO ist eine Verarbeitung zulässig, wenn die Verarbeitung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Nach Art. 6 I 2 DSGVO wird deutlich, dass Art. 6 I 1 lit. f DSGVO nicht für Behörden gilt. Grund hierfür ist nach Erwägungsgrund 47 DSGVO, dass es Aufgabe des Gesetzgebers sei, durch Rechtsvorschrift die Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung durch die Behörden zu schaffen. Zentral für ein berechtigtes Interesse ist nach Erwägungsgrund 47 DSGVO die Voraussehbarkeit der Datenverarbeitung für die betroffenen Personen. Erwägungsgrund 47 DSGVO nennt als berechtigtes Interesse den Fall, dass eine maßgebliche und angemessene Beziehung zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen existiert, was beispielhaft dann der Fall sein soll, wenn der Betroffene in seinen Diensten steht. Art. 6 I 1 lit. f DSGVO stellt einen Auffangtatbestand in dem abschließenden Katalog des Art. 6 DSGVO dar.1853 Die von Art. 6 I 1 lit. f DSGVO angesprochenen Interessen sind solche rechtlicher, tatsächlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei in die Abwägung insbesondere die Grundrechte des Verantwortlichen und von Dritten einfließen, wie beispielsweise die Meinungs- und Pressefreiheit.1854 Hier kommen die eingangs gemachten Ausführungen zur grundrechtlichen Relevanz von Hinweisgebersystemen zum Tragen. Sie zeigen die Interessen auf, die abgewogen werden müssen. Dabei ist anzumerken, dass bei strafrechtlich relevantem Fehlverhalten und bei Gesetzesverstößen, die für die Organisation von Bedeutung sind, regelmäßig die Interessensabwägung für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung nach Art. 6 I 1 lit. f DSGVO sprechen wird.1855 Anders stellt es sich jedoch bei Verstößen gegen unternehmensinterne Ethikregelungen dar, die bestimmte Verhaltensweisen verlangen. Hier muss eine Einzelfallabwägung vorgenommen werden, wobei zu beachten ist, dass gewisse Verhaltensweisen nicht zum Bestandteil der Interessenabwägung gemacht werden dürfen, da ihre
1850
Vgl. Edwards, Whistleblowing, S. 181. Siehe zu diesem Streit ausführlich Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 189, Rn. 105 m.w.N. Aus grundrechtlicher Sicht wäre damit ein Eingriff in die negative Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 I GG gegeben, den es zu rechtfertigen gelten würde, Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 188, Rn. 102. 1852 Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO, Rn. 39. 1853 Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO, Rn. 141. 1854 Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO, Rn. 146f. 1855 So auch DSK, Orientierungshilfe Whistleblowing-Hotlines, S. 5. 1851
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
291
Abforderung grundrechtswidrig ist. Als Beispiel können hierbei Verbote von Liebesbeziehungen im Betrieb gelten, die gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoßen.1856 Art. 6 I 1 lit. f DSGVO ist aus Compliance-Sicht der bedeutendste Erlaubnistatbestand, lässt sich darunter doch sowohl die Verarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen des Unternehmers als auch der eines Dritten fassen.1857 Beispielhaft nennt Erwägungsgrund 47 DSGVO die Verhinderung von Betrug als berechtigtes Interesse. Hierbei soll aber nicht nur Betrug im Sinne von § 263 StGB gemeint sein, sondern entsprechend der englischen Fassung, in der Betrug mit „fraud“ übersetzt wird, die Verhinderung von Wirtschaftskriminalität im Allgemeinen als berechtigtes Interesse umfassen.1858 Auf Seiten des Arbeitgebers bestehen diverse mögliche Interessen, die für eine Datenverarbeitung im Hinweisgebersystem sprechen. Neben der Verhütung von Betrug und Fehlverhalten kann beispielhaft die Bekämpfung von Korruption und die Verhütung von Insider-Geschäften genannt werden.1859 Die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen dürfen aber die Interessen des Arbeitgebers nicht überwiegen. Aufgrund der viktimisierenden und stigmatisierenden Wirkung von Hinweisen in solchen Systemen für die betroffenen Personen, sei bei der Abwägung zu differenzieren, ob es sich um Verstöße gegen Strafgesetze oder andere gesetzliche Verbote handele oder lediglich gegen unternehmensinterne Ethikrichtlinien. Während bei ersteren die Interessen des Arbeitgebers überwiegen würden, würden bei letzteren grundsätzlich die Interessen der Betroffenen überwiegen.1860 Begründet wird dies damit, dass es internen Verhaltensregeln schon an einer klar umrissenen Definition mangele, die eine einwandfreie Identifizierung des Verstoßes möglich mache.1861 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Ethikrichtlinien sehen durchaus klar definierte Vorgaben und Verstöße vor. Beispielsweise kann darin geregelt werden, in welcher Höhe Geschenke von Geschäftspartnern angenommen werden dürfen, um gar nicht erst den Anschein von Bestechlichkeit zu erwecken. Eine Annahme von Geschenken über diesen Wert kann gegen dieses Verbot verstoßen, ohne dass das Verhalten strafrechtlich relevant ist. Der Hinweisgeber hat als betroffene Person der Datenverarbeitung ein Interesse daran, dass seine personenbezogenen Daten nicht verarbeitet werden, um sie den von ihm beschuldigten Personen zu offenbaren. Grundsätzlich würden da die Interessen an der Geheimhaltung seiner Identität überwiegen. Sind die Anschuldigungen allerdings unwahr und hat der Hinweisgeber diese vorsätzlich oder leichtfertigt falsch getätigt, wird die Interessenabwägung zu seinen Ungunsten ausfallen.
1856
DSK, Orientierungshilfe Whistleblowing-Hotlines, S. 5 unter Verweis auf die Rechtsprechung des LAG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2005 - 10 TaBV 46/05, NZA-RR 2006, 81. Wybitul, CCZ 2016, 194 (196); auch Kreß sieht hierin die wichtigste Ermächtigungsgrundlage in Bezug auf Compliance, Kreß, Criminal Compliance, S. 266. 1858 Wybitul, CCZ 2016, 194 (196), FN 26; Kreß, Criminal Compliance, S. 268. 1859 DSK, Orientierungshilfe Whistleblowing-Hotlines, S. 5. 1860 DSK, Orientierungshilfe Whistleblowing-Hotlines, S. 5. 1861 DSK, Orientierungshilfe Whistleblowing-Hotlines, S. 6. 1857
292
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz Kollektivvereinbarungen als Erlaubnisgrundlage
Nach der DSGVO ist eine Verarbeitung aufgrund einer Betriebsvereinbarung beziehungsweise eines Tarifvertrages möglich. Dies ergibt sich explizit aus Art. 88 I DSGVO und § 26 IV BDSG, beziehungsweise explizit für Betriebsvereinbarungen auch aus Erwägungsgrund 155 DSGVO.1862 Während Betriebsvereinbarungen in der Praxis wichtige Elemente zur Regelung des Umgangs mit Beschäftigtendaten im Betrieb sind, werden Tarifverträge auch weiterhin kaum eine Rolle zur Regelung des Datenschutzes im Beschäftigtenverhältnis spielen.1863 Nach § 77 IV 1 BetrVG gelten Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend. Umstritten war schon unter Geltung des BDSG a.F., ob durch Betriebsvereinbarungen vom gesetzlichen Datenschutzstandard abgewichen werden kann. Nicht möglich war es nach einer Ansicht, mit Betriebsvereinbarungen 1864
unterschreiten.
das
durch
das
BDSG a.F.
vorgegebene
Datenschutzniveau
Selbst, wenn man eine solche Unterschreitung mit dem Urteil des BAG
1865
zu
bejahte,
durfte eine Betriebsvereinbarung nicht gegen grundgesetzliche Wertungen, zwingendes Gesetzesrecht und den sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts ergebende Beschränkungen verstoßen.1866
Dazu
zählt
auch
das
allgemeine
Persönlichkeitsrecht,
das
durch
die
Betriebsvereinbarungen berücksichtigt werden muss. Dies zeigt auch die Norm des § 75 II 1 BetrVG, die besagt, dass der Arbeitgeber und der Betriebsrat die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern haben. Das BAG machte in Bezug auf das Verhältnis zwischen Betriebsvereinbarungen und Arbeitnehmerdatenschutz in einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahr 2013 deutlich, dass Betriebsvereinbarungen außerhalb des absoluten Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränken könnten. Wenn dabei zu Gunsten schützenswerter Belange eines anderen Grundrechtsträgers das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingeschränkt wurde, so richtete sich das zulässige Maß nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sodass hier eine Interessenabwägung stattfand.1867 Die Entscheidung des BAG zeigt, dass als maßgebliches Kriterium für die Zulässigkeit der Datenverarbeitung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angesehen wurde.1868 Die besondere Bedeutung betonte das BAG auch in einer folgenden Entscheidung zu den Torkontrollen, die aufgrund von Betriebsvereinbarungen durchgeführt wurden.1869
1862
Maier, DuD 2017, 169 (172); Rudkowski/Schneider, Aufklärung Compliance, S. 25. Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge waren gemäß § 4 I BDSG a.F. als andere Rechtsvorschriften als Grundlage zur Verarbeitung personenbezogener Daten zulässig. 1863 Körner, Beschäftigtendatenschutz DSGVO, S. 86. 1864 Vgl. Wohlgemut, BB 1991, 340 (341); Trittin/Fischer, NZA 2009, 343 (344); Kort, ZD 2016, 555 (557); Vgl. Arbeitsbericht der ad-hoc Arbeitsgruppe „Beschäftigtendatenschutz“ des Düsseldorfer Kreises, S. 3. 1865 BAG, Beschluss vom 27.5.1986 - 1 ABR 48/84, NJW 1987, 674; dem zustimmend Kort, ZD 2016, 3 (6). 1866 BAG, Beschluss vom 27.5.1986 - 1 ABR 48/84, NJW 1987, 674 (677). 1867 BAG, Beschluss vom 9.7.2013 - 1 ABR 2/13 (A), NZA 2013, 1433 (1435). 1868 Wybitul, NZA 2014, 225 (230). 1869 BAG, Beschluss vom 9.7.2013 - 1 ABR 2/13 (A), NZA 2013, 1433 siehe auch ZD 2014, 256, mit Anmerkung von Wybitul.
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
293
Der Streit, ob von den Vorgaben abgewichen werden kann, setzt sich nun unter Geltung der DSGVO fort. Ursprünglich enthielt der Kommissionsentwurf der DSGVO Art. 82 I zur Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext, der besagte, dass die Regelungen durch die Mitgliedsstaaten „in den Grenzen dieser Verordnung“ stehen müssen.1870 Hieraus wird gefolgert, dass trotz Entfallens des Passus in der Regelung zum Beschäftigtendatenschutz (Art. 88 DSGVO) keine wesentlichen Abweichungen möglich seien, da die dort enthaltene Formulierung nur „spezifischere Vorschriften“ und damit eine Konkretisierung erlaube.1871 Systematisch spreche hierfür die Zusammenschau mit Art. 85 II DSGVO, der Abweichungen und Ausnahmen explizit erlaube, was in Art. 88 DSGVO gerade unterblieben sei.1872 Von dem Datenschutzniveau, das die DSGVO vorgibt, könne durch Kollektivvereinbarungen weder nach unten noch nach oben abgewichen werden.1873 Jedenfalls nimmt die überwiegende Ansicht an, dass keine Unterschreitung des durch die DSGVO vorgegeben Schutzniveaus möglich sei.1874 Obsolet werde daher die Rechtsprechung des BAG, in dem dieses annahm, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen seien inhaltlich nicht am BDSG zu messen.1875 Angesichts dessen, dass der Öffnungsklausel in Art. 88 DSGVO nur dann praktische Bedeutung zukommen kann, wenn nicht nur das geregelt werden kann, was ohnehin in der DSGVO geregelt ist, sondern eine Abweichung möglich ist, ist davon auszugehen, dass ein Abweichen nach oben möglich ist. Ein Unterschreiten des Schutzniveaus der DSGVO ist nicht möglich. Der Schutz der betroffenen Personen, den die DSGVO vorgibt, muss immer gewahrt bleiben. Vorteilhaft sind Betriebsvereinbarungen dahingehend, dass sie spezifiziert auf den Betrieb zugeschnitten sind und ein Rückgriff auf die allgemeinen, gesetzlich geregelten Erlaubnistatbestände entbehrlich ist.1876 Sollen Betriebsvereinbarungen die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln, sind die Vorgaben des Art. 88 II DSGVO i.V.m. § 26 IV BDSG zu beachten.1877 Art. 88 II DSGVO spricht sehr allgemein davon, dass „geeignete und besondere Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person“ getroffen werden müssen. Konkrete Voraussetzungen lassen sich aus dieser Norm nicht ableiten. Dementsprechend zutreffend ist die Kritik an ihr, die weder eine Erhöhung des Schutzniveaus gegenüber dem altem Datenschutzrecht für feststellbar, noch den Bedeutungsgehalt der Vorschrift für erkennbar hält und eine Konkretisierung durch den EuGH für notwendig erachtet.1878
1870
Maier, DuD 2017, 169 (172). Kommissionsentwurf zur DSGVO, 2012/011 (COD). Maier, DuD 2017, 169 (172). 1872 Maier, DuD 2017, 169 (173). 1873 Spelge, DuD 2016, 775 (777); 1874 Wurzberger, ZD 2017, 258 (263); Körner, NZA 2019, 1389 (1390); Wybitul, NZA 2017, 413 (414); Kort, ZD 2016, 555; Klösel/Mahnhold, NZA 2017, 1428 (1431), die darauf hinweisen, dass das vorgegebene Niveau immer Abwägungen beinhalte, sodass letztendlich immer Spielräume bestünden. 1875 Spelge, DuD 2016, 775 (778) unter Verweis auf die Rechtsprechung des BAG, Beschluss vom 27.5.1986 - 1 ABR 48/84, NJW 1987, 674. 1876 So Wybitul/Sörup/Pötters, ZD 2015, 559 (560). 1877 Wybitul, NZA 2017, 1488 (1488); Maschmann, in: Kühling/Buchner, Art. 88 DSGVO, Rn. 41. 1878 Maschmann, in: Kühling/Buchner, Art. 88 DSGVO, Rn 42; Dammann, ZD 2016, 307 (310). 1871
294
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Betriebsvereinbarungen stellen also Regelungsmöglichkeiten im Beschäftigtendatenschutzkontext dar. Inwiefern durch Betriebsvereinbarungen von den Vorgaben der DSGVO abgewichen werden kann, ist immer noch umstritten. Es spricht viel dafür, ein Abweichen nach oben hin zu bejahen und das Schutzniveau, das die DSGVO vorgibt, als Untergrenze zu betrachten, die nicht unterschritten werden darf. Jedenfalls wesentliche Abweichungen werden auch weiterhin nicht möglich sein und die Betriebsvereinbarungen werden nicht das Schutzniveau der DSGVO unterschreiten dürfen. Rechte der betroffenen Personen Wie bereits erwähnt, wird die betroffene Person in ihrer informationellen Privatheit berührt, wenn personenbezogene Daten über sie über Hinweisgebersysteme verarbeitet werden. Die informationelle Privatheit wird durch diverse Rechte, die den betroffenen Personen zustehen, sowie Pflichten des Verantwortlichen geschützt. Diese Rechte und Pflichten sind in Art. 12 ff. DSGVO normiert. Inwiefern sie geeignet sind, die von der Datenverarbeitung im Hinweisgebersystem betroffenen Personen ausreichend zu schützen und gleichzeitig die effektive Missstandsaufklärung nicht zu stark zu beeinträchtigen, soll Gegenstand nachstehender Betrachtungen sein. Ziel der DSGVO war unter anderem, die Rechte der Betroffenen zu stärken.1879 Rahmenregelungen für die Betroffenenrechte nach Art. 13 ff. DSGVO lassen sich in Art. 12 DSGVO finden.1880 Die Rahmenregelungen lassen sich unterteilen in Transparenzregelungen und Verfahrensregelungen.1881 Art. 12 DSGVO enthält allgemeine Regelungen, auf die ein Rückgriff dann möglich ist, wenn die besonderen
Regelungen
in
Art. 13 DSGVO ff.
Auslegungsregelung für die spezielleren Regelungen.
nicht
Spezielleres
regeln,
und
dient
als
1882
Art. 12 I 1 DSGVO sieht vor, dass alle Datenverarbeitungsinformationen der betroffenen Person in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form, sowie in klarer und einfacher Sprache übermittelt werden. Die Ausübung der Betroffenenrechte muss nach Art. 12 II 1 DSGVO erleichtert werden, was bedeute, dass sie durch den Verantwortlichen nicht behindert werden dürfe.1883 Nach Art. 12 III 1 DSGVO muss der Verantwortliche nach der Geltendmachung unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb eines Monats Informationen über die auf Antrag gemäß den Art. 15-22 DSGVO ergriffenen Maßnahmen zur Verfügung stellen. Ausnahmsweise kann sich die Frist unter den Voraussetzungen des Art. 12 III 2 und 3 DSGVO auf drei Monate verlängern.1884 Nach Art. 12 VII DSGVO können sogar Kombinationen aus Sprache und Bildsymbolen zum Einsatz kommen. Damit wird auf den Umstand reagiert, dass viele Betroffene ihre Rechte nicht kennen und der Hinweis auf die Rechte versteckt oder schwer verständlich erfolgt.
1879
Härting, DSGVO, S. 159, Rn. 648. Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 12 DSGVO, Rn. 8. Bäcker, in: Kühling/Buchner, Art. 12 DSGVO, Rn. 1. Bäcker, in: Kühling/Buchner, Art. 12 DSGVO, Rn 5f. 1882 Eßer, in: Auernhammer, Art. 12 DSGVO, Rn. 1ff. 1883 Eßer, in: Auernhammer, Art. 12 DSGVO, Rn. 20. 1884 Härting, DSGVO, S. 160, Rn. 652. 1880 1881
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
295
a) Informationspflicht gemäß Art. 13 DSGVO und Art. 14 DSGVO Die Informationspflichten stellen eine der größten Herausforderungen bei dem Betrieb von Hinweisgebersystemen dar. Die Anforderungen an die Informationspflicht wurden mit Einführung der DSGVO noch einmal erhöht. Bedauerlicherweise sind dabei die Ausnahmetatbestände für die Informationspflichten unübersichtlicher geworden. Nach Art. 13 DSGVO ist die betroffene Person darüber zu informieren, dass personenbezogene Daten bei ihr erhoben werden. Die Informationspflicht geht dabei noch darüber hinaus, indem der Betroffene beispielsweise nach Art. 13 I DSGVO auch darüber zu informieren ist, wer Verantwortlicher ist, zu welchem Zweck verarbeitet werden soll und wer gegebenenfalls die Daten empfängt. Bei der Übermittlung in ein Drittland muss darüber informiert werden, ob ein Angemessenheitsbeschluss besteht und falls nicht, auf welcher Rechtsgrundlage dann die Übermittlung rechtmäßig erfolgt. Wird Art. 6 I 1 lit. f DSGVO als Erlaubnistatbestand herangezogen, so ist das berechtigte Interesse, auf dem die Verarbeitung beruht, zu benennen. Damit besteht im Vergleich zum BDSG a.F. eine umfangreichere Informationspflicht.1885 Art. 13 II DSGVO enthält weitere Verpflichtungen für den Verantwortlichen, indem dieser Informationen über die Dauer der Speicherung, beziehungsweise die Kriterien für die Festlegung der Dauer und den Hinweis auf weitere Rechte der betroffenen Person bereitstellen muss. Aufgrund dieser umfassenden Informationspflichten kann die betroffene Person ihre Rechte effektiv wahrnehmen und der Verantwortliche wird für sie greifbar. Zudem bestehen gemäß Art. 13 III DSGVO dann Informationspflichten, wenn eine Zweckänderung vorliegt. Art. 13 IV DSGVO enthält eine verordnungsunmittelbare Ausnahme für die Informationspflichten für den Fall, dass die betroffene Person bereits über die Informationen verfügt.1886 aa) Direkterhebung und Erhebung auf andere Weise Art. 13 DSGVO erfasst nur den Fall der Direkterhebung. In Hinweisgebersystemen werden unmittelbar bei der betroffenen Person Daten regelmäßig nur dann erhoben, wenn dies der Hinweisgeber selbst ist und beispielsweise Angaben zu seiner Person abgefragt werden. Enthält die Meldung über ein Fehlverhalten Daten des Fehlverhaltenden, dann sind diese nicht bei ihm selbst erhoben, sodass Art. 14 DSGVO einschlägig ist. Werden die Daten auf andere Weise als bei der betroffenen Person erhoben, findet Art. 14 DSGVO Anwendung, also dann, wenn die Daten ohne Mitwirkung beziehungsweise
ohne
Kenntnis
der
betroffenen
Person
erhoben
werden.1887
Nach
Art. 14 III lit. a DSGVO besteht die Pflicht, die betroffene Person innerhalb einer angemessenen Pflicht nach Erlangung der personenbezogenen Daten, längstens jedoch innerhalb eines Monats zu informieren. Bei der Verwendung der Daten zur Kommunikation mit der betroffenen Person muss dies sogar spätestens zum Zeitpunkt der ersten Mitteilung erfolgen (lit. b), bei Offenlegung an einen anderen
1885
Eßer, in: Auernhammer, Art. 13 DSGVO, Rn. 2. Bäcker, in: Kühling/Buchner, Art. 13 DSGVO, Rn. 1f. 1887 Franzen, EuZA 2017, 313 (331). 1886
296
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Empfänger spätestens zum Zeitpunkt der ersten Offenlegung (lit. c). Nach Art. 14 IV DSGVO besteht die Informationspflicht auch bei der Weiterverarbeitung zu anderen Zwecken. bb) Unterlassen der Information der betroffenen Person Die Informationspflichten stehen in einem Spannungsverhältnis zu der Effektivität des Hinweisgebersystems, kann im Hinweisgebersystem doch die heimliche Informationsgewinnung gerade notwendig sein.1888 Bei der Reaktion auf Hinweise eines Whistleblowers stellt sich die Problematik, dass es für eine effektive Ermittlung in Bezug auf den Missstand nötig sein kann, die betroffene Person nicht sofort zu benachrichtigen, sondern so lange zu warten, bis eine effektive Ermittlung nicht mehr gefährdet ist.1889 Sobald sich herausstellt, dass die betroffene Person unschuldig ist und keine Ermittlungen mehr gefährdet werden, ist die betroffene Person zu benachrichtigen.1890 Somit sind für diese Fälle Ausnahmen von der Informationspflicht notwendig. In § 33 II BDSG a.F. waren diverse Ausnahmen von der Benachrichtigungspflicht normiert, wobei insbesondere die Ausnahmevorschrift des § 33 II Nr. 3 BDSG a.F. im Falle des Whistleblowings besondere Relevanz entfaltete. Danach bestand keine Benachrichtigungspflicht, wenn die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen des überwiegenden Interesses eines Dritten, geheimgehalten werden mussten. Die DSGVO enthält in Art. 13 DSGVO keine solche Ausnahme, wobei Art. 13 DSGVO im Rahmen von Hinweisgebersystemen, wie erläutert, nur ein begrenzter Anwendungsbereich zukommt. Art. 14 DSGVO enthält Ausnahmen von der Informationspflicht. Insbesondere relevant ist Art. 14 V lit. b DSGVO, nach dem keine Information erfolgen muss, wenn die Verwirklichung der Ziele der Verarbeitung unmöglich gemacht oder ernsthaft beeinträchtigt würde. Dabei darf die Information aber nur solange unterbleiben, wie der Grund für den Aufschub besteht, anschließend muss sie nachgeholt werden.1891 Somit müssen Dritte, deren personenbezogene Daten Gegenstand der Hinweisgebermeldung sind, solange nicht informiert werden, wie dies die Ermittlungen unmöglich machen oder ernsthaft gefährden würde. Die Information muss unverzüglich nachgeholt werden, wenn dieser Grund entfällt. Eine Ausnahme besteht nach Art. 14 V lit. d DSGVO auch dann, wenn die personenbezogenen Daten einem Berufsgeheimnis unterliegen und deshalb vertraulich behandelt werden müssen. Beim Hinweisgeber, der seinen Hinweis extern gibt, ist davon auszugehen, dass er Verantwortlicher i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist. Dementsprechend treffen ihn die Pflichten nach Art. 12 ff. DSGVO. Somit könnte sich auch der Hinweisgeber, der zugleich Verantwortlicher ist, auf die Ausnahme des Art. 14 V lit. d DSGVO berufen. Es werden jedoch regelmäßig gerade im Fall des externen
1888
Groß/Platzer, NZA 2017, 1097 (1102). Vgl. Casper, in: Liber amoricum für Martin Winter, 77 (91); Vgl. Arbeitsbericht der ad-hoc Arbeitsgruppe „Beschäftigtendatenschutz“ des Düsseldorfer Kreises, S. 5. 1890 Vgl. Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 261, Rn. 379 l. 1891 DSK, Orientierungshilfe Whistleblowing-Hotlines, S. 10; Franzen, in: Erfurter Kommentar, § 26 BDSG, Rn. 26. 1889
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
297
Whistleblowings die Voraussetzungen der Ausnahme nicht vorliegen. Wenn der Inhalt des Hinweises öffentlich bekannt ist, kann nicht zugleich eine Ermittlung unmöglich gemacht oder ernsthaft beeinträchtigt werden, wenn die betroffenen Personen nach Art. 14 DSGVO informiert werden, da sie ja, wie jedermann, selbst Kenntnis von dem Hinweis haben können. Da der späteste Zeitpunkt für die Information nach Art. 14 III lit. c DSGVO bei einer Offenlegung an einen anderen Empfänger der Zeitpunkt der ersten Offenlegung ist, könnte man davon ausgehen, dass eine Information bei Veröffentlichung aufgrund der Ausnahme nach Art. 14 V lit. d DSGVO ausnahmsweise nicht vor Veröffentlichung im Internet, sondern zeitgleich erfolgen kann. Allerdings müsste auch bei einer Verschiebung der Informationspflicht in zeitlicher Hinsicht dennoch durch die Information eine Ermittlung ernsthaft beeinträchtigt oder unmöglich gemacht werden. Dies wird regelmäßig nicht der Fall sein. Die Ausnahme des Art. 14 V lit. b DSGVO könnte aber bei externem Whistleblowing an Behörden greifen. Dies wäre aber im konkreten Einzelfall danach zu entscheiden, ob eine Information der betroffenen Personen dann tatsächlich die Ermittlungen erheblich beeinträchtigt oder unmöglich macht. Daneben
können
die
Informationspflichten
Gesetzgebungsmaßnahmen
der
Union
oder
nach eines
Art. 23 DSGVO Mitgliedsstaates
aber
beschränkt
auch
durch
werden. 1892
Art. 6 IV DSGVO lockert den Zweckbindungsgrundsatz und eröffnet Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, Rechtsvorschriften zu erlassen, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige und verhältnismäßige Maßnahmen für die in Art. 23 I DSGVO genannten Zielen darstellen. Art. 23 DSGVO enthält einen Katalog, in dem aufgezählt wird, zu welchen Zwecken eine Beschränkung eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme sein kann, die auch den Wesensgehalt der Grundrechte und der Grundfreiheiten achtet. Möglich wird dadurch die Verarbeitung von Daten zu anderen Zwecken als den ursprünglichen Zwecken. Deutschland hat von dieser Möglichkeit mit § 24 BDSG Gebrauch gemacht.1893 b) Auskunftsrecht gemäß Art. 15 DSGVO In Art. 15 I und II DSGVO ist ein voraussetzungsloser Auskunftsanspruch normiert, der jeder natürlichen Person zukommt.1894 Ein Recht auf Auskunft besteht auf die Verarbeitungszwecke (Art. 15 I lit. a DSGVO) und die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden (Art. 15 I lit. b DSGVO).
Es
kann
Auskunft
über
die
geplante
Speicherdauer
gemäß
Art. 15 I lit. d DSGVO verlangt werden. Zudem ist der Betroffene auf seine Rechte hinzuweisen gemäß Art. 15 I lit. e und f DSGVO. Im Hinweisgebersystem kann die betroffene Person sowohl der Whistleblower selbst, als auch die beschuldigte Person sein. Ihnen kommt ein Auskunftsanspruch zu.1895 Die beschuldigte Person hätte 1892
Bäcker, in: Kühling/Buchner, Art. 13 DSGVO, Rn. 88. Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Zweckänderung gemäß § 24 BDSG, S. 327. 1894 Bäcker, in: Kühling/Buchner, Art. 15 DSGVO, Rn. 6. 1895 DSK, Orientierungshilfe Whistleblowing-Hotlines, S. 10. 1893
298
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
nach Art. 15 I lit. g DSGVO einen Auskunftsanspruch bezüglich der Identität des Hinweisgebers,1896 da dieser explizit vorsieht, dass Auskunft über die Herkunft der Daten zu erteilen ist. Somit stellt sich die Frage nach Ausnahmen von dem Auskunftsanspruch. Eine Auskunft kann dann unterbleiben, wenn dadurch eine Beeinträchtigung der Rechte und Freiheiten des Whistleblowers als „anderer Person“ nach Art. 15 IV DSGVO erfolgen würde.1897 Die Interessen des Hinweisgebers können demnach die Interessen der betroffenen Person überwiegen, wenn ihm zum Beispiel eine vertrauliche Meldemöglichkeit zugesagt worden ist und auch der Verantwortliche, beispielsweise im Falle der Korruptionsbekämpfung, auf vertrauliche Meldungen angewiesen ist.1898 Das LAG Baden-Württemberg hat bezüglich der Einschränkung des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 IV DSGVO hohe Anforderungen an die Darlegungslast gestellt. Es forderte, dass ein konkreter Sachverhalt genannt werden müsste, anhand dessen geprüft werden könne, ob durch die Auskunftserteilung tatsächlich Rechte und Freiheiten anderer Personen beschränkt würden. Eine pauschale Verweisung auf den Schutz von Hinweisgebern genüge nicht.1899 Der Vortrag müsse diesbezüglich auch umfassen, auf welche personenbezogenen Daten sich die schützenswerten Interessen Dritter beziehen sollen.1900 Auch im Informantenschutz seien Ausnahmen denkbar, bei denen das Geheimhaltungsinteresse des Hinweisgebers hinter den Auskunftsinteressen Dritter zurückzustehen habe, beispielsweise wenn der Hinweisgeber wider besseren Wissens oder leichtfertig gehandelt habe.1901 Eine Erweiterung des Auskunftsrechts hin zu einem Zugriffsrecht findet statt, indem in Art. 15 III 1 DSGVO eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen ist.1902 Dieses Recht auf Datenkopie steht unter dem Vorbehalt nach Art. 15 IV DSGVO, die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht zu beeinträchtigten.1903 Darüber hinaus enthält Art. 15 DSGVO keine Ausnahme, aber Ausnahmeregelungen sind über Art. 23 DSGVO möglich. Hier ist insbesondere an Art. 23 I lit. d und lit. i DSGVO zu denken, die eine Ausnahme zur Verhütung oder Aufdeckung von Straftaten beziehungsweise zum Schutz der betroffenen Person oder Rechte und Freiheiten anderer Personen ermöglichen. Der deutsche Gesetzgeber hat von der Möglichkeit des Art. 23 DSGVO Gebrauch gemacht und im BDSG diverse Ausnahmen vorgesehen, auf die im weiteren Verlauf auch eingegangen werden soll.1904
1896
DSK, Orientierungshilfe Whistleblowing-Hotlines, S. 10; Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 15 DSGVO, Rn. 24. 1897 Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 15 DSGVO, Rn. 24. 1898 Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 15 DSGVO, Rn. 35. 1899 LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.12.2018 - 17 Sa 11/18, NZA-RR 2019, 242 (250 f.). 1900 LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.12.2018 - 17 Sa 11/18, NZA-RR 2019, 242 (251). 1901 LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.12.2018 - 17 Sa 11/18, NZA-RR 2019, 242 (250). 1902 Härting, DSGVO, S. 166, Rn. 675. 1903 Bäcker, in: Kühling/Buchner, Art. 15 DSGVO, Rn. 6. In Erwägungsgrund 63 Satz 5 zu dieser Vorschrift heißt es, dass das Auskunftsrecht die Rechte und Freiheiten anderen Personen nicht beeinträchtigen soll. Als Beispiele für Rechte und Freiheiten werden hier das Geschäftsgeheimnis oder das Recht des geistigen Eigentums und insbesondere das Urheberrecht an der Software genannt. 1904 Siehe hierzu das Kapitel Rechte der betroffenen, S. 326 ff.
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
299
c) Berichtigungsanspruch gemäß Art. 16 DSGVO Ein Berichtigungsanspruch findet sich in Art. 16 DSGVO. Demnach sind unrichtige personenbezogene Daten unverzüglich zu berichtigen. Nach Art. 16 S. 2 DSGVO hat der Betroffene zudem das Recht, die Vervollständigung von unvollständigen personenbezogenen Daten zu verlangen. Mit diesem Berichtigungsrecht korrespondiert Art. 18 I lit. a DSGVO, der eine Einschränkung der Verarbeitung, also eine Sperrung vorsieht, sobald der Betroffene die Richtigkeit der Daten bestreitet.1905 In Art. 16 DSGVO spiegelt sich auch das Grundprinzip des Art. 5 I lit. d DSGVO wider, nach dem personenbezogene Daten sachlich richtig und erforderlichenfalls auf dem neusten Stand sein müssen. Im Hinweisgebersystem muss die Möglichkeit bestehen, dass unrichtige Daten berichtigt werden können. Der Hinweisgeber sollte Einblick in die gespeicherten Daten nehmen können, soweit dies nicht den Ermittlungserfolg oder die Rechte anderer Personen beeinträchtigt. Dritten sollte ebenfalls die Berichtigung ermöglicht werden, sofern dies den Ermittlungserfolg und die Geheimhaltung der Identität des Whistleblowers nicht beeinträchtigt. Auftragsverarbeitung Hinweisgebersysteme werden von Unternehmen zum Teil outgesourced und durch Dritte betrieben.1906 Ein Beispiel hierfür ist die Business Keeper AG. Eine Auftragsverarbeitung ist klassischerweise beim Outsourcing gegeben, bei dem der Arbeitnehmer beispielsweise ein externes Rechenzentrum beauftragt, für ihn die Daten zu speichern und zu verarbeiten,1907 sofern der Auftragsverarbeiter nach Art. 29 DSGVO die Verarbeitung auf Weisung des Verantwortlichen hin vornimmt. Liegt eine Auftragsverarbeitung vor, bleibt das Unternehmen Verantwortlicher für die Datenverarbeitung.1908 Legt der Verantwortliche etwa fest, welche Verarbeitungsschritte vorzunehmen sind oder welche technischorganisatorischen Maßnahmen vom Auftragsverarbeiter zu treffen sind, ist eine Weisung im Sinne von
1905
Härting, DSGVO, S. 168, Rn. 690. Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen in Unternehmen, S. 131 ff. 1907 Vgl. Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 308, Rn. 436. 1908 Die Auftragsdatenverarbeitung war ursprünglich in § 11 BDSG a.F. geregelt. Mit Einführung der DSGVO stiegen die Pflichten des Auftragsnehmers im Vergleich zur alten Rechtslage, Kort, ZD 2016, 555 (557). Die Auftragsdatenverarbeitung wurde unter Geltung des BDSG a.F. immer von der Funktionsübertragung abgegrenzt, bei der ein verantwortlicher Dritter im Sinne des Datenschutzes bestand. Die Funktionsübertragung war im BDSG a.F. nicht geregelt, wurde aber unter dessen Geltung immer dann angenommen, wenn der Dritte über eine eigene Entscheidungsbefugnis verfügte hinsichtlich des „Wie“ der Datenverarbeitung und diesbezüglich auch die Auswahlbefugnis hat, ihm damit die Aufgabe der Verarbeitung oblag und er insoweit für die Datenverarbeitung verantwortlich war und über die Daten verfügen konnte, also ein eigenes Interesse an den Daten hatte, Thüsing/Granetzny, in: Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, § 16, Rn. 12ff. Nur bei enger Weisungsgebundenheit des Auftragsnehmers, konnte von einer Auftragsdatenverarbeitung ausgegangen werden, Hartung, in: Kühling/Buchner, Art. 28 DSGVO, Rn. 42. Typische Beispiele, bei denen die Auftragsdatenverarbeitung von der Funktionsübertragung abzugrenzen war, waren Fälle des Outsourcings. Wurde die Funktionsübertragung bejaht, was häufig der Fall war, da der Anwendungsbereich der Auftragsdatenverarbeitung restriktiv aufgefasst wurde, bestand ein weiterer Verantwortlicher und der Datenfluss zu diesem unterlag den Voraussetzungen einer Datenübermittlung an einen Dritten. Unter Geltung der DSGVO muss hingegen davon ausgegangen werden, dass viele Fälle, die früher als Funktionsübertragung einzuordnen waren, nunmehr unter die Auftragsverarbeitung fallen, da der Anwendungsbereich der Auftragsverarbeitung nunmehr nicht mehr so eng und restriktiv auszulegen sei, vgl. Hartung, in: Kühling/Buchner, Art. 28 DSGVO, Rn. 42 ff. 1906
300
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Art. 29 DSGVO und damit eine Auftragsverarbeitung gegeben.1909 Nach Art. 28 I DSGVO muss das Unternehmen, das externe Dienstleister für die Verwaltung des Hinweisgebersystems beauftragt, darauf achten, dass es nur mit solchen externen Dienstleistern zusammenarbeitet, die hinreichend Garantien dafür bieten, dass geeignete technische und organisatorische Maßnahmen so durchgeführt werden, dass die Verarbeitung im Einklang mit den Anforderungen der DSGVO erfolgt und den Schutz der Rechte der betroffenen Person gewährleistet. Der Vertrag,1910 den das Unternehmen mit dem Auftragsverarbeiter schließt, muss den Voraussetzungen des Art. 28 III DSGVO genügen. In dem Vertrag sind Gegenstand und Dauer der Verarbeitung, Art und Zweck der Verarbeitung, die Art der personenbezogenen Daten, die Kategorien betroffener Personen und die Pflichten und Rechte des Verantwortlichen festzulegen gemäß Art. 28 III 1 DSGVO. Nach Art. 28 III 2 lit. a DSGVO sieht der Vertrag vor, dass der Auftragsverarbeiter die personenbezogenen Daten nur auf dokumentierte Weisung des Verantwortlichen verarbeitet, was insbesondere für die Übermittlung an ein Drittland gilt. Über Art. 28 III 2 lit. b DSGVO wird die Vertraulichkeit der verarbeitenden Daten gesichert. Nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO kommt es darauf an, wer allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und
Mittel
der
Datenverarbeitung
entscheidet.1911
Da
sich
der Anwendungsbereich
der
Auftragsverarbeitung unter der DSGVO vergrößert hat, wird man nunmehr von einer Auftragsverarbeitung ausgehen, sofern der Auftraggeber die Zwecke und die Zielsetzung der Datenverarbeitung auch tatsächlich festlegt.1912 Dementsprechend ist die Abgrenzung zur Funktionsübertragung unter der DSGVO aufgegeben worden.1913 Daneben ist die Auftragsverarbeitung von der gemeinsamen Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO, dem sogenannten joint controllership abzugrenzen,1914 die aber bei externen Hinweisgebersystemen regelmäßig nicht gegeben ist. Die DSGVO adressiert neben dem Verantwortlichen auch den Auftragsverarbeiter, und nach 1909
Hartung, in: Kühling/Buchner, Art. 29 DSGVO, Rn. 15. Nach Art. 28 III 1 DSGVO kann auch ein anderes Rechtsinstrument als ein Vertrag als Grundlage dienen, beispielsweise eine einseitige Erklärung des Verantwortlichen, Martini, in: Paal/Pauly, Art. 28 DSGVO, Rn. 25. 1911 Hartung, in: Kühling/Buchner, Art. 28 DSGVO, Rn 43; Wagner, ZD 2018, 307 (310). Dadurch ist der Anwendungsbereich der Auftragsdatenverarbeitung unter der DSGVO im Vergleich zum BDSG größer geworden. Beim BDSG kam es auf die Entscheidungsbefugnis des Verantwortlichen an. 1912 Hartung, in: Kühling/Buchner, Art. 28 DSGVO, Rn. 44. 1913 Hartung, in: Kühling/Buchner, Art. 28 DSGVO, Rn. 44; Härting, DSGVO, S. 139, Rn 579; Wagner, ZD 2018, 307 (310). Anders jedoch wohl die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden von Bund und Ländern, DSK, Orientierungshilfe Whistleblowing-Hotlines, S. 12. 1914 Die Entscheidung des EuGH, siehe EuGH, Urteil vom 5.6.2018, ECLI:EU:C:2018:388, (Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein), zur gemeinsamen Verantwortlichkeit bei sogenannten Facebook Fanpages sorgt für Unsicherheit, wann eine gemeinsame Verantwortlichkeit anzunehmen ist, weil sie den Anwendungsbereich der gemeinsamen Verantwortlichkeit sehr ausgedehnt hat. Für die Beurteilung ob eine gemeinsame Verantwortlichkeit im Sinne von Art. 26 DSGVO gegeben sei, zog der EuGH Kriterien heran, die aber nicht kumulativ vorliegen müssen. Dies ist zum einen die Verursachung der Datenverarbeitung, weil der Betreiber der Facebook Fanpage Facebook die Möglichkeit gibt, Cookies auf den Geräten der FanpageBesucher zu installieren. Der Betreiber hat zum anderen auch ein Eigeninteresse an der Datenverarbeitung und aufgrund der Parametrierung Steuerungsmöglichkeiten betreffend der konkret verarbeiteten Daten. Der Zugriff auf die zu verarbeitenden Daten ist mögliches Indiz, aber nicht erforderlich ist, EuGH, Urteil vom 5.6.2018, ECLI:EU:C:2018:388, (Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein); siehe hierzu auch Zimmermann, ZEuP 2019, 395 (401) . 1910
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
301
Erwägungsgrund 13 DSGVO soll eine weitestgehende Gleichbehandlung der beiden erfolgen. Dadurch dehnen sich die Verantwortlichkeit und die Haftung des Auftragsverarbeiters im Vergleich zur Lage unter Geltung des BDSG a.F. weiter aus.1915 Datenschutzbeauftragter Art. 37 I lit. b und lit. c DSGVO bestimmen, dass ein Datenschutzbeauftragter zu bestellen ist, wenn das Unternehmen eine umfangreiche regelmäßige und systematische Überwachung betreibt oder umfangreich sensitive Daten verarbeitet.1916 Der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter stellen nach Art. 38 I DSGVO sicher, dass der Datenschutzbeauftragte ordnungsgemäß und frühzeitig eingebunden wird. Dies ist bei Unternehmen, die ein Hinweisgebersystem eingerichtet haben, notwendig.1917 Neu ist unter Geltung der DSGVO, dass in Konzernen nach Art. 37 II DSGVO ein zentraler Datenschutzbeauftragter ernannt werden kann, sofern er von jeder Niederlassung aus leicht erreicht werden kann. Die Neuregelung schafft Rechtssicherheit, kam es doch unter Geltung des BDSG a.F. zur Absicherung zu komplexen Sammelbestellungen von Datenschutzbeauftragten, die dann durch Mitarbeiter in den einzelnen Niederlassungen unterstützt wurden.1918 Das Aufgabenfeld des Datenschutzbeauftragten ist in Art. 38 und 39 DSGVO beschrieben. Betroffene Personen können nun gemäß Art. 38 IV DSGVO den Datenschutzbeauftragten zu allen Fragen in Bezug auf die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten und die Wahrnehmung ihrer Rechte zu Rate ziehen. Nach Art. 39 I lit. a DSGVO hat der Datenschutzbeauftragte die Verantwortlichen zu beraten und zu unterstützen. Er ist zudem nach Art. 39 I lit.d DSGVO zur Zusammenarbeit mit der Aufsichtsbehörde verpflichtet und ist auch deren Anlaufstelle für Fragen nach Art. 39 I lit. e DSGVO. Als Whistleblowing-Stelle in einem Hinweisgebersystem ist der Datenschutzbeauftragte nicht geeignet. Zum einen darf der Datenschutzbeauftragte gemäß Art. 38 VI DSGVO zwar andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen, dabei ist aber sicher zu stellen, dass diese Aufgaben und Pflichten nicht zu einem Interessenkonflikt
führen.
Wenden
sich
betroffene
Personen,
die
beispielsweise
einen
Datenschutzverstoß melden wollen, an den Datenschutzbeauftragten, ist nicht davon auszugehen, dass ein Interessenkonflikt gegeben ist. Der Datenschutzbeauftragte könnte, entsprechend seiner Unterrichtungs- und Beratungsfunktion nach Art. 39 I Nr. a DSGVO gegenüber dem Verantwortlichen als Vermittler zwischen Verantwortlichen und betroffenen Personen fungieren. Allerdings ist das Aufgabenfeld zu spezifisch, als dass der Datenschutzbeauftragte eine taugliche Anlaufstelle im Hinweisgebersystem wäre.
1915
Hartung, in: Kühling/Buchner, Art. 28 DSGVO, Rn. 2; 5. Siehe hierzu auch Härting, DSGVO, S. 2, Rn. 7. 1917 DSK, Orientierungshilfe Whistleblowing-Hotlines, S. 12. 1918 Niklas/Faas, NZA 2017, 1091 (1092f.). 1916
302
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Gleichwohl ist er ein wichtiges Instrument der Compliance für den Bereich des Datenschutzes aufgrund seiner Rolle als Ansprechpartner für die betroffenen Personen. Dabei empfehle es sich nicht, eine Person sowohl als Compliance-Beauftragten, als auch Datenschutzbeauftragten zu benennen, oder den Datenschutzbeauftragten in die Compliance-Abteilung einzugliedern.1919 Der Datenschutzbeauftragte könne keine Umsetzungsmaßnahme anordnen und sei weisungsfrei und unterscheide sich somit vom Compliance-Beauftragten wesentlich.1920 Datenschutzfolgenabschätzung Vor Implementation eines Hinweisgebersystems ist eine sogenannte Datenschutzfolgenabschätzung vorzunehmen.1921 Nach Art. 35, 36 DSGVO muss der für die Datenverarbeitung Verantwortliche eine solche vornehmen. Eine tatsächliche Folgenabschätzung, wie sie jetzt als materielle Rechtspflicht besteht, war unter der Geltung der DSRL nicht vorgesehen.1922 Allgemein ist eine solche nun unter Geltung der DSGVO vorab durchzuführen, wenn nach Art. 35 I DSGVO eine Verarbeitung aufgrund der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen mit sich bringt. Die Datenschutzfolgenabschätzung soll dazu dienen, dass Risiken der Datenverarbeitung erkannt und ihre Verwirklichung verhindert wird, beziehungsweise das Risiko reduziert wird.1923 Hinweisgebersysteme beinhalten ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen, da von der Meldung Betroffene beschuldigt werden und auch der Hinweisgeber bei Preisgabe seiner Identität Sanktionierungen und Repressalien ausgesetzt werden kann. Verpflichtung des Verantwortlichen zu technischen und organisatorischen Maßnahmen, Art. 24 DSGVO Art. 24 DSGVO verpflichtet den Verantwortlichen nach einem risikobasierten Ansatz zu technischen und organisatorischen Maßnahmen, damit dieser sicherstellt und nachweisen kann, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten im Einklang mit der DSGVO erfolgt.1924 Eine Verpflichtung zu solchen Maßnahmen besteht auch nach Art. 24 I DSGVO.1925 Risikobasierter Ansatz meint, dass unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere der Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen sind, sodass die Verarbeitung gemäß der Verordnung erfolgt.
1919
Drewes, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 38 DSGVO, Rn. 57; Bergt, in: Kühling/Buchner, Art. 38 DSGVO, Rn. 42. Drewes, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 38 DSGVO, Rn. 57 f. 1921 Rudkowski/Schreiber, Aufklärung Compliance, S. 23. 1922 Karg, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 35 DSGVO, Rn. 2; Franzen, EuZA 2017. 313 (335). 1923 Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 413, Rn. 589. 1924 Schmidt/Brink, in: BeckOK Datenschutzrecht, Art. 24 DSGVO, Rn. 1. 1925 Härting, DSGVO, S. 30, Rn. 112. 1920
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
303
Datenschutz durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen nach Art. 25 DSGVO a) Data protection by design and by default Zwei maßgebliche Aspekte des Datenschutzes und der IT-Sicherheit regelt Art. 25 DSGVO mit dem Datenschutz durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen, auch bekannt unter „data protection by design“ und „data protection by default“. „Data protection by design“ bedeutet, dass schon bei der Konzipierung von IT-Systemen Aspekte des Datenschutzes und der Datensicherheit beachtet und implementiert werden sollen. Dies geschieht beispielsweise durch geeignete
Hardware
und
Software.1926
Insofern
ist
bereits
bei
der
Konzipierung
des
Hinweisgebersystems zu fragen, wie aus technischer Sicht Datenschutz und Datensicherheit bestmöglich gewährleistet werden können. Als mögliche Maßnahme, um dem „data protection by design“ gerecht zu werden, wird in Art. 25 I DSGVO die Pseudonymisierung genannt.1927 Im Folgenden soll der Aspekt der Pseudonymisierung, der unter anderem von Art. 25 DSGVO verlangt wird und die Anonymität in Hinweisgebersystemen näher betrachtet werden. b) Anonymität und Pseudonymität bei Hinweisgebersystemen Der wohl berühmteste anonyme Whistleblower ist „Deep Throat“, ein, wie wir heute wissen, hochrangiger FBI-Beamter namens Mark Felt, der zur Aufdeckung des sogenannten WatergateSkandals in großem Maße beitrug. Seine Identität wurde erst nach über dreißig Jahren von ihm selbst offenbart. Er hatte durch einen Hinweis an die Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein die Öffentlichkeit darüber informiert, dass in das Büro der Demokraten, die unter der Regierung Nixon die Opposition stellten, eingebrochen worden war, um Abhörgeräte zu installieren. Es wurde im Laufe der Ermittlungen deutlich, dass Präsident Richard Nixon selbst über diesen Skandal Bescheid wusste und seine Vertuschung angeordnet hatte. Um einer Amtsenthebung zu entgehen, dankte Nixon als erster Präsident der USA ab.1928 Aufgrund der Geheimhaltung seiner Identität entging Mark Felt jeglicher Sanktion und erreichte dennoch sein Ziel, die Öffentlichkeit über diesen Skandal zu informieren.1929 Wie das Beispiel illustriert, ist für den Whistleblower Anonymität durchaus erstrebenswert. Anonyme Hinweisgebersysteme können die Meldebereitschaft des Whistleblowers stärken und ihn zu einem Hinweis ermutigen, da er keine Sanktionen befürchten muss.1930 aa) Wegfall der Definition Die Anonymisierung war in § 3 VI BDSG a.F. legaldefiniert als das Verändern personenbezogener Daten derart, dass die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse nicht mehr oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder
1926
Conrad/Hausen, in: Auer-Reinsdorff/Conrad, § 36, S. 210. Siehe zu Privacy by design auch Härting, DSGVO, S. 30, Rn. 110 ff. Pohr, Geheimnis enthüllt, Die Zeit vom 1.06.2005. 1929 Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 30. 1930 Tinnefeld/Rauhofer, DuD 2008, 717 (723). 1927 1928
304
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können. Art 4 Nr. 1 DSGVO macht in Zusammenschau mit Erwägungsgrund 26 DSGVO deutlich, dass bei einem anonymisierten Datum kein Personenbezug mehr gegeben sein kann, sodass die Grundsätze des Datenschutzes keine Anwendung finden.1931 Erwägungsgrund 26 DSGVO gibt einen Anhaltspunkt, ab wann ein Datum als anonym gilt. Darunter zu verstehen sind „Informationen, die sich nicht auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, oder personenbezogene Daten, die in einer Weise anonymisiert worden sind, dass die betroffene Person nicht oder nicht mehr identifiziert werden kann.“ Unter Geltung des BDSG a.F. wurde vertreten, dass anonymisierte Daten nur dann aus dem Anwendungsbereich des BDSG
herausfallen,
wenn
eine
Re-Identifikation
technisch
unmöglich
beziehungsweise
unverhältnismäßig ist.1932 Eine vollständige Anonymisierung von Daten bereitet gerade aus technischer Sicht die größten Probleme.1933 Mit dem Mitteln der Informationstechnologie wird es nahezu immer möglich sein, eine Re-Identifizierung durchzuführen, sodass nach der zweiten Alternative des § 3 VI BDSG a.F., die „faktische“ Anonymisierung, also wenn die Re-Identifikation unverhältnismäßig war, zur Anwendung kommen konnte.1934 Die DSGVO kennt – ebenso wie die DSRL – keine solche Unterscheidung zwischen faktischer Anonymisierung und tatsächlicher Anonymisierung. Bei Schaffung der DSGVO wurde bedauerlicherweise darauf verzichtet, explizit Abgrenzungskriterien für anonyme Daten, wie sie das BDSG enthielt, festzulegen. Nachdem auch die im BDSG explizit genannte Kategorie der Daten weggefallen ist, bei denen Anonymität aufgrund des unverhältnismäßigen Aufwandes der Re-Identifizierung angenommen wurde, ist ein weiteres wertvolles, gesetzlich verankertes Abgrenzungskriterium entfallen. Die DSGVO normiert nicht die Verarbeitung anonymer Daten. Dabei zeigen gerade Beispiele aus der Rechtsprechung der vergangenen Jahre, dass das Vorliegen eines personenbezogenen Datums immer wieder Auslöser für Meinungsstreitigkeiten ist, die in Gerichtsverfahren münden.1935 Lediglich Erwägungsgrund 26 DSGVO führt aus, dass die Verarbeitung anonymer Daten, die sich nicht auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, oder personenbezogene Daten, die in einer Weise anonymisiert worden sind, dass die betroffene Person nicht oder nicht mehr identifiziert werden kann, nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO fällt. Auf die faktische Anonymisierung wird in Erwägungsgrund 26 insofern hingewiesen, als bei der Feststellung, ob Mittel nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich zur Identifizierung der natürlichen Person genutzt werden, alle objektiven Faktoren, wie die Kosten der Identifizierung und der dafür erforderliche Zeitaufwand, herangezogen werden sollen, wobei die zum Zeitpunkt der Verarbeitung verfügbare Technologie und technologische Entwicklungen zu berücksichtigen seien.
1931
Klar/Kühling, in: Kühling/Buchner, Art. 4 Nr. 1 DSGVO, Rn. 31f. Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 70, Rn. 47a. Schmidt/Jakob, DuD 2011, 88 (89); siehe zu den Möglichkeiten der Herstellung von Anonymität Nietsch, Anonymität, S. 59ff. 1934 Härting, NJW 2013, 2065 (2065). 1935 So beispielsweise das Urteil zum Personenbezug von dynamischen IP-Adressen, EuGH, Urteil vom 19.10.2016, ECLI:EU:C:2016:779, (Breyer/Deutschland). 1932 1933
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
305
bb) Anonyme Hinweisgebersysteme Bei vollständig anonym ausgestalteten Systemen gibt der Whistleblower keine personenbezogenen Daten über sich selbst preis. Ein solches System würde somit die informationelle Dimension der Privatheit des Whistleblowers bestmöglich schützen. Der Anwendungsbereich der DSGVO wäre damit nur insofern eröffnet, als es weiterhin zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten von Dritten, wie etwa den Beschuldigten, kommt. Eine anonyme Meldung ist allerdings nicht ausschließlich vorteilhaft. So empfiehlt auch die Art. 29 Datenschutzgruppe ein nicht-anonymes System.1936 Für die von der Meldung betroffenen Personen stellen sich anonyme Hinweisgebersysteme als nachteilig dar. Ein anonymes System beeinträchtigt die informationelle Dimension der Privatheit der von der Meldung betroffenen Personen in besonderem Maße. Die betroffene Person kann bei denunzierenden Meldungen niemand zur Verantwortung ziehen beziehungsweise ziehen lassen. Deshalb könnten anonyme Systeme denunzierende Meldungen begünstigen. In der, zum Teil nur scheinbaren, Anonymität des Internets zeigt sich, dass immer mehr Menschen verletzende Kommentare und Äußerungen in sozialen Netzwerken und Kommentarspalten abgeben, weil sie sich sicher vor jeglicher strafrechtlicher und gesellschaftlicher Verfolgung und Ächtung wähnen. Die Anonymität bietet ihnen die Möglichkeit, ohne Rücksicht auf Gefühle und Interessen anderer und ohne Gedanken an mögliche Strafbarkeiten, zu hetzen, zu mobben, zu beleidigen und zu diffamieren. Ein solcher Effekt kann sich auch bei anonymen Hinweisgebersystemen zeigen. Gerade unter dem Deckmantel der Anonymität lassen sich Personen zu Äußerungen hinreißen, die sie bei einem persönlichen Kontakt nicht getätigt hätten. Zudem lassen sich anonyme Meldungen nur schwer auf ihre Authentizität und ihren Wahrheitsgehalt überprüfen; Nachforschungen der Verantwortlichen werden nur erschwert möglich sein. Als Nachteil aus Sicht des Hinweisgebers sei zudem die Tatsache zu sehen, dass man mangels Kenntnis seiner Identität dem Hinweisgeber keinen Schutz zukommen lassen könne.1937 Allerdings zeigt schon das Beispiel von Mark Felt, dass ein anonymer Whistleblower zum einen gar nicht des Schutzes bedarf, solange er seine Identität geheim halten kann. Zum anderen kann das Schutzargument nur dort angebracht werden, wo de facto ein ausreichender Schutz besteht. In Großbritannien mag dies aufgrund der gesetzlichen Regelungen noch zutreffen1938, in Deutschland ist dies mangels umfassender gesetzlicher Regelung des Whistleblowings bis dato nicht der Fall. Angesichts der von anonymen Hinweisgebersystemen ausgehenden Gefahr für von der Meldung Betroffene sollten diese nicht betrieben werden. Zudem wird auch die Aufklärung mangels Rückfragemöglichkeit und Überprüfungsmöglichkeit erschwert. Wenn dem Hinweisgeber ein ausreichender Schutz gewährleistet wird, bedarf es auch keiner Anonymität im Hinweisgebersystem.
1936
Stellungnahme der Art. 29 Datenschutzgruppe, WP 117, S. 12. So Thüsing mit Verweis auf die Literatur in Großbritannien (z.B. Lewis, Whistleblowing at Work, S. 119); der auch selbst gegen vollständig anonyme Hinweissysteme ist; vgl. Thüsing, § 6, Rn. 12. 1938 Hier besteht als Schutzgesetz der Public Interest Disclosure Act, siehe hierzu Kagiaros, IJHR 2015, 408. 1937
306
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz cc) Pseudonymisierung im Hinweisgebersystem
Einen Mittelweg zwischen Anonymisierung und Identitätspreisgabe stellt die Pseudonymisierung dar. Im Hinweisgebersystem kann beispielsweise über eine Vorgangsnummer Kontakt zu dem Hinweisgeber hergestellt werden, sodass Rückfragen möglich sind.1939 Durch Rückfragen lässt sich schneller nachprüfen, ob eine Meldung nur denunziatorischen Charakter hat. Pseudonymisierung wurde gemäß § 3 VII a BDSG a.F. als das Ersetzen des Namens und anderer Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen zu dem Zweck, die Bestimmung der Betroffenen auszuschließen oder wesentlich zu erschweren,
definiert.
Art. 4 Nr. 5 DSGVO
definiert
Pseudonymisierung
als
Verarbeitung
personenbezogener Daten in einer Weise, dass die personenbezogenen Daten ohne Hinzuziehung zusätzlicher Informationen nicht mehr einer spezifischen betroffenen Person zugeordnet werden können. Die sei dann der Fall, wenn die zusätzlichen Informationen gesondert aufbewahrt werden und technischen
und
organisatorischen
Maßnahmen
unterliegen,
die
gewährleisten,
dass
die
personenbezogenen Daten nicht einer identifizierten oder identifizierbaren natürlichen Person zugewiesen werden. Die Pseudonymisierung kann so gestaltet sein, dass dem Pseudonym eine Identität zugeordnet werden kann; dann spricht man von einer sogenannten Verkettung.1940 Als weitere Möglichkeit, einen Ausgleich zwischen Identitätspreisgabe und Identitätsgeheimhaltung zu finden, schlägt Thüsing ein Hinweisgebersystem vor, das die Identität des Hinweisgebers zwar gegenüber allen anderen geheim hält, während sie dem Adressaten im Hinweisgebersystem jedoch bekannt ist.1941 So kann der Gefahr entgegengetreten werden, dass der Hinweisgeber denunzierende Meldungen macht, ohne belangt werden zu können. Außerdem kann der Sachverhalt bei Kenntnis der Identität des Hinweisgebers leichter ermittelt und verifiziert werden, da der Hinweisgeber zum Beispiel für Rückfragen erreicht werden kann. Gleichwohl kann so der Hinweisgeber geschützt werden. Allerdings wird ein Hinweisgeber einem System, in dem seine Identität einem, obgleich nur begrenzten, Personenkreis bekannt ist, weniger Vertrauen schenken. Die Pseudonymisierung wird beispielsweise schon in Art. 25 DSGVO und Art. 32 DSGVO als Maßnahme zum Schutz der Rechte der betroffenen Personen vorgesehen.1942 Die Pseudonymisierung bietet einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Aufklärungsinteresse des Arbeitgebers, das durch eine anonyme Meldung wesentlich erschwert wird, und dem Schutzbedürfnis des Hinweisgebers. dd) Umgang mit anonymen Hinweisen In der Praxis wird es unter Umständen dennoch zu anonymen Hinweisen kommen. Es stellt sich die Frage, wie mit solchen Hinweisen umgegangen werden soll. Die Art. 29 Datenschutzgruppe, die
1939
Vgl. Breinlinger/Krader, RDV 2006, 60 (65). Nietsch, Anonymität im Internet, S. 18; Johannes, in: Roßnagel, § 4, Rn. 92. Siehe Thüsing, § 6, Rn 13; ein gleiches System favorisierend auch Sethe, in: FS Weber, S. 189 (207); Forst, RDV 2013, 122 (124); zu den möglichen Adressaten siehe Whistleblowing-Stellen S. 131. 1942 Nach § 3a S. 2 BDSG a.F. war der Datenverarbeiter verpflichtet, personenbezogene Daten zu anonymisieren oder pseudonymisieren, soweit dies nach dem Verwendungszweck möglich ist, beziehungsweise nicht unverhältnismäßigen Aufwand erforderte. 1940 1941
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
307
anonymen Hinweisen im Hinweisgebersystem ablehnend gegenüber steht, hat dieses Problem erkannt und die Empfehlung ausgesprochen, dass Unternehmen nicht darauf aufmerksam machen sollen, dass anonyme Meldungen möglich sind.1943 Dennoch sollen anonyme Meldungen bearbeitet werden.1944 Anonymen Hinweisen sollte wenigstens dann nachgegangen werden, wenn der Meldegegenstand eine hohe Gefahr für wichtige Rechte und Interessen vermuten lässt und wenn der Hinweis trotz Anonymität eine hohe Plausibilität bezüglich seines Wahrheitsgehalts besitzt. Mithin zeigt sich, dass ein Ausgleich zwischen dem Interesse der Identitätsgeheimhaltung und der Identitätspreisgabe durch das Instrument der Pseudonymisierung geschaffen werden kann. Eine Herausforderung bleibt die genaue Grenzziehung zwischen fehlerhafter und denunzierender Meldung. c) Data protection by default, Art. 25 II DSGVO Art. 25 II DSGVO enthält die Verpflichtung zu „data protection by default“, nach der datenschutzfreundliche Voreinstellungen getroffen werden müssen. Bezweckt wird damit die Verwirklichung des Grundprinzips der Datenminimierung aus Art. 5 I lit. c DSGVO.1945 Durch das Merkmal der „Erforderlichkeit“ kann auch eine datenintensivere Verarbeitung rechtmäßig sein, wenn der Verarbeitungszweck dies erfordert.1946 Regelungen zur Informationssicherheit Die Informationssicherheit ist in Art. 32 DSGVO geregelt, der unter der Überschrift „Sicherheit der Verarbeitung“ steht.1947 Dieser geht ausführlich auf die Voraussetzungen der Informationssicherheit ein. In Art. 32 I DSGVO heißt es, dass Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen treffen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Hier zeigt sich der risikobasierte Ansatz der DSGVO.1948 Zu den Maßnahmen zählen nach Art. 32 I DSGVO technische und organisatorische Maßnahmen wie beispielsweise solche zur Pseudonymisierung und Verschlüsselung personenbezogener Daten. Art. 32 DSGVO geht auf die Informationssicherheit ein und bietet konkrete Anhaltspunkte, wie diese zu schützen und zu sichern ist. Die Maßnahmen nach Art. 32 DSGVO sind auch verpflichtend, sodass sich aus Art. 32 I lit. a DSGVO nun zum Beispiel eine
1943
Stellungnahme der Art. 29 Datenschutzgruppe, WP 117, S. 12. Stellungnahme der Art. 29 Datenschutzgruppe, WP 117, S. 13. 1945 Baumgartner/Gausling, ZD 2017, 308 (312). 1946 Baumgartner/Gausling, ZD 2017, 308 (312). 1947 Die Regelungen zur Informationssicherheit haben sich unter Geltung der DSGVO geändert. § 9 BDSG a.F., der diesen Bereich bislang regelte, gilt nicht mehr. Unter Informationssicherheit soll der Schutz von Informationen jeglicher Art und Herkunft zu verstehen sein, unabhängig davon, wo diese gespeichert sind. Die IT-Sicherheit ist dabei Teilmenge der Informationssicherheit und erfasst nur die elektronisch gespeicherten Informationen und deren Verarbeitung, siehe hierzu auch BSI, BSI Standards, S. 8. 1948 Siehe hierzu Härting, DSGVO, S. 34, Rn. 129 ff. 1944
308
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Pseudonymisierungspflicht ergibt.1949 Nach Art. 32 lit. b DSGVO sind die Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit und Belastbarkeit der Systeme sicherzustellen. Bei der Beurteilung eines angemessenen Schutzniveaus sind nach Art. 32 II DSGVO insbesondere die Risiken zu berücksichtigen, die mit der Verarbeitung verbunden sind. Dazu zählen insbesondere die Vernichtung, der Verlust, die Veränderung oder unbefugte Offenlegung von beziehungsweise der unbefugte Zugang zu personenbezogenen Daten, die übermittelt, gespeichert oder auf andere Weise verarbeitet wurden. Die Aspekte der Vertraulichkeit und Integrität sind wichtige Faktoren für ein datenschutzkonformes Hinweisgebersystem. Neu hinzu kommt der Aspekt der Belastbarkeit, in der englischen Fassung „resilience“ genannt. Hierunter lässt sich verstehen, dass die Systeme so ausgestaltet sind, dass sie auch einer starken Auslastung oder eines Angriffs von außen standhalten.1950 Art. 32 DSGVO geht auf die Pseudonymisierung und Verschlüsselung von personenbezogenen Daten als Maßnahme ein. Diese Maßnahmen können in Hinweisgebersystemen umgesetzt werden. Nicht angesprochen wird eine mögliche Anonymisierung, die bei Hinweisgebersystemen eine zum Schutz des Whistleblowers vielfach vorgeschlagene Alternative darstellt. Nahezu nicht behandelt wird in Literatur und Medien die Frage nach einer IT-sicherheitsrechtlichen Ausgestaltung von Whistleblowing-Systemen.1951 Dabei ist aus Privatheitsschutzgesichtspunkten auch die Informationssicherheit von Bedeutung.1952 Auf den ersten Blick mag ein Hacker-Angriff auf ein Hinweisgebersystem unwahrscheinlich erscheinen. Bedenkt man jedoch, welche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse über solche Systeme unternehmensintern übertragen werden können, scheint ein solcher Angriff nicht abwegig zu sein. Ein weiterer Aspekt, warum IT-Sicherheit durchaus große Bedeutung gewinnen kann, zeigt sich, wenn man überlegt, wie der Fall Snowden hätte ablaufen können, hätte er an eine öffentliche Stelle gemeldet, anstatt sich an Wikileaks zu wenden. In einem solchen Fall ist nicht auszuschließen, dass der Staat und Geheimdienste großes Interesse an den Daten gehabt hätten. Websitebasierte Internetsysteme können durch HTTPS-Verschlüsselung abgesichert werden.1953 Für die Meldungen sollten Verschlüsselungstechniken eingesetzt werden.1954 Jedes Hinweisgebersystem muss die Integrität und Authentizität der Daten sicherstellen. Zur Authentizitätssicherung kann beispielsweise die IP-Adresse gespeichert werden.1955
1949
Härting, DSGVO, S. 38, Rn. 145. Martini, in: Paal/Pauly, Art. 32 DSGVO; Rn. 39. 1951 Die Frage kurz anschneidend Sethe, in: FS Weber, S. 189 (208); die Art. 29 Datenschutzgruppe erwähnt den Aspekt der Datensicherheit knapp, vgl. Stellungnahme der Art. 29 Datenschutzgruppe, WP 117, S. 16. 1952 Solove, in: Rössler/Mokrosinska, S. 73. 1953 Sogohoian/Roubini, ACLU Study. 1954 Sogohoian/Roubini, ACLU Study. Die Business Keeper AG wurde mit einem Datenschutz-Gütesiegel (ISO 27001) zertifiziert, wobei im entsprechenden Kurzgutachten aus dem Jahr 2017 erwähnt wird, dass zur Verschlüsselung der Meldungen ein asymmetrisches Kryptosystem (Public Key Verfahren) eingesetzt wird, siehe ‹https://www.datenschutzzentrum.de/uploads/guetesiegel/kurzgutachten/g131007/g131007rezertifizierung-bkms-2017.pdf› 1955 Breinlinger/Krader, RDV 2006, 60 (68). 1950
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
309
Die Übermittlung im Konzern Eine weitere datenschutzrechtliche Problematik besteht, wenn personenbezogene Daten innerhalb des Konzerns fließen. Hinweisgebersysteme können in die Konzernstruktur eingebunden werden, sodass es zu einem solchen Datenfluss kommt. In die DSGVO wurde kein explizites Konzernprivileg implementiert, sodass auch Unternehmen desselben Konzerns als unterschiedliche Verantwortliche behandelt werden, bei denen die Übermittlung von Daten eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO benötigt.1956 Empfängerstellen im Konzern sind grundsätzlich als Dritte i.S.v. Art. 4 Nr. 10 DSGVO einzuordnen.1957 Erwägungsgrund 48 DSGVO gibt aber insofern Anhaltspunkte für eine Interessenabwägung nach Art. 6 I 1 lit. f DSGVO, als er klarstellt, dass bei Verantwortlichen, die Teil einer Unternehmensgruppe sind, ein berechtigtes Interesse an der Übermittlung personenbezogener Daten von Kunden und Beschäftigten für interne Verwaltungszwecke besteht.1958 Grenzüberschreitender Datenverkehr nach der DSGVO Whistleblowing-Systeme finden sich, wie erwähnt, oftmals in internationalen Konzernen wieder. Dabei kann es zur Konstellation kommen, dass beispielsweise eine europäische Tochtergesellschaft einer USamerikanischen Muttergesellschaft ihren Sitz in Deutschland hat, das Hinweisgebersystem aber von der Muttergesellschaft betrieben wird.1959 Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer ist eine zweistufige Prüfung vorzunehmen. Dabei ist auf erster Stufe die Erfüllung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen, die die DSGVO an eine Verarbeitung stellt, erforderlich (also die sonstigen in diesem Kapitel behandelten Vorgaben), bevor auf die spezifischen Anforderungen der DSGVO an die Übermittlung in Drittländer einzugehen ist.1960 a) Möglichkeiten einer Übermittlung in ein Drittland nach der DSGVO Die Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer oder internationale Organisationen ist in den Art. 44 ff. DSGVO geregelt. Dabei gelten die Vorgaben der DSGVO nach Art. 44 DSGVO auch für etwaige Weiterübermittlungen, sodass die DSGVO territorial gesehen auch dann weiter gilt, wenn ein Verantwortlicher aus oder in demselben Drittland weiterübermittelt.1961 Möglich ist die Übermittlung in ein Drittland, wenn die Kommission gemäß Art. 45 DSGVO einen Angemessenheitsbeschluss über das betreffende Drittland geschlossen hat. Dies kann dann geschehen, wenn nach Auffassung der Kommission ein angemessenes Schutzniveau in dem Drittland existiert. Ansonsten ist nach Art. 46 DSGVO eine Übermittlung dann möglich, wenn geeignete Garantien
1956
Sörup/Marquardt, ArbR 2016, 103 (104); Kreß, Criminal Compliance, S. 271. Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 I DSGVO, Rn. 116. 1958 Pauly, in: Paal/Pauly, Art. 88 DSGVO, Rn. 15; Maschmann, in: Kühling/Buchner, Art. 88 DSGVO, Rn. 53. 1959 Beispiel nach Steigert, Datenschutz, S. 47. 1960 Wybitul/Ströbel/Ruess, ZD 2017, 503 (504); Ambrock/Karg, ZD 2017, 154 (156). Anders als unter Geltung des § 3 IV 2 Nr. 3 BDSG a.F. ist es nicht notwendig, dass der Empfänger ein Dritter ist, sodass unter Geltung der DSGVO eindeutig ist, wie mit der Auftragsdatenverarbeitung oder Datenübermittlung innerhalb des Unternehmens umzugehen ist, Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 44 DSGVO, Rn. 10. Siehe zum Begriff des Empfängers Art. 4 Nr. 9 DSGVO. 1961 Ambrock/Karg, ZD 2017, 154 (155). 1957
310
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
vorgesehen wurden und den betroffenen Personen durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen. Art. 49 DSGVO sieht Ausnahmen für bestimmte Fälle vor, in denen eine Übermittlung in ein Drittland möglich ist, obgleich die Voraussetzungen von Art. 45 und 46 DSGVO nicht vorliegen. Neben der Übermittlung nach Art. 45 DSGVO sind für Unternehmen die möglichen Maßnahmen in Art. 46 DSGVO von großer Bedeutung. In Art. 46 DSGVO sind verschiedene Garantiemaßnahmen aufgeführt. Zu nennen sind hier für nicht-öffentliche Verantwortliche verbindliche interne Datenschutzvorschriften, sogenannte „Binding Corporate Rules“ nach Art. 46 II lit. b, Art. 47 DSGVO, Standarddatenschutzklauseln
nach
Art. 46 II lit. c DSGVO
und
Vertragsklauseln
nach
Art. 46 III lit. a DSGVO. Daneben kommen Verhaltensregeln gemäß Art. 46 II lit. e DSGVO in Betracht, sowie Zertifizierungsverfahren nach Art. 46 II lit. f DSGVO.1962 „Binding Corporate Rules“ waren auch schon vor Inkrafttreten der DSGVO in Gebrauch. Standarddatenschutzklauseln sind ebenfalls häufig genutzte Instrumente, um in Drittländer personenbezogene Daten zu übermitteln, für die
kein
Angemessenheitsbeschluss
nach
Art. 45 DSGVO
besteht.
Neu
sind
die
Zertifizierungsmöglichkeiten, die in Art. 46 II lit. e und f DSGVO genannt werden.1963 Bei der Übermittlung in ein Drittland wird nun auch, im Unterschied zum BDSG a.F., der Auftragsverarbeiter in die Pflicht genommen gemäß Art. 46 I DSGVO. Auch dieser muss nun überprüfen, ob eine Übermittlung in das unsichere Drittland zulässig ist.1964 Eine mögliche Ausnahme, die Art. 49 I 1 lit. a DSGVO vorsieht, ist die Einwilligung, die ausdrücklich erklärt werden muss und bei der der Betroffene über die Risiken derartiger Datenübermittlungen ohne Vorliegen eines Angemessenheitsbeschlusses und ohne geeignete Garantien nach Art. 46 DSGVO, unterrichtet werden muss. Für die Einwilligung gelten neben Art. 49 I lit. a DSGVO die allgemeinen, hohen Anforderungen, die die DSGVO an sie stellt.1965 Ferner kann beispielsweise auch die Übermittlung dann zulässig sein, wenn dies für die Erfüllung eines Vertrages zwischen den betroffenen Personen und dem Verantwortlichen oder für vorvertragliche Maßnahmen auf Antrag der betroffenen Person erforderlich ist (Art. 49 I 1 lit. b DSGVO). Ebenso kann eine Übermittlung beispielsweise zulässig sein, wenn die Übermittlung aus wichtigen Gründen des öffentlichen Interesses notwendig ist (Art. 49 I 1 lit. d DSGVO). Eine Einzelfallabwägung, die in Art. 49 I 2 DSGVO genannt ist, ist nur anwendbar, wenn zusätzlich auch kein Ausnahmetatbestand des Art. 49 I 1 DSGVO greift.1966
1962
Siehe zur Aufzählung Pauly, in: Paal/Pauly, Art.46, Rn. 5 sowie Härting, DSGVO, S. 44, Rn. 169; Ambrock/Karg, ZD 2017, 154 (156). Siehe hierzu auch DSK, Kurzpapier Nr. 4. 1964 Pauly, in: Paal/Pauly, Art. 46 DSGVO, Rn. 2. 1965 Wybitul/Ströbel/Ruess, ZD 2017, 503 (507). 1966 Ambrock/Karg, ZD 2017, 154 (160). 1963
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
311
b) Insbesondere: Übermittlung in die USA Vor dem Hintergrund der aufgrund des Sarbanes-Oxley-Acts implementierten Verhaltensrichtlinien in US-Konzernen, ist es wahrscheinlich, dass es zu konzerninternen Datentransfers mit Stellen in den USA kommt. Die EU-Kommission hat ein angemessenes Datenschutzniveau in Bezug auf die USA verneint.1967 Das angemessene Datenschutzniveau musste also auf anderem Wege erreicht werden. Ein solches Datenschutzniveau wurde durch freiwillige Selbstverpflichtung in Form des sogenannten SafeHarbor-Verfahrens, als erreicht angesehen worden.1968 Dieses Verfahren war durch die EU-Kommission im Rahmen einer Angemessenheitsfeststellung akzeptiert worden, die unter der DSRL die Grundlagen für die Übermittlung in die USA bildete.1969 Im Oktober 2015 entschied allerdings der EuGH in der Rechtssache Max Schrems v Data Protection Commissioner,1970 dass die Safe-Harbor-Entscheidung der Kommission unwirksam sei. Unter hohem Zeitdruck musste nun ein Ersatz für das Safe-HarborAbkommen gefunden werden.1971 Das sogenannte Privacy Shield wurde entworfen und trat im August 2016 in Kraft.1972 Der zu diesem Abkommen ergangene Angemessenheitsbeschluss der Kommission1973 gilt nach Art. 45 IX DSGVO fort. c) Konformität des Privacy Shield mit der DSGVO Rechtlich qualifizierbar nach der DSGVO ist das Privacy Shield als Grundlage für einen Angemessenheitsbeschluss nach Art. 45 III DSGVO.1974 Art. 45 I DSGVO stellt nunmehr klar, dass ein solcher Beschluss auch für „spezifische Sektoren“ eines Drittlands ergehen kann. Zuvor hatte der EuGH in der Safe-Harbor-Entscheidung außerdem klargestellt, dass mit einem angemessenen Schutzniveau ein gleichwertiger Schutz verlangt werde;1975 dies gilt auch für Art. 45 DSGVO. Ebenso wie das SafeHarbor-Abkommen bedient sich das Privacy Shield des Instrumentes der Selbstzertifizierung.1976 Auch die Verhandlungen über Art. 45 DSGVO wurden durch die Kritik an der Entscheidung zum SafeHarbor-Abkommen beeinflusst, wobei gleichzeitig die gesteigerte Sensibilität für Datenschutz aufgrund der Enthüllungen durch Edward Snowden Einfluss auf die Verhandlungen nahm.1977 Hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit des Privacy Shields stellt Art. 45 DSGVO konkrete Anforderungen auf, die weder abschließend sind, noch kumulativ vorliegen müssen.1978 Obgleich
1967
< https://ec.europa.eu/info/law/law-topic/data-protection/international-dimension-data-protection/adequacydecisions_en >. 1968 Barthel/Huppertz, Arbeit und Arbeitsrecht, 2006, S. 204 (208). 1969 Siehe hierzu Härting, DSGVO, S. 45, Rn. 172. 1970 EuGH, Urteil vom 6.10.2015, NJW 2015, 3151, ECLI:EU:C:2015:650, (Schrems). 1971 Zu dieser Entwicklung siehe Schröder, in: Kühling/Buchner, Art. 45 DSGVO, Rn. 37 ff. 1972 Durchführungsbeschluss (EU) 2016/1250 der Kommission vom 12.7.2016 gemäß der R 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angemessenheit des vom EU-US-Datenschutzschild gebotenen Schutzes, C/2016/4176, ABl. L 207, 1.8.2016. 1973 Amtsblatt der Europäischen Union, L 207/1 vom 1.8.2016. 1974 Moinár-Gábor/Kaffenberger, ZD 2018, 162 (164). 1975 EuGH, Urteil vom 6.10.2015, NJW 2015, 3151, ECLI:EU:C:2015:650, Rn. 73, 78 (Schrems). 1976 Schröder, in: Kühling/Buchner, Art. 45 DSGVO, Rn. 41. 1977 Schröder, in: Kühling/Buchner, Art. 45 DSGVO, Rn. 2. 1978 Schröder, in: Kühling/Buchner, Art. 45 DSGVO, Rn. 3.
312
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Verbesserungen gegenüber dem Safe-Harbor-Abkommen konstatiert werden,1979 wird in Bezug auf das Privacy Shield angenommen, dass es kein gleichwertiges Datenschutzniveau gewährleiste.1980 Das Privacy Shield sieht im Vergleich zum Safe-Harbor-Abkommen engere Überwachungsmöglichkeiten, sowie eine vereinfachte Möglichkeit zur Geltendmachung von Datenschutzverstößen vor.1981 Insofern kann tatsächlich von einer Verbesserung gegenüber dem Safe-Harbor-Abkommen gesprochen werden. Die Kritik am Privacy Shield ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich der Datenschutz in den USA von dem auf europäischer Ebene sowohl hinsichtlich des grundrechtlichen Anknüpfungspunktes als auch seiner einfachgesetzlichen Ausgestaltung grundlegend unterscheidet.1982 Das Privacy Shield ist unter mehreren Gesichtspunkten angreifbar. Art. 45 II lit. b DSGVO stellt das Erfordernis unabhängiger Datenschutzaufsichtsbehörden auf. Gegen unberechtigte Datenverarbeitungen müssen der betroffenen Person umfassende Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, wie Art. 45 II lit. a DSGVO aufzeigt.1983 Diesbezüglich lässt sich feststellen, dass es hier gerade an einem verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelf mangelt.1984 In Bezug auf das Privacy Shield und hier insbesondere aufgrund der Zugriffsmöglichkeiten der US-Behörden im Bereich der Terrorismusbekämpfung, wird zudem bezweifelt, dass das Privacy Shield konform mit den Grundsätzen der Safe-Harbor-Entscheidung wäre.1985 Zudem ist dem Angemessenheitsbeschluss ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit inhärent. Die bereits getroffenen Angemessenheitsfeststellungen der Kommission bleiben zwar in Kraft, können aber gemäß Art. 45 IX DSGVO jederzeit in einem Prüfverfahren nach Art. 45 III-VI DSGVO geändert, ersetzt oder aufgehoben werden. Die Kommission trifft eine Überwachungspflicht nach Art. 45 IV und Art. 45 V DSGVO. Der Angemessenheitsbeschluss der Kommission unterliegt alle vier Jahre einer Überprüfung, die die rechtliche Grundlage für den Datentransfer beseitigen könnte.1986 Eine Aufhebung des Privacy Shields scheint insbesondere aufgrund der verstärkten Kritik daran, die mittlerweile auch von einem Ausschuss des EU-Parlaments mitgetragen wird,1987 nicht unwahrscheinlich. Allerdings besteht in der Praxis eine Notwendigkeit, den Datenverkehr in die USA zu ermöglichen, sodass im Falle einer erneuten Aufhebung eine Einigung über ein defizitäres neues Abkommen möglich sein könnte.
1979
Article 29 Working Party Statement on the decision of the European Commission on the EU-U.S. Privacy Shield, 27.7.2016. 1980 Moinár-Gábor/Kaffenberger, ZD 2018, 162 (162 f.). Siehe auch das von der irischen Datenschutzgruppe Digital Rights Irleand angestrengete Verfahren gegen die EU-Kommission (T-670/16 vom 16.9.2016), das vom EuG als unzulässig verworfen wurde, EuG, Beschluss vom 22.11.2017, ECLI:EU:T:2017:838, (Digital Rights Ireland/Kommission). 1981 Von Lewinski, EuR 2016, 405 (413). 1982 Siehe hierzu Sandfuchs, Privatheit, S. 70ff.; Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 45 DSGVO, Rn. 42, 43. 1983 Siehe hierzu auch Schröder, in: Kühling/Buchner, Art. 45 DSGVO, Rn. 18. 1984 Von Lewinski, EuR 2016, 405 (417 f.). 1985 Weichert, ZD 2016, 209 (209ff.); Grau/Granetzny, NZA 2016, 405 (405ff.); Schreiber/Kohm, ZD 2016, 255 (255f.). 1986 So auch Spies, ZD 2016, 49 (49). 1987 Krempl, Heise online vom 13.6.2018.
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
313
Tatsächlich bestehen Anhaltspunkte dafür, dass das Privacy Shield einer gerichtlichen Entscheidung nicht standhalten würde. Nach Art. 45 II DSGVO sind neben der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und der Grundrechte für die Beurteilung der Angemessenheit, auch die Anwendung der bestehenden Rechtsvorschriften, Datenschutzvorschriften etc., der tatsächliche Zugriff der Behörden auf Daten und welche Rechte und Rechtsbehelfe der Person zur Verfügung stehen, von Bedeutung (lit. a). Für die Beurteilung relevant ist darüber hinaus das Bestehen von Aufsichtsbehörden mit wirksamen Befugnissen (lit. b) und internationale Verpflichtungen, die zum Schutz personenbezogener Daten geschlossen wurden (lit. c).1988 Allerdings ist Art. 45 II DSGVO sehr weit gefasst und enthält genau die Kritik- und Reibungspunkte, die zwischen europäischem und US-amerikanischem Datenschutzrecht existieren.1989 Dabei sei es angesichts der bisherigen Rechtsprechung des EuGH im Bereich des Datenschutzes, insbesondere auch im Hinblick auf die Safe-Harbor-Entscheidung, nicht wahrscheinlich, dass das Gericht die Kriterien restriktiv auffassen werde.1990 Diese Ansicht ist zutreffend und lässt vermuten, dass das Privacy Shield auf unsicherer Grundlage steht und im Ernstfall einer gerichtlichen Entscheidung nicht standhalten würde. Auch die Möglichkeiten, ohne Angemessenheitsbeschluss eine Datenübermittlung in ein Drittland, insbesondere die USA, vorzunehmen, stehen auf unsicherer Grundlage. So können beispielsweise die bestehenden Standarddatenschutzklauseln nach Art. 46 V DSGVO von der Kommission geändert, ersetzt oder aufgehoben werden.1991 Zudem wurde im Nachgang des Safe Harbor Urteils angenommen, dass Standarddatenschutzklauseln keine taugliche Grundlage für die Datenübermittlung in Drittländer seien.1992 Die Datenübermittlung in das Nicht-EU-Ausland und hier insbesondere in die USA bleibt eines der am schwierigsten zu regulierenden Felder, welches einerseits in der Praxis von größter Bedeutung ist, und in dem andererseits aufgrund des unterschiedlichen Schutzniveaus eine Verständigung schwierig zu finden ist. Unternehmen können darauf hoffen, dass das Privacy Shield in Kraft bleibt, da es die Datenübermittlungen vereinfacht. Binding Corporate Rules könnten sich als Alternative für größere internationale Unternehmen anbieten, die so den Datentransfer innerhalb ihres Unternehmens regeln können. Standardvertragsklauseln können für Unternehmen ebenfalls eine Alternative darstellen. Bei ihnen besteht jedoch die Problematik, dass sie, anders als Angemessenheitsbeschlüsse, nur eine begrenzte Zahl an Datenübermittlungen aufgrund der darin detailliert zu beschreibenden Übermittlung legitimieren können.1993 Einen Königsweg gibt es hierbei nicht. Unternehmen müssen im Einzelfall entscheiden, welche Variante für sie im konkreten Fall am vorzugswürdigsten ist. Gegebenenfalls kann dies auch bedeuten, dass in der Praxis im Einzelfall auf eine Ausgestaltung in Form der Übermittlung 1988
Siehe hierzu auch Härting, DSGVO, S. 47 ff. Spies, ZD 2016, 49 (49). Spies, ZD 2016, 49 (49). 1991 Wybitul/Ströbel/Ruess, ZD 2017, 503 (505). 1992 ULD, Positionspapier vom 14.10.2015, S. 4. 1993 Geppert, ZD 2018, 62 (65). 1989 1990
314
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
ins Drittland verzichtet wird und versucht wird, die Datenverarbeitung im Inland und EU-Ausland vorzunehmen. Öffnungsklausel nach Art. 88 DSGVO Der Beschäftigtendatenschutz ist zentral für Hinweisgebersysteme und das Whistleblowing im Unternehmen.
Die
DSGVO
enthält
keine
besonderen
materiellen
Regelungen
zum
Beschäftigtendatenschutz, sodass grundsätzlich die allgemeinen Anforderungen Anwendung finden. In Art. 88 DSGVO (Datenverarbeitung im Beschäftigtenkontext) ist eine Öffnungsklausel vorgesehen, nach der die Mitgliedsstaaten durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext vorsehen können. In Art. 88 I DSGVO werden als Beispiele für spezifischere Vorschriften insbesondere solche für Zwecke der Einstellung, der Erfüllung des Arbeitsvertrags, einschließlich der Erfüllung von durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen festgelegten Pflichten, des Managements der Planung und der Organisation der Arbeit, der Gleichheit und Diversität am Arbeitsplatz, der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, des Schutzes des Eigentums des Arbeitgebers oder der Kunden, sowie für die Zwecke der Inanspruchnahme der mit der Beschäftigung zusammenhängenden individuellen und kollektiven Rechte und Leistungen und für Zwecke der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses genannt. Es ist also aufgrund des durch die Öffnungsklausel eröffneten Gestaltungsspielraums für die Mitgliedstaaten zu erwarten, dass gerade im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes keine Vereinheitlichung des Datenschutzrechtes erreicht wird. Dabei war die unionsweite Vereinheitlichung eines der Hauptanliegen der DSGVO.1994 Allerdings war zu erwarten, dass in dem viel diskutierten Feld des Beschäftigtendatenschutzes nur schwerlich eine Einigung über eine einheitliche Regelung gelingen kann, ist dieses Feld doch schon im nationalen Recht seit Jahrzehnten eine umkämpfte Thematik, bei der man sich nach langer Diskussion nur zur Zwischenlösung des § 32 BDSG a.F. durchringen konnte und kein Gesetz zum Arbeitnehmerdatenschutz erlassen wurde.1995 Das Europäische Parlament hatte Änderungsvorschläge unterbreitet, nach denen unter anderem auch der Arbeitnehmerdatenschutz inhaltlich auf EU-Ebene geregelt worden wäre. Diese Vorschläge konnten sich jedoch nicht durchsetzen.1996 Somit besteht für die Mitgliedsstaaten ein Regelungsspielraum, der zur Zersplitterung des europäischen Datenschutzrechtes beiträgt. Die damalige Große Koalition hatte 2014 in ihrem Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode („Deutschlands Zukunft gestalten“) festgehalten, den Beschäftigtendatenschutz neu regeln zu wollen. Diese Vorhaben wurden letztlich nicht umgesetzt, wohl im Hinblick darauf, dass damit gerechnet wurde, 1994
Siehe hierzu die Erwägungsgründe 3 und 9 DSGVO. Siehe zu der Entwicklung Düwell, in: Weth/Herberger/Wächter, S. 3ff. 1996 Siehe zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift ausführlich Franzen, EuZA 2017, 313 (342 f.); Maschmann, in: Kühling/Buchner, Art. 88 DSGVO, Rn. 1. 1995
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
315
dass die DSGVO den Beschäftigtendatenschutz regeln würde. Nachdem bislang immer noch keine umfassende Neuregelung erfolgte, sondern mit § 26 BDSG lediglich im Wesentlichen § 32 BDSG a.F. übernommen wurde, ist fraglich, welche Regierung sich dieser Aufgabe stellen wird. a) Sachliche Reichweite der Vorschrift Der Umfang der Regelungsmöglichkeiten erscheint dem Wortlaut nach („Beschäftigtenkontext“) sehr weit. Einige wollen alle Bereiche darunter fassen, „in denen personenbezogene Daten zum Zweck der Eingehung, Durchführung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im weitesten Sinn verarbeitet
werden.“1997
Eine
beispielhafte
Aufzählung
der
Regelungsgegenstände
enthält
Art. 88 I DSGVO. Bezüglich der sachlichen Reichweite der Vorschrift bestehen Unklarheiten. So ist beispielsweise unklar, inwiefern noch eine Bindung an die DSGVO eingefordert wird, oder ob die Mitgliedsstaaten in diesem Bereich gar ganz von einer solchen Bindung freigestellt sind.1998 In den Verhandlungen über die Fassung der Norm war im Vorschlag der Kommission und auch in der Beratung des Europäischen Parlaments eine Passage vorgesehen gewesen, die festlegte, dass die übrigen Regeln der DSGVO einen Rahmen für die Regelungen der Mitgliedsstaaten im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes bilden sollten. Diese wurde nicht in die endgültige Fassung aufgenommen.1999 Dennoch spricht viel für die Geltung der DSGVO als Rahmenregelung. Zum einen der Wortlaut „spezifischere Vorschriften“, was im Umkehrschluss bedeutet, dass allgemeine Regeln existieren und diese auch im Grundsatz Geltung beanspruchen. Zum anderen enthalten auch andere Normen der DSGVO Vorgaben zum Arbeitnehmerdatenschutz, wie beispielsweise Art. 9 II lit. b und lit. h DSGVO, sodass die DSGVO auch neben den nationalen Regelungen Anwendung finden muss.2000 Die Verwendung des Ausdruckes „spezifischere Vorschriften“ und in der englischen Fassung „more specific rules“ soll nach einer Ansicht darauf hindeuten, dass vom Schutzniveau weder nach unten noch nach oben abgewichen werden darf.2001 Nach der Gegenmeinung soll die Verwendung des Wortes „insbesondere“ in Art. 88 I DSGVO nur implizieren, dass die aufgezählten Beispiele nicht abschließend seien und nicht etwa, dass durch Art. 88 DSGVO nur ein Minimalprogramm vorgegeben werde.2002 Systematisch für eine Vollharmonisierung im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes spricht, dass die DSGVO an anderer Stelle explizit die Möglichkeit vorsieht, zusätzliche Beschränkungen einzuführen,
1997
Franzen, EuZA 2017, 313 (348 f.). Franzen, EuZA 2017, 313 (343). 1999 Franzen, EuZA 2017, 313 (343). Bericht über den Vorschlag für eine Datenschutz-Grundverordnung COM(2012) 0011 – C7-0025/2012 – 2012/0011 COD, S. 63. 2000 Franzen, EuZA 2017, 313 (344). Für eine Anwendung der DSGVO neben den nationalen Regelungen im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes auch von Lewinski, in: Auernhammer, Art. 88 DSGVO, Rn. 4; Pauly, in: Paal/Pauly, Art. 88 DSGVO, Rn. 4. 2001 Wybitul, NZA 2017. 413 (413); Ströbel/Böhm/Breunig/Wybitul, CCZ 2018, 14 (15); Spelge, DuD 2016, 775 (778). 2002 Spelge, DuD 2016, 775 (778). 1998
316
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
wie dies beispielsweise in Art. 9 IV DSGVO vorgesehen ist.2003 Die Genese der Vorschrift spricht hingegen dafür, dass strengere Regelungen zugelassen werden. So war die Kommissionsformulierung in Art. 82 DSGVO nach Ansicht des Berichterstatters des Europäischen Parlaments zu eng gefasst ,und es sollten gerade Abweichungen nach oben zugelassen werden.2004 Da nunmehr in Art. 88 DSGVO spezifischere Vorschriften sogar ohne jegliche Beschränkung zugelassen würden, sei die Möglichkeit zur Abweichung nach oben eröffnet.2005 Hinzu käme, dass es bei der Schaffung spezifischerer Vorschriften zwangsläufig dazu käme, dass Abweichungen „nach oben“ implementiert würden.2006 Abweichungen „nach unten“ sollen hingegen nicht möglich sein.2007 Dagegen spreche schon der Wortsinn des Begriffes „spezifischere Vorschriften.“2008 Wie schon zu den Kollektivvereinbarungen angenommen,2009 soll auch bei Öffnungsklauseln wie dem Art. 88 DSGVO nur ein Abweichen nach oben möglich sein. Ein Unterschreiten des Schutzniveaus, das die DSGVO vorgibt, ist hingegen nicht möglich. b) Personelle Reichweite Die
deutsche
Fassung
von
Art. 88 DSGVO
spricht
vom
Beschäftigtenkontext.
Dem
Beschäftigtenbegriff des Art. 88 DSGVO liegt der Arbeitnehmerbegriff des Art. 45 AEUV zugrunde.2010 Dementsprechend sind vom Arbeitnehmerbegriff nicht nur Arbeitnehmer im Sinne des deutschen Arbeitsrechts erfasst, sondern auch Beschäftigte in einem Beschäftigungsverhältnis nach den Vorschriften des öffentlichen Rechts, wie Beamte, Richter und Soldaten.2011 c) Rechtsvorschrift im Sinne von Art. 88 DSGVO Unklar ist, ob von Rechtsvorschriften im Sinne von Art. 88 DSGVO nur formelle oder aber auch materielle Gesetze umfasst sind. Ursprünglich sollte der Wortlaut „Gesetz“ verwendet werden, umgesetzt
wurde
jedoch
„Rechtsvorschriften“.2012
Dies
spricht
zusammen
mit
Erwägungsgrund 41 DSGVO dafür, dass auch materielle Gesetze genügen.2013 Zum Teil wird angenommen, dass auch höchstrichterliche Rechtsprechung Rechtsvorschriften im Sinne der Vorschrift seien.2014 Dem wird jedoch zu Recht entgegengehalten, dass damit kaum die Vorgaben von Erwägungsgrund 41 S. 2 DSGVO erreicht werden dürften. Demnach muss die Rechtsgrundlage oder 2003
Franzen, EuZA 2017, 313 (345f.). Körner, Beschäftigtendatenschutz DSGVO, S. 57. So Körner, Beschäftigtendatenschutz DSGVO, S. 55. 2006 Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 23. 2007 Maschmann, in: Kühling/Buchner, Art. 88 DSGVO, Rn. 32 ff.; Wybitul, NZA 2017, 413 (413). 2008 Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 22. 2009 Siehe hierzu das Kapitel Kollektivvereinbarungen als Erlaubnisgrundlage, S. 292 f. 2010 Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 17 f.; Körner, NZA 2016, 1383 (1384) mit Verweis auf die entsprechende EuGH Rechtsprechung, die die Anwendbarkeit dieses Arbeitnehmerbegriffs auf Verordnungen klarstellt, EuGH, Beschluss vom 7.4.2011, ECLI:EU:C:2011:221, (Dieter May gegen AOK Rheinland/Hamburg). 2011 Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 18. 2012 Maschmann, in: Kühling/Buchner, Art. 88 DSGVO, Rn. 23. 2013 Maschmann, in: Kühling/Buchner, Art. 88 DSGVO, Rn. 23; Franzen, EuZA 2017, 313 (346); Spelge, DuD 2016, 775 (776). 2014 Franzen, EuZA 2017, 313 (347). 2004 2005
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
317
Gesetzgebungsmaßnahme klar und präzise sein und ihre Anwendung sollte für die Rechtsunterworfenen vorhersehbar sein. Der EuGH konkretisiere dies dahingehend, dass es einem von der Norm Begünstigten möglich sein müsse, von seinen Rechten Kenntnis zu erlangen und eine Geltendmachung vor den Gerichten zu erreichen.2015 In der englischen Fassung ist von „collective agreements“ die Rede, was in der deutschen Fassung mit Kollektivvereinbarungen übersetzt wird. Unter Kollektivvereinbarungen im Sinne von Art. 88 DSGVO sollen sowohl Tarifverträge als auch Betriebsvereinbarungen fallen.2016 Letzteres ergibt sich aus Erwägungsgrund 155 DSGVO.2017 Praxisrelevant für die Regelung von datenschutzrechtlichen Aspekten sind jedoch nur Betriebsvereinbarungen. d) Maßnahmen gemäß Art. 88 II DSGVO Art. 88 II DSGVO besagt, dass die Vorschriften, die über die Öffnungsklausel erlassen werden können, angemessene und besondere Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Personen, insbesondere im Hinblick auf die Transparenz der Verarbeitung, die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Unternehmen, die eine gemeinsame Wirtschaftstätigkeit ausüben und die Überwachungssysteme am Arbeitsplatz umfassen. Die Adressierung der Übermittlung innerhalb einer Unternehmensgruppe zeigt, dass hierbei besondere Gefährdungen für die betroffenen Personen bestehen.2018 Kritisiert wird, dass der Bedeutungsgehalt der Vorschrift unklar sei, sodass der EuGH konkretisierend tätig werden müsse2019 und die Regelung aufgrund der vagen Formulierung weder einen höheren Schutz biete, noch zur Harmonisierung beitrage.2020 „Besondere Maßnahmen“ klingt zunächst wie erhöhte Schutzmaßnahmen oder dergleichen. Hier ist die englische Fassung erhellend, die von „specific measures“ spricht, sodass davon ausgegangen werden kann, dass hier spezifischere Maßnahmen gemeint sind im Gegensatz zu allgemeineren Maßnahmen.2021
II.
Situation nach dem BDSG
Mit dem DSAnpUG-EU wurde der nationale Gesetzgeber tätig und schuf das BDSG in seiner neuen Fassung. Anders als die DSGVO trifft dieses weiterhin eine Unterscheidung zwischen öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen; es hält diese Unterscheidung allerdings nicht konsequent bei allen
2015
Maschmann, in: Kühling/Buchner, Art. 88 DSGVO, Rn. 23 unter Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung EuGH, Urteil v. 30.5.1991, EuZW 1991, 440, Rn 15, ECLI:EU:C:1991:225, (Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland); EuGH, Urteil v. 20.3.1997, NVwZ 1998, 48, Rn 35, ECLI:EU:C:1997:165, (Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland). 2016 Franzen, EuZA 2017, 313 (347). 2017 Franzen, EuZA 2017, 313 (347); Spelge, DuD 2016, 775 (776). 2018 Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 37. Der Begriff der Unternehmensgruppe, Art. 4 Nr. 9 DSGVO ist nicht deckungsgleich mit dem nationalen Konzernbegriff, wie er in § 18 AktG zu finden ist, siehe hierzu Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 38. 2019 Maschmann, in: Kühling/Buchner, Art. 88 DSGVO, Rn. 42. 2020 Dammann, ZD 2016, 307 (310). 2021 Wybitul, NZA 2017, 413 (413).
318
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Vorschriften durch.2022 Im Verhältnis zu spezifischeren Rechtsvorschriften des Bundes ist das BDSG nach § 1 II 1 BDSG subsidiär.2023 Insbesondere für den Beschäftigtendatenschutz enthält das BDSG die maßgeblichen Regelungen. Als Auffanggesetz findet das BDSG dann Anwendung, wenn nicht speziellere Normen des Bundes Anwendung finden, § 1 II 2 BDSG.2024 Die allgemeinen Informationspflichten des § 80 II 1 und § 80 II 2 HS 1 BetrVG und des § 68 II 1 und § 68 II 2 BPersVG sind aufgrund ihrer Pauschalität nachrangig gegenüber dem BDSG.2025 Im Folgenden soll auf die für das Whistleblowing im Unternehmen relevanten Normen des BDSG eingegangen werden, die durch den Regelungsspielraum, den die DSGVO dem nationalen Gesetzgeber eröffnet hat, ermöglicht wurden. Beschäftigtendatenschutz nach § 26 BDSG Der nationale Gesetzgeber hat von dem ihm durch Art. 88 DSGVO eröffneten Regelungsspielraum Gebrauch gemacht und im Rahmen der Neufassung des BDSG mit § 26 BDSG eine Norm zum Beschäftigtendatenschutz geschaffen. Der Beschäftigtendatenschutz und die dazugehörigen Erlaubnistatbestände kommen bei Hinweisgeberund Compliance-Systemen zum Tragen, werden hier doch personenbezogene Daten im Beschäftigungskontext verarbeitet. Bislang war der Beschäftigtendatenschutz in § 32 BDSG a.F. geregelt. Auch im aktuellen BDSG ist der Beschäftigtendatenschutz dergestalt geregelt, dass eine Norm die Besonderheiten des Beschäftigtendatenschutzes behandelt. Zeitweise wurde in der Literatur auch die Beibehaltung von § 32 BDSG a.F. unter Geltung der DSGVO im Rahmen der Öffnungsklausel des Art. 88 DSGVO diskutiert, wobei sich die Frage stellte, ob § 32 BDSG a.F. die Voraussetzungen einer spezifischen Klausel im Sinne von Art. 88 DSGVO erfüllen würde, oder nur eine Generalklausel und daher keine spezifischere Vorschrift sei.2026 Dieser Streit setzt sich unter Geltung des nahezu wortgleichen § 26 BDSG fort und dementsprechend wird auch bei § 26 BDSG angenommen, dass er die Voraussetzungen einer spezifischen Regelung nicht erfülle.2027 Tatsächlich hat § 26 BDSG den Charakter einer Generalklausel und ein eigenes ausdifferenziertes Beschäftigtendatenschutzgesetz wäre wünschenswert gewesen. Der Gesetzgeber hat sich letztendlich für die Fassung des § 26 BDSG entschieden, der in weiten Teilen an § 32 BDSG a.F. angelehnt ist.2028 Nach § 26 VII BDSG finden die Regelungen des § 26 BDSG auch dann Anwendung, wenn es sich um eine nichtautomatisierte
2022
Kühling, NJW 2017, 1985 (1987). Gola, BB 2017, 1462 (1463). 2024 Gola, BB 2017, 1462 (1464), der § 80 II 2 HS 2 BetrVG und § 99 I 1 BetrVG als Beispiele für vorrangige Normen nennt. 2025 Gola, BB 2017, 1462 (1465). 2026 Für die Möglichkeit der Beibehaltung Franzen, EuZA 2017, 313 (350); gegen die Erfüllung der Voraussetzung einer spezifischen Vorschrift Maschmann, in: Kühling/Buchner, Art. 88 DSGVO, Rn. 63. 2027 Maschmann, in: Kühling/Buchner, Art. 88 DSGVO, Rn. 62 f. 2028 Es verblieb aber nicht bei einer bloßen Wiederholung von § 32 BDSG a.F., siehe Gräber/Nolden, in: Paal/Pauly, § 26 BDSG, Rn. 3 2023
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
319
Datenverarbeitung handelt, sodass letztendlich die Regelung des § 32 II BDSG a.F. aufrechterhalten wird.2029 a) Adressat der Regelung und persönlicher Geltungsbereich § 26 BDSG ist nicht nur an den Arbeitgeber adressiert, sondern an den Verantwortlichen gemäß Art. 4 Nr. 7 HS 1 DSGVO. Dies liegt darin begründet, dass § 26 BDSG den Beschäftigtendatenschutz zum Zweck hat.2030 Gerade am Beispiel des Hinweisgebersystems zeigt sich, dass die Beschäftigtendaten nicht nur zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber fließen. Entscheidet sich der Arbeitgeber zur Implementierung eines Hinweisgebersystems, setzt er dabei zum Betrieb des Hinweisgebersystems häufig einen Dritten ein. Wenn er diesem Weisungen bezüglich des Zweckes und der Mittel und der technisch-organisatorischen Maßnahmen erteilt, wird es sich um eine Auftragsverarbeitung handeln und der Arbeitgeber ist Verantwortlicher. Trifft er keine solchen Weisungen oder sind diese nicht dezidiert genug, wird von zwei verantwortlichen Stellen ausgegangen werden. § 26 BDSG sollte dann aber, um seinem Zweck des Beschäftigtendatenschutzes zu genügen, auf beide Fälle anwendbar sein. Dann ist zunächst für die Verarbeitung der eingegangenen Hinweisgebermeldung die externe Stelle der Verantwortliche. Er kann sich auf § 26 BDSG stützen. Zwar besteht zwischen externer Stelle und Beschäftigten kein Beschäftigungsverhältnis. Allerdings kann § 26 BDSG auch auf externe Stellen, die verantwortlich sind, Anwendung finden, wenn der enge Bezug zum Beschäftigtenverhältnis wie im Beispiel der externen Stelle im Hinweisgebersystem des Arbeitgebers besteht.2031 Für die Annahme, dass nicht nur der Arbeitgeber Verantwortlicher im Sinne von § 26 BDSG sein kann, spricht, dass dies die Realität der Verarbeitung von Beschäftigtendaten besser erfasst. Beschäftigtendaten werden nicht ausschließlich im Verhältnis Arbeitnehmer Arbeitgeber verarbeitet, insbesondere weil viele Arbeitgeber diese Datenverarbeitungen aus Kapazitätsgründen nicht selbst durchführen können oder wollen und externe Dienstleister dafür engagieren. Aus Sicht des Beschäftigten ist es aber irrelevant, wer die Daten verarbeitet, wenn weiterhin ein enger Kontext zum Beschäftigungsverhältnis besteht. Entscheidend ist für ihn allein, dass ein gleichwertiger Schutz besteht. Aus dem Wortlaut allein lässt sich diese Erkenntnis nicht ableiten, da der Verantwortliche nur in § 26 V BDSG erwähnt wird. Der Wortlaut steht dieser Auslegung jedoch auch nicht entgegen. Der Hinweisgeber selbst kann ebenfalls Verantwortlicher sein, wenn er externes
2029
Ströbel/Böhm/Breunig/Wybitul, CCZ 2018, 14 (17), die darauf hinweisen, dass die Regelung auch Relevanz bei Compliance-Systemen entfalten kann, wenn im Rahmen von Untersuchungen und internen Ermittlungen Befragungen und Beobachtungen von Betroffenen stattfinden. 2030 BT-Drs. 18/11325, S. 96 f. 2031 Für eine Anwendbarkeit von § 32 BDSG a.F. auf Ombudsleute, siehe Wybitul, ZD 2011, 118 (121). Der Streit, ob § 32 BDSG a.F. oder § 28 BDSG bei Hinweisgebersystemen, die mit Einbindung externer Dritter betrieben wurden, bestand schon unter Geltung des BDSG a.F., siehe hierzu ausführlich Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 280, Rn. 171 ff. Da § 32 BDSG a.F. nahezu wortgleich in § 26 BDSG übernommen wurde, spricht dies dafür, dass auch hier der Streit zugunsten einer Anwendbarkeit von § 26 BDSG in den genannten Fällen gelöst werden kann.
320
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Whistleblowing betreibt.2032 Er kann sich dabei jedoch nicht auf § 26 BDSG berufen, da ein vergleichbarer enger Bezug zum Beschäftigungsverhältnis fehlt. Die Frage, wer Verantwortlicher ist, führt auch an anderer Stelle zu Diskussionen. Stark umstritten ist allgemein, ob Betriebsräte Verantwortliche im Sinne der DSGVO sind.2033 Letztendlich richtet sich dies danach, ob man Betriebsräte als Teile des Unternehmens ansieht, oder aber davon ausgeht, dass sie selbst über Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung entscheidet und daher verantwortlich sein muss. Der persönliche Geltungsbereich ist in § 26 VIII BDSG zu finden. Demnach sind unter anderem Arbeitnehmer
im
arbeitsrechtlichen
Sinn,
§ 26 VIII 1 Nr. 1 BDSG
sowie
Beamte
erfasst,
§ 26 VIII 1 Nr. 7 BDSG. b) Sachlicher Geltungsbereich Der sachliche Geltungsbereich erstreckt sich neben der automatisierten Datenverarbeitung gemäß § 26 VII BDSG auch auf die Verarbeitung von Beschäftigtendaten, ohne dass diese in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. § 26 VII BDSG erweitert daher den sachlichen Geltungsbereich gegenüber der DSGVO.2034 c) Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, § 26 I 1 BDSG In § 26 I BDSG sind Erlaubnistatbestände für die Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext aufgeführt. § 26 I 1 BDSG erlaubt die Datenverarbeitung für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Je nachdem, wie eng oder weit man die Zweckbestimmungen der Vorschrift fasst, ist ein Rückgriff auf Art. 6 I 1 lit. f DSGVO notwendig oder nicht.2035 Ein Rückgriff auf Art. 6 I 1 lit. c beziehungsweise lit. f DSGVO kommt aber nur dann in Betracht, wenn die Datenverarbeitungen und -übermittlungen nicht im Beschäftigungskontext stehen.2036 Über das Merkmal der Erforderlichkeit ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der die Grundrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz in Ausgleich zu bringen sind.2037 Kritisiert
2032
Siehe hierzu das Kapitel Externes Whistleblowing und Verantwortlichkeit, S. 282. Bejahend LfDI BW 34. Tätigkeitsbericht 2018, S. 37; LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.12.2018 - 4 TaBV 19/17, NZA-RR 2019, 256 (259). Dagegen beispielsweise Maschmann, in: Kühling/Buchner, § 26 BDSG, Rn. 16, der den Betriebsrat als Teil des Unternehmens ansieht. 2034 Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 71. 2035 Gola, BB 2017, 1462 (1464). 2036 Ströbel/Böhm/Breunig/Wybitul, CCZ 2018, 14 (20); Däubler, Gläserne Belegschaften, S 153f., Rn. 185, S. 187, Rn 255. Unter Geltung des BDSG a.F. gab es einen ähnlichen Streit darüber, ob trotz Geltung des § 32 BDSG a.F. § 28 BDSG a.F. in Beschäftigungskontexten anwendbar sei. Der Anwendungsbereich des § 28 I 1 Nr. 2 BDSG a.F. wurde von der herrschenden Meinung nicht für die Fälle eröffnet angesehen, in denen der Zweck des Beschäftigungsverhältnisses betroffen gewesen ist, sondern nur für andere Zwecke, die im Verhältnis Arbeitgeber Arbeitnehmer relevant sein konnten, siehe Erfurth, NJOZ 2009, 2914 (2922); Dendorfer-Ditges, in: Moll, § 35, Rn 244; Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme, S. 149. In einer aktuellen Entscheidung verneint das BAG eine Sperrwirkung des § 32 BDSG a.F. gegenüber § 28 BDSG a.F., siehe BAG, Urteil vom 29.6.2017, NZA 2017, 1179 (1181). 2037 BT-Drs. 18/11325, S. 97. 2033
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
321
wird an der Verwendung des Merkmals Erforderlichkeit, dass unter der Erforderlichkeit i.S.v. § 32 I BDSG a.F.
nur die
Geeignetheit und das
mildeste Mittel als erste
Stufen
der
Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Anwendung zu bringen gewesen seien. Eine Interessenabwägung im Sinne einer Angemessenheitsprüfung habe gerade nicht stattgefunden, weil eine solche als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips keine Anwendung auf nicht-öffentliche Verantwortliche finden könne.2038 Bezugspunkt für die Erforderlichkeitsprüfung müsse fortan die DSGVO sein, insofern sei die Gesetzesbegründung problematisch, die auf § 32 I BDSG a.F. rekurriere.2039 d) Erlaubnistatbestand in § 26 I 1 BDSG Mit § 26 I BDSG, der besagt, dass die Verarbeitung auch zulässig ist, wenn dies zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz, aus Tarifvertrag oder einer Kollektivvereinbarung ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretungen der Beschäftigten erforderlich ist, wurde ein neuer Erlaubnistatbestand eingeführt.2040 Als zentraler Beurteilungsmaßstab für die Verarbeitung von Beschäftigtendaten durch den Arbeitgeber in einem Hinweisgebersystem müsse § 26 I 1 BDSG herangezogen werden.2041 Demnach dürfe eine Erhebung und Verarbeitung nur erfolgen, wenn dies für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sei. Die Meldungen in Hinweisgebersystemen an den Arbeitgeber, die diesen davon in Kenntnis setzen, dass Beschäftigte gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen haben, können grundsätzlich als Verarbeitung personenbezogener Daten auf § 26 I 1 BDSG gestützt werden.2042 Die Interessenabwägung muss aber ergeben, dass keine überwiegenden Interessen der betroffenen Personen bestehen und keine anderweitige Aufdeckung möglich ist. Hierbei wird deutlich, dass die Regelung des § 26 I 1 BDSG alleine nicht ausreicht, um die Datenverarbeitung beim Whistleblowing hinreichend zu regeln. Interessenabwägungen, die der Verantwortliche im Vorfeld der Verarbeitung durchzuführen hat, können von Abwägenden zu Abwägenden unterschiedlich ausfallen und auch die Aufsichtsbehörden können zu einem anderen Ergebnis kommen. Eine gesetzliche Regelung kann den Verantwortlichen von dieser Abwägungsbürde befreien, indem sie ihm Kriterien zur Hand gibt, denen eine Interessenabwägung zugrunde liegt. Bei internen Hinweisgebersystemen kann davon ausgegangen werden, dass das Aufklärungsinteresse bei Hinweisen, die tatsächlich zutreffen, regelmäßig die Interessen der von dem Hinweis betroffenen Personen überwiegen. Auch bei Hinweisen, die letztendlich nicht zutreffen, die aber nicht vorsätzlich oder leichtfertig falsch getroffen werden, müssen die Interessen der betroffenen Personen hinter dem Aufklärungsinteresse und damit dem Interesse an der Verarbeitung zurücktreten.
2038
Düwell/Brink, NZA 2017, 1081 (1084). Düwell/Brink, NZA 2017, 1081 (1084). Für die Vornahme einer vollständige Verhältnismäßigkeitsprüfung Forst, in: Auernhammer, § 26 BDSG, Rn. 63 f 2040 Gola, BB 2017, 1462 (1464). 2041 Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 158. 2042 Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 158. 2039
322
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz e) Aufdeckung von Straftaten, § 26 I 2 BDSG
Nach § 26 I 2 BDSG dürfen personenbezogene Daten zur Aufdeckung von Straftaten nur dann verarbeitet werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Verarbeitung zur Aufdeckung notwendig ist und das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. Sich an den Hinweis anschließende Datenverarbeitungen können jedenfalls auf § 26 I 2 BDSG gestützt werden, sofern es sich um Straftaten handelt. Sind tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat gegeben, kann § 26 I 2 BDSG zur Anwendung kommen. Generell gilt, dass die Interessen der Betroffenen umso stärker zurücktreten müssen, je intensiver der Verdacht ist.2043 Für Hinweisgebersysteme lässt sich jedoch annehmen, dass ab einem Anfangsverdacht im Sinne des § 152 II StPO die Interessen der betroffenen Personen regelmäßig hinter dem Aufklärungsinteresse zurücktreten.2044 Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, dass Straftaten aufgeklärt werden und diesem Interesse muss er ab dieser Schwelle nachgehen können, also wenn der Verdacht sich auf Tatsachen stützen lässt.2045 Dementsprechend überwiegt sein Interesse nicht, wenn nur vage Anschuldigungen durch den Hinweisgeber getätigt wurden.2046 Die Datenverarbeitung muss zudem stets zur Aufdeckung der Straftat geeignet sein,2047 was aber bei Datenverarbeitungen in Hinweisgebersystemen regelmäßig der Fall ist. Für die Interessenabwägung ist auch zu beachten, dass die Aufklärung von Straftaten nicht zwingend
gleichzusetzen
ist
mit
einer
besonders
starken
Grundrechtsbeeinträchtigung.2048
Ausschlaggebend für die Schwere der Beeinträchtigung sind vielmehr die eingesetzten Kontroll- und Überwachungsmittel und die Daten, die dabei erhoben werden.2049 Allerdings lässt sich annehmen, dass bei besonders schwerwiegenden Straftaten auch die Reputation der Betroffenen stärker beschädigt werden kann, als dies bei Vertragsverletzungen oder Ordnungswidrigkeiten der Fall wäre.2050 Den Interessen der Betroffenen ist Rechnung zu tragen, indem die Vertraulichkeit ihrer Identität in Hinweisgebersystemen gesichert wird und Zugriffsrechte auf das System streng gehandhabt werden. Schon unter Geltung von § 32 I 2 BDSG a.F. bestand der Streitpunkt, ob sonstige Verfehlungen von der Norm erfasst würden. Bislang bejahte die höchstrichterliche Rechtsprechung die Anwendbarkeit des
2043
Maschmann, in: Kühling/Buchner, § 26 BDSG, Rn. 61. Zum hierfür notwendigen Verdachtsgrad enthält § 26 BDSG keine Ausführungen, es sei jedoch davon auszugehen, dass ein Anfangsverdacht im Sinne von § 152 II StPO genüge, siehe Forst, in: Auernhammer, § 26 BDSG, Rn. 71; so auch Maschmann, in: Kühling/Buchner, § 26 BDSG, Rn. 59. 2045 Vgl. Maschmann, in: Kühling/Buchner, § 26 BDSG, Rn. 59. 2046 Maschmann, in: Kühling/Buchner, § 26 BDSG, Rn. 59. 2047 Maschmann, in: Kühling/Buchner, § 26 BDSG, Rn. 61. 2048 Schemmel/Ruhmannseder/Witzi gmann, Hinweisgebersysteme, S. 256, Rn. 78 m.w.N. 2049 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 256, Rn. 78. Umstritten ist, ob unter Geltung von § 26 I 2 BDSG, wie schon unter der Rechtsprechung zu § 32 I 2 BDSG a.F., angenommen werden kann, dass nur Aufklärungsmaßnahmen, die von der Intensität mit denen einer verdeckten Videoüberwachung vergleichbar seien, erfasst seien. Für eine Fortführung der Voraussetzung Forst, in: Auernhammer, § 26 BDSG, Rn. 67, dagegen Gola, in: Gola/Heckmann, § 26 BDSG, Rn. 124. 2050 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, S. 256, Rn. 78. 2044
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
323
§ 32 I 2 BDSG a.F. bei sonstigen Verfehlungen.2051 Allerdings differiert die Rechtsprechung des LAG Baden-Württemberg hiervon.2052 Unter der Geltung des § 26 BDSG könnte man annehmen, dass sich nicht mehr aufrechterhalten lässt, dass auch schwere, jedoch nicht strafrechtlich relevante Verfehlungen erfasst sind. Der Wortlaut spricht weiterhin nur von der Aufdeckung von Straftaten. Bei der Entstehung der Norm trat der Bundesrat für eine Klarstellung ein, die letztendlich jedoch unterblieb. Daraus lässt sich nach einer Ansicht jedoch nicht ableiten, dass nun schwere Verfehlungen nicht mehr erfasst sein sollen, weil der Gesetzgeber zum einen § 32 I 2 BDSG a.F. inhaltlich habe beibehalten wollen und zum anderen der Gesetzgeber gerade hätte tätig werden müssen, um die Anwendung auf diese Fälle auszuschließen.2053 Zudem würde man es dem Arbeitgeber als juristischem Laien anlasten, zu beurteilen, ob eine Verfehlung die Grenze zur Strafbarkeit überschreitet, sodass eine Datenverarbeitung dementsprechend entweder zulässig oder unzulässig sei.2054 Gewichtig ist das Argument, der Wortlaut würde eben gerade, trotz Änderungsvorschlägen, keine Hinweise darauf geben, dass Verfehlungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze erfasst sein sollen. Mithin sollten Verfehlungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze als nicht von § 26 I 2 BDSG, sondern von § 26 I 1 BDSG erfasst angesehen werden.2055 Somit wäre dann die Verarbeitung nach entsprechender Abwägung auch bei Verfehlungen unterhalb
der
Strafbarkeitsgrenze
möglich.
Keinesfalls
kann
jedenfalls
ein
pauschales
Verarbeitungsverbot angenommen werden, wie dies in der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg geschah.2056 Dagegen spricht auch die Rechtsprechung des EuGH, der für die DSRL bereits feststellte, dass den Mitgliedsstaaten die Kompetenz fehle, Verarbeitungen komplett zu verbieten.2057 Als Voraussetzung wird von der Rechtsprechung und Teilen der Literatur angenommen, dass ein einfacher Anfangsverdacht ausreiche.2058 Auch präventives Vorgehen ist nicht von § 26 I 2 BDSG erfasst.2059 Schon unter Geltung des § 32 I 2 BDSG a.F. wurde durch den Wortlaut deutlich, dass ein solches Vorgehen nicht auf diese Norm gestützt werden konnte.2060 Auch der Wortlaut des § 26 I 2 BDSG spricht dafür, dass präventives Vorgehen nicht von der Norm erfasst wird, indem er
2051
Gräber/Nolden, in: Paal/Pauly, § 26 BDSG, Rn 22 unter Verweis auf die Rechtsprechung des BAG vom 22.9.16 - 2 AZR 848/15, NZA 2017, 112 (114f.). LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.7.2016 – 4 Sa 61/15, ZD 2017, 88; siehe hierzu auch Gräber/Nolden, in: Paal/Pauly, § 26 BDSG, Rn. 22; Wybitul, NZA 2017, 413 (416); Ströbel/Böhm/Breunig/Wybitul, CCZ 2018, 14 (17). 2053 Gräber/Nolden, in: Paal/Pauly, § 26 BDSG, Rn. 23. Zum Willen des Gesetzgebers, § 32 BDSG fortzuführen BT-Drs. 18/11325, S. 97. 2054 BR Drs. 110/1/17, S. 31. 2055 Wybitul, NZA 2017, 413 (416); Rudkowski/Schreiber, Aufklärung Compliance, S. 80; siehe hierzu auch Dzida/Grau, NZA 2017, 1515 (1517). 2056 Dem LAG Baden-Württemberg zustimmend und daher keine Gestattung für die Verarbeitung untergesetzlicher Regelverstöße annehmend Düwell/Brink, NZA 2017, 1081 (1084). 2057 So Wybitul, NZA 2017. 413 (416) unter Verweis auf die Entscheidung des EuGH, Urteil vom 19.10.2016, NJW 2016, 3579 (3582), ECLI: EU: C: 2006: 779, (Breyer/Deutschland). 2058 BAG, Urteil vom 20.10.2016, NJW 2017, 1193 (1195); Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn 162; Dzida/Grau, NZA 2017, 1515 (1518); Düwell/Brink, NZA 2017, 1081 (1084). 2059 Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 161, der beispielhaft Massenscreenings von Beschäftigtendaten nennt. 2060 Joussen, NZA 2010, 254 (258); Kort, RdA 2018, 24 (26). 2052
324
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
davon spricht davon, dass die betroffene Person die Straftat begangen hat. Präventives Vorgehen kann auf § 26 I 1 BDSG gestützt werden, wenn man annimmt, dass dieses zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.2061 f) Reichweite von § 26 I BDSG Weder auf § 26 I 1 noch auf § 26 I 2 BDSG lässt sich die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Rahmen von Hinweisgebermeldungen stützen, die personenbezogene Daten von Dritten enthalten. Regelmäßig werden in Meldungen sowohl personenbezogene Daten von Beschäftigten als auch von Dritten enthalten sein. § 26 BDSG kann aber nur die Verarbeitung von Beschäftigtendaten abdecken. Für die übrigen Daten bedarf es eines Rückgriffs auf die Rechtsgrundlagen, die in Art. 6 DSGVO genannt sind.2062 Damit kommen vornehmlich Art. 6 I 1 lit. a und lit. f DSGVO zur Anwendung. g) Freiwilligkeit der Einwilligung § 26 II 1 BDSG trifft Aussagen zur Freiwilligkeit der Einwilligung. Demnach müssen insbesondere die im Beschäftigungsverhältnis bestehende Abhängigkeit, sowie die Umstände, unter denen die Einwilligung erteilt worden ist, berücksichtigt werden. Nach § 26 II 2 BDSG soll Freiwilligkeit insbesondere dann gegeben sein, wenn für die Beschäftigten ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil erreicht wird oder Arbeitgeber und Beschäftigte gleichgelagerte Interessen verfolgen. § 26 II BDSG erhellt die Vorgaben aus Art. 7 DSGVO.2063 Die Voraussetzungen für die freiwillige Einwilligung wurden durch den nationalen Gesetzgeber hoch angesetzt.
Von
einem
absoluten
Ausschluss
der
Freiwilligkeit
der
Einwilligung
im
Beschäftigungsverhältnis ist demnach zwar nicht auszugehen.2064 Andernfalls müsste keine Berücksichtigung der in § 26 II BDSG genannten Faktoren für die Beurteilung der Freiwilligkeit erfolgen.2065 Allerdings wird die Einwilligung den höheren Voraussetzungen genügen müssen und ist zudem aus den genannten Gründen der Widerruflichkeit und der Beurteilung im Einzelfall nicht tauglich, um die Datenverarbeitung im Hinweisgebersystem zu legitimieren.2066 h) Besondere Kategorien personenbezogener Daten, § 26 III BDSG Bei Hinweisgebersystemen sollte darauf verzichtet werden, sensible personenbezogene Daten zu verarbeiten und in der Regel werden in der Praxis auch keine sensiblen personenbezogenen Daten verarbeitet werden. Allenfalls ihrem Inhalt nach kann eine Meldung diese sensiblen personenbezogenen Daten enthalten. Besondere Kategorien personenbezogener Daten werden von § 26 III BDSG adressiert. Zu den bereits unter dem BDSG a.F. anerkannten besonderen personenbezogenen Daten sind die genetischen
2061
(Art. 4 Nr. 13 DSGVO)
und
die
biometrischen
Daten
(Art. 4 Nr. 14 DSGVO)
Gola, BB 2017, 1462 (1467). Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nach der DSGVO, S. 283ff. Gola, BB 2017, 1462 (1468); Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 217. 2064 Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 215. 2065 Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 135, Rn. 154. 2066 Siehe hierzu das Kapitel Einwilligung, Art. 6 I S. 1 lit. a DSGVO, S. 283 ff. 2062 2063
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
325
hinzugekommen.2067 Die Verarbeitung dieser Daten steht unter einem Verbotsprinzip nach Art. 9 I DSGVO, das neben Art. 6 DSGVO tritt. Art. 9 II DSGVO enthält Erlaubnistatbestände, nach denen eine Verarbeitung doch möglich ist. Die Zulässigkeit beurteilt sich dann nach den Erlaubnistatbeständen des Art. 6 I DSGVO oder aber, sofern er Anwendung findet, § 26 BDSG.2068 Im Beschäftigtenkontext findet § 26 III BDSG Anwendung. § 26 III 1 BDSG bestimmt, dass die Verarbeitung der sensiblen Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses u.a. zulässig ist, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht erforderlich ist und nicht anzunehmen ist, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Personen an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. Nach § 26 III 3 BDSG findet § 22 II BDSG Anwendung, der beispielhaft Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Personen bei der Verarbeitung sensitiver Daten im Allgemeinen auflistet.2069 Sollte es im Rahmen von Internal Investigations oder der Verarbeitung im Hinweisgebersystem zu einer Verarbeitung von sensiblen Daten kommen, muss der Verantwortliche Maßnahmen nach § 22 BDSG ergreifen.2070 i)
Maßnahmen nach § 26 V BDSG
§ 26 V BDSG weist darauf hin, dass der Arbeitgeber zu geeigneten Maßnahmen für die Sicherstellung insbesondere der Grundsätze nach Art. 5 DSGVO zu sorgen hat. § 26 V BDSG ist als reine Klarstellung zu sehen, die Verpflichtung folgt aus Art. 5 DSGVO selbst.2071 Nur für den Bereich der nicht automatisierten Verarbeitung weitet § 26 V BDSG die Grundsätze des Art. 5 DSGVO auf diese Verarbeitung aus.2072 j)
Kollektivvereinbarungen als Grundlage der Datenverarbeitung und Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen, § 26 IV, VI BDSG
Gemäß § 26 IV BDSG ist es möglich, als Grundlage für die Datenverarbeitung Kollektivvereinbarungen zu verwenden. § 26 VI BDSG stellt klar, dass die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen unberührt bleiben. Bei Hinweisgebersystemen können die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 I Nr. 1 und Nr. 6 BetrVG relevant sein. Diese finden, wie § 26 VI BDSG klarstellt, auch weiterhin Anwendung. Hingegen müssen Datenverarbeitungen, die aufgrund von Informations- und Beteiligungsrechten des Betriebsrates durchgeführt werden, die Anforderungen aus Art. 6 III DSGVO und § 26 I 1 BDSG erfüllen.2073
2067
Sensible Daten sind nach Art. 9 I DSGVO personenbezogene Daten, aus denen die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen, die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person. 2068 Gola, BB 2017, 1462 (1468). 2069 Gola, BB 2017, 1462 (1468). 2070 Ströbel/Böhm/Breunig/Wybitul, CCZ 2018, 14 (16). 2071 Wybitul, NZA 2017, 413 (418); Riesenhuber, in: BeckOK Datenschutzrecht, § 26 BDSG, Rn. 58. 2072 Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 225. 2073 Wybitul, NZA 2017, 413 (418).
326
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz k) Fazit zur Regelung des § 26 BDSG
Kritisiert wurde an der Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes zum einen, dass das Potential der Öffnungsklauseln nicht ausgeschöpft wurde. So wären beispielsweise Regeln möglich gewesen, die im Grundsatz vorsehen, dass in den Systemen der Arbeitgeber nur anonymisierte beziehungsweise pseudonymisierte Daten verarbeitet werden und die Daten mit Personenbezug bei der betroffenen Person verbleiben.2074 Schon unter der Geltung von § 32 BDSG a.F. bestand die Problematik, dass diverse Verwendungen von Beschäftigtendaten im Unternehmen von der Regelung gar nicht bedacht wurden.2075 Auch § 26 BDSG bildet nur eine fragmentarische, unspezifische Regelung des Beschäftigtendatenschutzes.
Für
den
rechtskonformen
Betrieb,
beispielsweise
von
Hinweisgebersystemen, wären spezifischere Regelungen wünschenswert gewesen. Mit der Neufassung des Beschäftigtendatenschutz in § 26 BDSG wurden ein Aufgreifen dieser Kritik und eine Schaffung von spezifischeren Regelungen verpasst. Da § 26 BDSG sich nur auf Beschäftigtendaten erstreckt, kann es dazu kommen, dass ein Arbeitgeber, der Hinweisgebersysteme in seinem Unternehmen betreibt, neben § 26 BDSG noch weitere Rechtsgrundlagen zur Verarbeitung von Daten in Hinweisgeber Meldungen heranziehen muss. Hinweisgebermeldungen können neben Beschäftigtendaten auch weitere personenbezogene Daten von Dritten enthalten. Die Verarbeitung dieser Daten wäre dann auf die allgemeinen Rechtsgrundlagen nach Art. 6 DSGVO zu stützen. Rechte der betroffenen Personen Den Mitgliedsstaaten ist es gemäß Art. 23 DSGVO erlaubt, weitere Beschränkungsmöglichkeiten für die Rechte und Pflichten nach Art. 12 ff. DSGVO vorzusehen. a) Informationspflicht bei Erhebung bei der betroffenen Person, § 32 BDSG In Bezug auf die Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO wurde von der Öffnungsklausel in Art. 23 DSGVO Gebrauch gemacht. In den §§ 32-37 BDSG finden sich einzelne Beschränkungen der Betroffenenrechte wieder.2076 So ist in § 32 I Nr. 1 BDSG eine Beschränkung für den Fall der Weiterverarbeitung zu einem anderen Zweck nach Art. 13 III DSGVO enthalten. § 32 I Nr. 2 BDSG sieht eine Einschränkung vor für den Fall, dass bei öffentlichen Stellen die ordnungsgemäße Erfüllung einer in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden Aufgabe gefährdet werden würde, wobei eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. Auch § 32 I Nr. 3 BDSG sieht eine Interessenabwägung vor, für den Fall, dass durch die Information die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet werden würde, oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereitet werden würden. Ebenso muss nach § 32 I Nr. 4 BDSG eine Interessenabwägung vorgenommen werden, wenn die Informationspflicht entfallen soll, weil sie die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche
2074
So der Vorschlag von Roßnagel, DuD 2017. 290 (294). Schuler/Weichert, Gutachten EU-DSGVO und Beschäftigtendatenschutz, S. 8. 2076 Greve, NVwZ 2017, 737 (739). 2075
C. Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern
327
beeinträchtigen würde. Schließlich besteht eine Ausnahme von der Informationspflicht nach § 32 I Nr. 5 BDSG, wenn andernfalls die vertrauliche Übermittlung von Daten an öffentliche Stellen gefährdet werden würde. In dieser Vorschrift kann eine Regelung zum Whistleblowerschutz gesehen werden.2077
Die
Gesetzesbegründung
spricht
beispielhaft
von
dem
Fall,
dass
eine
Strafverfolgungsbehörde über den Verdacht einer Straftat informiert werden soll.2078 Bei der Regelung handelt es sich um keine umfassende Whistleblower-Schutzregelung. Sie ist begrenzt auf Fälle, an denen durch Private Daten an öffentliche Stellen übermittelt werden. b) Informationspflicht bei Erhebung nicht bei der betroffenen Person, § 33 BDSG Nach § 33 BDSG werden die Informationspflichten nach Art. 14 I¸ II und IV DSGVO eingeschränkt. § 33 I Nr. 2 lit. a BDSG enthält eine Einschränkung der Informationspflicht für den Fall, dass die Erteilung der Information die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche beeinträchtigten würde, oder die Verarbeitung Daten aus zivilrechtlichen Verträgen beinhaltet und der Verhütung von Schäden durch Straftaten dient. Hier ist eine Interessenabwägung mit dem Informationsinteresse der betroffenen Personen vorzunehmen. § 33 I Nr. 2 lit. a BDSG entspricht dem Grunde nach § 33 II 1 Nr. 7 lit b BDSG a.F.2079 Bezweckt ist das Entfallen der Informationspflicht bei Betrugspräventionsdateien.2080 Zum Teil wird angenommen, dass die Vorschrift europarechtswidrig sei, da die Öffnungsklausel des Art. 23 I lit. d DSGVO nicht für nicht-öffentliche Stellen Anwendung finden könne und kein schützenswertes öffentliches Interesse gemäß Art. 23 I lit. e DSGVO vorliege, das einen Entzug der Eigenkontrolle durch Berichtigung und Löschung legitimieren würde.2081 Andere nehmen die Möglichkeit einer restriktiven, unionsrechtskonformen Auslegung der Vorschrift an.2082 Zweckänderung gemäß § 24 BDSG Die Vorschrift des § 24 I BDSG ermöglicht es nicht-öffentlichen Stellen, Daten zu anderen Zwecken, als zu denjenigen, zu denen sie erhoben wurden, zu verarbeiten, wenn dies gemäß § 24 I Nr. 1 BDSG zur Abwehr von Gefahren für die staatliche oder öffentliche Sicherheit oder für die Verfolgung von Straftaten, oder nach § 24 I Nr. 2 BDSG für die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche erforderlich ist. Durch § 24 BDSG ist eine Verarbeitung zu den genannten Zwecken, auch wenn diese Zwecke nicht mit den ursprünglichen Zwecken übereinstimmen, ermöglicht, wodurch auch die dem Whistleblowing nachfolgende Datenverarbeitung, beispielsweise durch Übermittlung der Daten an Strafverfolgungsbehörden datenschutzrechtlich begünstigt wird.2083 Beschränkt ist die Vorschrift des § 24 I Nr. 1 BDSG aber auf die Bereiche der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung. Betreffen also die Meldungen Missstände, die kein strafrechtlich relevantes Geschehen
2077
Greve, NVwZ 2017, 737 (740); Hennemann, in: Paal/Pauly, § 32 BDSG, Rn. 23. BT-Drs. 18/11325, S. 103. BT-Drs. 18/11325, S. 103. 2080 BT-Drs. 18/12144, S. 5. 2081 Franck, in: Gola/Heckmann, § 33 BDSG, Rn. 9. 2082 Golla, in: Kühling/Buchner, § 33 BDSG, Rn. 9. 2083 So auch Frenzel, in: Paal/Pauly, § 24 BDSG, Rn. 5; DSK, Orientierungshilfe Whistleblowing-Hotlines, S. 11. 2078 2079
328
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
zum Gegenstand haben und auch nicht für die staatliche oder öffentliche Sicherheit von Bedeutung sind, greift
§ 24 I Nr. 1 BDSG
nicht.2084
§ 24 I Nr. 2 BDSG
betrifft
nicht
nur
die
gerichtliche
Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche, sondern umfasst auch außergerichtliche Verfahren.2085 Daher kann § 24 I Nr. 2 BDSG für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen relevant sein. Datenschutzbeauftragter, § 38 BDSG Über die Öffnungsklausel des Art. 37 IV DSGVO wurde § 38 BDSG eingeführt. Dieser knüpft in § 38 I 1 BDSG, in Abkehr von Art. 37 DSGVO, wieder an die Beschäftigtenzahl an. Die Mindestzahl an Beschäftigten, die sich ständig mit der automatisierten Verarbeitung von personenbezogenen Daten beschäftigten müssen, beträgt 20 Personen. Nach § 38 I 2 BDSG besteht eine Pflicht zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten unabhängig von der Beschäftigtenzahl für die dort genannten spezifischen
Verarbeitungssituationen.
Grund
hierfür
ist,
dass
für
diese
spezifischen
Verarbeitungssituationen vom Gesetzgeber ein besonderes Gefahrpotential angenommen wurde.2086
III.
Fazit
Leider hat es der nationale Gesetzgeber versäumt, die Möglichkeit zu ergreifen, über Art. 88 DSGVO den Datenschutz für Beschäftigtendaten beim Whistleblowing zu regeln.2087 Eine rechtlich normierte Standardisierung des Whistleblowings, bei der die (Un-) Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten beim Whistleblowing festgelegt wird, ist unterblieben.2088 Daher bleibt es, wie schon unter Geltung des BDSG a.F. dabei, dass die datenschutzrechtliche Seite des Whistleblowings durch Interessenabwägungen im Einzelfall geregelt wird, was zu einem gewissen Grad an Rechtsunsicherheit und Unvorhersehbarkeit führt. Ungeklärt ist auch, wie die Rechte der betroffenen Personen nach Art. 12 ff. DSGVO zu handhaben sind.
Datenschutzrecht bei Beamten Die DSGVO findet Anwendung auf die datenschutzrechtliche Verarbeitung zwischen Dienstherrn und Beamten. Insofern kann auf die Ausführungen zum Datenschutz beim Whistleblowing von Arbeitnehmern unter der DSGVO verwiesen werden.2089 Art. 88 DSGVO
ist
auch
auf
Beamtenverhältnisse
anwendbar,
da
Art. 88 DSGVO
der
Arbeitnehmerbegriff des Art. 45 AEUV zugrunde liegt, der gerade nicht zwischen Arbeitnehmern und Beamten unterscheidet.2090 Folgerichtig hat der deutsche Gesetzgeber in § 26 BDSG sowohl 2084
Siehe hierzu auch Frenzel, in: Paal/Pauly, § 24 BDSG, Rn. 5. Herbst, in: Kühling/Buchner, § 24 BDSG, Rn. 11. 2086 Pauly, in: Paal/Pauly, § 38 BDSG, Rn. 11. 2087 Zum Bestehen der Regelungsmöglichkeit Groß/Platzer, NZA 2017, 1097 (1103). 2088 Für eine solche Regelung Groß/Platzer, NZA 2017, 1097 (1104). 2089 Siehe hierzu das Kapitel Whistleblowing und Hinweisgebersysteme unter Geltung der EU-DatenschutzGrundverordnung, S. 271 ff. 2090 Seifert, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 88 DSGVO, Rn. 18. Zwar existieren in der DSGVO Öffnungsklauseln für den öffentlichen Bereich mit Art. 6 II und III DSGVO. Diese finden aber auf den Beschäftigtendatenschutz bei Beamtenverhältnissen keine Anwendung, weil dieser nicht der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, Däubler nimmt hingegen an, dass sich die bestehenden Regeln im BBG auf 2085
D. Datenschutzrecht bei Beamten
329
Arbeitnehmer als auch Beamte adressiert. § 26 VIII 1 Nr. 7 BDSG besagt, dass Beschäftigte im Sinne des Gesetzes auch Beamte sind. Insofern würde sich der Schutz personenbezogener Daten bei Arbeitnehmern nicht von dem bei Beamten unterscheiden und es könnte auf die Ausführungen zu der Datenverarbeitung bei Arbeitnehmern verwiesen werden. Damit sind bei Beamten, wie bei Arbeitnehmern auch, § 26 BDSG und im Übrigen die DSGVO die maßgeblichen Normen für den Beschäftigtendatenschutz. Letztlich unterscheiden sich die anwendbaren Normen und damit auch die Voraussetzungen aber doch, da im Beamtenverhältnis die Normen des Personalaktenrechts Anwendung finden, die dem BDSG vorgehen. Schon unter Geltung des BDSG a.F. existierten für das Datenschutzrecht bei Beamten spezielle Regeln. § 12 I BDSG a.F. besagte, dass grundsätzlich die Vorschriften des Abschnittes über die Datenverarbeitung der öffentlichen Stellen (§ 12 ff. BDSG a.F.) für die öffentlichen Stellen des Bundes galten. Öffentliche Stellen, für die der Abschnitt der §§ 12 ff. BSDG a.F. galt, waren in § 2 I BDSG legaldefiniert. Darunter waren die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlichrechtlich organisierte Einrichtungen des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet der Rechtsform zu verstehen. Allerdings existierte mit § 12 IV BDSG a.F. eine Ausnahme für den Fall, dass personenbezogene Daten für frühere, bestehende oder zukünftige Beschäftigungsverhältnisse erhoben, verarbeitet oder genutzt werden und § 28 II Nr. 2 BDSG a.F. und die §§ 32 bis 35 BDSG a.F. wurden für anwendbar erklärt. Somit konnten viele der Ausführungen zum Arbeitnehmerdatenschutz auf den öffentlichen Dienst übertragen werden. § 1 III BDSG a.F. sah allerdings vor, dass auch Sondervorschriften anwendbar seien, die diesen Regeln vorgingen. Bei Beamten waren – und sind weiterhin – solche Sondervorschriften im Personalaktenrecht kodifiziert, in § 106 ff. BBG. Über Art. 88 I DSGVO ist für die Mitgliedsstaaten ein Spielraum eröffnet, spezifischere Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz vorzusehen.2091 Das BDSG ist in zweierlei Hinsicht nachrangig. Es ist nachrangig gegenüber datenschutzrechtlichen Spezialgesetzen nach § 1 II BDSG und die DSGVO beansprucht gegenüber dem BDSG, wie § 1 V BDSG zeigt, einen Anwendungsvorrang. Die §§ 106 ff. BBG gehen somit dem BDSG vor. Damit findet bei Beamten die §§ 106 ff. BBG Anwendung, soweit es um das Personalaktenrecht geht und im Übrigen gelten § 26 BDSG und die Regeln der DSGVO. Aufgrund der Geltung der DSGVO bestand auch bezüglich des BBG Anpassungsbedarf, der durch ein zweites DS-AnpUG-EU erfüllt wurde.2092
Art. 88 I DSGVO und auf Art. 6 II DSGVO stützen lassen, siehe Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 79, Rn. 62. 2091 Däubler, Gläserne Belegschaften, S. 67, Rn. 42 e f.; S. 183, Rn. 252b. 2092 Siehe BT-Drs. 19/4674 und Bundesgesetzblatt 2019, Teil I Nr. 41.
330
I.
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
Einwilligung bei der Verarbeitung durch öffentliche Stellen
Die Einwilligung richtet sich auch im Beamtenverhältnis nach Art. 4 Nr. 11, Art. 7 DSGVO sowie hinsichtlich der Freiwilligkeit, der Schriftform und der Informationspflichten nach dem aufgrund von Art. 88 DSGVO vorrangigen § 26 II BDSG. Insofern gelten grundsätzlich die für das Arbeitsverhältnis gefundenen Ergebnisse.2093 Im Personalaktenrecht findet sich in § 106 III BBG eine Regelung zur Einwilligung, die aber nicht abschließend ist, sodass nach § 1 II 2BDSG § 26 BDSG im Übrigen Anwendung findet. § 106 III BBG betrifft den Zweckbindungsgrundsatz im Personalaktenrecht und adressiert damit lediglich den Fall, dass Personalaktendaten im Grundsatz nur für Zwecke der Personalverwaltung oder Personalwirtschaft verwendet werden dürfen, es sei denn, der Beamte hat in eine anderweitige Verarbeitung eingewilligt.2094 Für Beamte könnte als Sonderproblem hinzukommen, dass die DSGVO selbst vorgibt, dass die Einwilligung dann nicht als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten dienen können soll, wenn zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen ein „klares Ungleichgewicht“ besteht.2095 Dies soll insbesondere dann nach Erwägungsgrund 43 DSGVO der Fall sein, wenn es sich bei dem Verantwortlichen um eine Behörde handelt und es deshalb in Anbetracht aller Umstände in dem speziellen Fall unwahrscheinlich ist, dass die Einwilligung freiwillig abgegeben wurde. Erwägungsgrund 43 DSGVO adressiert aber gerade nicht speziell den Fall, dass es um eine Datenverarbeitung von Daten eines Beamten, der bei der Behörde beschäftigt ist, handelt. Der Beamte im europarechtlichen Sinn ist ein Beschäftigter, wie der Arbeitnehmer auch. Im Beschäftigtenverhältnis wird die Freiwilligkeit der Einwilligung, wie bereits ausgeführt, zwar bezweifelt, im Ergebnis von der überwiegenden Meinung aber dennoch nicht ausgeschlossen.2096 Erwägungsgrund 43 DSGVO thematisiert dagegen allgemein das Ungleichgewicht zwischen Behörden und den betroffenen Personen, das die Freiwilligkeit der Einwilligung beeinträchtigt. Im Ergebnis bleibt es deshalb bei der Anwendung von § 26 BDSG und ergänzend Art. 4 Nr. 11, Art. 7 DSGVO.
II.
Personalakte des Beamten, §§ 106 ff. BBG
Personalakten stellen ein wichtiges Instrument für die Personalverwaltung dar und bilden die Grundlage für personelle Entscheidungen.2097 Negative Vermerke in Personalakten sind eine Möglichkeit, einen unliebsamen Hinweisgeber zu sanktionieren. Wäre die Personalakte geheim, könnte ein Hinweisgeber nicht feststellen, ob sein Vorgesetzter negative Vermerke, die seinen beruflichen Aufstieg verhindern können, eingetragen hat. In der Personalakte sind unter anderem auch dienstliche Beurteilungen und
2093
Siehe hierzu das Kapitel Einwilligung, Art. 6 I S. 1 lit. a DSGVO, S. 283. Schwarz, in: BeckOK Beamtenrecht, § 106 BBG, Rn. 8. Erwägungsgrund 43 DSGVO. 2096 Siehe Kapitel Einwilligung, Art. 6 I S. 1 lit. a DSGVO, S. 283 und das Kapitel Freiwilligkeit der Einwilligung, S. 324. 2097 Leppek, Beamtenrecht, S. 151f., Rn. 229. 2094 2095
D. Datenschutzrecht bei Beamten
331
Informationen über strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Beamten und Disziplinarsanktionen eingetragen.2098 Für den Beamten ist es daher von größter Wichtigkeit, dass die Personalakte vertraulich behandelt wird und er Einblick nehmen kann, welche Informationen über ihn gespeichert sind. Das Personalaktenrecht sieht diverse Prinzipien und Rechte vor, die das Anlegen geheimer Personalakten verhindern. Das Personalaktenrecht in §§ 106 ff. BBG stellt ein bereichsspezifisches Datenschutzrecht dar. Zwar sind Beamte in die Regelung des § 26 BDSG einbezogen, sie sind gemäß § 26 VIII Nr. 7 BDSG Beschäftigte im Sinne des Gesetzes. Allerdings kommt der Einbezug nur dann zum Tragen, wenn nicht gemäß § 1 II 1 BDSG andere Rechtsvorschriften des Bundes über den Datenschutz diesen Gesetzen vorgehen. Damit verbleibt ein Anwendungsbereich des BDSG bei Beamten nur, sofern die §§ 106 ff. BBG nicht greifen. Dies ist in Bezug auf Akten dann der Fall, wenn die Daten der Beamten in Sachakten niedergelegt sind.2099 Zunächst ließe sich annehmen, dass wenn in Hinweisgebersystemen Informationen über einen Beamten eingehen und weiterverarbeitet werden, es sich dabei um Personalaktendaten handeln würde. Entsprechend dem materiellen Personalaktenbegriff2100 zählen nämlich zu der Personalakte alle den Beamten betreffenden Vorgänge, die in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang mit dem Beamtenverhältnis stehen und damit auch die Informationen über den Beamten, die außerhalb der in der Personalabteilung verwalteten Akte gespeichert sind. Allerdings wird eine Information, die über ein Hinweisgebersystem eingeht, nicht sofort zur Personalakte zählen und genommen werden. Zweck der Personalakte ist es, dass sie einen vollständigen Überblick über die Entwicklung des Dienstverhältnisses im Einzelnen gibt.2101 Das bedeutet aber, dass nicht jegliche Information über den Beamten oder von dem Beamten zur Personalakte zählt. Somit kann für die Erhebung personenbezogener Daten im Hinweisgebersystem der öffentlichen Verwaltung weiterhin § 26 BDSG zur Anwendung kommen. Erst wenn sich herausstellt, dass die Information zur Darstellung der Entwicklung des Dienstverhältnisses gebraucht wird, ist die Information zur Personalakte zu zählen. Dabei ist diese Datenverarbeitung dann auch zur Durchführung des Dienstverhältnisses erforderlich im Sinne von § 106 IV BBG, der ab diesem Zeitpunkt zur Anwendung kommt. Diese Annahme wird unterstützt von folgendem Beispiel: stellt sich ein Hinweis, in dem ein Beamter eines Fehlverhaltens beschuldigt ist, als falsch heraus, hat die Information in der Personalakte des beschuldigten Beamten keine Berechtigung. Solange nicht verifiziert ist, ob eine Beschuldigung zutrifft, kann diese auch nicht in die Personalakte aufzunehmen sein. Die Untersuchung eines Hinweises, für die die Verarbeitung personenbezogener Daten notwendig ist, kann dann aber mangels Zusammenhang zur Personalakte sich nicht nach §§ 106 ff. BBG richten, sondern muss unter § 26 BDSG fallen. Erst wenn verifiziert ist, ob der Hinweis zutrifft, lässt sich auch sagen, was in die Personalakte des hinweisgebenden Beamten
2098
Siehe zu diesen und weiteren Bestandteilen der Personalakte Leppek, Beamtenrecht, S. 152, Rn. 229. Gola, BB 2017, 1462 (1472). 2100 Siehe hierzu sogleich ausführlich das Kapitel Begriff der Personalakte, S. 332. 2101 Siehe hierzu auch das Kapitel Grundsatz der Vollständigkeit der Personalakte, S. 336. 2099
332
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
aufzunehmen ist. Hat er den Hinweis berechtigterweise abgegeben, kann das aufgenommen werden. Wenn nicht, sind weitere Ermittlungen anzustrengen, ob er vorsätzlich oder leichtfertig falsch gehandelt hat und dadurch unter Umständen auch beamtenrechtlich sanktioniert werden muss. Somit stellt sich das Hinweisgeben bei Beamten aus datenschutzrechtlicher Sicht so dar, dass zunächst einmal die Verarbeitung im Hinweisgebersystem nach § 26 BDSG zu beurteilen ist und sobald die Relevanz für die Personalakte festgestellt ist, § 106 BBG zur Anwendung kommt. Begriff der Personalakte Im Gegensatz zu Arbeitnehmern ist das Personalaktenrecht bei Beamten detailliert geregelt, wobei für Arbeitnehmer durch die Rechtsprechung herausgearbeitete Rechte und Definitionen übernommen beziehungsweise weiterentwickelt wurden.2102 Nach § 106 I 1 BBG ist der Dienstherr verpflichtet, für jeden Beamten eine Personalakte zu führen. Wenn man von Personalakte spricht, so ist zwischen dem formellen und dem materiellen Personalaktenbegriff zu unterscheiden. Das BVerwG vertritt in ständiger Rechtsprechung einen materiellen Personalaktenbegriff, nach dem zu einer vollständigen Personalakte alle den Beamten betreffende Vorgänge, die in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang mit dem Beamtenverhältnis stehen, gehören.2103 Dies entspricht der Formulierung des § 106 I 4 BBG. Der Begriff der formellen Personalakte meint hingegen die Akte selbst, die zumeist von der Personalabteilung beziehungsweise -verwaltung geführt wird.2104 Das BAG definierte die formelle Personalakte folgendermaßen: „Unter Personalakten im formellen Sinn sind diejenigen Schriftstücke und Unterlagen zu verstehen, welche der Arbeitgeber als „Personalakte“ führt und die diesen als Bei-, Neben- oder Sonderakten zugeordnet sind. […] Derartige Aktenbestände sind äußerlich erkennbar in Ordnern, Heften und Blattsammlungen geführt, entsprechend gekennzeichnet und nach der Art ihrer Registrierung oder Aufbewahrung als zueinander gehörend bestimmbar.“2105 Diese Begriffsauffassung teilt das BVerwG.2106 Zu unterscheiden ist die Personalakte von der Sachakte. Nicht in die Personalakte, sondern in die Sachakte gehören gemäß § 106 I 6 BBG Unterlagen, die besonderen, von der Person und dem Dienstverhältnis sachlich zu trennenden Zwecken dienen, insbesondere Prüfungs-, Sicherheits- und Kindergeldakten. Personalakten können in unterschiedlicher Form geführt werden. Sowohl in der privaten Wirtschaft als auch im öffentlichen Dienst zeichnet sich der Trend zur Abkehr von der Personalakte als Sammlung von Schriftstücken hin zu einer digitalisierten Personalakte ab.2107 Dabei kann die Akte ausschließlich
2102
Simitis, § 32 BDSG, Rn. 112. BVerwGE 50, 301 (305f.); BVerwGE 59, 355 (357); BVerwG, Beschluss vom 20.2.1989 - 2 B 129/88, NJW 1989, 1942. 2104 Gola, NVwZ 1993, 552 (553). 2105 BAG, Urteil vom 16.11.2010 - 9 AZR 573/09, NZA 2011, 453 (454). 2106 BVerwGE 62, 135 (137). 2107 Kiesche/Wielke, CuA 2010, 5. 2103
D. Datenschutzrecht bei Beamten
333
elektronisch geführt werden, oder aber in Hybridform, also in Teilen schriftlich und in Teilen elektronisch. § 106 I 3 BBG zeigt diese Möglichkeiten auf. Verboten ist es allerdings, eine doppelte Personalaktenführung zu betreiben, also einmal auf Papier und einmal elektronisch.2108 Durch definierte Zugriffsrechte für einzelne Dokumente und Dokumentgruppen innerhalb der Personalakte kann ein unberechtigter Zugriff ausgeschlossen werden.2109 § 106 I 2 BBG sieht explizit vor, dass die Personalakte auch durch technische und organisatorische Maßnahmen nach Art. 24, 25 und 32 DSGVO zu schützen ist.2110 Der Gefahr, dass aus den in der Personalakte gespeicherten Daten zusammen mit Daten aus anderen Quellen ein Profil der betroffenen Person gebildet werden kann,2111 ist ebenfalls zu begegnen. § 114 I 1 BBG bestimmt deshalb, dass Personalaktendaten nur zum Zwecke der Personalverwaltung und Personalwirtschaft automatisiert verarbeitet werden dürfen.2112 Beamten ist nach § 114 V BBG bei erstmaliger Speicherung die Art der zu ihrer Person nach § 114 I BBG gespeicherten Daten mitzuteilen und sie sind bei wesentlichen Änderungen zu benachrichtigen. Grundsätze des Personalaktenrechts Das Personalaktenrecht wird maßgeblich von vier Grundsätzen geprägt.2113 Mit diesen Grundsätzen wird unter anderem sichergestellt, dass keine geheimen Personalakten geführt werden können. a) Grundsatz der Transparenz So verbietet es der Grundsatz der Transparenz, dass geheime Personalakten geführt werden.2114 In der Praxis gab es jedoch Fälle, in denen geheime zweite Personalakten vorlagen. So berichtet der ehemalige hessische Steuerfahnder Rudolf Schmenger, der ein Steuerverfahren gegen die Commerzbank einleitete, anschließend disziplinarrechtlich verfolgt und schließlich aufgrund psychischer Probleme für dienstunfähig erklärt wurde, von einer geheimen zweiten Personalakte.2115 Um solche geheimen zweiten Personalakten zu verhindern und die Führung von Personalakten transparent zu gestalten, bestehen Rechte der Beamten; das Recht zur Benachrichtigung, Anhörung, Einsicht und Auskunft der Betroffenen.2116 aa) Recht zur Anhörung, § 109 BBG Ein Recht zur Anhörung besteht nach § 109 BBG. Beamte sind demnach zu Beschwerden, Behauptungen und Bewertungen, die für sie ungünstig sind, oder ihnen nachteilig werden können, vor deren Aufnahme in die Personalakte zu hören, soweit die Anhörung nicht nach anderen Rechtsvorschriften erfolgt. Ihre Äußerungen sind zur Personalakte zu nehmen. Der Dienstvorgesetzte
2108
Leppek, Beamtenrecht, S. 152, Rn. 229. Kiesche/Wielke, CuA 2010, 5 (6); Hitzelberger-Kijima, öAT 2016, 87 (90). 2110 BT-Drs. 19/4674, S. 17. 2111 So auch Kiesche/Wielke, CuA 2010, 5 (6). 2112 Siehe auch § 106 III BBG neu, BT-Drs. 19/4674, S. 17. 2113 Zu den Grundsätzen siehe Richter/Lenders, Personalaktenrecht, S. 31 ff. 2114 Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 434, Rn. 228. 2115 Siehe zum Fall Schmenger 2116 Richter/Lenders, Personalaktenrecht, S. 31 2109
334
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
muss sich mit der Äußerung des Beamten auseinandersetzen. Auch dieses Recht trägt dazu bei, dass es erschwert wird, geheime Personalakten zu führen. Über Hinweisgebersysteme eingegangene Hinweise können für Beamte nachteilig sein, entweder weil sie darin beschuldigt werden, oder weil sie unberechtigt einen Hinweis abgegeben haben und dafür unter Umständen sanktioniert werden können. Beamte sind also nach § 109 BBG anzuhören. Erste Ermittlungen können aber ohne Anhörung stattfinden. Hier greifen die §§ 106 ff. BBG nicht, sodass, wie bei Arbeitnehmern, § 26 BDSG und die DSGVO zur Anwendung kommt, wodurch auf die Ausführungen bei Arbeitnehmern verwiesen werden kann. bb) Auskünfte an Dritte, § 111 BBG Gemäß § 111 I 1 BBG ist es ohne Einwilligung des Beamten zulässig, die Personalakte der obersten Dienstbehörde oder einer im Rahmen der Dienstaufsicht weisungsbefugten Behörde zu übermitteln, soweit dies für Zwecke der Personalverwaltung oder Personalwirtschaft erforderlich ist. Das Gleiche gilt nach § 111 I 2 BBG für Behörden desselben Geschäftsbereichs, soweit die Übermittlung zur Vorbereitung oder Durchführung einer Personalentscheidung notwendig ist, sowie für Behörden eines anderen Geschäftsbereichs desselben Dienstherrn, soweit diese an einer Personalentscheidung mitzuwirken haben. Die § 111 I 1-3 BBG gelten nach § 111 I 4 BBG auch für Auskünfte. Nach § 111 II 1, 2 BBG dürfen Auskünfte an Dritte nur erteilt werden, wenn dies zwingend erforderlich ist, für die Abwehr einer Beeinträchtigung des Gemeinwohls (Nr. 1) oder für den Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen des oder der Dritten (Nr. 2), wobei in diesen Fällen keine Akteneinsicht gewährt wird. Die Auskunftserteilung an Dritte ist dem Wortlaut nach unter eher geringen Voraussetzungen möglich. So ist nur eine bloße Beeinträchtigung des Gemeinwohls notwendig, wobei eine Beeinträchtigung wohl unter der Gefahr einzuordnen ist. Es sind zahlreiche Fälle denkbar, in denen das Gemeinwohl beeinträchtigt wird zugunsten von entgegenstehenden Interessen. Auch das Erfordernis der höherrangigen Interessen ist unkonturiert, da sich die Höherrangigkeit und auch die Berechtigung regelmäßig aus der Abwägung und nicht aus dem Interesse selbst ergeben. Allenfalls durch das Merkmal der zwingenden Erforderlichkeit kann die Auskunftserteilung begrenzt werden, wobei es hier letztendlich auf die praktische Handhabung ankommt. b) Grundsatz der Aktenwahrheit Der Grundsatz der Aktenwahrheit dient dazu, ein zutreffendes und objektives Bild der Persönlichkeit des Beamten zu zeichnen.2117 Um ein wahrheitsgetreues Bild wiederzugeben, ist auch der Grundsatz der Transparenz von Bedeutung, der es dem Beamten erst ermöglicht, zu sehen, welches Profil in der Personalakte von ihm gebildet wurde. In Konflikt kann der Grundsatz der Aktenwahrheit mit dem Grundsatz der Vollständigkeit der Personalakte geraten, wenn der Beamte Rechte geltend macht, die die Personalakte aufgrund von Entfernungen oder Berichtigungen verändern. Auch der Grundsatz der Aktenwahrheit spricht dafür, dass, bevor die Hinweisgebung in die Personalakte aufgenommen wird, 2117
Kammerer, Personalakte, S. 37.
D. Datenschutzrecht bei Beamten
335
zunächst Ermittlungen stattfinden und nicht gleich Informationen in einem Hinweis sofort zur Personalakte zählen. aa) Entfernung von Unterlagen, § 112 BBG Nach § 112 I 1 BBG sind Unterlagen über Beschwerden, Behauptungen und Bewertungen, falls sie sich als unbegründet oder falsch erwiesen haben, mit Zustimmung der Beamtin oder des Beamten unverzüglich aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten (Nr. 1), oder falls sie für die Beamtin oder den Beamten ungünstig sind, oder ihr oder ihm nachteilig werden können, auf Antrag nach zwei Jahren zu entfernen und zu vernichten, was allerdings nicht für dienstliche Beurteilungen (Nr. 2) gilt. Stellt sich also bezüglich eines in die Personalakte aufgenommen Hinweisgeschehens im Nachhinein heraus, dass es doch nicht zutrifft, besteht ein Anspruch auf Entfernung der Unterlagen. bb) Berichtigung von Personalakten Dem Beamten steht zudem ein Anspruch auf Berichtigung von unrichtigen Personalaktendaten zu.2118 Dies ergibt sich aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und trifft dann zu, wenn die Personalakte unrichtig ist und dieser Umstand dem Beamten zum Nachteil gereichen kann.2119 Das BVerwG hatte in seiner Rechtsprechung angenommen, dass unrichtige Daten nicht entfernt, sondern lediglich berichtigt werden könnten.2120 Ein Löschungsanspruch des Beamten, so das BVerwG, bestehe nur gegenüber Vorgängen, die in die Personalakte gelangt seien, obwohl sie der Sache nach nicht dorthin gehörten und geeignet seien, dem Beamten Nachteile zuzufügen.2121 Unter solche Vorgänge zählen jedoch nicht disziplinarrechtliche Vorermittlungsakten. Diesbezüglich könne sich der Beamte auch nicht auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung berufen. Dieses Recht greife gegenüber der gesetzlich geregelten Befugnis des Dienstherrn zur Führung von Personalakten nicht, da ansonsten der Zweck vereitelt würde, ein möglichst lückenloses Bild der Entstehung und Entwicklung des Dienstverhältnisses zu
vermitteln.
Dem
Recht
auf
informationelle
Selbstbestimmung
beziehungsweise
dem
Persönlichkeitsschutz des Beamten werde dadurch Rechnung getragen, dass der Dienstherr verpflichtet ist, den Kreis der mit Personalakten befassten Beschäftigten so eng wie möglich zu halten.2122 Andernfalls sei kein lückenloses Bild des Dienstverhältnisses gegeben und damit der Grundsatz der Vollständigkeit nicht gewahrt.2123 Im Hinblick auf § 112 I 1 BBG kann diese Rechtsprechung nicht mehr aufrechterhalten werden.2124
2118
Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 436, Rn. 229. Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht, S. 366, Rn. 46. BVerwGE 59, 355; BVerwG, Beschluss vom 20.2.1989 - 2 B 129/88, NJW 1989, 1942. 2121 BVerwGE 59, 355; BVerwG, Beschluss vom 20.2.1989 - 2 B 129/88, NJW 1989, 1942. 2122 So das BVerwG, Beschluss vom 20.2.1989 – 2 B 129/88, NJW 1989, 1942. 2123 BVerwGE 59, 355 (356). 2124 Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 436, Rn. 229; BGH und BAG hatten schon zuvor teilweise einen Anspruch auf Entfernung und Vernichtung angenommen; siehe zum Streitstand Kammerer, Personalakte, S 47 ff. 2119 2120
336
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz c) Grundsatz der Vollständigkeit der Personalakte
Der Grundsatz der Vollständigkeit verlangt, dass die Personalakte kontinuierlich, ohne Unterbrechungen geführt wird und dass die Akte vollständig ist.2125 So soll erreicht werden, dass die Personalakte ein möglichst vollständiges Bild des Beamten wiedergibt.2126 Der Grundsatz der Vollständigkeit steht im Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Datenminimierung nach Art. 5 I lit. c DSGVO.2127 In der Personalakte soll nicht einfach alles über den Beamten gesammelt werden. Es gilt die Zweckbindung. Zentrale Norm ist § 106 IV BBG, der besagt, dass der Dienstherr personenbezogene Daten über (ehemalige) Beamte nur erhebt, soweit dies zur Begründung, Durchführung; Beendigung oder Abwicklung des Dienstverhältnisses oder zur Durchführung organisatorischer, personeller oder sozialer Maßnahmen, insbesondere zu Zwecken der Personalplanung, erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift dies erlaubt. Damit entspricht § 106 IV BBG der Regelung des § 26 I 1 BDSG. Somit decken sich die Voraussetzungen für die Datenverarbeitung vor Anwendbarkeit der §§ 106 BBG ff. bei Anwendbarkeit von § 26 BDSG mit denen nach Anwendbarkeit der §§ 106 ff. BBG. § 106 III 1 BBG legt fest, dass Personalaktendaten nur zu Zwecken der Personalverwaltung und Personalwirtschaft verwendet werden dürfen, es sei denn, die Beamtin oder der Beamte willigt in eine anderweitige Verwendung ein. d) Grundsatz der Vertraulichkeit Nach § 106 I 2 BBG ist die Personalakte vertraulich zu behandeln und durch technische und organisatorische Maßnahmen vor unbefugter Einsichtnahme zu schützen. Zugang zur Personalakte haben gemäß § 107 1 BBG nur die Beschäftigten, die im Rahmen der Personalverwaltung mit der Bearbeitung von Personalangelegenheiten beauftragt sind, und nur soweit dies zu Zwecken der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft erforderlich ist. Ein Zugangsrecht für Gleichstellungsbeauftragte ergibt sich aus § 107 I 3 BBG und es kann den Beschäftigten des ärztlichen Dienstes gewährt werden, soweit die Kenntnis für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist, § 107 I 2 BBG. Nach § 107 II 2 BBG haben die mit Angelegenheiten der Innenrevision beauftragten Beschäftigten, soweit sie die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Erkenntnisse nur auf diesem Weg und nicht durch Auskunft aus der Personalakte gewinnen können, ein Recht zur Einsicht. Ein Zugangsrecht zur Personalakte hat der Datenschutzbeauftragte nach Art. 38 II DSGVO und Art. 58 I lit. e DSGVO.2128 In Bezug auf Hinweisgebersysteme ließe sich aufgrund von § 107 BBG annehmen, dass nur die Personen, die in der Norm genannt sind, auf Hinweisgebersysteme Zugriff haben könnten, wenn man davon ausgeht, dass jegliche personenbezogenen Daten eines Beamten, die über ein Hinweisgebersystem gemeldet werden, sogleich zur Personalakte zählen. Sieht man allerdings das 2125
Zilkens/Gollan, Datenschutz Kommunalverwaltung, S. 494. Kammerer, Personalakte, S. 36, Rn. 42. 2127 Von Walter, Datenschutz im Betrieb, S. 155. 2128 BT-Drs. 19/4674, S. 207. 2126
D. Datenschutzrecht bei Beamten
337
Zusammenspiel der Regelungen zwischen BDSG und DSGVO, sowie § 106 ff. BBG dergestalt an, dass die Erhebung und Verarbeitung zunächst nach § 26 BDSG zu beurteilen ist und erst wenn die Relevanz für die Personalakte festgestellt ist, der Anwendungsbereich der §§ 106 ff. BBG eröffnet ist, können für die Entgegennahme von Hinweisen und für die ersten Bearbeitungsschritte auch andere Stellen und Personen in Frage kommen.
III.
Auftragsdatenverarbeitung, § 111 a BBG
§ 111a BBG regelt den Fall der Erhebung und Verwendung von Personalaktendaten im Auftrag. Art. 28 DSGVO, der die Auftragsverarbeitung regelt, ist direkt anwendbar. Insofern sieht § 111a BBG vor, dass die in Art. 28 DSGVO genannten Voraussetzungen vorliegen müssen. Die oberste Dienstbehörde muss zudem der Auftragserteilung zustimmen nach § 111a I Nr. 2 BBG. Für die Beauftragung nicht-öffentlicher Stellen sieht § 111a II BBG besondere Voraussetzungen vor. Die Neufassung
von
§ 111a BBG
stützt
sich
nach
der
Begründung
des
Entwurfs
auf
Art. 6 I 1 lit. e, II, III DSGVO.2129
IV.
Rechte der betroffenen Personen
Auch gegenüber öffentlichen Stellen gelten die Rechte der betroffenen Personen, sodass auf die Ausführungen im Rahmen der Datenverarbeitung in Unternehmen weitgehend verwiesen werden kann. § 33 I Nr. 1 a BDSG sieht eine Ausnahme zur Informationspflicht nach Art. 14 DSGVO vor, wenn durch eine Information die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden Aufgabe im Sinne von Art. 23 I lit. a bis e DSGVO gefährdet würde. Art. 23 I lit. d DSGVO nennt die Verhütung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder die Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit als eine Möglichkeit zur Einschränkung. § 33 I Nr. 1b BDSG sieht eine Ausnahme vor, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet würde. Ebenso besteht das Recht auf Auskunft nicht nach § 34 I Nr. 1 BDSG, wenn § 33 I Nr. 1 oder Nr. 2 BDSG oder § 33 III BDSG einschlägig wären. Ein Einsichtsrecht besteht im Personalaktenrecht nach § 110 BBG.2130 Nach § 110 I BBG umfasst das Recht des Beamten auf Auskunft nach Art. 15 I DSGVO auch das Recht auf Einsichtnahme in die vollständige Personalakte.2131 Nach § 110 II BBG kann in die Akten Einsicht genommen werden, allerdings kann die Einsichtnahme dann verweigert werden, wenn personenbezogene Daten Dritter oder geheimhaltungsbedürftige, nicht personenbezogene Daten enthalten sind und diese nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand abgetrennt werden können. In solchen Fällen wird nur Auskunft
2129
BT-Drs. 19/4674, S. 209. Beim Einsichtsrecht handelt es sich um einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums nach Art. 33 V GG, der bereits in Art. 129 II WRV bestand, Hebeler, in: Battis, § 106 BBG, Rn 3; Kammerer, Personalakte, S. 41. 2131 BT-Drs. 19/4674, S. 18. 2130
338
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
erteilt.2132 Der Beamte muss im Übrigen nicht begründen, warum er Einsicht nehmen will und er kann dies auch jederzeit tun.2133.
V.
Datenschutzbeauftragter
Behörden und öffentliche Stellen müssen nach Art. 37 I lit. a DSGVO einen Datenschutzbeauftragten bestellen. § 5 BDSG sieht die Benennung eines Datenschutzbeauftragten für öffentliche Stellen des Bundes vor. Die §§ 5 bis 7 BDSG sind deckungsgleich mit Art. 37 bis 39 DSGVO; so soll erreicht werden, dass auch die öffentlichen Stellen des Bundes, die nicht vom Anwendungsbereich der DSGVO erfasst sind, unter denselben Voraussetzungen einen behördlichen Datenschutzbeauftragten ernennen.2134 Der
Datenschutzbeauftragte muss dabei
weisungsfrei
agieren
können
nach
Art. 38 III 1 DSGVO. Eine Benachteiligung oder Abberufung wegen der Erfüllung seiner Aufgaben darf gemäß Art. 38 III 2 DSGVO nicht stattfinden. Nach § 6 V 2 BDSG ist der oder die Datenschutzbeauftragte zur Verschwiegenheit über die Identität der betroffenen Person, sowie über Umstände, die Rückschlüsse auf die betroffene Person zulassen, verpflichtet, soweit sie oder er nicht durch die betroffene Person davon befreit sind. Erhält der Datenschutzbeauftragte Kenntnis von Daten, für die der Leitung oder einem Beschäftigten der öffentlichen Stelle ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, so hat auch der Datenschutzbeauftragte das Recht zur Zeugnisverweigerung nach § 6 VI BDSG. In § 6 IV BDSG ist ein Sonderkündigungsschutz normiert, nach dem nach § 6 IV 1 BDSG eine Kündigung nur in entsprechender Anwendung des § 626 BGB, also bei Fällen, in denen eine fristlose Kündigung möglich wäre, erfolgen kann. Ansonsten ist die Kündigung gemäß § 6 IV 2 BDSG ausgeschlossen. Dieser Kündigungsschutz wirkt auch noch ein Jahr nach Beendigung der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter nach, § 6 IV 3 BDSG. Der Datenschutzbeauftragte ist nach § 6 V BDSG der Adressat zu allen Fragen und Anliegen, die sich in Zusammenhang mit der DSGVO, dem BDSG und anderen Vorschriften, die im Zusammenhang mit Datenschutz stehen, stellen. Die öffentliche Stelle muss dem Datenschutzbeauftragten nach § 6 II BDSG den Zugang zu den personenbezogenen Daten und Verarbeitungsvorgängen und die Ressourcen, die er für die Erledigung seiner Aufgaben nach § 7 BDSG benötigt, zur Verfügung stellen.
VI.
Datenschutz bei europäischen Organen
Verordnung (EU) 2018/1725 Die Verordnung (EU) 2018/1725 enthält die Datenschutzbestimmungen für die EU-Organe und regelt zudem die Pflichten des Europäischen Datenschutzbeauftragten. Auch diese Verordnung kennt, wie das deutsche Datenschutzrecht, ein Auskunftsrecht, ein Recht auf Berichtigung und Löschung und ein Beschwerderecht. Sie ersetzt die Verordnung 45/2001.2135
2132
BT-Drs. 19/4674, S. 18. Wichmann, in: Wichmann/Langer, S. 436, Rn. 229. 2134 BfDI, DSGVO Bundesverwaltung, S. 28. 2135
2133
D. Datenschutzrecht bei Beamten
339
Die Rolle des Europäischen Datenschutzbeauftragten Mit der Verordnung 45/2001 wurde ein Europäischer Datenschutzbeauftragter geschaffen.2136 An ihn können sich die EU-Beamten gemäß Art. 90b BSt an den Europäischen Datenschutzbeauftragten mit Anträgen
oder
Beschwerden
nach
§ 90 I, II BSt
wenden.
Aufgabe
des
Europäischen
Datenschutzbeauftragten ist es, die Organe und Einrichtungen der EU zu kontrollieren.2137 Neben seiner Kontrollaufgaben
gibt
der
Europäische
Datenschutzbeauftragte
Stellungnahmen
zu
datenschutzrechtlichen Themen ab, bei denen er sich unter anderem bereits zum Whistleblowing äußerte. Er ist zudem nach Art. 68 III DSGVO Mitglied im Europäischen Datenschutzausschuss. Leitlinien zur Verarbeitung personenbezogener Informationen im Rahmen eines Verfahrens zur Meldung von Missständen Der Europäische Datenschutzbeauftragte hat bereits im Jahr 2016 Leitlinien zur Verarbeitung personenbezogener Informationen im Rahmen eines Verfahrens zur Meldung von Missständen erlassen.2138 Die Leitlinien betreffen den Fall, dass EU-Organe eine Meldung erhalten.2139 Aufgrund der Whistleblowing-Vorschriften im europäischen Beamtenstatut und anderer interner Vorschriften von EU-Organen, besteht auf europäischer Ebene zum Teil sogar eine Verpflichtung zum Hinweisgeben. Dabei ist auch der Datenschutz zu beachten. Der Europäische Datenschutzbeauftragte stellte im Wesentlichen neun Empfehlungen für das Whistleblowing auf. Als erste Empfehlung gab er vor, spezielle Kanäle für internes und externes Whistleblowing zu schaffen und dabei die Zwecke eindeutig zu bestimmen.2140 Ferner müsse die Vertraulichkeit der erhaltenen Information und die Identität des Whistleblowers und anderer Betroffener geschützt werden.2141 Dabei müsse auch darauf geachtet werden, dass keine Identifizierung aufgrund verschiedener Merkmale möglich sei.2142 Nur wenn die Hinweisgebung böswillig, also wissentlich unzutreffend erfolge, dürfe die Identität des Hinweisgebers bekannt gegeben werden, allerdings nur an die Justizbehörden.2143 Die Beweislast für die Böswilligkeit trage das EU-Organ.2144 Maßnahmen zur IT-Sicherheit würden die Vertraulichkeit und Integrität der Whistleblowing-Kanäle gewährleisten, wobei eine Risikobewertung erforderlich sei.2145 Ferner müsse auch der Grundsatz der Dateminimierung zur Anwendung kommen.2146 Besonderes Augenmerk sei darauf zu legen, dass so wenig wie möglich personenbezogene Daten verarbeitet würden. Zudem seien die betroffenen Personen und Hinweisgeber über ihre Rechte zu informieren, wobei eine allgemeine Datenschutzerklärung nicht ausreiche, sondern 2136
Brühann, in: Von der Groeben/Schwarze/Hartje, Art. 16 AEUV, Rn. 87. Brühann, in: Von der Groeben/Schwarze/Hartje, Art. 16 AEUV, Rn. 89. 2138 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Leitlinien Whistleblowing. 2139 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Leitlinien Whistleblowing, S. 4. 2140 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Leitlinien Whistleblowing, S. 4-5. 2141 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Leitlinien Whistleblowing, S. 4-5. 2142 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Leitlinien Whistleblowing, S. 6. 2143 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Leitlinien Whistleblowing, S. 6. 2144 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Leitlinien Whistleblowing, S. 6. 2145 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Leitlinien Whistleblowing, S. 4; 12. 2146 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Leitlinien Whistleblowing, S. 6. 2137
340
Kapitel 4: Datenschutz als Informationsschutz
eine spezielle Erklärung an die jeweiligen Personen versendet werden solle und auch über die Empfänger der Information unterrichtet werden solle.2147 Von der Unterrichtungspflicht solle aber dann eine Ausnahme gemacht werden können, wenn eine Unterrichtung die Ermittlungen beeinträchtigen könnte, oder eine Unterrichtung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordere, wobei der Grund für die Ausnahme dokumentiert werden solle.2148 Des Weiteren sollten Aufbewahrungsfristen für die personenbezogenen Daten festgelegt werden, die sich daran orientieren, was nach dem Zweck der Verarbeitung erforderlich ist.2149 Die Leitlinien des Europäischen Datenschutzbeauftragten können als Anregung für die Schaffung einer gesetzlichen Regelung für Whistleblowing dienen. Aspekte wie der Grundsatz der Datenminimierung und die Zweckbindung sieht die DSGVO selbst vor. Um ihnen zur Durchsetzung zu verhelfen, ist es sicherlich vorteilhaft, diese in Zusammenhang mit Hinweisgebersystemen herauszustellen und in Bezug zur Verarbeitung in solchen Systemen zu setzen. Ebenso sieht die DSGVO die Rechte der betroffenen Personen in Art. 12 ff. DSGVO vor, wie etwa die Informationspflicht nach Art. 13 beziehungsweise Art. 14 DSGVO. Weitere Beschränkungen zu diesen Rechten sind aber nach Art. 23 DSGVO möglich. Auch eine Beschränkung der Speicherfrist wird durch die DSGVO in Erwägungsgrund 37 aufgeführt. Maßnahmen zur Sicherheit und Vertraulichkeit werden durch die DSGVO unter anderem in Art. 32 DSGVO mehrfach vorgesehen.
VII.
Fazit
In Bezug auf das
Datenschutzrecht
bei Beamten
wird
für die
Datenverarbeitung in
Hinweisgebersystemen zunächst einmal deutlich, dass ein Gleichlauf mit dem Datenschutzrecht bei Arbeitnehmern besteht, da § 26 BDSG und die DSGVO Anwendung finden. Sobald jedoch die Erhebung und die ersten Verarbeitungsschritte im Hinweisgebersystem abgeschlossen sind und die Relevanz für die Personalakte feststeht, wird die datenschutzrechtliche Lage maßgeblich durch das Personalaktenrecht in §§ 106 ff. BBG bestimmt. Einige Regelungen der §§ 106 ff. BBG können an datenschutzrechtliche Grundsätze der DSGVO und des BDSG angebunden werden. Andere Regelungen, wie der Grundsatz der Vollständigkeit der Personalakte können mit dem Grundsatz der Datenminimierung in Konflikt treten. Auf europäischer Ebene wurden spezifische Regelungen zur Datenverarbeitung in Hinweisgebersystemen getroffen, die das deutsche Recht vermissen lässt.
2147
Europäischer Datenschutzbeauftragter, Leitlinien Whistleblowing, S. 9. Europäischer Datenschutzbeauftragter, Leitlinien Whistleblowing, S. 9. 2149 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Leitlinien Whistleblowing, S. 11. 2148
Kapitel 5: Modellgesetz Angesichts der vorhandenen Rechtsprechung zum Whistleblowing mag man sich vielleicht die Frage stellen, ob es denn überhaupt einer gesetzlichen Regelung bedarf. Aber wie es Kort so treffend in seinem Beitrag in der Festschrift Kreutz formuliert hat: Es ist aus „Sicht des Rechtssuchenden im Allgemeinen einfacher […], das Recht in einer klar formulierten Norm zu finden, als es sich aus einer Vielzahl von Entscheidungen zusammenzusuchen.“2150 Die obige Untersuchung hat gezeigt, dass die Rechtsprechung keinesfalls konsequent eine Linie verfolgt. Eine gesetzliche Regelung des Whistleblowings ist aus Gründen der Rechtssicherheit zu fordern. Verschiedene Gesetzesvorhaben hatten immer wieder die Diskussion entfacht, ob eine gesetzliche Whistleblowing-Regelung wirklich von Nöten sei oder ob sie nicht Denunziation fördern und den Betriebsfrieden stören würde.2151 Doch genannte Nachteile lassen einen wichtigen Gesichtspunkt außer Acht: Das Nicht-Bestehen einer gesetzlichen Regelung hat auch bisher nicht dazu geführt, dass Whistleblowing unterbleibt. Spätestens dann, wenn Arbeitnehmer oder Beamte es buchstäblich nicht mehr aushalten, wegzusehen oder zu schweigen, offenbaren sie Missstände. Das Nicht-Bestehen einer gesetzlichen Regelung wirkt zum Nachteil der Hinweisgeber und macht kostspielige Prozesse erst notwendig.
Beurteilung bisheriger Gesetzesvorhaben In Deutschland wurde bislang schon mehrfach versucht, gesetzliche Regelungen zum Whistleblowing zu schaffen. Die ersten Regelungsvorschläge wurden bereits im Jahre 1977 von der Arbeitgebergesetzbuchkommission und im Jahre 1992 vom Arbeitskreis Deutsche Rechtseinheit im Arbeitsrecht gemacht.2152 Gerade in dem vergangenen Jahrzehnt wurden mehrfach Gesetzesentwürfe für den Hinweisgeberschutz unterbreitet. Der Neuentwurf des § 612a BGB Der Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz entwarf im Jahre 2008 eine Neufassung des § 612a BGB. Damit sollte ein gesetzliches Anzeigerecht implementiert werden, das von einem Vorrang der innerbetrieblichen Klärung ausging, diesen aber ausnahmsweise entfallen ließ, wenn Unzumutbarkeit gegeben war. Unzumutbarkeit sollte dann vorliegen, wenn aus dem Betrieb Gefahren für Leben, Gesundheit, oder Umwelt drohten, Straftaten durch Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer verübt wurden, der Arbeitnehmer selbst sich der Strafverfolgung aussetzen würde, oder aber eine innerbetriebliche Abhilfe nicht oder nicht ausreichend erfolgreich erscheinen würde.2153 Als 2150
Kort, in: FS Kreutz, S. 252. Vgl. Zu den Diskussionen um den Entwurf des § 612a BGB die Zusammenfassung bei Döse, AuR 2009, 189 (190 ff.); gegen eine gesetzliche Regelung aber für eine Förderung des Whistleblowings durch Verpflichtung von Unternehmen zur Implementierung von innerbetrieblichen Whistleblowing-Systemen, Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme, S. 87. 2152 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Entwurf eines Arbeitsgesetzbuchs; Arbeitskreis Deutsche Rechtseinheit für Arbeitsrecht, Verhandlungen Deutscher Juristentag 1992. Siehe hierzu auch Schulz, Whistleblowing Wissenschaft, S. 135; Graser, Whistleblowing, S. 250ff.; Deiseroth, Whistleblowing BSE, S. 209ff. 2153 BT-Ausschussdrucksache 16(10)849. Siehe hierzu auch Schneider/Nowak, in: FS Peter Kreutz, S. 855 (859). 2151
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Sixt, Whistleblowing im Spannungsfeld von Macht, Geheimnis und Information, DuD-Fachbeiträge, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32552-7_5
342
Kapitel 5: Modellgesetz
Grundlage für eine Meldung, weil Abhilfe nicht erfolgversprechend sei, sollten Anhaltspunkte genügen, wobei sich an der Schwelle der Anhaltspunkte Kritik entzündete, da diese zu unbestimmt sei.2154 Letztendlich wurde der Gesetzesvorschlag wegen der zu einseitigen Favorisierung der Belange des Whistleblowers und der Vernachlässigung der Interessen des Unternehmens abgelehnt.2155 Kritisiert wurde zudem, dass die Auswahl der geschützten Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Umwelt willkürlich erscheine, da den Rechtsgütern von Freiheit und Eigentum, wie § 823 I BGB zeige, ebenso große Bedeutung zukomme.2156 Zudem ließ der Entwurf die Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen unberücksichtigt.2157 Antrag der Fraktion Die Linke Die Fraktion Die Linke stellte im Jahre 2011 einen Antrag im Bundestag, der den Schutz von Hinweisgebern einforderte. Dabei bezog sich der Antrag sowohl auf Arbeitnehmer als auch Beamte und betonte insbesondere die Notwendigkeit eines Schutzes vor Vergeltungsmaßnahmen und die Bedeutung einer Beweislasttragung des Arbeitgebers sowie den Schutz vor strafrechtlichen Sanktionen.2158 Darüber hinaus forderte die Partei auch einen Schutz von Medien und anderen Publizierenden und nannte als Beispiel für andere Publizierende Wikileaks und andere Leak-Plattformen, sowie Blogger. Als geschützten Personenkreis zählte sie, neben Journalisten, Medienschaffende und sonstige Personen auf. Diese Ausdehnung ist kritisch zu sehen.2159 Wie bereits dargelegt,2160 sollten WhistleblowingPlattformen keine Meldestellen für Whistleblower darstellen, weil sie, anders als Medien, keine journalistische Arbeit betreiben und dadurch die Gefahr einer Veröffentlichung entgegen berechtigter Geheimhaltungs- und Schutzinteressen Dritter besteht. Der Antrag sieht ferner vor, dass anonymes Whistleblowing zu ermöglichen sei.2161 Auch die Ermöglichung anonymen Whistleblowings ist aufgrund der schützenswerten Interessen der betroffenen Personen kritisch zu sehen.2162 Ferner fordert der Antrag die Schaffung einer unabhängigen, öffentlichen Einrichtung, die Beratung für Hinweisgeber anbiete und eine Kontrollfunktion über die Funktionalität der Whistleblowing-Maßnahmen ausübe.2163 Dieser Ansatzpunkt ist interessant, da eine unabhängige Qualitätskontrollstelle bislang fehlt. Allerdings ist fraglich, wie die konkrete Ausgestaltung der Kontrolle erfolgen kann. Hierzu schweigt der Antrag. Eine solche Kontrolle müsste jedenfalls die Geheimnisschutzinteressen sicherstellen.
2154
Schneider/Nowak, in: FS Peter Kreutz, S. 855 (859); Sasse, NZA 2008, 990 (993); auch sei es verfehlt, das Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten in die Disposition des Hinweisgebers zu stellen, Steinkühler/Raif, AuA 2008, 406 (407). 2155 Schneider/Nowak, in: FS Peter Kreutz, S. 855 (860) mit weiteren Nachweisen. 2156 Beyer, Whistleblowing, S. 216; Waas, Stellungnahme, S. 13. 2157 Sasse, NZA 2008, 990 (993). 2158 BT-Drs. 17/6492, S. 3. 2159 BT-Drs. 17/6492, S. 3. 2160 Siehe das Kapitel Neue Arenen als Bedrohung für den Geheimnisschutz und für Rechte der Betroffenen, S. 119ff. 2161 BT-Drs. 17/6492, S. 4. 2162 Siehe hierzu das Kapitel Anonymität und Pseudonymität bei Hinweisgebersystemen, S. 303ff. 2163 BT-Drs. 17/6492, S. 4.
A. Beurteilung bisheriger Gesetzesvorhaben
343
Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion Die SPD-Fraktion legte im Jahr 2012 einen Gesetzesentwurf vor, der vor dem Hintergrund des EGMRUrteils in der Sache Heinisch zu sehen ist.2164 In § 3 des Gesetzesentwurfs wurden zahlreiche Begriffsbestimmungen eingeführt. Zuzustimmen ist dem Begriff des Hinweises, soweit darunter nach § 3 III tatsachenbezogene Äußerungen verstanden werden, die dazu dienen, auf Missstände aufmerksam zu machen. § 3 III zählt neben den tatsachenbezogenen Äußerungen auch sonstige Handlungen zu Hinweisen im Sinne des Gesetzesentwurfs. Was mit den „sonstigen Handlungen“, die gleichwertig neben tatsachenbezogenen Äußerungen stehen sollen, gemeint ist, ist unklar. Kritik hat hingegen der Missstandsbegriff in § 3 II erfahren. Missstände sind demnach gegeben, „wenn in einem Unternehmen, Betrieb oder im Umfeld einer unternehmerischen oder betrieblichen Tätigkeit Rechte und Pflichten verletzt werden oder unmittelbar gefährdet sind. Ein Missstand liegt auch vor, wenn eine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder für die Umwelt droht.“ Dieser Begriff wird als zu weitgehend eingeordnet, insbesondere weil auch die Möglichkeiten zum externen Whistleblowing ebenfalls sehr weitgehend seien nach § 6.2165 Tatsächlich ist eine Berechtigung zum Whistleblowing bei der unmittelbaren Gefährdung von Rechten und Pflichten abzulehnen. Vielmehr sollte auf die Gefährdung öffentlicher Interessen abgestellt werden, weil es dann ausgewogen erscheint, Whistleblowing zu ermöglichen, obwohl noch kein Missstand und auch kein Schaden vorliegt.2166 Bezüglich der Meldewege sieht der Gesetzesentwurf ein zweistufiges Vorgehen vor. Dem Whistleblower soll es neben dem internen Whistleblowing sofort erlaubt sein, sich an eine externe Stelle zu wenden nach § 6 I. Nur wenn er sich an die Öffentlichkeit wendet, also nicht an die zuständigen Stellen im Sinne von Behörden beim externen Whistleblowing (§ 3 V), sondern beispielsweise an die Medien, müssen weitere in § 6 II genannte Voraussetzungen vorliegen. Ein dreistufiges Vorgehen ermöglicht demgegenüber eine bessere Berücksichtigung aller Interessen. Wenn das externe Whistleblowing sofort ermöglicht wird, stellt dies eine zu große Beeinträchtigung der Geheimnisschutzinteressen und der Reputationsinteressen dar. In § 11 greift der Gesetzesentwurf die Einrichtung eines Hinweisgebersystems auf und stellt das Ob und das Wie einer Einrichtung in die Entscheidung des Unternehmens. Bezüglich der Beweislast legt § 12 fest, dass, wenn eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung vermuten lassen, die andere Partei die Beweislast dafür trägt, dass kein
Verstoß
gegen
das
Benachteiligungsverbot vorliegt. Dies stellt mithin
eine
Beweiserleichterung für den Hinweisgeber dar, die zu seinem Schutz auch unabdingbar ist. Der Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion griff viele entscheidende Punkte für die Regelung von Whistleblowing auf. Sein Ansatz, den Missstand zu definieren, kann jedoch aus den genannten Gründen als verfehlt bezeichnet werden. Nicht adressiert wurden zudem Beamte, obgleich in den Erwägungen
2164
Mengel, CCZ 2012, 146 (146); siehe zu dem Urteil das Kapitel Der Fall Heinisch, S. 206 ff. Mengel, CCZ 2012, 146 (146); kritisch auch von Busekist/Fahrig, BB 2013, 119 (124). 2166 Aufzeigend, dass die Erheblichkeitsschwelle des § 3 II 2 gerade nicht auf § 3 II 1 zwingend zu übertragen ist Mengel, CCZ 2012, 146 (147). 2165
344
Kapitel 5: Modellgesetz
zum Gesetzesentwurf auf die beamtenrechtliche Ausnahme von der Verschwiegenheit in Korruptionsfällen eingegangen wird.2167 Gesetzesentwurf des Bündnis 90/Die Grünen Der Gesetzesentwurf des Bündnis 90/Die Grünen war motiviert von Lebensmittelskandalen und Skandalen im Pflegebereich.2168 a) Regelung für Arbeitnehmer Dementsprechend sieht der Entwurf ein Anzeigerecht vor, das eine direkte Meldung an die Öffentlichkeit erlaubt, wenn das öffentliche Interesse an dem Bekanntwerden der Information das betriebliche Interesse an der Geheimhaltung überwiegt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für Leben, Körper, Gesundheit, Persönlichkeitsrechte oder Freiheit der Person, Stabilität des Finanzsystems oder Umwelt drohe (§ 612 b III BGB Entwurf).2169 Die Benennung konkreter Rechtsgüter, bei deren Gefährdung die Geheimhaltungsinteressen hinter dem öffentlichen Informationsinteresse zurücktreten müssen, ist ein zu begrüßender Ansatzpunkt. Für den Hinweisgeber wird so deutlich, wann er berechtigt ist, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Wie bei § 612a BGB lässt sich über die Auswahl der Rechtsgüter diskutieren. Hinter der Auswahl steht die rechtspolitische Wertung, welche Rechtsgüter als besonders schützenswert angesehen werden. § 612b I enthält den Vorrang innerbetrieblicher Abhilfe. b) Regelung für Beamte Hervorzuheben ist, dass der Gesetzesentwurf auch die Beamten berücksichtigt und die Einführung eines § 67a BBG vorsieht, der ein Anzeigerecht bei rechtswidrigen Diensthandlungen enthält. Dieses soll dann dem Beamten zustehen, wenn ein Angehöriger seiner jeweiligen Behörde oder Dienststelle in Zusammenhang mit der behördlichen Tätigkeit eine vorsätzliche Straftat begangen hat, oder Straftaten Dritter wissentlich in Kauf genommen hat, oder im Zusammenhang mit der behördlichen Tätigkeit eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Körper, Gesundheit, Persönlichkeitsrecht, Freiheit der Person, Stabilität des Finanzsystems oder Umwelt droht.2170 Den Beamten ist es ferner nach § 67a II erlaubt, sich ohne Einhaltung des Dienstweges direkt an die Öffentlichkeit zu wenden, wenn sie aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung sind, dass infolge einer rechtswidrigen dienstlichen Handlung oder Unterlassung ihrer jeweiligen Behörde oder Dienststelle eine gegenwärtige erhebliche Gefahr insbesondere für Leben, Körper, Gesundheit, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Person, Stabilität des Finanzsystems oder Umwelt droht. Das abgestufte Vorgehen wird hierdurch deutlich. Bei gegenwärtigen Gefahren können sich Hinweisgeber an die zuständigen außerbehördlichen Stellen wenden. Gemeint seien damit neben der Polizei, der Staatsanwaltschaft, staatlichen Überwachungs- und
2167
BT-Drs. 17/8567, S. 6. BT-Drs. 17/9782, S. 1. 2169 BT-Drs. 17/9782, S. 3. 2170 BT-Drs. 17/9782, S. 4. 2168
A. Beurteilung bisheriger Gesetzesvorhaben
345
Kontrollfunktionären, auch Datenschutzbeauftragte und Ombudsmänner.2171 Ein Versehen liegt offenbar vor, indem keine Befreiung von der Dienstweggebundenheit und der Verschwiegenheitspflicht für interne Meldungen geregelt ist.2172 Die Öffentlichkeit, beispielsweise die Presse, dürfen Hinweisgeber aber nur bei gegenwärtigen und zugleich erheblichen Gefahren adressieren, also wenn ein besonderes öffentliches Informationsinteresse vorliegt.2173 Allerdings sollen von der Öffentlichkeit nicht nur Meldungen an die Presse und Medien erfasst sein, sondern auch Veröffentlichungen im Internet,2174 was aus Gründen des Geheimnisschutzes, des Reputationsschutzes und der fehlenden Überprüfung der Meldungen bei Veröffentlichung auf Internetplattformen abzulehnen ist.2175 Nach § 67a III dürfen Beamte keine rechtlichen, dienstlichen oder tatsächlichen Nachteile erleiden und handeln auch nicht pflichtwidrig im Sinne von § 77 BBG, wenn sie die Anzeigen in Übereinstimmung mit § 67a tätigen. Ebenso ist eine Beweislastumkehr enthalten in § 67a IV, bei der der Beamte Tatsachen glaubhaft machen muss, die eine Benachteiligung wegen Ausübung des Anzeigerechts erkennbar werden lassen, und der Dienstherr in diesem Fall die Beweislast dafür trägt, dass deshalb kein Nachteil erlitten wurde. Die Anzeigen- und Äußerungsrechte nach anderen Rechtsvorschriften bleiben gemäß § 67a V unberührt. Der Gesetzesentwurf stellt einen beachtlichen Vorstoß dar, den Hinweisgeberschutz sowohl für Beamte als auch für Arbeitnehmer zu regeln. Neben den genannten Kritikpunkten, wird auch hier Kritik an den Begrifflichkeiten geübt, so beispielsweise zurecht an der Begrifflichkeit der vorsätzlichen Straftat, weil nicht klar ist, ob sich der Vorsatz auf die Strafnorm oder das Handeln der Person beziehen würde.2176 In Bezug auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht als geschütztes Rechtsgut wäre es der Rechtssicherheit dienlich, wenn deutlich würde, ob dabei auch seine Ausprägungen, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht auf Gewährleistung und Integrität informationstechnischer Systeme, mitumfasst sein sollen. Zuzustimmen ist dem Gesetzesentwurf insofern, als es eines abgestuften Vorgehens bedarf. Hier lässt der Entwurf aber die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlichdemokratische Grundordnung außer Betracht, die nach § 67 II 2 BBG als Ausnahme von der Amtsverschwiegenheitspflicht anerkannt ist. Will man eine gesetzliche Regelung für Beamte beim Whistleblowing schaffen, sind diese gesetzgeberischen Wertungen aber zwingend mit einzubeziehen. Sie geben eine gewisse Erheblichkeitsschwelle vor, die im abgestuften System Berücksichtigung finden muss. Zutreffend ist zudem die Kritik, dass keine Bezugnahme auf die übrigen beamtenrechtlichen Pflichten erfolgte, also namentlich das Antrags- und Beschwerderecht und die Remonstration.2177 Der
2171
BT-Drs. 17/9782, S. 12Zu diesem Fehler in Bezug auf den Entwurf eines § 37a BeamtStG, wo er sich ebenfalls zeigt, Gutjahr/Kese apf BW 2013, 73 (75). 2173 BT-Drs. 17/9782, S. 12. 2174 BT-Drs. 17/9782, S. 12 2175 Zu den Ablehnungsgründen siehe Kapitel Problematik bei Hinweisen an Enthüllungsplattformen, S. 121. 2176 Gutjahr/Kese, apf BW 2013, 73 (75f.). 2177 Gutjahr/Kese, apf BW 2013, 73 (78). 2172
346
Kapitel 5: Modellgesetz
Gesetzesentwurf scheiterte, da die damalige Regierungskoalition aus CDU/CSU sowie FDP keinen Regelungsbedarf sah.2178 Zweiter Antrag der Fraktion Die Linke Im Jahr 2014 stellte die Fraktion Die Linke abermals einen Antrag, in dem sie einen Gesetzesentwurf der Bundesregierung forderte.2179 Dabei ist der Antrag eine Wiederholung des Antrags von 2011, mit nur marginalen Abweichungen. Unter anderem wird nunmehr gefordert, die Verdienste Edwards Snowdens anzuerkennen und ihn durch Asylgewährung in Deutschland zu unterstützen. Zudem wird auch die EU-rechtliche Absicherung von Whistleblowern, vor allem durch ein Recht auf Asyl und Immunität im Falle politischer Verfolgung verlangt. Der Antrag ist klar als Reaktion auf die Enthüllungen Edward Snowdens einzuordnen, die aus Sicht der Fraktion Die Linke eine erneute Forderung eines Hinweisgeberschutzes notwendig machte.2180 Zweiter Gesetzesentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Ebenfalls unter dem Eindruck der Enthüllungen von Edward Snowden entwarf die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzesvorschlag, der abermals Arbeitnehmer und Beamte umfasste. a) Regelungen für Arbeitnehmer Die Regelung für Arbeitnehmer in Form der Einfügung eines § 612b blieb weitgehend gleich. Statt des Erfordernisses einer Straftat wurde nunmehr gefordert, dass eine erhebliche Straftat vorliegen müsse. Diese erhöhte Anforderung ist nicht nachvollziehbar, da dem Arbeitnehmer ein Recht zur Strafanzeige zusteht. b) Regelungen für Beamte § 67a I sieht nunmehr einen expliziten Vorrang des innerbetrieblichen Whistleblowings vor, nach dem sich der Hinweisgeber zuerst an seinen Vorgesetzten oder eine dafür vorgesehene innerbetriebliche Stelle zu wenden hat, wenn er bei oder bei Gelegenheit seiner dienstlichen Tätigkeit einen nach seiner Auffassung durch konkrete Anhaltspunkte begründeten Verdacht gewonnen hat, dass ein Angehöriger einer Behörde oder Dienststelle im Zusammenhang mit der behördlichen Tätigkeit eine erhebliche Straftat begangen hat. Es erscheint nicht geglückt, auch hier das Erfordernis der erheblichen Straftat zu fordern. Der Hinweisgeber muss sich erst recht betriebs- beziehungsweise behördenintern an den Vorgesetzten oder dafür vorgesehene Stellen wenden dürfen, wenn er davon ausgeht, dass Straftaten begangen wurden. Zudem ist völlig unklar, was eine erhebliche Straftat sein soll. Kaum gemeint sein kann damit eine Straftat aus dem Katalog des § 138 StGB. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass es sich bei erheblichen Straftaten um solche handele, die von erheblicher und nicht geringer Bedeutung, also keine Bagatelldelikte seien.2181
2178
Siehe hierzu Newsdienst Compliance 2014, 31027. BT-Drs. 18/3043. 2180 Siehe BT-Drs. 18/3043, S. 2. 2181 BT-Drs. 18/3039, S. 15. 2179
A. Beurteilung bisheriger Gesetzesvorhaben
347
Ferner kann sich der Arbeitnehmer an den nächsthöheren Vorgesetzten wenden, wenn der unmittelbare Vorgesetzte vom Verdacht betroffen ist. Erfolgt keine begründete Antwort auf die Meldung binnen einer angemessenen Frist, die aber nicht näher beziffert wird,2182 oder aber ist die Antwort unzureichend, was nach der Auffassung des Whistleblowers und konkreten Anhaltspunkten beurteilt wird, kann sich der Hinweisgeber auch an zuständige Behörden oder außerdienstliche Stellen wenden. Insoweit ist der Gesetzesentwurf gegenüber dem ersten Gesetzesentwurf in Bezug auf das externe Whistleblowing ausdifferenzierter. Es spiegelt auch den Weg der Remonstration wider. Ein unmittelbares Wenden an die Öffentlichkeit ist nun dann möglich, wenn das öffentliche Informationsinteresse das Geheimhaltungsinteresse überwiegt. Ein solches Überwiegen sei insbesondere dann gegeben, wenn infolge rechtswidriger dienstlicher Handlungen oder Unterlassungen eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für Leben, körperliche Unversehrtheit, Gesundheit, Persönlichkeitsrecht, Freiheit der Person, für die Stabilität des Finanzsystems und die Umwelt, sowie die Begehung von erheblichen Straftaten drohe. Diese Ausgestaltung ist vorzugswürdig gegenüber dem ersten Gesetzesentwurf, da sie die Abwägung der maßgeblichen Interessen ermöglicht und zugleich einen Fall nennt, in dem die Abwägung für das öffentliche Informationsinteresse spricht. c) Straftatbestände Der Gesetzesentwurf berücksichtigt zudem die Änderung von Straftatbeständen, indem §§ 97c, d und § 353c StGB eingeführt werden, die das rechtmäßige beziehungsweise befugte Offenbaren von Staatsbeziehungsweise Dienstgeheimnissen enthalten. § 97d StGB behandelt dabei den besonderen Fall des Offenbarens von Staatsgeheimnissen durch Abgeordnete des Bundestages. Gemein ist den Vorschriften des § 97c und § 353c StGB, dass sie erst greifen, wenn Abhilfe nicht zu erwarten ist und das öffentliche Informationsinteresse überwiegt. § 97c StGB stellt klar, dass nicht rechtswidrig handelt, wer Staatsgeheimnisse
zum
Zweck
der
Aufklärung,
Verhinderung
oder
Beendigung
einer
Grundrechtsverletzung oder schweren sonstigen Rechtsverletzung oder der Begehung einer schweren Straftat offenbart. Illegale Staatsgeheimnisse sind nach § 93 II StGB nur solche, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen oder gegen vereinbarte Rüstungsbeschränkungen verstoßen. § 97a erweitert nun den Kreis der Geheimnisse, bei deren Offenbarung der Hinweisgeber sich nicht strafbar macht, da die Rechtswidrigkeit entfällt. Unbestimmt ist, was unter einer schweren Rechtsverletzung oder Straftat zu verstehen ist. In der Gesetzesbegründung heißt es nur, dass diese einschränkend wirken und im Verhältnis zum Geheimnisverrat schwerer wiegen. Ein leichtfertiges Offenbaren von Geheimnissen solle damit verhindert werden. Im Übrigen werden aber erhebliche Straftaten gefordert. Der Hinweisgeber hat sich also somit mit unterschiedlichsten, unbestimmten Begrifflichkeiten auseinanderzusetzen, je nachdem ob
2182
Dies wird auch in der Stellungnahme des DGB kritisiert, DGB, Stellungnahme, S. 7.
348
Kapitel 5: Modellgesetz
er die dienstrechtlichen oder strafrechtlichen Konsequenzen seines Whistleblowings abschätzen möchte. Das geht zu Lasten der Rechtssicherheit. Besonders prekär ist das Auseinanderdriften der Begrifflichkeiten bei § 67a und § 353c. Die Gesetzesbegründung geht hier explizit davon aus, dass § 353c dazu diene, die Folgen der zivilrechtlichen Regelungen § 612b und 67a klarzustellen. § 353c verwendet aber gerade nicht dieselben Anforderungen wie §§ 612b und 67a. § 353c nimmt an, dass das Offenbaren von Geheimnissen jedenfalls dann befugt sei, wenn der Täter zur Aufklärung, Verhinderung oder Beendigung einer Grundrechtsverletzung oder schweren sonstigen Rechtsverletzung oder der Begehung einer schweren Straftat handelt. Das Gleiche gelte für das Offenbaren eines Geheimnisses zur Verhinderung oder Beendigung einer drohenden oder gegenwärtigen Gefahr. § 67a II stellt hingegen auf Gefahren für konkrete Rechtsgüter und nicht Grundrechtsverletzungen ab. Wenn man unter Grundrechtsverletzungen nur Eingriffe in Grundrechte versteht, dann würde die Ausnahme regelmäßig greifen, da staatliche Behörden häufig in Grundrechte eingreifen. Fraglich ist allein, ob der Eingriff rechtmäßig ist oder nicht. Auch offen bleibt, wann das Offenbaren zur Verhinderung oder Beendigung einer drohenden oder gegenwärtigen Gefahr vorliegen soll. Es stellt sich schon die Frage, worauf sich diese Gefahr beziehen soll. Es ist es auch systematisch verfehlt, in der Norm des § 353c die strafrechtlichen Folgen von Geheimnisverrat im Arbeitsverhältnis zu regeln, wie dies nach der Gesetzesbegründung der Fall ist. § 353c hätte bei seiner Verwirklichung im systematischen Kontext von Sonderdelikten gestanden, die nur von Amtsträgern begangen werden können. Eine Regelung der strafrechtlichen Konsequenzen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisverrats, wie er im Arbeitsverhältnis vorkommt, ist an dieser Stelle vollkommen verfehlt. Dritter Gesetzesentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Im Jahr 2018 legte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den dritten Gesetzesentwurf zum Hinweisgeberschutz vor.2183 Hierbei wurde kein eigenes Hinweisgeberschutzgesetz entworfen, sondern für die Abänderung einzelner Vorschriften in diversen Gesetzen optiert. Der Gesetzesentwurf sieht unter anderem Abänderungen im BBG vor, sowie die Einfügung eines Anzeigerechts nach § 612 b BGB. Dabei ist der einzufügende § 67a BBG nahezu wortgleich mit dem Gesetzesentwurf aus dem Jahr 2018. Insofern kann auf die dort ausgeführte Kritik verwiesen werden. Neu hinzugefügt wurde ein Absatz 3, der besagt, dass Beamtinnen und Beamte eine verkörperte Wiedergabe der Information, die sie offenbaren wollen, herstellen und an die jeweils zuständige Stelle übermitteln dürfen, soweit dies erforderlich ist, um die Voraussetzungen ihrer Rechte nach § 67a I, II BBG glaubhaft zu machen. Fazit Die bisherigen Gesetzesvorschläge weisen erhebliche Schwächen auf. Zudem setzen sich nur die Vorschläge des Bündnis 90/Die Grünen dezidiert mit Beamten auseinander. Die größte Schwierigkeit
2183
BT-Drs. 19/4558.
B. Richtlinie 2019/1937
349
bei gesetzlichen Regelungen zum Whistleblowing bereiten die Begriffsbestimmungen und das Zusammenspiel zwischen zivilrechtlichen und strafrechtlichen Normen, sowie die Abwägung der Interessen.
Richtlinie 2019/1937 Die Europäische Kommission legte am 23.4.2018 einen Richtlinienvorschlag vor, mit dem Mindeststandards für den Schutz von Whistleblowern vorgesehen werden sollten.2184 Am 16.4.2019 erfolgte die Verabschiedung durch das Europäische Parlament.2185 Der Rat stimmte im Oktober 2019 zu. Die Vorgaben der Richtlinie sind gemäß Art. 26 I der Richtlinie durch die Mitgliedsstaaten binnen einer Zweijahresfrist umzusetzen, also bis zum 17.12.2021. Die Richtlinie hat zum Ziel, einen einheitlichen Rahmen für den Hinweisgeberschutz zu schaffen und diesen zu stärken und dabei zugleich die Durchsetzung des Unionsrechts zu fördern. In ihrem Erwägungsgrund 1 greift die Richtlinie die Bedeutung der Hinweisgeber auf und stellt den Zusammenhang zwischen Hinweisgebung und öffentlichem Interesse her, indem sie feststellt, dass Beschäftigte häufig als Erste eine auftretende Gefährdung oder Schädigung des öffentlichen Interesses wahrnehmen. Indem sie ihre Beobachtungen melden, würden sie entscheidend dazu beitragen, Gesetzesverstöße, die das öffentliche Interesse beeinträchtigen, aufzudecken und zu unterbinden und das Gemeinwohl zu schützen. Bei Verstößen gegen das Unionsrecht ist es Whistleblowern fortan möglich, Meldungen zu tätigen, ohne Angst vor Sanktionen und Nachteilen haben zu müssen.2186 Nach Art. 25 I und Erwägungsgrund 104 der Richtlinie steht es den Mitgliedsstaaten offen, für den Hinweisgeber günstigere, also nach oben abweichende Bestimmungen zum Whistleblowing zu schaffen, die Richtlinie sieht nur eine Mindestharmonisierung vor. Ein völlig neuer Vorstoß in Sachen Hinweisgeberschutz besteht mit der Anforderung der Richtlinie, bei Unternehmen, die mehr als 50 Beschäftigte aufweisen, ein Hinweisgebersystem einzuführen, Art. 8 III der Richtlinie. Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie erstreckt sich nach Art. 2 auf die Bereiche des öffentlichen Auftragswesens, auf Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte sowie auf die Verhütung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, auf die Produktsicherheit und konformität, die Verkehrssicherheit, den Umweltschutz, den Strahlenschutz und die kerntechnische Sicherheit, die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, die Tiergesundheit und den Tierschutz, die öffentliche Gesundheit, den Verbraucherschutz, sowie den Schutz der Privatsphäre und personenbezogener
Daten
sowie
Sicherheit
von
Netz-
und
Informationssystemen.
Der
Änderungsvorschlag des Rechtsausschusses sah eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auf den
2184
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, COM(2018) 218 final. 2185 ‹http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-8-2019-0366_DE.html›. 2186 Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie.
350
Kapitel 5: Modellgesetz
Schutz von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, Arbeitnehmerrechte, Chancengleichheit und Gleichberechtigung von Mann und Frau am Arbeitsplatz vor.2187 Der Vorschlag konnte sich nicht durchsetzen. Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist sehr umfassend. Dennoch lässt sich über die Auswahl der geschützten Bereiche streiten. So wurde am Vorschlag der Kommission kritisiert, dass dieser nicht den Arbeitnehmerschutz umfasse.2188 Tatsächlich erscheint die Auswahl der geschützten Bereiche etwas willkürlich. Persönlicher Anwendungsbereich Der persönliche Anwendungsbereich erfasst unter anderem gemäß Art. 4 der Richtlinie Arbeitnehmer, Beamte und Selbstständige im Sinne von Art. 49 AEUV. Darüber hinaus erstreckt sich der Anwendungsbereich gemäß Art. 4 II, III auch auf die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und auf das Einstellungsverfahren. Erwägungsgrund 23 der Richtlinie stellt klar, dass Art. 22a, 22b und 22c BSt unberührt bleiben sollen. Dennoch
können
sich
EU-Beamte
in
einem
beruflichen
Kontext
außerhalb
ihres
Beschäftigungsverhältnisses mit den EU-Organen auf die Richtlinie berufen. Vorliegen eines Verstoßes Art. 5 Nr. 1 der Richtlinie definiert, wann ein Verstoß vorliegt. Unter Verstoß ist demnach eine Handlung oder Unterlassung zu verstehen, die rechtswidrig ist und mit den Rechtsakten der Union, die in Art. 2 der Richtlinie genannt sind, in Zusammenhang steht, oder die dem Ziel und Zweck der Vorschriften in den Unionsakten oder den in Art. 2 genannten Bereichen zuwiderläuft. Die Richtlinie wählt damit einen engeren Ansatz als das Geschäftsgeheimnisgesetz, das auch „sonstiges Fehlverhalten“ als Meldegegenstand aufführt, § 5 Nr. 2 GeschGehG.2189 Nach Erwägungsgrund 43 sind auch Verstöße erfasst, die noch gar nicht eingetreten sind, aber mit deren Eintreten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist. Dadurch wird der Anwendungsbereich der Richtlinie stark ausgeweitet.2190 Im Hinblick auf die Geheimnisschutzinteressen und den Schutz von Rechten Dritter, die durch eine solche Meldung betroffen werden, ist dieser weite Anwendungsbereich äußert kritisch zu sehen. Irrtümliche Meldungen Nach Art. 5 Nr. 2 der Richtlinie sind Informationen über Verstöße auch Informationen über begründete Verdachtsmomente. Hinweisgeber erfahren nach Art. 6 I lit. a der Richtlinie auch dann Schutz, wenn sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die Informationen zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen und dass die Informationen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fielen. Nicht geklärt wird jedoch, welchen Sorgfaltsmaßstab der Hinweisgeber bei der Prüfung, ob die
2187
Bericht A8-0398/2018, S. 67; Wiedmann/Thoma, Newsdienst Compliance 2018, 72007. Thüsing/Rombey, NZG 2018, 1001 (1002). Garden/Hiéramente, BB 2019, 963 (963). Siehe hierzu auch das Kapitel Handlungsverbote und Ausnahmetatbestände, S. 97f. 2190 Gerdemann, RdA 2019, 16 (23). 2188 2189
B. Richtlinie 2019/1937
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Voraussetzungen für eine Meldung gegeben sein, anzulegen hat.2191 Hier besteht Handlungsbedarf für den nationalen Gesetzgeber. Es muss feststehen, welche Pflichten den Hinweisgeber im Hinblick auf die Überprüfung treffen. Interne Meldestellen a) Verpflichtung zur Einrichtung von internen Kanälen und Verfahren Eine interne Meldung ist gemäß Art. 5 Nr. 4 der Richtlinie die Übermittlung von Informationen über Verstöße innerhalb einer juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts. Juristische Personen des privaten und des öffentlichen Sektors sind von den Mitgliedsstaaten nach Art. 8 I der Richtlinie zu verpflichten, Kanäle und Verfahren für interne Meldungen und Folgemaßnahmen einzurichten. Die Pflicht zur Einführung besteht nach Art. 8 III der Richtlinie ab einer Mindestanzahl von 50 Beschäftigten. Juristische Personen des öffentlichen Sektors können nach Art. 8 IX von den Mitgliedsstaaten von der Verpflichtung nach Art. 8 I ausgenommen werden, wenn es sich um Gemeinden mit weniger als 10000 Einwohnern handelt oder sie weniger als 50 Arbeitnehmer beschäftigen. Mitgliedsstaaten können nach Art. 8 IX vorsehen, dass interne Meldekanäle von Gemeinden gemeinsam oder gemeinsamen Behördendiensten betrieben werden können. Nach Art. 8 V der Richtlinie können die Meldekanäle auch von externen Dritten bereitgestellt werden. Die Meldung über interne Kanäle kann gemäß Art. 7 I unbeschadet der Art. 10 und 15 der Richtlinie, die die externen Meldungen und die Offenlegung adressieren, vorgenommen werden. Art. 7 II der Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sich dafür einsetzen, dass die Nutzung interner Kanäle der externen Meldung in den Fällen bevorzugt wird, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorangegangen werden kann und der Hinweisgeber keine Repressalien befürchtet. b) Meldemöglichkeiten Art. 9 II der Richtlinie konkretisiert daneben die Art, wie ein Hinweis intern abgegeben werden kann. Er sieht vor, dass die Kanäle schriftliche oder mündliche Hinweise oder Hinweise in beiden Formen ermöglichen müssen. Mündliche Meldungen müssen dabei per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung und auf Ersuchen des Hinweisgebers sogar im Wege einer physischen Zusammenkunft innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens möglich sein. Erwägungsgrund 53 der Richtlinie sieht als Konkretisierung von Art. 9 II und auch Art. 12 II, der für externe Meldungen gilt,2192 vor, dass schriftliche Meldungen auf dem Postweg, über einen Beschwerde-Briefkasten oder über eine Online-Plattform im Intra- oder Internet und/oder mündliche Meldungen über eine Telefon-Hotline oder ein anderes System für gesprochene Nachrichten ermöglicht werden sollen. Meldekanäle können kumulativ auch alle genannten Möglichkeiten erfüllen.
2191 2192
Garden/Hiéramente, BB 2019, 963 (964). Siehe hierzu das Kapitel Folgemaßnahmen zum Hinweis, S. 352.
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Kapitel 5: Modellgesetz c) Informationspflicht gegenüber dem Hinweisgeber
Nach Art. 9 I I lit. b der Richtlinie muss dem Hinweisgeber innerhalb einer Frist von höchstens sieben Tagen nach Eingang der Meldung ihr Eingang bestätigt werden. Es ist zwar zutreffend, dass dies für Unternehmen beziehungsweise sonstige Verpflichtete einen erhöhten Aufwand bedeutet,2193 allerdings kann eine solche Bestätigung Beweiszwecken dienen und erschwert es den Verpflichteten, untätig zu bleiben. Förderlich für die Missstandsaufklärung ist auch Art. 9 I lit. c der Richtlinie, der vorsieht, dass eine unparteiische Person oder Dienststelle benannt wird, die für die Folgemaßnahmen zu den Meldungen zuständig ist, wobei es sich dabei um dieselbe Person oder Dienststelle handeln kann, die die Meldungen entgegennimmt und die mit dem Hinweisgeber in Kontakt bleibt, diesen erforderlichenfalls um weitere Informationen ersucht und ihm Rückmeldung gibt. Durch die Einrichtung einer solchen Stelle, die den Kontakt aufrechterhält, wird der Hinweisgeber mit höherer Wahrscheinlichkeit von einem weiteren externen Whistleblowing absehen, wenn die Missstandsbekämpfung auch tatsächlich stattfindet, da er sich davon überzeugen kann, ob Fortschritte erzielt werden und ein Tätigwerden gegeben ist. Nach Art. 9 I lit. f der Richtlinie ist der Hinweisgeber in einem angemessenen zeitlichen Rahmen über Folgemaßnahmen zu der Meldung zu informieren, und zwar innerhalb von maximal drei Monaten ab der Bestätigung des Eingangs der Meldung. Falls der Eingang nicht bestätigt wurde, muss die Information nach Ablauf von sieben Tagen nach Eingang der Meldung erfolgen. Erwägungsgrund 67 der Richtlinie sieht einen Zeitrahmen für Folgemaßnahmen und Rückmeldungen von drei Monaten vor, relativiert diese Begrenzung jedoch, indem er eine Ausdehnung auf sechs Monate vorsieht, wenn die besonderen Umstände des Falls dies erfordern, insbesondere wenn die Art und die Komplexität des Gegenstandes der Meldung eine langwierige Untersuchung nach sich zieht. Darüber hinaus sind dem Hinweisgeber nach Art. 9 I lit. g der Richtlinie klare und leicht zugängliche Informationen über die Bedingungen und Verfahren für externe Meldungen an die zuständigen Behörden und gegebenenfalls an die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union zur Verfügung zu stellen. Erwägungsgrund 59 der Richtlinie führt hierzu aus, dass die Informationen an einer
sichtbaren,
für
den
gesamten
Personenkreis
zugänglichen
Stelle
sowie
auf
der
Unternehmenswebsite veröffentlicht werden und auch in Kursen und Schulungen zum Thema Ethik und Integrität behandelt werden. d) Folgemaßnahmen zum Hinweis Die nach Art. 9 I lit. c zu benennende Stelle ist nach Art. 9 I lit. d verpflichtet, ordnungsgemäße Folgemaßnahmen zu ergreifen. Damit wird sichergestellt, dass die Stelle nicht untätig bleibt, sondern effektiv auf den Hinweis eingeht.
2193
Garden/Hiéramente, BB 2019, 963 (966).
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Externes Whistleblowing Eine externe Meldung ist gemäß Art. 5 Nr. 5 der Richtlinie die Übermittlung von Informationen über Verstöße an die zuständigen Behörden. Anders als der dieser Arbeit zugrundeliegende Begriff des externen Whistleblowings, der sowohl die Meldung an Behörden, als auch an die Öffentlichkeit und die Presse umfasst, unterscheidet die Richtlinie zwischen externem Whistleblowing und Offenlegung. Offenlegung meint dabei nach Art. 5 Nr. 6 der Richtlinie das öffentliche Zugänglichmachen von Informationen über Verstöße. Die Meldungen über externe Kanäle richten sich nach Art. 10 ff. der Richtlinie. Durch die Mitgliedstaaten sind gemäß Art. 11 I der Richtlinie die zuständigen Behörden, die zur Entgegennahme von Meldungen befugt sind, zu benennen. Erwägungsgrund 64 der Richtlinie greift dies auf und führt weiter aus, dass es sich dabei um Justizbehörden, in den betreffenden Einzelbereichen zuständige Regulierungs- und Aufsichtsstellen oder Behörden mit allgemeinerer Zuständigkeit auf zentraler staatlicher Ebene, Strafverfolgungsbehörden, Korruptionsbekämpfungsstellen oder Ombudsleute handeln kann. Nach Art. 11 II stellen die Mitgliedsstaaten sicher, dass die zuständigen Behörden unabhängige und autonome externe Meldekanäle für die Entgegennahme und Bearbeitung von Informationen über Verstöße einrichten (Art. 11 II lit. a). Ferner müssen auch die externen Stellen den Eingang der Meldung umgehend, spätestens jedoch innerhalb von sieben Tagen bestätigen, es sei denn der Schutz der Identität des Hinweisgebers steht dem entgegen, oder dieser hat sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen (Art. 11 II lit. b). Dem Hinweisgeber ist zudem innerhalb von drei, spätestens innerhalb von sechs Monaten in hinreichend begründeten Fällen, Rückmeldung zu erstatten (Art. 11 II lit. d) und ihm ist das abschließende Ergebnis mitzuteilen (Art. 11 II lit. e). Die Behörde muss im Nachgang der Meldung ordnungsgemäße Folgemaßnahmen ergreifen (Art. 11 II lit. c) und die in der Meldung enthaltenen Informationen rechtzeitig an die jeweils zuständigen Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zur weiteren Untersuchung weiterleiten, sofern diese Möglichkeit nach dem Unionsrecht oder nationalen Recht besteht (Art. 11 II lit. f). Art. 12 II sieht vor, dass externe Meldekanäle Meldungen in schriftlicher und mündlicher Form ermöglichen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung, sowie auf Ersuchen des Hinweisgebers eine physische Zusammenkunft innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens möglich sein muss. Diese Voraussetzungen decken sich mit denen in Art. 9 II für interne Meldungen. Offenlegung Offenlegung meint gemäß Art. 5 Nr. 6 der Richtlinie das öffentliche Zugänglichmachen von Informationen über Verstöße, also beispielsweise an die Presse. Nach Art. 15 I kann ein Hinweisgeber seinen Hinweis offenlegen, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist. Er hat entweder zunächst intern und extern oder auf direktem Weg extern Meldung erstattet, aber zu seiner Meldung wurden innerhalb des Zeitrahmens von Art. 9 I lit. f bzw. Art. 11 II d, der grundsätzlich einen Höchstzeitraum
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Kapitel 5: Modellgesetz
von drei Monaten vorgibt, keine geeigneten Maßnahmen ergriffen. Ebenso kann er offenlegen, wenn ein Verstoß vorliegt, der eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann. Als Beispiel wird hier eine Notsituation oder die Gefahr eines irreversiblen Schadens genannt, wobei anzumerken ist, dass der Begriff der Notsituation reichlich unbestimmt ist. Es ist unklar, wer oder was in eine Notsituation geraten sein soll. Wem oder was der irreversible Schaden drohen muss, ist ebenfalls nicht geklärt. Es sollte eindeutig verlangt werden, dass der Hinweisgeber Grund zur Annahme hat, dass der Verstoß eine solche Gefährdung darstellt und nicht nur „darstellen kann“. Die Relativierung durch das Verb „können“ bringt Rechtsunsicherheit. Es erscheint verfehlt, dass der Hinweisgeber nicht einmal davon ausgehen muss, dass ein Verstoß eine Gefährdung darstellt, sondern dass der Verstoß nur geeignet ist, eine Gefährdung darzustellen. Das würde die Anforderungen an eine Offenlegung zu sehr absenken und die Interessen Dritter und die Geheimhaltungs- und Reputationsinteressen zu stark beeinträchtigen. Dies kann nicht bezweckt sein, lässt sich jedoch dem Wortlaut nach so auslegen. Vorzugswürdig erscheint es deshalb, zu verlangen, dass der Hinweisgeber hinreichend Grund zur Annahme einer Gefährdung hat, da dies der Tatsache gerecht wird, dass der Hinweisgeber nicht immer mit letzter Sicherheit einschätzen kann, ob zum Zeitpunkt des Hinweises die Gefahr auch wirklich gegeben ist. Er muss deshalb eine Prognose anstellen. Ein Verstoß allein, der nur geeignet ist, eine Gefährdung darzustellen, sollte aber gerade nicht genügen. Zudem erscheint die Schwelle eines irreversiblen Schadens äußerst niedrig. Darunter lassen sich auch Bagatellschäden subsumieren. Eine Regelung, die eine Anbindung an besonders schützenswerte Rechtsgüter vorgenommen hätte, wäre insofern interessengerechter gewesen, als sie Geheimhaltungsund Reputationsinteressen besser Rechnung getragen hätte, die einer Offenlegung entgegenstehen. Die Gefahr eines irreversiblen Schadens wird lediglich durch Erwägungsgrund 80 der Richtlinie präzisiert, der beispielhaft die Gefahr einer irreversiblen Schädigung der körperlichen Unversehrtheit nennt. Insofern kann allenfalls aus der Nennung des Rechtsguts körperliche Unversehrtheit, das einen hohen Stellenwert besitzt, abgeleitet werden, dass Bagatellschäden nicht erfasst sein sollen. Zwingend ist dies aber nicht. Zudem kann der Hinweisgeber offenlegen, wenn im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befürchten sind oder aufgrund der besonderen Umstände des Falls geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird, beispielsweise weil Beweismittel unterdrückt oder vernichtet werden könnten oder wenn zwischen einer Behörde und dem Urheber des Verstoßes Absprachen bestehen könnten oder die Behörde an dem Verstoß beteiligt sein könnte. Art. 15 II der Richtlinie besagt, dass Art. 15 I nicht gilt, wenn eine Person auf der Grundlage spezifischer nationaler Bestimmungen, die ein Schutzsystem für die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit bilden, Informationen unmittelbar gegenüber der Presse offenlegt. Anspruch auf Schutz meint, dass die Personen die Schutzmaßnahmen, die in Kapitel VI der Richtlinie genannt sind, in Anspruch nehmen können.
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Vertraulichkeitsschutz Sowohl bei internen als auch bei externen Meldungen muss der Vertraulichkeitsschutz gewahrt werden. Zur Ausgestaltung des Meldeverfahrens im Hinblick auf die Absicherung der Vertraulichkeit gibt Art. 16 der Richtlinie Aufschluss. Die Mitgliedstaaten haben nach Art. 16 I der Richtlinie sicher zu stellen, dass die Identität des Hinweisgebers ohne dessen Zustimmung keiner anderen Person gegenüber offengelegt wird als den befugten Mitarbeitern, die für die Entgegennahme von und/oder Folgemaßnahmen zu Meldungen zuständig sind. Dies gilt auch für alle Informationen, aus denen die Identität des Hinweisgebers direkt oder indirekt abgeleitet werden kann. Art. 16 II der Richtlinie erlaubt die Offenlegung nur für die Fälle, in denen dies nach Unionsrecht oder nationalem Recht eine notwendige und verhältnismäßige Pflicht im Rahmen der Untersuchungen durch nationale Behörden oder von Gerichtsverfahren darstellt. Dies gilt auch im Hinblick auf die Wahrung der Verteidigungsrechte der betroffenen Personen. Art. 16 III der Richtlinie sieht vor, dass für die Offenlegung angemessene Garantien nach den geltenden Vorschriften bestehen müssen. Der Hinweisgeber ist demnach zu unterrichten, bevor seine Identität offengelegt wird, es sei denn, diese Unterrichtung würde die Untersuchung oder das Gerichtsverfahren gefährden. Die zuständige Behörde muss im Rahmen der Unterrichtung dem Hinweisgeber eine schriftliche Begründung für die Offenlegung der betreffenden vertraulichen Daten geben. Nach Art. 16 IV haben die Mitgliedstaaten sicher zu stellen, dass zuständige Behörden, denen Meldungen zugehen, die Geschäftsgeheimnisse beinhalten, diese nicht für Zwecke benutzen oder offenlegen, die über das für ordnungsgemäße Folgemaßnahmen zu den Meldungen erforderliche Maß hinausgehen. Art. 9 I lit. a der Richtlinie greift den Vertraulichkeitsaspekt auf und sieht vor, dass die Meldekanäle so sicher konzipiert, eingerichtet und betrieben werden, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, gewahrt bleibt und nicht befugten Mitarbeitern der Zugriff auf diese Kanäle verwehrt wird. Zusammenspiel mit Art. 23 DSGVO Nach Erwägungsgrund 84 der Richtlinie dient die Wirksamkeit der festgelegten Verfahren für Folgemaßnahmen nach Meldungen über Verstöße gegen Rechtsvorschriften der Union einem wichtigen Ziel des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union und der Mitgliedsstaaten im Sinne von Art. 23 I lit. e DSGVO, denn sie sollen die Durchsetzung des Rechts und der Politik der Union in bestimmten Bereichen, in denen Verstöße dem öffentlichen Interesse ernsthaft schaden können, verbessern. Der Identitätsschutz des Hinweisgebers ist gemäß Art. 23 I lit. i DSGVO notwendig und der Erwägungsgrund 84 der Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten unter anderem erforderlichenfalls die Ausübung bestimmter Datenschutzrechte der betroffenen Personen gemäß Art. 23 I lit. e, i und Art. 23 II DSGVO durch gesetzgeberische Maßnahmen einschränken, soweit und solange dies notwendig ist, um Versuche, Meldungen zu behindern, Folgemaßnahmen nach Meldungen zu verhindern, zu unterlaufen oder zu verschleppen oder die Identität der Hinweisgeber festzustellen, zu
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Kapitel 5: Modellgesetz
verhüten und zu unterbinden. Mithin können auch das Informationsrecht nach Art. 14 DSGVO und das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO beschränkt werden.2194 Vorrangigkeit interner Meldungen Stark diskutiert wurde die Frage, ob zunächst ein interner Abhilfeversuch notwendig sei, bevor sich der Whistleblower an externe Stellen wenden dürfe. Der Entwurf der Kommission statuierte in Art. 13 einen grundsätzlichen Vorrang des internen Whistleblowings. Dies entsprach auch dem Bestreben Deutschlands und Frankreichs, ein gestuftes Vorgehen in der Richtlinie festzulegen. Art. 6 der Richtlinie sieht nunmehr eine Abkehr vom Vorrang der innerbetrieblichen Abhilfe vor. Voraussetzungen für den Schutz der Hinweisgeber sind gemäß Art. 6 I 1 lit. a der Richtlinie, dass sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die gemeldeten Informationen zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen und dass die Informationen in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fielen. Zusätzlich muss für den Schutz der Hinweisgeber gemäß Art. 6 I 1 lit. b der Richtlinie erfüllt sein, der besagt, dass wenn sie intern gemäß Art. 7 und extern gemäß Art. 10 Meldung erstattet haben oder gemäß Art. 15 der Richtlinie auf direktem Wege extern oder öffentlich Informationen gemeldet haben, ein Anspruch auf Schutz besteht. Dies verdeutlicht, unter anderem in Zusammenschau mit Art. 10 der Richtlinie, dass fortan Hinweisgeber Schutz erhalten, die intern, extern oder an die Öffentlichkeit Meldungen erstatten. Damit ist eine Abkehr vom gestuften Vorgehen, mit dem Vorrang der innerbetrieblichen Abhilfe, vollzogen. Lediglich der Vorrang der internen und externen Meldung gegenüber der Offenlegung in Art. 15 DSGVO besteht noch. Die Richtlinie steht damit auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGHs, des EGMR und der deutschen Gerichte. Wie in der Literatur treffend angemerkt, widerspricht dieses insbesondere den in der Rechtssache Heinisch festgelegten Voraussetzungen für das Whistleblowing, nach denen explizit eine Interessenabwägung erst den Weg des externen Whistleblowings eröffnen kann. Dabei werden erstaunlicherweise in Erwägungsgrund 33 die vom EGMR in seiner Rechtsprechung aufgestellten Kriterien aufgegriffen.2195 Zudem stellt die Aufgabe des abgestuften Vorgehens eine fehlende Berücksichtigung der Geheimhaltungs- und Reputationsinteressen des Arbeitgebers und des Unternehmens, sowie der Interessen der von der Meldung betroffenen Personen dar. Hinweisgeberstellen Die Richtlinie führt bezüglich Hinweisgeberstellen in Art. 8 V aus, dass die Meldekanäle intern von einer dafür bestimmten Person oder Abteilung betrieben oder extern von einem Dritten bereitgestellt werden können. In der Praxis werden Unternehmen und Behörden nach eigener Einschätzung eine passende Hinweisgeberstelle einrichten. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Arbeitnehmern besteht nach
2194 2195
Garden/Hiéramente, BB 2019, 963 (965f.). Garden/Hiéramente, BB 2019, 963 (965).
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Art. 8 VI allerdings die Möglichkeit, dass sie sich die Ressourcen für die Entgegennahme von Hinweisen und die durchzuführenden Untersuchungen teilen. Erwägungsgrund 56 der Richtlinie nennt beispielhaft als interne Adressaten der Hinweisgebermeldung in Unternehmen unter anderem den Leiter der Compliance- oder Personalabteilung, einen Integritätsbeauftragten, den Datenschutzbeauftragten oder ein Vorstandsmitglied, betont aber, dass dies von der Struktur des Unternehmens abhänge. Erwägungsgrund 54 nennt als mögliche Stellen von externen Dritten Meldeplattformen, externe Berater, Prüfer, Gewerkschaftsvertreter oder Arbeitnehmervertreter. Anonyme Maßnahmen Art. 9 I lit. e sieht vor, dass Folgemaßnahmen für anonyme Meldungen entsprechend dem einzelstaatlichen Recht getroffen werden. Art. 6 II legt fest, dass es im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt, ob private und öffentliche Organisationen und zuständige Behörden anonyme Meldungen zu Verstößen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, annehmen und Folgemaßnahmen ergreifen. Anonyme Hinweisgeber sollten nach Art. 6 III der Richtlinie Schutz genießen, wenn sie anschließend identifiziert werden und Repressalien ausgesetzt sind, sofern die Voraussetzungen von Art. 6 I erfüllt sind. Verbot von Repressalien Die Richtlinie greift die mannigfaltigen Sanktionsmöglichkeiten für Whistleblowing in Art. 19 der Richtlinie auf. Genannt werden hierbei unter anderem die Suspendierung, die Entlassung, die Herabstufung oder Versagung von Beförderung, negative Leistungsbeurteilungen, Mobbing, Diskriminierung, das black lisiting und die Schädigung einschließlich der Rufschädigung. Der Katalog ist äußerst umfassend und bietet daher seinem Anwendungsbereich nach einen umfangreichen Schutz. Damit ist Art. 19 auch weitergehend als § 612a BGB.2196 Art. 21 II der Richtlinie stellt klar, dass Hinweisgeber, die eine externe Meldung tätigen, dabei „in keiner Weise haftbar gemacht werden“ können, sofern sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die Meldung oder Offenlegung der Informationen notwendig war, um einen Verstoß gemäß dieser Richtlinie aufzudecken. Dies erfasst jedenfalls den Ausschluss von vertraglichen Pflichtverletzungen. Da Art. 21 II der Richtlinie vom Wortlaut her einer weiten Auslegung zugänglich ist, kann die Norm auch so verstanden werden, dass keine strafrechtliche Sanktionierung erfolgen darf. Hierfür spricht auch Erwägungsgrund 91 der Richtlinie, der besagt, dass Hinweisgeber weder zivil-, noch straf-, noch verwaltungsrechtlich haftbar gemacht werden können.2197 Allerdings gilt dies nicht für überflüssige Informationen. Somit muss aber, wie in der Literatur richtig angemerkt, der Hinweisgeber bei seiner Meldung überprüfen, ob jegliche Information wirklich offengelegt werden muss.2198
2196
Garden/Hiéramente, BB 2019, 963 (966). Garden/Hiéramente, BB 2019, 963 (967). 2198 Garden/Hiéramente, BB 2019, 963 (967). 2197
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Kapitel 5: Modellgesetz Beweislastumkehr
Mit dem umfassenden Verbot von Repressalien geht eine in Art. 21 V geregelte Beweislastumkehr in Gerichtsverfahren und in Verfahren vor anderen Behörden einher, nach der die Gegenpartei nun darlegen muss, dass eine Benachteiligung nicht auf der Meldung beruht. Der Hinweisgeber muss nur geltend machen, dass die Benachteiligung eine Vergeltungsmaßnahme für seine Meldung war. Die Beweislastumkehr beseitigt damit das Hindernis, das regelmäßig Whistleblower davon abhält, ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen, weil sie nicht nachweisen können, dass eine Maßnahme gerade als Vergeltung auf ihr Hinweisgeben erfolgt.2199 Somit ist die Beweislastumkehr zu begrüßen. Verbleibendes strafrechtliches Sanktionsrisiko Art. 21 III der Richtlinie besagt, dass Hinweisgeber nicht für die Beschaffung oder den Zugriff auf Informationen, die gemeldet oder offengelegt wurden, haftbar gemacht werden, sofern die Beschaffung oder der Zugriff nicht als solche bzw. solcher eine eigenständige Straftat dargestellt haben. Im Fall, dass die Beschaffung oder der Zugriff eine eigenständige Straftat darstellen, unterliegt die strafrechtliche Haftung weiterhin dem nationalen Recht. Nicht unter den Schutz der Richtlinie fällt somit jegliche Beschaffung der Information.2200 Auch jede weitere Haftung des Hinweisgebers aufgrund von Handlungen oder Unterlassungen, die nicht mit der Meldung oder Offenlegung im Zusammenhang stehen oder für die Aufdeckung eines Verstoßes nach dieser Richtlinie nicht erforderlich sind, unterliegt nach Art. 21 IV weiterhin dem geltenden Unionsrecht oder nationalen Recht. Erwägungsgrund 92 der Richtlinie führt aus, dass Hinweisgeber, die Informationen rechtmäßig erlangt haben oder sich rechtmäßig Zugang verschafft haben, geschützt werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine strafrechtliche Sanktionierung bei rechtswidriger Erlangung oder Zugangsverschaffung erfolgen kann. So sind, wie Erwägungsgrund 92 der Richtlinie klarstellt, der Hausfriedensbruch und das Hacking weiterhin strafbar. Auch aus § 202a StGB kann sich eine Strafbarkeit ergeben.2201 In
Friktion
gerät
die
Hinweisgeberrichtlinie
mit
§ 203 I StGB.2202
Dieser
sieht
den
Berufsgeheimnisschutz für verschiedene Berufsgruppen vor. Art. 3 III lit. b der Richtlinie sieht vor, dass der Schutz der anwaltlichen und ärztlichen Verschwiegenheitspflichten nicht berührt werden soll. § 203 I StGB sieht aber neben der Absicherung des anwaltlichen und ärztlichen Berufsgeheimnisses auch weitere Berufsgeheimnisträgergruppen vor. Unklar ist nun, ob diese Berufsgruppen, wie beispielsweise Notare, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, als Hinweisgeber tätig werden können und ob insoweit ein Sanktionsrisiko besteht. Auch Erwägungsgrund 26 der Richtlinie liefert keine weitere Aufklärung, da auch hier nur die anwaltliche und die ärztliche Verschwiegenheitspflicht genannt
2199
Zu den Schwierigkeiten, den kausalen Zusammenhang zwischen Meldung und Repressalien nachzuweisen siehe auch Erwägungsgrund 93 der Richtlinie. Johnson untersucht die Frage, ob aufgrund der Beweislastumkehr ein institutioneller Rechtsmissbrauch droht und verneint die Frage schlussendlich, siehe Johnson, CCZ 2019, 66 (71). 2200 Garden/Hiéramente, BB 2019, 963 (967). 2201 Garden/Hiéramente, BB 2019, 963 (968). 2202 Siehe auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963 (968).
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werden, wobei in Bezug auf die ärztliche Verschwiegenheitspflicht auch auf Therapeuten und Erbringer von Gesundheitsdienstleistungen abgestellt wird. Erwägungsgrund 27 der Richtlinie führt aus, dass Angehörige anderer Berufe Anspruch auf Schutz im Rahmen der Richtlinie haben, wenn sie durch geltende Berufsregeln geschützte Informationen melden, sofern die Meldung dieser Informationen für die Aufdeckung eines Verstoßes im Anwendungsbereich dieser Richtlinie notwendig ist. Dies spricht dafür, dass die Richtlinie tatsächlich bezweckt, dass andere Berufsgruppen des § 203 I StGB, außer die ärztlichen Berufe und Anwälte, sich als Hinweisgeber betätigen können, ohne gegen § 203 I StGB zu verstoßen. In Deutschland würde diese zu vollkommen abstrusen Ergebnissen führen. Die anwaltliche Schweigepflicht würde weiterhin Geltung beanspruchen, während auf die notarielle Schweigepflicht nicht mehr vertraut werden könnte. Für diese Ungleichbehandlung besteht kein sachlicher Grund. Anwaltsnotare, die es in Deutschland gibt, müssten offenbar demnach danach unterscheiden, was sie als Anwalt und was sie als Notar erfahren haben. Zusammenspiel mit dem Geschäftsgeheimnisschutz Art. 21 VII stellt klar, dass Whistleblower, die mit ihrer Meldung Geschäftsgeheimnisse offenlegen, erlaubt
handeln
und
die
Offenlegung
rechtmäßig
im
Sinne
von
Art. 3 II
der
Geschäftsgeheimnisrichtlinie ist. Die Geschäftsgeheimnisrichtlinie sieht, ebenso wenig wie das Geschäftsgeheimnisgesetz und die Hinweisgeberrichtlinie, einen Vorrang der internen Abhilfe vor. Kritikpunkt am Geschäftsgeheimnisgesetz war die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Hinweisgebervorschrift des § 5 Nr. 2 GeschGehG, wenn ein sonstiges Fehlverhalten gemäß § 5 Nr. 2 GeschGehG vorliegt.2203 Dadurch ist der Anwendungsbereich der Vorschrift kaum eingrenzbar. Die Hinweisgeberrichtlinie ist bezüglich des sachlichen Anwendungsbereichs etwas restriktiver. Nach Art. 2 der Richtlinie ist der Anwendungsbereich nur eröffnet, wenn Verstöße im Sinne des Art. 5 Nr. 1 der Richtlinie vorliegen. Diese müssen gemäß Art. 5 Nr. 1 der Richtlinie Handlungen oder Unterlassungen sein, die rechtswidrig sind. Damit ist also unethisches Verhalten nicht erfasst. Allerdings erfasst Art. 5 Nr. 2 der Richtlinie auch Handlungen und Unterlassungen, die dem Ziel oder Zweck der Vorschriften der Rechtsakte der Union und der Bereiche, die in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 2 fallen, zuwiderlaufen. Der Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 2 ist äußerst unbestimmt. Das Zusammenspiel mit der Geschäftsgeheimnisrichtlinie wird von Erwägungsgrund 98 aufgegriffen. Dieser besagt, dass sich Hinweisgeberrichtlinie und Geschäftsgeheimnisrichtlinie ergänzen sollen und die in der Geschäftsgeheimnisrichtlinie vorgesehenen zivilrechtlichen Schutzmaßnahmen, Verfahren, Rechtsbehelfe und Ausnahmen immer dann gelten sollen, wenn eine Offenlegung nicht in den Anwendungsbereich der vorliegenden Richtlinie fällt. Da der sachliche Anwendungsbereich der
2203
Vgl. zur Kritik das Kapitel Beurteilung der Regelungen zu Hinweisgebern, S. 99f.
360
Kapitel 5: Modellgesetz
Geschäftsgeheimnisrichtlinie
und
des
Geschäftsgeheimnisgesetzes
breiter
ist
als
der
der
Hinweisgeberrichtlinie, verbleibt auch ein Anwendungsbereich. Zusammenspiel mit der JI-Richtlinie Erwägungsgrund 85 der Richtlinie besagt, dass der wirksame Schutz der Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber zudem für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen, insbesondere der Hinweisgeber, notwendig ist, wenn die Meldungen von Behörden im Sinne von Art. 3 Nr. 7 Richtlinie (EU) 2016/680 (sogenannte JI-Richtlinie) bearbeitet werden. Der Anwendungsbereich der JI-Richtlinie ist dann eröffnet, wenn die Behörden repressiv tätig werden, also in Strafverfolgungsverfahren sowie in Verfahren zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. Datenverarbeitungen, die der Gefahrenabwehr dienen, fallen in den Anwendungsbereich, soweit die handelnde Behörde auch repressive Befugnisse zur Straftatenverfolgung besitzt.2204 Maßgebliche Instanz bei der Bekämpfung von Straftaten sind die Polizeibehörden.2205 Die Mitgliedstaaten sollen nach Erwägungsgrund 85 die Wirksamkeit dieser Richtlinie gewährleisten, indem sie unter anderem erforderlichenfalls die Ausübung bestimmter Datenschutzrechte betroffener Personen gemäß Art. 13 III lit. a und e, Art. 15 I lit. a und e, Art. 16 IV lit. a und e und Art. 31 V der JI-Richtlinie durch gesetzgeberische Maßnahmen einschränken, soweit und solange dies notwendig ist, um Versuche, Meldungen zu behindern, Folgemaßnahmen, insbesondere Untersuchungen, zu verhindern, zu unterlaufen oder zu verschleppen oder Versuche, die Identität der Hinweisgeber festzustellen, zu verhüten und zu unterbinden. Die Umsetzung von Erwägungsgrund 85 soll jedoch nicht mit dem Modellgesetz geschehen, da das Modellgesetz die Hinweisgebung selbst adressiert und nicht die Bearbeitung der der Meldung zugrundeliegenden Missstände durch diese Behörden. Sanktionierung bei Behinderung und Falschmeldung Art. 23 I der Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten wirksame und abschreckende Sanktionen für natürliche und juristische Personen festlegen, die die Meldung behindern oder zu behindern versuchen, Repressalien gegen die in Art. 4 genannten Personen ergreifen oder mutwillige Gerichtsverfahren gegen diese anstrengen oder gegen die Pflicht gemäß Art. 16 verstoßen, die Vertraulichkeit der Identität von Hinweisgebern zu wahren. Ebenso sollen nach Art. 23 II der Richtlinie Sanktionen für diejenigen Hinweisgeber vorgesehen werden, die wissentlich falsche Meldungen oder Offenlegungen vorgenommen haben. Daneben sind auch Maßnahmen zur Wiedergutmachung von Schäden, die durch die Meldungen oder Offenlegungen entstanden sind, vorzusehen. Art. 21 VIII enthält einen Schadensersatzanspruch des Hinweisgebers. Dazu sollen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um nach einzelstaatlichem Recht Rechtsbehelfe und eine 2204 2205
Siehe zum Anwendungsbereich BT-Drs. 18/11325, S. 110. Siehe hierzu Borell/Schindler, in: David u.a. (Hrsg.), Informatik, S. 394, die darauf hinweisen, dass durch die JI-Richtlinie auch weitere Behörden wie Staatsanwaltschaften und Gerichte erfasst sind.
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vollständige Wiedergutmachung des erlittenen Schadens für den Hinweisgeber sicherzustellen, die die in Art. 6 festgelegten Voraussetzungen für den Schutz des Hinweisgebers erfüllen. Erwägungsgrund 95 nennt als mögliche Rechtsbehelfe unter anderem Wiedereinstellungs- oder Wiedereinsetzungsklagen. Verarbeitung personenbezogener Daten und Hinweisgeberrichtlinie Art. 17 legt fest, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten im Einklang mit der DSGVO und der JI-Richtlinie zu erfolgen hat. Art. 17 DSGVO stellt auch klar, dass personenbezogene Daten, die für die Bearbeitung einer spezifischen Meldung offensichtlich nicht relevant sind, nicht erhoben bzw. unverzüglich wieder gelöscht werden, falls sie unbeabsichtigt erhoben wurden. In Erwägungsgrund 83 soll bei der Verarbeitung besondere Bedeutung den in Art. 5 DSGVO genannten Grundsätzen geschenkt werden, sowie dem Grundsatz in Art. 25 DSGVO. Diese Aussage ist ohne Inhalt, da jede Verarbeitung die im Einklang mit der DSGVO stehen soll, den Grundsätzen in Art. 5 DSGVO genügen muss und auch Art. 25 DSGVO Rechnung tragen muss. Erwägungsgrund 74 legt fest, dass die für die Bearbeitung der Meldungen zuständigen Mitarbeiter der zuständigen Behörden speziell geschult und auch mit den geltenden Datenschutzvorschriften vertraut sein sollten. Dies sollte allerdings nicht nur für Behörden, sondern für jegliche Personen und Stellen in Hinweisgebersystemen gelten. Umsetzung des nationalen Gesetzgebers und Regelungsspielraum Nach Art. 2 II der Richtlinie besteht für den nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, den Schutz nach einzelstaatlichem Recht in Bezug auf Bereiche oder Rechtsakte auszudehnen, die nicht unter den Anwendungsbereich des Art. 2 I der Richtlinie fallen. Somit kann der deutsche Gesetzgeber die Umsetzung der Richtlinie zum Anlass nehmen, einen umfassenderen Schutz für Hinweisgeber gesetzlich zu verankern, der die Mindestvorgaben der Richtlinie achtet.2206 Der nationale Gesetzgeber sollte auch bei Verletzungen gegen rein innerstaatliches Recht einen Whistleblower-Schutz vorsehen. Andernfalls ist der Hinweisgeber gezwungen, zu prüfen, ob bei einem Missstand ein Verstoß gegen das Unionsrecht oder das innerstaatliche Recht gegeben ist.2207 Ein solches Auseinanderdriften des Schutzes würde aufgrund der Prüfungsaufgabe, welches Recht einschlägig ist, das Whistleblowing verkomplizieren und potentielle Hinweisgeber verunsichern. Schwierig ist die Umsetzung für Beamte, die Hinweisgeber sind, aus nationaler Sicht. Die Richtlinie sieht keine Differenzierung zwischen Arbeitnehmern und Beamten vor, vielmehr werden beide gleichbehandelt. Im nationalen Recht bestehen jedoch als Spezifikum die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 V GG. Wie die vorangegangenen Untersuchungen gezeigt haben, bestehen zwischen Arbeitnehmern und Beamten aber Unterschiede und jeweilige Besonderheiten, die Berücksichtigung finden müssen, die maßgeblich auf den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums fußen. Würde man eine Hinweisgebung ohne Vorrang der innerbehördlichen 2206
Siehe hierzu auch Groß/Platzer, NZA 2018, 913 (913). Zur Umsetzung siehe auch Aszmons/Herse, DB 2019, 1849. 2207 Wiedmann/Seyfert, CCZ 2019, 12 (19).
362
Kapitel 5: Modellgesetz
Abhilfe auch bei Beamten umsetzen, würde dies dazu führen, dass das austarierte Geflecht aus Amtsverschwiegenheitspflicht,
Folgepflicht,
Remonstrationsrecht
bzw.
-pflicht,
Dienstweggebundenheit und der Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, das auch bei der Hinweisgebung zur Anwendung kommt,2208 negiert würde. Dabei würden auch hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums, wie der Grundsatz der Amtsverschwiegenheit, beschnitten. Der grundsätzliche Vorrang der innerbehördlichen Abhilfe ermöglicht es, diesen Grundsätzen und Pflichtengeflecht Rechnung zu tragen und zugleich die Hinweisgebung auch bei Beamten effektiv zu ermöglichen. Der Vorrang der innerbetrieblichen beziehungsweise innerbehördlichen Abhilfe trägt zudem allgemein besser den berechtigten Geheimhaltungsinteressen Rechnung. Fazit Die Hinweisgeberrichtlinie hat einen sehr weiten Anwendungsbereich. Die Abkehr vom Vorrang des innerbetrieblichen Abhilfeversuchs ist bedauerlich. Das nationale Recht und auch das europäische Recht können durch die dort vorgesehene abgestufte Vorgehensweise aus Vorrang der internen Meldung, nur unter bestimmten Umständen eine externe Meldung an Behörden und nur als ultima ratio eine Offenlegung, den Geheimhaltungs- und Reputationsinteressen besser Rechnung tragen. Der Hinweisgeberrichtlinie mangelt es an einer ausgewogenen Abwägung der Geheimhaltungsinteressen und Reputationsinteressen mit den Interessen der Öffentlichkeit, von dem Missstand zu erfahren und diesen zu beseitigen. Die Richtlinie sieht internes und externes Whistleblowing ohne weitere Einschränkung als gleichwertig an. Nur die Offenlegung wird davon separiert. Nicht an jedem Missstand besteht ein öffentliches Informationsinteresse und auch öffentliche Interessen streiten unterschiedlich stark für das Whistleblowing. Ebenso fehlt es an einer Differenzierung zwischen Arbeitnehmern und Beamten. Dabei wäre es aus nationaler Sicht im Hinblick auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 V GG vorzugswürdig gewesen, dass bei Beamten ein abgestufter Meldevorgang vorgesehen worden wäre, der die in Art. 33 V GG wurzelnden spezifischen beamtenrechtlichen Pflichten berücksichtigt.
VIII.
Die in die Abwägung einzustellenden Interessen
Die Untersuchung hat gezeigt, dass Whistleblowing drei große Dimensionen anspricht, die wechselseitig aufeinander einwirken. Es wurden die jeweiligen Interessen beim Whistleblowing bereits herausgearbeitet und ihr Zusammenspiel in Bezug auf das Whistleblowing wurde in den Kontexten Macht, Geheimnis und Information näher betrachtet. Die Interessen wurden an Grundrechte rückangebunden und es wurde gezeigt, inwiefern sie bereits in einfachgesetzlichen Regelungen kodifiziert wurden. Neben der Untersuchung, inwiefern die Interessen Auswirkungen auf das Individuum haben, wurde auch aufgezeigt, welche Auswirkungen sie für die Gesellschaft und Demokratie zeitigen. Die Situation des Hinweisgebers wurde durch die dezisionale und informationelle 2208
Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Rechte und Pflichten des Beamten, S. 155 ff.
B. Richtlinie 2019/1937
363
Privatheit gesondert untersucht. Insbesondere wurde aufgezeigt, inwieweit Geheimhaltungs- und Reputationsinteressen zurücktreten müssen, wenn das Whistleblowing berechtigt erfolgt. Ebenso wurden die Auswirkungen durch das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit aufgezeigt, die für das Whistleblowing streiten können. Ausreichender Datenschutz und IT-Sicherheit sind unabdingbare Voraussetzungen für das Whistleblowing. Nur so kann die informationelle Privatheit gewährleistet werden.
IX.
Zur Fassung der Ergebnisse in ein Gesetz
Die Gesetzgebungslehre hat sich als eigene Wissenschaft in jüngerer Zeit herausgebildet.2209 Die Bemühungen um eine bessere Gesetzgebung firmieren auch unter dem Begriff „better regulation“.2210 Das Bundesministerium der Justiz hat eigens zu dem Zweck ein „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“ herausgegeben, das den Weg zur guten Gesetzgebung aufzeigen und eine Hilfestellung bieten soll.2211 Es kann an dieser Stelle nur auf die einschlägigen Werke verwiesen werden und keine nähere Auseinandersetzung mit diesem eigenen Wissenschaftszweig erfolgen. Gleichwohl bilden die Erkenntnisse der Gesetzgebungslehre die Grundlage für die Rechtsetzung, die im Folgenden vorgenommen
wird.
An
dieser
Stelle
sei
auch
Gesetzesfolgenabschätzung vorgenommen werden kann.
darauf
verwiesen,
dass
hier
keine
2212
Modellgesetz Im Folgenden wird ein Modellgesetz entworfen, das sowohl Arbeitnehmer als auch Beamte berücksichtigt. Anschließend erfolgen knappe Erläuterungen zu den wesentlichen Punkten des Hinweisgebermodellgesetzes, die durch die Ergebnisse der vorangegangenen Untersuchungen gespeist werden. Eine nationale Regelung sollte dazu genutzt werden, nicht nur die Vorgaben der Hinweisgeberrichtlinie in nationales Recht umzusetzen, sondern das Whistleblowing umfassend zu regeln. Nur auf diese Weise kann Rechtssicherheit für Hinweisgeber in Deutschland hergestellt werden. Auf Konformität mit der Hinweisgeberrichtlinie sollte, soweit möglich, auch dort geachtet werden, wo der Anwendungsbereich der Hinweisgeberrichtlinie nicht eröffnet ist. Andernfalls droht ein Auseinanderfallen der jeweiligen Schutzregime und ein unüberschaubarer und uneinheitlicher Schutz, der zu Lasten der Hinweisgeber geht. Der Hinweisgeber müsste andernfalls vor jeder Meldung überprüfen, ob ein Verstoß gegen Unionsrecht vorliegt, der ihn zur Meldung unter der Hinweisgeberrichtlinie berechtigt, oder ob seine Meldung in den Anwendungsbereich des Hinweisgebergesetzes fällt.
2209
Siehe hierzu Fliedner, Rechtssetzung, S. 37; Hill, Gesetzgebungslehre, Noll, Gesetzgebungslehre; Winkler/Schilcher, Gesetzgebung; siehe auch die zahlreichen Nachweise bei Meßerschmidt, ZJS 2008, 111; Die EU-Kommission hat hierzu ihre Aktivität in Form der Programme Better Regulation und REFIT aufgenommen, siehe Pressemitteilung der EU-Kommission vom 19.5.2015, IP/15/4988. 2211 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit. 2212 Zum Instrument der Gesetzesfolgenabschätzung siehe beispielsweise Grimm, ZRP 2002, 443; Grimm, ZRP 2000, 87. 2210
364
Kapitel 5: Modellgesetz
I.
Gesetzesvorschlag für ein Hinweisgeberschutzgesetz
§ 1 Zweck des Gesetzes Das Hinweisgeberschutzgesetz dient dem Schutz von Hinweisgebern und schafft einheitliche nationale Voraussetzungen für die Hinweisgebung. § 2 Sachlicher Anwendungsbereich Dieses Gesetz gilt für das Hinweisgeben in privaten Unternehmen und den Behörden des Bundes, sowie sonstigen Bundesorganen und -einrichtungen. Ausgenommen sind die Gerichtsbarkeit und die Nachrichtendienste. Die Tätigkeit des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages bleibt unberührt. § 3 Begriffsbestimmungen (I)
Hinweisgeben ist jede tatsachenbezogene Meldung über einen Missstand.
(II)
Missstand im Sinne des Gesetzes ist jede Straftat und jedes rechtswidrige Verhalten, die bzw. das dem Hinweisgeber bei oder bei Gelegenheit seiner beruflichen Tätigkeit bekannt wurde oder die bzw. das im Zusammenhang mit dem Betrieb beziehungsweise mit der Dienststelle des Verantwortlichen steht. Ein Missstand ist auch gegeben, wenn der Anwendungsbereich der Richtlinie 2018/0106 eröffnet ist und ein Verstoß im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. ii vorliegt.
(III)
Verantwortliche im Sinne dieses Gesetzes sind Unternehmen und Behörden des Bundes, sowie sonstige Bundesorgane und -einrichtungen im Sinne von § 2.
§ 4 Persönlicher Anwendungsbereich (I)
Hinweisgeber sind Arbeitnehmer, sowie Beamte im Sinne des Bundesbeamtengesetzes. Das Gesetz findet ferner Anwendung auf zur Berufsausbildung Beschäftigte, Selbstständige, Anteilseigner und Personen, die dem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Unternehmens angehören, einschließlich der nicht geschäftsführenden Mitglieder, Freiwillige, bezahlte und unbezahlte Praktikanten, sowie Personen, die unter der Aufsicht und Leitung von Auftragnehmern, Unterauftragnehmern und Lieferanten arbeiten.
(II)
Dieses Gesetz findet auch Anwendung auf Personen, die ihren Hinweis erst nach Ausscheiden aus dem Arbeits- beziehungsweise Dienstverhältnis geben.
(III)
Dieses
Gesetz findet auch
Anwendung, wenn das Arbeits- beziehungsweise
Dienstverhältnis noch nicht begonnen hat, aber bereits ein Einstellungsverfahren oder andere vorvertragliche Verhandlungen durchgeführt wurden und in diesem Zusammenhang Informationen über einen Missstand erlangt wurden. § 5 Benachteiligungsverbot (I)
Hinweisgeber dürfen für das Hinweisgeben nicht benachteiligt werden.
(II)
Eine Benachteiligung ist
C. Modellgesetz 1. jede
365 zivilrechtliche
Sanktionierung,
insbesondere
die
Kündigung
des
Arbeitsverhältnisses, die Suspendierung und vergleichbare Maßnahmen 2. jede Disziplinarmaßnahme im Sinne des BDG, Rüge oder sonstige Sanktion einschließlich finanzieller Sanktionen 3. jede strafrechtliche und ordnungsrechtliche Sanktionierung 4. jede Diskriminierung, benachteiligende oder ungleiche Behandlung 5. jede Herabstufung oder Versagung von Beförderungen, jede Aufgabenverlagerung, Verlagerung des Arbeitsplatzes, Gehaltsminderung, Änderung von Arbeitszeiten 6. jede Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen 7. jede negative Leistungsbeurteilung und jede Ausstellung eines schlechten Arbeitszeugnisses 8. Mobbing, Nötigung, Einschüchterung oder Ausgrenzung 9. jede Schädigung und jede Rufschädigung, insbesondere in sozialen Medien, oder Herbeiführung finanzieller Verluste (einschließlich Auftrags- und Einnahmeverluste) 10. jede Erfassung des Hinweisgebers auf einer schwarzen Liste auf Basis einer informellen oder formellen sektor- oder branchenspezifischen Vereinbarung mit der Folge, dass der Hinweisgeber sektor- oder branchenweit keine Beschäftigung mehr findet 11. jede vorzeitige Kündigung oder Aufhebung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen 12. jeder Entzug einer Lizenz oder Genehmigung 13. jede Nichtumwandlung eines befristeten Arbeitsvertrages in einen unbefristeten Arbeitsvertrag in Fällen, in denen der Arbeitnehmer zu Recht erwarten durfte, einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten zu bekommen 14. jede Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrages 15. jede psychiatrische oder ärztliche Überweisung die aufgrund einer Hinweisgebung erfolgt. (III)
Vereinbarungen, die zu Lasten des Hinweisgebers vom Benachteiligungsverbot abweichen, sind unwirksam.
§ 6 Ausnahme vom Schutz Ein Hinweisgeber, der leichtfertig oder vorsätzliche falsche Angaben macht, wird nicht geschützt. § 7 Betrieb von Hinweisgebersystemen (I)
Verantwortliche sind verpflichtet, bei einer Beschäftigtenzahl von mehr als 50 Personen Hinweisgebersysteme einzurichten.
366
Kapitel 5: Modellgesetz (II)
Die Verantwortlichen stellen zweckdienliche Informationen über die Nutzung der Hinweisgebersysteme bereit. Die Informationen sind in klarer, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache bereitzustellen.
(III)
Das Hinweisgebersystem kann durch die Verantwortlichen selbst betrieben werden oder an externe Dritte ausgelagert werden. Wird der Betrieb des Hinweisgebersystems an Dritte ausgelagert, findet Art. 28 DSGVO Anwendung.
(IV)
Das Hinweisgebersystem muss unparteiische Personen oder Dienststellen vorsehen, die für Folgemaßnahmen zur Bearbeitung des Hinweises zuständig sind. Diese Personen oder Dienststellen können identisch mit den zur Entgegennahme von Hinweisen im Hinweisgebersystem zuständigen Personen oder Stellen sein. Die Personen oder Stellen für Folgemaßnahmen sind verpflichtet, die gemeldeten Tatsachen daraufhin zu prüfen, ob sie sachlich zutreffend sind und Anlass für Folgemaßnahmen geben. Im Rahmen der Tatsachenprüfung können die Personen oder Stellen weitere Auskünfte einholen, Anfragen stellen und interne Ermittlungen einleiten, dabei ist die Vertraulichkeit nach § 9 I zu wahren. Die Person oder Stelle für Folgemaßnahmen erstattet der Unternehmens- oder Behördenleitung nach Abschluss der Prüfung einen Bericht und gibt gegebenenfalls Empfehlungen für weitere Maßnahmen. Die Unternehmens- oder Behördenleitung ist für die Durchführung dieser Maßnahmen verantwortlich; die konkrete Umsetzung richtet sich nach der Zuständigkeit des Unternehmens oder der Behörde. Ist von der Unternehmens- oder Behördenleitung keine Abhilfe zu erwarten, kann die Person oder Dienststelle sich direkt an die zuständigen Behörden wenden. Die Personen oder Stellen für Folgemaßnahmen erstatten in angemessenen zeitlichen Rahmen, maximal innerhalb von drei Monaten, Rückmeldungen an den Hinweisgeber über den Verlauf der Ermittlungen. Der Hinweisgeber ist verpflichtet, für Rückfragen zur Verfügung zu stehen.
(V)
Hinweisgebersysteme sind so einzurichten, dass Meldungen schriftlich und/oder mündlich abgegeben werden können. Der Verantwortliche kann zudem einen Zugang für elektronische Kommunikation eröffnen. Die Möglichkeit zur physischen Zusammenkunft mit den Personen, die mit der Bearbeitung der eingehenden Hinweise betraut sind, muss gegeben sein und auf Ersuchen des Hinweisgebers muss eine physische Zusammenkunft innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens stattfinden.
(VI)
Der Eingang der Meldung ist dem Hinweisgeber innerhalb von sieben Werktagen ab Eingang der Meldung zu bestätigen.
(VII)
Die Personen oder Stellen für Folgemaßnahmen erstellen einen jährlichen Bericht zu eingegangenen
Hinweisen
und
übermitteln
diesen
der
Unternehmens-
Behördenleitung. (VIII) Rechte des Betriebsrates und der Personalvertretung bleiben unberührt.
oder
C. Modellgesetz
367
§ 8 Interne Meldungen (I)
Hinweisgeber können Missstände intern melden.
(II)
Der Verdacht, dass ein Missstand vorliegt, kann gemeldet werden, wenn sich trotz des erforderlichen Bemühens des Hinweisgebers das Vorliegen eines Missstandes nicht eindeutig feststellen lässt, aber nach dem ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnissen hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Missstandes gegeben sind und der Hinweisgeber nicht vorsätzlich oder leichtfertig handelt. Der Hinweisgeber weist bei der Meldung darauf hin, dass es sich lediglich um einen Verdacht handelt.
(III)
Verantwortliche können in Ethikrichtlinien vorsehen, dass neben den Missständen gemäß § 1 II auch unethisches Verhalten zur Hinweisgebung berechtigt.
§ 9 Vertraulichkeitsschutz (I)
Meldekanäle des Hinweisgebersystems sind so zu konzipieren, einzurichten und zu betreiben, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers gemäß § 15 und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, gewahrt bleiben.
(II)
Hinweisgebersysteme sind so zu konzipieren, einzurichten und zu betreiben, dass nur befugten Mitarbeitern, die mit der Missstandsaufklärung und -bearbeitung betraut sind, Zugriff auf das System gewährt wird.
(III)
Der Verantwortliche hat durch Pseudonymisierung die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers zu sichern. Der Hinweisgeber kann auf die Pseudonymisierung verzichten.
§ 10 Anonyme Meldungen (I)
Anonyme Meldungen sind nicht erlaubt. Die Verantwortlichen informieren in leicht zugänglicher Weise, dass anonyme Meldungen nicht erlaubt sind.
(II)
Es obliegt der Entscheidung der Verantwortlichen, ob sie im Einzelfall eine eingegangene anonyme Meldung bearbeiten, wobei die Rechte der von der Meldung betroffenen Personen besonders zu berücksichtigen sind. Die Annahme anonymer Meldungen erfolgt nur dann, wenn die Meldung konkrete Anhaltspunkte bezüglich des Vorliegens eines Missstandes enthält.
(III)
Hinweisgeber, die Informationen über Verstöße anonym gemeldet oder offengelegt haben und anschließend jedoch identifiziert wurden und Repressalien erleiden, haben dennoch Anspruch auf Schutz nach diesem Gesetz, wenn sie nicht leichtfertig oder vorsätzliche falsche Angaben im Sinne von § 6 gemacht haben.
§ 11 Dokumentationspflicht (I)
Die Verantwortlichen, sowie externe Meldestellen sind verpflichtet, den Eingang und Inhalt der Meldung zu dokumentieren.
(II)
Mündliche Meldungen sind durch Tonaufzeichnung des Gesprächs in dauerhafter und abrufbarer Form oder durch vollständige und genaue Transkription des Gesprächs oder
368
Kapitel 5: Modellgesetz durch Gesprächsprotokoll durch die für die Bearbeitung der Meldungen verantwortlichen Personen der zuständigen Behörde oder Stelle zu dokumentieren, sofern der Hinweisgeber hierzu zustimmt. (III)
Bei physischen Zusammenkünften wird durch die Verantwortlichen eine vollständige und genaue Aufzeichnung über die Zusammenkunft in dauerhafter und abrufbarer Form aufbewahrt. Eine Dokumentation erfolgt in Form einer Tonaufzeichnung des Gesprächs in dauerhafter und abrufbarer Form oder in Form eines von den für die Bearbeitung der Meldung verantwortlichen Mitarbeitern der zuständigen Behörde oder Stelle erstellten detaillierten Protokolls der Zusammenkunft, sofern der Hinweisgeber hierzu zustimmt.
(IV)
Es besteht ein Einsichtsrecht des Hinweisgeber in die Dokumentation seiner Meldung, sowie ein Recht, die Dokumentation gegebenenfalls berichtigen zu lassen. Der Hinweisgeber bestätigt die inhaltliche Richtigkeit der Dokumentation seiner Meldung durch Unterschrift.
§ 12 Informationspflichten und Auskunftsrechte Die Information und Auskunft über die Identität des Hinweisgebers wird nicht erteilt, wenn dadurch die Ziele der Verarbeitung unmöglich gemacht oder ernsthaft zu beeinträchtigt werden, oder wenn dies die Rechte und Freiheiten des Hinweisgebers beschränkt, insbesondere wenn dargelegt wird, dass der nach § 5 gewährte Schutz des Hinweisgebers nicht umsetzbar ist und dem Hinweisgeber Benachteiligungen drohen. § 13 Verteidigungsrechte betroffener Personen Akteneinsichtsrechte in Strafverfahren bleiben unberührt. § 14 Hinweisgebung im Konzern (I)
Innerhalb eines Konzerns besteht die Möglichkeit, zentralisierte Hinweisgebersysteme einzurichten, soweit dadurch die Rechte des Hinweisgebers nach diesem Gesetz nicht beeinträchtigt werden und eine gleichwertige Erreichbarkeit des Hinweisgebersystems gewährleistet ist.
(II)
Die einzelnen Unternehmen sind Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO, sodass für die Verarbeitung in Hinweisgebersystemen nach Absatz 1 eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 DSGVO beziehungsweise aus dem BDSG gegeben sein muss.
§ 15 Offenlegung der Identität des Hinweisgebers gegenüber der betroffenen Person (I)
Die Identität des Hinweisgebers ist vorbehaltlich Abs. 2 und Abs. 3 vertraulich zu behandeln.
(II)
Die Identität des Hinweisgebers kann gegenüber den von der Meldung betroffenen Dritten offengelegt werden, wenn feststeht, dass der Hinweisgeber bei seiner Meldung vorsätzlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hat.
C. Modellgesetz (III)
369
Der Hinweisgeber ist zu unterrichten, bevor seine Identität offengelegt wird, es sei denn, diese Unterrichtung würde die Untersuchungen oder Gerichtsverfahren gefährden, oder die Geltendmachung von Rechten Dritter beeinträchtigen.
§ 16 Externe Meldestellen (I)
Hinweisgeber haben das Recht, sich unmittelbar an externe Meldestellen zu wenden.
(II)
Externe Meldestellen sind alle zuständigen Behörden und außerdienstlichen Stellen, insbesondere 1. für strafrechtliche Sachverhalte die Ermittlungsbehörden 2. für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit die Arbeitsschutzbehörden, wie das Gewerbeaufsichtsamt oder der Unfallversicherungsträger 3. bei Datenschutzverstößen die zuständige Aufsichtsbehörde gemäß Art. 77 DSGVO, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit 4. das Hinweisgebersystem des Bundeskartellamtes 5. die
Vergabekammern
im
Nachprüfungsverfahren
nach
§§ 155 GWB,
Vergabeprüfstellen und Aufsichtsbehörden für den Bereich des Vergaberechts 6. die Hinweisgeberstelle der BaFin 7. die Marktüberwachungsbehörden 8. die
Bundesstelle
für
Seeunfalluntersuchung,
die
Bundesstelle
für
Eisenbahnunfalluntersuchung, die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung, sowie das Luftfahrt-Bundesamt 9. die Aufsichtsbehörden für Atomenergie und Strahlenschutz 10. Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen 11. das Deutsche Patent- und Markenamt 12. das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 13. für
Missstände
bei
den
Behörden
des
jeweiligen
Geschäftsbereichs
die
Bundesministerien in ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde (III)
Für Unternehmen und Behörden besteht die Möglichkeit, externe Meldestellen, beispielsweise
in
Form
Rechtsanwaltskanzleien
von
Ombudspersonen
einzurichten
oder
oder
der
aufrechtzuerhalten,
Beauftragung
von
wenn
den
diese
Anforderungen dieses Gesetzes an externe Meldestellen entsprechen. (IV)
Externe Meldestellen haben unabhängige und autonome externe Meldekanäle für die Entgegennahme und Bearbeitung der von Hinweisgebern übermittelten Informationen einzurichten. Dabei sind sie so zu gestalten, einzurichten und zu betreiben, dass die Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen gewährleistet ist und nicht befugten Mitarbeitern der zuständigen Behörde der Zugriff darauf verwehrt wird und sie die dauerhafte Speicherung von Informationen ermöglichen, um weitere Untersuchungen zu ermöglichen.
370
Kapitel 5: Modellgesetz (V)
Externe Meldestellen haben dem Hinweisgeber den Eingang der Meldung innerhalb von sieben Werktagen zu bestätigen, sofern der Hinweisgeber sich nicht ausdrücklich dagegen ausgesprochen hat oder die zuständige Behörde Grund zu der Annahme hat, dass die Bestätigung des Eingangs der Meldung den Schutz der Identität des Hinweisgebers beeinträchtigen würde.
(VI)
Externe Meldestellen haben ordnungsgemäße Folgemaßnahmen entsprechend ihrer jeweiligen Zuständigkeiten und Kompetenzen zu ergreifen. Die Verarbeitung der Meldung muss gemäß § 9I ,15 erfolgen.
(VII)
Die externen Meldestellen haben binnen eines angemessenen Zeitraums von maximal drei Monaten, in Ausnahmefällen, wenn dies zur Bearbeitung der Meldung erforderlich ist, innerhalb von sechs Monaten, ab Eingang der Meldung Rückmeldung zu den ergriffenen Folgemaßnahmen an den Hinweisgeber zu erstatten. Die externen Meldestellen teilen dem Hinweisgeber das Ergebnis der Untersuchung mit.
(VIII) Die in Absatz 2 genannten Stellen teilen dem Hinweisgeber das abschließende Ergebnis von durch die Meldung ausgelösten Untersuchungen nach Abschluss mit. (IX)
Halten die externen Meldestellen ein Ergreifen von Folgemaßnahmen nicht für erforderlich, weil die gemeldeten Tatsachen nicht zutreffen, keinen Missstand begründen oder dieser eindeutig geringfügig ist, so teilen sie dies mit Begründung dem Hinweisgeber mit, sobald das Nichttätigwerden feststeht. Dies berührt nicht andere Verpflichtungen oder andere geltende Verfahren zum Vorgehen gegen den gemeldeten Verstoß, oder den gewährten Schutz in Bezug auf interne und externe Meldungen.
(X)
Ist die angerufene externe Meldestelle für die Meldung nicht sachlich oder örtlich zuständig, leitet sie die Meldung innerhalb einer angemessenen Frist unter Wahrung der Vertraulichkeit und des Identitätsschutzes des Hinweisgebers und der betroffenen Dritten an die zuständige Behörde weiter und setzt den Hinweisgeber hierüber unverzüglich in Kenntnis.
(XI)
Hinweisgebersysteme sind so einzurichten, dass Meldungen schriftlich und/oder mündlich abgegeben werden können. Die Möglichkeit zur physischen Zusammenkunft muss gegeben sein und auf Ersuchen des Hinweisgebers muss eine physische Zusammenkunft innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens stattfinden. Der Verantwortliche kann zudem einen Zugang für elektronische Kommunikation eröffnen.
(XII)
Die nach Absatz 2 zuständigen Behörden stellen sicher, dass es den entgegennehmenden Mitarbeitern in Fällen, in denen eine Meldung über andere Kanäle als die in Absatz 3 und Absatz 10 genannten Meldekanäle eingegangen ist oder von anderen als den für die Bearbeitung zuständigen Mitarbeitern entgegengenommen wurde,
untersagt ist,
Informationen offenzulegen, durch die die Identität des Hinweisgebers oder der betroffenen
C. Modellgesetz
371
Person bekannt werden könnte, und dass diese die Meldung unverzüglich und unverändert an die für die Bearbeitung von Meldungen zuständigen Mitarbeiter weiterleiten. (XIII) Die externen Meldestellen stellen leicht verständliche und allgemein zugängliche Informationen auf ihrer Webseite über die Bedingungen, unter denen Hinweisgeber Anspruch auf Schutz hat, über das Meldeverfahren, die Kontaktdaten der jeweiligen externen Meldestellen nach Absatz 2, insbesondere die E-Mail-Adressen und Postanschriften sowie die Telefonnummer solcher Meldestellen mit der Angabe, ob die Telefongespräche aufgezeichnet werden, die geltenden Verfahrensvorschriften für die Meldung von Verstößen, insbesondere die Art und Weise, in der die zuständige Behörde den Hinweisgeber auffordern kann, die gemeldeten Informationen zu präzisieren oder zusätzliche Informationen zu liefern, den Zeitrahmen für die Rückmeldung sowie Art und Inhalt dieser Rückmeldung zur Verfügung. Ferner informieren die externen Meldestellen leicht verständlich und allgemein zugänglich über die getroffenen Maßnahmen zur Vertraulichkeitssicherung und zum Datenschutz, über die möglichen Folgemaßnahmen, die verfügbaren Abhilfemöglichkeiten und Verfahren gegen Repressalien sowie Möglichkeiten für eine vertrauliche Beratung von Personen, die in Erwägung ziehen, einen Missstand zu melden, Möglichkeiten zur Beratung des Hinweisgebers und Verfahren gegen Benachteiligungen, eine Erläuterung, aus der eindeutig hervorgeht, unter welchen Umständen Personen, die eine Meldung an die zuständige Behörde richten, nicht wegen Verletzung der Geheimhaltungspflicht gemäß Art. 21 II der Richtlinie haftbar gemacht werden können und gegebenenfalls die Kontaktdaten des Informationszentrums oder der einzigen unabhängigen Verwaltungsbehörde gemäß Art. 20 III der Richtlinie. (XIV) Externe Meldestellen dürfen die in der Meldung enthaltenen Informationen ausschließlich zur Beseitigung des Missstandes und für sonstige ordnungsgemäße Folgemaßnahmen verwenden. Eine Verwendung für andere Zwecke oder eine Offenlegung sind nicht erlaubt. (XV)
Enthalten die Meldungen des Hinweisgebers Geschäftsgeheimnisse, so ist auch diesbezüglich die Vertraulichkeit zu wahren und der Zugriff nur den hierzu befugten Personen zu gestatten. Soweit die Geschäftsgeheimnisse für die Sachverhaltsaufklärung, Beseitigung des Missstandes oder Folgemaßnahmen nicht benötigt werden, sind sie unverzüglich zu löschen.
(XVI) Die Behörden gemäß Absatz 2 haben alle drei Jahre ihre Verfahren für die Entgegennahme von Meldungen und die Folgemaßnahmen dazu zu überprüfen. Bei dieser Überprüfung tragen die zuständigen Behörden den Erfahrungen Rechnung, die sie und andere zuständige Behörden gesammelt haben, und passen ihre Verfahren dementsprechend an. (XVII) Die nach Abs. 2 zuständigen Behörden benennen Mitarbeiter, die für die Bearbeitung von Meldungen und insbesondere für die Übermittlung von Informationen über die Meldeverfahren an etwaige interessierte Personen, die Entgegennahme von Meldungen und
372
Kapitel 5: Modellgesetz Ergreifung entsprechender Folgemaßnahmen und die Aufrechterhaltung des Kontakts zum Hinweisgeber zwecks Erstattung von Rückmeldungen und erforderlichenfalls Anforderung weiterer Informationen zuständig sind. Diese Mitarbeiter werden für die Bearbeitung von Meldungen speziell geschult. (XVIII) Unberührt bleibt die Kompetenz der Länder, in den Bereichen, in denen eine Zuständigkeit der Länder besteht, externe Meldestellen zu schaffen oder aufrechtzuerhalten.
§ 17 Offenlegung von Informationen gegenüber der Öffentlichkeit und der Presse (I)
Eine Information der Öffentlichkeit, insbesondere eine Weitergabe an die Presse, darf erst erfolgen, 1. wenn der Hinweisgeber intern Meldung oder extern Meldung an externe Meldestellen erstattet hat und keine geeigneten Maßnahmen innerhalb des Zeitrahmens nach § 7 IV beziehungsweise § 16 VI dieses Gesetzes getroffen wurden oder 2. wenn eine konkrete Gefahr des öffentlichen Interesses insbesondere für Leib, Leben, Gesundheit vorliegt, oder der Hinweisgeber zum Zeitpunkt der Hinweisgebung nach dem ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnissen eine solche Gefahr annehmen durfte 3. wenn im Fall einer externen Meldung trotz des Benachteiligungsverbotes nach § 5 Repressalien zu befürchten sind oder aufgrund besonderer Umstände des Falls geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird.
§ 18 Wahl des Meldeweges Der Hinweisgeber soll vor seiner Meldung eine Abwägung treffen, ob er intern Meldung erstattet, oder an externe Stelle oder die Öffentlichkeit meldet, wobei auch Geheimhaltungsinteressen, Reputationsinteressen und Interessen Dritter, die von der Meldung betroffen sind, zu berücksichtigen sind. § 19 Hinweisgebung bei Beamten (I)
Beamte haben sich, abweichend von §§ 16, 17, 18 zuerst an ihre Vorgesetzten oder eine dafür vorgesehene innerdienstliche Stelle zu wenden, wenn sie bei oder bei Gelegenheit ihrer dienstlichen Tätigkeit von einem Missstand oder Missstandsverdacht Kenntnis erlangen. Unberührt bleiben das Recht zur Remonstration nach § 63 II BBG, das Recht zur Anzeige geplanter Straftaten, sowie das Recht zur Anzeige von Korruptionsstraftaten nach § 67 II Nr. 3 BBG.
(II)
Besteht eine konkrete Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung, einschließlich der Freiheitsrechte und des Demokratieprinzips oder ein evidenter, besonders schwerer Verfassungsverstoß und durfte der Beamte zum Zeitpunkt der Hinweisgebung nach den ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnissen eine solche Gefahr annehmen, so kann er sich ohne den Versuch einer innerbehördlicher Abhilfe an die zuständige Behörde wenden. Dies stellt keine Verletzung beamtenrechtlicher Pflichten dar.
C. Modellgesetz (III)
373
Ist eine Abhilfe durch die zuständige Behörde nicht wahrscheinlich, so kann sich der Hinweisgeber an die Öffentlichkeit wenden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Absatzes II und ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorliegen.
§ 20 Beweislast In einem Verfahren vor Gericht oder einer Behörde wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 5 trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen § 5 vorgelegen hat. § 21 Bußgeldvorschriften (I)
Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 5 den Hinweisgeber benachteiligt.
(II)
Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.
§ 22 Entschädigung und Schadensersatz, Beseitigung und Unterlassung (I)
Bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes in § 5 ist der Benachteiligende verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen.
(II)
Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Hinweisgeber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
(III)
Der Hinweisgeber kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 5 unbeschadet weiterer Ansprüche die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu befürchten, kann er auf Unterlassung klagen.
(IV)
Ansprüche gegen den Arbeitgeber oder Dienstherrn oder gegen andere Beschäftigte aus anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
§ 23 Beteiligung der Datenschutzbeauftragten Der Datenschutzbeauftragte ist gemäß Art. 38 DSGVO bei der Konzeption und Einführung des Hinweisgebersystems zu beteiligen. § 24 Verhältnis zu anderen Vorschriften (I)
Die Anwendung des Geschäftsgeheimnisgesetzes bleibt unberührt.
(II)
Jedes nach diesem Gesetz geschützte Hinweisgeben ist als erlaubt im Sinne von § 3 GeschGehG anzusehen.
(III)
§ 8 PKGrG bleibt unberührt.
(IV)
Art. 3 I der Richtlinie bleibt unberührt.
§ 25 Inkrafttreten Dieses Gesetz findet Anwendung auf Hinweise, die ab dem XX.XX.XXXX abgegeben werden.
374
Kapitel 5: Modellgesetz
II.
Erläuterungen
Zweck des Gesetzes, § 1 Zweck des Gesetzes ist es, Hinweisgeber effektiv zu schützen und in Umsetzung der Hinweisgeberrichtlinie einheitliche nationale Voraussetzungen für die Hinweisgebung zu schaffen. Sachlicher Anwendungsbereich, § 2 Das Gesetz soll für Unternehmen und Behörden des Bundes gleichermaßen gelten. Während der Bundesgesetzgeber nach Art. 73 I Nr. 8 GG die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen regeln kann, steht ihm dies für Landes- und Kommunalbeamte nicht zu. Hier steht dem Bund nur die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 I Nr. 27 GG zu. Für den Bereich des Arbeitsrechts kommt dem Bund ebenfalls die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 I Nr. 12 GG zu. Weder Art. 74 I Nr. 12 noch Nr. 27 GG stehen unter der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 II GG. Ausgenommen vom sachlichen Anwendungsbereich sind ferner die Gerichtsbarkeit und die Nachrichtendienste. Auch die Vorschriften des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages bleiben unberührt. Hinsichtlich der Gerichtsbarkeit bedarf es unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit einer Ausnahme. Dies wurde vom Bundesrat schon im Hinblick auf die Richtlinie selbst angenommen, da eine Einrichtung eines parallelen Melde- und Kontrollsystems der Verwaltung unter anderem gegen Art. 47 GrCh verstoßen würde.2213 Im militärischen Bereich besteht kein Bedarf für ein Hinweisgebersystem, da das System des Wehrbeauftragten und der Wehrbeschwerdeordnung austariert und auf den militärischen Bereich angepasst ist und ausreichend Schutz bietet.2214 Ebenso besteht kein Bedarf für eine Regelung bei den Nachrichtendiensten, da eine solche mit § 8 PKGrG existiert.2215 Begriffsbestimmungen, § 3 a) Hinweisgebung, § 3 I Hinweisgeben soll neutral verstanden werden als eine tatsachenbezogene Meldung über einen Missstand. Eine neutrale Definition in einem Hinweisgebergesetz kann dazu beitragen, dass die negativen Konnotationen, die mit dem Begriff Whistleblowing verbunden sind, beseitigt werden. Die Meldung kann an interne und externe Stellen erfolgen. Sie ist abzugrenzen von der Offenlegung von Informationen gegenüber der Öffentlichkeit und der Presse (§ 17). b) Meldegegenstand, § 3 II Die Hinweisgeberrichtlinie macht Vorgaben, was als Verstoß anzusehen ist, über den Meldung erstattet werden kann. Eine Beschränkung auf die in Art. 2 der Hinweisgeberrichtlinie genannten Bereiche muss
2213
Bundesrat Drs. 173/1/18, S. 4. Siehe hierzu das Kapitel Exempel: Soldaten, S. 196 ff. 2215 Siehe hierzu das Kapitel zu § 8 PKGrG, S. 255. 2214
C. Modellgesetz
375
eine nationale Regelung nicht vornehmen, da die geregelten Bereiche auf die Gesetzgebungskompetenz des europäischen Gesetzgebers zurückgehen und die Richtlinie nur mindestharmonisierend ist. aa) Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie Im Rahmen der Hinweisgeberrichtlinie sind Verstöße nach Art. 5 Nr. 1 lit. i der Hinweisgeberrichtlinie Handlungen oder Unterlassungen, die rechtswidrig sind und im Zusammenhang mit den in Art. 2 genannten Bereichen und den im Anhang der Richtlinie genannten Rechtsakten der Union und den dort aufgeführten Bereichen stehen. Daneben sollen Verstöße gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. ii der Richtlinie jedoch auch vorliegen, wenn Handlungen oder Unterlassungen gegeben sind, die dem Ziel oder Zweck der Vorschriften in diesen Unionsrechtsakten oder Bereichen zuwiderlaufen. Diese Vorschrift bereitet Probleme bei der Umsetzung. Es ist unklar, wann ein Zuwiderlaufen gegen die Ziele oder Zwecke der Vorschriften in den Unionsrechtsakten oder Bereichen, auf die Bezug genommen wird, gegeben ist. Erwägungsgrund 42 führt hierzu aus, dass der Begriff des Verstoßes auch auf missbräuchliche Praktiken im Sinne der Rechtsprechung des EuGH ausgedehnt werden müsse, um eine ernsthafte Schädigung des öffentlichen Interesses wirksam aufdecken oder verhindern zu können. Auf welche Rechtsprechung hier Bezug genommen wird, wird jedoch nicht deutlich. Missbräuchliche Praktiken werden unter anderem durch das Verbot missbräuchlicher Praktiken im Mehrwertsteuerbereich aufgegriffen, das nach der Rechtsprechung des EuGH einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellen soll.2216 Diese Rechtsprechung im Bereich des Steuerrechts kann aber nicht dazu dienen, konkretere Aussagen für alle missbräuchlichen Praktiken, die in den Anwendungsbereichen nach Art. 2 der Richtlinie fallen, zu extrahieren. Durch den breiten und zugleich unbestimmten Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 1 lit. ii beeinträchtigt die Vorschrift die Geheimhaltungs- und Reputationsinteressen, sowie die Interessen Betroffener zu stark, da ihr Anwendungsbereich zu weit und unbestimmt ist. Aufgrund der Rechtsnatur als Richtlinie ist der nationale Gesetzgeber gezwungen, die Vorgaben der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen und den gesetzten Mindeststandard zu erfüllen. Es obliegt der nationalen Rechtsprechung die Vorschrift durch Anwendung zu konkretisieren und hierbei die genannten Interessen ausreichend zu würdigen. Es sollte jedoch keine entsprechende Vorschrift für Ziele und Zwecke des nationalen Rechts geschaffen werden. bb) Verstöße im Sinne des nationalen Rechts Jedenfalls Straftaten stellen taugliche Meldegenstände dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass ein grundgesetzlich verbürgtes Recht zum Stellen von Strafanzeigen besteht, Art. 2 I i.V.m. Art. 20 III GG. Bezüglich des Meldegegenstandes ist darüber hinaus die grundlegende Entscheidung zu treffen, ob nur Gesetzesverstöße gemeldet werden dürfen, oder ob auch unethisches Verhalten Gegenstand des
2216
EuGH, Urteil vom 27.11.2017, DStRE 2018, 617, ECLI:EU:C:2017:881, (Edward Cussens, John Jennings, Vincent Kingston / T. G. Brosnan). Siehe hierzu auch EuGH, Urteil vom 21. 2. 2006, DStR 2006, 420, ECLI:EU:C:2006:121, (Halifax plc, Leeds Permanent Development Services Ltd, County Wide Property Investments Ltd).
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Kapitel 5: Modellgesetz
Whistleblowings sein kann. Das Geschäftsgeheimnisgesetz eröffnet den Anwendungsbereich für unethisches Verhalten über den Einbezug des „sonstigen Fehlverhaltens“. Dies wurde vielfach kritisiert.2217 Die Hinweisgeberrichtlinie gibt vor, dass die Geschäftsgeheimnisrichtlinie ergänzend zur Richtlinie hinzutreten soll. Insofern besteht für den nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, auf die Hinweisgeberrichtlinie
angepasste
Geschäftsgeheimnisgesetz
ergänzend
Vorschriften
als
Umsetzung
hinzutreten
zu
lassen.
zu
schaffen
Rechtswidrige
und
das
Betriebs-
und
Geschäftsgeheimnisse sind aufgrund der Einführung des Tatbestandsmerkmals des kommerziellen Interesses nicht mehr vom Geheimnisschutz erfasst, sodass mit diesem keine Friktion besteht.2218 Für eine effektive Missstandsbekämpfung erscheint es angezeigt, nicht nur Straftaten, sondern auch sonstige Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben zu erfassen. Dies steht auch im Einklang mit der Hinweisgeberrichtlinie. Um einen Zusammenhang zur Tätigkeit des Beschäftigten beziehungsweise des Beamten herzustellen, ist aber zu fordern, dass die Missstände diesem bei oder bei Gelegenheit seiner Tätigkeit bekannt geworden sind.2219 Dies greift § 3 II des Modellgesetzes auf. Nicht erfasst sein sollen bloße vertragliche Verstöße. Vertragliche Verstöße, die nicht zugleich Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben sind, können mit den im allgemeinen und besonderen Schuldrecht vorgesehenen Ansprüchen zwischen den Vertragsparteien beseitigt werden. Die Einbindung von Verstößen gegen Verträge würde auch zu einer Ausuferung möglicher Hinweisgebermeldungen führen. Gegen ein Meldungsrecht von unmoralischem beziehungsweise unethischem Verhalten spricht, dass das Whistleblowing der Einhaltung von Recht und Gesetz dient, ein Whistleblower aber nicht die Rolle des Sittenwächters übernehmen soll.2220 Die generelle Einbeziehung von unethischem oder unmoralischen Verhalten dehnt den Meldegegenstand zu weit aus und ist zu unbestimmt. Von der Frage, welche Meldegegenstände eine gesetzliche Regelung erfassen sollte, ist jedoch die Frage zu unterscheiden, welche Meldegegenstände einem Hinweis im Rahmen eines Hinweisgebersystems zugrunde liegen dürfen. Dies sollte den Unternehmen selbst überlassen bleiben. Wird in den Ethikrichtlinien ein bestimmtes Verhalten als besonders bedeutsam angesehen, so kann auch hierüber eine Meldung erfolgen, selbst wenn es sich „nur“ um unmoralisches Verhalten handelt. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz sollte das Unternehmen dann aber bereits in den Ethikrichtlinien darauf verweisen, dass ein entsprechendes unmoralisches Verhalten auch Gegenstand von Hinweisen über das System sein kann.2221 Eine gesetzliche Regelung würde mithin nur einen Mindeststandard in diesem Bereich regeln, wovon die Unternehmen nach oben hin abweichen können. Diesen Aspekt greift § 8 III auf.
2217
Siehe hierzu das Kapitel Handlungsverbote und Ausnahmetatbestände, S. 97f. Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Tatbestandsmerkmale der EU-Geschäftsgeheimnisrichtlinie, S. 87. Groneberg, Whistleblowing, S. 245. 2220 So Kozak, Whistleblowing, S. 19. 2221 So Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme, S. 103. 2218 2219
C. Modellgesetz
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Eine Beschränkung auf bestimmte Bereiche, wie sie die Hinweisgeberrichtlinie enthält, erscheint nicht angebracht. Missstände, die zu Meldungen berechtigten, kann es in Bezug auf eine Vielzahl von Thematiken geben. Meldeberechtigter, § 4 Es fehlt an einer Legaldefinition des Whistleblowings. Ebenso wenig existiert eine gesetzliche Regelung dazu, wer zur Hinweisgebung berechtigt ist.2222 Grundlegend ist zu entscheiden, ob alle Beschäftigten, nur bestimmte Beschäftigtengruppen innerhalb eines Unternehmens oder einer Behörde oder sogar Dritte wie Lieferanten und Kunden zu einer Meldung berechtigt sind. Die Art. 29 Datenschutzgruppe empfiehlt, den Kreis der Meldeberechtigten zu beschränken, wobei sie gleichwohl erkennt, dass dies im Einzelfall und in manchen Unternehmens- beziehungsweise Behördenstrukturen nicht praktikabel sein kann.2223 Anderen Stimmen nach erscheint es nicht sinnvoll, innerhalb einer Belegschaft nur bestimmte Teile zu einer Meldung zu berechtigten, da Missstände auf allen Ebenen und in allen Bereichen vorkommen können.2224 Zum Teil wird vorgeschlagen, den Kreis der Meldeberechtigten groß zu ziehen und diejenigen Dritten miteinzubeziehen, die wirtschaftlich vom Unternehmen abhängig sind.2225 Meldeberechtigt sollten zunächst einmal alle Beschäftigte eines Unternehmens und auch alle Beschäftigte und Beamte einer Bundesbehörde sein. Von Missständen kann jeder Beschäftigte oder Beamte erfahren, gleich welche Stellung er innerhalb der Organisation einnimmt. Eine Beschränkung des Kreises der Meldeberechtigten nur auf bestimmte Personengruppen einer Organisation würde die Effektivität des Whistleblowings enorm einschränken. Vorliegend wurden Arbeitnehmer den Beamten für die Untersuchung gegenübergestellt und die Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausgearbeitet. Nicht adressiert wurden Dritte, wie etwa Kunden und Lieferanten. Die Hinweisgeberrichtlinie eröffnet nun mit Art. 4 der Richtlinie einen sehr breiten persönlichen Anwendungsbereich. Vor Schaffung der Hinweisgeberrichtlinie wäre es möglich gewesen, Dritte wie beispielsweise Lieferanten vom Kreis der Meldeberechtigten auszunehmen. Eine solche weite Ausnahme vom Kreis der Meldeberechtigten ist nunmehr, wenigstens im Anwendungsbereich der Hinweisgeberrichtlinie, nicht mehr möglich. Somit kann man Lieferanten nicht vom Kreis ausnehmen, da diese gemäß Art. 4 I lit. d der Richtlinie erfasst sind, ebenso wie Auftragnehmer und Unterauftragsnehmer. Kunden können weiterhin ausgenommen werden. Ein weitergehender Ausschluss Dritter aus dem Kreis der Meldeberechtigten wäre vorzugswürdig gewesen, da dies den Geheimnisschutzinteressen und den Reputationsinteressen des Unternehmens oder der Verwaltung am besten Rechnung getragen hätte. Um eine einheitliche Anwendung bei Verstößen gegen Unionsrecht im Sinne der Hinweisgeberrichtlinie und Verstößen gegen nationales Recht zu gewährleisten, sollte der
2222
So auch Fischer-Lescano, Gutachten, S. 6. Siehe Stellungnahme der Art. 29 Datenschutzgruppe, WP 117, S. 11. 2224 Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme, S. 143. 2225 So Schulz, Whistleblowing, S. 5; Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme S. 105. 2223
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Kreis der Meldeberechtigten mit dem der Hinweisgeberrichtlinie identisch sein. Daher wird der persönliche Anwendungsbereich in § 4 des Modellgesetzes angepasst. Die Richtlinie sieht einen Schutz vor Beginn und nach Beendigung des Dienstverhältnisses vor. Da so ein umfassender Whistleblowerschutz und eine effektive Missstandsbekämpfung gewährleistet werden, sollte dies auch in das nationale Recht übernommen werden. Dies wurde durch § 4 II, III Modellgesetz umgesetzt. Benachteiligungsverbot, § 5 Das Benachteiligungsverbot, das sich auf die Repressalien im Sinne von Art. 19 der Hinweisgeberrichtlinie bezieht, ist äußerst umfassend. Das nationale Recht sollte diesen umfassenden Schutz nachvollziehen, da die Sanktionierung von Hinweisgebern in mannigfacher Weise erfolgen kann, wie bereits mehrfach vorstehend dargelegt wurde. Auf diese Weise besteht auch ein effektiver Schutz der dezisionalen Privatheit, sodass der Hinweisgeber seine Entscheidung zum Hinweisgeben frei, ohne Angst vor jeglicher Sanktionierung, treffen kann. Ausnahme vom Schutz, § 6 Hinweisgeber, die leichtfertig oder vorsätzliche falsche Angaben machen, werden nicht geschützt. Dies greift auch Erwägungsgrund 32 der Richtlinie auf, der einen Schutz nur dann vorsieht, wenn der Hinweisgeber hinreichenden Grund zur Annahme hatte, dass die von ihm gemeldeten Sachverhalte der Wahrheit entsprechen. Dies soll eine Vorkehrung dafür bieten, dass böswillige oder missbräuchliche Meldungen erfolgen. Der Hinweisgeber soll keinen Schutz erhalten, wenn er willentlich oder wissentlich falsche oder irreführende Informationen gemeldet hat. Die EU-Richtlinie zu Hinweisgebern sieht keine Berücksichtigung der Motive vor. Dies stellt Erwägungsgrund 32 der Richtlinie explizit klar. Damit steht sie in Widerspruch mit der deutschen Rechtsprechung,2226 aber in Einklang mit der hier vertretenen Ansicht, dass die Motive des Hinweisgebers irrelevant sind. Denn letztendlich geht es darum, den Missstand zu beseitigen. In vielen Fällen hat sowohl der Arbeitgeber als auch die Öffentlichkeit ein Interesse daran. Betrieb von Hinweisgebersystemen, § 7 Der Kreis der derjenigen, die verpflichtet sind, Hinweisgebersysteme zu implementieren, ist entsprechend der Hinweisgeberrichtlinie weit. Verpflichtet werden sollen alle Verantwortlichen, die mehr als 50 Beschäftigte haben. Diese Ausnahme ist nach Art. 8 III der Richtlinie zulässig. Gänzlich ausgenommen ist die Gerichtsbarkeit. Dies wurde im Hinblick auf die Hinweisgeberrichtlinie auch von der Empfehlung der Ausschüsse befürwortet mit dem Argument, die Unabhängigkeit der Justiz und ihre eigenständige, rechtsprechende Funktion nicht zu beeinträchtigen.2227
2226 2227
Siehe hierzu das Kapitel BAG vom 4.07.1991: Motiv des Whistleblowers bedeutend, S. 72. Empfehlung der Ausschüsse, Empfehlungen 173/1/18, S. 4.
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Die Informationen über die Nutzung der Hinweisgebersysteme sind durch die Verantwortlichen nach § 7 II bereitzustellen. Hinweisgebern soll es möglich sein, sich über die Nutzung im Vorfeld ihrer Meldung ausführlich zu informieren. Gleichzeitig dient eine solche Information auch dazu, dass auf die Möglichkeit zur internen Meldung explizit aufmerksam gemacht wird. Dem Hinweisgeber ist der Eingang der Meldung innerhalb von sieben Werktagen zu bestätigen, § 7 VI. Diese Vorschrift orientiert sich an Art. 9 I lit. b der Hinweisgeberrichtlinie. Die Möglichkeiten, wie eine Meldung abgegeben werden kann, sind in § 7 V beschrieben. Die Hinweisgeberrichtlinie sieht in Art. 9 II beziehungsweise Art. 12 II vor, dass die Möglichkeit zur physischen Zusammenkunft bei Ersuchen durch den Hinweisgeber gegeben werden muss. Dies wird in § 7 V übernommen. Für die Verantwortlichen und auch für externe Stellen bedeutet dies einen erhöhten Aufwand. Andererseits lassen sich in persönlichen Gesprächen Fragen leichter aufklären und ggf. sogar Missstände unmittelbar beseitigen. Wenn der Hinweisgeber einen persönlichen Ansprechpartner hat, bekommt er dadurch vermittelt, dass seinem Hinweis Beachtung geschenkt wird und er sieht deshalb unter Umständen von einer Meldung an die Öffentlichkeit ab. Aus diesen Gründen sollte die Möglichkeit zur physischen Zusammenkunft auch in ein nationales Gesetz übernommen werden, soweit dieses über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinausgeht. Welche Stelle im Unternehmen oder der Verwaltung für die Entgegennahme von Hinweisen zuständig ist, sollte durch das Unternehmen beziehungsweise die Verwaltung selbst festgelegt werden. Wie bereits dargelegt,2228 gibt es keine Hinweisgeberstelle, die für alle Unternehmen und für die Verwaltung gleich geeignet wäre. § 7 III greift die Konstellation auf, dass Hinweisgebersysteme von Dritten betrieben werden. Dies ist in Art. 8 V der Richtlinie vorgesehen und sollte datenschutzrechtlich als Auftragsdatenverarbeitung ausgestaltet werden. § 7 IV regelt, dass unparteiische Stellen vorhanden sein müssen, die Folgemaßnahmen ergreifen. Internal Investigations und andere Folgemaßnahmen wurden von der vorliegenden Untersuchung nur angeschnitten. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf. § 7 IV stellt klar, dass der Verantwortliche den gemeldeten Missstand aufklären muss und dem Hinweis nachgehen muss. Folgemaßnahmen im Sinne der Richtlinie sind gemäß Art. 5 Nr. 12 vom Empfänger einer Meldung oder einer zuständigen Behörde ergriffene Maßnahmen zur Prüfung der Stichhaltigkeit der in der Meldung erhobenen Behauptungen und gegebenenfalls zum Vorgehen gegen den gemeldeten Verstoß, unter anderem durch interne Nachforschungen, Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen, Maßnahmen zur (Wieder-)einziehung von Mitteln oder Abschluss des Verfahrens. Im Zusammenhang mit internen Meldungen können damit nur interne Untersuchungen, Befragungen und das Einholen von Auskünften gemeint sein. Hierfür sind die Personen oder Dienststellen zuständig. Letztendlich obliegt es diesen Stellen, zu entscheiden, wann Vorgesetzte oder Beschuldigte von den Ermittlungen informiert werden. Die genaue Ausgestaltung des Verfahrens, wie mit erhaltenen Hinweisen umgegangen wird, hängt von der Art der Person oder Dienststelle ab, also ob beispielsweise ein Ombudsmann beauftragt
2228
Siehe hierzu das Kapitel Whistleblowing-Stellen, S. 131f.
380
Kapitel 5: Modellgesetz
wurde, oder eine unternehmensinterne Stelle tätig wird. Für die Abhilfe des Missstandes, der durch die Person oder Dienststelle aufgeklärt wurde, ist die Unternehmens- bzw. Behördenleitung zuständig. Nur wenn diese selbst derart in den Missstand verstrickt ist, dass keine Abhilfe zu erwarten ist, kann die Person oder Dienststelle sich an externe Behörden wie die Strafverfolgungsbehörden wenden. Die Rückmeldung an den Hinweisgeber innerhalb von drei Monaten in § 7 IV entspricht Art. 9 I lit. f der Hinweisgeberrichtlinie. Der Hinweisgeber wird verpflichtet, für Rückfragen zur Verfügung zu stehen. Nur so kann eine effektive Missstandsaufklärung und Missstandsbeseitigung gewährleistet werden.
Der
Zweck,
Missstände
effektiv
zu
beseitigen,
rechtfertigt
den
umfassenden
Hinweisgeberschutz. Umgekehrt muss aber dann der Hinweisgeber seinen Beitrag dazu leisten, dass Missstände aufgeklärt werden können. Um eine Missstandsprävention durch die Unternehmens- oder Behördenleitung vereinfacht zu ermöglichen und das Bewusstsein für Missstände im Unternehmen zu schärfen, soll nach § 7 VII ein jährlicher Bericht über die eingegangenen Hinweise von den Personen oder Dienststellen an die Unternehmens- oder Behördenleitung übermittelt werden. Dieser Bericht dient auch dazu, für die nach § 16 XVI notwendige Überprüfung im Drei-Jahres-Rhythmus Material zu liefern. § 7 VIII des Modellgesetzes sieht vor, dass die Rechte des Betriebsrates und der Personalvertretung unberührt bleiben. Hier ist insbesondere an das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 BetrVG zu denken. Vertraulichkeitsschutz, § 9 Der Vertraulichkeitsschutz wird in § 9 adressiert. Als mögliche Mittel zur Wahrung wird in § 9 III die Pseudonymisierung genannt. Anonyme Meldungen, § 10 Es wurde bereits dargelegt, dass es eines Identitätsschutzes für Whistleblower bedarf. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer anonymen Meldemöglichkeit,2229 die nach § 10 unzulässig ist. Vielmehr ist der Identitätsschutz durch Pseudonymisierung zu gewährleisten, da so Rückfragen ermöglicht werden und auch die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Whistleblower möglich ist, wenn dieser nicht berechtigt handelte. Die Vertraulichkeit und der Identitätsschutz sind unter anderem durch Zugriffsrechte (§ 9 II) und Pseudonymisierung (§ 9 III) zu gewährleisten. Der Möglichkeit zum anonymen Hinweisgeben wurde eine Absage erteilt, da es die Interessen Dritter zu sehr beeinträchtigt und einer effektiven Missstandsbeseitigung entgegensteht, da Rückfragen gerade möglich sein sollen. Durch das Verbot kann allerdings faktisch nicht verhindert werden, dass dennoch anonyme Meldungen eingehen. Wenn diese Informationen über wichtige Missstände enthalten, wäre es nicht gerechtfertigt, dem Verantwortlichen allein aufgrund der Anonymität der Meldung zu verbieten,
2229
Siehe hierzu ausführlich das Kapitel Anonymität und Pseudonymität bei Hinweisgebersystemen, S. 303ff.
C. Modellgesetz
381
den Hinweisen nachzugehen. Erreichen den Arbeitgeber oder Dienstherrn anonyme Meldungen, sollte es diesen deshalb offenstehen, ihnen nachzugehen, allerdings nur, wenn gemäß § 10 II konkrete Anhaltspunkte gegeben sind, dass auch tatsächlich ein Missstand vorliegt. § 10 III setzt Art. 6 III der Richtlinie um. Dokumentationspflicht, § 11 Mit § 11 wird Art. 18 der Richtlinie umgesetzt. Der Hinweisgeber hat ein Recht zur Einsichtnahme und Berichtigung der Dokumentation seiner Meldung nach § 11 IV. Interne Meldungen, § 8 § 8 adressiert die internen Meldungen. Einfach sind die Fälle zu beurteilen, in denen der Missstand, über den der Whistleblower informiert, auch tatsächlich gegeben ist. Probleme bereiten im Hinblick auf die Berechtigung des Whistleblowings und die Schutzwürdigkeit des Hinweisgebers hingegen die Fälle, in denen der Whistleblower zum Zeitpunkt seines Hinweises irrigerweise davon ausgeht, dass ein Missstand gegeben ist, sich dies jedoch im Nachhinein als falsch herausstellt. Nach der Hinweisgeberrichtlinie erfahren Hinweisgeber auch dann Schutz, wenn sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die Informationen zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen. Unklar ist hingegen der Sorgfaltsmaßstab, den Hinweisgeber anzulegen haben, um zu überprüfen, ob ein Missstand gegeben ist. Eine vorsätzliche Falschmeldung ist nicht geschützt. In der Literatur wird, in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG, die die leichtfertig falsche Angabe als Maßstab verwendet,2230 ein Anzeigerecht auch bei leicht fahrlässig falschen Anzeigen angenommen.2231 Bei Meldungen, die nicht leichtfertig und nicht wider besseres Wissen erfolgen, soll die Meldung, selbst wenn sie sich im Nachhinein als falsch herausstellt, keine Sanktionen oder Nachteile nach sich ziehen.2232 Von der Hinweisgeberrichtlinie werden gemäß Art. 5 Nr. 2 auch ‹Informationen über Verstöße› erfasst. Gemeint sind damit Informationen oder begründete Verdachtsmomente in Bezug auf tatsächliche oder potentielle Verstöße und auf Versuche der Verschleierung bereits begangener oder sehr wahrscheinlich erfolgender Verstöße. Die Meldemöglichkeit für Verstöße, die noch gar nicht eingetreten sind, ist kritisch zu betrachten. Um den Interessen Dritter und der Verantwortlichen ausreichend Rechnung zu tragen, sollte der begründete Verdachtsmoment so ausgelegt werden, dass für den Hinweisgeber hinreichend Grund zur Annahme eines Missstandsverdachts vorliegt, dass er alles zur Sachverhaltsaufklärung Nötige getan hat und dass er bei der Meldung darauf hinweist, dass es sich lediglich um einen Verdacht handelt.
2230
Siehe hierzu ausführlich das Kapitel BVerfG vom 2.7.2001: Recht zur Anzeige, S. 74f. So Kreis, Whistleblowing, S. 176. 2232 Dass dies auch den Anforderungen der UNCAC und den menschenrechtlichen Schutzpflichten entspricht, legt Fischer-Lescano in seinem Gutachten für den DGB dar, siehe Fischer-Lescano, Gutachten, S. 36. 2231
382
Kapitel 5: Modellgesetz
Dementsprechend sieht das Modellgesetz in § 8 II vor, dass der Verdacht bezüglich des Vorliegens eines Missstandes gemeldet werden kann, wenn hinreichende Anhaltspunkte hierfür bestehen und bei der Meldung darauf hingewiesen wird, dass es sich lediglich um einen Verdacht handelt. Durch die Hinzunahme der Voraussetzung der hinreichenden Anhaltspunkte wird sichergestellt, dass objektiv Anhaltspunkte für den Missstand bestehen. Der subjektive Maßstab des nicht vorsätzlichen und nicht leichtfertigen Handelns greift die durch die Rechtsprechung festgestellten Voraussetzungen auf. Meldewege Aufgrund der Vorgaben der EU-Richtlinie zu Hinweisgebern, lässt sich ein Vorrang der innerbetrieblichen Abhilfe nicht mehr ohne weiteres annehmen. Zwar steht die Richtlinie in diesem Punkt im Widerspruch zur europäischen und zur deutschen Rechtsprechung, doch ist die Abkehr vom Vorrang der innerbetrieblichen Abhilfe als Ergebnis einer lebhaften Diskussion zwischen den Gesetzgebungsorganen der Union und den Mitgliedstaaten grundsätzlich zu akzeptieren. Allerdings sind auch bei der Anwendung und Umsetzung der Richtlinie, die Wertungen der EMRK und der Grundrechtecharta zu berücksichtigen.2233 Die Richtlinie selbst qualifiziert in ihrem Erwägungsgrund 31 die Hinweisgebermeldung als Meinungsäußerung im Sinne des Art. 11 GrCh beziehungsweise Art. 10 EMRK. Dementsprechend stellt Erwägungsgrund 31 der Richtlinie fest, dass sich die Richtlinie auf die Rechtsprechung des EGMR, sowie auf die vom Europarat in seiner Empfehlung zum Schutz von Whistleblowern aus dem Jahr 2014 entwickelten Grundsätze stützt. Gleichwohl kann kein genereller Vorrang der innerbetrieblichen Abhilfe beibehalten werden. Dies würde eine Unterschreitung der Mindeststandards der Richtlinie darstellen, da ein verpflichtendes gestuftes Vorgehen bei der Hinweisgebung für den Hinweisgeber nachteilig wäre und seinen Schutz schwächen würde. Eine Norm, die bei Gefährdung bestimmter Rechtsgüter externes Whistleblowing erlaubt und andernfalls internes Whistleblowing vorsieht, wäre interessengerechter gewesen. So hätte das direkte externe Whistleblowing erlaubt werden können, wenn eine konkrete Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Umwelt vorliegt, oder der Hinweisgeber zum Zeitpunkt der Hinweisgebung nach dem ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnissen eine solche Gefahr annehmen durfte. Ebenso wäre das externe Whistleblowing an die Öffentlichkeit zu erlauben gewesen, wenn eine Abhilfe durch die zuständige Behörde nicht wahrscheinlich ist. Durch das abgestufte Vorgehen, das vom Vorrang einer innerbetrieblichen Abhilfe ausgeht und Ausnahmen bei Gefahren für bestimmte Rechtsgüter oder wenn keine Abhilfe zu erwarten ist, an Behörden und auch an die Öffentlichkeit erlaubt, hätte den Geheimnisschutzinteressen und Reputationsinteressen besser Rechnung getragen. Das öffentliche Interesse wäre dabei auch gewahrt gewesen. a) Interne Meldungen, § 8 und Anreiz zur internen Meldung, § 18 § 8 berechtigt zu internen Meldungen. Solche sind uneingeschränkt möglich.
2233
Schmitt, RdA 2017 365 (371f.); Garden/Hiéramente, BB 2019, 963 (965).
C. Modellgesetz
383
Entsprechend Art. 7 II der Hinweisgeberrichtlinie wird in § 18 auf den Hinweisgeber eingewirkt, dass dieser sich vor der Meldung die der Meldung entgegenstehenden Interessen vergegenwärtigt und diese bei der Entscheidung zur Meldung und bei der Meldung selbst berücksichtigt. Ein Verstoß gegen § 18 führt allerdings nicht zu einer Sanktion. Die Vorschrift hat lediglich Hinweischarakter. Dies entspricht dem Willen des europäischen Gesetzgebers, der die Mitgliedstaaten in Art. 7 II der Richtlinie lediglich auffordert, Hinweisgeber zur internen Meldung zu ermutigen, jedoch die Meldung an externe Stellen als gleichwertig ansieht, wie Art. 10 der Richtlinie zeigt. Um ein Auseinanderfallen zwischen Hinweisgeberrichtlinie und darüber hinausgehendem nationalem Hinweisgeberschutz zu vermeiden, sollte für alle Meldeberechtigte, mit Ausnahme der Beamten (§ 19), kein Vorrang der innerbetrieblichen Abhilfe implementiert werden. b) Externe Meldungen, § 16 aa) Anforderungen an externe Meldekanäle Externe Meldungen sind entsprechend der Hinweisgeberrichtlinie auch direkt möglich, wie § 16 I zeigt. Bei den externen Stellen besteht unter Umständen der Bedarf, unabhängige und autonome externe Meldekanäle zu implementieren, sofern sie nicht schon über solche verfügen. Diese Thematik greift § 16 IV auf. Auch bei externen Stellen besteht die Pflicht, dem Hinweisgeber den Eingang der Meldung zu bestätigen nach § 16 V. Am Beispiel der Strafverfolgungsbehörden ist dies unproblematisch möglich, da bereits jetzt nach § 158 S. 3 und S. 4 StPO eine Bestätigung der eingegangenen Anzeige erfolgt, wenn es sich bei dem Anzeigenden um den Verletzten handelt und nach Nr. 9 RiStBV der Anzeigenerstatter grundsätzlich schriftlich über den Eingang der Anzeige benachrichtigt wird. Ferner müssen die externen Stellen nach § 16VII binnen drei beziehungsweise sechs Monaten dem Hinweisgeber Rückmeldung über die ergriffenen Folgemaßnahmen nach § 16 VI erteilen. Ebenso ist das abschließende Ergebnis nach § 16 VIII mitzuteilen. Wenn ein Ergreifen von Folgemaßnahmen nicht für erforderlich gehalten wird, wird dies dem Hinweisgeber mit Begründung ebenfalls nach § 16 IX mitgeteilt. Wird eine unzuständige Behörde adressiert, leitet diese nach § 16 X die Meldung an die zuständige Behörde weiter. Nach § 16 XI sind Hinweisgebersysteme so einzurichten, dass Meldungen schriftlich und mündlich abgegeben werden können und auf Ersuchen des Hinweisgebers ist auch eine physische Zusammenkunft möglich zu machen. Ebenso ist es möglich, den Zugang für elektronische Kommunikation zu eröffnen. § 16 XII stellt die vertrauliche Behandlung und den Identitätsschutz innerhalb der Organisation, bei der die Meldung eingeht, sicher. Gemäß § 16 XV ist die Vertraulichkeit auch bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu wahren. Nach § 16 XIII werden die externen Meldestellen verpflichtet, die von Art. 13 der Richtlinie vorgesehenen Informationen auf ihrer Website zur Verfügung zu stellen. Da die Aufzählung in Art. 13 der Richtlinie so umfassend ist, ist eine weitere Konkretisierung durch den nationalen Gesetzgeber nicht möglich. § 16 XVI sieht eine regelmäßige Überprüfung der Verfahren vor. § 16 XVII setzt Art. 12 IV, V der Richtlinie um.
384
Kapitel 5: Modellgesetz bb) Mögliche externe Hinweisgeberstellen
Die möglichen externen Hinweisgeberstellen werden beispielhaft in § 16 II des Gesetzes aufgezählt. Verantwortlichen steht es frei, auf externe Meldestellen im Rahmen ihrer Information zur Nutzung von Hinweisgebersystemen hinzuweisen, insbesondere, wenn im Zusammenhang mit ihrem Tätigkeitsfeld bestimmte Stellen als Anlaufstelle für Hinweisgeber in Betracht kommen. Ziel der Aufzählung ist es, Hinweisgebern für verschiedene Bereiche und insbesondere auch für die Anwendungsbereiche, die die Richtlinie in Art. 2 festlegt, Anhaltspunkte zu geben, an welche externe Meldestellen sie sich wenden können. Eine abschließende Aufzählung, die für jeglichen Bereich, gegen den nach dem Modellgesetz ein meldefähiger Verstoß vorliegt, eine Stelle definiert, würde das Gesetz überfrachten. Häufig kommen bei meldefähigen Verstößen auch mehrere Stellen als Adressaten in Betracht. § 16 II Nr. 1 zeigt ausdrücklich auf, dass Hinweisgeber sich bei strafrechtlichen Sachverhalten an die Ermittlungsbehörden wenden dürfen. Nach § 16 II Nr. 2 werden die Meldemöglichkeiten im Bereich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes genannt. § 16 II Nr. 3 nennt die Aufsichtsbehörden und den Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Hierdurch wird Art. 2 I a Nr. x der Richtlinie adressiert, der den Anwendungsbereich der Richtlinie auf den Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie auf die Sicherheit von Netz- und Informationssystemen erstreckt. § 16 II Nr. 4 verweist auf das bereits bestehende Hinweisgebersystem beim Bundeskartellamt, das für Hinweise auf Kartellverstöße zuständig ist. § 16 II Nr. 5 des Modellgesetzes greift Art. 2 I a Nr.i auf, der das öffentliche Auftragswesen adressiert. Verstöße gegen das Vergaberecht können strafrechtliche Folgen haben, wie beispielsweise § 298 StGB, §§ 331 ff. StGB und § 299 StGB. Die Verstöße lassen sich aber auch im Nachprüfungsverfahren nach §§ 155 ff. GWB überprüfen. Daneben ist auch eine Meldung an Vergabeprüfstellen und Aufsichtsbehörden möglich. § 16 II Nr. 6 des Modellgesetzes greift Art. 2 I a Nr. ii der Richtlinie auf und stellt fest, dass sich Hinweisgeber an die nach § 4d FinDAG bestehende Hinweisgeberstelle bei der BaFin wenden können. Unbenommen bleibt es dabei Hinweisgebern, sich an andere Stellen, wie die Strafverfolgungsbehörden, zu wenden. § 16 II Nr. 7 zielt auf Art. 2 I a Nr. iii der Richtlinie ab, der die Produktsicherheit und Produktkonformität zum Gegenstand hat. Diese werden durch die staatlichen Marktüberwachungsbehörden überwacht, sodass diese mögliche Adressaten für Hinweise in diesem Bereich sind. Daneben können bei Verstößen gegen die Produktsicherheit auch strafrechtliche und wettbewerbsrechtliche Konsequenzen drohen, sodass auch die entsprechenden Behörden für diese Bereiche mögliche Adressaten der Meldung sind. § 16 II Nr. 8 greift den Bereich der Verkehrssicherheit in Art. 2 I a Nr. iv der Richtlinie auf, für den zunächst einmal die Strafverfolgungsbehörden maßgebliche Hinweisgeberstellen sind. Für die Sicherheitsanforderungen im Seeverkehr ist die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung beim Bundesoberseeamt tauglicher Adressat, da sie die Aufgabe hat, Störungen, Vorkommnisse und Unfälle auf See mit Wasserfahrzeugen zu untersuchen. Ihr kann also eine Hinweisgebermeldung helfen, um Seeunfälle aufzuklären. Dabei hat die Bundesstelle aber nicht zur Aufgabe, das Verschulden, die
C. Modellgesetz Haftung
oder
385 Ansprüche
festzustellen.2234
Der
Hinweisgeber
kann
sich
hierfür
an
Strafverfolgungsbehörden wenden oder aber den zivilgerichtlichen Rechtsweg beschreiten. Als Pendant für
den
Bereich
der
Eisenbahnen
und
der
Luftfahrt
bestehen
die
Bundesstelle
für
Eisenbahnunfalluntersuchung beziehungsweise die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung, an die sich der Hinweisgeber neben den strafrechtlichen und zivilrechtlichen Meldemöglichkeiten wenden kann. Bei dem Luftfahrt-Bundesamt besteht ferner schon ein Kontaktformular, über das externe Hinweise gegeben werden können.2235 Im Bereich des Umweltschutzes, der von der Richtlinie in Art. 2 I a Nr. v angesprochen wird, sind bei Umweltstraftaten die Strafverfolgungsbehörden die tauglichen Adressaten. Im Bereich der Atomenergie und des Strahlenschutzes hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 73 Nr. 14, 87c, 85 GG. Die Länder führen als Aufsichts- und Genehmigungsbehörden das Atomrecht im Auftrag des Bundes durch sogenannte Bundesauftragsverwaltung aus. Die Landesministerien sind dabei zuständig für die Aufsicht über die Kernanlagen,2236 sodass zur effektiven Missstandsbekämpfung eine Meldung von Hinweisgebern an die Aufsichtsbehörden der Länder möglich sein muss, wie § 16 II Nr. 9 ausführt. Im Bereich der Lebensmittelsicherheit, der von Art. 2 I a Nr. vii der Richtlinie aufgegriffen wird, sind die Bundesländer zuständig für die amtliche Lebensmittelüberwachung, die dort zuständigen Behörden wachen auch über die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Hinweisgeber können sich dementsprechend an die Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämter der Kommunen wenden. Eine Funktion des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als Hinweisgeberstelle bietet demgegenüber keinen Vorteil. § 16 II Nr. 10 des Modellgesetzes greift Art. 2 I a Nr. viii auf, der die öffentliche Gesundheit adressiert. Hier wird auf die bereits bestehenden Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen verwiesen, die nach §§ 81a, 197a SGB V und § 47a SGB XI einzurichten sind. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellte eine kleine Anfrage an die Bundesregierung, um herauszufinden, welche externen Meldestellen Bundesbehörden bereits jetzt bereithalten für die Meldung von Missständen in Unternehmen.2237 Die Bundesregierung zählte in ihrer Antwort den Bundesbeauftragten für Datenschutz und die Informationsfreiheit, die BaFin, das Deutsche Patent- und Markenamt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf.2238 Diese Meldestellen sollen erhalten bleiben und werden daher in §§ 16 II Nr. 3, Nr. 6, Nr. 11, Nr. 12 genannt. § 16 II Nr. 13 greift die Tatsache auf, dass für Missstände bei den Behörden der jeweiligen 2234
Siehe zu den Aufgaben der Bundesstelle die Website ‹https://www.bsu-bund.de/DE/Home/home_node.html›. Siehe hierzu auch BT-Drs. 19/14980, S. 41. Siehe hierzu auch das Handbuch über die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Atomrecht, ‹https://www.nuklearesicherheit.de/fileadmin/user_upload/Berichte/AHB-BundLaender_Anhang01__003_.pdf›. 2237 BT-Drs. 19/13426. 2238 BT-Drs. 19/14980, S. 22 ff. 2235 2236
386
Kapitel 5: Modellgesetz
Geschäftsbereiche, die Bundesministerien in ihrer Funktion als Meldestelle fungieren.2239 Im Rahmen der kleinen Anfrage, wurde auch erfragt, welche Bundesbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung externe Meldestellen für die Meldung von Missständen in diesen Bundesbehörden eingerichtet hätten.2240 Hier nennt die Bundesregierung in ihrer Antwort den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, sowie die BaFin.2241 Ferner zeigt sie in der Antwort auf, dass externe Meldestellen in Form von Rechtsanwaltskanzleien oder Vertrauensanwälten existieren, beispielsweise bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben oder der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, oder es einen externen Antikorruptionsbeauftragter gibt, wie bei der Bundesagentur für Arbeit.2242 § 16 III greift den Umstand auf, dass Unternehmen und Behörden teilweise externe Meldestellen in Form von beispielsweise Ombudspersonen oder beauftragten Rechtsanwaltskanzleien beauftragt haben. Diese Stellen sollen erhalten bleiben können, wenn sie den Anforderungen, die das Gesetz an externe Meldestellen stellt, erfüllen. Die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage zeigt auch auf, dass in bundeseigenen Behörden und in Unternehmen zahlreiche Ombudsstellen bestehen.2243 c) Meldung an die Öffentlichkeit, § 17 Eine Offenlegung gegenüber der Öffentlichkeit und der Presse ist unter anderem gemäß § 17 I Nr. 2 des Modellgesetzes erlaubt, wenn eine konkrete Gefahr für das öffentliche Interesse besteht. Dies setzt Art. 15 I Nr. b lit. i der Richtlinie um, der von einer unmittelbaren oder offenkundigen Gefährdung des öffentlichen Interesses spricht. Dem entspricht der im deutschen Recht geläufige Begriff der konkreten Gefahr. In § 17 I Nr. 2 werden beispielhaft bestimmte Rechtsgüter, die von besonderer Bedeutung sind, genannt. Die Aufzählung ist jedoch nicht abschließend, wie durch das Wort „insbesondere“ klargestellt wird. Die Aufzählung soll es rechtsunkundigen Hinweisgebern erleichtern, Anhaltspunkte zu finden, was unter dem öffentlichen Interesse zu verstehen ist. Die in Art. 15 I Nr. b lit. i genannten Voraussetzungen greifen zu weit, da sie die Geheimnisschutzinteressen und die Rechte Dritter, die von der Meldung betroffen sind, missachten, indem bei jeglicher konkreter Gefahr für das öffentliche Interesse gemeldet werden kann. Hier wäre eine Beschränkung auf wichtige Rechtsgüter oder eine vorzunehmende Abwägung vorzugswürdig gewesen. Die Offenlegung an die Öffentlichkeit stellt, wie im Verlauf der Untersuchung dargelegt, die größte Gefahr für den Geheimnisschutz und die Rechte Dritter dar. Gerade wenn man bedenkt, dass eine Offenlegung auch eine Meldung an Plattformen wie Wikileaks ermöglicht, setzt die Richtlinie die Voraussetzungen viel zu niedrig an.
2239
BT-Drs. 19/14980, S. 2. BT-Drs. 19/13426, S. 2. BT-Drs. 19/14980, S. 26 f. 2242 BT-Drs. 19/14980, S. 26 ff. 2243 BT-Drs. 19/14980, S. 3 ff. 2240 2241
C. Modellgesetz
387
Beamte, § 19 a) Abweichung von den Vorgaben der Richtlinie Das Modellgesetz enthält eine Sonderregelung für Beamte. Für Beamte kann weiterhin ein abgestuftes Meldesystem geregelt werden, ohne dass es hierbei zu Friktionen mit der Meldung von Unionsrechtsverstößen im Rahmen der Hinweisgeberrichtlinie kommt. Zwar sieht die Richtlinie eine Erstreckung ihres Anwendungsbereiches auch auf Beamte vor. Wie die Empfehlung der Ausschüsse im Bundesrat jedoch feststellt, besteht keine Gesetzgebungskompetenz der Union im Bereich des Beamtenrechts,
da
die
Schaffung
von
Ausnahmen
von
der
beamtenrechtlichen
Verschwiegenheitspflicht und dem Disziplinarrecht ausschließlich in die Gesetzgebungskompetenz der Mitgliedstaaten fällt.2244 Es gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, wonach gemäß Art. 5 EUV die EU nur dort Regelungen schaffen darf, wo sie hierzu ausdrücklich ermächtigt ist. In den §§ 2 ff. AEUV, die die Kompetenzen adressieren, ist das nationale Dienstrecht nicht genannt.2245 Der EU mangelt es an einer direkten Kompetenz zur Regelung des nationalen Dienstrechtes.2246 Nach Art. 5 III EUV ist ein Tätigwerden des europäischen Gesetzgebers auch nicht erforderlich, da die Mitgliedsstaaten ihr nationales Beamtenrecht am besten regeln werden können,2247 wenigstens was den Kernbestand angeht. Art. 28 GrCh adressiert nur die Aushandlung von Tarifverträgen und kollektive Maßnahmen zur Verteidigung, einschließlich des Streiks. Bei der Regelung von Whistleblowing im Beamtenrecht werden die beamtenrechtlichen Grundsätze nach Art. 33 V GG berührt.2248 So wird der hergebrachte Grundsatz der Amtsverschwiegenheitspflicht stark beschnitten, wenn vom innerbehördlichen Vorrang der Abhilfe abgesehen wird. Würde man die Richtlinie eins zu eins umsetzen, würde man die fehlende Unterscheidung von Arbeitnehmern und Beamten auf europäischer Ebene übernehmen und die Spezifika des Beamtentums, die mit Art. 33 V GG eine grundgesetzliche Kodifikation erfahren haben, negieren. Die Schaffung einer Ausnahmevorschrift von diesen Pflichten ist jedoch erforderlich, um im Bereich des Beamtenrechts Rechtssicherheit für Hinweisgeber zu gewährleisten. Hierbei ist aufgrund der, der Hinweisgebung entgegenstehenden, besonderen Geheimhaltungsinteressen im Beamtenrecht, der Funktionsfähigkeit der Verwaltung und aufgrund des Vertrauensschutzes in die Verwaltung ein abgestuftes Vorgehen erforderlich, das einen Ausgleich der Interessen darstellt.
2244
Empfehlung der Ausschüsse, Empfehlungen 173/1/18, S. 5. Siehe hierzu auch ausführlich Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 92 ff. Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 93, die darauf hinweist, dass allenfalls eine indirekte Einflussnahme, wie beispielsweise bei den Antidiskriminierungsvorschriften, stattfinden kann und dass Freizügigkeits- und Arbeitsschutzregelungen sich aufgrund des unterschiedlichen Verständnisses des Arbeitnehmerbegriffs auch auf Beamte beziehen könnte, siehe Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 93. Auch aus Art. 45 IV AEUV sind die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes explizit ausgenommen. 2247 Klaß, Fortentwicklung Beamtenrecht, S. 126. 2248 Siehe hierzu das Kapitel Rechte und Pflichten des Beamten, S. 155 ff. 2245 2246
388
Kapitel 5: Modellgesetz b) Vorrang des innerbehördlichen Whistleblowings, § 19 I
Im Grundsatz ist bei Beamten weiterhin nur das interne Whistleblowing erlaubt. Hier greifen Amtsverschwiegenheitspflicht, Remonstrationspflicht, Folgepflicht und Dienstweggebundenheit. Unberührt von diesem Stufenmodell bleibt die rechtliche Pflicht des Beamten, die ihn wie jeden anderen Bürger trifft, gemäß § 138 StGB Straftaten zur Anzeige zu bringen. Einen gesetzlich geregelten Sonderfall des Whistleblowings bildet die Anzeige von Korruptionsstraftaten, die ebenfalls durch dieses Stufenmodell unberührt bleiben soll. c) Möglichkeit zum externen Whistleblowing, § 19 II Bei Beamten soll mithin das externe Whistleblowing erlaubt sein, wenn die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung greift, beziehungsweise ein evidenter, besonders schwerer Verfassungsverstoß vorliegt.2249 Damit soll die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung gestärkt werden. Es erfolgt die Klarstellung, dass dies keinen Verstoß gegen beamtenrechtliche Pflichten, also auch nicht gegen die Amtsverschwiegenheitspflicht, die Dienstweggebundenheit und die Remonstrationspflicht darstellt. Die beamtenrechtliche Folgepflicht muss in solchen Fällen ebenfalls entfallen. Die Pflichten treten in diesem Fall hinter die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung zurück. Die Pflicht zur Remonstration entfällt; gleichwohl kann der Beamte, wenn es für seine Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung dienlich erscheint, die stufenweise Remonstration betreiben.2250 d) Meldung an die Öffentlichkeit, § 19 III Eine Meldung an die Öffentlichkeit ist dann möglich, wenn die Voraussetzungen des § 19 II vorliegen, eine Abhilfe durch die zuständige Behörde aber nicht wahrscheinlich ist. Hinzutreten muss noch ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Ein solches wird regelmäßig bei Missständen im Sinne von § 19 II gegeben sein. Dennoch führt eine solche zusätzliche Voraussetzung dazu, dass der Hinweisgeber noch einmal kritisch überprüfen muss, ob tatsächlich ein überwiegendes Informationsinteresse besteht. Damit bleibt die Meldung an die Öffentlichkeit ultima ratio. Datenschutzrechtliche Regelungen Bisherige Gesetzesentwürfe beachteten die datenschutzrechtliche Perspektive des Whistleblowings kaum. In der Literatur wurde sich der Problemstellung hingegen angenommen. Steigert entwarf in ihrer Arbeit einen Paragraph zu diesem Aspekt, den sie mit „Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Rahmen des Betriebs von Whistleblowing-Systeme“ betitelte.2251 Mittlerweile ist durch die Geltung der DSGVO ein neuer datenschutzrechtlicher Rahmen entstanden, an dem sich die datenschutzrechtlichen Vorgänge beim Hinweisgeben messen lassen müssen.
2249
Zu ersterem siehe das Kapitel Bekennen beziehungsweise Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, § 60 I BBG, S. 179 ff., wobei auch Freiheitsrechte und das Demokratieprinzip umfasst sein sollen. 2250 So auch Bäcker, Die Verwaltung 2015, 499 (516). 2251 Steigert, Datenschutz, S. 108.
C. Modellgesetz
389
Die Hinweisgeberrichtlinie macht kaum Vorgaben zur datenschutzrechtlichen Konformität von Hinweisgebersystemen, sondern ordnet in Art. 17 nur an, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten einschließlich des Austauschs oder der Übermittlung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden im Einklang mit der DSGVO und der JI-Richtlinie erfolgt. Informationspflicht und Auskunftsrecht nach § 12 Die Möglichkeiten für Regelungen zur Informationspflicht und zum Auskunftsrecht ergeben sich aus dem lex specialis-Charakter von Art. 16 II der Richtlinie gegenüber der DSGVO, der besagt, dass abweichend von Art. 16 I der Richtlinie die Identität des Hinweisgebers sowie alle anderen in Absatz 1 genannten Informationen nur dann offengelegt werden, wenn dies nach dem Unionsrecht oder nationalem Recht eine notwendige und verhältnismäßige Pflicht im Rahmen der Untersuchungen durch nationale Behörden oder von Gerichtsverfahren darstellt, so auch im Hinblick auf die Wahrung der Verteidigungsrechte der betroffenen Person. Daneben besteht ein Regelungsspielraum für die Mitgliedsstaaten gemäß Art. 23 I lit. i DSGVO.2252 Über Art. 23 I lit. i DSGVO soll eine Ausnahme geregelt werden in § 12. Demnach können die Information und Auskunft auch dann unterbleiben, wenn dies für die Rechte und Freiheiten des Hinweisgebers notwendig ist. Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn trotz des bestehenden Benachteiligungsverbots in § 5 eine Sanktionierung droht, etwa weil das Benachteiligungsverbot nicht durchsetzbar ist. Erwägungsgrund 84 der Richtlinie greift die Einschränkung von Datenschutzrechten der Betroffenen auf und führt aus, dass die Mitgliedstaaten die Wirksamkeit dieser Richtlinie gewährleisten sollen, indem sie unter anderem erforderlichenfalls die Ausübung bestimmter Datenschutzrechte betroffener Personen gemäß Art. 23 I lit. i und e DSGVO durch gesetzgeberische Maßnahmen einschränken, soweit und solange dies notwendig ist, um Versuche, Meldungen zu behindern, Folgemaßnahmen, insbesondere Untersuchungen, zu verhindern, zu unterlaufen oder zu verschleppen oder Versuche, die Identität der Hinweisgeber festzustellen, zu verhüten und zu unterbinden. Verteidigungsrechte betroffener Personen, § 13 Erwägungsgrund 100 der Richtlinie besagt, dass die Mitgliedstaaten die Vertraulichkeit der Identität der betroffenen Person schützen sollen und ihre Verteidigungsrechte nach den im nationalen Recht geltenden Verfahren bei Untersuchungen oder sich daran anschließenden Gerichtsverfahren gewährleisten sollen, wozu auch das Recht auf Akteneinsicht, das Recht auf Anhörung und das Recht auf wirksamen Rechtsschutz gehöre. Die Vertraulichkeit der Identität Dritter wird schon von § 9 aufgegriffen. § 13 stellt zudem klar, dass das Recht auf Akteneinsicht im Strafverfahren unberührt bleibt.
2252
Vgl. Dix, in: Hornung/Simitis/Spiecker, Art. 14, Rn 12, 24. Siehe hierzu auch das Kapitel Unterlassen der Information der betroffenen Person, S. 296 f. Die Richtlinie greift Art. 23 I lit. i DSGVO ebenfalls in Erwägungsgrund 84 auf.
390
Kapitel 5: Modellgesetz Hinweisgebung im Konzern, § 14
Ferner wird auch klargestellt, dass zentralisierte Hinweisgebersysteme im Konzern zwar möglich sind, hierdurch jedoch kein sogenanntes Konzernprivileg besteht und daher die Datenverarbeitungen zwischen den Stellen im Konzern einer Rechtsgrundlage bedürfen.2253 Offenlegung der Identität, § 15 § 15 I gibt – entsprechend der Vorgabe des Art. 16 I der Richtlinie – die grundsätzliche Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers vor. Dies kollidiert allerdings mit dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO.2254 Entsprechend wurde deshalb mit § 12 eine Ausnahmevorschrift zum Schutz der Identität der Hinweisgeber geschaffen. Kein Identitätsschutz besteht nach § 15 II, wenn feststeht, dass der Hinweisgeber bei seiner Meldung vorsätzlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hat. In diesem Fall ist er nach § 15 III über die Offenlegung seiner Identität zu unterrichten, damit er sich effektiv verteidigen kann. Beweislast, § 20 Der Schutzumfang, der einem Whistleblower durch eine gesetzliche Regelung zuteil wird, hängt maßgeblich von der Beweislastverteilung ab. Eine Schutzvorschrift, die den Whistleblower vor Nachteilen und Sanktionen schützen soll, kann diesen nur effektiv schützen, wenn der Whistleblower nicht die Beweislast trägt. Nach dem Maßregelungsverbot nach § 612a BGB trägt aber gerade der Whistleblower die Beweislast für das Vorliegen einer Maßregelung.2255 Da das Whistleblowing aber nicht nur mit offiziell vorgesehenen Sanktionen, sondern häufig auch mit zwischenmenschlichen Sanktionen und Mobbing einhergeht, ist diese Beweisverteilung fatal für den Whistleblower. Er wird regelmäßig gerade nicht nachweisen können, dass er aufgrund von berechtigtem Hinweisgeben eine Sanktion oder einen Nachteil erfahren hat.2256 Art. 21 V der Richtlinie zum Hinweisgeberschutz geht einen anderen Weg als den von § 612a BGB vorgezeichneten und dreht die Beweislast um. Angesichts des Gebots der transparenten Umsetzung, das Deutschland bei der Umsetzung der Richtlinie beachten müsste, wird auch angenommen, dass es äußerst zweifelhaft sei, ob § 612a BGB eine ausreichende Norm in Hinblick auf das Erfordernis eines klaren Sanktionierungsverbotes darstellt.2257 Nur durch die Beweislastumkehr kann sichergestellt werden, dass der Hinweisgeber Nachteile, die er aufgrund seines Whistleblowings erleidet, auch beweisen kann. Die Beweislastumkehr wird im Modellgesetz in § 20 implementiert.
2253
Siehe hierzu das Kapitel Die Übermittlung im Konzern, S. 309. Siehe hierzu das Kapitel Auskunftsrecht gemäß Art. 15 DSGVO, S. 297. Preis, in: Erfurter Kommentar, § 612a BGB, Rn 22; Link, Kündigungsrecht, § 612a BGB, Rn 27. 2256 Für eine Beweislastverteilungsregel zugunsten des Whistleblowers aus diesem Grund Deiseroth, Whistleblowing BSE, S. 225. 2257 Thüsing/Rombey. NZG 2018, 1001 (1006). 2254 2255
C. Modellgesetz
391
Bußgeldvorschriften (§ 21), Schadensersatz (§ 22) und weitere Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung (§ 22) Die Bußgeldvorschrift entspricht dem Gesetzesentwurf der SPD zum Whistleblowing.2258 § 22 greift weitere Ansprüche auf Schadensersatz und Beseitigung und Unterlassung auf. Wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für Hinweisgeber, die wissentlich falsche Informationen gemeldet oder offengelegt haben, wie sie Art. 23 II der Richtlinie verlangt, müssen nicht durch dieses Gesetz implementiert werden, da solche, wie bereits in den vorangegangenen Untersuchungen gezeigt, bestehen. Beteiligung des Datenschutzbeauftragten, § 23 Die Beteiligung des Datenschutzbeauftragten ist klarstellend in § 23 erwähnt. Verhältnis zu anderen Vorschriften, § 24 § 24 I, II adressiert das Zusammenwirken mit dem Geschäftsgeheimnisgesetz. Zudem stellt § 24 III klar, dass § 8 PKGrG unberührt bleibt. Ebenso stellt § 24 IV klar, dass Art. 3 I der Richtlinie unberührt bleibt, wonach spezifische Regeln über die Meldung von Verstößen, die in den in Teil II des Anhangs der Richtlinie aufgeführten sektorspezifischen Rechtsakten enthalten sind, der Richtlinie vorgehen. Finanzielle Anreize? Im Rahmen der Schutzbedürftigkeit von Hinweisgebern ist auch die Frage zu stellen, ob denn eine finanzielle Kompensation des Whistleblowers erstrebenswert sei. Auf den ersten Blick ist es nicht so fernliegend, dass man den Informationen, die der Whistleblower weitergibt, einen gewissen Wert beimisst und die Weitergabe von Informationen dementsprechend auch finanziell entlohnt wird. In anderen Staaten ist eine finanzielle Entlohnung von Whistleblowern bereits Praxis. In den USA existierten sogenannte „Qui Tam“-Klagen, bei denen Whistleblower bei Obsiegen eine Belohnung erhalten.2259 Dabei gibt es die Möglichkeit, dass die Unternehmen selbst die finanziellen Anreize setzen, oder aber der Staat zahlt eine Whistleblower-Prämie. Auch die EU-Kommission hegte in der Vergangenheit
bereits
Pläne,
eine
Whistleblower-Prämie
einführen
zu
wollen.2260
In
§ 32 IV Marktmissbrauchs-VO ist die Möglichkeit zu finanziellen Anreizen erwähnt. Die Richtlinie für Hinweisgeber sieht hingegen keine finanziellen Anreize vor. Bedenken gegenüber finanziellen Anreizen bestehen in der Literatur unter anderem aufgrund der Tatsache, dass Ethikrichtlinien ein moralisches Verhalten fördern sollen, eine finanzielle Entlohnung aber ein von Profitgier geleitetes Verhalten fördern kann.2261 Jeder Whistleblower wird sich von Kritikern der finanziellen Belohnung vorhalten lassen müssen, profitgierig zu sein. Das Betriebsklima
2258
BT-Drs. 17/8567, S. 7. Grützner/Jakob, Compliance A-Z, Qui-Tam-Klagen. Keuchel, Handelsblatt vom 25.10.2012. 2261 Vgl. Simonet, Implementierung Whistleblowing-Systeme, S. 138. Für eine Einführung bei internen Hinweisgebersystemen, Granetzny/Krause, CCZ 2020, 29 (35 f.). 2259 2260
392
Kapitel 5: Modellgesetz
und das Klima der Zusammenarbeit kann eine solche finanzielle Entlohnung nachhaltig stören. 2262 Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass durch finanzielle Anreize das Missbrauchsrisiko steigt.2263 Zudem würde ein finanzieller Anreiz das vorliegend angestrebte Interessengleichgewicht stören. Das Modellgesetz soll den Hinweisgeber möglichst umfassend vor jeglichen Sanktionen und Nachteilen schützen. Einher geht dies mit der Beweislastumkehr, Irrtumsregelungen und dem Entfallen eines Erfordernisses einer bestimmten Motivation zugunsten des Whistleblowers. Diese Regelungen bieten ausreichend Schutz für den Hinweisgeber. Würde man nun noch einen finanziellen Anreiz setzen, würde dies den Hinweisgeber zu sehr begünstigen, gerade weil von ihm nicht verlangt wird, dass er bestimmte Motive beim Whistleblowing aufweist. Bei staatlichen Prämien würde zudem der falsche Anreiz gesetzt, dass sich der Whistleblower vornehmlich an die staatliche Stelle wenden würde, um die finanzielle Belohnung für seine Meldung zu erhalten und nicht die innerbetriebliche Abhilfe suchen würde.2264
2262
Siehe hierzu auch Wrase/Fabritius, CCZ 2011, 69 (70). So auch Buchert, CCZ 2013, 144 (146). 2264 Zu dieser Problematik auch Buchert, CCZ 2013, 144 (147). 2263
Kapitel 6: Zusammenfassende Thesen
I.
Whistleblowing bewegt sich im Spannungsfeld von Macht, Geheimnis und Information (S. 25 ff.).
II.
Unter dem Begriff der Macht können die spezifischen Verhältnisse zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern beziehungsweise Beamten und Dienstherrn näher betrachtet und die in den jeweiligen Verhältnissen vorherrschenden Rechte und Pflichten untersucht werden, die zum Whistleblowing berechtigen können, diesem aber auch entgegenstehen können. Whistleblowing kann dabei insbesondere ein effektives Mittel gegen Machtkollusionen sein, wenn die Macht missbraucht, also nicht wie vorgesehen wahrgenommen wird und/oder die Aufdeckung des Missstandes verhindert werden soll. (S. 25 ff.)
III.
Beim Whistleblowing bestehen sowohl im Unternehmen als auch in Staat und Verwaltung Geheimhaltungsinteressen. Diese stehen dem Whistleblowing entgegen (S. 30 f.).
IV.
Der
Begriff
der
Information
eröffnet
die
Möglichkeit
zur
Betrachtung
der
Informationskanäle beim Whistleblowing. Ein öffentliches Informationsinteresse, das insbesondere dann gegeben ist, wenn die Hinweisgebermeldung auf einen Missstand hinweist, der öffentliche Interessen gefährdet, kann für das Whistleblowing streiten. Unter dem Begriff der Information ist auch der Datenschutz zu adressieren, der die Voraussetzungen von Informationen mit Personenbezug regelt (S. 32 f.; S. 106 ff.; S. 256 ff.; S. 268 ff.). V.
Die Betrachtungen zu der dezisionalen und informationellen Dimension der Privatheit ermöglichen
es,
den
Hinweisgeberschutz
interdisziplinär
anzubinden
und
die
Schutzbedürfnisse des Hinweisgebers herauszuarbeiten. (S. 36 ff.). VI.
Es mangelt in Deutschland an einer umfassenden Hinweisgeberschutzregelung. Dies geht zu Lasten der Rechtssicherheit. Daher ist es notwendig, eine interessenausgleichende Regelung für Hinweisgebung in Deutschland zu schaffen. Diese sollte arbeitsrechtliche, beamtenrechtliche, datenschutzrechtliche, strafrechtliche Aspekte berücksichtigen und den Geheimnisschutzinteressen und Interessen Dritter Rechnung tragen. Mit der Schaffung einer Hinweisgeberschutzregelung wird ein Zeichen dafür gesetzt, dass Whistleblowing von der Gesellschaft und Rechtsordnung positiv zu bewerten ist. (S. 23 ff.)
VII.
Es bestehen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede beim Whistleblowing von Arbeitnehmern im Vergleich zum Whistleblowing bei Beamten. Bei Arbeitnehmern existieren nur vereinzelt gesetzliche Regelungen zum Whistleblowing (S. 59 ff.), sowie
strafrechtliche Grenzen für das Whistleblowing (S. 65 ff.). Ansonsten ist das Whistleblowing im Machtverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber maßgeblich durch die Rechtsprechung geprägt, deren Anforderungen über die Jahrzehnte stetig modifiziert wurden (S. 70 ff.).
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Sixt, Whistleblowing im Spannungsfeld von Macht, Geheimnis und Information, DuD-Fachbeiträge, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32552-7_6
393
394
Kapitel 6: Zusammenfassende Thesen VIII.
Bei Beamten kommen insbesondere die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 V GG zum Tragen. Dies führt dazu, dass der Vorrang der innerbehördlichen Abhilfe präferiert wird, um dem Interessengeflecht und den hergebrachten Grundsätzen Rechnung zu tragen (S. 148ff.)
IX.
Die europäische Rechtsprechung beeinflusst die Anforderungen, die an ein berechtigtes Whistleblowing zu stellen sind, maßgeblich. Hier kommt insbesondere die Rechtsprechung des EGMR zum Tragen. (S. 204 ff.). Auf europäischer Ebene existiert für EU-Beamte ein eigenes Beamtenrecht, das Whistleblowing-Regelungen vorsieht, allerdings können auch diese keinen umfassenden Schutz bieten, wie die Analyse der Rechtsprechung des EuGH zeigt (S. 229 ff.).
X.
Während bei Arbeitnehmern die Kündigung als Sanktion für das Whistleblowing im Vordergrund steht, die häufig mit Existenzverlust einhergeht (S. 70), existiert bei Beamten ein ganzes „Vorfeldnetz“ an disziplinarrechtlichen Maßnahmen, bevor es zur Entlassung aus dem Dienst kommt (S. 187).
XI.
Hinweisgebung
an
die
Öffentlichkeit
birgt
die
größten
Gefahren
für
Geheimnisschutzinteressen und Interessen Dritter. Daher sollte Whistleblowing an die Öffentlichkeit, sowohl für Arbeitnehmer als auch für Beamte, nur unter hohen Anforderungen möglich sein. XII.
Der Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis ist maßgeblich geprägt vom Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, wobei die EU-Geschäftsgeheimnisrichtlinie und das Geschäftsgeheimnisgesetz hier in den letzten Jahren für Änderungen am Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnis und für die Einführung einer WhistleblowerschutzRegelung sorgten, die allerdings nicht ausreichend ist (S. 78 ff.). Flankiert wird der Geheimnisschutz durch strafrechtliche Regelungen (S. 99 ff.).
XIII.
Bei
Beamten
bestehen
aufgrund
ihrer
Stellung
als
Amtsträger
besondere
Strafbarkeitsrisiken im Bereich des Geheimnisschutzes (S. 238 ff.). Gleichzeitig existieren gesetzlich normierte Ausnahmen zum Geheimnisschutz, die allerdings auch keinen umfassenden Schutz bieten (S. 252 ff.). XIV.
Das öffentliche Informationsinteresse bzw. öffentliche Interesse kann dem Whistleblowing entgegenstehende Interessen in der Abwägung zurücktreten lassen (S. 106 ff.). Problematisch ist das Whistleblowing auf Enthüllungsplattformen wie Wikileaks, da es Geheimnisschutzinteressen und Interessen Dritter aufgrund mangelnder Recherche und Überprüfung, wie sie bei journalistischen Veröffentlichungen vorgenommen werden, zu stark beeinträchtigt. (S. 119 ff.).
XV.
Das Informationsinteresse des Arbeitgebers und das Informationsinteresse des Dienstherrn decken sich. Das öffentliche Informationsinteresse kann, ebenso wie im Arbeitsverhältnis, Auswirkung auf die Zulässigkeit des Whistleblowings haben. Als Besonderheit besteht
Kapitel 6: Zusammenfassende Thesen
395
gegenüber der Verwaltung der Anspruch auf Informationszugang des Bürgers, der eine Abkehr von der Arkantradition in der Verwaltung darstellt (S. 257 ff.). XVI.
Sowohl im Arbeitsverhältnis als auch im Beamtenverhältnis finden sich die maßgeblichen Regelungen zum Datenschutz in der DSGVO und im BDSG wieder. Beim Whistleblowing kommt insbesondere § 26 BDSG zum Tragen, der sowohl im Arbeits- als auch im Beamtenverhältnis Anwendung findet. Sobald eine gesetzliche Verpflichtung zur Einführung eines Hinweisgebersystems existiert, können die damit zusammenhängenden Datenverarbeitung auf Art. 6 I lit. c DSGVO gestützt werden (S. 268 ff.).
XVII. Die Einführung von Hinweisgebersystemen führt zur effektiven Missstandsbeseitigung und zeigt, dass Whistleblowing erwünscht ist. Beim Betrieb von Hinweisgebersystemen müssen jedoch der Datenschutz und die IT-Sicherheit stets gewährleistet werden und die Identität des Hinweisgebers vertraulich behandelt werden. Es gibt verschiedene Stellen in Unternehmen und Verwaltung, die als Hinweisgeberstellen in Betracht kommen, wobei die passende Auswahl anhand des Einzelfalls vorgenommen werden muss (S. 123 ff.; 264 ff.). XVIII. Die europäische Hinweisgeberrichtlinie erzeugt Umsetzungsbedarf. Der nationale Gesetzgeber sollte diesen zum Anlass nehmen, ein umfassendes Hinweisgebergesetz zu erlassen. Dabei sollte die Umsetzung einen Gleichlauf zwischen der Meldung von Unionsrechtsverstößen nach der Richtlinie und der Meldung von Missständen im nationalen Recht anstreben, um ein Auseinanderfallen der Regelungsregime zu vermeiden. Allerdings sollten dennoch die nationalen Spezifika, wie etwa die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 V GG ausreichend Berücksichtigung finden. (S. 356; S 372 f.) XIX.
Die Umsetzung sollte dabei folgenden Regelungsgrundsätzen folgen, die zugleich zentrale Ergebnisse der Arbeit sind und sich in den Regelungen des Modellgesetzes widerfinden: -
Hinweisgeber sind in ihrer dezisionalen und informationellen Privatheit umfassend zu schützen. Dies wird durch ein Verbot von Sanktionen bei berechtigtem Whistleblowing, einem umfassenden Schutz, der auch dem Datenschutz und der Datensicherheit Rechnung trägt und einer Vorgabe von Voraussetzungen für ein berechtigtes Whistleblowing im Hinweisgeberschutzgesetz erreicht.
-
Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird durch die effektive Förderung der Hinweisgebung durch ein Hinweisgeberschutzgesetz Rechnung getragen.
-
Durch umfassende Benachteiligungsverbote wird der angestrebte vollumfängliche Schutz des Hinweisgebers erreicht (S. 364 f.), der bislang so dem deutschen Recht fremd ist. Hinweisgeber, die leichtfertig oder vorsätzlich falsche Angaben machen, werden nicht geschützt (S. 365). Dadurch wird Denunziation vorgebeugt.
-
Hinweisgeben ist nach dem Modellgesetz jede tatsachenbezogene Meldung über einen Missstand, was wiederum jede Straftat und jedes rechtswidrige Verhalten
396
Kapitel 6: Zusammenfassende Thesen erfasst, die bzw. das einem Hinweisgeber bei oder bei Gelegenheit seiner beruflichen Tätigkeit bekannt wurde oder die bzw. das im Zusammenhang mit dem Betrieb bzw. der Dienststelle steht. (S. 364) Ebenso ist ein Verdacht meldbar. Unethisches Verhalten wird nicht erfasst, der Verantwortliche kann aber vorsehen, dass unethisches Verhalten meldbar ist (S. 367). Anonyme Meldungen sind nicht erlaubt, da sie keine Rückfragen ermöglichen und Denunziation begünstigen können. Sollten dennoch anonyme Meldungen eingehen, kann ihnen aber bei konkreten Anhaltspunkten nachgegangen werden (S. 367). -
Obgleich die Richtlinie dem Vorrang der innerbetrieblichen Abhilfe eine Absage erteilt und damit den widerstreitenden Interessen beim Whistleblowing, insbesondere den Geheimhaltungsinteressen, nicht ausreichend Rechnung trägt, sollte ein Vorrang der innerbehördlichen Abhilfe beibehalten werden. Dies trägt auch den Spezifika im Machtverhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten am besten Rechnung, die maßgeblich in den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums fußen.
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Albers, Marion
Informationelle
Selbstbestimmung
als
vielschichtiges Bündel von
Rechtsbindungen und Rechtspositionen, in: Friedwald/Lamla/Roßnagel (Hrsg.),
Informationelle
Selbstbestimmung
im
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Strafrechtliche Risiken des Whistleblowings, in: ArbR 2012, 58-61.
Zydra, Markus
Enthüllen
verboten,
in:
SZ
vom
6.6.2016.
URL:
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/whistleblower-gesetz-enthuellenverboten-1.3022169.
Abkürzungsverzeichnis a.A.
andere Ansicht
Abs.
Absatz
AEUV
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
a.F.
alte Fassung
AfP
Archiv für Presserecht (Zeitschrift)
AGG
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
AktG
Aktiengesetz
Alt.
Alternative
AO
Abgabenordnung
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)
apf BW
Ausbildung-Prüfung-Fachpraxis Baden-Württemberg (Zeitschrift)
ArbnErfG
Arbeitnehmer-Erfindungsgesetz
ArbR
Arbeitsrecht Aktuell (Zeitschrift)
ArbSchG
Arbeitsschutzgesetz
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
AuR
Arbeit und Recht (Zeitschrift)
BaFin
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BAGE
Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts
BayVGH
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
BB
Betriebsberater (Zeitschrift)
BBankG
Bundesbankgesetz
BBG
Bundesbeamtengesetz
BBiG
Berufsbildungsgesetz
Bd.
Band
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Sixt, Whistleblowing im Spannungsfeld von Macht, Geheimnis und Information, DuD-Fachbeiträge, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32552-7
450
Abkürzungsverzeichnis
BDG
Bundesdisziplinargesetz
BDSG
Bundesdatenschutzgesetz
BeckOK
Beck’scher Onlinekommentar
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGH
Bundesgerichtshof
BGHSt
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BImSchG
Bundesimmissionsschutzgesetz
BND
Bundesnachrichtendienst
BPersVG
Bundespersonalvertretungsgesetz
BRHG
Bundesrechnungshofgesetz
BRJ
Bonner Rechtsjournal (Zeitschrift)
BSE
Bovine spongiforme Enzephalopathie
BSt
Statut der Beamten der Europäischen Union
BT-Drs.
Bundestags-Drucksache
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
bzw.
Beziehungsweise
CCZ
Corporate Compliance Zeitschrift
CDU
Christlich Demokratische Union Deutschlands
CSU
Christliche Soziale Union Deutschlands
CuA
Computer und Arbeit (Zeitschrift)
DBG
Deutsches Beamtengesetz
Abkürzungsverzeichnis
451
DGB
Deutscher Gewerkschaftsbund
ders.
Derselbe
d.h.
das heißt
DÖD
Der öffentliche Dienst (Zeitschrift)
DÖV
Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)
DPolBl
Deutsches Polizeiblatt (Zeitschrift)
Drs.
Drucksache
DSRL
Datenschutzrichtlinie
DSGVO
Europäische Datenschutz-Grundverordnung
DuD
Datenschutz und Datensicherheit (Zeitschrift)
DVBl
Deutsches Verwaltungsblatt
DVP
Deutsche Verwaltungspraxis (Zeitschrift)
EG
Europäische Gemeinschaft
EGMR
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EMRK
Europäische Menschenrechtskonvention
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
EuG
Europäisches Gericht
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EuGöD
Gericht für den öffentlichen Dienst der europäischen Union
EuR
Europarecht (Zeitschrift)
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EuZA
Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
FDP
Freie Demokratische Partei
f./ff.
Folgende
452
Abkürzungsverzeichnis
FG
Festgabe
FinDAG
Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz
FS
Festschrift
GenTG
Gentechnikgesetz
GeschGehG
Geschäftsgeheimnisgesetz
GewO
Gewerbeordnung
GG
Grundgesetz
GrCh
EU-Grundrechtecharta
GRUR
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift)
GWG
Geldwäschegesetz
GWR
Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)
HFR
Humboldt Forum Recht (Zeitschrift)
h.M.
herrschende Meinung
Hrsg.
Herausgeber
IFG
Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes
IJHR
International journal of human rights
IT
Informationstechnologie
i.V.m.
in Verbindung mit
JA
Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift)
Jura
Juristische Ausbildung (Zeitschrift)
JuS
Juristische Schulung
JZ
Juristenzeitung (Zeitschrift)
KAGB
Kapitalanlagengesetzbuch
KJ
Kritische Justiz (Zeitschrift)
KWG
Kreditwesengesetz
LAG
Landesarbeitsgericht
Abkürzungsverzeichnis LfDI BW
453 Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit BadenWürttemberg
LG
Landgericht
lit.
littera
MAR
Markmissbrauchs-Verordnung
MDK
Medizinischer Dienst der Krankenversicherung
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift)
MMR
Multimedia und Recht (Zeitschrift)
MSchrKrim
Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform (Zeitschrift)
MüKo
Münchner Kommentar
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
n.F.
neue Fassung
NJOZ
Neue Juristische Online-Zeitschrift
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr.
Nummer
NStZ
Neue Juristische Zeitschrift für Strafrecht (Zeitschrift)
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
NVwZ-RR
Neue
Zeitschrift
für
Verwaltungsrecht,
Rechtsprechungs-Report
(Zeitschrift) NYSE
New York Stock Exchange
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
NZA-RR
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, Rechtsprechungs-Report
NZG
Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
NZWiSt
Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht
OLG
Oberlandesgericht
OWiG
Ordnungswidrigkeitengesetz
454
Abkürzungsverzeichnis
öAT
Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht
PersV
Personalvertretung (Zeitschrift)
PinG
Privacy in Germany (Zeitschrift)
PKGrG
Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes
RdA
Recht der Arbeit (Zeitschrift)
RDV
Recht der Datenverarbeitung (Zeitschrift)
RG
Reichsgericht
RL
Richtlinie
Rn.
Randnummer
Rs.
Rechtsache
RW
Rechtswissenschaft (Zeitschrift)
s.
Siehe
S.
Seite
SG
Soldatengesetz
SGB I
Sozialgesetzbuch I
sog.
so genannte (r/s/n)
SOX
Sarbanes-Oxley Act
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
SRP
Sozialistische Reichspartei
StGB
Strafgesetzbuch
StPO
Strafprozessordnung
str.
Streitig
SZ
Süddeutsche Zeitung
ThürVBl
Thüringer Verwaltungsblätter
Abkürzungsverzeichnis TRIPS
455 Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums
u.a.
unter anderem / und andere
UIG
Umweltinformationsgesetz
ULD
Unabhängiges Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein
UN
United Nations / Vereinte Nationen
URL
Uniform Resource Locator
U.S.
United States (of America)
UWG
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
v.
von / vom /versus
VAG
Versicherungsaufsichtsgesetz
VG
Verwaltungsgericht
vgl.
Vergleiche
VIG
Verbraucherinformationsgesetz
Vol.
Volume
VR
Verwaltungsrundschau (Zeitschrift)
VVDStRL
Veröffentlichung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
VwVfG
Verwaltungsverfahrensgesetz
WBO
Wehrbeschwerdeordnung
WBeauftrG
Wehrbeauftragtengesetz
WM
Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht
WP
Working Paper
WpHG
Wertpapierhandelsgesetz
WPO
Wirtschaftsprüferordnung
WRP
Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift)
WStG
Wehrstrafgesetz
456
Abkürzungsverzeichnis
WTO
Welthandelsorganisation
z.B.
zum Beispiel
ZBR
Zeitschrift für Beamtenrecht (Zeitschrift)
ZCG
Zeitschrift für Corporate Governance
ZD
Zeitschrift für Datenschutz (Zeitschrift)
ZEuP
Zeitschrift für Europäisches Privatrecht
ZIS
Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik
ZJS
Zeitschrift für das juristische Studium
ZPO
Zivilprozessordnung
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift)
ZTR
Zeitschrift für Tarifrecht
ZUM
Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (Zeitschrift)
Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde teilweise auf die geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen in dieser Arbeit sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.